weltzeit 3_2011: DEUTSCHE WELLE GLOBAL MEDIA FORUM ­ Menschenrechte und Globalisierung

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Das Magazin der Deutschen Welle 03— Juni 2011

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U BDR A R VO

DEUTSCHE WELLE GLOBAL MEDIA FORUM

Menschenrechte und Globalisierung


Mitveranstalter

unterst端tzt durch


vorspann

Editorial Liebe Leserinnen und Leser, wie muss der Prozess der Globalisierung gestaltet werden, damit dieser den Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht die Märkte? Was muss geschehen, damit sich in aller Welt neben dem „Shareholder Value“ der „Human Value“ als Kerngröße etabliert? Und welche Rolle kommt dabei den Medien zu? Darum wird es gehen auf dem Deutsche Welle Global Media Forum 2011. „Menschenrechte und Globalisierung – Herausforderungen für die Medien“, so das Thema vom 20. bis 22. Juni in Bonn. Zum vierten Mal wird unsere internationale Medienkonferenz diejenigen versammeln, die sich der Lösung globaler Probleme verschrieben haben und die überzeugt sind, dass die Medien dabei eine

bedeutende Rolle spielen. Wir erwarten wieder rund 1.500 Teilnehmer aus 100 Nationen im World Conference Center, dem früheren Plenarsaal des Deutschen Bundestags. Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, aus internationalen und nationalen Organisationen treffen auf Medienvertreter. Sie werden die Konferenz und das Rahmenprogramm auch als interkulturelle Kommunikationsplattform nutzen, um Netze zu knüpfen und auszubauen – im Sinne der Menschenrechte. Unser Format eines Medienkongresses mit internationaler Ausrichtung und interdisziplinärem Ansatz stößt Jahr um Jahr auf wachsendes Interesse – immer mehr Kooperationspartner bringen sich ein. Unterstützt wird das Deutsche Welle Global

nachrichten

06-20

titel » Menschenrechte brauchen Medien » Im Gespräch: Intendant Erik Bettermann » Menschenrechte 2011: das Multimedia-Projekt » Rechtsstaatlichkeit als Kern: Markus Löning im Interview » Meinung: Perspektive der Menschenrechte einnehmen » The BOBs: Gewinner in Bonn » Klick!: Die 30 besten Fotos

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spot

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partner » Vietnam: Neue Töne im Radio

Media Forum auch 2011 von der Stiftung Internationale Begegnung der Sparkasse in Bonn als Mitveranstalter, dem Auswärtigen Amt, der NRW-Landesregierung, Deutsche Post DHL und erstmals auch vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die vorliegende weltzeit gibt einen Vorgeschmack auf die Konferenz, auf namhafte Experten, die Themenbreite und die zu erwartenden kontroversen Diskussionen. Ich würde mich freuen, wenn wir Ihr Interesse wecken und Sie in Bonn begrüßen können. Herzliche Grüße Ralf Nolting Geschäftsführer DW-Media Services GmbH

Impressum

In dieser Ausgabe 04-05

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© DW-Archiv

weltzeit 03_2011

24-25 rückblende » Polen: DW unter Beobachtung

26-27 profil » Deutschlandbild: Juan Ju

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neue medien » Sammelwut: Digitale Speicher

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schlaglichter

30-32 podium » Diskussion und Buchtipp: Kunst, Kultur und Konflikt » Beethovenfest: Dirigent Paul MacAlindin über junge Musiker in Irak

34-35 zoom » Daria Bryantseva: Diplomatie der Kultur

Deutsche Welle Unternehmenskommunikation 53110 Bonn T. 0228.429.2041 F. 0228.429.2047 weltzeit@dw-world.de www.dw-world.de/presse blogs.dw-world.de/weltzei t Verantwortlich: Dr. Johannes Hoffmann Redaktion: Berthold Stevens Gestaltung: Alexandra Schottka, Lisa Flanakin, Nilab Amir Titelfoto: AP Druck: Brandt GmbH · Bonn Anzeigen T. 0228.429.2043 F. 0228.429.2047 weltzeit@dw-world.de Werbung im Programm T. 0228.429.3507 F. 0228.429.2766 werbung@dw-world.de


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nachrichten

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© DW/M. Müller (4)

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Nordafrika braucht Hilfe:

Europa kein Vorbild

(v.l.) Aktham Suliman, Gemma Pörzgen und Moderator Christian F. Trippe

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Brüssel – Auf Einladung von DW und medienforum.nrw diskutierten Vertreter aus Politik und Medien zum Thema Pressefreiheit in Europa – Vorbild für Nordafrika?. Rund 100 Gäste waren am 2. Mai in die NRW-Landesvertretung in Brüssel gekommen.

Heimspiel: NRW-Staats-

sekretär für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien Marc Jan Eumann

Wie kann Europa die Transformation und den Auf bau von Mediensystemen in Nordafrika vor dem Hintergrund der Entwicklungen unterstützen? Aktham Suliman, DeutschlandKorrespondent von Al-Dschasira, ist überzeugt: Nordafrika brauche keine Vorbilder aus Europa, sondern „man braucht Hilfe“. Arabische Länder könnten sich in Europa interessante Modelle anschauen. Journalistenaustausch sei eine Möglichkeit für konkrete Zusammenarbeit, sagte Jürgen Brautmeier, Vorsitzender der Europäischen Plattform der Regulierungsbehörden. Angesichts des neuen Mediengesetzes in seinem Land sei Ungarn kein Vorbild für die arabische Welt, sagte Károly Vörös, Chefredakteur

der ungarischen Tageszeitung Népszabadság. Er mahnte: „Wir in Europa müssen aufpassen, dass das ungarische Modell nicht ansteckend auf andere Staaten wirkt.“ Die Presse in Ungarn habe „die Wertschätzung, die sie seit der Wende vor 20 Jahren genossen hat, innerhalb nur eines Jahres verloren“. Gemma Pörzgen von Reporter ohne Grenzen verwies darauf, dass Europa auch von Nordafrika lernen könne: „Es ist vorbildlich, auf welche Weise viele junge Menschen in Ägypten und Tunesien mit Neuen Medien umgegangen sind.“ Dies habe eine politische Relevanz erreicht, die Blogs in Deutschland nicht hätten. ——

Erste Projekte in Tunesien

die Talk-Sendung „Quadriga“ und Dokumentationen

Die DW-AKADEMIE unterstützt die neuen Partner mit

Tunis – Wenige Wochen nach dem Ende des autoritären

der Reihe „Im Focus“. Der tunesische Sender hatte

Aus- und Fortbildungsangeboten im journalistischen

Regimes in Tunesien hat die DW mit Partnersendern

unter Staatspräsident Ben Ali lediglich über eine Li-

und technischen Bereich. Die Akademie hat in der

Kooperationen vereinbart. Zudem hat die DW-AKADE-

zenz zur Ausstrahlung von Unterhaltungssendungen

Hauptstadt Tunis bereits ein Training zum Thema Wahl-

MIE bereits einen ersten Kurs in Tunis durchgeführt.

verfügt. Der staatliche Senderverbund Télévision Tuni-

berichterstattung organisiert. Partner vor Ort war die

Hannibal TV, einer der größten privaten Anbieter des

sienne übernimmt ebenfalls die beiden arabischspra-

Friedrich-Ebert-Stiftung. Journalisten von sieben Sen-

Landes, übernimmt die arabischsprachige Ausgabe der

chigen Angebote „Quadriga“ und „Im Focus“, außer-

dern nahmen daran teil.

Nachrichtensendung „Journal“ von DW-TV, außerdem

dem mehrere DW-Magazine.


nachrichten

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Europa leider uneins

Aung San Suu Kyi diskutierte mit Studenten, Dozenten und Journalisten. Moderiert wurde die Runde von Melinda Crane. Sie habe bisher „keine sinnvollen Veränderungen“ in ihrem Land wahrgenommen, sagte die Oppositionspolitikerin und Menschenrechtsaktivistin. „Ich weiß, dass es Wahlen gegeben hat. Allerdings besteht die Regierung, die nach der Wahl die Führung übernommen hat, aus denselben Leuten, die vor der Wahl an der Macht waren.“

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© picture alliance / dpa

Rangun/Berlin – In Zusammenarbeit mit der Hertie School of Governance hat DW-TV in Berlin eine Diskussionsrunde zur Zukunft Myanmars (Birma) aufgezeichnet. Die Trägerin des Friedensnobelpreises Aung San Suu Kyi war von einem geheimen Ort in Rangun aus zugeschaltet.

Aung San Suu Kyi (im Bild) sprach auch über fehlende internationale Unterstützung und mangelnde Koordination internationaler Hilfe. Das vereinte Europa sei „leider viel zu uneins“, wenn es um ihr Land gehe. Auch andere Länder und internationale Organisationen müssten sich anschließen, sagte sie. „Ich glaube nicht, dass Europa, die ASEANStaaten oder die USA Birma im Alleingang helfen können. Ein koordiniertes Vorgehen ist nötig“, so die Friedensnobelpreisträgerin. Soweit die Menschen in Myanmar überhaupt Zugang zu freien Medien hätten, um sich zu informieren, verfolgten sie die Entwicklungen in der arabischen Welt mit großem Interesse. Die jungen Menschen in ihrem Land begriffen allmählich, dass sie ihr Schicksal auch selbst in die Hand nehmen müssten, um Veränderungen herbeizuführen, so Aung San Suu Kyi. ——

Freiheit unter Kontrolle Bonn – Zwischen Facebook und Folter, so der Titel einer gemeinsamen Veranstaltung von DW und Bonner Medienclub (BMC) zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai. China und die arabischen Länder standen im Blickpunkt der Diskussion. In Ägypten und Tunesien sei es den Menschen gelungen, „die Angstschwelle mithilfe der Sozialen Medien zu überwinden“, sagte Loay Mudhoon, Leiter des Dialog-Portals Qantara.de. Mit ihm diskutierte im Bonner Funkhaus Adrienne Woltersdorf, Leiterin der Chinesisch-Redaktion der DW. Es moderierte BMC-Vorsitzender Andreas Archut. Erst durch die Neuen Medien seien die Forderungen der Demokratiebewegung in der arabischen Welt gehört geworden, so Mudhoon, der vor allem auf die Mobilisierungsfunktion von Facebook verwies. Zugleich orientierten sich nun etablierte Medien mehr an journalistischen Standards, wie sie international agierende Sender wie BBC und DW in die Region gebracht hätten, erläuterte Mudhoon. „Die Arbeit für Journalisten ist nicht leichter, aber spannender geworden.“ Anderen Herausforderungen müssen sich Jour04 05 nalisten in China stellen. Die Regierung verfüge mit ihrer feinmaschigen Zensur über eines der effektivsten Kontrollmechanismen weltweit. Blogs und Soziale Netze brächten zwar mehr Freiheit. Aber Pekings Machthaber beschäftigten inzwischen „verdeckte“ Blogger, die Foren und Blogs manipulierten, sagte Woltersdorf. Angesichts dieser Entwicklung müsse die Chinesisch-Redaktion noch vorsichtiger mit Beiträgen und Quellen im Internet sein. „Es wird immer schwieriger für uns zu sagen, ob etwas eine originäre oder eine bezahlte Stimme ist. Die Liste der verlässlichen Interviewpartner wird täglich kürzer.“ ——

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Experten für China

und arabische Länder: Adrienne Woltersdorf und Loay Mudhoon


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In vielen Ländern mit Füßen getreten: Auszüge aus der UN-Menschenrechtscharta als Pflastersteine in der „Allee für Menschenrechte“ in Köln

© DW/M. S. Mersch Müller

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Menschenrechte brauchen Medien Menschenrechte und Globalisierung – Herausforderungen für die Medien. So lautet das Thema des Deutsche Welle Global Media Forum vom 20. bis 22. Juni in Bonn. Die Konferenz beleuchtet die Bedeutung der Medien für die Durchsetzung der Menschenrechte in einer globalisierten Welt. Auf der einen Seite sind die Medien Vermittler dieser Rechte und wachen über ihre Einhaltung. Auf der anderen Seite sind sie selbst Akteure der Globalisierung. schieht. Das ist die Botschaft der vielen Nachrichten über Ai Weiwei in den Zeitungen, im Internet, in Radio und Fernsehen. Dies beleuchtet die Rolle der Medien für die Menschenrechte. Ihre zentrale Aufgabe ist es, die Verletzung dieser Rechte ans Licht zu bringen. Dass für die Menschenrechte die Medien eine besondere Rolle spielen, lässt sich an der Geschichte der Gründung von Amnesty International zeigen. 1961 las der britische Rechtsanwalt Peter Benenson in der Zeitung mehrere Artikel über Menschenrechtsverletzungen in Portugal. Dort hatte man eine Gruppe von Studenten verhaftet, die in einem Lokal auf die Freiheit angestoßen hatte. Das war damals verboten, weshalb die Studenten zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Benenson veröffentlichte einen Artikel über die Vorfälle und forderte die Leser auf, in Briefen an die Regierung Portugals die Freilassung der Studenten zu fordern. Dieser

»Öffentlichkeit ist die Seele der Gerechtigkeit.«

von Udo Marquardt Freier Mitarbeiter

© DW-Archiv

Am 3. April 2011 wurde der chinesische Künstler und Menschenrechtler Ai Weiwei am Pekinger Flughafen von der chinesischen Polizei festgenommen. Dann war er spurlos verschwunden, offensichtlich in Haft. Und doch steht Ai Weiweis Name fast jeden Tag in der Zeitung. Die Universität der Künste in Berlin bietet ihm eine Gastprofessur an. Für die Kölner Oper soll er ein Bühnenbild entwerfen. Bundesaußenminister Westerwelle besucht demonstrativ eine Ausstellung mit Werken des Künstlers. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch setzen sich für seine Freilassung ein. Ai Weiweis Freilassung oder zumindest ein fairer Prozess gegen ihn kann nur dadurch erreicht werden, dass die chinesische Regierung immer wieder daran erinnert wird: Ai Weiwei ist nicht vergessen. Wir schauen genau hin und wir werden herausbekommen, was mit ihm ge-


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© S. Mersch

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„Under the Bridge“, Jakarta,

Indonesien: von ­Maximilian Norz

Zeitungsartikel gilt heute als Gründungsdokument von Amnesty ­International. Die Geschichte macht deutlich, wie wichtig die Medien für die Einhaltung und Durchsetzung der Menschenrechte sind. Gefoltert und vergewaltigt wird im Dunkeln, im Verborgenen. Es ist die Aufgabe der Medien, Licht ins Dunkel zu bringen und Menschenrechtsverletzungen publik zu machen. Nur so können sie gestoppt werden. Das ist allerdings nur möglich, wenn eine freie Berichterstattung gegeben ist. Deshalb gehören Presse- und Meinungsfreiheit zu den Menschenrechten (Artikel 19). Verabschiedet wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte am 10. Dezember 1948 in Genf von der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Den Hintergrund der Erklärung bilden die massiven Menschenrechtsverletzungen während des Zweiten Weltkriegs. In Genf wurde festgehalten, dass es Rechte gibt, die jedem Menschen zukommen, nicht, weil er Bürger eines bestimmten Staates ist, sondern einzig und allein, weil er Mensch ist.

Seit 1948 sind Wirtschaft, Politik, Kultur, Umwelt und Kommunikation zunehmend zusammengewachsen, ein Prozess, der die einzelnen Menschen, Gesellschaften, Institutionen und Staaten betrifft, und den wir Globalisierung nennen. Wenn sich das Deutsche Welle Global Media Forum jetzt mit dem Thema „Menschenrechte und Globalisierung – Herausforderungen für die Medien“ auseinandersetzt, dann steckt dahinter die Überzeugung, dass die Medien eine zentrale Rolle dabei spielen, Menschenrechte in einer globalisierten Welt durchzusetzen und zu bewahren. Sie können diesen Prozess informativ und kritisch begleiten. Zugleich sind sie selbst Teil des Prozesses der Globalisierung. Die klassischen Menschenrechte sind die bürgerlichen Freiheitsrechte. Das sind Abwehrrechte gegen den Staat. Der Staat muss lediglich nicht handeln, um diese Rechte zu gewährleisten, also nicht foltern, niemanden durch Gesetzgebung benachteiligen etwa. Die Staaten sind also wesentliche Akteure, wenn es um die Menschenrechte geht. Auf der einen Seite sind sie


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die Garanten dafür, dass die Menschenrechte durchgesetzt werden. Aber sie sind es auch, die eben dies gef ährden. Die zentrale Frage ist, wer die Staaten kontrolliert, damit sie sich auch an die Menschenrechte halten. Die internationale Gemeinschaft hat dazu verschiedene Instanzen geschaffen, zum Beispiel den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder das UN-Menschenrechtshochkommissariat OHCHR. Aber die meisten dieser Instanzen haben kaum Befugnisse. Das verstärkt noch einmal die Bedeutung der freien Medien für die Menschenrechte.

Wächterrolle und Wirtschaftsinteressen Die Globalisierung bringt weitere Akteure ins Spiel. Da sind vor allem internationale Wirtschaftskonzerne. Sie entziehen sich zunehmend der Kontrolle durch einzelne Staaten. Arbeit, Waren- und Geldströme lösen sich von den territorialen Grenzen. Transnational agierende Konzerne gewinnen an Bedeutung und ihre Zahl nimmt zu. Die daraus entstehende Macht darf nicht unterschätzt werden. Ähnlich wie Wirtschaftskonzerne sind die Medien selbst ein internationales Phänomen. Die weltweiten Verbreitungsmöglichkeiten von Nachrichten über Fernsehen, Radio und vor allem das Internet mit all seiner Dynamik geben den Medien eine neue Verantwortung für die Menschenrechte. Es wird durch die modernen Verbreitungswege von Nachrichten immer schwieriger, Informationen zu unterdrücken. Genau darauf aber setzen Staaten, die Menschenrechte verletzen. Dass Zensur in Staaten wie China ausgeübt wird, ist gewiss kein Zufall. Es mag zwar noch möglich sein, eine Nachricht im eigenen Land zu unterdrücken, sie im Rest der Welt zu unterbinden, ist heute aber fast unmöglich. Genau das geschieht im Fall Ai Weiwei. Die Medien haben hier eine entscheidende Wächterrolle. Das impliziert natürlich, dass sie unabhängig und wahrheitsgetreu berichten. Aber Medien haben auch einen wirtschaftlichen Zweck. Es geht darum, mit Nachrichten Geld zu ­verdienen. Und es ist keine Frage, dass ein neues Video von Lady Gaga höhere Einschaltquoten bringt als die Hinrichtung eines unbekannten Dissidenten in China. Die Herausforderung für die Medien besteht darin, ihre ­W ächterrolle auch anzunehmen.

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„Globalization’s Impact“,

­Maharashtra, Indien: von Subhash Purohit; „Migration“, Istanbul, Türkei: von Suna Turhan; „Health Danger“, Bangladesch: von Shanewaz Chowdhury (von oben)

Auf dem diesjährigen Deutsche Welle Global Media Forum diskutieren unter anderem: Roberto Romano

ist seit 1998 Mitglied des britischen „House of

ist ein vielfach ausgezeichneter, investigativ ar-

Lords“. Sie hat sich dem Kampf gegen den Men-

beitender Filmemacher, Produzent und Fotograf.

schenhandel verschrieben – als Vorsitzende des

Darüber hinaus versteht er sich als Anwalt der

„WomenLeaders’ Council Leaders’ Council Fight Human TrafWomen to to Fight Human Traffick-

Menschenrechte. Mit seinen Erfahrungen und

ficking“ im Rahmen der „United ing im Rahmen der United NationsNations Global Global InitiaInitiative to Fight Trafficking“ (UN.GIFT), tive to Fight HumanHuman Trafficking (UN.GIFT), die sie die sieins 2007 ins gerufen Leben gerufen 2007 Leben hat. hat.

© DW-Archiv

© DW-Archiv

Baroness Goudie

Kenntnissen erfährt wird ihmerauch auch in in politisch einflussreichen Kreisen hohe Wertschätzung, Wertschätzung zuteil, nicht nur nicht in seiner nur in seiner HeimatHeimat USA. USA.

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Schutz und Gegenöffentlichkeit

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Von dem britischen Juristen, Philosophen und Sozialreformer Jeremy Bentham stammt der Satz: „Die Öffentlichkeit ist die Seele der Gerechtigkeit.“ (Publicity is the soul of justice.) Für die Medien besagt das: Gerechtigkeit braucht die von ihnen hergestellte Öffentlichkeit. Deshalb ist die Rolle der Medien so wesentlich für die Durchsetzung der Menschenrechte. Eine Folge davon ist, dass die Medien beziehungsweise ihre Vertreter immer wieder Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden. Unliebsame Journalistinnen und Journalisten verschwinden oder werden mundtot gemacht. Hier müssen die betroffenen Medien und ihre Vertreter geschützt werden: von anderen Regierungen und von Journalisten, die sich frei äußern können. Schließlich ist die Arbeit der Medien allerdings auch kritisch zu begleiten. Denn ebenso gut wie Medien Menschenrechtsverletzungen

aufdecken können, sind sie in der Lage, sie zu vertuschen: durch schlichtes Verschweigen einer Nachricht oder durch interessengesteuerte oder bewusst falsche Darstellung von Tatsachen. Hier ist es die Aufgabe der freien Medien, eine Gegenöffentlichkeit herzustellen. Die Tatsache, dass diese Gegenöffentlichkeit durch die moderne, globalisierte Nachrichtenübermittlung so gut wie nie zuvor herzustellen ist, ist eine der größten Chancen für die Menschenrechte in der globalisierten Welt. Es macht Hoffnung, dass die Ai Weiweis dieser Welt eines Tages wieder freigelassen werden. ——

„2011 ist das Jahr der Menschenrechte“ Erik Bettermann, Intendant der Deutschen Welle, im weltzeit-Interview

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Die Deutsche Welle hat sich Wertevermittlung, Demokratieförderung und den Einsatz für die Menschenrechte auf die Fahnen geschrieben. Sind die Umwälzungen in der arabischen Welt ein ­Durchbruch? Das Streben der Menschen in Tunesien, Ägypten und anderen Ländern der Region ist in seiner Dynamik, seiner geografischen Dimension und weltpolitischen Wirkung zweifellos historisch. Auch wenn heute noch nicht klar ist, wie sich die Verhältnisse in diesen Ländern entwickeln: 2011 ist für mich das Jahr der Menschenrechte. Überall auf der Welt wird sehr aufmerksam beobachtet, was der arabische Frühling auslöst. Die einen in der Hoffnung,

Eric Schmitt

Estela Barnes de Carlotto

ist einer der prominentesten Journalisten der

ist Präsidentin der Vereinigung Großmütter vom

New York Times. Seine Themen sind Terroris-

Plaza de Mayo in Buenos Aires, Argentinien. Die

mus und Nationale Sicherheit. Er berichtete über

Organisation hat sich der Suche nach verschwun-

Militäreinsätze der USA – vom Golfkrieg, aus Haiti und Somalia, aus Irak und Afghanistan. Er erhielt den Pulitzer-Preis und ist Mitglied im Rat für Auswärtige Beziehungen (CFR).

© DW-Archiv

© DW-Archiv

»Wir tragen zur Meinungsbildung der Weltöffentlichkeit bei.«

dass sich auch ihre Situation im Sinne neuer Freiheiten und politischer Teilhabe verbessert. Die anderen in der Sorge vor dem Auf begehren des eigenen Volkes, vor dem Verlust der Macht. Als Intendant eines Senders, der sich als deutsche Stimme der Menschenrechte versteht, empfinde ich tiefe Befriedigung. Die Deutsche Welle berichtet in Fernsehen, Hörfunk und Internet sehr intensiv über die zivilgesellschaftlichen Prozesse in der arabischen Welt – und zwar in allen ihren Sendesprachen. Natürlich interessiert es auch in China, Myanmar und Iran, in Lateinamerika wie in großen Teilen Afrikas, wie die Menschen in Nahost ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.

denen Angehörigen aus der Zeit der Militärdiktatur verschrieben. Sie erhielt 2003 den UN-Menschenrechtspreis. 2007 wurde sie für den Friedensnobelpreis nominiert.


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„Children’s Hands“,

Brickyard, Bangladesch: von Shanewaz Chowdhury (l.); „Protest for Rights“, Ägypten: von Yasser ­Mohamed Alaa El-din ­Mohamed

© DW-Archiv

Perspektiven. Andere Positionen, gerade in Menschenrechtsfragen, vertreten PressTV aus Iran, CCTV aus China, auch Russia Today aus Russland, um nur einige Stimmen zu nennen. Dies macht deutlich: Wir brauchen überzeugende Argumente und müssen diese kraftvoll vermitteln. Wir müssen Transformationsprozesse langfristig begleiten, den Dialog auf Augenhöhe führen, Angebote machen, die die Menschen in ihrer Gesellschaft weiterbringen. Das reicht von glaubwürdiger, unabhängiger Berichterstattung bis zur Fortbildung von Journalisten.

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„Wir verstehen uns als deut-

sche Stimme der Menschenrechte“: Erik Bettermann

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Können Journalisten Objektivität und Unabhängigkeit gewährleisten und zugleich als Anwalt der Menschenrechte auftreten? Bei den Menschenrechten sind Medien immer Subjekt und Objekt zugleich. Insofern ergibt sich hier kein Gegensatz, sondern geradezu eine

Thorbjørn Jagland

Außerdem auf dem Podium:

ist seit Herbst 2009 Generalsekretär des Euro-

Morten Kjaerum, Direktor der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte,

parats und Vorsitzender des Norwegischen No-

Aidan White, Generalsekretär der International Federation of Journalists,

belkomitees. Jagland war von 1996 bis 1997 nor-

Barnaba Marial Benjamin, Minister für Information und Rundfunk, Südsudan,

wegischer Premierminister und von 2000 bis

Obang Metho, Direktor des Anuak Justice Council, Äthiopien,

2001 Außenminister seines Landes.

Gerardo Rodríguez Jiménez, Chefredakteur EL DIARIO, Mexiko, Günter Wallraff, Journalist und Autor, Köln – und viele andere.

© DW/M. Müller

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Welche Rolle kommt international agierenden Sendern wie der DW angesichts der Ereignisse heute zu? Internationale Sender tragen zur Meinungsbildung der Weltöffentlichkeit bei. Sie spiegeln die Ereignisse, geben ihnen globales Gewicht. Neu ist, dass den Sozialen Medien in mehrfacher Hinsicht eine wachsende Rolle zukommt: nicht nur als kommunikativer Motor und Katalysator der Protestbewegungen, sondern zugleich als Quelle für authentische Informationen, die wir für unsere journalistischen Angebote auswerten. Umgekehrt nutzen auch wir Facebook, Twitter und YouTube als Verbreitungswege für unsere Inhalte. Mit den digitalen Plattformen ist zugleich der Wettbewerb auf den Medienmärkten weltweit angewachsen. Allein im Fernsehbereich gibt es heute 26 Sender, die transnationale Programme verbreiten. Die Deutsche Welle steht für den westlichen Wertekanon und deutsche


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„Balance Act“, Myanmar

(Birma): von ­Daniela Elger

­ atürliche Verbindung. Wenn wir über Menn schenrechtsverletzungen berichten, ist einwandfreies journalistisches Handwerk Voraussetzung für Glaubwürdigkeit. Wenn wir in Kommentaren auf die Einhaltung der Grundrechte des einzelnen pochen, ist das die Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Wenn einige Länder uns deswegen im Internet blockieren, den freien Fluss der Informationen unterbinden, liegt darin ein völkerrechtlicher Verstoß, ein Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen. Dagegen können und müssen Journalisten ihre Stimme erheben. Darin liegt das Selbstverständnis der Deutschen Welle als Stimme der Menschenrechte begründet. Und darin werden wir uns nicht beirren lassen.

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Wie anfällig sind Medien selbst, durch Globalisierung und wirtschaftliche Zwänge ihre Unabhängigkeit zu verlieren? Medien sind unter den Bedingungen der Globalisierungen zu einem Wirtschaftsgut geworden. Staatliche und öffentlich-rechtliche Medien

einmal ausgenommen, unterliegen sie den Profitinteressen der Eigner und damit den Konzentrationstendenzen der Märkte. Die Besitzstrukturen sind nicht immer durchschaubar, Abhängigkeiten – auch in die Politik hinein – nicht transparent. Das grenzt die Vielfalt der publizierten Meinungen ein. Die wirtschaftlichen Zwänge strangulieren so langsam die Medienfreiheit. Wenn Medien ihre Unabhängigkeit verlieren, büßen sie ihre Glaubwürdigkeit ein.

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Sind das die zentralen Herausforderungen für die Medien in Zeiten der Globalisierung? Genau das thematisiert das Deutsche Welle Global Media Forum in Bonn. Es ist eine Plattform, um mit Medienvertretern aus rund 100 Ländern zu diesen Fragen Erfahrungen und Meinungen auszutauschen, Erwartungen zu formulieren und Lösungen aufzuzeigen. Die Ereignisse in Nahost und die Teilnahme ­v ieler Journalisten und Experten aus der Region

Ausgewählte Themen auf dem Deutsche Welle Global Media Forum »» Finanzmärkte und Menschenrechte: Steuerflucht und Nahrungsspekulation (Partner: Attac) »» Sicherheitslücken, Wikileaks und Whistleblower: Neue Herausforderungen für die Menschenrechte (Deutsches Institut für Menschenrechte) »» Teach For All and DHL: Eine globale Bewegung für mehr Bildungsgerechtigkeit (DHL) »» Menschenhandel: Eine der schlimmsten Formen internationaler Kriminalität beenden (Deutsche Welle)

»» Nahrung versus Kraftstoff: Das Recht auf Nahrung und die Rolle der Medien (Stiftung Entwicklung und Frieden, SEF) »» „Post-western World“: Eine neue Menschenrechtsstrategie (Europäischer Rat für Auswärtige Beziehungen) »» Unter der Lupe: Wie Medien die wirtschaftliche Ent-

»» Menschenrechte in Nachkriegs-Gesellschaften (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, DGAP) »» Südsudan: Die Pressefreiheit im jüngsten Land Afrikas (Deutsche Welle) »» Arabische Blogger für Freiheit und Menschenrechte (Friedrich-Naumann-Stiftung) »» Frauen und Menschenrechte in Lateinamerika:

wicklung in Ägypten unterstützen können (Deutsche

Dem Unaussprechlichen eine Stimme geben

Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ)

(Deutsche Welle)


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­ achen den besonderen Reiz der diesjährigen m Konferenz aus. Ich nenne nur die tunesische Bloggerin Lina Ben Mhenni, die soeben mit dem Blog-Award The BOBs der Deutschen Welle ausgezeichnet wurde und während des Forums ihren Preis erhalten wird. Der Blick geht auch auf die Medien- und Menschenrechtslage in Lateinamerika, Asien und Afrika. Wissenschaftler von Think Tanks treffen auf Vertreter von Politik und Nichtregierungsorganisationen. Journalisten traditioneller Medien diskutieren mit Internetaktivisten. Diese Breite prägt die Konferenz und gibt ihr die von den Teilnehmern attestierte Tiefe.

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Machen die Neuen Medien die Welt demokratischer? Sicherlich haben sie in der arabischen Welt eine wichtige Rolle für die Mobilisierung der Menschen und die Artikulation ihrer Forderungen gespielt – und somit neue Freiheiten eröffnet. Allerdings machen autoritäre und despotische Regime diese Freiheiten zunehmend zunichte. In manchen Regionen der Welt ist der freie Austausch von Informationen und Meinungen im Internet für Blogger und Nutzer Sozialer Medien lebensgef ährlich. Technische Hilfsmittel erlauben es, auch anonyme Meinungsäußerungen zurückzuverfolgen und gegen Andersdenkende vorzugehen. Das Internet ist nicht mehr nur ein Instrument für Dissidenten und Aktivisten, sondern auch für Diktatoren. Sie setzen es ein, die Bevölkerung auf Linie zu halten und von der Außenwelt abzuschotten. Es wird genutzt, um das Entstehen einer Gegen­ öffentlichkeit schon im Keim zu ersticken. Vieles spricht dafür, dass es einen regelrechten Export des Zensur-Know-hows zwischen den autoritären Regimen gibt. Auf Dauer gibt es aber keine wirksame Firewall gegen den freien Fluss unabhängiger Informationen.

»» Würde: Die Öffentlichkeit für wirtschaftliche, soziale

?

Wie können Journalisten angesichts der Informationsf lut den erforderlichen Qualitätsstandards noch genügen? Gerade weil vor allem über das Internet und die Sozialen Medien immer mehr originäre Informationen aus unterschiedlichsten – nicht immer authentischen – Quellen stammen, sind die Anforderungen an Journalisten enorm gewachsen. Die Masse an Informationen verlangt qualitative journalistische Begleitung. Journalisten sind heute als „Scout“ gefordert. Sorgf ältige Gewichtung von Quellen und präzise Analysen sind wichtiger denn je, um das Wesentliche vom Unwesentlichen, das Gesicherte vom Vagen zu trennen und für Mediennutzer das Essenzielle herauszufiltern. Nur so lassen sich Seriosität und hohe Qualität und damit Glaubwürdigkeit gewährleisten. Das gilt umso mehr, wenn es sich um wichtige Zukunftsthemen der Menschheit handelt. ——

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Umgang mit Verletzungen von Frauenrechten (Care) »» Die politische Macht Sozialer Netze (Deutsche Welle)

­International)

»» Digitale Angriffe auf Menschenrechtsorganisationen

ration mit den Medien (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) »» Nachrichten aus dem Exil: Medienarbeit in der Diaspora (Reporter ohne Grenzen) »» Prävention oder Opferausbeutung? Medien im

„Female Education“, Indien:

von Subhash Purohit

und kulturelle Rechte interessieren (Amnesty »» Entwicklungspolitik und Menschenrechte: Koope-

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(Deutsche Welle) »» Internationale ökonomische Kooperation, Menschenrechte und die Medien – Wirtschaftsjournalismus als

»» Unterwegs in eine neue Zeit – Die künftige Rolle der Medien in den arabischen Gesellschaften (Deutsche Welle) »» Null Toleranz für Zensur: Internet, Blogs und das Recht auf freie Meinungsäußerung (Internationale Gesellschaft für Menschenrechte)

Frühwarnsystem (Deutsche Welle) »» Journalismus und der Drogenkrieg in Lateinamerika (Goethe-Institut)

Das vollständige Konferenzprogramm finden Sie unter www.dw-gmf.de


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Menschenrechte hautnah Begleitend zum Deutsche Welle Global Media Forum hat die DW das Multimedia-Projekt „Menschenrechte 2011“ gestartet. Im Fokus: die existenziellen Grundbedürfnisse – das Recht auf faire Arbeitsbedingungen, das Recht auf Nahrung und das Recht auf Wohnen. Reportagen im Lichte globaler Veränderungen.

Wir wollten „nur“ diese meist weniger bekannten wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte betrachten. Berührung oder gar Konfrontationen mit den Mächtigen war nicht geplant. Als die ersten Reporter sich auf den Weg machen, wird schnell deutlich: Allein die Beschreibung brisanter Arbeitsbedingungen wird Teil der Dynamik globaler Veränderungen. Eine Protagonistin aus Dresden, wo DW-Reporter Matthias Bölinger recherchierte, befürchtet Konsequenzen, sie will nicht wiedererkannt werden. Ein Interview – mitten in Deutschland – gibt es nur unter der Bedingung, dass die Stimme nicht erkannt wird. Sie fürchtet, ihren Arbeitsplatz in einem Callcenter zu verlieren. Wir lassen uns überzeugen und stimmen zu.

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Beobachter leben gefährlich Auch die Recherchen von Priya Esselborn über die Arbeitsbedingungen in einer indischen Schrottwerft hatten es in sich. Kontaktmänner arbeiten hier unerkannt für Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften. Auf exklusive Fotos müssen wir verzichten. Es wäre zu gef ährlich für die Gesprächspartner. Sie könnten Schwierigkeiten bekommen, ihren Job verlieren und sogar verhaftet werden. Die Reporterin ist professionell und vorsichtig. Alles geht am Ende glatt. Vorsichtig und nicht weniger professionell war auch Artjem Khan, der sich mit Arbeitsbedingungen in Russland beschäftigt. Dennoch wird er in der Nähe einer Kohlegrube festgenommen. Kommt nach ein paar Stunden wieder raus aus der Sache, meldet sich. Gott sei Dank. Wir ändern die Geschichte – müssen auf die „Untertageperspektive“ in einem sibirischen Bergwerk verzichten.

Bodyguards am Interviewtreffpunkt

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„Young Boy at Work“,

© S. Mersch

­Myanmar (Birma): von Daniela Elger

Dramatisch wird es in Kolumbien. Von der geplanten Recherche auf dem Land müssen wir Abstand nehmen. Im Januar und Februar werden vier Studenten ermordet, die das Schicksal von Landvertriebenen in der Region dokumentieren wollten, in die unser Reporter José Ospina-Valencia ursprünglich reisen wollte.

Partner des Deutsche Welle Global Media Forum Zu den Partnern des interdisziplinären Kongresses zäh-

Relations, die European Union Agency for Fundamen-

Sechs Partner des diesjährigen ­Deutsche Welle Global

len in diesem Jahr Amnesty International, die OSZE,

tal Rights, das Deutsche Institut für Entwicklungspo-

Media Forum wurden von der University of Pennsylvania

der Europarat, die Friedrich-Naumann-­Stiftung und die

litik (DIE), CARE Deutschland-Luxemburg, die Stiftung

in die aktuelle Liste der 50 weltweit führenden „Denk-

­Konrad-Adenauer-Stiftung, Attac, das Deutsche Insti-

Entwicklung und Frieden (SEF), das Bonn Internatio-

fabriken“ (Think Tanks) aufgenommen.

tut für Menschenrechte, Reporter ohne Grenzen, die

nal Centre for Conversion (BICC), das Goethe-Institut,

Deutsche Gesellschaft für ­Internationale Zusammen­

der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und ­weitere

arbeit (GIZ), UN Water, der ­European Council on Foreign

­O rganisationen.


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Unter schwierigen Umständen kommt schließlich ein Treffen mit einem Menschenrechtsaktivisten zustande, der sich einem staatlichen Zeugenschutzprogramm anvertraut hat. In Begleitung von Bodyguards findet das Interview in einem Café in Medellín statt. Mehrmals muss der Tisch gewechselt werden. Alles geht gut. Für einen Freund und Mitstreiter unseres Protagonisten geht der Tag dann allerdings tragisch aus. Der 70-jährige Menschenrechtsaktivist David Jesus Góes wird am gleichen Nachmittag, in einem Café in der Nähe, von einem Auftragskiller ermordet. Góes hatte sich vor dem Obersten Gericht Kolumbiens für die Rechte von 120 Familien eingesetzt, die aus Urabá von Drogenbanden vertrieben worden waren. Unser Reporter erf ährt es in den Hauptnachrichten, kurz bevor er das Land wieder verlässt.

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Themenwoche auf DW-TV Zum Multimedia-Projekt „Menschenrechte 2011“ gehört darüber hinaus die Themenwoche auf DW-TV vom 13. bis 20. Juni: „Kick off!“ beispielsweise berichtet anlässlich der Frauen-Fußball-WM über muslimische Fußballerinnen, das Magazin „Kultur.21“ stellt inhaftierte türkische Autoren vor, „Europa aktuell“ porträtiert den

Digitale Medien brauchen Strom

russischen Menschenrechtsbeauf-

Dagegen mutet das Schicksal der Kollegen Dirke Köpp und Babou Diallo im Senegal harmlos an: Tagelang gibt es keinen Strom, das Handy funktioniert nur punktuell, die Informations­übermittlung ist schwierig. Als die Vor-Ort-Recherche dennoch komplett ist und die Töne aufgenommen, gibt es einen neuen Stromausfall. Der Laptop bleibt dunkel – Text und Töne können nicht überspielt werden. Zwei Wochen warten wir geduldig, bis es doch noch klappt. Am Ende haben alle Beteiligten Erfahrungen gemacht. Wenigstens eine davon teilen sie: Auch bei wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten bleibt der Berichterstatter nicht der abgeklärte Beobachter. Gewollt oder nicht, er oder sie wird Teil des Geschehens, über das es zu berichten gilt. ——

tragten Konstantin Dolgow. Dazu

www.dw-world.de/menschenrechte2011

rechte 2011“ steht auf Deutsch,

kommen Gespräche mit Experten, darunter Angelika Nußberger, Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, und Tom Koenigs, Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Deutschen Bundestag. Reportagen, Berichte und Dokumentationen – über die Situation in den arabischen Ländern, über internationale Arbeits- und Sozialnormen, die Situation von Flüchtlingen und Kinderhandel. Das Multimedia-Projekt „MenschenEnglisch, Arabisch und Spanisch

© DW-Archiv

von Ulrike Mast-Kirschning Redakteurin und Projektleiterin

sowie auf Russisch bereit. Weitere Sprach-Redaktionen übernehmen

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Teile des Angebots. „Little Slum Princess“,

Pyay, Myanmar (Birma): von ­Daniela Elger

Unterstützer

Preisverleihung „The BOBs“

weltzeit-Blog

Mitveranstalter der internationalen Konferenz ist die Stif-

Im Rahmen des Deutsche Welle Global Media Forum

Nachwuchsjournalisten der DW begleiten die Konferenz

tung Internationale Begegnung der Sparkasse in Bonn. Un-

zeichnet die DW am 20. Juni um 17.30 Uhr die Gewinner

multimedial im weltzeit-Blog – mit Berichten, Analysen

terstützt wird das Forum vom Auswärtigen Amt, dem Euro-

ihres internationalen Weblog-Awards „The BOBs“ aus.

und Interviews, in Texten, Bildern, Audios und Videos.

päischen Fonds für regionale Entwicklung, der Ministerin

Bei der siebten Auflage dieses Wettbewerbs wurden

Sie berichten aus den rund 50 Veranstaltungen und las-

für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Lan-

Preise in sechs Kategorien und elf Sprachen vergeben.

sen Experten zu Wort kommen. Außerdem am DW-Stand:

des NRW, der Stadt Bonn, DHL und dem Bundesministeri-

www.thebobs.com

„5 Minutes for Debate“ – pointiert moderiert von Patrick

um für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Leusch, DW-AKADEMIE. blogs.dw-world.de/weltzeit


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„Rechtsstaatlichkeit ist der Kern von Menschenrechtsschutz“ Die Demokratiebewegungen in Tunesien und Ägypten sind für Markus Löning ein Labor für den Menschenrechtsschutz. Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe setzt dabei auf die Kraft freier und unabhängiger Medien, um vor allem dem Rechtsstaat zum Durchbruch zu verhelfen. von Richard Fuchs Freier Mitarbeiter © DW/M. Müller

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Herr Löning, was empf inden Sie bei den täglichen Meldungen aus der ­a rabischen Welt? Hoffnung, aber auch Wut. Hoffnung deshalb, weil ich in Tunesien mit Bloggern gesprochen habe, die davon erzählt haben, wie sie die Dinge angestoßen haben, und die jetzt sagen: Wir lassen uns die Würde, die Demokratie, die wir uns erkämpft haben, von niemandem mehr nehmen. Umso mehr macht es mich wütend, wenn ich sehe, wie Syriens Präsident Assad auf die eigenen Leute schießen lässt, wie in Bahrain berechtigte Proteste niedergeknüppelt und niedergeschossen werden, wie in anderen arabischen Ländern die Opposition hart unterdrückt wird. Da kann ich nur an die Führer dort appellieren: Respektiert endlich euer eigenes Volk, respektiert endlich die Würde eurer Bürger.

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Hat da die Menschenrechtspolitik der europäischen Staaten in den vergangenen Jahren zu kurz gegriffen? Ich frage mich, warum wir die Schuld bei uns suchen. Sie liegt zunächst bei den Diktatoren dort. Die Leute, die dort die eigene Bevölkerung unterdrücken, sind diejenigen, die wir angehen müssen. Wir haben hier im Westen eine Menge gemacht. Ich erinnere an den Barcelona-Prozess, an die Union für das Mittelmeer, wo wir jede Menge Demokratisierungs- und Rechtsstaatsprojekte aufgelegt haben. Ich glaube, dass sich der Westen immer mehr gewünscht hat, aber dass wir gescheitert sind an den Zuständen, an den Diktatoren, die in diesen Ländern geherrscht haben und teilweise noch herrschen.

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Bei den jüngsten Revolutionen in der Region haben Soziale Netze viel zur Mobilisierung der Menschen beigetragen. Welche Rolle kommt neuen wie traditionellen Medien jetzt bei der Durchsetzung der Menschenrechte im Transformationsprozess zu? Meinungsfreiheit allgemein und speziell die Pressefreiheit sind zentrale Elemente, vielleicht der Reformmotor überhaupt in einer solchen Reformbewegung. Wir haben das in Ägypten gesehen, ebenso in Tunesien. Als die Medien dort frei waren, wurde plötzlich über das berichtet, was tatsächlich passiert ist – und nicht Propaganda verbreitet. Auch bei der Begleitung des weiteren Umstrukturierungsprozesses ist es wichtig, dass die Menschen wissen, was passiert, dass öffentliche Debatten stattfinden. Der Wettbewerb der Ideen und der politischen Meinungen muss sich in den Medien spiegeln.

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„Monks“, Amarapura,

­Myanmar (Birma): von Daniela Elger

Sie werden auf dem Deutsche Welle Global Media Forum zum Verhältnis von Wirtschaftsinteressen und Menschenrechten Stellung nehmen. Besteht hier ein unauf lösbares Spannungsverhältnis? Es wird immer gern behauptet, es gäbe da eine „natürliche Unverträglichkeit“. Ich sehe das


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© DW/ R. Fuchs

Die Perspektive der Menschenrechte ­einnehmen!

Markus Löning ist seit 1. April 2010 Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Zuvor war der FDP-Politiker zwei Legislaturperioden Abgeordneter im

„Menschenrechte sind keine Naturgesetze. Sie sind von Menschen formuliert, sie werden von Menschen verletzt, sie müssen von Menschen durchgesetzt werden“, so der Präsident des Deutschen Bundestags, Norbert Lammert, anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Diese Erkenntnis macht, ob sie es wollen oder nicht, auch Medienschaffende zu Akteuren im alltäglichen Geschehen. Wenn die Würde des Menschen angetastet wird, wenn Menschen gefoltert und verhaftet werden, wenn sie verschwinden oder diskriminiert werden, haben Journalisten genau zwei Möglichkeiten – wegschauen oder berichten.

Deutschen Bundestag. Auf dem Deutsche Welle Global Media Forum wird er bei der Veranstaltung „Global enterprises and human rights“ auf dem Podium mitdiskutieren.

nicht. Ich glaube ganz im Gegenteil, dass es viele Überschneidungen zwischen Handels- und Wirtschaftsinteressen und Menschenrechtspolitik gibt. Diese Überschneidungen gilt es zu nutzen. Ein Beispiel ist das Thema Rechtsstaatlichkeit. Für jeden Investor, der irgendwohin geht, um eine Fabrik zu bauen und etwas zu produzieren, ist es extrem wichtig zu wissen: Ich kaufe dieses Grundstück und ich kann mich auf den Kaufvertrag verlassen. Ich kann mit meinem Kaufvertrag zu einem Gericht gehen und alles wird anerkannt. Der Richter muss nicht mein Freund oder mein Cousin sein und er muss auch nicht von mir bestochen werden. Rechtsstaatlichkeit ist für Wirtschaftsunternehmen essenziell, damit sie ihre Geschäfte richtig führen können. Rechtsstaatlichkeit ist gleichzeitig der Kern von Menschenrechtsschutz. Ein funktionierendes Gerichtswesen, ein funktionierendes Rechtssystem schützt die Bürgerinnen und Bürger. Deswegen glaube ich, dass es eine große Übereinstimmung gibt zwischen dem, was Betriebe wollen, und dem, was in der Menschenrechtspolitik wichtig ist. Wir sollten also mehr über Synergien denn über Gegensätze reden. ——

Nicht nur die jährlich von Amnesty International dokumentierte Bilanz der Menschenrechtsverletzungen ist dabei eine Herausforderung: In 98 Staaten gab es Fälle von Folter, in 48 Ländern sitzen Menschen allein wegen ihrer Überzeugung im Gefängnis, so die jüngsten Zahlen. Fast zwei Dritteln der Menschheit wird der Zugang zu fairen Gerichtsverfahren verwehrt, weil der Justizapparat – wenn es einen gibt – in vielen Staaten von Korruption und Diskriminierung geprägt wird. Auch die Grundrechtsverletzung in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, im Sportverein kann ein Thema sein. Nur so bleiben die Werte und Regeln der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte lebendiger Teil der Weltgesellschaft, die für Millionen von Menschen nach wie vor nur eine Option und bislang ein leeres Versprechen sind. Viele Akteure arbeiten tagtäglich daran, dieses Versprechen irgendwann besser erfüllen zu können – in der Politik, in der Gesellschaft, in der Wissenschaft und im UN-Menschenrechtsrat. Fast ebenso viele arbeiten dagegen, selbst im Menschenrechtsrat. Umso wichtiger ist es, dass die für Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen auch benannt werden. Nicht nur die Täter, auch die Vertuscher, die Anstifter und Profiteure, die Mitläufer und Verweigerer. In 89 Staaten hat Amnesty International Fälle dokumentiert, in denen das Recht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt wurde – das muss im Zeitalter von Web 2.0, wie die Beispiele aus China, Iran, Syrien und Nordafrika zeigen, kein Hinderungsgrund für Informationen und offene Worte mehr sein. Auch wenn es um Vorbilder geht, um gute Beispiele und Konzepte zur Prävention vor Menschenrechtsverletzungen, sind Journalistinnen und Journalisten gefragt. In allen Fällen können und sollten Medienschaffende die Perspektive der Menschenrechte einnehmen. Denn die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte bietet nicht nur Orientierung in einer komplizierter werdenden Welt, sie ist auch das Hoffnungsvollste, was die Menschheit je hervorgebracht hat.

Das ausführliche Interview zum Anhören finden Sie im weltzeit-Blog: blogs.dw-world.de/weltzeit

Ulrike Mast-Kirschning


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Lina Ben Mhenni: „Wir müs-

sen sehr vorsichtig und aufmerksam sein, welchen Informationen und Quellen wir vertrauen“

© DW-Archiv

Fragen von Sarah Mersch Freie Mitarbeiterin

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Werden Medien und Journalisten angesichts der neuen Freiheit jetzt ihrer Aufgabe gerecht? Auch wenn die Medien jetzt frei sind, habe ich den Eindruck, dass sich nichts Wesentliches verändert hat. Journalisten arbeiten immer noch auf die gleiche Art und Weise. Dieselben, die schon unter Ben Ali als Journalisten gearbeitet und Propaganda verbreitet haben, arbei01 so weiter wie zuvor, nur dass sie von ihren ten Vorgesetzten andere Anweisungen bekommen.

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Sind international präsente Medien eine Alternative? Ja, natürlich. Ich versuche, verschiedene internationale Sender zu schauen. Kurz nach dem Beginn der Revolution im Januar habe ich es auch mit tunesischen Sendern versucht, ich war sogar Gast in einigen Sendungen. Aber das interessiert mich wirklich nicht, denn es hat sich nichts geändert. Ich bevorzuge die Nachrichten der internationalen Sender über Tunesien, sie sind wesentlich glaubwürdiger, transparenter und neutraler.

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War die tunesische Revolution Ihrer Meinung nach eine „Facebook-­ Revolution“? Das Internet hat eine Rolle gespielt. Es hat die Entwicklung beschleunigt und es hat für

Tunis – Internetaktivisten haben maßgeblich am bisherigen Wandel in der arabischen Welt mitgewirkt, so auch an der Jasmin-Revolution in Tunesien. Wie hat sich seither die Situation der ­Medien im Land entwickelt? Sarah Mersch sprach mit der Bloggerin und BOBsGewinnerin Lina Ben Mhenni. die mediale Abdeckung des Themas gesorgt, als die traditionellen Medien sich nicht darum gekümmert haben. Es war zudem wichtig, um die Menschen zu mobilisieren. Aber es ist überzogen, von einer Internet-Revolution zu sprechen. Wenn es nur das Netz gegeben hätte, wären wir nie ans Ziel gelangt. Wir haben inzwischen das Problem, dass alle begriffen haben, welche Macht Soziale Netze und das 01 Internet haben können. Das wird ausgenutzt. Wir müssen sehr vorsichtig und aufmerksam sein, welchen Informationen und Quellen wir vertrauen.

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Wie werden Sie persönlich weiter­ arbeiten? Ich mache so weiter wie bisher. Wenn ich in Tunesien irgendwohin fahren und berichten muss, weil dort etwas schief läuft, dann werde ich das tun, ohne zu zögern. Wenn ich eine politische Partei und ihre Positionen kritisieren will, werde ich das offen tun. Wir sind wachsam und werden versuchen, die Früchte der Revolution zu schützen. ——

Das ausführliche Interview im weltzeit-Blog:

© picture-alliance/dpa © S. Mersch

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© DW/S. Mersch

„Die Früchte der Revolution schützen“

blogs.dw-world.de/weltzeit Lina Ben Mhennis Blog: atunisiangirl.blogspot.com


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The BOBs: ­ Gewinner beim DW-GMF in Bonn

Bei der siebten Auflage des internationalen Wettbewerbs wurden Preise in sechs Fachkategorien und elf Sprachen vergeben. Geehrt werden die Preisträger am 20. Juni in Bonn im Rahmen des Deutsche Welle Global Media Forum. Die 27-jährige Universitätsdozentin Lina Ben Mhenni erhielt die Auszeichnung für ihren Blog „A Tunisian Girl“ (atunisiangirl.blogspot. com). Wael Ghonim wurde für seine FacebookSeite „We are Khaled Said“ (facebook.com/ ElShaheeed) ausgezeichnet. „Die Seite hat dazu beigetragen, dass die Menschen in Ägypten entschieden für nachhaltige politische Veränderungen in ihrem Land eintreten“, begründet die Jury ihr Votum. „Wael Ghonim steht für die Jugend, die die Mehrheit der ägyptischen Gesellschaft ausmacht“, schreibt der ägyptische Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei in dem Time-Porträt. Ghonim habe verstanden, dass Soziale Netze wie Facebook das „mächtigste Werkzeug für die Entwicklung von Ideen und die Mobilisierung von Menschen“ geworden seien. Internetnutzer aus der ganzen Welt hatten in diesem Jahr für „The BOBs“ rund 2.100 Vorschläge eingereicht. Die Jury hatte in einer Vorauswahl 187 Kandidaten nominiert. Parallel zur Jury-Entscheidung haben Internetnutzer mehr als 90.000 Stimmen für ihre Favoriten abgegeben. „Die Reaktionen zeigen, wie intensiv sich Blogger gerade in Ländern mit eingeschränkter Medien- und Meinungsfreiheit mit dem Thema Menschenrechte befassen“, so DW-Programm­

© DW-Archiv

© J. Abdul Karim

Bonn/Berlin – Die Tunesierin Lina Ben Mhenni wurde mit dem Blog-Award „The BOBs“ der Deutschen Welle ausgezeichnet. In der Kategorie „Best Social A ­ ctivism Campaign“ wurde der Ägypter Wael ­Ghonim geehrt. Das Time Magazin setzte ihn auf der neuen Liste der 100 einflussreichsten Menschen auf Platz eins.

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direktor Christian Gramsch. „Trotz eines mitunter hohen persönlichen Risikos nehmen sie unerschrocken ihr Grundrecht wahr, anderen ihre Perspektive mitzuteilen.“ Die DW greife in ihrer vielsprachigen Berichterstattung diese ­Debatten in der internationalen Blogosphäre auf und trage sie in die Zielregionen zurück. —— Alle Preisträger finden Sie unter: www.thebobs.com

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„Sisyphean Labour“,

­Myanmar (Birma): von Daniela Elger


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Klick! Die 30 besten Fotos

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Bonn – Internetnutzer haben entschieden: Die 30 besten Fotos für den Wettbewerb Klick! – Your View of Human Rights and Globalization wurden ausgewählt. Sie werden auf dem Deutsche Welle Global Media Forum vom 20. bis 22. Juni in Bonn gezeigt. Die Teilnehmer prämieren die drei besten Bilder.

Den Fotowettbewerb hat die DW gemeinsam mit Amnesty International im Vorfeld der Konferenz gestartet. In der Voting-Phase konnten Internetnutzer auf Facebook und per E-Mail bis 20. Mai über ihre Favoriten abstimmen. 1.656 Stimmen sind eingegangen. Nun werden die rund 1.500 Teilnehmer der internationalen Konferenz in Bonn die Sieger von Klick! bestimmen. Ausgelobt werden unter anderem einige der neuesten mobilen Endgeräte. In den vergangenen Wochen waren Interessierte in aller Welt eingeladen, Motive zum Thema Menschenrechte und Globalisierung einzusenden. Die Fotos sind auch auf einer interaktiven Weltkarte zu sehen. ——

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www.dw-world.de/klick 01

Die Bilder unserer Titelgeschichte gehören zur Auswahl der 30 besten Einsendungen zum ­Fotowettbewerb KLICK!. Das Land, in dem das jeweilige Bild entstanden ist, und die Fotografin beziehungsweise der ­Fotograf sind in der Bildzeile vermerkt.

Alle 30 Fotos der KLICK!-Auswahl finden Sie auf dem Poster, das einem Teil dieser „weltzeit“Ausgabe beiliegt. In Zusammenarbeit mit Amnesty International dokumentiert die Deutsche Welle darin die Allgemei-

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ne Erklärung der Menschenrechte im Wortlaut. Sollten Sie in „Multi Kulti“, Österreich:

Ihrem Heft kein Poster vorfinden, so senden wir Ihnen dies

von Josef Hinterleitner (o.);

auf Anfrage gern kostenlos zu – solange der Vorrat reicht.

„Cambodian School Drop Out“,

Mail an: weltzeit@dw-world.de

­Kambodscha: von Claudia Buentjen


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Der „Wind of change“ weht durch N afrika und den Nahen Osten. Jetzt or nisieren sich die zivilgesellschaftliche Kräfte in Tunesien, Ägypten und in ren Ländern der Region neu. Sie sind lerdings organisatorisch und instituti für ihre bevorstehenden Aufgaben un Rollen noch wenig vorbereitet.


spot

© DW/M. Altmann

Neue Akzente: Bundestagsvotum für DW-Reformen Berlin – Mit großer Mehrheit hat der Bundestag Anfang April der DW-Aufgabenplanung für die Jahre bis 2013 zugestimmt. Nach der Bundesregierung unterstützt auch das Parlament die neue Strategie und die damit verbundene umfassende Reform der DW. In der Entschließung begrüßten die Abgeordneten, dass der Auslandsrundfunk seine Präsenz auf Kernregionen und Kernaufgaben konzentrieren will. Das Parlament unterstützt zudem die Zusammenlegung der redaktionellen Kompetenzen von Fernsehen, Radio und Online. Die Stellungnahme, so DW-Intendant Erik Bettermann, stärke die DW. Im Bild: das arabische Journal mit Dima Tarhini (r.) und Mohamed Ibrahim. w ­ ww.dw-world.de/unternehmen

© DW/M. Müller

Neue Volontäre: Zehn Kandidaten aus neun Ländern Bonn – Zehn Nachwuchsjournalisten aus neun Ländern – darunter Burkina Faso, ­M arokko und die Ukraine – haben Anfang Mai ihr Volontariat bei der DW begonnen. Der Leiter der Journalistischen Ausbildung, Bernhard von der Schulenburg, musste bei der Begrüßung allerdings auf einen Volontär verzichten – der Australier Andre Leslie weilte noch in Botswana als Mitglied der deutschen CricketNationalmannschaft. Mehrhoosh Etezari aus Afghanistan möchte ihre „Chance aufs beste nutzen“. Chiponda Chimbelu aus Sambia möchte unterschiedliches, „Kulturverständnis vermitteln“. Und Rachel Baig aus der Urdu-Redaktion fasziniert die DW „als Ort der Begegnung“. www.dw-akademie.de

Neue Erkenntnisse: Menschenrechte und Entwicklung Bonn – Vor einem Jahr forderte Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel die „zentrale Rolle der Menschenrechte als Leitprinzip deutscher Entwicklungspolitik“ zu stärken. Theorie oder Praxis? Darüber diskutieren Experten auf Einladung der DW und der Kf W Entwicklungsbank am Dienstag, 14. Juni, im Bonner Funkhaus. Auf dem Podium: Harald Klein (BMZ), Christoph Strässer (Menschenrechtspolitischer Sprecher SPD-Bundestagsfraktion), Katharina Spieß (Amnesty International) und Denyse Kanzayire ( Journalistin, Ruanda). KLICK!-Foto: „Child Education“, Carrefour, Haiti: von Jessica Hurtak www.dw-world.de/veranstaltungen

© DW/K. Reinhardt

Neue Töne: „Girls Only Radio“ in Kairo Bonn – Amani Eltunsi, Direktorin von „Girls Only Radio“ in Kairo, war am 19. Mai auf Einladung des Amerikahauses NRW zu Gast im Funkhaus Bonn. In einem Hintergrundgespräch gab sie Einblick in ihre Arbeit und in die Situation der Frauen in Ägypten. Täglich vier Stunden Programm sendet das 30-köpfige Team von „Girls Only Radio“ über das Internet. Amani Eltunsi will vorherrschende Stereotype über Mädchen und Frauen in arabischen Ländern durchbrechen. Die Radiomacherin ist Preisträgerin des „Young Leaders Awards 2010“ der BMW-Stiftung. Hören Sie ein Interview mit ihr im weltzeit-Blog. blogs.dw-world.de/weltzeit

Neuer Erfolg: Grand Prix für Beethoven-Projekt

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Hamburg – DW-Regisseur Christian Berger war mit seinem Film „Das Beethoven-Projekt“ der große Gewinner beim WorldMediaFestival Mitte Mai in Hamburg. Die Jury hatte sein Werk, das bereits mehrfach im In- und Ausland ausgezeichnet wurde, zur besten Produktion des Jahres 2010 gewählt und mit dem „Grand Prix“ bedacht. Berger hatte für die Dokumentation von DW-TV mit einem Kamerateam die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen unter der Leitung von Paavo Järvi begleitet, die alle neun Beethoven-Sinfonien erarbeitet und aufgeführt hat. Die DVD-Box ist im Handel erhältlich. www.dw-world.de/beethoven


partner

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Rush Hour: die Morgensen-

dung von jungen Radio­machern für ein junges Publikum

Weckruf in Vietnams Radiowelt Quang Ninh – Mit einem Training für Radiojournalisten und dem Auf bau eines neuen Morgenmagazins unterstützt die DW-AKADEMIE den vietnamesischen Sender QTV. „Die Leute haben von unterwegs angerufen und sich an den Hörerbefragungen beteiligt“, so Karg. Und auch das anschließende Feedback fiel positiv aus: Trainingsteilnehmerin Tran Thuy Lien betonte, sie arbeite zwar schon länger bei dem Sender, habe aber das Programm bisher kaum selbst gehört. „Es war zu langweilig. Ich habe immer sofort wieder abgeschaltet. Aber heute hätte ich es sogar gern gehabt, wenn die Sendung nicht eine, sondern zwei oder drei Stunden gedauert hätte.“ Dieses Ziel verfolgt das DW-Team mit den Partnern in der kommenden Trainingseinheit. Ab Ende Juni arbeiten sie an einer zeitlichen Ausweitung der „Rush Hour“. Unterstützt wird die DW-AKADEMIE vor Ort auch dann wieder von der Friedrich-Ebert-Stiftung Hanoi und der vietnamesischen Akademie für Journalismus und Kommunikation (AJK). Das Institut hatte im Vorfeld die Radionutzung in der Provinz Quang Ninh erforscht und wird in den kommenden Wochen die Akzeptanz der neuen Morgensendung wissenschaftlich testen. „Davon hängt dann ab, wie es weitergeht“, so Karg. —— www.dw-akademie.de

von Gunnar Rechenburg Freier Mitarbeiter © DW/A. Schottka

Hochoffiziell, wortreich, distanziert. So klang bislang Radio in Vietnam – belehrend statt unterhaltend, langweilig statt witzig und vor allem: eher propagandistisch als informativ. Der regionale Radiosender QTV geht seit einigen Wochen andere Wege. Im April hatte dort die Morgensendung „Rush Hour“ Premiere, seitdem werden die Hörer in der Provinz Quang Ninh auf bislang unübliche Weise geweckt. „Rush Hour“ bietet Musik, Informationen, Unterhaltung, Service und integriert die Hörer ins Programm: Die Bewohner der nordvietnamesischen Provinz kommen in Passantenbefragungen zu aktuellen Themen zu Wort, sie rufen als Staumelder an und können sich live an Höreraktionen und ­Gewinnspielen beteiligen. „Die Idee, ein interaktives Format einzuführen, kam vom Sender selbst“, so Projektmanager Thorsten Karg. „Denn die Verantwortlichen haben gemerkt, dass sie eigentlich keine Hörer mehr haben.“ Das erste Modul des Radiotrainings vor Ort dauerte zwei Wochen. In denen hat das Team der DW-AKADEMIE – neben Thorsten Karg waren auch Aarni Kuoppamäki und Marc Seidel vor Ort – gemeinsam mit den vietnamesischen Journalisten von QTV die Idee für „Rush Hour“ entwickelt. „Maßgeblich unterstützt wurden wir dabei vom Management des Senders“, stellt Thorsten Karg heraus. Dass das Konzept aufgeht, konnten die Beteiligten bereits während der Sendung merken:


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rückblende

Apotheose feindlicher Konzepte Warschau – Am 17. Juni 1991 wurde der Deutsch-Polnische Freundschaftsvertrag unterzeichnet. 20 Jahre später haben polnische Historiker der Deutschen Welle einen Bericht des damaligen polnischen Geheimdienstes aus dem Jahr 1974 zur Verfügung gestellt. Ein wahrhaft historischer Fund – der Polnisch-Redaktion der DW zur Ehre.

© DW/P. Henriksen

Von Bartosz Dudek Leiter der Polnisch-Redaktion

„Propaganda-Wirkung von Radio Deutsche Welle auf Polen“. So lautet der Titel des Beitrags im „Biuletyn Nr. 7-8/19-20“ des Innenministeriums der Volksrepublik Polen vom Juli/August 1974. Auf 27 Seiten analysiert der damalige Nachrichtendienst des kommunistischen Staates die Tätigkeit der Deutschen Welle. „Unter den Sendern der imperialistischen Radio-Propaganda, die auf Polen wirken, gehört die Deutsche Welle zu den aggressivsten. (…) Deswegen halten wir es für angebracht, sich mit der Propaganda der Deutschen Welle in polnischer Sprache auseinanderzusetzen, um Stellung und Rolle dieses Senders unter den O ­ rganen der antikommunistischen Propaganda zu bestimmen“, heißt es gewohnt hölzern in der Einführung. Auf den nächsten Seiten folgt eine detaillierte Beschreibung der Entstehungsgeschichte, der Struktur, des Etats und der damaligen personellen Besetzung der DW: vom Intendanten über Chefredakteure bis zu Hauptabteilungsleitern. 01 Alles nur Schein

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Begutachten das Modell:

Lothar Köhn, Gebäudetechnik (l.), und Casinoleiter Herrmann Müller

Etwa die Hälfte des Berichts befasst sich mit dem damaligen Polnischen Programm. Penibel zusammengetragen werden hier die Daten: die erste Sendung am 1. August 1962, die einzelnen Sendungen – auch eine Tabelle, die die Gewichtung der „positiven und negativen Kommentare“ zum Thema Polen statistisch abbildet. Die Fakten werden akribisch erläutert und kommentiert. So stellt der Geheimdienst zum Beispiel fest, die Presseschau solle „den Schein erwecken, der Sender würde ein breites Spektrum von Meinungen präsentieren, und vortäuschen, der Sender sei zuverlässig und objektiv“. Gleichzeitig behaupte die DW, „es gäbe eine Informationslücke, die durch angebliche Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Polen und in anderen Staaten der ­sozialistischen Gemeinschaft entstanden wäre“. Für den Geheimdienst ist die Sache klar: Die DW missbraucht das Recht auf Informationsfreiheit, um „zahlreiche antikommunistische und antisowjetische Sendungen“ zu produzieren, die „im wesentlichen eine Einmischung in inneren

Angelegenheiten der sozialistischen Länder, darunter Polen, darstellen“. Die „PropagandaTaktik“ der DW beruhe darauf, Begriffe wie „Liberalisierung, Demokratisierung, Wohlstand, Opposition, Christentum, Lebensqualität“ positiv zu besetzen, während „Kommunismus, Totalitarismus, Ausgrenzung, Zentralisierung, Normalisierung“ negativ besetzt würden. Schlimmer noch: Die DW versuche, den Hörern einzureden, dass „die Arbeiter in kapitalistischen Ländern über sehr günstige Lebensbedingungen verfügen, angeblich als Ergebnis der sozialen und wirtschaftlichen Politik dieser Staaten“.

„Diskreditierung des Sozialismus“ Das Polnische Programm versuche dabei, den Sozialismus zu diskreditieren, indem verbreitet werde, dass man unter anderem „­Demokratisierung und Liberalisierung brauche“ oder dass „nur durch die Einführung der Marktwirtschaft die sozialistischen Länder imstande wären, den wirtschaftlichen Bedarf der Bürger zu decken“. 01 Antikommunismus der DW manifestiere Der sich auch im Lob der christlichen Soziallehre, der Propagierung des sozialdemokratischen Konzepts der Lebensqualität und der „Apotheose der feindlichen politisch-sozialen und wirtschaft­lichen Konzepte des Bürgertums“. Auch die propagierten europäischen Ideen wie die Niederlassungsfreiheit für Unternehmen diene der DW nur dazu, sich „die volle Freiheit zu subversiven Operationen auf polnischem Gebiet“ zu sichern. Dem gleichen Zweck diene der Vorschlag eines DW-Kommentators, ein Deutsch-Polnisches Jugendwerk nach dem Vorbild des Deutsch-Französischen Jugendwerks zu errichten. Und – so das Fazit des Dokuments: Die DW-Propaganda versuche, ein positives Bild von Deutschland und den Deutschen zu vermitteln. Fürwahr – welche Subversion! Wir danken im Nachhinein für das große Lob! ——


rückblende

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007 auf Polnisch Warschau – Ein Gespräch mit dem polnischen Historiker Prof. Dr. Pawel ­Machcewicz. Der 44-Jährige ist Autor eines Buches über den Kampf der Ideologien in den Medien zu Zeiten des Kalten Kriegs.

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Inwiefern waren die Deutsche Welle und andere westliche Sender für die polnischen Geheimdienste von Interesse? Der kommunistische Machtapparat interessierte sich sehr für die ausländischen Rundfunksender. Seit Anfang der 1950er-Jahre schrieb man Berichte, in denen die Programmprofile verschiedener Auslandssender und ihr Einfluss auf die Hörer analysiert wurden.

© DW/M. Müller

Fragen von Monika Skarzynska Polnisch-Redaktion

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Wo entstanden diese Berichte? An verschiedenen Stellen: beispielsweise beim sogenannten „Zentrum Ost-West“, einer Art Experten-Arbeitsgruppe, die vom Innenminis­ terium in den 1960er-Jahren ins Leben gerufen wurde. Im folgenden Jahrzehnt wurde die Gruppe zum „Institut zur Erforschung der Gegenwärtigen Probleme des Kapitalismus“ (IBWPK). Hier hat man bis zur Wende Sendungen von Radio Free Europe, Voice of America, BBC und Deutsche Welle ausgewertet und monatlich Programm-Analysen angefertigt. Auch beim Innenministerium wurden regelmäßig, aber nicht so systematisch wie beim IBWPK, solche Analysen erstellt. Grundlage waren Informationen von Agenten. Sie sind interessanter als die Analysen des IBWPK, was jedoch nicht heißt, dass sie zutreffender sind. Aber sie vermitteln uns, wie viel der damalige polnische Nachrichtendienst über den jeweiligen Sender wusste und wie man den ideologischen Feind beurteilte.

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Wer waren die Autoren dieser Analysen? Die Berichte wurden in der Hauptabteilung I, dem Nachrichtendienst, angefertigt. Einige der Autoren wurden namentlich bekannt, etwa während des Prozesses gegen Zdzislaw Najder, den Chef der Polnisch-Redaktion von Radio Free Europe. Najder wurde zum Tode verurteilt wegen angeblicher Spionage für die USA. Die Programmbeobachter sagten als Zeugen aus und stuften Radio Free Europe als nachrichtendienstliche Einrichtung ein. Sie haben so bei der Erstellung der Anklage mitgewirkt. ——

© G. Roginski

© picture-alliance/ZB

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„Die Analysen vermitteln

uns, wie viel der damalige polnische Nachrichtendienst über den Sender ­wusste“: Prof. Dr. Pawel ­Machcewicz


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profil © iStockphoto

DEUTSCHLANDBILD

Freie Fahrt für Leidenschaft und Neugier Zwar ohne Deutschkenntnisse, aber just zur Fußball-WM kam sie 2006 nach Deutschland. „Glück für mich!“, sagt Juan Ju. Inmitten des schwarz-rot-goldenen Freudentaumels habe sie sich von der Euphoriewelle schnell erfassen lassen. „Was die Phase des Einlebens ungemein verkürzt hat“, so die chinesische Journalistin. Jetzt schaut sie natürlich schon auf die Fußball-WM der Frauen!

Deutsche sind reserviert und zurückhaltend? Nicht während des Sommermärchens. Ich merkte schnell, wie facettenreich Deutschland ist. Bevor ich mein Studium in Leipzig begann, warnte mich ein Bekannter – im Spaß – vor der „dunklen Seite Deutschlands“; und vor den „Ossis“ solle ich mich in Acht nehmen. Dabei war ich doch selbst eine „Ossi“ – „Fern-Ossi“ halt. Auf meinen Streifzügen durch den Alltag habe ich einiges an deutschen Eigenarten entdeckt. Dinge, die der Chinese als „Maodun“ bezeichnet – als Widerspruch. Ein paar Beispiele: Deutsche sind zwar im Allgemeinen eher zurückhaltend, können sich aber nackt in einer gemischten Sauna oder am Strand ­auf halten.

Während viele Männer Sandalen mit kurzen Hosen und Sportsocken kombinieren, setzen deutsche Designer wie Karl Lagerfeld und ­Torsten Amft internationale Modetrends. Deutsche sind extrem umweltbewusst, bauen aber zugleich Autos, die als ihr „liebstes Kind“ bezeichnet und teilweise auch so behandelt werden. Ganz und gar anders sind Chinesen vor allem im Bezug auf Essen und Wohnen. In Deutschland ist das Essen sehr einfach, zweckmäßig und sättigend. Die Wohnungen hingegen müssen stets geschmackvoll und modern eingerichtet sein. Die Deutschen trennen sehr stark Berufliches vom Privatleben. Sie nehmen ihren Job „bierernst“ und trinken am Abend einiges vom Gebräu.

Juan Ju wurde 1986 an der Ostküste Chinas in Ma’anshan geboren, einer für chinesische Verhältnisse kleinen Stadt mit 1,5 Million Einwohnern. Sie studierte ein Jahr Anglistik in China und kam 2006 nach Deutschland. Nach Intensiv-Deutschkurs und Studienkolleg studierte sie von 2007 bis 2010 Kommunikations- und MeJahr und dem MDR, lernte außer Deutsch auch Französisch. Ein viermonatiges Praktikum bis August 2010 war der Einstieg bei der Chinesisch-Redaktion der Deutschen Welle. Seither ist Juan Ju Freie Mitarbeiterin und ­betreut hauptsächlich das Projekt „Verbotene Bücher in China“ – seit einem Jahr auf der chinesischen Webseite der DW verfügbar.

© DW/M. Müller

dienwissenschaft an der Universität Leipzig. In dieser Zeit absolvierte sie Praktika bei Gruner und


profil

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Genie und Wahnsinn Am Anfang habe ich mich oft gefragt, warum in Deutschland stets Ordnung herrschen muss – außer bei der deutschen Sprache. Sie ist in meinen Augen ein wenig chaotisch. Viele Verben wandern gern ans Ende des Satzes und bilden die sogenannte „Verbklammer“. Bei den zweistelligen Zahlwörtern geht die Unordnung weiter. Man spricht die Einer vor den Zehnern. Aber im Laufe der Zeit habe ich mich daran gewöhnt – wie auch an vieles andere. Habe ein Land entdeckt mit einer Sprache, in der „leben“ wie „lieben“ klingt. Deutsche sind extrem. Genie und Wahnsinn liegen dicht beieinander. Haben sich die Deutschen für etwas entschieden, gibt es kein Abrücken mehr. Manchmal grenzt dieses Verhalten sogar an Sturheit. Ein Nein bleibt ein Nein. Es ist aussichtslos, dies zu ändern. Mit ihrem Hang zur Genauigkeit und Pünktlichkeit sind die Deutschen unflexibel und machen sich dadurch schon mal unnötig Stress. Andererseits – gerade weil die Deutschen nicht so locker sind, können sie sich in Themen regelrecht verbeißen. Das klingt anstrengend, dabei entsteht aber viel Innovatives. Je länger ich in Deutschland lebe, je besser ich die Sprache beherrsche, desto mehr erlaubt es mir, die Deutschen ohne die Mauer der Stereotypen zu betrachten. Seit einem Jahr arbeite ich nun bei der DW – im Rheinland. Auch hier gelingt es mir, stets neue Perspektiven, Meinungen und Eindrücke zu gewinnen, die mein Bild von Deutschland erweitern, jedoch nie vervollständigen werden. Denn im Land der Ideen kann ich jeden Tag etwas Neues entdecken.

Musik aus der Maschine Seit Anfang der 1970er-Jahre dominieren deutsche Künstler die elektronische Popmusik weltweit. Ob Electro, Synthie Pop, Techno oder Eurodance: Die vermeintlich steifen Teutonen machen coole Musik. Das war die Ausgangsthese für die preisgekrönte DW-TV-Dokumentation „Maschinenmusik – Vier Jahrzehnte Electronic & Dance aus Deutschland“. Filmautor Reiner Schild berichtet über die Produktion und das Projekt. Der 52-minütige Film „Maschinenmusik“ ist Teil des DW-TV-Projekts „Deutsche Beats“, das Rolf Rische, Leiter des Bereichs „Gesellschaft & Unterhaltung“, konzipiert hat. Grundlage für die später produzierten Programme war eine Auswertung der internationalen Hitparaden seit 1970: Statistisch erfasst wurden über 1.200 Musikproduktionen aus Deutschland – von Snap! bis Rammstein, von Boney M. bis zu den Scorpions. Basis für die 14-teilige Reihe „Deutsche Beats“. Eine wichtige Erkenntnis war, dass deutsche Musiker zwar in vielen Musik­ genres erfolgreich sind. Als Erfinder gelten sie aber vor allem auf einem Gebiet: der elektronischen Popmusik – die Grundidee für die Dokumentation „Maschinenmusik“. Nachdem die Reihe „Deutsche Beats“ auf DW-TV und auch im Programm von Einsfestival gelaufen war, sollten die Zuschauer in einer detail- und kenntnisreichen Dokumentation mehr über das besondere Genre der „Maschinenmusik“ erfahren. Zusammen mit meiner Kollegin Anja Freyhoff-King sammelte ich Filmdokumente aus 40 Jahren Popgeschichte. Wir interviewten über 20 Musiker, trafen Experten, Journalisten und Zeitzeugen. Allein vier Wochen brauchten wir für den Schnitt, um aus 2.000 Minuten Rohmaterial eine 52-minütige Essenz zu gewin-

Respekt und Bewunderung

nen. Der Film dokumentiert nicht nur die Entwicklung der elektronischen Pop-

Großes Interesse in mir weckte der deutsche Wiedervereinigungsprozess. Waren doch die Leipziger Montagsdemos Höhepunkte der „friedlichen Revolution“. Für mich hätte es keinen besseren Ort geben können als Leipzig, um mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Je mehr ich mich über die Wiedervereinigung informierte, desto mehr kam es mir wie ein Wunder vor, dass während der Demonstrationen kein Schuss fiel und somit auf die „chinesische Lösung“ verzichtet wurde – siehe Peking, Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989. Dem Mut, den die Bürger bewiesen, sich einem System entgegenzustellen, und der daraus folgenden Wiedervereinigung zolle ich großen Respekt. Mit Deutschland verbinde ich vor allem Freiheit. Seit Kindesbeinen schwebt mir der Wunsch vor, Journalistin zu werden. Dass dieser Wunsch in China nur unter widrigsten Umständen in die Tat umgesetzt werden kann, merkte ich schnell während eines Praktikums bei einem chinesischen Radiosender. Meinungsfreiheit: Fehlanzeige. Ich wollte sagen und schreiben, was ich wollte. Deshalb bin ich von China nach Deutschland aufgebrochen, um Medienwissenschaften zu studieren. Warum ausgerechnet in Deutschland? Ich sehe meinen Beruf als ein Auto: Die Leidenschaft am Schreiben ist der Motor, Neugier meine Triebkraft – und in welchem anderen Land kann man schon auf der Autobahn ohne Geschwindigkeitsbegrenzung fahren?! ——

musik in Deutschland. Er stellt auch das Instrumentarium vor, das die neuen Klänge erst möglich machte. Bei aller Innovation – eine Konstante ist auffällig: Damals wie heute sitzen deutsche Musiker in ihren Studios und kreieren international erfolgreiche Musik aus der Maschine. Das positive Feedback vieler Zuschauer hat gezeigt: Die „Fleißarbeit“ scheint sich gelohnt zu haben. Das belegen auch die Preise, die wir für den Film bekommen haben. „Maschinenmusik“ wurde unter anderem mit einer Goldmedaille bei den „Hugo Television Awards“ in Chicago und mit einem „Intermedia-Globe“ in Silber beim „World Media Festival“ in Hamburg ausgezeichnet. Lohn der Mühe und Ansporn für neue Projekte.

Reiner Schild


neue medien

Person 2: > wohnt in Freiburg im Breisgau > arbeitet bei ERGO Versicherungen > ist politisch liberal eingestellt > war in Thailand im Urlaub (Bild) > schaut gern »Stromberg« > trinkt gern auf Partys (Bild)

Person 3: > wohnt in Anklam > studiert zurzeit an der Uni Greifswald > ist verlobt mit Max Muster > isst gern Salat mit Putenbrust-Streifen > war im Urlaub in Florenz mit einem Mann (Bild) > ist verlinkt mit »Kein Facebook für Nazis« © picture-alliance/dpa

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Person 1: > wohnt in Hamburg > ist zurzeit arbeitssuchend > ist Single > gefällt die Facebook-Seite »EHEC« > isst gerne Kinder-Riegel > war gestern auf einem Nena-Konzert

Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast Je mehr sich unser Leben ins Netz verlagert, desto mehr Informationen geben wir über uns preis. Ob am Rechner oder Smartphone, unser digitales Dasein wird permanent gespeichert und ausgewertet. So können sich kleine Helfer als Big Brother entpuppen.

© DW/M. Müller

von Dominik Ahrens Auslandsmarketing

Die Anmeldemaske begegnet uns überall: Name, Adresse, Telefonnummer, E-Mail, dies sind die Standardinformationen, die scheinbar jeder Onlinedienst und immer mehr mobile Angebote von uns verlangen. Gern darf es ein bisschen mehr sein: Geschlecht und Alter? Hobbys oder Bildungsabschlüsse? Während für die erste Internet-Generation „online“ noch gleichbedeutend mit „anonym“ war, scheint sich der moderne Web-2.0-Fan mit dem Dasein als „gläserner Nutzer“ arrangiert zu haben. Denn wer an der schönen neuen virtuellen Welt teilnehmen will, kommt um diese Pf lichtangaben kaum herum. Dass sich das Wissen der Onlinedienste nicht lange auf diese Daten beschränkt, ist jedoch nicht allen Nutzern bewusst. Beispiel: Was nützt es, wenn ich bei der FacebookAnmeldung meine Hobbys verschweige, aber sogleich der Bayern-Müchen-Fangruppe beitrete? Wenn ich keine Angaben über meine politische Ausrichtung mache, aber die Tweets des Ministerpräsidenten abonniere? Wertvoll sind solche Informationen vor allem für die Onlinewerbung, über die sich ein Großteil der kostenlosen Dienste f inanziert. Je präziser ein Anbieter die Vorlieben und Interessen, den f inanziellen Spielraum und die Kauf bereitschaft

der Nutzers kennt, desto erfolgreicher kann er sie ansprechen. „Targeted Advertising“ heißt das in der Fachsprache. Die meisten Dienste teilen ihren Mitgliedern sogar mit, dass ihr Nutzungsverhalten auf diese Weise ausgewertet werden kann – allerdings im Kleingedruckten. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die Dutzende Seiten umfassen können und bei der Anmeldung mit einem Mausklick akzeptiert werden. Zu groß ist da die Versuchung, das trockene Vertragsdeutsch ungelesen wegzuklicken. Durch den Siegeszug der Smartphones wird eine weitere Datendimension immer wichtiger: Dank integrierter GPS-Empf änger und durch Auswertung der Signale von Mobilfunkmasten wissen diese Geräte permanent, wo sich ihr Besitzer gerade bef indet. Sogenannte „Location Based Services“, also ortsabhängige Dienste wie Navigations-Apps oder Umkreissuchen, sind darauf angewiesen. Im April deckten zwei IT-Experten jedoch auf, dass Apples iPhone solche Positionsdaten monatelang speichert. Dies ist zwar inzwischen durch ein Update behoben, doch das Problem der mobilen Ortung ist ins Bewusstsein gerückt. Technisch ist es längst möglich, nicht nur zu erfahren, was wir zu welcher Zeit im Netz getan haben,


schlaglichter

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Businessklasse für Nachrichten Die Frage, ob und wie man mit Inhalten

Einfacher ausgedrückt: Computer-

im Netz Geld verdienen kann, ist so alt

spiele nähern sich Filmen an, Filme

Smartphone: Neue App im Hochzeits-Test

wie das Internet selbst. Versuche, In-

nähern sich Computerspielen an.

Immer mehr Journalisten setzen auf

halte kostenpflichtig zu machen, also

das Smartphone als Werkzeug für die

chern, gingen häufig schief. So musste

Suchen, sammeln, twittern: Journalismus der Zukunft?

sondern auch zu registrieren, wo wir uns zu dieser Zeit befanden. Das mag manchem egal sein, so lange es nur zu maßgeschneiderter Werbung führt – allerdings haben auch Hacker und Cyberkriminelle großes Interesse an den Datenbanken. Natürlich sammeln nicht alle Online- und Mobilangebote Daten über ihre Nutzer. „Das DW News Portal, also unsere Nachrichten-App für iOS und Android, verrät uns nichts über denjenigen, der sie aufruft“, versichert Martin Wojtaszek von der Abteilung Neue Medien bei der DW. „Lediglich der Server registriert, ob ein bestimmter Livestream oder eine Meldung angefordert wurde.“ Rückschlüsse auf den Empf änger lasse das aber nicht zu. ——

die New York Times zwei Wochen nach

Wenn es um die Frage nach dem

app könnte das Arbeiten noch ange-

der Einführung einer klassischen Con-

weltbesten Twitter-Account geht,

nehmer werden. Sie kombiniert ver-

tent-Paywall bei den Seitenaufrufen

kennt der kanadische Autor und

schiedene Dienste und ­ermöglicht

einen Verlust von bis zu 30 Prozent

Journalist Craig Silverman nur eine

es, Fotos, Audios und Tweets live

registrieren. Der Schweizer Web-

Antwort, nachzulesen auf dem Blog

und automatisiert auf einer Karte zu

Designer und „Informationsarchi-

der Columbia Journalism Review: Er

verorten. Die britische Tageszeitung

tekt“ Oliver Reichenstein schlägt vor,

hält den Account von Andy Carvin,

Guardian hat die Technologie wäh-

nicht für die Inhalte Geld zu nehmen,

Chef-Technologe und Social-Media-

rend der Hochzeit von Prinz William

sondern für die Aufbereitung und das

Stratege des US-Radio-Networks

und Kate Middleton getestet – mit

Konsumerlebnis. Nach dem Vorbild

NPR, für zukunftweisend. Carvin war

Erfolg, wie aus dem Verlagshaus

der Businessklasse bei Flugzeugen

es durch stetes Beobachten und Sam-

verlautete.

denkt Reichenstein über werbefreie

meln von Informationen gelungen,

und lesefreundliche Varianten nach

kontinuierlich aus den Krisengebie-

– und will damit der Debatte um Pay-

ten in Nordafrika zu berichten, ohne

TV von morgen: Ökosystem der Schirme

walls neue Impulse geben.

sein Büro in den USA zu verlassen.

Wie sieht die Zukunft des Fern-

Hollywood lässt grüßen: Transmediales Storytelling

US-Zeitungen: E-Paper auf Erfolgskurs

schäftigt sich eine sechsteilige Do-

US-Schauspieler Tom Hanks inves­

Die 25 führenden US-Zeitungen

Initiative namens Free TV, die auf

tiert gerade einige Millionen US-Dol-

konnten die Verbreitung ihrer elek-

der Videoplattform Vimeo zu sehen

lar in „Transmediales Storytelling“.

tronischen Ausgaben innerhalb eines

ist. Vor allem der erste Teil ist se-

Das ist zwar kein Garant für den

Jahres um 20 Prozent steigern. Das

henswert. Er widerlegt die Annahme,

Erfolg des Konzepts, aber der steht

berichtet der Dienst Paidcontent.org.

klassisches Fernsehen gehöre bald

Anita Ondine, einer australischen

Zurückzuführen sei dies auf eine op-

der Vergangenheit an. Dafür gebe es

Medienberaterin, zufolge nicht

timierte Kombination von Angeboten,

keine Anzeichen. Vielmehr werde es

mehr zur Debatte. Die Verknüp-

die man auf Tablets, Smartphones

ein Multitasking auf diversen Gerä-

mediacenter.dw-world.de

fung verschiedener Medien sei die

und mobilen Lesegeräten wie Kindle

ten geben: die Nutzung von linearen

Zukunft – und Hollywood bestens

konsumieren könne. Marktführer ist

und On-demand-Angeboten auf ver-

Mein Tipp zum Weiterlesen:

darauf vorbereitet. Transmediales

derzeit das Wall Street Journal mit

schiedenen Endgeräten – einem so-

„Die Daten-Fresser“ von

Storytelling bedeutet, dass Ge-

504.000 verkauften elektronischen

genannten „Ecoystem of Screens“.

Constanze Kurz und Frank

schichten parallel für verschiedene

Exemplaren pro Ausgabe.

­Rieger, S. Fischer-Verlag, 2011

Plattformen konzipiert werden.

hinter sogenannten Paywalls zu si-

Berichterstattung von unterwegs. Mit der neuen App(likation) Kerou-

sehens aus? Mit dieser Frage bekumentation einer Industrie-nahen


30—

podium

Streiten. Aber richtig!

von Nadine Wojcik Freie Mitarbeiterin

© DW-Archiv

Eine Buchreihe mit dem Titel „Konfliktkulturen“ haben das ­G oethe-Institut und das Institut für Auslandsbeziehungen ­gestartet. Im ersten Band sind viele inspirierende Antworten von Schriftstellern, Künstlern, Wissenschaftlern und Aktivisten auf die Frage zu finden, warum Konflikte sowohl politisch als auch privat recht produktiv sein können. Die Choreografin Helena Waldmann arbeitet oft im Nahen Osten, ist in Iran und ­Afghanistan unterwegs und führt dort Tanzstücke mit Frauen – obwohl in manchen dieser Länder Frauen gar nicht tanzen oder ihren Körper zeigen dürfen. „Es gibt aber immer Mittel und Wege“, sagt Waldmann. In einem Stück halfen sich die Tänzerinnen damit, dass sie unter einer Zeltplane tanzten. Bei ihren internationalen Arbeiten versucht Helena Waldmann sich so weit wie möglich im Hintergrund zu halten. Ganz bewusst, wie sie in ihrem Essay „Betroffenheits­ touristen“ für die Neuerscheinung „Konfliktkulturen“ schreibt. Hier argumentiert sie sehr deutlich gegen eine unreflektierte Haltung „wissender Weiser“, die in Krisenregionen ­fahren, um mit Kulturprojekten und westlichen Denkweisen Konflikte zu lösen. „Diese Menschen sind kein Material, sie sind kein Objekt, aus dem Kunst entsteht. Sie sind selbst Interpreten und Ko-Autoren ihrer Kultur. Man kann ihnen zuschauen und ­zuhören, wie man das als Gast eben macht.“ Einen neuen Umgang mit Konflikten in den arabischen Ländern macht der deutsch-­ ägyptische Autor und Islamwissenschaftler Hamed Abdel-Samad aus. „Als die R ­ evolution in Ägypten ausbrach, hatte ich Angst um die Ägypter, die auf die Straße gingen, weil ich befürchtete, dass es ein schreckliches Erdbeben geben würde.“ In seinem Essay „­Mohameds Erben“ schreibt er darüber, warum sich der Islam aus seiner Sicht mit ­Reformen bis heute so schwer tut. Über 20 Essays bringen die Herausgeber in „Konfliktkulturen“ zusammen, unterteilt in drei Kapiteln: Politik und Gesellschaft, Religion und Philosophie, Alltag und Kunst. Die Autoren beschreiben (und erklären) die Konflikte ihrer jeweiligen Lebenswelten. Manche Beiträge sind kurze Denkanstöße wie der Text von ­Helena Waldmann, manche wissenschaftliche Ausführungen, ­andere wiederum Erfahrungsberichte wie „Engelchen und Teufelchen“ von Anne Köhler, die charmant über die ­inneren Konflikte des Alltags erzählt. Der Sammelband „Konfliktkulturen“ – dem im Halbjahresrhythmus weitere folgen – ist kein bevormundender Rat-, sondern ein vielseitiger Ideengeber. „Konflikte gehören zu jeder Kultur. Und es bedarf Kultur, um Konflikten zu begegnen“, so Herausgeber Ronald Grätz bei der Buchpräsentation in Berlin.

Ronald Grätz, Hans-Georg Knopp (Hrsg.): Konfliktkulturen (mit Texten unter anderem von Naomi Klein, Faisal Devji,Tarek Amr, Helena Waldmann, Hamed Abdel-Samad), Steidl-Verlag, ISBN: 978-3869302423, 16,80 Euro

Die Kunst des Brückenbaus Bonn – Kunst, Kultur, Konflikt – diesem Spannungsbogen widmete sich Mitte Mai eine Tagung bei der Deutschen Welle. Experten aus der Kultur- und Entwicklungszusammenarbeit diskutierten mit Medienvertretern. Veranstalter der zweitägigen Konferenz war die Arbeitsgemeinschaft „Kultur und Entwicklung“. Beteiligt sind unter anderem das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die Deutsche Welle. Den Zusammenhang von Religion beziehungsweise Kultur und globaler Entwicklung hatten vorangegangene Tagungen der Arbeitsgemeinschaft beleuchtet. Die dritte Auf lage, die federführend vom ­G oethe-Institut ausgerichtet wurde, knüpfte mit dem Thema „Kunst.Kultur. Konf likt“ an vorausgegangene Symposien an. „Wir wollen Brücken bauen und Verständigung herbeiführen. Die Vermittlung von Kultur ist eine Kernaufgabe für uns“, sagte DW-Intendant Erik Bettermann. Er unterstrich die Verantwortung der Medien in Krisenregionen. Als aktuelles Beispiel für die Bedeutung von Medien im Rahmen der Kulturarbeit in Konf liktgebieten ging es bei den Diskussionen um die Entwicklungen in der arabischen Welt. Medien seien ein wichtiges Instrument für kulturelle Bildung. Sie vermittelten Werte und transportierten alternative Perspektiven, die Konf liktlösungen aufzeigen können. „Die Deutsche Welle leistet mit ihren journalistischen Angeboten einen Beitrag zur Prävention und Deeskalation in Krisenregionen“, so Bettermann. Soziale Medien und interaktive Formate standen im Blickpunkt eines gemeinsamen Workshops von DW und GIZ. Die Revolutionen in Tunesien und Ägypten hätten die Chancen aufgezeigt, die sich durch Soziale


podium

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Soziale Medien und in-

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01

teraktive Formate im Blickpunkt: Workshop-Atmosphäre im Funkhaus

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© DW/M. Müller (3)

Medien für den Austausch und die Koordination in Konf liktsituationen böten. „Asymmetrische Konf likte hat es schon immer gegeben“, erklärt Sabine Hammer, freie Konf liktreporterin, „Wir bewegen uns heute in einer Welt, in der durch Digitalisierung die Vernetzung so leicht gemacht wird – kommunizieren unabhängig von Ort und Zeit. Das bedeutet auch, dass sich Menschen viel leichter zusammenschließen und Ideen entwickeln können. Das klingt banal – verändert aber Gesellschaft und die Art der Politik enorm.“ Netzwerkstrukturen seien immer horizontal und polyzentrisch organisiert. Es gebe nicht mehr nur einen Meinungsmacher, sondern mehrere. Im Abschluss-Plenum wurde zudem auf die Notwendigkeit intensiver Medienzusammenarbeit und die Bedeutung von Medien-Training für Krisenregionen hingewiesen. —— www.dw-world.de/kunst-kultur-konflikt

Beethoven auf dem Handy Bonn – Fragen an den Dirigenten Paul MacAlindin. Der Schotte probt mit dem Nationalen Jugendorchester Iraks und dirigiert das Ensemble bei seinem ersten Auslandsauftritt im Rahmen des Beethovenfests im Oktober 2011.

Sie arbeiten mit den jungen Musikern

terscheidet die Arbeit von der mit jungen Musikern in Edinburgh oder Köln? Die Unterschiede sind groß. Zunächst gibt es das Sprachenproblem. Mein Englisch wird ins Arabische und Kurdische übersetzt – zum Glück von sehr talentierten Übersetzern. Dann war das musikalische Niveau im Orchester am Anfang sehr unterschiedlich. Viele Jugendliche lernen nur autodidaktisch, viele Instrumente mussten restauriert werden. Der größte Unterschied zu europäischen Studenten ist, dass diese jungen Leute in Irak engagierter sind und unglaublich

viel Leistung bringen. Allein durch ihren Hunger zu lernen können wir viele Probleme so schnell lösen. Das versteht man hier im Westen gar nicht. Wenn wir in Europa über Musik und kulturelles Leben meckern, ist es meiner Meinung nach ein wenig unverschämt.

„Allein durch ihren Hunger

zu lernen, können wir viele Probleme lösen“: Dirigent Paul MacAlindin

04

?

Was waren für Sie Höhepunkte in der Zusammenarbeit mit den jungen ­Menschen? Es gibt viele. Den jungen Musikern zu erlauben, jung und musikalisch zu sein, Freude und Spaß durch die Musik zu erfahren. Wir Dozenten nehmen unsere Arbeit sehr ernst, aber wir

© Beethovenfest

? in Workshops im Norden Iraks. Was un-

04


32—

podium

01

© picture-alliance/dpa

01

Deutschland-Premiere für irakische Musiker Bonn – Auf Anregung der Deutschen Welle © Beethovenfest

gastiert das National Youth Orchestra of Iraq

(NYOI) Anfang Oktober erstmals in Deutschland – beim Orchestercampus des Bonner Beethovenfests. Campus-Schirmherr ist Bundespräsident Christian Wulff. Das Jugendorchester, das Nachwuchsmusiker unterschiedlicher ethnischer Herkunft und Glaubensrichtungen vereint, wird sich an Workshops beteiligen und Konzerte geben. Die DW wird das Orchester anschließend in Berlin präsentieren. Dort ist die Produktion eines Konzertmitschnitts mit Werken von Beethoven, Haydn und zeitgenössischen irakischen Komponisten geplant. Der Mitschnitt wird als Podcast (dw-world.de/beethoven) und als CD veröffentlicht. Die 45 Musiker des irakischen Orchesters sind zwischen 18 und 28 Jahre alt. Die Idee, ein nationales Jugendorchester im Irak zu

wissen, dass Musik ohne eine kindliche Verbindung mit dem Herzen Zeitverschwendung ist, besonders für ein Jugendorchester. Es ist unserer Aufgabe, diese Freude aufzubauen, in einem normalen und sicheren Arbeitsklima. Ebenso wichtig ist es zusammenzuarbeiten, hauptsächlich einander zuzuhören. Diese Kernqualität der Arbeit ist wichtig für jede musikalische Arbeit im Ensemble, hier zwischen Arabern, Kurden und den westlichen Dozenten.

gründen, hatte 2008 die damals 19-jährige Pianistin Zuhal Sultan. Ein Nationales Sinfonieorchester Iraks gibt es seit 1959; ihm gehören Schiiten, Sunniten und Christen, Araber, Kurden und Turkmenen an. Im Rahmen des Orchestercampus vergibt der deutsche Auslandsrundfunk in diesem Jahr zwei Kompositionsaufträge: an den arabischen Komponisten Mohammed Amin Ezzat aus Bagdad und an den kurdischen Komponisten Ali Authman, der in den Niederlanden lebt. Die Uraufführungen beider Werke dirigiert der künstlerische Leiter des Jugendorchesters, Paul MacAlindin, am Samstag, 1. Oktober, in Bonn. Die Gründerin des Orchesters, Zuhal Sultan, wird als Pianistin mitwirken.

?

Was konnten Sie durch die Arbeit mit diesem Ensemble lernen? Zum einen musste ich viel intuitiver arbeiten als mit einem professionellen Orchester im Westen, wo man schon vorher ungefähr weiß, wie es läuft. Orchesterarbeit ist sehr diszipliniert, und ich bin es gewohnt, immer der Chef zu sein. Aber mit diesem Orchester musste ich mehr als Teamplayer mit anderen Dozenten arbeiten. Die musikalischen und technischen Probleme sind viel größer als im Westen, wo Musiker einfach besser betreut sind und ein Dirigent allein nicht so viele Probleme in einer Orchesterprobe lösen muss.

?

Welche Bedeutung haben deutsche Komponisten wie Beethoven und Bach in Irak? Bei den Menschen in Irak allgemein haben Beethoven und Bach eher weniger Bedeutung, aber das könnte man auch über Leute hier in Deutschland sagen. Bei den jungen Musikern im Orchester ist das anders. Im Vergleich zu westlichen Musikstudenten, die Rap und Techno auf ihren iPods abspielen, haben diese Musiker Dvorak und Beethoven auf ihren Handys. Natürlich haben diese Musiker klassische Musik für sich persönlich ausgewählt. Es ist ihr Alltag.

?

Was ist Ihr größter Wunsch für das Projekt? Nachhaltigkeit. Dass Leute das Wunder dieses Orchester verstehen. Einerseits so normal wie möglich, auf der anderen Seite mit außergewöhnlichen jungen Leuten besetzt. Es ist ein wunderschönes Paradoxon, und deswegen so aufregend als Projekt. ——


weltzeit 03_2011

profil

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Ziphora Robina wurde am 21. Juli 1976 in Bali geboren und kam mit ihren Eltern 1978 nach Deutschland. In München besuchte sie die Grunddierte in München und Augsburg, wo sie einen Magisterabschluss für Deutsch als Fremdsprache, Anglistik und Kommunikationswissenschaft erlangte. Für ein Jahr war sie anschließend in Stuttgart in der Abteilung Kommunikation einer kleinen kirchlichen Organisation. 2005 kam sie zur Deutschen Welle, machte zunächst ein Volontariat und arbeitet seit 2007 als Redakteurin in der Asien-Abteilung.

Jede MenGe diSKuSSionSSToff.

© DW/M. Müller

schule bis zur vierten Klasse. 1986 kehrte sie zurück nach Bali. Nach dem Abitur 1995 zog sie wieder nach Deutschland. Sie stu-

MedienforuM.nrW, 20.– 22. Juni 2011, Köln

Von Medien, MacHt und MenscHen. 23. MedienforuM.nrw // 20.– 22. Juni 2011, Köln www.medienforum.nrw.de eine Veranstaltung der Landesanstalt für Medien nrw (LfM), gefördert mit Mitteln des Landes nordrhein-westfalen. Verantwortlich für Konzeption und durchführung ist die LfM nova GmbH.


Oper

Kultu

„Kultur ist absolut mein Ding“

Sie wollte einmal Schauspielerin werden, wollte ans Theater. „Das war mein großer Traum“, erzählt Daria Bryantseva schmunzelnd. Als Kind war sie sicher, dass Deutschlehrerin der perfekte Job für sie sei. Sie wurde Journalistin – der Kultur und der deutschen Sprache verbunden. In der Russisch-Redaktion der Deutschen Welle wurde sie soeben zur Teamleiterin für Kultur, Studium und Wissenschaft berufen.

Auch Diplomatin stand einst oben auf der Wunschliste der jungen Frau aus Moskau. Dieser Wunsch hatte sich schnell zerschlagen. „In Russland wird keine Frau Diplomatin, hat man mir gesagt. Ich müsste dafür einen Diplomaten heiraten. Damit war der Fall für mich erledigt!“ Daria Bryantseva zieht ihre rote Hornbrille ab, streicht sich die halblangen Haare aus dem Gesicht und lässt nachdenklich den Blick über die vielen Filmposter im Großraumbüro schweifen. Sie könne es selbst noch nicht so ganz fassen, meint sie, aber ihr neuer Job sei tatsächlich eine Mischung aus den Traumberufen ihrer Kindheit: Teamleiterin für den Bereich Kultur, Studium und Wissenschaft. Seit einigen Wochen darf sie sich so nennen – die Russisch-Redaktion arbeitet in zwei Teams: Politik/Wirtschaft und Kultur. Der Job sei „unglaublich cool“. Etwa zwei Mal pro Woche geht sie ins Theater oder in die Oper. Ausstellungen, Filme, Konzerte – „dafür lebe ich“, sprudelt die Redakteurin, die nebenbei in der DW-Theatergruppe selbst auf der Bühne steht und Skripte verfasst.

Mit Wissenschaft groß geworden

© DW/M.Müller

von Miriam Klaussner Freie Mitarbeiterin

Auch wenn Kultur nun einen Großteil ihres neuen Verantwortungsbereichs ausmacht – Wissenschaft und Studium gehören ebenso dazu. Doch da winkt Daria Bryantseva lässig ab. Mit der Wissenschaft sei sie aufgewachsen. „Mein Vater war Physiker, meine Mutter Chemikerin.“ Auch vom Bereich Studium, der Sprachkurse einschließt, ist sie begeistert. „Bildung und Sprachen sind für mich der Schlüssel, um fremde Kulturen zu verstehen, um zu begreifen, wie andere Länder ticken.“ Wie für die Moskauerin die Deutschen ticken? „Ruhig“, meint sie. Das sei das Erste,

was ihr aufgefallen sei, als sie vor zwölf Jahren nach Deutschland kam. Sie machte ein Praktikum bei der DW. „Alles ist in Deutschland geregelt. Wenn du etwas willst, weißt du, wo du hin musst, wer dein Ansprechpartner ist, was du mitbringen musst“, erzählt sie. Auch in Österreich gehe es so ordentlich zu, grinst sie. Denn nach ihrem JournalistikStudium in Moskau zog sie nach Krems, ging nochmals an die Uni. Das Ergebnis: Ein Master-Titel, ein niedlicher österreichischer Akzent und kurz darauf ein Jobangebot der Russisch-Redaktion der Deutschen Welle. „2001 war das – unglaublich, nun bin ich schon fast zehn Jahre bei der DW“, sagt sie und schüttelt den Kopf.

Faustdick hinter den Ohren Zehn Jahre, die es in sich hatten. Praktikantin, Redakteurin und nun Teamleiterin. Andere wären darauf mächtig stolz. Doch Daria Bryantseva winkt bescheiden ab. Geplant habe sie das nicht. Sie sei nicht Karriere-besessen – aber schon ehrgeizig. Sie lehnt sich zurück, denkt einen Moment nach, und meint dann energisch: „Ich bin zuverlässig, kann gut organisieren und gut mit Menschen umgehen. Und ein solches Angebot bekommt man nur einmal im Leben.“ Auf einmal wirbeln die Hände der sonst so besonnen wirkenden Frau über den Tisch. „Ich glaube, viele Leute unterschätzen mich. Sie denken ich bin ruhig, lieb und nett“, sagt sie, und kann ein verschmitztes Lächeln nicht unterdrücken. „Dabei habe ich es faustdick hinter den Ohren.“ Zum Beispiel führt sie gern, sagt gern, wo es langgeht. ­A llerdings – und darauf legt sie wert – sei sie niemand, der mit dem Kopf durch die Wand


zoom

Ausstellung

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geht. Sie diskutiere stattdessen. „Ich ­glaube, ­Diplomatie ist meine Stärke – vielleicht wusste ich das schon als Kind.“

Perfektionistin und Arbeitstier

»Ich glaube, Diplomatie ist meine Stärke.«

­ nglaublichen Fachwissen.“ Da muss Daria u Bryantseva nun „Chefin“ sein, muss führen, überzeugen, entscheiden. Ganz im Sinne des Publikums, der an Deutschland interessierten Russen, denn die seien schließlich die Zielgruppe. „Natürlich wird es da hin und wieder Meinungsunterschiede geben. Aber das Team und Redaktionsleiter Ingo Mannteufel kennen mich.“ Und wer Daria Bryantseva kennt, wird nicht daran zweifeln, dass sie ihre Arbeit meis­ tern wird – schließlich ist die junge Frau, wie sie es ausdrückt, „durch und durch Perfektionistin. Und ein Arbeitstier“. Und wie lange möchte sie den Job machen? Da lacht sie: So lange er sie herausfordere. Aber, meint sie, sie könne sich auch vorstellen, irgendwann ans Theater zu gehen. „Allerdings nicht als Schauspielerin!“ —— www.dw-world.de/russian

© DW/M.Müller

Diplomatie wird sie als junge Teamleiterin wohl jede Menge brauchen. Denn die knapp zwanzigköpfige Mannschaft zu führen ist nicht eben einfach. Schon gar nicht im Bereich Kultur, Studium und ­Wissenschaft. „Das sind spezielle Menschen. Starke Charaktere, Künstlertypen mit einem

»Alles ist in Deutschland geregelt. In Russland unvorstellbar«


B e e t h o v e n f e s t B o n n 9. 9. – 9. 1 0 . 2 0 1 1

Zukunftsmusik

t i c k e t s 0 2 2 8 - 5 0 2 0 1 3 1 3 w w w . B e e t h o v e n f e s t . d e


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