weltzeit Das Magazin der Deutschen Welle
Ausgabe 1 | 2012
DW – Die neue Perspektive Neues Fernsehen, neue Webseite, neuer Look
Mitveranstalter
internatiOnale KOnFerenz 25.–27. Juni 2012 WOrld cOnFerence center BOnn
unterstützt durch
www.dw-gmf.de
Mitveranstalter
unterstützt durch
Editorial
Es ist ein besonderer Tag in der bald 60-jährigen Geschichte der Deutschen Welle: Der 6. Februar 2012 steht für den Start von gleich drei bedeutenden Neuerungen. Zum einen bauen wir unser T V-Angebot erheblich aus – insbesondere für Lateinamerika. Dort zeigen wir unseren Zuschauern nun ein umfassendes Programm in spanischer Sprache. Insgesamt sendet das deutsche Auslandsfernsehen jetzt sechs Programme, die nach Sprache und Inhalten unterschiedlich ausgerichtet sind. Sie orientieren sich noch besser an den Erwartungen unseres Publikums in den jeweiligen Kontinenten. Zweitens sind wir mit einem vollständig überarbeiteten Internetauftritt online. Unser vielsprachiges, multimediales Angebot ist künftig unter der neuen, prägnanten Adresse dw.de abrufbar. Mit dieser modernen Webseite schaffen wir klare Sicht für unsere Nutzer. Hier haben wir viel Raum für Aktuelles und Hintergrundinformationen. Denn als Quelle verlässlicher Informationen aus Deutschland macht es sich
die DW vor allem zur Aufgabe, über wichtige Ereignisse und Entwicklungen schnell zu berichten, sie einzuordnen, Vorgänge zu analysieren und Zusammenhänge zu erklären. Im Internet führen wir alle Angebote der DW und alle medialen Darstellungsformen zusammen.
»Wir wollen noch weit mehr Menschen in aller Welt erreichen!« Auf dem Weg zum internationalen Multimediaunternehmen hat die Deutsche Welle damit einen weiteren Schritt getan. Multimedia – das ist für uns kein Schlagwort. Zug um Zug wachsen nun Redaktionen zusammen, die vorher nach Medien getrennt gearbeitet haben. Zug um Zug gestalten wir
unsere Angebote unabhängig von Standorten und Plattformen. Und damit wir uns auf traditionellen wie auf neuen Medien optimal positionieren können, haben wir auch unser Erscheinungsbild überarbeitet und unsere Marke DW im Wettbewerb unverkennbar aufgestellt. Denn das Ziel aller Innovationen ist: Wir wollen noch weit mehr Menschen in aller Welt erreichen! Und zwar als Anbieter von qualitativ hochwertigen journalistischen Produkten. Das ist unser Anspruch, das zeichnet die Marke DW aus. Lesen Sie mehr dazu in dieser weltzeit – die im Zuge der Neuerungen ebenfalls ein frisches Gesicht bekommen hat. Wir würden uns freuen, wenn Sie dieses Gesicht sympathisch finden – und wenn Sie der Deutschen Welle gewogen bleiben.
Christoph Lanz und Christian Gramsch Multimediadirektor Global Multimediadirektor Regionen
Deutsche Welle
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Welt anschauen
Lindita Arapi – Ihren Töchtern liest sie
Märchen und Legenden aus Albanien vor – auf Albanisch, ihrer Muttersprache. Lindita Arapi führt eine Familientradition fort: Ihr Vater hatte ihr Geschichten erzählt, von Menschen und ihrem Schicksal. „Er war ein großer Erzähler“, erinnert sie sich. Jetzt schreibt sie selbst Geschichten. Vor kurzem den Roman „Schlüsselmädchen“, der von drei Frauen in Albanien handelt. Die Erzählung führt von der Zeit der Diktatur bis zur Gegenwart und zeigt die Lebenswelt in dem südeuropäischen Land. Leser und Kritiker in Albanien schenkten dem Werk so viel
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Beachtung, dass Lindita Arapi Ende 2011 dafür zur „Schriftstellerin des Jahres“ gewählt wurde. Nachdenklichkeit, Beobachtungsgabe und Sensibilität, das sind wohl die wichtigsten Züge der 39-jährigen Autorin, die als eine der bedeutendsten albanischen Schriftstellerinnen der Gegenwart gilt. Lindita Arapi arbeitet in der Albanisch-Redaktion der DW in Bonn. „Journalistisches und schriftstellerisches Arbeiten ergänzen sich, unterscheiden sich aber manchmal im Tempo. Schriftstellerisches braucht mehr Zeit.“ Ende 2012 kommt ihr Roman „Schlüsselmädchen“ auf Deutsch in den Buchhandel.
Inhalt 24 Kolumne: Das Läuft Multimediaprojekt Migration
Aktuelles erfahren 6
DW Global Media Forum 2012 Kultur. Bildung. Medien. Internationale Konferenz vom 25. bis 27. Juni 2012
heimat erleben 25 Deutsch multimedial fördern Gastbeitrag von Wolfgang Börnsen
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Beethoven in Venedig Hot Bird TV Award für Beethoven-Projekt 7
medienwelt einordnen 27 Die fliegenden Augen Der „Drohnen-Journalismus“
Splitter
titelthema
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8 Der Schlüssel für Lateinamerika
28 Getwitter
Mehr Fernsehen auf Spanisch
gestern reflektieren
14 „Im Interesse unseres Landes“
29 20 Jahre Auslandsfernsehen Geschichte eines steten Ausbaus
Interview mit dem Intendanten
unterwegs sein
16 Die Informationszentrale
30 Reportage aus Russland Vernetzte Jugend wendet sich ab und wandert aus
dw.de – die neue Adresse im Netz 19 Die neue Verpackung DW – die unverwechselbare Marke andere verstehen
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20 Brasilien neu entdeckt Die deutsch-brasilianischen Kulturbeziehungen und die Rolle der DW
32 Kolumne: Kulturtransfer Eisbaden in Russland Position beziehen 33 Neue Freiheit in Myanmar
Der Kommentar
22 Kolumne: Wir sprechen Brasilianisch
33 Impressum
23 Jugend diskutiert Talkformat von DW und Al Hayah TV
menschen begegnen 34 Pía Castro
Volltreffer mit Latino-Power
24 Quelle der Inspiration
Blogger-Treffen in Tunis
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Deutsche Welle
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©© gettyimages
aktuelles erfahren
Bildung ist Zukunft Das Deutsche Welle Global Media Forum 2012 greift das Zukunftsthema Bildung auf und stellt die Rolle der Medien in den Fokus. Zahlreiche Partnerorganisationen beteiligen sich an der fünften Auflage des Kongresses.
Weltweit sind 850 Millionen Menschen Analphabeten. Gleichzeitig erscheint die Welt wie eine globale Informationsgesellschaft, die uns jederzeit und überall abrufbares Wissen auf Knopfdruck liefert. So unterschiedlich die Voraussetzungen für Menschen in der globalisierten Welt sind, so offensichtlich erscheint die Erkenntnis: Erziehung, Kultur und Bildung sind die Schlüssel für ein friedliches Nebeneinander und ein zukunftsfähiges Leben. Das Deutsche Welle Global Media Forum setzt das Thema Bildung in den Kontext
des interkulturellen Dialogs und stellt die Frage nach Rolle und Verantwortung der Medien. Was können Medien leisten, um das Bewusstsein für die Bedeutung von Bildung für nachhaltige Entwicklung zu fördern? Können Medien selbst Aufgaben von Bildung und Erziehung übernehmen? Haben sie Vorbildfunktion? Zur Konferenz vom 25. bis 27. Juni 2012 in Bonn erwartet die DW wieder rund 1.500 Teilnehmer aus 100 Ländern. In mehr als 50 Veranstaltungen werden sie über das Recht auf Bildung, kulturelle Vielfalt, politische
Beethoven in Venedig Bei der Verleihung des jüngsten „Hot Bird TV Award“ in Venedig wurde die DW-Produktion „Das Beethoven-Projekt“ in der Kategorie Bestes Programm ausgezeichnet. Im prächtigen Saal der 800 Jahre alten „Scuola Grande San Giovani Evangelista“ zu Venedig gab es großen Applaus für den DW-Film. Vor 250 europäischen TV-Managern nahm Regisseur Christian Berger den Preis entgegen. Die Jury begründete die Entscheidung mit „dem hochqualitativen Produktionsstandard, der mit außergewöhnlicher inhaltlicher Originalität“ einhergehe. Der Film erreiche sein Publikum „über alle Sprach- und Kulturgrenzen hinweg“. 159 Fernsehsender aus zehn Ländern hatten Produktionen zum Wettbewerb um den 14. „Hot Bird TV Award“ eingereicht, der in zehn Kategorien verliehen wurde. Für das „Beethoven-Projekt“ ist der Preis in Venedig die 14. internationale Auszeichnung. Der Film wurde unter anderem mit dem „Preis der Deutschen Schallplattenkritik“ und dem GRAND AWARD beim WorldMediaFestival Hamburg ausgezeichnet und lief bei Filmfestivals in Montreal, Ghuangzhou, Rhodes Island und Cincinnati. Die Koproduktion von DW, Unitel (München) und BFMI (Salzburg) ist bei Sony Music auf DVD erschienen. www.dw.de/das-beethoven-projekt
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Kultur und interkulturellen Dialog, Nachhaltigkeit und neue Methoden des Lernens diskutieren. Das Deutsche Welle Global Media Forum bringt Medienvertreter aus aller Welt – darunter zahlreiche Partnersender des deutschen Auslandsrundfunks – mit Akteuren aus Politik, Kultur, Wirtschaft, Entwicklungszusammenarbeit und Wissenschaft zusammen. Schirmherrin der diesjährigen Konferenz ist die Deutsche Unesco-Kommission. www.dw-gmf.de
©© picture alliance/Rogulin Dmitry
Die hungrige Welt Sieben Milliarden Menschen leben auf der Erde – fast eine Milliarde leidet an Hunger. Und die Weltbevölkerung wächst weiter, jährlich um gut 78 Millionen Menschen. Gleichzeitig werden allein in Deutschland mehrere Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich vernichtet. Das Multimediaprojekt „Die hungrige Welt“ berichtet über Hintergründe. DW-Journalisten aus aller Welt dokumentieren Ursachen und Folgen von Hungerkatastrophen, „die oft Ergebnis verfehlter Politik sind und bestimmten wirtschaftlichen Interessen geschuldet“, so Chefredakteurin Ute Schaeffer. Das Multimediaprojekt mache deutlich: Jeder könne mit seinem Konsumverhalten etwas dagegen tun. www.dw.de/hunger
Our Radio! „Our Radio!“ ist ein gemeinsames Projekt der DW Akademie, der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Ghana Independent Broadcasters Association (GIBA). Ziel ist eine funktionierende Vernetzung von zehn lokalen Radiosendern aus fünf Regionen des Landes. In Zukunft sollen sie ihre Programme untereinander austauschen. Für zunächst zwei Jahre unterstützt sie dabei ein Radioexperte der DW, der vor Ort arbeiten wird. Die DW Akademie begleitet das Projekt zudem kontinuierlich mit Trainings für Manager, Redakteure und Techniker der beteiligten Sender.
Eröffnung DW-Intendant Erik Bettermann hat Mitte Dezember in Tunis ein Büro der DW Akademie eröffnet. Von hier soll die Medienförderung in Nordafrika koordiniert werden. Zur Eröffnung kamen der deutsche Botschafter Horst-Wolfram Kerll und der Generaldirektor des Rundfunkverbands der arabischen Staaten (ASBU), Salah Eddine Maaoui. Zuvor hatte Bettermann als Gast auf der ASBU-Generalversammlung über die Rolle der Medien für eine freiheitliche Gesellschaft gesprochen. Die DW Akademie ist seit Februar 2011 in Tunesien aktiv. Sie bietet Training und Beratung für private und staatliche Radio- und TV-Sender an.
Musikbrücke
Multimediaprojekt: „Hunger ist oft Ergebnis verfehlter Politik“
Mit Konzerten und Workshops in Salvador da Bahia und São Paulo (Brasilien) ist das Polyphonia Ensemble Berlin bei Studenten, Publikum und Medien auf großes Interesse gestoßen. Auf Initiative der DW und unterstützt vom Auswärtigen Amt arbeiteten die sechs Mitglieder des Deutschen Sinfonieorchesters Berlin (DSO) fünf Tage mit Studenten des Jugendorchesters von Bahia. Beim Konzert in Salvador da Bahia im mit 1.600 Menschen ausverkauften „Teatro Castro“ wurden auch die Kompositionen des brasilianischen Künstlers André Mehmari aufgeführt, die die DW im Rahmen des Beethovenfests Bonn in Auftrag gegeben hatte.
Deutsche Welle
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Titelthema
Text Bernd Pickert | Bilder Jan Röhl (auch Titelfoto)
Der Schlüssel für Lateinamerika Seit 6. Februar ist die Deutsche Welle täglich mit einem 20-stündigen Fernsehprogramm in spanischer Sprache auf dem lateinamerikanischen TV-Markt. Zuvor hatte sie auf dem Kontinent lediglich zwei Stunden auf Spanisch gesendet. Die Programmmacher sind überzeugt: Das neue TV-Angebot wird beim Publikum auf großes Interesse stoßen.
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Letzte Absprachen vor dem Programmstart: Redaktionsleiter Carlos Delgado und Moderatorin Pía Castro (auch Titelfoto)
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ie lateinamerikanischen Fernsehzuschauer sehnen sich nach objektiver Information“, sagt Gonzalo Caceres. Der in den Siebzigerjahren aus Chile nach Deutschland emigrierte Journalist ist das bekannteste Gesicht der spanischsprachigen Sendungen der DW. Viele Jahre lang hat er sowohl die Nachrichtensendung Journal moderiert als auch die politische Diskussionsrunde Cuadriga. Mit dem Start des 20-stündigen Spanisch-Programms zieht es Caceres zurück nach Lateinamerika, wo er der Deutschen Welle in anderer Funktion erhalten bleiben wird. Er sieht große Chancen für das DW-Angebot: „Die deutsche Art des Journalismus, eine Berichterstattung, die sich um Objektivität bemüht und nicht sensationslüstern ist – das ist eine Seltenheit im lateinamerikanischen Fernsehen“, sagt Caceres. Auch das, wofür Deutschland stehe, beispielsweise das Modell eines demokratischen Sozialstaates, sei für Lateinamerika ausgesprochen attraktiv. Dabei steht DW (Latinoamérica) unter anderem in Konkurrenz mit den spanischsprachigen Angeboten von CNN und
RT (Russia Today), auch mit dem in Miami produzierten Programm von Univisión, das ursprünglich für die Hispanics in den USA entworfen wurde, aber in vielen Ländern Zentralamerikas zu empfangen ist. Ein spanisches Programm bietet zudem der chinesische Sender CCTV.
»Objektive Berichterstattung ist eine Seltenheit im lateinamerikanischen Fernsehen.« Ein reiner Nachrichtenkanal soll das Fernsehen der DW auch in Lateinamerika nicht werden. „Informationssuchende auf dem Kontinent wollen aktuell und gut informiert werden. Sie suchen aber auch neue Ideen, andere Perspektiven: neue
Tendenzen in Kultur und Lifestyle, alternative Geschäftsmodelle, Neues in der Umwelttechnik etwa. Hier haben Deutschland und Europa viel zu bieten. Und hier haben auch wir mit unserer Programmvielfalt jede Menge zu bieten“, erläutert Redaktionsleiter Carlos Delgado. Dabei sieht sich die Deutsche Welle auch als ein Garant der Meinungsfreiheit in politisch schwierigen Situationen. Als etwa mit dem Putsch im Juni 2009 der honduranische Präsident Manuel Zelaya abgesetzt wurde, sendete die DW als einzige ausländische Station ein Interview mit Zelaya – das sie nur aufgrund der guten Kontakte ihres honduranischen Partnersenders SDRT-UNAH hatte führen können. Die massive Ausweitung des spanischen TV-Programms bedeutet die größte Investition und Umschichtung von Ressourcen innerhalb der Deutschen Welle im Jahr 2012. Intendant Erik Bettermann sagt: „Unser ausgeweitetes Engagement in Lateinamerika spiegelt die Bedeutung des Kontinents für die deutschen Außenbeziehungen wider. Es untermauert die engen kulturellen und historischen »
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Titelthema
Konzentriert: Andrés Blumenkranz, Redakteur im Studio der Sendung Lorem ipsum To es nihil ipsam, elenis ea doles voEconomía actual loreped quaerorem facestis sunt et doloresed
» Verbindungen.“ Dabei hat Deutschland den Vorteil, mit Lateinamerika keine koloniale Vergangenheit zu teilen wie Spanien, auch keine der hegemonialen Beziehungen wie die USA. Größere Glaubwürdigkeit Auch das verschafft deutschen Standpunkten und deutschem Journalismus beim lateinamerikanischen Publikum größere Glaubwürdigkeit gegenüber der Konkurrenz von CNN oder dem spanischen TVE – gar nicht zu reden von Hispan TV aus Teheran; seit einigen Wochen ist das spanischsprachige Programm der iranischen Regierung in Lateinamerika per Satellit zu empfangen. Ein eigenes lateinamerikanisches Fernsehprojekt ist „Telesur“, unter venezolanischer Führung 2005 ins Leben gerufen. Es gibt einerseits die politischen Standpunkte der venezolanischen Regierung unter Präsident Hugo Chávez und der mit ihr verbündeten Regierungen Argentiniens, Boliviens, Kubas, Ecuadors und Nicaraguas wieder; andererseits stellt es Platz
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für Eigenproduktionen von – linken – Medienkollektiven zur Verfügung. Der Markt ist also eng. Die Deutsche Welle will daher mit eigenen Schwerpunkten Attraktivität erzielen. Themen aus Politik, Kultur, Lifestyle und Umwelt sollen das Gesicht des Programms prägen, bei der politischen Berichterstattung werden lateinamerikanische, internationale und deutsche Themen gleichermaßen aufgearbeitet.
»Die Zuschauer suchen neue Ideen und andere Perspektiven.« Mehr als 20 neue Sendungen sind ins spanische Programm aufgenommen worden, Adaptionen von bisher schon im Deutschen und Englischen laufenden Formaten, auch neu konzipierte Formate – wie Alema-
nia con acento, Agenda und Reporteros en el mundo. Andere, wie die wöchentliche Diskussionssendung Cuadriga aus dem Produktionsstudio am Brandenburger Tor, werden verlängert.
Partner für Erfolg Noch mehr als bisher setzt die DW auf Koproduktionen wie die Diskussionssendung „Debates sin fronteras“ (Debatten ohne Grenzen) mit Moderator Gonzalo Caceres. Im November vergangenen Jahres kam die Sendung aus Guadalajara, gemeinsam produziert mit dem mexikanischen SJRTV. Weitere Ausgaben wurden 2011 unter anderem in Chile, Panama und Paraguay produziert. Mit neuem Zuschnitt und dem neuen Titel Claves wird die Diskussionsrunde auch künftig in verschiedenen Ländern Lateinamerikas mit Partnern gemeinsam produziert und einen festen Bestandteil des Programms bilden. „Claves soll – wie der Name verspricht – den Schlüssel zum Verständnis von globalen und deshalb komplexen Themen liefern“, so Delgado.
Entspannt: Redakteurin Anaïs Senli
Die wichtigste Aufgabe, dessen sind sich auch die Programmplaner bewusst, wird in den nächsten Jahren darin bestehen, die Reichweite auszudehnen und das Programm in Lateinamerika flächendeckend anbieten zu können. Zwar ist die Deutsche Welle überall auf dem Kontinent über den Satelliten Intelsat-9 empfangbar. Wichtiger ist für die DW jedoch die Zusammenarbeit mit nationalen Partnersendern, die DWSendungen in ihr Angebot übernehmen, und die Ausstrahlung des Gesamtprogramms über nationale Kabelnetze und Satellitenanbieter. „Partner vor Ort sind der Schlüssel zum Erfolg in Lateinamerika“, sagt Intendant Bettermann. Er bereiste im Juli 2011 Mexiko, Chile, Paraguay, Panama, Brasilien und Kolumbien, sprach mit Partnerorganisationen und -sendern und stellte ein großes Interesse an vertiefter Zusammenarbeit fest.
Videos für Brasilien Das portugiesischsprachige Brasilien bleibt bei der jetzigen Programmerweiterung im
Fernsehen zwar außen vor. Jedoch bietet das größte brasilianische Kabelunternehmen „Net“ bereits seit Jahren seinen über vier Millionen zahlenden Abonnenten das
»Partner vor Ort sind der Schlüssel zum Erfolg in Lateinamerika.« DW-Fernsehen. Eigene portugiesischsprachige TV-Produktionen sind in Planung – beispielsweise in den Bereichen Wissenschaft und Bildung. Die DW will diese Videoproduktionen insbesondere über reichweitenstarke Partner verbreiten. Vorerst findet das Publikum das ebenfalls zum 6. Februar neu gestaltete Online-Angebot auf Portugiesisch (dw.de/brasil). Bislang übernehmen rund 900 Partner in Lateinamerika DW-Angebote, vor allem
das schon bisher auf Spanisch produzierte Journal, die Dokumentationen und Reportagen der Reihe Prisma und den Polit-Talk Cuadriga. Diese Sendungen sind auch bislang schon als Video im Internetangebot der DW abrufbar. Für die Deutsche Welle ist die Zusammenarbeit mit weiteren Partnern auf dem gesamten Kontinent von herausragender Bedeutung. „Wir sind überzeugt, dass unser neues TV-Angebot für Lateinamerika ein Riesenerfolg wird“, so Redaktionsleiter Delgado. www.dw.de/spanish
Bernd Pickert ist Lateinamerika-Redakteur der taz (die tageszeitung) und regelmäßiger Gast der Diskussionssendung Cuadriga im spanischen TV-Programm der DW
Deutsche Welle
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Titelthema
Verbreitung der DW-Fernsehprogramme
DW (Europe)
DW (Amerika)
DW (Arabia)
DW (Latinoamérica)
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D 24 h
24 h E
DW (Amerika)
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E 24 h
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DW (Latinoamérica)
D Deutsch | E Englisch | S Spanisch | A Arabisch
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E DW
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DW (Europe)
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DW
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DW (Arabia)
Weltweit neues TV-Angebot Die Deutsche Welle ist künftig auf allen Kontinenten – bis auf Afrika südlich der Sahara – mit zwei Fernsehkanälen präsent. Die sechs Sendeschienen sind regional unterschiedlich ausgerichtet. DW ist der Basiskanal, zu empfangen in Nordamerika, Afrika, Asien und Australien. Der Kanal bietet täglich 24 Stunden auf Englisch. DW (Europe) sendet 18 Stunden Englisch und sechs Stunden Deutsch – jeweils drei zur Hauptsendezeit am Morgen und am Abend. DW (Latinoamérica) bietet den Zuschauern seit Februar 2012 täglich 20 Stunden Spanisch und vier Stunden Deutsch. DW (Amerika) und DW (Asien) sind jeweils mit 20 Stunden Deutsch und vier Stunden Englisch bestückt. Und DW (Arabia) bietet nun zehn (bisher sechs) Stunden Arabisch und 14 Stunden Englisch.
DW (Asien)
Journal als Eckpfeiler Die Nachrichtensendung Journal bleibt der Eckpfeiler des Programms, künftig ergänzen Formate von 15 beziehungsweise drei Minuten die 30-minütige Ausgabe. Eine andere Säule ist das tägliche Magazin Euromaxx – nach den Nachrichten das erfolgreichste TV-Format der Deutschen Welle. Außer auf Deutsch und Englisch ist die Sendung künftig auf Spanisch und Arabisch zu sehen. In Magazinen, Reportagen und aufwändig produzierten Dokumentationen liefert die DW Hintergrund zu vielen Themenbereichen. Ein Schwerpunkt des Informationsprogramms ist Kultur. Talksendungen hinterfragen aktuelle Ereignisse und Entwicklungen – darunter im Arabischen Programm die Jugendsendung Shababtalk, eine Koproduktion mit einem ägyptischen Partnersender, und The New Arab Debates. Diese Diskussionsrunden begleiten die weitere Entwicklung in der arabischen Welt. Neu im Programm sind auch Live-Konzerte am Wochenende und ein Magazin zu Entwicklungen in der digitalen Kommunikationswelt.
Formate von ARD und ZDF
E 24 h D
DW (Asien)
Für das neue Programm greift die Deutsche Welle verstärkt auf Sendungen der ARD-Landesrundfunkanstalten und des ZDF zurück. Vom ZDF übernimmt sie unter anderem 37 Grad, Berlin direkt, Länderspiegel, Maybrit Illner, Neues aus der Anstalt und Löwenzahn, von der ARD beispielsweise Günther Jauch, Bericht aus Berlin, Hart aber fair, Presseclub, Menschen bei Maischberger und Wissen macht Ah!. Das Fernsehen der Deutschen Welle ist über Satelliten und Partnerstationen, über Kabelnetze und in Hotels zu sehen. Unter dw.de ist es weltweit als Livestream und Video-on-Demand abrufbar.
Deutsche Welle
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Titelthema
Fragen Charlotte Hauswedell
„Im Auftrag und im Interesse unseres Landes“ Fragen zur Neuausrichtung der Deutschen Welle an Intendant Erik Bettermann.
Warum stellen Sie die DW neu auf? Unser Land braucht eine starke Stimme, um die Werte und Sichtweisen, für die Deutschland steht, zu vermitteln. Eine starke Stimme, die im Wettbewerb um die Weltöffentlichkeit vernehmbar und unverwechselbar ist. Damit die Deutsche Welle auch künftig erfolgreich dazu beitragen kann, deutsche Positionen in der Welt deutlich zu machen und zu erläutern, müssen wir die DW zum Multimediaunternehmen weiterentwickeln. Zugleich brauchen wir ein neues Bewusstsein für den politischen Wert dieses Senders. Alle, die ein Interesse an einer starken weltweiten Medienpräsenz unseres Landes haben, tragen hier Verantwortung.
Struktur nicht mehr an Angebotsformen orientieren – an den Kategorien Hörfunk, Fernsehen, Internet. Sondern wir stellen uns auf nach Themenbereichen, zum Beispiel Nachrichten, Aktuelles und Hintergrund, Kultur und Bildung.
Multimedia – ist das mehr als ein Schlagwort für die DW? In vielen Bereichen ist Multimedialität bei uns inzwischen Alltag. Ein Beispiel: Vor wenigen Wochen haben wir für Partner in Mittel- und Südosteuropa regionalsprachige TV-Magazine gestartet, produziert von Redaktionen am Standort Bonn, die bis dahin Hörfunk gesendet haben. Wir werden uns künftig auch in unserer inneren
Sie wollen sich auf bestimmte Aufgaben und Regionen konzentrieren. Was zählt dazu? Wenn wir erfolgreich bleiben wollen, müssen wir uns zum einen auf Kernaufgaben und Kernregionen konzentrieren, beispielsweise die arabische Welt und Lateinamerika. Zum anderen müssen wir die Übertragungswege an die jeweilige Situation in den Zielregionen anpassen. Im Fern-
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»Wir wollen ein Best-of-Programm aus Deutschland in die Welt tragen.«
sehen wollen wir dies erreichen mit neuen Sprachenkanälen, einer Regionalisierung der Programmangebote und einer Vielfalt der Formate. So können wir unsere Zielgruppen sehr viel besser ansprechen und binden. Auch mit unserem neuen OnlineAngebot machen wir einen großen Sprung nach vorn. Frisch, seriös, nutzerfreundlich – dw.de passt zum hohen Anspruch der Marke DW. Schließlich haben wir die „Verpackung“, das Corporate Design neu gestaltet, sodass wir auch im Erscheinungsbild markant und unverwechselbar werden. Neues Fernsehen, neuer OnlineAuftritt, neues Design, aber kein Platz mehr für ein traditionsreiches deutsches Radioprogramm? Wir bieten auch weiterhin radiophone Beiträge an, bauen Audio-on-Demand und Podcasts im Internet sogar aus, auch auf Deutsch. Und wir verbreiten Sendungen über Partnersender in aller Welt. Das ist der Weg in die Zukunft. Wer im Zeitalter von IP-TV, Apps und Sozialen Netzen unverdrossen auf Kurzwelle setzt, hat auf den internationalen Medienmärkten schon verloren. Wir können nicht aus Nostalgie und
„Der Deutsche Bundestag hat sich mit großer Mehrheit hinter unsere Strategie gestellt“: Intendant Erik Bettermann im World Conference Center Bonn
Tradition etwas weiterführen, das kaum noch jemand nutzt und damit nachweislich seine Berechtigung verloren hat. Das würde kein Steuerzahler verstehen. Wir hinterfragen kontinuierlich, was unser Publikum von uns erwartet und auf welchen Wegen wir es am besten erreichen. Unser Publikum – das sind Multiplikatoren mit Interesse an Deutschland und Europa. Genau das ist unser gesetzlicher Auftrag. Da diese Menschen in der Regel kein Deutsch verstehen, sprechen wir sie vorzugsweise in ihrer Landessprache und der „Lingua franca“ Englisch an. Zum Auftrag der DW gehört aber auch, die deutsche Sprache zu fördern. Haben Sie sich davon verabschiedet, wie kritisiert wird? Das ist – mit Verlaub – Unsinn. Die deutschsprachigen Angebote richten sich vor allem an Menschen mit guten Sprachkenntnissen, an Deutschlehrende und Deutschlernende. Für diese Zielgruppen bauen wir erstens unsere Angebote auf Deutsch in Fernsehen und Internet deutlich aus. Zweitens können Menschen, die Deutsch lernen möchten, mit den Sprachkursen der
DW zugleich in unsere Kultur eintauchen. Langsam gesprochene Nachrichten, eine Telenovela, eine Sprachbar, einen Dialektatlas – solche Formate kann nur ein Multimediaunternehmen bieten. Kann es ein überzeugenderes Argument geben als die fünf Millionen Zugriffe, die wir hier jede Woche verzeichnen? Verspüren Sie für diesen Kurs Rückenwind aus der Politik? Eindeutig ja. Der Deutsche Bundestag hat sich im vergangenen Sommer mit breiter Mehrheit hinter unsere Strategie für die kommenden Jahre gestellt. Wir machen Programm im Auftrag und im Interesse unseres Landes. Da ist es ein gutes Zeichen, wenn die politischen Entscheidungsträger unsere Arbeit parteienübergreifend unterstützen. Nun hat die Bundesregierung zudem – wie vom Bundestag gefordert – das Gespräch mit den Ländern begonnen, um den Auslandsrundfunk auf eine breitere Grundlage zu stellen. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten Monaten zu einem guten Ergebnis kommen. Allerdings: An der strukturellen Unterfinanzierung der DW hat sich leider nichts geändert.
Welchen Stellenwert hat die Kooperation mit ARD, ZDF und Deutschlandradio für die Zukunft der DW? Es stellt sich doch die Frage: Warum tragen wir nicht ein deutsches Best-ofProgramm in die Welt? Mit den rechtlichen Beschränkungen und der knappen Finanzausstattung der DW ist ein wettbewerbsfähiges Weltfernsehen mittelfristig nicht zu machen. Hier müssen wir zumindest in der öffentlich-rechtlichen Familie mehr aus unseren Möglichkeiten machen. Seit dem Start des deutschen Auslandsfernsehens via Satellit 1992 können wir auf Beiträge und Sendungen von ARD-Landesrundfunkanstalten und ZDF zurückgreifen. Hier müssen die Möglichkeiten für die DW erweitert werden, TV-Material zu übernehmen. Wenn wir auf diese Weise den deutschsprachigen Anteil in unserem TV-Programm ausweiten können, können wir uns noch mehr auf unsere eigentliche Aufgabe konzentrieren: spezifische Programme für fremdsprachige Zielgruppen zu produzieren.
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Titelthema
Text Diana Simon, P romotion & Design und Dominik Ahrens, Auslandsmarketing
Die Informationszentrale im Netz Die neue Internetpräsenz dw.de ist ein Meilenstein in der Online-Geschichte der Deutschen Welle. Dass hinter dem frischen und klaren Design eine lange Vorbereitung und ein ausgeklügeltes Konzept stecken, werden die Besucher nicht sehen. Spüren werden sie es mit Sicherheit.
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ebdesign ist mehr als Form und Farbe. Bevor die sichtbare Oberfläche für die neue Webseite dw.de gestaltet wurde, hat das Online-Team wichtige Fragen beantwortet: Wie sollen Nutzer die Seite erleben? Wie werden sie durch das Angebot geführt? Welche Navigationsmöglichkeiten haben sie? Der darauf basierende Anspruch: Wir schaffen eine moderne Webseite, die alle Angebote der DW integriert und alle medialen Darstellungsformen – ob Texte, Videos, Audios oder interaktive Elemente – harmonisch vereint. Eine Webseite, die auf die Erwartungen der Nutzer Bezug nimmt, um das Angebot intuitiv erfahrbar zu machen. Für die Redaktionen soll die neue Webseite flexibel und einfach zu bestücken sein – und so noch weit mehr Menschen als bisher erreichen.
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Viele dieser Anforderungen wurden durch das neue Corporate Design, die neue Gesamtgestaltung der Marke DW, erleichtert. Das neue Design gibt der DW als Quelle verlässlicher Informationen aus Deutschland ein Gesicht: Dazu gehören ein neues Logo, klare Formen, ein frisches Farbkonzept und ein seriöses Schriftbild.
Klare Struktur für die Nutzer Aus diesem Verständnis heraus liefert die DW den Nutzern ein zuverlässiges Interaktionskonzept. Inhalte und Themen rücken ins Zentrum der Aufmerksamkeit – über alle Sprachen, Rubriken und Seiten hinweg. Gleichzeitig sorgt eine horizontale Navigation
www.dw.de: Ob Laptop, Tablet oder Smartphone, das OnlineAngebot im neuen Look ist kompatibel
für Orientierung, so dass Inhalte einfach zugänglich sind. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte Mega-Flyout – ein großformatiges Menü, das einen schnellen Zugang zu den wichtigsten Unterseiten, Themenschwerpunkten und Multimediaprojekten ermöglicht. Die Webseite legt zudem großen Wert auf Lesbarkeit, vom Typographie-Konzept bis zur Gestaltung einer angemessenen Bühne für jeden Artikel. Das neue Webdesign erzeugt nicht den Eindruck eines herkömmlichen Nachrichtenportals, sondern eines hochwertigen Magazins, das auch Raum für Hintergrundinformation bietet. Denn als der verlässliche Experte aus Deutschland macht es sich die DW vor allem zur Aufgabe, aktuelle Ereignisse und Entwicklungen einzuordnen, die Zusammenhänge zu erklären und Analysen anzubieten. Ein inhaltlicher Schwerpunkt liegt auf Themen zu Deutschland und Europa. Durch das großzügige Layout, das Bildern und Videos mehr Platz einräumt, fällt es den Nutzern zudem leicht, die Themen des Tages intuitiv zu erfassen. Hintergründig, vielsprachig und multimedial – die DW unterstreicht mit dem neuen Internetauftritt ihren hohen journalistischen Anspruch. Beim Interaktionsdesign – von der Seitenstruktur, über die Navigation bis zur Gestaltung einzelner Elemente – hat sich das Design-Team vor allem um Reduzierung und Einfachheit bemüht: Die neue Webseite ist keine verspielte Flash-Lösung, in der HochglanzDesign einem Selbstzweck dient. Vielmehr können sich Nutzer sofort orientieren und souverän durch die Seiten bewegen – egal,
ob die Besucher über die Startseite, über einen Artikel-Link bei Google oder einen RSS-Feed auf das Angebot gelangen. Diese Klarheit erleichtert auch die tägliche Arbeit der Redakteure.
Modularer Aufbau für die Zukunft Zu den wichtigsten Eigenschaften des neuen Designs gehört seine Zukunftsfähigkeit. Mit dem Start der neuen Seite ist eine Basis geschaffen. Der modulare Aufbau stellt sicher, dass in den kommenden Jahren Features eingebaut werden können, die heute noch niemand kennt. So ist die DW für die nächste „Web-Revolution“ gewappnet. Auch hinter den Kulissen geht die Arbeit weiter: Parallel zum neuen Design wird die Verwaltung der Inhalte für die Redaktionen verbessern. Das nächste entscheidende Update des Webdesigns wird in Kürze dafür sorgen, dass die Seite automatisch an das Gerät angepasst wird, das sie aufruft – sei es ein klassischer PC, ein Tablet oder ein Smartphone. Das wird allerdings nur das Tüpfelchen auf dem i, denn Zugriff auf alle Inhalte haben diese Geräte schon längst: Mit der Umstellung des Medienplayers auf den Standard HTML5 steht auch dem mobilen Videogenuss nichts mehr im Weg. Schauen Sie selbst! www.dw.de
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DW – Die neue Welt der Information Neues Fernsehen, neue Webseite, neuer Look Schauen Sie selbst: www.dw.de
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Text Philipp Schäfer, markenmanagement und Holger Zeh, Promotion & Design
Die neue Verpackung Mit dem Start des ausgebauten Fernsehangebots und der neuen Internetpräsenz verbindet die Deutsche Welle einen neuen Markenauftritt. Das Corporate Design und die Corporate Language, wie es in der Fachwelt heißt, machen die Identität der DW unverwechselbar.
„Deutschland braucht eine starke Stimme in der Welt“, sagt Intendant Erik Bettermann. Damit sie im Wettbewerb um die Gunst des Publikums Gehör findet, braucht diese Stimme einen unverwechselbaren Klang – eine unverwechselbare audiovisuelle Identität. Denn der Chor der internationalen Sender ist vielstimmig. Immer mehr Länder wollen so an der Meinungsbildung der Weltöffentlichkeit teilhaben, suchen die Aufmerksamkeit des Publikums. Die Qualität unserer journalistischen Inhalte ist der Kern der Marke DW. Darauf zählen die Menschen, die wir erreichen wollen: die Informationssuchenden weltweit. Um ihre Aufmerksamkeit geht es.
Dazu muss nicht nur der inhaltliche Anspruch erfüllt werden, sondern auch das audiovisuelle Erscheinungsbild, die „Verpackung“, unverwechselbar sein. Neben der zunehmenden Konkurrenz durch nationale und internationale Anbieter erfordern zahlreiche neue technische Plattformen und Distributionskanäle neue Konzepte für einen medienübergreifenden Auftritt. Die Anforderung, schnell auffindbar und unverwechselbar zu sein, gilt für das TV-Bild und die Internetseite, für „Social Media“-Plattformen und mobile Endgeräte gleichermaßen. Die Deutsche Welle hat ihr Erscheinungsbild, ihr Corporate Design, diesen neuen Gegebenheiten angepasst. Auf dem
Weg zum Multimediaunternehmen tritt sie künftig mit einem neuen Logo auf, das für die Gesamtheit ihrer journalistischen Angebote steht – in allen Kontinenten, in allen Sprachen. Der Markenname „DW“ steht für Fernsehen, Hörfunk und Internet gleichermaßen, ersetzt somit die bisherigen Submarken DW-TV, DW-RADIO und DW-WORLD.DE. Das Kürzel „DW“, so zeigt ein Blick in die Unternehmensgeschichte, ist so alt wie die Deutsche Welle selbst: Zu jeder Zeit war „DW“ Bestandteil des Logos der Deutschen Welle. Darüber hinaus ist die Bezeichnung „DW“ auch umgangssprachlich als Synonym für die Deutsche Welle etabliert. Das neue Logo wird die multimediale Präsenz der DW über zahlreiche Medien und Plattformen hinweg vereinheitlichen und die Zuordnung zum deutschen Auslandssender für Nutzer und Partner erleichtern. Diese Vereinheitlichung im Auftritt unterstützt zugleich die vom DWGesetz geforderte Evaluierung der journalistischen Angebote. Ebenso wie die neue Internetadresse – dw.de – ist auch das neue Corporate Design die logische Konsequenz einer vereinfachten Markenstrategie. Vor allem aber ist es gestalterisch ein wichtiger Schritt in die Zukunft: Nach über zehn Jahren Einsatz des bisherigen Designs liefert die neue Gestaltung mit einem prägnanten Logo, frischen Farben, klaren Formen und einem überarbeiteten Schriftbild den benötigten Spielraum für eine ansprechende Präsentation der Deutschen Welle – auf allen Plattformen und Kontinenten.
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©© iStockphoto
andere verstehen
Text Rodrigo Rimon Abdelmalack Leiter Brasilianisch-Redaktion
Brasilien neu entdeckt Brasilien wurde immer als „natürlicher Partner“ Deutschlands angesehen. Allerdings wird das Land in Deutschland bislang kaum als Kulturnation und Wissenschaftsstandort wahrgenommen. Nach der wirtschaftlichen Stabilisierung Brasiliens haben sich die Beziehungen wieder intensiviert. Für die Deutsche Welle Herausforderung und Chance zugleich.
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as Bild der Deutschen von Brasilien bleibt oft noch vage und klischeehaft. Auch die Medien tragen hier nicht zur Erhellung bei. „Die Zahl der Auslandskorrespondenten – nicht nur in Brasilien, sondern in ganz Lateinamerika – ist im Vergleich zu anderen Weltregionen gering. Entsprechend undifferenziert fallen die Berichte aus“, erklärt Joachim von Dungen vom Lateinamerika-Verein in Hamburg im DW-Interview. Der Autor des Buches „Vom Freund zum Partner – Die deutsch-brasilianischen Kulturbeziehungen im Wandel“, sieht in jüngerer Zeit immerhin einige neue Themen in deutschen Medien: Brasiliens Bedeutung auf der globalen politischen Bühne etwa oder Brasilien als Nutzer erneuerbarer Energien und künftiger Öllieferant. „Romantisierende Bilder existieren aber nach wie vor“, meint von Dungen. Und umgekehrt? Neues aus Deutschland stamme in Brasilien meist aus einer Vorauswahl an Nachrichten, die bereits ins Englische übersetzt wurden, „da die wenigsten Redakteure Deutsch verstehen. Dementsprechend wenig repräsentativ sind die Berichte für das, was in Deutschland passiert“, so von Dungen. Die Deutsche Welle füllt diese Lücke. Sie hat mit ihrem Informationsangebot nicht nur in Brasilien einen guten Ruf erworben.
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Auch deutsche Medien haben die Brasilianisch-Redaktion der DW als Referenz entdeckt, nutzen DW-Experten für Themen aus und über Brasilien.
Historisch gewachsene Asymmetrie Laut von Dungen waren die bilateralen Kulturbeziehungen zwischen Deutschland und Brasilien schon immer durch eine historisch gewachsene Asymmetrie geprägt: Einer breiten deutschen Einwanderung nach Brasilien steht eine kaum nennenswerte brasilianische Immigration nach Deutschland gegenüber. Mit immer noch fünf Goethe-Instituten, dazu Repräsentanzen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und Büros politischer Stiftungen verfügt Deutschland in Brasilien über eine diversifizierte Infrastruktur im Kultur- und Wissenschaftsbereich. Brasilien ist für Deutschland heute wichtigster Partner in Bildung und Wissenschaft in Lateinamerika. São Paulo zählt mit Moskau, Neu-Delhi, New York und Tokio zu den weltweit fünf Standorten eines „Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses“ – eine Initiative der Bundesregierung. Brasilien begann erst vor wenigen Jahren mit einer internationalen Wissenschaftspolitik. Ein brasilianisches Kulturinstitut in Berlin wurde nach kurzer Aktivität wieder geschlossen, bis auf die Kulturabteilung der brasilianischen Botschaft gibt es nach wie vor keine institutionalisierten Mittlerorganisationen. So wird Brasilien in Deutschland bislang kaum als K ulturnation und Wissenschaftsstandort wahrgenommen. Brasilianische Kultur wird in Deutschland eher durch Grassroot-Initiativen repräsentiert. Brasilianer finden nicht nur das „coole“ Berlin interessant – ganz Deutschland wird als kulturell reich empfunden.
Ich beobachte seit einiger Zeit einen merklichen Anstieg der Informationsfülle auf Ihrer Internetseite, auch die neu eingeführten Videos, vor allem über Deutschland. Fehlt nur noch ein TV-Fenster in unserer Sprache – was wir sehr begrüßen würden. Ecio Tadeu Moraes Pedro Die Inhalte der DW-Webseite für Brasilien sind sehr gut – eine exzellente Informationsquelle. Daniel Mafra Glückwunsch für Ihre Berichterstattung. Sie ist sehr reich an Themen, die in brasilianischen Medien wenig Aufmerksamkeit finden. Gilmar Boos Ich verfolge die Webseite der DW seit einiger Zeit: ausgezeichnete Inhalte und eine tolle Möglichkeit für Menschen mit deutschen Vorfahren, sich über unsere zweite Heimat zu informieren. Tiago Batista Stein
DW in Brasilien Fernsehen ist in Brasilien terrestrisch, über Kabelnetze und direkt über Satellit (DTH) zu empfangen. Zwölf Millionen Haushalte empfangen Pay-TV im Abonnement. Die DW ist bei allen bedeutenden Pay-TV- Anbietern jeweils im Bouquet mit anderen internationalen Sendern vertreten. Marktführer ist derzeit NET mit einem Anteil von 38,4 Prozent, gefolgt von SKY (29,1 Prozent) und Embratel (16,5 Prozent). Das starke terrestrische TV-Angebot Brasiliens prägen nationale Sender wie TV Globo, SBT, Bandeirantes und Rede Record.
www.dw.de/brasil
Mehr und mehr Brasilianer lernen Deutsch, eine Sprache, die als Schlüssel zu beruflichem und wissenschaftlichem Erfolg gilt. Immerhin gibt es in Brasilien drei deutsche Begegnungsschulen, die zum deutschen Abitur führen. Mit rund 10.000 Schülerinnen und Schülern ist die Porto-Seguro-Schule in São Paulo die größte deutsche Schule weltweit. „Und die besten Abiturienten kommen aus rein brasilianischen Familien“, erzählt Eckhard Kupfer, Leiter des Martius-Staden-Instituts, kultureller Arm der Stiftung, die die Schule verwaltet.
Online-Partner der DW sind unter anderem die bedeutenden Portale Terra, UOL und Folha. Videoformate stehen weit oben auf deren Wunschlisten. Da die Brasilianisch-Redaktion der DW häufig aktuelle Videos erstellt, können die Bedürfnisse der Partner noch besser erfüllt werden. Auch im Bereich mobiler Dienste – beispielsweise Video-on-Demand für Smartphones – steht die DW in konkreten Verhandlungen mit Anbietern, beispielsweise Vivo.
Viel Gelegenheit zum Dialog Angesichts der neuen weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Präsenz Brasiliens versuchen beide Länder, ihre Kulturbeziehungen wieder zu intensivieren. Während der WM 2006 erhielt der Dialog einen wichtigen Impuls durch die Veranstaltungsreihe Copa da Cultura in Deutschland und durch das deutsche Pendant Kulturfest 2007/2008 in Brasilien. Politik und Wirtschaft beider Länder und ihre Mittlerorganisationen haben die Bedeutung der deutsch-brasilianischen Beziehungen wieder erkannt. Das Deutschlandjahr 2013/2014 in Brasilien, die Frankfurter Buchmesse 2013 mit dem Schwerpunktland Brasilien, die WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016 werden der Deutschen Welle viel Gelegenheit geben, diesen Dialog zu begleiten und mitzugestalten. Da ist es nur folgerichtig, dass die mediale Präsenz Deutschlands in Lateinamerika gestärkt wird – auch in Brasilien. „Man hat Brasilien als ein Land entdeckt, in dem noch sehr viel zu bewegen ist, und in dem man auch im Kulturaustausch sehr viel machen kann“, sagt Kupfer. „Man hat Brasilien neu entdeckt.“
Dank einer Kooperation stehen ab März 90 Kurzdokumentationen der TV-Reihe GLOBAL IDEAS auf Portugiesisch an über 5.000 brasilianischen Schulen auf DVD zur Verfügung. Andrea Hugemann
Deutsche Welle
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andere verstehen
chá autocarro
ônibus
Text roselaine Wandscheer Brasilianisch-Redaktion
wir sprechen
Brasilianisch
camisola
Kleine – aber feine – Unterschiede im Portugiesischen
Brasilianisch – das ist eine der vielen Besonderheiten der Deutschen Welle. Denn als eigenständige „Sprache“ gibt es das Brasilianische offiziell gar nicht. Sie wurde in der DW gewissermaßen „erfunden“. Denn hier gibt es zweierlei Portugiesisch-Redaktionen: einmal für Brasilien, einmal für Afrika. Zum lusophonen Afrika gehören Angola, Mosambik, São Tomé und Príncipe, Kap Verde, Äquatorialguinea und Guinea-Bissau. Dort ist Portugiesisch ebenso Amtssprache wie in Brasilien.
Meer und Strand Obwohl die europäische und die brasilianische Variante des Portugiesischen vieles gemeinsam haben, sind sie doch verschieden. Man könnte es so ausdrücken: Was für die Portugiesen das Meer bedeutet, ist für die Brasilianer der Strand. Das sagt viel über beide Mentalitäten aus. Portugiesisch sprechen weltweit mehr als 210 Millionen Muttersprachler. Brasilien – als größtes Land der Lusophonie – zählt 190 Millionen Einwohner. Brasilianisch hat sich durch eine reiche Geschichte mit Einflüssen aus Afrika und Europa entwickelt und nicht zuletzt durch das Nationalbewusstsein der Brasilianer, die sich auch sprachlich „emanzipieren“ wollten vom europäischen Mutterland. Es gibt Wörter, die sich in Brasilien stärker etabliert haben als in Portugal. Auch in der Aussprache hört man große Unterschiede. Deshalb kann es durchaus zu Missverständnissen kommen zwischen Sprechern der beiden Varianten. Das zeigt sich zum Beispiel bei technischen Entwicklungen. In Brasilien wartet man auf den „ônibus“, in Portugal auf den „autocarro“ – wenn man den Bus nimmt. Im täglichen Gebrauch gibt es markante, ja pikante Dinge:
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Ronaldinho im Nachthemd Während Portugals Fußballstar Ronaldo für die Nationalelf in einem „camisola“ (Trikot) aufläuft, müsste Brasiliens Ronaldinho schon einigermaßen umnachtet sein, würde er Gleiches tun – in Brasilien ist camisola das Nachthemd. Und die Tanzmusik „Kuduro“ – ursprünglich aus Angola – stellt die Brasilianer vor das Problem, dass „cu“ für sie ein Schimpfwort ist und für „Hintern“ steht. Bevor die Portugiesen im Jahr 1500 in das Land kamen, gab es in Brasilien viele indigene Sprachen. Später kamen die Sklaven aus Afrika und im 19. Jahrhundert die europäischen Immigranten. Sie alle haben die Sprachentwicklung beeinflusst. Die meisten portugiesischen Wörter stammen aus dem Lateinischen, aber durch die Einwanderung im Laufe der Historie kam das Portugiesische in Kontakt mit lokalen afrikanischen, asiatischen und indianischen Sprachen, von denen die portugiesische Sprache viele Elemente aufgenommen und sogar an andere europäische Sprachen weitergegeben hat. Ein paar Beispiele: −− chimpanzé (Schimpanse) aus dem Bantu −− roubar (rauben) aus dem germanischen raubon −− alface (Blattsalat) aus dem arabischen alkhass −− chá (Tee) aus dem chinesischen cha −− jaguar (Jaguar) aus dem indianischen Tupi-Guaraní jaguara −− tucano (Tukan) aus dem indianischen Guaraní tucan Um die Kommunikation hauptsächlich im Internet zu erleichtern, differenziert die Internationale Organisation für Normung ISO zwischen den Abkürzungen pt-BR für die brasilianische und pt-EP für die europäische Variante.
Text Dirk Beusch | Bild Jan Röhl
Revolution aus erster Hand Seit Herbst 2011 produziert die DW die Sendung „Shababtalk – Jugend diskutiert“ in Kooperation mit dem ägyptischen Marktführer Al Hayah TV. Junge Menschen aus Deutschland und Ägypten tauschen sich aus zu Ereignissen, Folgen und Perspektiven der Revolutionen in der arabischen Welt. Beide Partner strahlen die Talksendungen aus. Diskutiert wurde unter anderem über die Migrationspolitik der EU gegenüber den nordafrikanischen Ländern, über den Parteiendialog und die Wahlbeteiligung junger Leute in Ägypten sowie über die weltweite „Occupy-Bewegung“ und den Einfluss auf die ägyptische Revolution. Bereits die erste Ausgabe im September erreichte über drei Millionen Zuschauer in den Städten Ägyptens. Im November verfolgten bereits 4,3 Millionen Ägypter die Sendung – ein Marktanteil von 16,5 Prozent. „Damit besetzen wir eine Nische im arabischen Fernsehmarkt. Die authentischen, lebhaften Diskus-
sionen zwischen arabischen Zeugen der Revolution und jungen deutschen Studiogästen stoßen auf viel Interesse“, so die verantwortliche Redaktionsleiterin Maren Wintersberg. Während die DW bereits Erfahrungen mit Koproduktionen in Ägypten und weiteren arabischen Ländern hat, ist diese Zusammenarbeit für Al Hayah TV Neuland: „Wir sind sehr überrascht und erfreut, dass unsere gemeinsame Sendung so gut ankommt. Es ist eine neue Plattform für einen sehr lebendigen deutschägyptischen Dialog“, sagte Ahmed Abdel Tawab vom Partner in Kairo. Al Hayah TV verzeichnet durch die regelmäßige Talkrunde einen Zuwachs an jungen Zuschauern. Auch im Hörfunk produziert die Deutsche Welle eine deutscharabische Talkshow für junge Leute: „Rabia Al-Shabab“ (Frühling der Jugend) ist eine Koproduktion mit der Voice of Lebanon (VOL). Die Premiere am 17. Januar war auf UKW im Libanon, in Teilen Syriens sowie Jordaniens zu empfangen.
Moderator Jaafar Abdul-Karim mit Studiogästen in Berlin: (v.l.) Mohamed Said, Junge Muslimbrüder (zugeschaltet aus Kairo), Karin Schädler, Freie Journalistin (Berlin), und Mohamed Bousalem, Blogger und Schriftsteller (Kairo)
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andere verstehen
das Läuft
Fern der Heimat
Quelle der Inspiration
Um Chancen und Herausforderungen der Migration geht es in „Destination Europe“. Das Multimediaprojekt umfasst eine Radionovela, Video-Porträts und „Social Media“-Aktivitäten.
Rund 30 junge arabische und deutsche Blogger waren zum Young Media Summit (YMS) Ende November nach Tunis gekommen. Die Internet-Aktivisten tauschten sich ausund diskutierten über ihre Rollein Veränderungsprozessen.
Zielgruppe sind vor allem junge Afrikanerinnen und Afrikaner, die ein realistisches Bild vom Leben in Europa erhalten sollen. Die DW bietet „Destination Europe“ in den Sprachen Englisch, Französisch und Arabisch an. Parallel dazu gibt es Sonderseiten auf Deutsch. Unterstützt wird das Projekt vom Auswärtigen Amt.
Eingeladen hatte die DW Akademie in Zusammenarbeit mit dem tunesischen Kollektiv-Blog Nawaat und Radio Kalima. Auf dem Programm des YMS stand unter anderem ein Besuch von Schauplätzen der Revolution. Tunesische Teilnehmer zeigten den Gästen aus Mauretanien, Marokko, Algerien und Deutschland, wie und wo sie die Phase des Umbruchs in ihrem Heimatland erlebt haben. Die angereisten Blogger zeigten sich „tief beeindruckt von der außergewöhnlichen Stadtführung“, wie Eva Schulz in ihrem Blog „Hurra!“ bekundet. Michael Tecklenburg von der DW Akademie betonte die Wichtigkeit, gerade in dieser Phase der Transformation präsent zu sein: „Während die traditionellen Medien trotz errungener Pressefreiheit ihre Aufgaben noch nicht voll erfüllen, leisten Blogger einen wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung.“ Nach drei intensiven Tagen war man sich einig, die angestoßene Diskussion im Netz weiterzuführen. „Der Young Media Summit war für mich eine Quelle der Inspiration“, resümierte die marokkanische Bloggerin Chama Darchoul. Lesen Sie das Interview mit Chama Darchoul im weltzeit-Blog: blogs.dw.de/weltzeit
Was treibt junge Menschen dazu, ein Leben fern der Heimat zu suchen? Was erleben sie auf der Reise über die Kontinente? Und wie leben sie, wenn sie im Land ihrer Hoffnungen angekommen sind? Diesen Fragen geht „Destination Europe“ nach. Das Projekt umfasst eine Radionovela, Video-Porträts, Infografiken, Bildergalerien und „Social Media“-Aktivitäten – beispielsweise Facebook-Diskussionen mit Experten und Betroffenen. So konnten DWNutzer kurz nach dem Start des Projekts mit Vertretern der International Organization for Migration (IOM) in Genf chatten. Die von einem afrikanischen Autor verfasste Novela behandelt in 15 Folgen jeweils ein Schwerpunktthema, zum Beispiel „Lebensbedingungen im Auffanglager“, „Der Asylprozess“ und „Beispiele gelungener Integration“. Die Video-Porträts geben Einblicke in die Lebenswelt von Arbeitsmigranten. Die Nutzer erfahren von deren Hoffnungen, Ängsten und Sorgen. Razak, ein junger Mann aus Ghana, ist darunter; er hat die gefährliche Bootsfahrt über das Mittelmeer überlebt. Im DW-Projekt erzählt er, wie sein Kampf ums Überleben in Spanien weitergeht. www.dw.de/destinationeurope
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Spiegel der Globalisierung: die Bloggerinnen Melissa (Algerien /Frankreich, l.) und Kübra (Deutschland /Türkei) beim Young Media Summit in Tunis
heimat erleben
Text Wolfgang Börnsen
Deutsch multimedial fördern Unsere Sprache ist mehr als ein Mittel der Verständigung. Sprache ist ein wesentlicher Teil unserer Identität. Sie spiegelt in ihrer Einzigartigkeit die Einstellungen des Einzelnen wider, aber auch den Geist und die Kultur einer ganzen Nation. Ein Gastbeitrag – Plädoyer für die weltweite Förderung des Deutschen.
S
ie prägt unser Denken und ist ein die Gesellschaft einigendes Band. Wer unsere Kultur kennenlernen und an ihr teilhaben möchte, der muss deshalb unsere Sprache erlernen. Die Vermittlung der deutschen Sprache ist ein zentraler Bestandteil unserer auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (AKBP). Dafür gibt es die weltweit begehrten Deutschkurse der Goethe- Institute und die deutschsprachigen Angebote der Deutschen Welle, insbesondere die Online-Sprachkurse (siehe Kasten). Aufgabe der Politik ist es, diese verlässlich zu fördern. Seit 2005, seitdem die Bundes-
regierung wieder von der Union geführt wird, sind die Ausgaben für die AKBP deshalb deutlich erhöht worden. Im Haushaltsgesetz für das Jahr 2012 sind knapp 770 Millionen Euro (gegenüber 713 Millionen Euro im Jahr 2011) dafür vorgesehen – der größte AKBP-Haushalt in der Geschichte des Auswärtigen Amtes! Die Vermittlung der deutschen Sprache ist auch gesetzlich geregelt, zum Beispiel als Aufgabe der Deutschen Welle. Die intensive und erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen DW und Goethe- Institut und den deutschen Auslandsschulen unterstützen wir ausdrücklich.
Der Schutz und die Pflege unserer Sprache sind auch deshalb erforderlich, weil Deutsch als europäische und international gesprochene Sprache zusehends an Stellenwert und Bindungskraft verliert. Englisch setzt sich als internationale Verkehrssprache immer mehr durch, sodass viele unserer europäischen Nachbarn es nicht mehr als notwendig erachten, unsere Sprache zu lernen. Nur noch rund 15 Prozent der französischen Schülerinnen und Schüler lernen die Sprache ihres östlichen Nachbarlandes. Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, Deutsch auch als international gesprochene und genutzte Sprache zu unterstützen. »
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heimat erleben
Deutsch für Millionen
Via DW in alle Welt: die TV-Sendung „typisch deutsch“
Bei der Vermittlung und Förderung der deutschen Sprache setzt die DW auf innovative Formate: Interessierte finden im Netz interaktive Deutschkurse und eine Telenovela, eine spezielle iPhone-App und multimedial aufbereitete Nachrichten. Beliebte Elemente des Sprachlernportals der DW sind auch das Video-Thema mit didaktisch aufbereiteten Reportagen und das „Top-Thema mit Vokabeln“. Auf diese Weise werden Nutzer, die mit der DW Deutsch lernen, auch zu den journalistischen Produkten hingeführt. Die täglichen Nachrichten – eigens langsam gesprochen – werden besonders gern angeklickt. In 30 Sprachen schafft die DW einen Zugang, interaktiv und flexibel Deutsch zu lernen. Auch Deutschlehrer finden hier umfangreiches Material für den Unterricht. Monatlich mehr als fünf Millionen Mal wird auf das Angebot der DW zugegriffen – von Nutzern in Tansania und Saudi-Arabien ebenso wie in Brasilien und Pakistan.
Seit Juli 2010 ist die Telenovela „Jojo sucht das Glück“ online – ein Format, mit dem die DW vor allem junge Leute in aller Welt für die deutsche Sprache begeistert. Hinzu gekommen ist kürzlich das Abgebot „CommunityD – Der Campus“: Auf diesem Portal können Nutzer eigene Texte, Audios und Videos einstellen und austauschen. Sie können Gleichgesinnte finden und interaktive Lerngruppen bilden. Zum Deutschkurs-Angebot der DW gehört auch eine Facebook-Seite mit inzwischen über 70.000 Fans. Deutsch lernen im virtuellen Klassenzimmer, und zwar in Verbindung mit aktuellen journalistischen Inhalten aus Deutschland – das ist das Besondere am DW-Angebot. www.dw.de/deutschkurse
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» Darüber hinaus erwächst der deutschen Sprache dadurch eine Gefahr, dass in der Europäischen Union faktisch eine Reduzierung auf nur zwei Arbeitssprachen – Englisch und Französisch – stattfindet, obwohl die deutsche Sprache nicht nur eine von 22 gleichberechtigten Amtssprachen, sondern offiziell eben auch eine der drei Arbeitssprachen der Europäischen Union ist. Wir mahnen deshalb regelmäßig an, dass die europäischen Institutionen die vollständige und ausnahmslose Gleichberechtigung des Deutschen als Arbeitssprache akzeptieren und praktizieren und dies auch in der Übersetzungspraxis und bei der Bereitstellung von Übersetzungsdokumenten deutlich machen. Die Deutschen Welle leistet einen essenziellen Beitrag zur Förderung der deutschen Sprache im Ausland. Die Sprachvermittlung muss dabei nicht notwendigerweise über ein lineares deutsches Hörfunkprogramm geschehen, das im Ausland häufig nur noch von solchen Deutschen gehört wurde, die sich aus beruflichen Gründen für einige Zeit dort aufhielten, aber immer weniger von Einheimischen. Stattdessen erhält das Internet als Medium der Sprachförderung eine immer größere Bedeutung. Wir unterstützen deshalb die Strategie der Deutschen Welle, die deutsche Sprache zukünftig über TV-, Audio- und Online-Angebote gleichermaßen zu fördern. Die Förderung der deutschen Sprache im Ausland liegt auch in unserem wirtschaftlichen Interesse. Handel und Ökonomie funktionieren nicht ohne Kommunikation. Dafür ist eine gemeinsame Sprache die erste Voraussetzung. Genauso wichtig ist natürlich, dass auch wir Deutschen uns um Kenntnisse in einer, besser in mehreren Fremdsprachen bemühen. Deutsch ist die mit Abstand am meisten gesprochene Muttersprache innerhalb der Europäischen Union. Weltweit sprechen 150 Millionen Menschen Deutsch. Noch! Die Deutsche Welle leistet einen unverzichtbaren Beitrag dazu, dass es dabei hoffentlich bleibt. Wolfgang Börnsen (Bönstrup) ist kultur- und medienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied des Rundfunkrats der Deutschen Welle
©© dpa
medienwelt einordnen
Text Dominik Ahrens, Auslandsmarketing
Die fliegenden Augen Mit Kameras auf preisgünstigen Drohnen wollen Blogger und Aktivisten den Luftraum erobern. Kündigt sich damit ein Höhenflug des Bürger-Journalismus an? Drohnen kennen wir als Killer: Die ferngesteuerten Flugmaschinen sind inzwischen das wichtigste Instrument der Terrorbekämpfung in Afghanistan. Doch seit einiger Zeit stehen zivile Versionen in den Läden: sogenannte Quadrokopter, kleine Hubschrauber mit vier Rotoren an zwei Achsen. Da diese häufig mit Kameras ausgestattet und schon zu Preisen ab 300 US-Dollar zu haben sind, wecken sie auch die Aufmerksamkeit von Bloggern. Junge Journalisten wie der US-Amerikaner Tim Pool plädieren dafür, dass die Graswurzel-Reporter des Arabischen Frühlings und der Occupy-Bewegung künftig nicht nur Bilder ihrer Handy-, sondern auch ihrer Drohnenkameras im Netz veröffentlichen. Pool hat das Verfahren bereits getestet: mit einem Fluggerät, das er „Occucopter“ taufte, lieferte er Luftbilder einer Demonstration in New York. Doch verändert sich mit dieser Technologie auch der Charakter des inzwischen sprichwörtlichen Twitter-Journalismus? Dessen Bilder waren gerade durch die unmittelbare Nähe zum Geschehen, durch die subjektive Perspektive des Demonstranten und durch den pixeligen Blick des emporgereckten Smartphones geprägt. Beschert der „Drohnen-Journalismus“ uns dagegen distanzierte Bilder aus der Vogelperspektive, die von den professionellen Aufnahmen der Nachrichtenhelikopter schwer zu unterscheiden sind?
Nicht zwangsläufig. Zum einen haben Drohnen-Aufnahmen von Demonstrationen in Moskau und Warschau eindrucksvoll bewiesen, dass genau solche Bilder möglich sind, die – analog zum maximalen Detail – den maximalen Überblick verschaffen. In dieser Funktion sind sie dort besonders wertvoll, wo die Hubschrauber der großen Sender gerade nicht im Einsatz sind, beispielsweise in den Hochburgen der Aufstände in Syrien. Zum anderen sind die Einblicke besonders spannend, die ausschließlich eine Drohne liefern kann: Da man sie nicht nur in großer Höhe, sondern auf engstem Raum präzise navigieren kann, eignen sie sich auch dazu, prügelnde Polizisten, randalierende Demonstranten oder – im Fall der syrischen Proteste – sogar Scharfschützen in Fenstern zu identifizieren. Bisher sind die fliegenden Reporter noch nicht allzu robust und ihre größte Stärke, ihr geringes Gewicht, ist gleichzeitig ihre größte Schwäche: Schon eine leichte Böe reicht aus, um die Quadrokopter vom Kurs abzubringen. So taugt die Drohne bisher nur zum Schönwetterreporter. Jenseits der demokratischen Utopie lauern zudem die dunklen Seiten der neuen „fliegenden Augen“. Denn mit ihnen lassen sich nicht nur die Mauern der Macht überwinden, sondern selbstverständlich auch die der Privatsphäre. So kann praktisch jeder einen Blick in das Fenster des Nachbarn werfen, Bilder vom Anwesen Prominenter schießen oder klassisch Spionage betreiben. Während diese Chancen und Risiken gerade erst sichtbar werden, wurde auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas bereits die nächste Generation der beliebten Einsteigerdrohne „Parrot AR Drone“ angekündigt. Sie soll noch agiler werden – und zudem einen hochauflösenden Blick auf die Welt werfen.
Deutsche Welle
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medienwelt einordnen
Getwitter Flipbopard, das „Soziale Magazin“ auf iPads, wurde installiert. Jetzt gibt’s die App auch fürs iPhone. bit.ly/s2vYZ9
Osama bin Laden vs. Amy Winehouse: Was FacebookNutzer 2011 am meisten beschäftigte, zeigt die offizielle Rangliste. on.fb.me/rrCS9r
Das Ende der E-Mail? Facebook-Chat und Messenger ersetzen die klassische Mail, vor allem bei jungen Menschen. bit.ly/u8jdU5
Internetzensur: Türkei verbietet 138 „schädliche“ Wörter in Domainnamen, darunter: nackt, heiß und Schwiegermutter. bit.ly/rOa8hg
Apple wächst stetig – auf Kosten seiner treuen ProfiNutzer? High-End-Hard- und Software vernachlässigt man in Cupertino. bit.ly/zUHzED
Telefoninterviews, Quellensuche, Kartenübersicht: zehn Wege, Soundcloud im Redaktionsalltag zu nutzen, bei Journalism.co.uk. t.co/2MJI8a66
Morgens Smartphone, mittags PC und abends Tablet: Comscore zeigt Tageszeitentrends beim Nachrichtenkonsum.
©© Robert Kneschke - Fotolia.com
bit.ly/vCNDCo
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2011 verbrachten die Deutschen 24 Prozent weniger Zeit auf klassischen Portalen, dafür 49 Prozent mehr Zeit in Sozialen Netzen. bit.ly/ulyGCM
Kleine Welt noch kleiner: Facebook verbindet jeden Menschen nicht über sechs, sondern über 4,74 Stationen mit allen anderen. bit.ly/s3kpp0
gestern reflektieren
Text steffen heinze
Deutschland-Bilder für die Welt Am 1. April 1992, zweieinhalb Jahre nach Vollzug der deutschen Einheit, hatte das deutsche Auslandsfernsehen Premiere. Zuschauer rund um den Globus konnten erstmals täglich Bilder aus Deutschland via Satellit empfangen. Zum Start des damaligen DW-TV gab es ein sechsstündiges Programm auf Deutsch und Englisch im stündlichen Wechsel. Es war im Zuge der deutschen Einheit aus dem Berliner RIAS TV entstanden. Das Programm wurde wenige Monate später auf 14, dann um weitere zwei auf 16 Stunden ausgebaut. Seit 1995 wird rund um die Uhr gesendet. Spanisch kam im November 1992 als dritte Sendesprache hinzu, um die Menschen in Lateinamerika zu erreichen. Für Zuschauer in der arabischen Welt öffnete die DW im August 2002 ein dreistündiges Programmfenster. In den folgenden Jahren wurde dieses Arabische Programm zweimal erweitert – seit Februar 2012 sendet die DW zehn Stunden für Zuschauer zwischen Oman und Marokko. Von 2002 bis 2006 strahlte die DW überdies ein Programm für Afghanistan aus, in den beiden wichtigsten Landessprachen Dari und Paschtu. Das inhaltliche und strukturelle Konzept des deutschen Auslandsfernsehens wurde mehrfach angepasst und fortge-
schrieben – stets im Lichte eines effizienten Gesamtkonzepts der medialen Außendarstellung Deutschlands. Eine bedeutende Zäsur war die Neupositionierung im Januar 1999: Seither liegt der Fokus auf Nachrichten und Information – ein Schwerpunkt ist zudem die umfangreiche Kultur-Berichterstattung.
Angebot in 1.000 Kabelnetzen Von Beginn an greift die DW für ihr Satellitenfernsehen auf Beiträge und Sendungen der öffentlich-rechtlichen Inlandssender zurück. Derzeit entwickelt eine Arbeitsgruppe von ARD-Landesrundfunkanstalten, ZDF, Deutsche Welle und Deutschlandradio Schritte zu einer weitergehenden Kooperation insbesondere im TV-Bereich. Das Fernsehangebot der DW ist weltweit in rund 200 Millionen Haushalten zu sehen. Rund 3.500 Partner übernehmen Sendungen. Allein in Asien wird das
Angebot aus Deutschland in 1.000 Kabelnetze eingespeist, auf allen Kontinenten ist die Deutsche Welle in größeren Hotels zu empfangen. Im Internet (dw.de) sind die Fernsehbilder als Live-Stream und Videoon-Demand verfügbar. Erfahrungen im globalen Fernsehgeschäft sammelte die Deutsche Welle seit 1963. Damals schickte sie von Köln aus erstmals die sprachlich adaptierte Fassung eines deutschen Filmbeitrags ins Ausland. Für Transkription und Vertrieb deutscher TV-Produktionen wurde die Gesellschaft TransTel gegründet. Die DW übernahm – als einer der Gesellschafter – Auswahl und Bearbeitung der Programme sowie den Erwerb der Rechte im Ausland. Ab 1983 produzierte die DW Sendungen in Eigenregie. 1998 wurden die Aufgaben der TransTel in die DW integriert. Die TransTel GmbH wurde aufgelöst, das Label als DW Transtel wird bis heute weitergeführt. Partnersender in aller Welt übernehmen jährlich mehrere Hundert Programmstunden in vielen Sprachen.
Startschuss für das Auslandsfernsehen via Satellit: der damalige Intendant Dieter Weirich
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unterwegs sein
„Ich will jetzt leben“
Text Mareike Aden, DW-Studio Moskau | Bilder Max Avdeev
Viele junge Russen wollen raus aus dem System Putin, weg von Korruption und staatlich kontrolliertem Fernsehen. Doch andere wollen das Land ändern. In Blogs wie „Zeit abzuhauen“ entsteht Proteststimmung. Plötzlich heißt es dort: gehen oder bleiben?
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oskau am 24. Dezember. Während halb Europa Weihnachten feiert, gehen in Moskau Zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen die Fälschungen bei der Parlamentswahl zu protestieren. Wie bei der Demonstration zwei Wochen zuvor, sitzt Programmierer Stephan Tschischow bei der Arbeit. Er ist IT-Experte an einer Moskauer Schule. Für die beiden ProtestSamstage hatte die Stadt Lernkontrollen angesetzt. So wollte man Schüler von den Massenkundgebungen fernhalten. „Lächerlich und feige war das“, sagt Stephan. Sonst wäre er wohl auf die Straße gegangen mit den Zehntausenden. „Nach all diesen dreisten Fälschungen und Manipulationen bei der Wahl ist das Maß voll.“ Dabei ist Stephan Tschischow in Gedanken längst weg – und das Maß für ihn und seine Frau Sonja schon lange voll: Seit über einem Jahr planen sie, nach Kanada auszu-
Beamtenwillkür. Seit den Wahlen Anfang Dezember ist hier auch zu lesen, dass man vielleicht doch bleiben müsse, dass man das Land nicht Banditen überlassen dürfe, jetzt, wo sich endlich etwas tue. Die gut ausgebildeten jungen Moskauer, die sich längst das neueste Smartphone und Urlaub im Ausland leisten können, haben nach Jahren der politischen Apathie den Protest für sich entdeckt. Mehr noch: Es ist sogar angesagt, auf die Straße zu gehen. Wie bisher über das Auswandern, so diskutieren sie nun ebenfalls im Internet über das Protestieren. Man vernetzt sich in Foren, auf Facebook oder dem russischen Sozialnetz „V Kontakte“.
Regen-TV und relative Vielfalt
Eines Tages zurückkehren in ein anderes Russland: Stephan Tschischow, zum Auswandern entschlossen
wandern, in ein paar Monaten soll es losgehen. Sie haben Geld gespart, wollen noch einmal studieren und dann erst einmal dort bleiben. „Es fehlt in Russland an Respekt und Rücksicht. Das fängt im Straßenverkehr an und endet beim Verhalten der Staatsbeamten, der Politiker und des Präsidenten gegenüber den Bürgern“, sagt Stephan.
„V Kontakte“ gegen Stagnation Ein Drittel der gut ausgebildeten Russen unter 40 Jahre will Russland verlassen, fand das unabhängige Umfrageinstitut Lewada im Sommer heraus. In Internetforen diskutieren Auswanderwillige darüber, wie man Russland verlassen kann und wohin. Das bekannteste Forum heißt „Pora Wolit!“ – „Zeit abzuhauen“. Die jungen Russen, die hier schreiben, wollen weg von Korruption, kontrollierten Medien,
Über das Internet sendet auch Doschd-TV – „Regen-TV“ – ein junger, hipper Sender. Anders als auf den staatlich kontrollierten Kanälen kommen hier Oppositionsführer ausführlich zu Wort, wird live von den Protesten berichtet. Seit Dezember haben sich die Zuschauerzahlen verfünffacht, rund eine Million sind es derzeit pro Woche, Tendenz steigend. Selbst Putin schickt seinen Pressesprecher in Talkshows von Doschd. Aber es gibt bereits ersten Druck von oben: Die Medienaufsichtsbehörde hat die Überprüfung von Aufnahmen angekündigt. Zwei Rügen würden den Lizenzentzug bedeuten. Stephan informiert sich mehr in diesen Wochen: Er schaut Doschd, liest die liberale Online-Zeitung gazeta.ru, schaltet im Auto die kremlkritischen Radiosender Echo Moskvi oder Kommersant FM ein oder kauft Tageszeitungen wie Kommersant, Wedomosti oder das Nachrichtenjournal Wlast. Der Fernseher in der kleinen Wohnung, die er und seine Frau mit Stephans Eltern teilen, bleibt immer öfter aus. „Unser Staatsfernsehen ist Gehirnwäsche, auch wenn sie neuerdings dort die Proteste nicht ganz ignorieren können.“ Doch für die meisten Russen, vor allem für jene außerhalb der Metropolen, ist das Fernsehen nach wie vor die Hauptinformationsquelle. Deshalb dulden die Mächtigen bisher auch die relative Vielfalt der Hauptstadtmedien.
Gehen und zurückkehren Das Internet wird jedoch immer wichtiger: Mittlerweile nutzen es fast 60 Millionen Russen – 40 Prozent der gesamten Bevölkerung. In Blogs und Sozialen Netzen formiert sich schon seit ein paar Jahren
Protest, aber erst jetzt hat er das Internet auch verlassen. „Der Kreml kann es sich nicht leisten, das Internet nach chinesischem Vorbild einzuschränken“, sagt Maria Lippmann, Medien- und Politikwissenschaftlerin am Moskauer Carnegie Institut. „Das würde die Proteste eskalieren lassen und zwangsläufig zu einer Abschottung vom Westen führen, aber auf den ist Russland angewiesen.“ Analystin Lippmann glaubt: „Diese Proteste sind der Anfang vom Ende der Ära Putin – zwölf Jahre kann er nicht durchhalten.“ Immer öfter bekommt Stephan Tschischow von Bekannten zu hören, dass es falsch sei, Russland jetzt zu verlassen. Schließlich werden die Proteste vor und nach den Präsidentschaftswahlen Anfang März in die heiße Phase gehen, hoffen all die, die nun demonstrieren. Stephan kann diejenigen, die ihre Auswanderpläne ändern oder verschieben, verstehen, aber er und seine Frau wollen weiterhin weg: „Selbst wenn ich 100 Jahre alt werden würde, will ich keine 20 Jahre mit dem Kampf gegen das System verschwenden – ich will jetzt leben.“ Eines Tages zurückzukehren in ein anderes Russland ohne Putin und sein System, davon träumt Stephan trotzdem.
Mareike Aden ist Mitarbeiterin im DW-Studio Moskau. Sie wurde 2011 mit dem Peter-Boenisch-Gedächtnispreis für ihre multimediale Berichterstattung über Russland ausgezeichnet. Der Preis erinnert an den 2005 verstorbenen Journalisten und Gründungsvorsitzenden des Petersburger Dialogs, Peter Boenisch. Mareike Aden, geboren 1983 in Aurich, studierte Journalistik und Politik in Dortmund und St. Petersburg und absolvierte ein Volontariat bei der DW. Seit 2008 berichtet sie als freie Korrespondentin aus Russland und den Nachbarländern.
Deutsche Welle
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©© dpa
unterwegs sein
Text Markus Reher, Studio Moskau
Kulturtransfer
Saison der Walrösser Mitten im Winter schlagen hartgesottene Russen ein Loch ins Eis und steigen ins Wasser. „Walrösser“ nennen ihre weniger tapferen Landsleute sie deshalb liebevoll. Lebensgefährlich, denkt dagegen der Korrespondent – zunächst.
©© dpa
Ein Wunder! Das Wasser ist warm: Eisbaden in der Moskwa
32 weltzeit 1 | 2012
Halb zwölf Uhr nachts an der großen Standuhr beim Silberwäldchen am Rande Moskaus, so war es abgemacht mit Wladimir und Tanja. Die beiden sind Freunde aus der Banja, der russischen Dampfsauna. Sie hatten mich schon lange gedrängt, mit zum Eisloch zu kommen, zur „Taufe“. In der Nacht vom 18. auf den 19. Januar gilt das Wasser in Russlands Flüssen und Seen als heilig. Die orthodoxe Kirche erinnert an die Taufe Jesu im Jordan und an die Erscheinung Gottes. Doch inzwischen nehmen viele Russen – die besagten Walrösser – diese Nacht als Auftakt zur Saison des Eisbadens. Das Ritual ist zum Volkssport geworden. Allein in Moskau steigen Tausende in zugefrorene Gewässer. Noch kann ich Nein sagen, denke ich, als wir im Schnee quer durch das mondhelle Silberwäldchen zum Fluss Moskwa stapfen. Schon jetzt friere ich! Dabei habe ich mich dick angezogen. „Das ist doch lebensgefährlich!“, sage ich zu Tanja und Wladimir. „Ach was, mein Guter“, meint Tanja. „Du ziehst dich einfach aus, dann gehst du vorsichtig ins Wasser. Erst mit den Füßen, dann bis zum Knie, dann bis zur Hüfte. Und dann tauchst du dreimal kurz mit dem Kopf unter.“ Schneller als gedacht ist das Eisloch da. Jetzt kann ich nicht mehr kneifen. Zuerst die Füße, die Knie, dann die Hüfte, langsam. Dann lasse ich mich einfach fallen: Ein Wunder! Das Wasser ist warm! Erst als ich wieder aus dem Fluss steige, wird es bitter. Ich dampfe am ganzen Körper. Kleine Eiskristalle glitzern auf meinen A rmen. Das Herz schlägt bis zum Hals, der Kiefer klappert. Und die Glieder zittern, sodass ich mich kaum anziehen kann. Auf dem Heimweg, in der U-Bahn erst, kehrt die Wärme zurück, das Herz beruhigt sich. Und eine wohlige Freude kommt auf: Ich habe es überlebt! Ich bin winterfest, selbst für Russland.
position beziehen
Text Sybille Golte-Schröder Leiterin Asien-Redaktionen
Birmanischer Frühling Man reibt sich verwundert die Augen: Immer öfter prangt das Konterfei der birmanischen Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi auf den Titelseiten der Zeitungen ihres Landes. Bis vor einem Jahr galt die Friedensnobelpreisträgerin als Staatsfeindin Nummer eins und stand unter Hausarrest. Mit der Pressefreiheit war es nicht weit her. Birma – offiziell Myanmar – behauptete in der Rangliste, die jährlich von „Reporter ohne Grenzen“ erstellt wird, einen unrühmlichen hinteren Platz. Unfreier ging es nur noch in Nordkorea, Iran, Eritrea und Turkmenistan zu. Der frische Wind der Demokratie weht inzwischen nicht nur in Birmas Zeitungsredaktionen: Auslandssender sind nicht mehr verboten. Gefängnistüren öffnen sich und lassen regimekritische Journalisten, Künstler und Politiker frei. Nichts scheint mehr ausgeschlossen zu sein. Dazu zählt auch ein politisches Amt für Aung San Suu Kyi. Selbst Spekulationen über das Präsidentenamt machen die Runde.
»Die Armee ist nicht über Nacht zur Heilsarmee geworden« Dieses Amt hat derzeit noch Thein Sein inne, ein General und früheres Mitglied jener Militärkaste, die das Land über Jahrzehnte im eisernen Griff hielt. Er verdankt seine Position durchaus unfreien Wahlen vor einem Jahr und hat doch die Hebel für den Kurswechsel umgelegt. Das malerische Land der tausend Pagoden kehrt zurück in die Gemeinschaft demokratischer Länder. Manche Beobachter warnen allerdings vor verfrühtem Optimismus. Noch sind nicht alle politischen Gefangenen frei, noch ist nicht jede Zensurbestimmung aufgehoben und in der neuen Verfassung sichert sich das mächtige Militär die Möglichkeit, das Rad der Demokratisierung auch wieder zurückzudrehen. Die Armee ist nicht über Nacht zur Heilsarmee geworden. Die anhaltenden Konflikte zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen im multiethnischen Birma gehen weiter, ebenso wie die Übergriffe der Soldaten. Ist das Glas der Demokratie nun halb voll oder halb leer in Birma? Darüber gibt es geteilte Ansichten. Vor allem Exilbirmanen weisen auf die noch vorhandenen Probleme hin. Wohl wahr, bis zur lupenreinen Demokratie hat das Land noch einen weiten Weg vor sich. Neben einer Militärreform gehört dazu auch eine Bewältigung der Vergangenheit mit all dem Unrecht, das in Jahrzehnten der Diktatur geschehen ist. Unabhängige Medien sind dafür die entscheidende Basis, ebenso wie eine Zivilgesellschaft, die dank ihrer Gallionsfigur Aung San Suu Kyi die Jahrzehnte der Diktatur überlebt hat und sich nun anschickt, ihren Platz in der Politik einzunehmen.
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menschen begegnen
„Man findet immer einen Platz in Berlin“: Pía Castro auf dem Markt in Kreuzberg
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Text richard fuchs, freier journalist
Volltreffer mit Latino-Power Ohne Vielfalt ist für Pía Castro alles nichts. Ein Blick auf ihr Leben lässt erahnen, warum. In Argentinien aufgewachsen, führt ihr Weg in die Dominikanische Republik und die USA, bevor sie der Fall der Mauer nach Berlin lockt. Dort wird sie zur Radio-Stimme der deutschen Multikulti-Bewegung – und im spanischen Fernsehen der DW zum Gesicht der Sportberichterstattung.
D
as wollte ich auf keinen Fall verpassen“, sagt Pía Castro über den Tag, der ihr Leben verändert hat. Es ist der 9. November 1989, in Berlin fällt die Mauer. Die damals 17-jährige Argentinierin verfolgt das historische Ereignis in Buenos Aires vor dem Fernseher. Der politische Umbruch fasziniert sie. „Man konnte die Vibrationen bis nach Lateinamerika spüren“, sagt die heute 39-Jährige, die kurz nach der Wiedervereinigung nach Deutschland aufbricht. Nicht ihr erster Neubeginn. Die Tochter argentisch-italienischer Eltern war zuvor bereits in die Dominikanische Republik und die USA umgezogen. Doch in Hamburg landet sie ohne Familie, ohne Sprachkenntnisse und ohne kulturelle Nähe. Ein halbes Jahr Deutschkurs, danach beginnt sie an der Freien Universität in Berlin ein Politikstudium. Inspiriert durch den offenen, linksliberalen Geist der dortigen Professoren macht sie sich an die Arbeit, ihre Eindrücke in journalistischen Texten festzuhalten. Den Grundstein dafür hat sie bereits in Argentinien gelegt: Als Tochter einer italienischen Reisejournalistin konnte sie an Reportagen für ein TV-Magazin mitarbeiten.
Vielfalt als Programm In der Nachwendezeit lebt Pía Castro im Zeichen der Multikulturalität – in Deutschland, „einem Land, das sich erst langsam als Einwanderungsland begreift“, wie sie beobachtet. Bei „Radio Multikulti“ in Berlin wird sie zur Stimme der Frühsendung, moderiert vier Stunden lang eine
Mischung aus aktueller Berichterstattung, Interviews und internationaler Musik. Unterstützt wird sie dabei von einem indischpolnisch-türkischen Redaktionsteam. „Hier kamen Journalisten aus der ganzen Welt zusammen, die sich in Deutschland fantastisch auskannten und sich trotzdem einen anderen Blick auf die Dinge bewahrt haben“, sagt Pía Castro über die Faszination von damals. Leicht nachzuvollziehen, dass die Einstellung des interkulturellen Radioprogramms 2008 sie noch heute schmerzt.
»Man konnte die Vibrationen bis nach Lateinamerika spüren« Parallel dazu beginnt vor über zehn Jahren ihre Karriere bei der spanischsprachigen Ausgabe des Journals im Fernsehen der DW. Sie wird zur ersten Sportmoderatorin Lateinamerikas. Ein Volltreffer für die fußballbegeisterte Südamerikanerin – und für die DW. „Eine Frau, die für Südamerika über Fußball und Formel 1 berichtet, damit nahm die Deutsche Welle eine Vorreiterrolle ein“, sagt sie in der Rückschau. Dass die DW jetzt ihr Angebot für Lateinamerika so deutlich aufstockt, das ist für die Argentinierin ein längst überfäl-
liger Schritt. „Die Deutsche Welle findet eine Marktlücke vor, denn gute und seriöse Nachrichten aus der Mitte Europas suchen die Menschen dort bislang vergebens.“ Ein Ziel der stärkeren DW-Präsenz ist für Pía Castro: „Ich möchte erreichen, dass die Menschen von unseren Fehlern lernen, auch von unseren Gewinnen profitieren.“
Gewachsene Toleranz Über 20 Jahre lebt Pía Castro bereits im Berliner Stadtteil Kreuzberg, inzwischen mit ihrem Mann und zwei Kindern. 20 Jahre, in denen sich auch ihr Einwanderungsland Deutschland grundlegend verändert hat. Zwar werde in den Medien noch immer heftig über Zuwanderung und Integration gestritten. Doch vor ihrer Haustür, sagt sie, wachse trotz aller offensichtlichen Probleme eine selbstbewusste Generation junger Migranten auf. „Als hochqualifizierte arabische Ärzte oder türkische Lehrer fordern sie ihren Platz in der Gesellschaft ein.“ Das macht ihr Mut, denn sie lebt an einem Ort, nach dem sie immer gesucht hat: „Egal, woher man kommt, egal, wer man ist, man findet immer einen Platz in Berlin.“ Diese Toleranz hat sie lieben und schätzen gelernt. Kein Wunder, dass sie sich ein Leben außerhalb der deutschen Hauptstadt kaum noch vorstellen kann. Denn im Grunde geht es ihr heute noch so wie damals, als sie in Deutschland und dann in Berlin ankam. „Wenn ich nicht hier lebe, habe ich das Gefühl, etwas zu verpassen.“
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