weltzeit 2_2011: Arabische Welt im Umbruch: Das Volk hat das Wort

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Das Magazin der Deutschen Welle 02— April 2011

Arabische Welt im Umbruch:

Das Volk hat das Wort


Jede MenGe diSKuSSionSSToff. MedienforuM.nrW, 20.– 22. Juni 2011, Köln

Von Medien, MacHt und MenscHen. 23. MedienforuM.nrw // 20.– 22. Juni 2011, Köln www.medienforum.nrw.de eine Veranstaltung der Landesanstalt für Medien nrw (LfM), gefördert mit Mitteln des Landes nordrhein-westfalen. Verantwortlich für Konzeption und durchführung ist die LfM nova GmbH.


vorspann

Editorial Liebe Leserinnen und Leser, die Berichterstattung hierzulande wird derzeit von zwei Themen dominiert – zu Recht: Die Katastrophe in Japan und die Umwälzungen in der arabischen Welt – sie bestimmen auch die Agenda der Deutschen Welle. Sie hat ihre Informationsangebote angepasst, unternimmt viele zusätzliche Anstrengungen, um den Menschen Einschätzungen und Analysen aus deutsch-europäischer Perspektive zu liefern. In Zeiten wie diesen ist es besonders wichtig, dass Deutschland eine Stimme hat, die an der Meinungsbildung der Weltöffentlichkeit mitwirkt und die Positionen unseres Landes vermittelt. Besonders gefordert sind die ArabischRedaktionen. Es ist gut, dass DW-Jour-

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nalisten, die aus der Region kommen, auch bei Inlandsmedien als Experten gefragt sind. Das dialogische Prinzip des Auslandsrundfunks, es wirkt auch nach Deutschland hinein. Die Entwicklungen in Nordafrika und Nahost sind auch Schwerpunkt dieser weltzeit. Sie widmet sich Aspekten der gegenseitigen Wahrnehmung in den Medien, zeigt auf, wo Partnerschaften sinnvoll sind und wie sich die DW in die journalistische Fortbildung in der Region einbringt. Ausgehend vom arabischen Raum – einer Kernregion für den deutschen Auslandsrundfunk – erfahren Sie zudem aus erster Hand mehr über den künftigen Kurs der Deutschen Welle. Intendant Erik Bettermann erläutert die Reformpläne. Rund-

funkrat und Intendanz haben ein Ziel: die DW neu zu positionieren, um den veränderten Bedingungen auf den internationalen Medienmärkten einerseits und der schwierigen Finanzlage des Senders andererseits Rechnung zu tragen. Ich wünsche der Deutschen Welle viel Erfolg bei der Gestaltung des Prozesses, ihre Zukunft als kraftvolle Stimme Deutschlands in der Welt zu sichern. Ihnen wünsche ich eine anregende Lektüre. Ihr Valentin Schmidt, Vorsitzender des Rundfunkrats

Impressum

In dieser Ausgabe 04-05

nachrichten

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titel » Arabische Welt im Wandel: Gegenseitige Wahrnehmung » Intendant Erik Bettermann: „Unsere Stimme muss klar erkennbar sein“ » Neue Chancen: Partnerbindung in Nahost » Gastbeitrag: Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz

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spot

25-26 partner » KINO: Der deutsche Film international

28-31 profil » USA: Medien im Glaubenskrieg? » Deutschlandbild: Ziphora Robina

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neue medien » Alles auf Abruf: DW Media Center

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schlaglichter

34-35 zoom » Nahla Elhenawy: Von Kairo über Tokio nach Berlin

Deutsche Welle Unternehmenskommunikation 53110 Bonn T. 0228.429.2041 F. 0228.429.2047 weltzeit@dw-world.de www.dw-world.de/presse blogs.dw-world.de/weltzei t Verantwortlich: Dr. Johannes Hoffmann Redaktion: Berthold Stevens Gestaltung: Alexandra Schottka, Lisa Flanakin Titelfoto: Sarah Mersch Druck: Brandt GmbH · Bonn Anzeigen T. 0228.429.2043 F. 0228.429.2047 weltzeit@dw-world.de Werbung im Programm T. 0228.429.3507 F. 0228.429.2766 werbung@dw-world.de


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Ein Bild für die Menschenrechte Bonn – Im Vorfeld des Deutsche Welle Global Media Forum vom 20. bis 22. Juni ruft der deutsche Auslandssender zu einem internationalen Fotowettbewerb auf: „Klick! – Your View of Human Rights and Globalization“.

© DW/M. Müller

Interessierte in aller Welt sind eingeladen, Motive zum Thema Menschenrechte und Globalisierung einzusenden; Menschen sollen dabei eine entscheidende Rolle spielen. Die DW stellt die eingereichten Fotos unter www.dw-gmf.de/KLICK!/de ein, wo sie über eine interaktive Weltkarte angesehen werden können. Am 25. April startet

Das Votum für „The BOBs“

das Online-Voting für die 30 besten Fotos. Aus dieser Auswahl bestimmen die Teilnehmer des Deutsche Welle Global Media Forum im Juni die Gewinner. Bilder mit Motivbeschreibung bis 20. April an klick@dw-world.de. Zur internationalen Konferenz erwartet die DW wieder 1.500 Teilnehmer aus der ganzen Welt im World Conference Center in Bonn. Menschenrechte und Globalisierung – Herausforderungen für die Medien,

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Mitglied der BOBs-Jury: die

Journalistin und Bloggerin Amira Al Husseini aus Bahrain

Parallel dazu gibt es ein Votum der Jury. Alle Gewinner werden am 12. April in der Deutschen Welle in Bonn bekanntgegeben und auf www.thebobs.com veröffentlicht. Zur Jury gehören in diesem Jahr unter anderen der chinesische Blogger Isaac Mao und die Journalistin und Bloggerin Amira Al Husseini aus Bahrain. Sie wird auf einer Veranstaltung der DW am 13. April auf der Konferenz re:publica in Berlin sprechen. Dabei geht es um die Frage: „Tunesien, Ägypten, Libyen – ein Fanal für ganz Afrika?“ Am selben Tag diskutieren dort außerdem die BOBs-Juroren Rosana Hermann aus Brasilien und Vanina Berghella aus Argentinien über das Internet in Lateinamerika. Bei den Fachkategorien ihres Blog-Awards legt die DW den Fokus auf Menschenrechte: Gesucht werden Weblogs und Videoformate, die sich zum Beispiel mit dem Recht auf Mei-

© DW-Archiv

Bonn/Berlin – Die besten Blogs weltweit zeichnet die Deutsche Welle wieder im Rahmen ihres internationalen Blog-Awards „The BOBs“ aus. Internetnutzer aus aller Welt stimmen über ihre Favoriten in elf Sprach- und sechs Fachkategorien ab und vergeben somit die Publikumspreise.

nungsfreiheit, auf Bildung oder Gesundheit beschäftigen. Erstmals wird die beste „Social Activism“-Kampagne ausgezeichnet, also eine Initiative, die in beispielhafter Weise Soziale Netze und andere digitale Kommunikationsmöglichkeiten zur Stärkung von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten nutzt. Darüber hinaus werden die derzeit weltbesten Blogs in elf Sprachen ermittelt – dieser Teil des Wettbewerbs ist themenübergreifend. —— www.thebobs.com • www.re-publica.de


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so lautet das Thema der vierten Auflage des Kongresses. Mit dabei unter anderem Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, Thorbjørn Jagland, Generalsekretär des Europarats und Vorsitzender des Norwegischen Nobelkomitees, Morten Kjaerum, Direktor der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, Frank Appel, Vorstandsvorsitzender Deutsche Post DHL, und Aidan White, Generalsekretär der International Federation of Journalists. Zu den Partnern des interdisziplinären Kongresses zählen in diesem Jahr unter anderem die OSZE, der Europarat, Amnesty International, Politische Stiftungen, das Deutsche Institut für Menschenrechte,

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Reporter ohne Grenzen, der European Council on Foreign Relations, die European Union Agency for Fundamental Rights und die Stiftung Entwicklung und Frieden (SEF). —— www.dw-gmf.de

Die Blaupause für Pressefreiheit Brüssel/Bonn – Kann die Pressefreiheit in Europa als Vorbild für Nordafrika dienen? Darüber diskutieren am 2. Mai Vertreter aus Politik und Medien in Brüssel. Am Vorabend des Internationalen Tags der Pressefreiheit. Im Zeichen der Medienfreiheit steht auch eine weitere DW-Veranstaltung am 28. April in Bonn.

weltzeit-Blog Ägypten: „Die letzten Wochen waren die besten meines Lebens und ich werde sie nie vergessen“, sagt die ägyptische Bloggerin Eman Hashim…

Die westlichen Staaten sind davon überzeugt, dass bei ihnen alles zum Besten bestellt ist. Reporter ohne Grenzen (ROG) zufolge hat sich aber im vergangenen Jahr auch die Lage der Medienfreiheit in Europa verschlechtert. Nicht nur bei den „jüngeren“ EU-Mitgliedern in Süd- und Südosteuropa, auch in Frankreich und Italien. Wie glaubwürdig kann Europa da noch in anderen Regionen wie Nordafrika, China oder Iran die Freiheit der Presse einfordern? Wie wünschen sich die Menschen im Nahen Osten ihre Medienlandschaft? Bestehen gar andere Modelle, die Europa fremd erscheinen, aber dennoch akzeptiert werden sollten? In der Vertretung des Landes NordrheinWestfalen bei der EU in Brüssel diskutieren am

2. Mai ab 17 Uhr unter anderem Gemma Pörzgen, Vorstand Reporter ohne Grenzen, Aktham Suliman, Deutschland-Korrespondent von AlDschasira, und Károly Vörös, Chefredakteur der ungarischen Tageszeitung „Népszabadság“. Mitveranstalter ist das medienforum.nrw. Am 28. April geht es ab 18 Uhr im Funkhaus Bonn in einer Expertenrunde ebenfalls um die Perspektiven der Medienfreiheit. Loay Mudhoon, Redaktionsleiter des Online-Portals Qantara.de, und Adrienne Woltersdorf, Leiterin der Chinesisch-Redaktion der DW, richten den Blick auf den arabischen Raum und auf China – eine gemeinsame Veranstaltung von Bonner Medienclub und Deutsche Welle. —— www.dw-world.de/veranstaltungen

Weißrussland: Für viele Weißrussen ist das Internet die einzige Alternative, um an freie und kritische Berichterstattung zu gelangen… Iran: Über den „Krieg im Cyberspace“ spricht Jamsheed Faroughi. Hören Sie ein Interview mit dem Leiter der Farsi-Redaktion der DW. Im weltzeit-Blog finden Sie Fakten, Analysen, Meinungen zur Rolle und Entwicklung der Medien weltweit – als Text, Audio und Video. Schauen Sie rein – diskutieren Sie mit! blogs.dw-world.de/weltzeit


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Soziales Netz im realen Straßenbild in Tunis: „Wir sterben für unser Vaterland“ und andere Bekenntnisse und Namen in weniger als 140 Zeichen

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Zwischen Abbild und Zerrbild Die arabische Welt ist im Umbruch. Die junge Bevölkerung verjagt die Diktatoren, erkämpft sich neue Freiheiten und will demokratische Strukturen. Oppositionelle wollen Teilhabe an der Macht. So weit sind sich alle Stimmen einig – Medien hierzulande wie in der arabischen Welt. Oder doch nicht? Welches Bild erhalten wir, welches Bild erhält die Bevölkerung in den betroffenen Regionen? Und welche Rolle spielen internationale Stimmen? Für die Deutsche Welle ist der arabische Raum ein Schwerpunkt im Zeichen des Dialogs. Es sollte lediglich ein normaler Heimaturlaub werden – die Familie besuchen. Stattdessen ist Mona Hefni unvermittelt mittendrin im Geschehen. Ende Januar dieses Jahres protestieren Tausende Ägypter auf den Straßen Kairos gegen das Regime Hosni Mubaraks. Teilweise herrschen chaotische Zustände in der ägyptischen Hauptstadt. Die Situation ist unübersichtlich – so auch die Nachrichtenlage. Jeden Abend sitzt Mona Hefni – sonst als Volontärin bei der Deutschen Welle in Bonn oder Berlin im Einsatz – mit ihrer Familie vor dem Fernseher, um sich zu informieren. Sie verfolgen Al-Dschasira und Al-Arabiya. „Staatliche Medien gelten als Propagandaplattform der Regierung und ausländische Sender können nicht so schnell sein“, sagt sie. Die pan-arabischen Medien sind ihre Hauptquellen für Informationen: Fernsehen und Internet gleichermaßen. Erst dann kommen BBC Arabic, CNN oder Deutsche Welle.

Es ist die Zeit der Umbrüche in der arabischen Welt. Das Bild der Menschenmassen auf dem Kairoer Tahrir-Platz steht symbolisch für die junge Demokratiebewegung in der Region. Wochen zuvor wurde Tunesiens langjähriger Machthaber Ben Ali aus dem Land gejagt. Auch in Libyen, Bahrain und im Jemen begehrt das Volk gegen die Herrscherschicht auf. Die pan-arabischen Medien berichten „fast euphorisch“ von den Geschehnissen im Nahen Osten, meint Ibrahim Mohamad aus der Arabisch-Redaktion in Bonn. „Al-Dschasira hat sich von Anfang an auf die Seite der Demonstranten gestellt.“ Eine Berichterstattung, die in hohem Maße von Emotionen getrieben sei. Gezeigt werden junge Araber, die für mehr Demokratie und Freiheit auf die Straße gehen. Im Gegensatz dazu stehen die deutschen Medien. Als Mona Hefni wieder in Deutschland ist, versucht sie, über Freunde auf Facebook und

»Eine Wahrnehmung aus geo-kultureller Distanz«

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Das Bild von der sich wan-

delnden arabischen Welt klarer zeichnen: ein Appell an Medien in Deutschland

über Al-Dschasira-Online auf dem Laufenden zu bleiben. Ab und zu schaltet sie den Fernseher ein, schaut Tagesschau und andere Nachrichten: Phoenix, NTV, N24. Gut informiert fühlt sie sich nicht. Zu oberflächlich und nicht aktuell genug seien viele Informationen der deutschen Kollegen – und das seit Beginn der Unruhen im Maghreb. „Es gab eine gewisse Dynamik, vor allem was Tunesien angeht. Die deutschen Medien waren ein bisschen langsam, das alles aufzunehmen“, will Torsten Matzke, Politikwissenschaftler an der Universität Tübingen, beobachtet haben. „Erst ab dem Zeitpunkt, als die Regierung in Tunesien gestürzt war und man über mögliche Auswirkungen in der Region diskutierte, wurde es mehr.“ Dabei versuchten die Medien hierzulande stets, direkte Auswirkungen der gewaltigen Umwälzungen in der arabischen Welt auf deutsche Interessen zu finden – sei es der Tourismus, sei es der Ölpreis, so Matzke. Zudem gebe es die Furcht vor einer Welle nordafrikanischer Flüchtlinge, die auf Europa zu rollt.

Die ägyptische Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin an der Universität Erfurt, Hanan Badr, nennt dies „geo-kulturelle Distanz“. Im Vergleich zu den arabischen Leitmedien würde man in Deutschland die Sache anders angehen. „Hier fragt man sich: Was kommt nach der Revolution? Wer wird das Land regieren? Wie verändert sich die Beziehung der Länder zu Israel?“, erklärt Badr. Auch ihr ist eine anfängliche Zurückhaltung der deutschen Medien während der tunesischen Jasmin-Revolution aufgefallen. Angst vor dem Unbekannten sei der Grund für diese Zaghaftigkeit. Allgemein lasse sich zunächst ein gewisses Erstaunen und Argwohn gegenüber den Umwälzungen in Nordafrika und der Golfregion erkennen. „Man war wohl überrascht, dass dort seit Jahrzehnten autoritäre Herrscher an der Macht waren, Menschenrechte stark eingeschränkt waren. Gerade Tunesien war in der deutschen Wahrnehmung eher ein Musterland denn Schurkenstaat gewesen“, meint Matzke.


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Schnell wurde in einigen deutschen Medien Angst vor Islamisten verbreitet, die von den Protesten profitieren könnten. „Die Demonstrationen wurden nicht immer deutlich genug als Aufstand des Volkes wahrgenommen, nicht als eine Bewegung, die sich aus dem Volk gebildet hat“, meint DW-Redakteur Mohamad. Das Beispiel der Muslimbrüder zeige dies deutlich. „Dass mehrheitlich gebildete, junge Ägypter für eine liberale und säkulare Demokratie einstehen, wird da oft vernachlässigt. Die eigene Wahrnehmung ist diesbezüglich verzerrt“, so Badr. Beide Experten, Hanan Badr und Torsten Matzke, klagen über eine zu kurze Aufmerksamkeitsspanne der deutschen Medien. Während die arabischen Kollegen die weitere Entwicklung in Ägypten genau verfolgen, geht der Blick in deutschen Medien hin zu Guttenberg, Gorch Fock und Gaddafi. „Gerade jetzt ist das eine kritische Phase, in der sich Ägypten befindet. Denn erst jetzt wird sich herausstellen, in welche Richtung es gehen wird“, ist Badr überzeugt.

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Medien in der arabischen Region Es gibt zahlreiche länderspezifische Unterschiede in der Medienlandschaft innerhalb der arabischen Welt, die zudem durch die Umbrüche in einigen Ländern in Bewegung geraten ist. Trotzdem lassen sich einige allgemeine Aussagen über die Rolle der Rundfunkanstalten und Printmedien in Nordafrika und dem Nahen Osten treffen. In der ganzen Region steht Fernsehen als meist genutztes Medium an erster Stelle. Zugleich werden Online-Medien und Soziale Netze immer wichtiger. Auch Hörfunk und Print sind weiterhin von Bedeutung. Staatsmedien: Ob Fernsehen, Radio, Zeitung oder Online – sitzt ein Beamter auf dem Stuhl des Chefredakteurs, gilt das Medium als verlängerter Arm der Regierung und genießt in der Bevölkerung nur wenig Glaubwürdigkeit. Das gilt bis heute. Ob sich die staatlichen Sender in Ägypten und Tunesien nach den politischen Umbrüchen in Richtung demokratisch kontrollierter, öffentlich-rechtlicher Modelle weiterentwickeln werden, ist derzeit noch nicht abzuschätzen.

Mehr Emotionalität Auch unter den arabischsprachigen Leitmedien gibt es Unterschiede im Tenor der Berichterstattung. Das TVProgramm des in Dubai ansässigen Senders Al-Arabiya positionierte sich schnell. Wie das aus Katar kommende AlDschasira unterstützte der Fernsehsender die Demokratiebewegung in der arabischen Welt. Nur schafft Al-Dschasira durch zahlreiche Augenzeugenberichte mehr Nähe und Emotionalität. Allerdings sind bei beiden Sendern zugleich Einflüsse und Interessen ihrer Besitzer zu erkennen. Im Gegensatz dazu bietet BBC Arabic eine sachliche und rationale Darstellung der Vorkommnisse. Die DW hat ihrerseits ausführliche Hintergrundberichte zur Jasmin-Revolution in Tunesien und zu den Umwälzungen in Ägypten geliefert. Ebenso zu den Entwicklungen in Libyen und weiteren arabischen Ländern. Für den deutschen Auslandssender steht eine Rund-um-dieUhr-Berichterstattung mit eingeblendeten Eilmeldungen zwar nicht im Vordergrund. Gleichwohl schöpft die DW in Krisensituationen auch in dieser Hinsicht alle Möglichkeiten aus – und zwar trimedial. So gab es beispielsweise eine Ausweitung der Journal-Sendungen, zusätzliche Talkrunden und eine Vielzahl von Experten-Stimmen im Arabisch-Programm von DW-TV. Im Internet gab es parallel dazu einen massiven Anstieg der Zugriffe auf die arabischen Seiten der DW. „Die Deutsche Welle gilt in der Region als unabhängige und verlässliche Quelle. So

Private Medien: Sie gelten – sofern zugelassen – je nach Land nur sehr eingeschränkt als Gegenpol zu den staatlich kontrollierten Medien. Einige TV-Sender, Webportale und Zeitungen gelten zwar als objektiv. Die Programminhalte bestimmt aber im Zweifel der Besitzer. Private Medien werden zudem oft eher als Unterhaltungsmedium wahrgenommen – ob Radio oder TV. Pan-arabische Medien: Prominentester und erfolgreichster Vertreter ist Al-Dschasira. Der TV-Sender, der seit 2006 aus Katar sendet, gilt als populistisch ausgerichteter und zugleich zuverlässiger überregionaler Nachrichtensender – auch auf Englisch. Nicht zuletzt, weil dort zahlreiche ehemalige BBC-Mitarbeiter tätig sind. Kritische Berichte über Katar kommen aber praktisch nicht vor. Als Gegengewicht sendet Al-Arabiya aus Dubai. Das arabische Programm ist ein Medienprojekt der Saudis und wird von Kritikern in der Region mit Skepsis betrachtet. Auch Al-Arabiya gilt insgesamt als kritischer Sender – außer gegenüber dem saudischen Herrscherhaus. Beide Sender verfügen über ein umfangreiches Online-Angebot. Ergänzend zu den TV-Sendern sind überregionale Zeitungen wie Al-Hayat zu erwähnen, die in London herausgegeben wird. Sie wird auch in Europa gelesen, gilt als pro-saudisch und wird hauptsächlich von der Bildungselite konsumiert. Auslandsmedien: Ausländische Medien wie BBC Arabic, CNN oder France 24 liegen hinter den Konkurrenten Al-Dschasira und Al-Arabiya, was die Gunst der arabischen Zuschauer angeht. Die Deutsche Welle mit ihren arabischsprachigen Angeboten in Fernsehen, Internet und Radio wird als ergänzendes Medium insbesondere für die deutsch-europäische Perspektive genutzt.


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titel werden wir auch von denen wahrgenommen, welche die Demokratisierungsbewegung tragen, den Zivilgesellschaften. Diese Glaubwürdigkeit erzielen wir vor allem, weil wir über Soziale Netze jüngere Zielgruppen ansprechen“, sagt Ute Schaeffer, Leiterin der Afrika/Nahost-Redaktionen der DW in Bonn.

DW vor Ort Multimediales Angebot: DW-TV ist zwischen Marokko und Oman über den Satelliten Nilesat 102 zu empfangen und sendet täglich zwölf Stunden auf Arabisch und zwölf Stunden auf Englisch. Täglich zwei Stunden ist DW-Radio/Arabisch in der Region zu hören – über Partner, etwa Voice

DW-Expertise gefragt

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Der Freiheit entgegen: Pro-

teste auf dem Tahrir-Platz in Kairo

of Lebanon, Radio Bethlehem, Palestine News Network

Die Vorteile von Al-Dschasira und Al-Arabiya lägen auf der Hand, erklärt Ibrahim Mohamad. „Diese Sender haben ein dichtes Netz an Korrespondenten vor Ort – und das in jeder Stadt. Von der sprachlichen und regionalen Kompetenz ganz zu schweigen.“ Letzteres zeichnet auch die DW aus. Nicht umsonst war die arabische Expertise der Deutschen Welle bei Sendern und Zeitungen hierzulande gefragt. Denn in der ArabischRedaktion – in Berlin und Bonn – arbeiten Redakteure, die aus den Krisenregionen kommen und dort über zahlreiche Kontakte verfügen. Das sind authentische Quellen, über die andere deutsche Sender nicht oder nur in begrenztem Maße verfügen. Deshalb wünscht sich Mohamad, dass deutsche Medien künftig noch mehr auf das Wissen der in Deutschland lebenden Araber zurückgreifen. Das würde dazu beitragen, das Bild von der sich wandelnden arabischen Welt noch klarer zu zeichnen. Und den Dialog mit der islamischen Welt zu stärken. Dies ist das Ziel von Qantara.de, dem mehrsprachigen Online-Portal der DW. „Wir verzeichnen seit Beginn der Umbrüche ein wachsendes Interesse, die Klickzahlen sind enorm angestiegen“, berichtet Redaktionsleiter Loay Mudhoon. „Wir haben unser Angebot ausgeweitet und durch Essays und Analysen

und Arabesque FM (Syrien), auf UKW. Verstärkt auf interaktive Elemente setzt die DW im arabischen Online-Angebot (dw-world.de/arabic). Der Internetmarkt in der Region zeichnet sich durch besonders hohe Wachstumsraten bei einem überdurchschnittlich jungen Publikum aus. Die DW wendet sich beispielsweise mit Podcasts insbesondere an diese Zielgruppe. Ergänzt wird das Online-Angebot der DW um das dialogorientierte Portal Qantara.de – ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Institut für Auslandsbeziehungen, dem GoetheInstitut und der Bundeszentrale für Politische Bildung. Mobil in Ägypten: Mit dem Portal LinkOnLine, das zehn der wichtigsten Webseiten Ägyptens generiert, arbeitet die DW eng zusammen. Sie ist dort mit Angeboten aus Politik, Wirtschaft und Sport auf Arabisch, Englisch und Französisch vertreten. Die Partnerschaft soll ausgebaut werden. Starkes Interesse besteht am Austausch von multimedialen Angeboten für die mobile Kommunikation. Auch im Bereich Video und Podcast sehen die Partner ein enormes Potenzial künftiger Zusammenarbeit. Dies gilt ebenso für die Partnerschaft mit der Universität Kairo, die seit 2008 besteht, und die Kooperation mit dem SawyCenter. Das Jugend- und Kulturzentrum ermöglicht der DW seit drei Jahren Veranstaltungen vor Ort. Ausbau im Irak: Einer der größten und beliebtesten privaten TV-Sender unter rund 200 Anbietern ist Al Hurrya in Bagdad. Seit 2010 kooperiert die DW mit dem Sender,

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der an einem Ausbau der Beziehungen interessiert ist. 01

Ebenfalls in Bagdad ansässig: der DW-Partner Radio Djilya. Fortbildung in Marokko: Mit dem Institut Supérieur de l’Information et de la Communication (ISIC), der einzigen renommierten Einrichtung für die Aus- und Fortbildung von Journalisten in Marokko, soll die seit 2009 bestehende Kooperation ausgebaut werden. Dazu gehört die Förderung begabter Journalisten: Die zwei Jahrgangsbesten des ISIC kommen als Gastredakteure zur DW. Premiere in Syrien: Gemeinsam mit der Universität in Damaskus und zwei syrischen Sendern (Addounya TV und Arabesque FM) sowie dem Portal Syria.Nobles.com richtet die DW in diesem Frühjahr einen trimedialen Wettbewerb aus. Nachwuchsjournalisten aus den Bereichen TV,


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Zuversicht in Tunesien: In Tunesien bestand bisher be-

Den Prozess begleiten

reits eine Partnerschaft mit einem Radiosender in der

In Zukunft werden zudem die Sozialen Netze weiter im Blickpunkt aller Medien bleiben. „Sie waren bei den bisherigen Umwälzungen so etwas wie der kommunikative Motor. Sie sorgten für Verbreitung und Verstärkung der Botschaften. Und zeigten, dass sich Meinungen erst dann festigen, wenn politische Themen zum Bestandteil sozialer Kommunikation werden“, ist Ute Schaeffer überzeugt. Auf einer Veranstaltung Mitte März in Berlin versicherte der Dekan der US-amerikanischen Universität in Kairo, Nabil Fahmy: „Wir werden den Prozess des Auf baus öffentlicher Institutionen, auch die Gründung von Parteien und die Diskussion um eine neue Verfassung in Ägypten online in Sozialen Netzen begleiten, damit möglichst viele Menschen diesen Prozess verfolgen können.“ ——

Hauptpreis ist ein vierwöchiges Praktikum bei der DW einschließlich Flug und Unterkunft. Unterstützt wird die Aktion vom Goethe-Institut und der deutschen Botschaft in Damaskus. In der nordsyrischen Stadt Aleppo wird in diesem Sommer ein DW-Punkt im Goethe-Institut eröffnet. Das Multimedia-Terminal bietet Interessenten künftig die

Stadt Sousse. In diesen Wochen hat die DW nun erstmals TV-Verträge abgeschlossen – zum einen mit dem tunesischen Marktführer Hannibal TV und zum anderen mit dem staatlichen TV Tunesiens. Zusätzlich zur Programmübernahme aus Deutschland sieht die Vereinbarung mit Hannibal TV eine großzügige Unterstützung der DW beim Aufbau eines speziellen Nachrichtenprogramms beim Partner vor. Schließlich ermöglicht ein IP-Vertrag mit dem Internet-basierten Dienst von Maroc Télécom, das Programm von DW-TV im Paket mit anderen Sendern zu abonnieren. Anfänge in den VAE: Die Kabelplattform E-Vision in den Vereinigten Arabischen Emiraten bietet Nutzern unterschiedliche Sender-Pakete an. DW-TV ist in allen Paketen verfügbar.

Weitere Fakten, Analysen, Meinungen: blogs.dw-world.de/weltzeit www.dw-world.de/arabic • www.qantara.de

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„Europa befürchtet eine

Welle von nordafrikanischen Flüchtlingen“: Politikwissenschaftler Torsten Matzke sieht eigene Interessen im Vordergrund

von Chi Viet Giang DW-Mitarbeiter © DW/M. Müller

Möglichkeit, sich über Programmangebote zu informieren.

renommierter arabischer, deutscher und anderer Autoren bereichert. Denn für Qantara.de ist die arabische Perspektive sehr wichtig, schließlich können wir diese Ereignisse ohne sie nicht richtig einordnen. Zudem erfreut sich unser Dossier über den arabischen Frühling großer Beliebtheit“, erläutert Mudhoon. Das Qantara-Angebot sei ein Mosaikstein für ein klareres Bild in der gegenseitigen Wahrnehmung zwischen Orient und Okzident.

Radio und Internet können sich mit Beiträgen bewerben.


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Auf dem Weg zur Demokratie:

„Unsere Stimme muss klar erkennbar sein“

Tunesier blicken mit Stolz nach vorn

Im Zeichen des Wandels und der Reformen steht auch die Deutsche Welle. Konzentration auf Kernaufgaben und Kernregionen, zu denen der arabische Raum zählt – das ist das Leitmotiv. Fragen an DW-Intendant Erik Bettermann.

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haben alle Redaktionen sehr professionell auf die Herausforderung reagiert und ihre Berichterstattung fokussiert, allen voran die Arabisch-Redaktionen. Sie sind derzeit als Kompetenzzentrum innerhalb der DW gefordert und darüber hinaus als Experten bei Inlandsmedien gefragt.

»Wir tragen zur Meinungsbildung der Weltöffentlichkeit bei.«

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Der arabische Raum erfährt einen tiefgreifenden Wandel. Eine Herausforderung für international präsente Medien. Ist die DW hierfür gerüstet? Die Länder zwischen Marokko und Oman gehören seit 2002 zu den Kernregionen des deutschen Auslandsrundfunks. Damals gingen wir als erster europäischer Auslandssender mit einem arabischen TV-Programm auf Sendung. Gleichzeitig haben wir die Hörfunk- und Internetaktivitäten verstärkt. Die langjährige Präsenz in der Region kommt uns in der aktuellen Krisensituation zugute. Die Menschen kennen und schätzen unsere Angebote als verlässlich, unabhängig und glaubwürdig. In den vergangenen Wochen

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Gerade in den arabischen Staaten ist die Medienkonkurrenz besonders stark. Welche Rolle kann die DW hier spielen? Mit den internationalen Nachrichtenkanälen CNN oder BBC wollen wir uns nicht messen. Auch die pan-arabischen Sender Al-Dschasira und Al-Arabiya können nicht unser Maßstab sein. Über die Nachricht hinaus sind Einschätzungen gefragt, gerade auch aus deutscher und europäischer Perspektive. Das zeigen viele Rückmeldungen, die wir erhalten. Die Menschen wollen wissen, wie Deutschland zu den Entwicklungen steht, wie wir sie auf ihrem Weg in Freiheit und demokratische Strukturen unterstützen. Das ist der rote Faden, an dem wir unsere Angebote ausrichten. Wir vermitteln die Werte, für die Deutschland in der Welt steht. Unser Selbstverständnis ist es, Bewusstseinsprozesse anzustoßen. Als international präsente Stimme trägt die Deutsche Welle mit Fernsehen und Hörfunk, Internet und mobilen Diensten zur Meinungsbildung der Weltöffentlichkeit bei.


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Für eine Partnerschaft auf Augenhöhe

© DW/M. Müller

von Rainer Sollich, Leiter ArabischRedaktion, Hörfunk und Online

Jahrzehntelang haben viele arabische Demokraten vergeblich auf europäische Unterstützung gewartet. Stattdessen wurden ihre heimischen Tyrannen von westlichen Politikern hofiert. Hinzu kommt die Medienförderung durch unsere Akademie als Teil der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Unsere Stimme muss im Konzert der Mitbewerber mit klaren Akzenten erkennbar sein. Das gilt nicht nur für den arabischen Raum, sondern auch für andere Weltregionen.

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Wie kann die DW das angesichts ihrer schwierigen Etatlage leisten? Die Deutsche Welle muss sich neu positionieren, um den veränderten Bedingungen auf den internationalen Medienmärkten einerseits und der schwierigen Finanzlage des Senders andererseits Rechnung zu tragen. Wir müssen uns künftig auf Kernaufgaben und Kernregionen konzentrieren. Kernaufgaben sind die Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbilds, die Vermittlung von Werten wie Demokratie und Menschenrechte sowie die Förderung der deutschen Sprache. Kernregionen sind Nordafrika und Subsahara-Afrika, Nahost, Russland, Iran und China, Südasien, Afghanistan und Lateinamerika. Dies bedeutet nicht, dass wir uns aus anderen Regionen komplett zurückziehen. Wir bleiben beispielsweise in Mittel- und Südosteuropa präsent. Allerdings ist hier zu klären, mit welchen Medien und welchen Angeboten. In einigen Ländern und Regionen sollen künftig tagesaktuelle Inhalte nicht mehr in allen Sprachen produziert werden. Parallel vollziehen wir eine interne Strukturreform. Sie dient dazu, Doppelstrukturen abzubauen, eine straffere redaktionelle Koordination zu erreichen und Prozesse noch effizienter zu organisieren. Das alles hilft,

Für diese Politik gab es teilweise durchaus nachvollziehbare Gründe: In der realen Welt der Staaten und ihrer Interessen kann sich auch Europa seine Partner nicht immer völlig frei aussuchen – etwa allein nach moralischen Kriterien. Dennoch hat diese „Realpolitik“ die Glaubwürdigkeit des Westens in der Region zusätzlich geschwächt. Den Vorwurf doppelter Standards bei der Gewichtung von Menschenrechtsfragen in unterschiedlichen Ländern müssen die Europäer sich gefallen lassen – übrigens auch wir Journalisten. Europäische Medien haben zwar immer wieder auch über Folterpraktiken unter dem „pro-westlichen“ Mubarak berichtet. Aber haben sie dies wirklich oft und deutlich genug getan? Anlass zu kritischer Selbstreflexion gibt es aus europäischer Perspektive allemal. Zugleich verdienen die Freiheitsbewegungen in der arabischen Welt unsere Bewunderung und höchsten Respekt: Die „Generation Facebook“ kämpft dort aus eigener Kraft und mit großem Mut für Demokratie, Freiheit und mehr Gerechtigkeit. Damit beweist die arabische Jugend eindrücklich, dass dies eben nicht bloß „westliche“, sondern universelle Werte sind. Dauerhaft werden sie sich in dieser Region aber nur dann durchsetzen können, wenn eine neue Stabilität entsteht und die wirtschaftliche Lage der Menschen sich bessert. Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat als einer der ersten erkannt, dass Europa hier auch im eigenen Interesse Unterstützung anbieten muss. Bei wichtigen symbolkräftigen Gesten wie dem Händeschütteln mit Bloggern in Tunis und Kairo darf es jedoch nicht bleiben. Die arabische Welt ist Europas Nachbar. Verglichen mit anderen Ländern hat Deutschland dort einen guten Ruf, den es zu nutzen gilt. So könnte Berlin in der EU eine führende Rolle bei der Initiierung von Hilfsangeboten übernehmen – angefangen bei Stipendien für arabische Studenten über den Abbau von Handelzöllen bis hin zur Beratung beim Aufbau demokratischer Institutionen. Die EU muss dabei freilich einen Balanceakt bewältigen: Für kostspielige Hilfen muss sie Bedingungen stellen, etwa im Bereich „Gute Regierungsführung“. Zugleich darf Europa aber niemals den Eindruck erwecken, sich als „Lehrmeister“ in Sachen Demokratie aufzuspielen. Jeder Anschein westlicher Einmischung erzeugt Abwehrreflexe und stärkt extremistische Kräfte. Gefragt ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe.


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Hier werden wir unsere TV-Präsenz auf Spanisch deutlich ausweiten, von derzeit zwei auf voraussichtlich 18 Stunden täglich. Die Menschen haben uns immer wieder gesagt: Macht mehr! Deutschland und Lateinamerika verbinden intensive Beziehungen. Deutschland ist in Lateinamerika frei von kolonialer Vergangenheit und gilt als seriöse, wertegestützte Gesellschaft, an der man sich orientieren kann. Auch im arabischen Raum werden wir Angebote und Übertragungswege an die gewandelte gesellschaftliche und politische Situation anpassen. Denn wir müssen zusehen, dass wir gegenüber unseren Mitbewerbern den Anschluss halten. Das kann auch heißen, den Umfang der Angebote zu reduzieren, um das Profil zu schärfen.

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Gestern noch verboten –

heute im Schaufenster: Begehrte Lektüre in einer Buchhandlung in Tunis

Kosten zu reduzieren und Mittel frei zu machen, um in anderen Regionen – beispielsweise Lateinamerika – Schwerpunkte setzen zu können. Mit der Politik besteht Einvernehmen, was die Festlegung unserer Kernaufgaben und Kernregionen betrifft.

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Welche Kriterien legen Sie dem zugrunde? Die Kernfrage ist: Wie können wir den gesetzlichen Programmauftrag bestmöglich erfüllen und die entscheidenden Zielgruppen erreichen? Dabei orientieren wir uns an einem Bündel von Kriterien. Dazu zählen außenpolitische Erwägungen ebenso wie kulturpolitische, dazu zählen die Anforderungen in den jeweiligen Medienmärkten. Nehmen Sie Lateinamerika:

Gehört zu den Kernaufgaben auch weiterhin, Menschen in aller Welt in deutscher Sprache zu erreichen? Ja, die Förderung der deutschen Sprache ist Teil unseres gesetzlichen Auftrags. Das macht sich schon an dem vielfach ausgezeichneten multimedialen Sprachkursangebot fest. Die deutschsprachigen Angebote in unseren drei Medien richten sich heute an Menschen im Ausland mit deutschen Sprachkenntnissen, an Deutschlernende und Deutschlehrende. Mit dem Internetzeitalter hat die DW ihre frühere Monopolstellung bei der weltweiten Verbreitung aktueller Informationen aus Deutschland in deutscher Sprache verloren. Sie können heute in Seoul oder Kapstadt über Breitband eine Vielzahl von Programmen aus Deutschland in bester Qualität empfangen. Deutsche, die kurzzeitig oder auf Dauer im Ausland leben, sind somit eine nachrangige Zielgruppe für uns. Gleichwohl stärken wir die Angebote auf Deutsch, vor allem im Fernsehen. Unser Ziel ist es, einen rein deutschsprachigen Kanal zu etablieren. Dazu werden wir die Kooperation mit ARD-Landesrundfunkanstalten, ZDF und Deutschlandradio ausbauen.

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Das geht doch nur mit Unterstützung durch die Politik? Das ist richtig. Ich erfahre in meinen Gesprächen mit Vertretern von Bund und Ländern viel Zustimmung für unsere Pläne. Die Bundesregierung hat schon im Koalitionsvertrag das Ziel formuliert, die mediale Präsenz Deutschlands in der Welt durch die Deutsche Welle zu stärken. Sie unterstützt, ebenso wie der Bundestag,


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unseren strategischen Kurs für die nächsten Jahre. Wir müssen die Verantwortung für den deutschen Auslandssender im Inland auf eine breitere Basis stellen. Darauf zielt die noch engere Kooperation mit ARD-Landesrundfunkanstalten, ZDF und Deutschlandradio. Deutschland hat ein hervorragendes Rundfunksystem mit leis-tungsstarken öffentlich-rechtlichen und privaten Medienunternehmen. Die Vielfalt, Breite und Qualität ihrer elektronischen Angebote gilt es, noch effektiver für die Außendarstellung

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zu nutzen. Dabei sollten die unterschiedlichen Zuständigkeiten für Inlands- und Auslandsrundfunk – hier die Länder, da der Bund – kein Hindernis sein. Ich begrüße daher die Aufforderung des Bundestags an die Bundesregierung, mit den Ministerpräsidenten der Länder für eine Ausweitung der Kooperation zwischen DW und den öffentlich-rechtlichen Inlandssendern zu sorgen. Nur so kann die Deutsche Welle in Zukunft ihrem Auftrag gerecht werden. ——

© picture-alliance/dpa

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Schmelztiegel der Kulturen

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Mit Facebook auf dem Lau-

fenden bleiben und die neue Freiheit nutzen: Soziale Netze als kommuni-

Durch ein Stipendium des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa), geknüpft an das Ziel, den deutsch-arabischen Dialog zu stärken, erhielt ich die Möglichkeit zu einem dreimonatigen Intermezzo bei der ASBU. Es war ein aufschlussreicher Einblick in die arabische Medienpolitik. Die ASBU-Zentrale ist ein eigener Kosmos, ein Schmelztiegel der Kulturen: Die Beleg-

schaft reicht vom säkularen Marokkaner bis zum tief religiösen Kollegen aus dem Sudan; die Mitgliedssender von Saudi-Arabian Radio bis Al-Dschasira. Eine perfekte Andockstelle also, um die medienpolitischen Herausforderungen in Tunesien, einem Land mit bis vor kurzem strengster Medien-Zensur, zu beobachten. In dem hochmodernen Gebäude am Stadtrand der

kativer Motor der Umbrüche

von Fabian Pianka Internationale Angelegenheiten

© DW-Archiv

Tunis – Nach der Jasmin-Revolution in Tunesien entsteht Raum für Meinungsfreiheit und eine von Offenheit geprägte Medienlandschaft. Eine Entwicklung, die auch die „Arab States Broadcasting Union“ (ASBU), den Verband arabischer Rundfunkunternehmen mit Sitz in Tunis, betrifft. Innenansichten eines Stipendiaten.


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„Ja zum Islam, nein zum

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Islamismus“: Demonstrant in Tunis mit einer Botschaft auch

Die ASBU ist der Dachverband der arabischen Rundfunksender mit Sitz in Tunis. Sie ist ein Instrument der Arabischen Liga und bezeichnet sich selbst als eine der ältesten pan-arabischen Organisationen. Traditionell sind in der ASBU vor allem die Staatssender verbunden, doch schon seit einigen Jahren hat sich der Verband angesichts des wachsenden Drucks der kommerziellen Medien auch für diese geöffnet. Die Deutsche Welle ist assoziiertes Mitglied und profitiert dadurch vom Informationsaustausch zwischen den Sendern. Die ASBU kooperiert eng mit der europäischen Rundfunkunion (EBU) sowie den anderen internationalen Rundfunkverbänden. Sie verfügt über ein Nachrichten- und Informationszentrum in Algier, Algerien, sowie ein Trainingsinstitut, das in Damaskus, Syrien, angesiedelt ist. Die DWAkademie war viele Jahre einer der wichtigsten Partner des Trainingszentrums. An der Spitze des Verbands steht seit der jüngsten Generalversammlung der ASBU der Sudanese Mohamed Hatim Suliman. Er sieht besonders die engere Vernetzung zwischen der arabischen Welt und den Nachbarregionen als wichtiges Ziel seiner Amtszeit. www.asbu.net

nordafrikanischen Millionenmetropole stechen die soziokulturellen Eigenheiten und die panarabische Kultur der ASBU-Zentrale sofort ins Auge. Obwohl Tunesien ein laizistischer Staat ist, dessen Religionsfreiheit sich an Frankreich und Europa orientiert, herrscht bei der ASBU ein spürbarer Gruppenzwang zum täglichen Gebet. So erschallt während der Arbeitszeit täglich mehrmals der Gebetsruf, dem die männlichen Mitarbeiter in der hauseigenen Moschee nachgehen, während die Frauen, teils westlich gekleidet, teils im traditionellen Hidschab, in ihren Büros verweilen. Im Gegensatz zur alten Kolonialmacht Frankreich, deren Interessen im heutigen Tunesien oft mit gemischten Gefühlen betrachtet werden, fliegen Deutschland viele Sympathien zu. Das wird im Gespräch mit ASBU-Kollegen und anderen medienpolitischen Akteuren deutlich. So wird Deutschland als ein verlässlicher Partner geschätzt, der zu einem Dialog auf Augenhöhe bereit ist. Im gesellschaftspolitischen Transformationsprozess in der arabischen Welt bietet dieser Vertrauensvorschuss, den man generell in der Region findet, eine große Chance für Deutschland. Inspirierend sind für mich die Diskussionen mit meinem Zimmerkollegen Ridha Khelifi, dem Leiter der Abteilung Information und Dokumentation, der sich an westlichen Werten orientiert. Umso mehr bereiten mir andere Kollegen in Gesprächen über Politik und Gesellschaft Kopfschmerzen – durch ihre indirekte Art zu kommunizieren. Dies liegt nicht an sprachlichen Problemen, denn innerhalb der ASBU wie auch im Großraum Tunis sprechen die meisten Menschen sehr gut Französisch. Vielmehr ist es die seit Jahrzehnten antrainierte Art, sich zu politischen Themen nur sehr ausweichend zu äußern, aus Angst vor Repression. Als Europäer hatte man kaum Grund, selbst Maßnahmen des Polizeistaates Ben Alis fürchten zu müssen. Doch bis vor wenigen Wochen war es an der Tages-

© S. Mersch

an Europa

ordnung, dass man mit Korruption und Bespitzelung indirekt konfrontiert wurde: Polizisten stoppen das Taxi, in dem man gerade unterwegs ist, und lassen den Fahrer erst nach Zahlung von „Bakschisch“ passieren; man beobachtet, wie Sicherheitskräfte gezielt Journalisten öffentlich nachstellen. Die Macht des autokratischen Regimes und die damit einhergehende Einschüchterung der Bevölkerung waren allgegenwärtig. Diese Einschüchterung zeigt deutliche Nachwirkungen. Die aktuellen gesellschaftspolitischen Veränderungen in Tunesien und anderen arabischen Ländern sind sicherlich ein Befreiungsschlag für die Region. Bei Kollegen und neu gewonnenen Freunden aus der ASBU ist großer Enthusiasmus und Stolz auf das Erreichte zu spüren. Allerdings machen sich auch Ungewissheiten über die Zukunft bemerkbar. Niemand hätte davon zu träumen gewagt, dass ein derartiger Umbruch praktisch über Nacht ins Rollen kommt und unumkehrbar wird. Um die Entwicklung in der arabischen Welt nachhaltig zu gestalten, ist nun die Kooperation Europas von großer Bedeutung. Es gilt, die bisherige Einstellung zu der Region kritisch zu reflektieren und neu zu definieren – aus Solidarität zu den Nachbarstaaten, auch zu Europas eigenem Wohl. ——


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© DW/M. Hefni

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Starke Partner – feste Bande

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Demonstrationen als Auf-

stand des Volkes wahrnehmen –

Zur Verbreitung ihrer journalistischen Inhalte ist die Deutsche Welle auf die Unterstützung von Partnern in aller Welt angewiesen. Häufig ist eine Kooperation mit lokalen Anbietern der einfachste und effektivste Weg zum Publikum. Ein starker Partner kann dem DW-Angebot eine Präsenz ermöglichen, deren Auf bau sonst Jahre in Anspruch nehmen würde. In einigen Märkten – wie zum Beispiel in China, das der DW keine TV-Lizenz erteilt – wird ausländischen Sendern der Zugang ganz verwehrt. In solchen Fällen sind Kooperationen eine der wenigen Möglichkeiten, die Zielgruppen im Land dennoch zu erreichen. Die Bandbreite der Zusammenarbeit reicht vom Einbinden einer Info-Box auf der Webseite des Partners über die Ausstrahlung einzelner Programme bis hin zu internationalen Koproduktionen von Magazinen und Talkshows. Diese Art der engen Zusammenarbeit ist vor allem in den Kernregionen der DW sehr wichtig, zu denen auch der Nahe und Mittlere Osten zählen. Um hier die langfristige Bindung zu stärken und die Bekanntheit der DW zu erhöhen, trat die Deutsche Welle vor einigen Monaten in

Jordanien und Palästina mit einer besonderen Aktion an die Partnersender heran. Mit einem journalistischen Wettbewerb für Studentinnen und Studenten, ausgerichtet und multimedial beworben von der DW und begleitet von den ansässigen Partnern: Normina TV, Radio Al-Bald und das Internetportal Jordandays.tv wurden in Jordanien einbezogen, in Palästina waren es der Fernsehsender Wattan TV, die Internetplattform PNN.PS sowie acht Community-Radiosender. Außerdem waren zwei wissenschaftliche Einrichtungen dabei, die Yarmouk Universität in der Stadt Irbid und die Universität Birzeit in Ramallah, die sich an der Bewerbung des Wettbewerbs sowie an der Auswertung der Beiträge beteiligten. Für Naser Shrouf, für die Distribution der DW-Angebote in Afrika und in Nah- und Mittelost zuständig, steht dieser Ansatz stellvertretend für eine Vertriebsstrategie, die darauf ausgerichtet ist, wichtige Partner zu halten und langfristig an die DW zu binden: „Durch derartige Projekte, die vor allem die vielen jungen, gebildeten Menschen im Land ansprechen, erzielen wir eine Menge Aufmerksamkeit für uns und

wie hier in Kairo: Medien mit neuen Perspektiven

von Dominik Ahrens Auslandsmarketing © DW/M. Müller

Amman/Ramallah – Mit Partnerprojekten verbessert die DW die Reichweite, die Partnerbindung und die Qualität des journalistischen Nachwuchses. Zum Beispiel in Jordanien und Palästina.


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Einer dreht und der andere hält

ihm den Rücken frei: Die Wut wächst unter den Flüchtlingen an der libyschtunesischen Grenze

Neue Freiheiten für die Presse:

Leserin in Kairo

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Keine Angst mehr ab heute:

Richtungweisende Botschaft in Tunis

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© picture-alliance/dpa

lage für eine dauerhafte Kooperation mit einigen der wichtigsten Sender vor Ort gestärkt.“ Diese Einschätzung bestätigen nicht zuletzt die begeisterten Rückmeldungen der beteiligten Partner. Aus der erfolgreichen Zusammenarbeit sollen nach dem Willen aller Beteiligten möglichst schnell weitere gemeinsame Projekte entstehen. Nicht zuletzt hat die Initiative der DW auch die lokalen Akteure untereinander besser vernetzt. Der Siegerbeitrag, ein aufwendig produzierter 3D-Film mit einer ebenso eindringlichen wie augenzwinkernden Botschaft zum Klimaschutz, wurde von drei Studenten aus Amman, Jordanien, konzipiert. Stellvertretend für die Gruppe hat Anas Shashieh soeben seinen Preis eingelöst: Er absolvierte ein vierwöchiges Praktikum bei der Deutschen Welle in Bonn und Berlin. ——

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© S. Mersch

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unsere Partner. Neben den finanziellen Erträgen durch Werbeeinheiten konnten die beteiligten Sender einen großen Imagegewinn verzeichnen. Nachwuchsförderung macht sich überall gut – auch bei den Partnern“, so Shrouf. Dem Aufruf, einen Audio-, Video-, Bildoder Textbeitrag zu einem aktuellen Thema einzureichen, folgten weit mehr Studierende als erwartet. Die Einbindung von lokalen Sendern, Universitäten und Studenten ist nach der Erfahrung von Naser Shrouf sehr effektiv: „Ein nachhaltiges Engagement der Deutschen Welle muss nicht nur eine Medienarbeit für die Region, sondern auch mit der Region umfassen. In der gemeinsamen Ausrichtung des Wettbewerbs hat die DW nicht nur ihr Profil als verlässlicher Anbieter von Informationen gestärkt und junge Journalisten unterstützt. Sie hat auch die Grund-


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© J. Abdul Karim

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Welchen Informationen können wir trauen? Eindrücke eines Reportage-Einsatzes an der libysch-tunesischen Grenze. Deutsch-arabische, multimediale Teamarbeit im Krisengebiet. Satelliten-Telefons nach Berlin. Es sind Nachrichtenstücke zur Situation an der Grenze und im Camp, Einzelschicksale von Flüchtlingen und Reportagen über die Opposition. Die Deutsche Welle ist für viele unserer Gesprächspartner ein Begriff. Sie verfolgen die DW-Berichterstattung über den Umbruch in der arabischen Welt. Viele unserer Beiträge schicken wir in unterschiedlichen Versionen – für jede der DW-TVSendesprachen eigene Interviews und Aufsager. Dazu kommen Live-Schalten für Fernsehen und Radio auf Deutsch, Englisch und Arabisch und Beiträge für das Online-Angebot. Unsere größte Herausforderung ist es, an verlässliche Informationen zu kommen. Zum Glück können wir auf Kontakte zurückgreifen, die die Arabisch-Redaktionen der DW in der Vergangenheit in vielen Städten Libyens aufgebaut haben. Sie sind in dieser Situation von unschätzbarem Wert – ebenso wie die Tatsache, dass einer von uns Arabisch spricht. »

von Birgitta Schülke und Jaafar Abdul Karim Videojournalisten bei DW-TV

© DW-Archiv

Das Geschrei ist groß, die Lage unübersichtlich: Wir sind im Flüchtlingslager an der tunesisch-libyschen Grenze und filmen eine Demonstration von etwa 100 Sudanesen. Dem Gaddafi-Regime entflohen, wollen sie endlich zurück nach Hause. Die Wut wächst, wir werden angerempelt. Zum Glück sind wir zu zweit. Einer dreht und der andere hält ihm den Rücken frei. Seit einer Woche arbeiten wir jetzt in der Grenzregion als deutsch-arabisches Team für DW-TV. Als Videojournalisten (VJ) – jeder von uns ist nicht nur Reporter, sondern kann auch drehen und schneiden. Das macht uns flexibel und schnell. Immer wieder wechseln wir die Rollen. Während der eine noch eine LiveSchalte macht, beginnt der andere schon zu schneiden. Unser mobiler Arbeitsplatz ist ein Minibus, den wir nahe der Grenze abgestellt haben. Hier schneiden, texten und vertonen wir. Von hier schicken wir unsere Beiträge mit Hilfe eines


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Am Grenzübergang befragen wir Flüchtlinge: Wo gab es Kämpfe in Libyen, wie viele wollen noch raus? Viele sind verängstigt, wollen nicht vor der Kamera sprechen. Später erzählen sie von Kämpfen und illegalen Checkpoints, an denen sie ausgeraubt, manchmal verprügelt wurden. Nach langen Gesprächen in verrauchten Kneipen, Telefonaten und Ortswechseln haben wir außerdem Kontakt zu Oppositionellen bekommen, die von Tunesien aus die Rebellen unterstützen. Sie schmuggeln Medikamente über die Grenze. „Nur Medikamente?“, fragen wir und bekommen keine Antwort. Sie zeigen uns Videos von grausam verstümmelten Leichen und erklären, was wir da vermeintlich sehen. Uns ist klar: Auch sie haben ihre Agenda, versuchen Politik über die Presse zu betreiben. Welchen Informationen können wir also trauen? Dies vor Ort mit einem Kollegen diskutieren zu können hilft sehr. Zwei Wochen lang waren wir an der tunesisch-libyschen Grenze. Es war ein Einsatz, der uns – zwei Journalisten aus unterschiedlichen Redaktionen – näher gebracht hat. Diese Zusammenarbeit war ideal: mehrsprachig, flexibel und vielseitig – ein Modell für Krisen-Berichterstattung der Deutschen Welle. ——

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Falschparker: Militärpräsenz

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vor dem Frauen- und Familienministe01

© J. Abdul Karim

rium in Tunis

Es riecht nach Jasmin Der „Wind of change“ weht durch Nordafrika und den Nahen Osten. Jetzt organisieren sich die zivilgesellschaftlichen Kräfte in Tunesien, Ägypten und in anderen Ländern der Region neu. Sie sind allerdings organisatorisch und institutionell für ihre bevorstehenden Aufgaben und Rollen noch wenig vorbereitet. Um die Transformationsprozesse jetzt möglichst schnell und wirksam unterstützen zu können, hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) deshalb kurzfristig drei regionale Fonds in den Bereichen Demokratieförderung, Bildung und Wirtschaftsförderung mit einem Gesamtvolumen von zunächst 34 Millionen Euro bereitgestellt. Der Demokratiefonds richtet sich im Wesentlichen an die politischen Stiftungen und andere zivile Kräfte. Wir bieten jetzt schnelle und unbürokratische Beratung und Unterstützung für Reformkräfte an. Der Beschäftigungsfonds soll vor allem für junge Menschen Perspektiven schaffen, er wird sich auf Ange01 bote der beruflichen Bildung konzentrieren. Der Wirtschaftsfonds soll Finanzierungsmöglichkeiten für kleinste, kleine und mittlere Unternehmen schaffen und den Zugang zu Krediten verbessern. Er richtet sich zum Beispiel an Existenzgründer. Die Medien sind zentraler Akteur im Transformationsprozess. Demokratische Partizipation der Zivilgesellschaft ist ohne Pressefreiheit nicht möglich. Die Präsenz unabhängiger, kritischer Medien ist für die Etablierung von Meinungsvielfalt sowie einer Kultur des politischen Pluralismus und der Toleranz entscheidend. Die Rolle der Neuen Medien in diesem Prozess kann gar nicht überbewertet werden, wie die jüngsten Entwicklungen in Nordafrika eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben. Internet und Mobilfunk, Bürgernetze, Diskussionsforen, soziale Plattformen wie Twitter, YouTube und Facebook eröffnen qualitativ und quantitativ neue Möglichkeiten der politischen Teilhabe und des demokratischen Diskurses. So kann


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Organisationsberatung von Medienhäusern als Teil von Wirtschaftsförderung. In Autokratien ist Fingerspitzengefühl gefordert, um einen angemessenen Umgang mit staatlichen Medien zu finden und zugleich unabhängige private Medien zu fördern. Um die angehenden Journalisten auf die an sie gestellten Anforderungen bestmöglich vorzubereiten, hat das BMZ den bilingualen Masterstudiengang „International Media Studies“ bei der Akademie der Deutschen Welle ins Leben gerufen. Im September 2010 haben 23 Studierende aus 16 Ländern ihre Journalistenausbildung begonnen. Die DW-Akademie unterstützte im letzten Jahr weltweit fast 2.000 angehende Journalistinnen und Journalisten in 144 Trainingsund Beratungsprojekten. Sie ist als Global Player in der Medien-Entwicklungszusammenarbeit

© DW/ C. Wiens

»Die Medien sind zentraler Akteur im Transformationsprozess.«

Ein Gastbeitrag von Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär im BMZ und Mitglied des DW-Rundfunkrats Müller

weltweit vernetzt. Ihr breiter Förderansatz eignet sich natürlich besonders gut für die Umbruchphase in Nordafrika. Seit vielen Jahren arbeitet die deutsche Entwicklungspolitik in Nordafrika und im Nahen Osten. Auch der Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung macht das „überragende Interesse Deutschlands und Europas an Frieden, Stabilität und demokratischer Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten“ deutlich. Gerade in Zeiten des Umbruchs kommt es darauf an: Wir werden auch weiter verlässliche Partner sein, und zwar Partner der Menschen in unserer Nachbarregion, die für Freiheit und Reformen streiten. Wir müssen alles tun, damit es weiter nach Jasmin riecht und nicht nach Schießpulver. ——

©© DW-Archiv DW/M.

der sich über diese Art der Medien immer weiter verbreitende Bürgerjournalismus ein wichtiges Medium der Transformation sein, gerade in autoritären Staaten. Wir unterstützen deshalb die Schaffung eines Umfeldes, in dem eine pluralistische Medienlandschaft bestehen kann und Medienschaffende frei von Angst und Repressalien tätig sein können. Kern ist und bleibt dabei die Aus- und Fortbildung, denn professionell ausgebildete Journalisten sind für die Bildung eines demokratischen Staates, für die politische Bildung der Bevölkerung sowie für eine pluralistische und kritische Zivilgesellschaft weltweit von zentraler Bedeutung. Medienförderung in der Entwicklungspolitik heißt heute aber nicht mehr nur „Media for Development“ sondern auch „Media Development“. Medienförderung in den Partnerländern geht deshalb längst über Ausbildung hinaus und umfasst auch die Förderung adäquater rechtlicher und politischer Rahmenbedingungen und transparenter Lizenzvergaben, die Vermittlung von Informations- und Kommunikationstechniken sowie Medienwirtschaft und

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Satellitenschüsseln

als Verbindung zur Welt: über den Dächern von Kairo


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Befreit von der Staatskontrolle Tunis – Die Jasmin-Revolution in Tunesien war der Anstoß für die Umwälzungen in der arabischen Welt. Dabei stehen auch Journalisten und andere Medienmacher vor einem Neuanfang. Die DW-Akademie hat reagiert. Eine Delegation war unmittelbar nach der Revolution in Tunis, um sich mit möglichen Partnern zu treffen. Auch nach dem friedlichen Sturz von Diktator Zine El Abidine Ben Ali kommt Tunesien nicht zur Ruhe. Helmut Osang und Michael Tecklenburg, Mitarbeiter der DWAkademie, haben das zu spüren bekommen. Sie waren vom 25. Februar bis 2. März in Tunis. „Als wir ankamen, hatte sich die Lage zugespitzt“, berichtet Osang, Leiter Medienentwicklung. „Wir sind mit dem Taxi in die Innenstadt gefahren, um die Avenue Bourguiba zu besuchen, den Ort, an dem die Menschen vor wenigen Wochen noch zu Tausenden für den Umsturz demonstriert hatten. Es lag beißender Tränengasnebel über dem Viertel. Am Ende des Boulevards sahen wir Rauchschwaden aufsteigen und immer wieder überholten uns Polizisten mit Helmen und Schutzwesten. Es herrschte eine beklemmende Stimmung. Es flogen Steine und es fielen Schüsse.“ Was an diesem Tag als friedliche Demonstration begann, endete in Gewalt. Das Ergebnis: vier Tote, zahlreiche Verletzte und wenige Tage später der Rücktritt von Premierminister Mohammad Ghannouchi, dem Kopf der Übergangsregierung.

von Gunnar Rechenburg, Freier Mitarbeitern

Revolution in den Medien 01

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Begutachten das Modell:

Lothar Köhn, Gebäudetechnik (l.),

© picture-alliance/dpa

und Casinoleiter Herrmann Müller

Die Tunesier haben ereignisreiche Wochen und Monate 01 Medien des Landes haben in dieser Zeit hinter sich. Viele ihre eigene Revolution durchgemacht. Sie haben sich befreit von der Staatskontrolle und von ihren politisch eingesetzten Chefredakteuren. Entstanden ist eine für Tunesien neue Art der Berichterstattung, auch ein Vakuum, das jetzt möglichst schnell gefüllt werden soll. Helmut Osang und Michael Tecklenburg haben sich in Tunis mit Vertretern der Friedrich-Ebert-Stiftung getroffen und gemeinsam einen zweitägigen Workshop für 16 tunesische Journalisten, Medienwissenschaftler und Menschenrechtler organisiert. „Vertreten waren Fernsehen, Radio, Online und Print. Eine solche Veranstaltung hat es bislang in Tunesien noch nicht gegeben“, betont Tecklenburg, Koordinator für die Maghreb-Region. Ziel der Veranstaltung war es, gemeinsam einen Plan für eine grundlegende Umorientierung und Umgestaltung des Staatsrundfunks hin zu einem öffentlich-rechtlichen Sender zu entwerfen und herauszufinden, wo Hilfestellung gewünscht wird.

Handfeste Forderungen Wie ersetzt man die Staatskontrolle durch Selbstregulierung? Wie schafft man eine neue Form des Medienbewusstseins? Wie etabliert man einen staatsfreien Medienraum? „Es


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© picture-alliance/dpa

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Revolutionäres Déjà-vu:

Freiheit, Demokratie, Laizismus

aus dem gesamten nordafrikanischen Raum und Hilfe beim Auf bau eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks. „Die Veranstaltung wird Früchte tragen“, ist sich Michael Tecklenburg sicher. „Ich habe nach dem Workshop mehrere Sender in Tunis besucht. Dort lag unser Positionspapier bereits auf dem Tisch.“ —— www.akademie.de

von Gunnar Rechenburg Freier Mitarbeiter

DW-Akademie vor Ort Ägypten: Derzeit setzt die Akademie vor allem

gesetzt, der Mitarbeiter regionaler Radiostati-

auf Trainings zu den Themen Wahlberichterstat-

onen mit Akteuren lokaler Verwaltungen und der

Landes Trainings organisieren, die Fernseh-, On-

tung, Medienethik und journalistische Standards.

organisierten Zivilgesellschaft zusammenbringt.

line- und Radiojournalisten auf die bevorstehende

Syrien: Im Frühjahr und Sommer 2011 bietet die DW

der Konrad-Adenauer-Stiftung werden die Ausbil-

Medienselbstregulierung unterstützt werden. Be-

Workshops für Videojournalisten beim syrischen

dung von Nachwuchsjournalisten verbessert und

reits in den kommenden Monaten gibt es Trainings

Fernsehen. Zudem wird das 2010 ins Leben geru-

Workshops zur Politischen Kommunikation ange-

für Reporter, Redakteure und Führungsperso-

fene TV-Umweltmagazin „Ahdar Ahla“ (Grün ist

boten. Fortbildungsmaßnahmen für Journalisten

nal mit dem Schwerpunkt Wahlberichterstattung.

besser) fortgesetzt und verbessert. Ebenso sollen

sind auch in Algerien und Marokko geplant.

Auch Journalismusstudenten werden gefördert:

Radioprogramme für Jugendliche und der private

Mehrere Universitäten in Kairo haben bereits Inte-

TV-Sender Addounia unterstützt werden.

Nach den Parlamentswahlen sollen Medienmacher bei der Entwicklung eines Pressekodex’ und der

Parlamentswahl vorbereitet. In Kooperation mit

resse an einer Kooperation mit der DW-Akademie vor allem bei der Online-Ausbildung signalisiert.

jahr 2011 wird die DW in verschiedenen Städten des

Im Rahmen einer Konferenz für Blogger bringt die DW Aktivisten aus Tunesien, Algerien, Mauretanien

Tunesien/Maghreb: In Zukunft wird die DW-Akade-

und – abhängig von der politischen Situation – aus

mie gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung

Libyen mit Bloggern aus Europa zusammen. Die-

Südsudan: In dem neuen Staat unterstüzt die DW

und anderen Organisationen die Entwicklung des

ser Young Media Summit in Tunis soll die Rolle der

lokale Netze bei der Einführung von bürgernahem

tunesischen Rundfunks hin zu einem Sender des

nordafrikanischen Blogger stärken und sie länder-

Lokal-Radio. Gleichzeitig wird ein Prozess in Gang

öffentlichen Rechts fördern. Noch im ersten Halb-

übergreifend vernetzen.

© DW/A. Schottka

war eine energiegeladene Diskussion über die Grundsatzfrage: Wohin soll der Weg der Medien führen?“, so Osang. „Wir haben die Ergebnisse der Diskussion sortiert und ein Positionspapier mit handfesten Forderungen entwickelt.“ Ein sofortiges Ende des Staatsmonopols, die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks und einer Selbstkontrollinstanz – vergleichbar mit dem deutschen Presserat – sind zentrale Punkte. Ebenso soll die tunesische Nachrichtenagentur der Öffentlichkeit und nicht länger dem Staat verpflichtet sein. Und die künftige Lizenzbehörde soll unabhängig werden. Aber Freiheit sei nicht alles, mahnt Michael Tecklenburg. „Während der Revolution haben die Reporter erstmals live von Demonstrationen berichten können, ohne Zensur und Einschränkung. Dabei ist vielen zugleich klar geworden, dass sie sich professionalisieren müssen, um eine Berichterstattung zu gewährleisten, die der Demokratie zugutekommt.“ Aus diesem Grund haben Deutsche Welle, Friedrich-Ebert-Stiftung und eine fünf köpfige Gruppe aus Workshopteilnehmern erste Trainings für Journalisten vereinbart. „Wir werden im Mai mit Workshops zur Wahlberichterstattung in Tunesien beginnen“, so Osang. Es folgen 01 Veranstaltungen für Blogger und Journalisten

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spot

© DW-Archiv

Cinema fairbindet: Filmpreis für „Wind und Nebel“ Berlin – Bundesminister Dirk Niebel hat am 20. Februar in Kooperation mit der Berlinale erstmals den entwicklungspolitischen Filmpreis „Cinema fairbindet“ verliehen. Mit dem Preis zeichnet das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Filme aus, die in besonderer Weise den Dialog zwischen Nord und Süd fördern. Die Jury, der auch Gerda Meuer, Direktorin der DWAkademie, angehörte, entschied sich für „Bad o meh“ („Wind und Nebel“) des iranischen Regisseurs Mohammad Ali Talebi. Sein Film schildert aus der Perspektive eines Jungen, wie der Krieg das Leben einer Familie beeinflusst.

© R. Justen

Serbische Medien: Diskussion auf der Leipziger Buchmesse Leipzig – Die Lage der Medien in Serbien, Partnerland der diesjährigen Leipziger Buchmesse, war am 17. März Thema eines DW-Panels auf der Literaturschau. Die Medien seien vielen Einflussfaktoren ausgesetzt und den Journalisten fehle es oft an kritischer Selbstreflexion, so Sreten Ugricic, Schriftsteller und Direktor der Nationalbibliothek Serbiens. Sanja Blagojevic, Leiterin der Serbisch-Redaktion der DW, verwies auf die hohe Arbeitslosigkeit als mögliche Ursache. Michael Martens (Foto), FAZKorrespondent in Südosteuropa, sagte, guter Journalismus habe mit Geld und Zeit zu tun. Das gelte in Serbien ebenso wie in Deutschland. www.buchmesse-leipzig.de

© DW-Archiv

Messe in Moskau: Studieren in Deutschland beliebt Moskau – Bei der internationalen Messe „Education and Career“ Anfang März erfuhr der Infostand der DW große Aufmerksamkeit. Dort wollten rund 1.000 interessierte Schüler und junge Fachkräfte mehr wissen über die Online- und Audioangebote der Russisch-Redaktion der DW. Es ging um Studium, Karriere und Unternehmenskultur in Deutschland. Am Eröffnungstag sendete der TV-Sender „Stoliza“ in seinem Nachrichtenprogramm ein Interview mit DW-Vertreterin Marina Borisowa (Foto) aus der Russisch-Redaktion und berichtete über die Messepräsenz. Die DW nahm zum fünften Mal an der internationalen Messe in der russischen Hauptstadt teil.

© DW/M. Müller

Tag der Muttersprache: Initiativen in Wort und Bild Bonn – Mosud Mannan, Botschafter der Volksrepublik Bangladesch, eröffnete im DW-Funkhaus die Ausstellung „Always get connected – Sprache verbindet“. Anlass war der Tag der Muttersprache, zu dem die UNESCO jährlich am 21. Februar aufruft. Er geht zurück auf die Proteste im Jahr 1952, als Studenten für ihre Muttersprache Bangla gekämpft hatten. Nach der Vernissage mit dem Künstler Maraf Ahmed (Foto) diskutierten Mannan, Abdullah Al-Farooq von der Bengali-Redaktion, Edda Kirleis vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) und Ingo Ritz, Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation NETZ aus Wetzlar, über die Bedeutung der Sprache Bangla für Bangladesch.

DW-Punkt: Nummer 36 für Kolumbien

© DW-Archiv

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Bogotá – Im Beisein des deutschen Botschafters Jürgen Christian Mertens wurde Mitte Februar ein DW-Punkt im Goethe-Institut Bogotá eingeweiht. Bereits kurz nach der Einweihung war der DWPunkt von jungen Kolumbianern umlagert, die sich für das Nachrichtenangebot und vor allem für die große Sprachkursauswahl der DW interessierten. Das Multimedia-Terminal in der kolumbianischen Hauptstadt ist das 36. weltweit, nach den DW-Punkten in São Paulo und Buenos Aires das dritte in Lateinamerika. Die Einweihung erfolgte im Rahmen des Tags der offenen Tür im neuen Gebäude des Goethe-Instituts, das 2008 wegen Erdbebengefahr umziehen musste und bis 2010 geschlossen blieb.


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© picture-alliance/dpa

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Lief auch international:

„Lola rennt“ von Tom Tykwer

And the winner is… der deutsche Film Seit 1980 hatte es keinen deutschen Film mehr gegeben, dem die Ehre des Oscars für den besten fremdsprachigen Film zuteil geworden war, als Caroline Link 2003 mit „Nirgendwo in Afrika“ die begehrte Trophäe erhielt. Und damit unter Beweis stellte, was man sich in der Filmwelt schon seit „Lola rennt“ zuraunte: Deutsches Kino spielt wieder eine internationale Rolle. mit Auszeichnungen auf nationalen und internationalen Festivals überhäuft. Endlich wurde offenbar der richtige Ton getroffen, in dem der deutsche Film weder langweilig noch schwer verdaulich vermittelt werden konnte und trotzdem seine Charakteristika nicht einbüßte. Welche das sind? Ich wollte es vom Publikum wissen und habe in einem Online-Forum für Filminteressierte nachgefragt: „Viel Realitätsbezug und harte Fakten“, findet Parikshit aus Indien, „dazu viel menschliches Innenleben“, darum gehe es in der Regel in deutschen Filmen. Richi aus Malta pflichtet ihm bei und ergänzt: „Deutsche Filme – zum Beispiel ‚Sophie Scholl‘, ‚Good Bye, Lenin!‘ oder ‚Nikolaikirche‘ – vermitteln historische Fakten und trotzdem ‚echte‘ Emotionen. Darüber hinaus gef ällt mir der deutsche Humor, der oft subtil ist und an die deutsche Kultur, die deutsche Lebensart oder die deutsche Lebenswirklichkeit anknüpft.“ Ein Problem sei jedoch die Distribution. Während sich deutsche Produktionen in den USA inzwischen bis in Kinosäle und Wohnzimmer vorgekämpft haben, berichten Parikshit

von Elisabeth Becker DW-Mitarbeiterin

© DW/M. Müller

Es war ein Auf und Ab mit dem deutschen Film: Auf die goldene Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Bilder aus „Nosferatu“ und „Metropolis“ um die Welt gingen, folgte der Krieg, auf den Krieg folgte die Ära der Heimatfilme und Komödien, die keiner außer den Deutschen sehen wollte. Dann machte sich eine Gruppe junger Regisseure bemerkbar, erklärte „Papas Kino“ für tot und schuf den „Neuen Deutschen Film“, der auch im Ausland überzeugte. Mit dem Tod Rainer Werner Fassbinders 1982 jedoch war auch diese Blütezeit wieder vorbei und Kino made in Germany auf der Weltbühne so schwer verkäuflich wie noch nie. Beziehungskomödien dominierten die Leinwand, mit denen man anderswo wenig anfangen konnte. Dann kam Lola, das Mädchen mit feuerrotem Haar, minzgrüner Hose und ausgewaschenem graublauem Top. Rannte und rannte und rannte durch die Straßen Berlins. Und als sei ein Bann gebrochen worden: Die Werke deutscher Filmkünstler, die nun mit neuer Energie in ihren Filmen universelle Themen aufgriffen und sie in deutschem Kleid der Welt präsentierten, wurden


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und Richi, dass es in ihren Ländern kaum eine Gelegenheit gebe, deutsches Kino zu erleben. Auch Danny aus Mexiko schreibt, dass „Das weiße Band“ und „Soul Kitchen“ erst in diesen Tagen in die mexikanischen Kinos gekommen seien: „Ich wusste nicht, dass es so lange dauert. Und natürlich sind das nur die großen Filme aus Deutschland – die meisten kleineren werden hier nie laufen.“

In den Kinos der Welt Welche deutschen Filme werden bald starten? Wie kommen sie auf den internationalen Festivals an? Wer sind die Gesichter vor und hinter der Kamera? Das DW-Filmmagazin KINO informiert Zuschauer auf der ganzen Welt einmal im Monat über Neues aus dem Filmgeschäft. Und zwar von deutschen Produktionen und Koproduktionen.

Ins Rennen um einen Oscar

„Früher wusste ich nicht viel über deutsches Kino und deutsche Schauspieler.

Doch es gibt sie, die Botschafter des deutschen Films, die sich darum bemühen, die Infrastruktur auszubauen: Allen voran das Goethe-Institut und die „German Films Service und Marketing GmbH“. Den Goethe-Instituten weltweit geht es bei ihren Filmvorführungen, Workshops und Podiumsdiskussionen nicht nur um Neues aus der deutschen Filmlandschaft, sondern auch um die Vermittlung deutscher Filmgeschichte. Die Arbeit von German Films hingegen konzentriert sich auf Gegenwart und Zukunft des deutschen Films. German Films ist auf allen wichtigen Filmfestivals vertreten und veranstaltet eigene Festivals, bietet Sichtungsund Informationsveranstaltungen für ausländische Journalisten und Einkäufer aus der Filmbranche. Die Gesellschaft organisiert nicht zuletzt die Auswahl des deutschen Beitrags, der ins Rennen um den Oscar geschickt wird. Sie hat in der Vergangenheit offensichtlich gut ausgewählt: Sechs Nominierungen in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ innerhalb von zehn Jahren und Oscars für „Nirgendwo in Afrika“ und „Das Leben der Anderen“ sind eine stolze Bilanz. Der Erfolg in Los Angeles bestätigte nicht nur den neuen Wind, der im deutschen Film zu wehen begonnen hatte, sondern erwies sich darüber hinaus als ausgezeichnete Werbung für Deutschland als Filmland.

Nun, dank Ihrer Sendung, bin ich immer gut informiert.“ Mails wie diese von Solomon Sintayehu aus Äthiopien erreichen Hans Christoph von Bock, der bei DW-TV in Berlin das Filmmagazin KINO verantwortet, nicht selten. Immerhin ist KINO „das einzige TV-Filmmagazin, das sich ausschließlich dem deutschen Film und internationalen Koproduktionen mit deutscher Beteiligung widmet“, so die Macher. Es richtet sich an ein internationales Publikum – in Ausgaben auf Englisch, Deutsch und mit arabischen Untertiteln. Seit Juni 2003 führt Moderatorin Ute Soldier durch das Programm: Berichte und Filmkritiken, Porträts von und Gespräche mit Filmschaffenden – Regisseuren, Schauspielern und Maskenbildnern. Trifft sich die Filmwelt zu einem der großen internationalen Festivals oder zu Preisverleihungen, ist KINO vor Ort. Peter Mbwago aus Tansania, dessen Bewerbung zum „Berlinale Talent Campus“ leider erfolglos verlief, schreibt, dass er „bei der Berlinale 2011 zwar nicht persönlich, aber dank KINO dennoch dabei sein konnte. KINO hat meinen Tag gerettet“. Auch deutsche Filmwochen und -feste im Ausland sind Gegenstand des Magazins. KINO ist ein partnerschaftliches Projekt. Die enge Zusammenarbeit mit German Films ist einer der Grundpfeiler. German Films ist als nationales Informationsund Beratungszentrum für die internationale Verbreitung deutscher Filme zuständig. Weitere Partner der Sendung sind das Deutsche Filminstitut in Frankfurt am Main mit dem Filmportal.de und die Filmförderungsanstalt FFA. Gemeinsames Ziel ist es, den deutschen Film im Ausland bekannter zu machen und seine internationale Bedeutung zu fördern. „Im deutschen Kino herrscht eine große Vielfalt an Themen und Genres. Eine Aufbruchsstimmung ist in der neuen

Nach Deutschland zum Dreh

Generation der Filmkünstler zu spüren. Das soll auch im Ausland ankommen“,

Zudem kommen seit einigen Jahren vermehrt ausländische Filmemacher und Produzenten nach Deutschland. Wesentliche Gründe: Die deutschen Studios seien professioneller geworden und es gebe enorme wirtschaftliche Unterstützung durch den deutschen Filmförderfond (DFFF), erläutert Hans Christoph von Bock, verantwortlich für das DW-Filmmagazin KINO. „Man stellt sich jetzt bei vielen Filmen, die in Louisiana oder in England spielen könnten, die Frage: Können wir das nicht auch in Deutschland drehen?“ Beispiele für Produktionen und Koproduktionen in Deutschland sind Kassenschlager wie Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ oder Jaume Collet-Serras „Unknown Identity“ – Actionthriller, die komplett in Deutschland gedreht wurden. Auch Roman Polanski, Stephen Daldry und Tom Cruise realisierten den „Ghostwriter“, den „Vorleser“ beziehungsweise die „Operation Walküre“ mithilfe der Studios in Babelsberg und hatten damit internationalen Erfolg. Und Erfolg gibt nun mal recht. ——

sagt Hans Christoph von Bock. Rückmeldungen von KINO-Zuschauern zeigen: Es kommt an! So schreibt Barbara Slockbower aus den USA: „Ich bemerke, dass sich in den vergangenen Jahren etwas verändert hat: Mehr europäische Filme werden verbreitet und die Situation wird sich hoffentlich weiter verbessern.“ Elisabeth Becker


Bundesweiter AktionstAg Am 21. mAi 2011 An diesem Tag werden Aktionen, Veranstaltungen, Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, Tage der offenen T端r, Demonstrationen und vieles andere mehr stattfinden.


28—

profil

Weckruf für das Adrenalin Washington – Der viel gepriesene Qualitätsjournalismus made in USA gerät in Gefahr. Medien ziehen geradezu in einen Glaubenskrieg. Kritiker beklagen Meinungsjournalismus, parteiisch, ja martialisch gehe es zu. Alles übertrieben? Alles seit jeher ganz normal jenseits des Atlantiks? Zwei Einschätzungen zum Thema.

© DW-Archiv

von Miodrag Soric Leiter DW-Studio Washington

Eilmeldung! FOX NEWS ALERT!!! Trommelwirbel, Bläser,

konservativer Präsidentschaftskandidat im Jahr 2012.

Flackern auf dem Bildschirm. Was ist passiert? Etwa ein

Für dieses Geld redet er schlecht über Barack Obama. Er

Anschlag auf den Präsidenten? Ist Bin Laden gefangen

behauptet offenbar wider besseres Wissen, dass Obama

worden? Stürzt die Börse ab?

in Kenia aufgewachsen sei. Er sagt, der Präsident sei „un-

Nichts von alldem. Ein Moderator von FOX News, dem po-

amerikanisch“. Andere TV-Kanäle – etwa MSNBC oder CNN

pulärsten – ich scheue mich, das Wort zu verwenden –

– halten dagegen, verteidigen progressive Kräfte.

„Nachrichtenkanal“ Amerikas verkündet: Sarah Palin, re-

Meinungsmache, wohin man im amerikanischen Fern-

publikanische Politikerin und Ikone der sogenannten Tea-

sehen auch sieht. So mancher deutsche Journalist in

Party-Bewegung, hat getwittert.

Washington rümpft da die Nase. Das Vorurteil von den

Leider habe ich inzwischen den Inhalt vergessen. Wahr-

ungebildeten Amerikanern lässt sich so pflegen. Doch ich

scheinlich kritisierte sie wieder mal Präsident Obama.

halte das für einen Fehler. Denn den privaten US-amerika-

Auf jeden Fall war die Nachricht weder neu noch wichtig.

nischen TV-Kanälen geht es gar nicht um die Verbreitung

FOX News verbreitet – oder besser: produziert – laufend

von Information. Sie wollen vor allem Geld verdienen. FOX

Eilmeldungen dieser Art. Dabei handelt es sich nicht um

News beweist: Das Geschäftsmodell, den Unzufriedenen

Nachrichten im klassisch-journalistischen Sinne, sondern

in der Gesellschaft ein Sprachrohr zu geben, funktioniert.

um Meinungsäußerungen prominenter Politiker, die – und

Die USA sind ein freies Land. Es hat mit der New York

das macht es für einen Europäer besonders anstößig – oft

Times oder der Washington Post Zeitungen von einer Qua-

auf der Gehaltsliste von FOX News stehen. Palin bekommt

lität, die in Deutschland ihresgleichen sucht. Wer sich in

für ihre Kommentare eine Million Dollar im Jahr. Genau-

den USA wirklich über das Weltgeschehen informieren

so viel erhielt bis vor kurzem Newt Gingrich, ein Vor-

will, kann dies ohne Probleme tun. Niemand wird gezwun-

denker der Republikaner. Mit einer halben Million Dollar

gen, FOX News einzuschalten.

muss sich Mike Huckabee zufrieden geben, ein möglicher


profil

Eine befreundete Journalistin erzählte mir neulich, dass

Meinung und konnte sie mit relativ einfachen Mitteln mit

sie beim Frühstück den Kabelsender FOX News anschaltet.

der Öffentlichkeit teilen. Die subjektive Sichtweise auf

Ich war irritiert. War sie politisch ebenso extrem einge-

politische und gesellschaftliche Ereignisse tauchte über-

stellt wie die Promi-Kommentatoren Sarah Palin und Mike

all neben den Nachrichten auf; und in manchen Fällen ver-

Huckabee? Oder empfindet sie die täglichen Hasstiraden

drängte die Kommentierung die eigentliche Berichter-

und Verschwörungstheorien des Moderators Glenn Beck

stattung.

(Obama habe einen tief sitzenden Hass gegen weiße Men-

Der ungeschminkte Meinungsjournalismus gehört zu

schen und die nationale Krankenversicherung sei faschis-

Amerika, gehört zu jeder gesunden Demokratie, denn

tisch) vielleicht sogar unterstützenswert? Nein, meine

er spiegelt die Meinungsvielfalt des Landes wider. In

Freundin braucht FOX „News“, wie ich einen starken Kaf-

pluralistischen Gesellschaften ist die Existenz von Sendern

fee brauche: als Weckruf für das Adrenalin. Der Sender

wie FOX News und dem linksliberalen MSNBC wichtig für

erinnert sie täglich daran, warum sie Journalistin gewor-

den öffentlichen Diskurs. Es gibt einen Spruch in den USA,

den ist: um das Recht auf freie Meinungsäußerung zu ver-

der leider in dem tief gespalteten Land, wo Republikaner

teidigen.

und Demokraten sich so verfeindet haben, etwas in Verges-

Der pointierte Meinungsbeitrag hat eine lange Tradition in

senheit geraten ist: „Ich mag vielleicht nicht, was du sagst,

den USA. Am Anfang des 20. Jahrhunderts wollten Jour-

aber ich verteidige mit aller Kraft dein Recht, es zu sagen.“

nalisten überzeugen, nicht ausgewogen berichten. Es

Ich gebe zu, die Äußerungen dieser Sender entsprechen

gab eine große Vielfalt an Zeitungen, die offen politische

nicht meinem Verständnis von Journalismus. Aber ich

Meinungen vertraten. Erst durch die Journalismusschu-

akzeptiere, dass viele Millionen Amerikaner ihr eigenes

len setzte sich die Idee der objektiven Berichterstattung

politisches Weltbild dort bestätigt sehen. Alternativen wie

mit der klaren Trennung zwischen Nachricht und Meinung

ein Verbot von extremen Positionen à la Glenn Beck – wie

durch. Heute setzt sich diese Tradition in den Tageszei-

es manche Bürger im Sinne von „politically correct“ ver-

tungen fort. Kommentare erscheinen gesondert, aufge-

langen – ist keine Option in einer Demokratie. Wie meine

führt in der Rubrik „Editorials“.

Freundin mir eingestand: In China wäre es nicht möglich, ein so breites Meinungsspektrum im Morgenfernsehen zu

allem durch die digitale Revolution erlebte der Meinungs-

sehen und dann gleich seine eigenen Betrachtungen dazu

journalismus in den USA eine neue Blüte. Jeder hatte eine

in einem Blog zu verfassen.

© picture-alliance/dpa

Durch die Popularität von Talk-Radio, Kabelsendern und vor

— 29

von Kristin Zeier Leiterin Englisch-Redaktion Bonn © DW/A.Schottka

weltzeit 02_2011


30—

profil

DEUTSCHLANDBILD 01

© picture-alliance/dpa

Karl May und die Insel der Götter

01

Am Anfang war ein Karl-May-Roman: Der blaurote Methusalem. Karl May erzählt die Geschichte eines ewigen Münchner Studenten, der im Reich der Mitte nach einem Ölerben, einer chinesischen Familie und einem Schatz sucht – und auf wundersame Weise auch findet. Für Ziphora Robina Ausgangspunkt eigener Abenteuer zwischen Deutschland und Indonesien.

Abenteuerromane als Verbin-

dung zu Deutschland: Karl May und der Traum vom Studium in der „Heimat“

Ich habe viele Karl-May-Romane gelesen, aber Der blaurote Methusalem war und ist mein Lieblingsband. Ich erhielt ihn 1986. Mein Vater hatte gerade seine Promotion an der LudwigMaximilians-Universität in München erfolgreich abgeschlossen. Nach sieben Jahren in Deutschland kehrten wir zurück nach Bali, Indonesien. Für meine Eltern war es die langersehnte Rückkehr in die Heimat. Ich dagegen kehrte der einzigen Heimat, die ich bis dahin gekannt hatte, nämlich Deutschland, den Rücken. Um den Übergang für mich einfacher zu machen, schickten Münchner Freunde meiner Eltern mir deutschsprachige Bücher: Märchen und Fabeln, Enid-Blyton-Serien, Alfred Hitchocks „Die drei Fragezeichen“ und Karl

Mays Abenteuerromane. Das erste deutsche Buch, das ich in Bali zugeschickt bekam, war Der blaurote Methusalem. Er war meine Verbindung zu München, zu Deutschland und zu meinem Traum: irgendwann einmal nach Deutschland zurückzukehren, um dort zu studieren. In den darauffolgenden Jahren habe ich Teile des Orient-Zyklus und der Winnetou-Serie verschlungen. Karl Mays Abenteuererzählungen waren mein Fenster zu anderen, fremden Ländern, sie weckten meine Reiselust und Neugier auf Unbekanntes. Indonesien ist das größte Inselreich der Welt. Rund 17.000 Inseln erstrecken sich über drei Zeitzonen. Zum Vergleich: Legt man die


profil

weltzeit 02_2011

Indonesische Landkarte über eine Karte Europas, deckt die Fläche Indonesiens fast die gesamte Europäische Union ab. Um Indonesien zu verlassen, nimmt man entweder eine lange Schiffsfahrt auf sich oder man fliegt. Karl May beflügelte meine Fantasie. Durch seine Bücher erforschte ich die Vereinigten Staaten und reiste durch Teile Afrikas. Die deutsche Sprache eröffnete mir Türen, fantastische Länder und Welten zu besuchen. Und, ohne dass ich es merkte, halfen mir die Bücher, die deutsche Sprache nicht zu verlernen.

Bilaterale Überraschungen So konnte ich knapp neun Jahre später meinen Kindheitstraum verwirklichen – und in Deutschland studieren. Im Herbst 1995 war ich an der Ludwig-Maximilians-Universität München eingeschrieben. Über die Jahre war die enge Verbindung zu Deutschland lebendig geblieben. Die Neugier auf fremde Länder auch. Umso überraschender war es für mich, dass eines der ersten Länder, das ich durch meinen Aufenthalt in Deutschland besser kennenlernte, ausgerechnet mein Herkunftsland war. Deutschland und Indonesien

— 31

kommen viele junge Indonesier nach Deutschland, um zu studieren. Der bekannteste unter ihnen ist wohl Indonesiens ehemaliger Präsident Habibie, der 1954 mit einem Stipendium nach Deutschland kam und in Aachen Luft- und Raumfahrtechnik studierte.

Gewandelte Aufmerksamkeit Umgekehrt kennen viele Deutsche Indonesien hauptsächlich als Reiseland. Unter den Sonnenliebhabern ist besonders Bali, die Insel der Götter, gefragt. Wie wenig der Rest Indonesiens bekannt ist, lässt sich aus der häufig gehörten Frage erkennen: Indonesien – liegt das in der Nähe von Bali? Das änderte sich erst nach 2004. Nach der Tsunami-Katastrophe am zweiten Weihnachtstag rückte Indonesien ins internationale Rampenlicht. Das Reise- und Tauchland erfuhr eine gewandelte Aufmerksamkeit, Wiederauf bau und Entwicklungszusammenarbeit waren das Gebot der Stunde. Deutschland stand Indonesien bei und übernahm die Federführung bei der Umsetzung eines Tsunami-Frühwarnsystems. Die Hilfsbereitschaft der deutschen Regierung und der deutschen Bevölkerung haben sich einge-

Ziphora Robina wurde am 21. Juli 1976 in Bali geboren und kam mit ihren Eltern 1978 nach Deutschland. In München besuchte sie die Grunddierte in München und Augsburg, wo sie einen Magisterabschluss für Deutsch als Fremdsprache, Anglistik und Kommunikationswissenschaft erlangte. Für ein Jahr war sie anschließend in Stuttgart in der Abteilung Kommunikation einer kleinen kirchlichen Organisation. 2005 kam sie zur Deutschen Welle, machte zunächst ein Volontariat und arbeitet seit 2007 als Redakteurin in der Asien-Abteilung.

pflegten eine langjährige Freundschaft. Offiziell begannen die diplomatischen Beziehungen im Jahr 1952. Aber schon im 16. Jahrhundert gab es deutsche Reiseberichte über Indonesien. Deutsche Wissenschaftler, Abenteurer, Schriftsteller und Künstler bereisten das Inselreich und ließen sich von der außerordentlichen Naturlandschaft, den Hunderten von Sprachen und Völkerstämmen inspirieren. Einige blieben, wie zum Beispiel der Maler Walter Spies, der sich in den 1930er-Jahren auf Bali niederließ. Im 20. Jahrhundert prägten Wissenschaft und Wirtschaft die deutsch-indonesischen Beziehungen. Aus indonesischer Sicht steht „Made in Germany“ für qualitativ hochwertige Produkte, Hightech und Maschinenbau. Aus diesem Grund

prägt. Aus indonesischer Sicht wurde dadurch die jahrelange Freundschaft zwischen beiden Ländern noch verstärkt. Meine persönliche Sicht auf Deutschland hat sich in den letzten Jahren auch verändert. Als zehnjähriges Mädchen auf Bali war Deutschland ein faszinierendes, fernes Land, ein Land der Abenteurer und Dichter, mein Fenster in die Welt. Mit 20 war Deutschland mein Studienziel. Aus dem Fenster zur Welt wurde ein Tor und dahinter lag die ganze Welt, die es zu entdecken galt. Heute habe ich das Tor durchschritten und lebe nun in zwei Welten; in Indonesien, meinem Herkunftsland, und Deutschland, meiner adoptierten Heimat. ——

© DW/M. Müller

schule bis zur vierten Klasse. 1986 kehrte sie zurück nach Bali. Nach dem Abitur 1995 zog sie wieder nach Deutschland. Sie stu-


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neue medien 02

© picture-alliance/dpa

01

01-02 Fernsehen nach Wunsch

Alles auf Abruf

Würgegriff des „Halstuchs“, wie in den Sechzigerjahren: das DW Media Center und ein Ausschnitt aus dem Straßenfeger

© DW/M. Müller

von Dominik Ahrens Auslandsmarketing

Die Tagesschau läuft um acht, die Kochshow um halb vier, und wer beim Tatort erst um 20.18 Uhr einschaltet, hat den Mord verpasst. „Fernsehzuschauer“ der nächsten Generation werden darüber wohl nur den Kopf schütteln. Denn die Bedeutung von Online-Mediatheken und TV auf Abruf wächst. Ein denkwürdiges Datum der bundesdeutschen TV-Geschichte ist der 17. Januar 1962. Als an jenem Abend die letzte Episode der Reihe „Das Halstuch“ lief, sollen ganze Innenstädte verwaist und Dorfplätze entvölkert gewesen sein. Das Krimifinale erreichte eine Einschaltquote von sagenhaften 89 Prozent. Damit gilt „Das Halstuch“ als Paradebeispiel des Straßenfegers – eines Phänomens, das heutige Programmchefs mit Begriffen wie TV-Event nur allzu gern wiederbeleben würden. Etwas unterscheidet die begeisterten Massen des Jahres 1962 allerdings von den Zuschauern der Gegenwart: Sie hatten keine Wahl. Zum einen war der Krimi an jenem Abend eines von zwei überhaupt verfügbaren Programmen, zum zweiten stand selbstverständlich auch die Sendezeit fest wie in Stein gemeißelt. Wer nicht ab 20.15 Uhr vor der Mattscheibe saß, hatte das Großereignis unwiederbringlich verpasst. Seither hat nicht nur die Einführung von Kabel-, Satelliten- und IP-TV das Angebot der Kanäle vervielfacht. Mit Video- und Festplattenrecordern können Zuschauer selbst über die „Sendezeit“ bestimmen. Viele Sender haben den Trend zum individuellen Fernsehkonsum inzwischen erkannt und bieten ihre Programme in Online-Mediatheken an. Hier können einzelne

© picture-alliance/dpa

und persönlichem Zeitplan statt im

Sendungen jederzeit „on demand“, also „auf Abruf “ angesehen werden. Auch die Deutsche Welle versammelt seit einigen Monaten TV- und Radiobeiträge sowie ergänzende Fotogalerien auf einer zentralen Oberfläche, dem DW Media Center. Projektleiter Björn Rosenthal ist überzeugt, dass die neue Präsentation viele Menschen einlädt, die Angebote der DW neu zu entdecken: „Durch diese Plattform hat der Nutzer erstmals die Möglichkeit, das audiovisuelle Angebot auf einen Blick zu erfassen. Zudem f ällt es nun leichter, in komplexe Themen tiefer einzusteigen. Denn das DW Media Center zeigt zu jedem Inhalt automatisch passende Videos, Audiobeiträge und Fotos an.“ Auch wenn Fernsehen für die meisten Menschen heute noch auf dem Fernseher und nicht auf einem Computerbildschirm stattfindet, könnte die Unterscheidung zwischen „TV“ und „PC“ schon bald vergessen sein, meint Björn Rosenthal. „Immer mehr Flachbildschirme haben heute schon einen eingeschränkten Zugang zum Netz. Ob man von solchen Geräten aus auf Mediatheken zugreifen kann, muss oft mit den Herstellern verhandelt werden.“ Die BBC ist da schon einen Schritt weiter, ihr Media Center namens „iPlayer“ ist nicht nur auf neueren Samsung-Fernsehern, sondern auch auf den


schlaglichter

weltzeit 02_2011

— 33

Al-Dschasira baut auf „Stream“ hochgesteckten Erwartungen. Das

Al-Dschasira plant ein neues TV- und

Schlechte Nachricht für die Nachricht

Internet-Format: Für „Stream“

„Der klassische Nachrichtenartikel

des kalifornischen Sillicon Valley

sollen nicht Journalisten oder TV-

ist tot.“ Das behauptete der Journa-

(USA) orientieren.

Produzenten, sondern die Nutzer von

list und Wissenschaftler Jeff Jarvis

Twitter, Facebook und YouTube die In-

(USA) im Herbst 2008 in seinem Blog.

halte liefern. Die rasante Entwicklung

Im Lichte der Berichterstattung über

„Just Do It…“ auch in Myanmar

der Nutzerzahlen bei Al-Dschasira

die Unruhen in Tunesien, Ägypten

Nach dem Vorbild der Demokratie-

Online stand Pate: Innerhalb weniger

und Libyen wird seine Aussage wie-

Bewegung in Ägypten hat eine Grup-

Wochen hatten sich die Zugriffe mehr

der lebhaft diskutiert. Denn manche

pe Aktivisten in Myanmar (Birma)

als zweitausendfach erhöht. Die Be-

Medienanbieter haben neue Formen

eine Anti-Regierungs-Webseite bei

richterstattung über die Aufstände in

der Informationsbeschaffung und

Facebook gestartet: „Just Do It

Ägypten, Tunesien und Libyen dürfte

-aufbereitung genutzt: Live-Blogs,

Against Military Dictatorship“ hat

wesentlich dazu beigetragen haben.

die Einbindung von User Generated

bereits 1.500 Unterstützer. Das ist

Der arabische Sender will den Einsatz

Content via YouTube, Facebook und

angesichts der 400.000 Internet-

populären Spielekonsolen Playstation 3 und Wii verfügbar. Ein sozialer Aspekt des DW Media Centers ist für Rosenthal besonders wichtig: die Empfehlungsfunktion, mit der Nutzer ihre Freunde in Sozialen Netzen wie Facebook und Twitter auf einen Beitrag aufmerksam machen können. Damit wird ein Online-Clip zwar noch nicht zum Straßenfeger – doch Fernsehen bietet immer noch Gesprächsstoff. Die echten Straßenfeger der frühen Fernsehjahre sind inzwischen übrigens als DVD-Reihe erschienen. Nostalgische Krimifreunde können sie also jederzeit „auf Abruf “ genießen. ——

von „User Generated Content“ (Inhal-

Twitter. Darüber hinaus gab es zahl-

nutzer unter den rund 36 Millionen

ten, die von Nutzern erstellt wurden)

reiche Experimente, zum Beispiel

Einwohnern beachtlich. „Reporter

noch verstärken. „Stream“ sei erst

mit dem Werkzeug Storify. Damit

ohne Grenzen“ bezeichnet Myanmar

ein Anfang, heißt es bei Al-Dschasira.

lassen sich Inhalte verschiedener

und neun andere Staaten aufgrund

Quellen komponieren und kommen-

sehr eingeschränkter Möglichkeiten

Guter Tipp von der Suchmaschine

tieren. Allerdings: Wird der Beitrag

der Internetnutzung als „Feinde des

veröffentlicht, ist er meistens schon

Internets“.

Auf der Suche nach einem italie-

wieder veraltet. Medienexperten

nischen Lokal? Oder nach einem neu-

plädieren deshalb für einen prozes-

en Auto? Viele Entscheidungen basie-

sualen Zugang zu Nachrichten, die

40 Prozent mehr Deutsche mobil

ren auf persönlichen Empfehlungen.

sich fortlaufend aktualisieren.

Über vier Millionen Bundesbürger

mediacenter.dw-world.de

Der arabische Nachrichtensender

r

G

mi t l l ä ef

Großprojekt dürfte sich am Vorbild

gehen inzwischen per Smartphone

Und die könnten künftig Google oder

oder Internet-fähigem Handy on-

und Bing wollen Ergebnisse aus dem

Silicon Valley auf chinesisch

persönlichen Umfeld in Sozialen

Das Technologiezentrum Zhongguan-

den mobilen Internetzugang täglich

Netzen bevorzugt anzeigen. Eine He-

cun in Peking soll in zehn Jahren zum

oder mehrmals pro Woche. Im Ver-

rausforderung für Unternehmen, die

Synonym für weltweite IT-Innovation

gleich zum Vorjahr ein Anstieg um

sich bislang gute Platzierungen durch

werden. Das sieht der Mitte März

40 Prozent. Das geht aus der Studie

Suchmaschinen-Optimierer erkaufen

verabschiedete Fünfjahresplan der

„Mobile Internetnutzung 2011“ des

konnten. Sie müssen sich bald stär-

chinesischen Regierung vor. Wie die

Marktforschungsinstituts Nordlight

ker bei Sozialen Medien engagieren,

staatliche chinesische Nachrichten-

Research in Kooperation mit der

wollen sie ihre Positionen im Netz

agentur Xinhua berichtete, wollen

Webfrager GmbH hervor. 1.000

auch künftig behaupten. Microsofts

die Chinesen bis 2016 50 Milliarden

Verbraucher ab 16 Jahren hatten

Suchmaschine Bing integriert bereits

Yuan (5,44 Milliarden Euro) inves-

sich im Februar ausführlich zu ihrem

Ergebnisse, die von befreundeten

tieren. 2020 soll die IT-Zone einen

Nutzungsverhalten im mobilen und

Nutzern mit einem sogenannten

Umsatz von zehn Billionen Yuan (1,1

stationären Internet sowie im Be-

„Like“ versehen wurden.

Billionen Euro) erwirtschaften, so die

reich Mobilfunk geäußert.

Microsoft via Bing liefern. Google

line. Jeder Zweite von ihnen nutzt


34—

zoom

01

„Hey, Suzuki, wie geht’s dir?“

© picture-alliance/dpa

Ihre Neugier hat sie weit gebracht. Nahla Elhenawy entdeckte erst Japan, später Deutschland und den Nahen Osten. Seit 2010 arbeitet die junge Ägypterin in der ­A rabisch-Redaktion von DW-TV. Die Revolution in ihrem Heimatland weckt ihre Neugier wieder – dieses Mal auf ein Land, das sie nicht wiedererkennt.

01

Ein demokratisches

­Ägypten sollte genau so sein: ­kulturelles Miteinander – wie in diesem arabischen Café in Berlin

von Richard Fuchs Freier Journalist

„Je unbekannter etwas ist, desto neugieriger macht es mich“, sagt Nahla Elhenawy. Wohl auch deshalb entschied sich die heute 28-jährige Ägypterin früh, außergewöhnliche Wege zu gehen. Mit 17 begann sie, in Kairo Japanologie zu studieren, von Asien wusste sie besonders wenig. Mit 19 dann der Sprung nach Tokio, erst zum Studium, später immer wieder für journalistische Praktika. In Kairo und Tokio recherchiert und übersetzt sie für japanische Journalisten, die einen Dokumentarfilm über islamischen Fundamentalismus anfertigen. „Ich wollte Journalistin werden, weil ich so viel mit Journalisten zu tun hatte“, erinnert sich Nahla. Sie schreibt erste Berichte über „die Japaner“ für ägyptische Zeitungen, will die so fremden Kulturen ein Stück näher zusammenbringen. Dass Freunde sie fortab scherzhaft nur noch „Japan-

Freak“ nennen, ihr Großvater sie am Telefon sogar mit „Hey, Suzuki, wie geht’s dir?“ begrüßt, darüber muss sie noch heute lachen. „Deutschland habe ich in Japan kennengelernt“, antwortet Nahla, wenn Kollegen sie löchern, wie eine Ägypterin in Tokio den Weg zur Deutschen Welle findet. 2005 war Deutschlandjahr in Japan; sie besuchte Konzerte, Ausstellungen und Diskussionen. Noch kann sie der harten, wenig melodiösen deutschen Sprache wenig abgewinnen, versteht Kinofilme wie „Lola rennt“, „Goodbye Lenin“ oder „Das Experiment“ nur mit japanischen Untertiteln. Doch je mehr sie über Land und Leute erfährt, desto neugieriger wird sie. „Ich fand es faszinierend, wie gut die Deutschen ihre Geschichte aufgearbeitet haben, insbesondere auch im Vergleich mit Japan.“ Als T ­ ouristin und ­Sprachschülerin


zoom

weltzeit 02_2011

reist sie nach Berlin, in „eine Stadt, die man sein Leben lang nicht vergisst, wenn man sie im Sommer sieht“, meint Nahla. Von Tokio aus bewirbt sie sich für ein ­Volontariat, übt parallel Deutsch mit einem ­Auslandsschweizer. Es klappt. „Das Volontariat bei der Deutschen Welle war mein Fenster zu Europa“, sagt Nahla über die 18 Monate in Bonn und Berlin, die ihr Leben verändert und den Blick auf Europa geschärft haben. Als Auslandsstation – Bestandteil des Volontariats – wählte die Ägypterin das ZDF-Studio Tel Aviv, um über Israel oder Palästina nicht nur zu schreiben, sondern um die Lage der Menschen auch zu verstehen.

Schwierige Wochen Dem Journalismus, den sie bei der DW gelernt hat, attestiert sie ein hohes Maß an Selbstkritik und Selbstreflexion. Das gelte auch und besonders bei der Berichterstattung der aktuellen Revolutionen in der arabischen Welt, wie sie es in der Arabisch-Redaktion von DW-TV erlebt hat. „Wir haben unglaublich viel gearbeitet seit Beginn der Revolution“, sagt Nahla – nicht ohne Stolz auf das eigene Team. Dabei erinnert sie sich an die tagelange Internetsperre in Ägypten Ende Januar. In dieser Zeit nahm sie tagsüber Korrespondentenberichte aus Kairo telefonisch entgegen, nachts stellte sie für ägyptische Freunde ohne Internet­ zugang Facebook-Nachrichten ein. „Das waren schwierige Wochen für mich, denn ich wollte in Ägypten bei meinen Freunden und meiner Familie sein, aber auch in Deutschland meine Arbeit machen.“ Nahla arbeitet als Übersetzerin, Planerin und dreht als Videojournalistin auch ­eigene Reportagen. Für DW-TV beobachtet sie zudem, was sich junge Araber in Blogs, Twitter und sozialen Netzen mitteilen. Auch wenn die Revolution ohne die Generation Facebook so wohl nie stattgefunden hätte: „Die Zutaten für eine Revolution, also explodierende Preise, Armut und die Ohnmacht gegenüber der Korruption, die waren längst da“, sagt sie.

gegriffen werde. Eines ihrer Beispiele ist: der Umgang mit der ägyptischen Muslimbruderschaft, die zum Schreckgespenst hochstilisiert werde. „Warum sollte die Muslimbruderschaft keine Partei haben in einem demokratischen Ägypten?“, fragt sie und verweist darauf, dass es schließlich auch hierzulande religiös geprägte, christliche Parteien gebe. Politische Ausgrenzung erzeuge nur Aggressionen auf allen Seiten, da ist sie sich sicher. Die Revolution in ihrem Heimatland hat Nahlas Neugier wieder geweckt. Manchmal träumt sie davon, die DW hätte ein umfassenderes Nachrichtenprogramm auf Hocharabisch. Darin müssten noch mehr Berichte aus der arabischen Welt laufen, aber ebenso noch mehr Reportagen über muslimisches und arabisches Leben in Deutschland. „Ich glaube, viele Araber haben ein völlig falsches Bild davon, wie Muslime hier in Deutschland leben“. Anregungen für Reportagen bekommt sie in ihrem Berliner Lieblingsstadtteil Kreuzberg jeden Tag. Sie genießt es, wenn dort die kulturellen Grenzen, Essenstraditionen und Lebensweisen verschwimmen. Ein demokratisches Ägypten sollte genau so sein. Dann würde Nahla ihr Heimatland zwar nicht mehr auf Anhieb wiedererkennen, aber neugierig wäre sie darauf schon. ——

Am Umgang westlicher Medien mit dem Sturz der arabischen Diktatoren stört sie nur dies: dass immer wieder auf Klischees zurück-

DW/C. Fork

Störende Klischees

— 35

»Ich genieße es, wenn kulturelle Grenzen ­verschwimmen.«


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