VERSO SUD 22 Festival des italienischen Films 25.11. bis 8.12.2016
Deutsches Filmmuseum Frankfurt am Main
Impressum
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IL PIÙ BEL GIORNO DELLA MIA VITA ≥ S. 36
Per amor vostro ≥ S. 23
Veranstalter Deutsches Filminstitut — DIF, Frankfurt Made in Italy, Rom Förderer Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo Direzione Generale per il Cinema, Rom
Centro Culturale Sardo Maria Carta Rhein Main e.V. Francoforte Sardischer Kulturverein Rhein Main e.V . FFM
GODI Gusto Originalità e Diversità Italiana
Unterstützer Consolato Generale d‘Italia, Frankfurt Istituto Italiano di Cultura, Köln und Casa di Cultura e.V., Frankfurt ENIT – Italienische Zentrale für Tourismus, Frankfurt Restaurant GODI, Frankfurt Sardischer Kulturverein Maria Carta e.V., Frankfurt weitere Unterstützer ≥ S. 29 Programmheft Deutsches Filminstitut — DIF, Frankfurt Made in Italy, Rom Redaktion Andreas Beilharz, Marie Brüggemann, Frauke Haß Texte Francesco Bono, Franco Montini, Piero Spila
Italienische Zentrale für Tourismus www.enit.de┃www.italia.de facebook.com/entdeckeitalien
Übersetzungen Andrea Auditore, Christoph Draxtra Dolmetscherin Marina Grones Gestaltung Optik – Jens Müller www.optik-studios.de
in Zusammenarbeit mit BiBi Film, Rom Cattleya, Rom Cinémathèque Suisse, Lausanne drei-freunde Filmverleih, Nürtingen Europictures, Rom Grandfilm, Nürnberg Kairos Filmverleih, Göttingen Koch Media, Planegg Intra Movies, Rom Movienet Filmverleih, München Neue Visionen Filmverleih, Berlin Own Air, Rom Paco Cinematografica, Rom Pandastorm Pictures, Berlin Prokino Filmverleih, München Rai Com, Rom Studiocanal, Berlin Trigon-Film, Ennetbaden TVCO, Rom Veranstaltungsort / Kartenreservierung Deutsches Filmmuseum Schaumainkai 41 60596 Frankfurt Tel: 069 – 961220 220 Eintrittspreise Regulär: 7 Euro · Ermäßigt: 5 Euro Filme mit Gästen: 2 Euro Zuschlag Für Frankfurt-Pass-Inhaber ermäßigen sich die regulären Preise um die Hälfte.
mit Dank an Wilfried Arnold Antonio Balbi Angelo Barbagallo Paolo Bogna Alfredo Borrelli Lorenzo Borrelli Maurizio Canfora Lionello Cerri Sesto Cifola Mary Condotta Paola Corvino Isabella Cocuzza Antonio Cucuzzella Tiziana Deidda Dario Formisano Marco Valerio Fusco Lan Gatti Marina Grones Lucio Izzo Simone Isola Lucetta Lanfranchi Bruno Lill Paola Mantovani Francesca Moino Vincenzo Mosca Birgit Otten Arturo Paglia Alessandro Piva Isabella Rahman Manuela Rossi Michele Santoriello Helge Schweckendiek Riccardo Tozzi
Weitere Informationen Deutsches Filmmuseum · deutsches-filmmuseum.de Made in Italy · associazionemadeinitaly.org
Verso Sud 22 Festival des italienischen Films
FILMPROGRAMM 25.11. bis 8.12.2016 Freitag, 25.11. 19:00 Uhr
22:15 Uhr
Eröffnung Verso Sud 22 PER AMOR VOSTRO ≥ S. 23 Aus Liebe zu Euch IT 2015. Giuseppe M. Gaudino 109 Min. OmU Zu Gast: Giuseppe M. Gaudino PER AMOR VOSTRO ≥ S. 23 Aus Liebe zu Euch IT 2015. Giuseppe M. Gaudino 109 Min. OmU
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Neues italienisches Kino ≥ S. 8 Hommage Cristina Comencini ≥ S. 30
Dienstag, 29.11. 18:00 Uhr
SUBURRA ≥ S. 27 IT 2015. Stefano Sollima 130 Min. OmU
20:30 Uhr
IL PIÙ BEL GIORNO DELLA MIA VITA ≥ S. 36 Der schönste Tag in meinem Leben IT 2002. Cristina Comencini 100 Min. OmU
Mittwoch, 30.11. 18:00 Uhr
SE DIO VUOLE ≥ S. 25 Um Himmels Willen IT 2015. Edoardo Falcone 87 Min. OmU
20:30 Uhr
MILIONARI ≥ S. 19 Millionäre IT 2014. Alessandro Piva. 98 Min. OmeU
Samstag, 26.11. 16:00 Uhr
BELLA E PERDUTA ≥ S. 15 Eine Reise durch Italien IT 2015. Pietro Marcello 87 Min. OmU
19:00 Uhr
LATIN LOVER ≥ S. 39 IT 2015. Cristina Comencini 104 Min. OmU Zu Gast: Cristina Comencini
22:00 Uhr
LATIN LOVER ≥ S. 39 IT 2015. Cristina Comencini 104 Min. OmU
Sonntag, 27.11. 12:00 Uhr
18:00 Uhr
20:15 Uhr
SE DIO VUOLE ≥ S. 25 Um Himmels Willen IT 2015. Edoardo Falcone 87 Min. OmU VA‘ DOVE TI PORTA IL CUORE ≥ S. 35 Geh, wohin dein Herz dich trägt IT 1996. Cristina Comencini 110 Min. OmU SUBURRA ≥ S. 27 IT 2015. Stefano Sollima 130 Min. OmU
Montag, 28.11. 18:00 Uhr
20:30 Uhr
Donnerstag, 01.12. 18:00 Uhr
Sonntag, 04.12. 12:00 Uhr
LA PAZZA GIOIA ≥ S. 22 Die Überglücklichen IT 2016. Paolo Virzì. 116 Min. OmU
18:00 Uhr
LA BESTIA NEL CUORE ≥ S. 37 The Beast in the Heart IT 2005. Cristina Comencini 120 Min. Omd/fU
20:30 Uhr
NON ESSERE CATTIVO ≥ S. 21 Tu nichts Böses IT 2015. Claudio Caligari 100 Min. OmU
Montag, 05.12. 19:00 Uhr
LORO DI NAPOLI ≥ S. 18 IT 2015. Pierfrancesco Li Donni 75 Min. OmeU
20:30 Uhr
ANIME NERE ≥ S. 14 Schwarze Seelen IT 2014. Francesco Munzi 109 Min. OmU
Freitag, 02.12. 18:00 Uhr
NON ESSERE CATTIVO ≥ S. 21 Tu nichts Böses IT 2015. Claudio Caligari 100 Min. OmU
20:00 Uhr
LEA ≥ S. 16 IT 2015. Marco Tullio Giordana 95 Min. OmU
22:00 Uhr
LO CHIAMAVANO JEEG ROBOT ≥ S. 17 They Call Me Jeeg Robot IT 2015. Gabriele Mainetti 112 Min. OmeU
Dienstag, 06.12. 18:00 Uhr
QUANDO LA NOTTE ≥ S. 38 Wenn die Nacht… IT 2011. Cristina Comencini 114 Min. OmeU
20:30 Uhr
LO CHIAMAVANO JEEG ROBOT ≥ S. 17 They Call Me Jeeg Robot IT 2015. Gabriele Mainetti 112 Min. OmeU
Samstag, 03.12.
Mittwoch, 07.12.
16:00 Uhr
18:30 Uhr
LA STOFFA DEI SOGNI ≥ S. 26 Der Stoff der Träume IT 2016. Gianfranco Cabiddu 101 Min. OmU
20:30 Uhr
MY ITALY ≥ S. 20 IT 2016. Bruno Colella 101 Min. OmeU
PADRE PADRONE ≥ S. 29 Mein Vater, mein Herr IT 1977. Paolo Taviani, Vittorio Taviani 113 Min. OmU Mit Einführung. Auftakt eines sardischen Filmabends mit anschließendem Empfang und Musik.
19:00 Uhr
IL ROSA NUDO ≥ S. 24 Die nackte Rosa IT 2013. Giovanni Coda. 70 Min. OmeU Zu Gast: Giovanni Coda
21:30 Uhr
LA STOFFA DEI SOGNI ≥ S. 26 Der Stoff der Träume IT 2016. Gianfranco Cabiddu 101 Min. OmU
BELLA E PERDUTA ≥ S. 15 Eine Reise durch Italien IT 2015. Pietro Marcello 87 Min. OmU VERGINE GIURATA ≥ S. 28 Sworn Virgin IT/AL 2015. Laura Bispuri. 87 Min. OmU
LEA ≥ S. 16 IT 2015. Marco Tullio Giordana 95 Min. OmU
Special ≥ S. 29
Donnerstag, 08.12. 18:00 Uhr
MY ITALY ≥ S. 20 IT 2016. Bruno Colella 101 Min. OmeU
Grußwort Consolato Generale d’Italia Frankfurt
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Saluto Grußwort
Unser beliebtes Filmfestival VERSO SUD, eine wichtige Veranstaltungsreihe zur Förderung der italienischen Sprache und Kultur, feiert dieses Jahr seine 22. Ausgabe. Dank der hervorragenden Zusammenarbeit mit dem Deutschen Filmmuseum Frankfurt ist VERSO SUD immer von großem Erfolg gekrönt. Wir danken auch der Vereinigung Made in Italy (Rom), dem Kairosfilm (Göttingen), dem Ministero per i Beni e le Attività Culturali, dem Italienischen Kulturinstitut (Köln) und den beteiligten Mitarbeitern im Italienischen Generalkonsulat (Frankfurt). Durch die Lebendigkeit und Vielfalt der jüngeren italienischen Kinoproduktion sind die Filme dieser Ausgabe besonders spannend und aktuell. Es werden Werke von einigen der erfolgreichsten und bekanntesten italienischen Regisseure und Schauspieler wie Marco Tullio Giordana, Paolo Virzì, Alessandro Piva, Vittorio Gassman, Valeria Golino und Margherita Buy präsentiert. Die Hommage gilt dieses Jahr dem Werk der Regisseurin Cristina Comencini, die am Samstag, den 26. November 2016, ihren Film LATIN LOVER präsentieren wird. Zum Eröffnungsabend am 25. November wird der Regisseur Giuseppe M. Gaudino mit dem Film PER AMOR VOSTRO anwesend sein. Das facettenreiche Bild Italiens wird aus äußerst unterschiedlichen Perspektiven
betrachtet, der Blick auf unsere Tugenden und Makel wird schonungslos geschärft und das Schicksal des Einzelnen wird zur Abbildung einer ganzen Generation oder einer bestimmten sozialen Schicht. Glück und Drama, Ängste und Hoffnungen, fröhliche und düstere Landschaften vereinen sich wie in einem Puzzle, in dem sich die Einzelteile nicht immer und nicht unbedingt zu einem einheitlichen Gesamtbild ergänzen. Die große Vielfalt an Filmen und das künstlerische Können der Schauspieler und Filmschaffenden werden Sie verzaubern! Und noch ein Tipp: Sie dürfen den sardischen Filmabend am Samstag, den 3. Dezember, nicht verpassen!
Maurizio Canfora Italienischer Generalkonsul in Frankfurt
Grußwort Istituto Italiano di Cultura Köln
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Saluto Grußwort
Auch 2016 präsentiert das Festival VERSO SUD wieder eine umfangreiche Auswahl an Filmen, die einen Einblick in die aktuelle Filmlandschaft Italiens geben. Ehrengäste sind dieses Jahr Cristina Comencini, die nicht nur ihren neuesten Film LATIN LOVER zeigt, sondern der auch eine Retrospektive gewidmet ist, sowie Giuseppe M. Gaudino, der seinen bewegenden Film PER AMOR VOSTRO vorstellen wird.
LATIN LOVER ≥ S. 39
Außerdem wird eine ganze Reihe weiterer Filme gezeigt, die zwischen 2015 und 2016 nicht nur von so bedeutenden Regisseuren wie Marco Tullio Giordana, Paolo Virzì, Claudio Caligari, Gianfranco Cabiddu, Bruno Colella, sondern auch von jüngeren und dennoch bereits etablierten Regisseuren wie Edoardo Falcone, Francesco Munzi, Stefano Sollima, Alessandro Piva, Giovanni Coda, Gabriele Mainetti, Pierfrancesco Li Donni, Pietro Marcello und Laura Bispuri gedreht wurden. Das Italienische Kulturinstitut in Köln freut sich daher, auch dieses Jahr wieder gemeinsam mit dem Italienischen Generalkonsulat Frankfurt und den deutschen und italienischen Organisatoren diese Veranstaltung durchführen zu können. Eine Veranstaltung, die von großer Bedeutung ist, wenn es darum geht, die neue Filmlandschaft Italiens in Deutschland bekannt zu machen, und die, da bin ich mir sicher, auch in den kommenden
Jahren ein bedeutender Bezugspunkt für jenes Publikum und jene Filmschaffenden sein wird, die unser Land durch den Film kennenlernen und verstehen möchten. Ich möchte deshalb Andreas Beilharz danken und dazu beglückwünschen, dass er seit diesem Jahr im Deutschen Filmmuseum die Verantwortung für die Filmreihe übernommen hat. Viel Vergnügen!
Lucio Izzo Direktor Istituto Italiano di Cultura Köln
Grußwort Deutsches Filminstitut – DIF / Deutsches Filmmuseum, Frankfurt Made in Italy, Rom
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Saluto Grußwort
Auch dieses Jahr wird sich das Kino im Deutschen Filmmuseum von Ende November bis Anfang Dezember zwei Wochen lang ganz der italienischen Filmkultur widmen, wenn die mittlerweile 22. Ausgabe des beliebten Festivals VERSO SUD zu einem Streifzug durch das gegenwärtige und auch das vergangene Kino Italiens einlädt. Während die letztjährige Ausgabe mit der Hommage an Francesco Rosi einen umfangreichen filmhistorischen Schwerpunkt hatte, werden wir diesmal einem ungewöhnlichen Reichtum an interessanten aktuellen Produktionen verstärkt Rechnung tragen und zeigen daher mit 16 neuen italienischen Filmen so viele wie vielleicht noch nie. Dennoch wird es natürlich auch dieses Jahr eine Hommage und ein kleines Special geben. Dieser Umfang an aktuellen Filmen, bisweilen von Altmeistern, aber auch von vielen jungen Regisseur/innen inszeniert, ermöglicht einen Einblick in das bemerkenswert vielseitige gegenwärtige italienische Filmschaffen, in dem es vieles zu entdecken gibt und für jeden Geschmack etwas dabei sein dürfte: In poetischen Dramen, lebenslustigen Komödien, spannenden Action- und Kriminalfilmen oder aufschlussreichen Dokumentarfilmen begegnen wir auffällig vielen starken Frauen, unfreiwilligen Superhelden, familiär verstrickten Mafiosi, Italien-verliebten Künstlern, migrantischen Fußballteams, alternden Machos, jungen Priesteranwär-
tern und sprechenden Büffeln. Besonders freuen wir uns, dem Frankfurter Publikum einige Vorpremieren von gespannt erwarteten Filmen wie LA PAZZA GIOIA, ANIME NERE oder SUBURRA zeigen zu können, die erst im Laufe der nächsten Monate ins Kino kommen werden. Bei anderen Filmen ist wiederum völlig offen, ob sie überhaupt noch einmal in den deutschen Kinos auftauchen werden, darunter mit dem wunderbar unkonventionellen LO CHIAMAVANO JEEG ROBOT einer der großen Überraschungserfolge des Jahres in den italienischen Kinos.
SUD zu präsentieren. An den beiden Eröffnungsabenden des Festivals werden in bewährter Tradition wieder zwei Filmschaffende ihre Filme vorstellen: Giuseppe M. Gaudino eröffnet das Festival am ersten Abend mit PER AMOR VOSTRO, während Cristina Comencini am zweiten Abend mit LATIN LOVER die Hommage eröffnen wird, die ihr in diesem Jahr gewidmet ist. Neben ihrem neuen Film werden auch vier frühere Werke von Comencini im Laufe des Festivals wieder zu sehen sein, zwei davon wurden nie regulär in den deutschen Kinos gezeigt.
Vor 40 Jahren, im Jahr 1976, drehten die Brüder Paolo und Vittorio Taviani PADRE PADRONE, der zu einem Meilenstein des italienischen Kinos werden sollte und im Frühjahr 1977 bei den Filmfestspielen in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, dem höchsten Preis in der Welt der europäischen Filmkunst. Zu diesem Jubiläum bringen wir den Film als Klassiker-Special endlich wieder zurück auf die Leinwand. Zugleich ist es der Auftakt für einen sardischen Filmabend mit Empfang und Musik, der Dank des großen Engagements des sardischen Kulturvereins Maria Carta Rhein Main e.V. (Frankfurt) ermöglicht wurde.
Dieser Umstand unterstreicht auch noch einmal, wie wichtig Festivals wie VERSO SUD sind, um auch Filmen eine Plattform zu geben, die im regulären Kinobetrieb der kommerziellen Kinos mitunter gar nicht auftauchen – weil mittlerweile eine große Zahl von Filmen aus vielen Ländern um die Gunst des Publikums konkurrieren, weil Weltvertriebe mitunter sehr hohe Lizenzgebühren verlangen, oder weil Filmverleihe und Kinobetriebe zu oft auf vermeintlich sichere Erfolgsformeln setzen und dabei einige spannende, ungewöhnliche Filme auf der Strecke bleiben. Umso erfreulicher, dass einige dieser Filme im Rahmen eines Festivals wie VERSO SUD doch noch die Chance haben, auf ein interessiertes Publikum zu treffen.
Besonders schön, dass in diesem Rahmen mit Giovanni Coda ein dritter Regisseur persönlich zu Gast ist, um seinen Film IL ROSA NUDO als deutsche Premiere dem Publikum von VERSO
Ermöglicht wird das auch durch die langjährige Unterstützung und das Engagement unserer Förderer und Kooperati-
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onspartner von VERSO SUD. Unser Dank gilt daher dem Ministero die Beni e delle Attività Culturali e del Turismo, Direzione Gernale per il Cinema (Rom), dem Consolato Generale d’Italia (Frankfurt), dem Instituto Italiano di Cultura (Köln), der Casa di Cultura (Frankfurt), dem Kairos Filmverleih (Göttingen) und allen Verleihen, Archiven und Produzent/innen, die uns durch die Bereitstellung von Filmen und Vorführmaterial auch dieses Jahr wieder ermöglichen, ein vielseitiges und abwechslungsreiches Programm zu zeigen. Auch bei den anwesenden Filmemacher/innen möchten wir uns bedanken für Ihre Bereitschaft, nach Frankfurt zu kommen und über ihre Filme zu diskutieren, und bei Ihnen, dem Publikum von VERSO SUD, für Ihre langjährige Treue und Ihr Interesse am italienischen Kino. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Stöbern durchs Programm und vor allem schöne Festivaltage mit spannenden Filmen und interessanten Gästen. Non essere cattivo ≥ S. 21
Benvenuti e buona visione!
Andreas Beilharz Deutsches Filminstitut – DIF / Deutsches Filmmuseum Francesco Bono Franco Montini Piero Spila Made in Italy
Einleitung Neues italienisches Kino
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Das Kino der Erlösung und die »Terra di Mezzo« Piero Spila Konjunkturabschwung, die Unsicherheit der Jugend, soziale Unruhe, korrupte Politik und Kriminalität. Dies sind die Themen, die unsere Zeit bestimmen und mit denen das aufmerksame Kino sich auseinandersetzt, indem es Krisensituationen abbildet, aber auch Lösungsmöglichkeiten anbietet. Manchmal lassen sie sich nur mit schwierigen, aber notwendigen Entscheidungen umsetzen. Manchmal braucht es als Auslöser Fantasie oder die Willensstärke, manchmal ein Zeichen der Veränderung.
Suburra ≥ S. 27
Der Ausdruck „Terra di mezzo“ ist in den italienischen Zeitungen, die soziale und politische Korruption anprangern, in Mode gekommen. Es ist die Definition für eine Zwischenwelt. Die „Terra di mezzo“ bezeichnet eine undefinierte Grauzone. Sie liegt zwischen einem „Darüber“, einer Sphäre, in der diejenigen tätig sind, die etwas zählen und Entscheidungen treffen, und einem „Darunter“, in dem diejenigen leben, die gezwungen sind, diese Entscheidungen zu ertragen und die versuchen, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu überleben. Und dazwischen befindet sich eben der Raum, in dem man „Dinger drehen“ kann, kriminelle Handlungen. Aber zum Glück ist es gleichzeitig auch ein Raum, in dem man nach einem besseren Leben, nach Erlösung streben und dem Wunsch nach Veränderung Ausdruck verleihen kann. Eine sehr schematische,
Einleitung Neues italienisches Kino
aber effiziente Beschreibung (es ist kein Zufall, dass sie von einem Boss der Unterwelt erfunden wurde), mit der sich einige zeitgenössische Phänomene analysieren lassen. Zufälligerweise (aber, wie man weiß, gibt es gar keine Zufälle) scheinen fast alle Filme der diesjährigen Edition von VERSO SUD in irgendeiner Form an diese „Terra di mezzo“ zu erinnern. An den Ort oder die Situation, wenn man nicht von der Stelle kommt, man sich aber an einem bestimmten Punkt entscheidet, zu reagieren, ob unbewusst oder bewusst, und dem eigenen Leben eine Wende zu geben. Auf der einen Seite gibt es eine Art Radiographie eines Zustands von Passivität, in der die Kriminalität und die Ungerechtigkeit die Überhand zu gewinnen scheinen. Stefano Sollimas SUBURRA, ein Gangsterfilm, der an Roms Küste spielt, einem Gebiet, das von korrupten Politikern und um ihre Existenz fürch tenden Banditen umkämpft ist, und Alessandro Pivas MILIONARI, der im durch Generationenkonflikte und Familienfehden um eine gleichermaßen heißersehnte wie auch kurzlebige Vorherrschaft vergifteten Neapel spielt; auf der anderen Seite wird von jenen erzählt, die sich stattdessen entscheiden, aktiv zu werden – in diesem Fall bezeichnenderweise weibliche Figuren, wie die Protagonistinnen in PER AMOR VOSTRO, LEA und VERGINE GIURATA.
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Die Protagonistin in Giuseppe M. Gaudinos PER AMOR VOSTRO ist eine Frau, die so sehr in ihren Pflichten als Mutter und Ehefrau gefangen ist, dass sie sich entschlossen hat, nichts mehr von dem zu sehen, was um sie herum geschieht. Auch wenn es sich dabei um verachtungswürdige und brutale Dinge handelt, widmet sie sich nur dem, was sie für ihre Pflicht hält. Das Verhalten einer Komplizin, ein Verhalten „euch zu Liebe“, wie der Titel des Films verrät, das sie aber letztlich nicht bis zum bitteren Ende durchhalten kann. Denn sie ist eine Frau, die sich trotz allem ein Fünkchen Menschlichkeit bewahren konnte und die sich an einem gewissen Punkt entschließt, diese zum Ausdruck zu bringen. Die Protagonistin von LEA wiederum sieht alles, von Anfang an, und weiß genau, dass sie in einer kriminellen Familie lebt, die in einem Geflecht aus Übergriffen und Gewalt agiert. Lea Garofalo (eine Frau, die es wirklich gegeben hat) hat den Impuls, zu reagieren, als sie realisiert, dass sie sich für ihre Tochter ein anderes Leben wünscht als das, was sie bisher kennengelernt hat. Sie reagiert mit den einzigen Waffen, die sie hat: Sie erstattet Anzeige gegen ihre mafiöse Familie und vertraut sich der Justiz an. Eine dramatische Entscheidung für ihr Leben, denn bald schon muss sie nicht nur mit dem Risiko der Rache fertig werden, sondern auch mit der Schäbigkeit und Unachtsamkeit
LEA ≥ S. 16
Einleitung Neues italienisches Kino
ihrer Beschützer, die sie zu dem machen soll, was sie ist: Ein Beispiel für andere Frauen, die den gleichen Weg wie sie gehen werden. Sie bringt das größte Opfer dafür. Aber es ist nicht umsonst, denn ihr Kampf wird von einer ebenso mutigen Frau weitergeführt: ihrer jungen Tochter. Hana, die Protagonistin in VERGINE GIURATA, Laura Bispuris Erstlingswerk, lebt in einem Dorf in den albanischen Bergen, einer Gemeinschaft, die erdrückt wird von einem Patriarchat, das auf eisernen Regeln der Vergangenheit beharrt. Um einem vom Unglück vorgezeichneten Schicksal zu entfliehen, wird Hana schließlich sogar auf ihre Identität verzichten, doch am Ende wird sich etwas in ihr auflehnen, und Dank der Begegnung mit einer neuen Realität (Italien) wird sie einen Ausweg finden. Ein möglicher „Ausweg“ findet sich aus in Paolo Virzìs Komödie LA PAZZA GIOIA. Es ist die Geschichte einer Frauenfreundschaft, der es gelingt, die Einflüsse der sozialen Ausgrenzung und der psychischen Beeinträchtigung zu überwinden. Kern des Films ist dabei die Wahlverwandtschaft zweier Frauen, mit großer Grazie verkörpert von Valeria Bruni Tedeschi und Micaela Ramazzotti. Man spricht stets von Familie, Geheimnissen und Missverständnissen, manchmal mit dem
düsteren Tonfall des Dramas, mal mit der Leichtigkeit der Komödie und in wieder anderen Fällen mit dem Grotesken, in Filmen wie ANIME NERE, LATIN LOVER und SE DIO VUOLE. Im Kern von Francesco Munzis ANIME NERE stehen drei Brüder kalabrischen Ursprungs, mehr oder weniger direkt involviert in die Geschäfte der organisierten Kriminalität. Ein erdrückender Kontext, in dem auch diejenigen, die sich von dieser Kriminalität entfernen wollen, indem sie in eine andere Stadt ziehen oder ihre Gewohnheiten ändern, am Ende dem Ruf der Familie folgen und von ihr absorbiert werden. Der einzige Ausweg scheint eine extreme und doch unausweichliche Rebellion, wie das überraschende Finale vermuten lässt. Im Mittelpunkt von Cristina Comencinis LATIN LOVER stehen die Feierlichkeiten zum zehnten Todestag eines großen italienischen Schauspielers. Für seine Liebsten und engsten Vertrauten (Ehefrauen, Kinder, Kollegen) könnte dies eine Gelegenheit sein, sich an ihn und seine Leistungen zu erinnern. Stattdessen wird die Veranstaltung schnell zu einem Schlachtfeld, auf dem jeder gegen jeden kämpft. Erst am Ende realisiert man, was sich (aus Bequemlichkeit und Notwendigkeit) hinter dem Glamour und dem Charisma dieser Persönlichkeit des öffentlichen Lebens versteckte. Auch hier entsteht aus einer
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schmerzvollen Bewusstwerdung die Kraft, eine ehrlichere und leichter zu ertragende Zukunft zu gestalten. Cristina Comencini unterstreicht mit diesem Film ihre Fähigkeit, viele unterschiedliche Darsteller zu einem stimmigen Ganzen zusammenzufügen. Außerdem gönnt sie sich eine herzliche Hommage an das italienische Kino. Auch bei SE DIO VUOLE, Erstlingswerk von Edoardo Falcone und großer Erfolg der letzten Kinosaison, stehen die Themen Familie und Missverständnisse im Vordergrund. Der Protagonist ist ein Vater, der sich als Karrieretyp und Macho für seinen geliebten Sohnemann eine Zukunft voller Erfolge vorstellt. Alles sollte klar sein, aber die Lage verkompliziert sich, da der Junge merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag legt. Er scheint eine Krise zu durchleben, unglücklich zu sein. Der Vater vermutet Homo sexualität als Grund (für einen Mann wie ihn ein echter Affront). Aber die Wahrheit ist sogar noch unerträg licher: Die Krise des Sohnes ist religiöser Natur, und er will doch tatsächlich Priester werden! Für den Vater ist es nicht leicht, es mit dem Glauben und der Macht Gottes aufzunehmen. Das Drehbuch des Films steckt voller Überraschungen, aber vor allem gelingt es ihm, Themen zu behandeln, die normalerweise in leichtgängigen Komödien mit ihren
Einleitung Neues italienisches Kino
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Stereotypen und Standardlösungen nicht zu finden sind.
Anime Nere ≥ S. 14
Das Programm von VERSO SUD beinhaltet auch einen der größten Erfolge der letzten Kinosaison, der wiederum einen anderen Umgang mit schwierigen Gegebenheiten nahelegt. Der Protagonist von LO CHIAMAVANO JEEG ROBOT – der überraschende Erstling von Gabriele Mainetti – lebt in Tor Bella Monica, einem Stadtteil der äußersten Peripherie Roms. Er ist ein junger Mann, der von kleinen Raubüberfällen lebt und keinerlei Mitleid für das Prekariat zu hegen scheint. Nach einem Unfall entdeckt er an sich übermenschliche Kräfte und beginnt daraufhin, wie ein „Superheld“ zu handeln, indem er das Böse und die Ungerechtigkeit bekämpft. Ein Film, der einem Märchen für Erwachsene gleicht und der die Grenzen der Genres überwindet, um mit einem Lächeln und viel Ironie einige bittere Aspekte der Gegenwart (Einsamkeit, Gewalt und Depression) zu erzählen. Das Geheimnis, das Missverständnis, die Schwierigkeit, sich zwischen Wahrheit und Fiktion zu entwirren, bilden den Erzählstoff von Gianfranco Cabiddus LA STOFFA DEI SOGNI. Der Film, der den Zauber eines Shakespeare-Traums und den wilden Charme eines abseits von allem gelegenen Orts (dem Hochsicherheitsgefängnis von Asinara) verbindet, behandelt sehr tiefsinnige Probleme.
Einleitung Neues italienisches Kino
Die Überlebenden eines Schiffsbruchs, bestehend aus Theaterschauspielern und Sträflingen, vermischen sich und lassen sich nicht mehr auseinanderhalten. Weder Gesetze noch Drohungen oder Erpressungen können hier helfen. Es gibt nur eines: Man muss sie ein Stück auf die Bühne bringen lassen und versuchen, auf diese Weise herauszufinden, „wer wer ist“. Aber wird das funktionieren? Und wie leicht lassen sich Mitleid von Rache, Liebe von Hass wirklich unterscheiden?
Milionari ≥ S. 19
Auch einer der am heißesten erwarteten Filme der letzten Jahre, NON ESSERE CATTIVO von Claudio Caligari, der nach einer langen Pause ans Set zurückkehrte und von einer schweren Krankheit getroffen wurde (er starb kurz nach Abschluss der Dreharbeiten), bezieht sich auf die kulturelle und soziale „Terra di mezzo“. Ein in vielerlei Hinsicht extremer Film, der in den Neunziger jahren angesiedelt ist und zunächst wenig Raum für Hoffnung zu lassen scheint. Auch die von Pier Paolo Pasolini in den Sechzigerjahren geschaffenen Figuren (ACCATTONE und MAMMA ROMA) kann man sicher in die „Terra di mezzo“ einordnen. Dabei erhob Pasolini Anklage gegen den kulturellen Genozid und die globale Vereinheitlichung durch den Konsum, eine brutale Veränderung, die alle gleich zu machen schien, die Kinder des Proletariats und des Bürgertums. Pasolini hörte auf, sich
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mit dieser Welt zu beschäftigen und folgte anderen, noch extremeren Umständen (in Afrika und Asien). Claudio Caligari setzt mit NON ESSERE CATTIVO genau an diesem offen gebliebenen Punkt an. Seine Protagonisten frequentieren Nachtlokale, fahren schnelle Autos, tragen Rolex und Markenklamotten zur Schau, „knallen sich zu“ mit synthetischen Drogen und Kokain. Pasolinis Figuren waren isoliert und standen außerhalb der Geschichte, Caligaris Figuren hingegen sind Teil der organisierten Kriminalität, Komplizen und Vollstrecker. Der „Genozid“ ist inzwischen vollzogen und der einzige Ausweg scheint im Film das Gefühl der Freundschaft zu bieten, das sich jedoch auch als verwundbar und ungenügend erweist. Der Film endet mit dem Tod, aber auch mit der Geburt eines Kindes. Alles kann also von Neuem beginnen. Weiterhin sind im Programm von VERSO SUD auch eine Reihe interessanter Dokumentarfilme und ein echtes Juwel des Autorenkinos zu sehen. Bruno Colellas MY ITALY (Italien, gesehen mit den Augen und den Erfahrungswerten von vier Künstlern, Protagonisten der internationalen Kunst), Giovanni Codas IL ROSA NUDO (in Gedenken an das Grauen der Konzentrationslager und der Verfolgung Homosexueller im Faschismus) und Pierfrancesco Li Donnis LORO DI NAPOLI (erstaunliches Abenteuer einer Fußballmannschaft aus Migranten zweiter Generation, im Kampf gegen die
Einleitung Neues italienisches Kino
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sozialen Vorurteile und die Stumpfsinnigkeit der Bürokratie). Das Juwel des Autorenkinos bezeichnet hingegen Pietro Marcellos BELLA E PERDUTA: Eine lange Reise durch das Italien unserer Zeit, bestritten von einem Hirten und einem Büffel, eine beinahe magische Geschichte, schwebend zwischen dem Zauber der Orte und den Echos eines Märchens der Gegenwart. „Bella“ ist sicherlich Italien (wie der Titel suggeriert), das jedoch riskiert „perduta“ (also verloren) zu gehen. Und dieses Risiko zu umgehen, bedarf es einer Willens regung, ein wenig Fantasie und viel Mut. Das ist es, was viele Filme des Programms nahelegen.
BELLA E PERDUTA ≥ S. 15
Montag, 05.12. 20:30 Uhr
Neues italienisches Kino
ANIME NERE Schwarze Seelen
mir frei adaptierten Vorlage, mit der Bitte um Hilfe. Als ich nach Kalabrien kam, war ich beladen mit Vorurteilen und Ängsten. Was ich dann vorfand, war eine hochkomplexe und differenzierte Realität. Vor meinen Augen verwandelte sich das anfängliche Misstrauen in Neugierde und man öffnete uns die Türen. Ich habe Einwohner von Africo unter meine Schauspieler gemischt, sie zum Teil der Truppe gemacht und spielen lassen. Ohne sie wäre dieser Film wesentlich ärmer. Africo hat eine harte Historie der Kriminalität hinter sich, die helfen könnte, viele Aspekte unseres Landes zu verstehen. Von Africo aus hat man einen besseren Blick auf Italien.
Italien 2014 · 109 Minuten · OmU Regie: Francesco Munzi Drehbuch: Francesco Munzi, Fabrizio Ruggirello, Maurizio Braucci, nach einem Roman von Gioacchino Criaco Kamera: Vladan Radovic Schnitt: Cristiano Travaglioli Ausstattung: Luca Servino Musik: Giuliano Taviani Produktion: Luigi Musini, Olivia Musini, Fürabio Conversi für Cinema Undici, Babe Films Darsteller: Marco Leonardi (Luigi), Peppino Mazzotta (Rocco), Fabrizio Ferracane (Luciano), Barbora Bobulova (Valeria), Anna Ferruzzo (Antonia), Giuseppe Fumo, Pasquale Romeo, Stefano Priolo, Vito Facciolla, Cosimo SpagnoloSalvatore Schembari, Michel angelo Balistreri, Santo D’Aleo, Attilio Ferrara
INHALT Die Geschichte dreier kalabresischer Brüder, Luciano, Rocco und Luigi. Letzterer, der jüngste der drei, ist im internationalen Drogengeschäft aktiv, während der Wahl-Mailänder Rocco als Unternehmer von Luigis schmutzigem Geld profitiert. Und dann ist da noch der Älteste der drei, Luciano, der immer noch der Idee eines präindustriellen Kalabriens nachhängt. Aufgrund eines banalen Streits unternimmt sein Sohn Leo, ein junger Mann ohne Identität, einen Versuch, die Betreiber einer Bar einzuschüchtern, die im Besitz eines gegnerischen Klans ist. Was andernorts eine Kleinigkeit gewesen wäre, wird in Aspromonte zum Problem, und Luciano muss erneut die tödliche Tragödie seines Vaters durchleben, was seine beiden Brüder in das Dorf ihrer Kindheit zurückruft, um sich den ungelösten Konflikten der Vergangenheit zu stellen.
Francesco Munzi ÜBER ANIME NERE Ich habe den Film in Africo gedreht, einem Dorf, das in juristischen und journalistischen Kreisen als einer der mafiösesten Orte Italiens stigmatisiert ist, einem der neuralgischen Zentren der ’Ndrangheta, einer kalabrischen Vereinigung der Mafia. Alle versuchten, mich davon abzubringen, als ich von meiner Absicht erzählte, dort zu drehen – die Gegend sei zu schwierig, zu unzugänglich, zu gefährlich. Der Film schien unmöglich. Also wandte ich mich an Gioacchino Criaco, den Autor der von
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verleiht. Es gelingt dem Film wunderbar, ein seltenes Gleichgewicht zwischen Geschichte und Kontext, zwischen der Kraft der Fiktion und dem Konkreten des Realen herzustellen. Munzi inszeniert die Geschichte mit einer klassischen Linearität, ist auf Psychologie ebenso bedacht wie auf Setpieces und nutzt die Ausdrucksstärke und Authentizität seiner engagierten Darsteller bestmöglich, um das Netz einer Geschichte zu flechten, in der der Realismus der Schauplätze und der Verhaltensweisen die Auflösung der finalen Tragödie noch verstärken, die wie ein veritabler Schlag in die Magengrube trifft und einen stumm und bewundernd zurücklässt. — Paolo Mereghetti, Corriere della Sera
Pressestimmen ANIME NERE ist ein Film von außergewöhnlicher emotionaler Kraft und narrativer Kohärenz, eine Art elisabethanischer Tragödie, angesiedelt im dunkelsten Teil von Kalabrien, wo das Schicksal einer Familie seinen unausweichlichen, blutigen Tribut fordert. Er zeichnet ein gleichermaßen subtiles wie präzises Porträt einer Lebensart, die den Jahrhunderten und den Gesetzen getrotzt hat, die tief in alten Traditionen und unveränderlichen Gebräuchen verankert ist und dem Drama eine zusätzliche und konkretere Bedeutungsebene als Sittengemälde
Francesco Munzi (geb. 1969 in Rom) studierte erst Politikwissenschaften und anschließend Regie am Centro Sperimentale di Cinematografia in Rom. Zahlreiche Kurz- und Dokumentarfilme, unter anderem NASTASSIA, L’ETÀ INCERTA und GIACOMO E LUO MA. 2004 wird sein Spielfilmdebüt SAIMIR bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig gezeigt, dem 2008 IL RESTO DELLA NOTTE (2008) folgt. Bei der Verleihung der David di Donatellos wurde ANIME NERE (2014) mit neun Preisen ausgezeichnet.
Samstag, 26.11. 16:00 Uhr
Montag, 28.11. 18:00 Uhr
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BELLA E PERDUTA Eine Reise durch Italien Italien 2015 · 87 Minuten · OmU Regie: Pietro Marcello Drehbuch: Maurizio Braucci, Pietro Marcello Kamera: Pietro Marcello, Salvatore Landi Schnitt: Sara Fgaier Musik: Marco Messina, Sasha Ricci Produktion: Sara Fgaier, Pietro Marcello für Avventurosa Darsteller: Tommaso Cestrone (Er selbst), Sergio Vitolo (Er selbst), Gesuino Pittalis (Pulcinella), Elio Germano (Sarchiapones Stimme)
INHALT Aus dem Innersten des Vesuvs wird Pulcinella in das gegenwärtige Kampanien entsandt, um den letzten Willen Tommasos, eines einfachen Bauern, zu erfüllen: einen jungen Büffel namens Sarchiapone zu retten. Im Königshof von Carditello, einer alten, längst verlassenen, im Herzen Kampaniens gelegenen Bourbonenresidenz, um deren Ruine Tommaso sich kümmert, findet Pulcinella den Büffel und führt ihn mit sich gen Norden. Der Mann und das Tier unternehmen eine lange Reise durch Italien, an deren Ende sich nicht das finden wird, was sie erwartet hatten.
Pietro Marcello ÜBER BELLA E PERDUTA Der Film entspringt dem Gedanken, eine Reise durch Italien zu unternehmen, die den ganzen Stiefel entlang verläuft. Ich habe gelernt, Italien und seine Landschaft aus dem Zugfenster zu betrachten, um dabei jedes Mal ihre Schönheit und ihren Verfall wiederzuentdecken. Ich habe oft darüber nachgedacht, einen Reisefilm zu realisieren, der diese Landschaft ganz durchquert, und so zu versuchen, etwas über Italien zu erzählen: schön - ja! - und doch verloren. Auch Giacomo Leopardi beschrieb Italien als weinende Frau, die sich aufgrund ihrer Geschichtsträchtigkeit und des atavistischen Übels, zu schön zu sein, die Haare rauft. Beginnend mit meiner Heimat, Kampanien, bin ich im Laufe des Projekts auf die Figur des Tommaso Cestrone und auf die bourbonische Residenz von
Carditello gestoßen, die seit Jahrhunderten ihrem Verfall überlassen ist. Die Geschichte dieses Hirten, der sich um das verlassene Gebäude kümmert, sollte ursprünglich lediglich eine Episode des Films werden. Doch dann ist Tommaso Cestrone während der Dreharbeiten gestorben, und es schien uns wichtig, diese Erzählung durch einen Film fortzuführen, der zugleich Dokumentarfilm, Traum (und, wie alle Träume, voller Bezüge zur Realität) und Märchen der Gegenwart ist.
Pressestimmen Paladine der Drehbücher, in denen alles geschrieben und erklärt steht, eingefleischte Verteidiger der erzählerischen Linearität, Waisen des Genrekinos und seiner starren Grenzen, bitte enthaltet euch! Der Film von Pietro Marcello ist nichts für Euch. Alle Anderen mögen sich jedoch nicht die Gelegenheit entgehen lassen, ein Kino zu erleben, das fähig ist, auszubrechen aus den trägen Grenzen zwischen Dokumentarfilm und Fiktion, zwischen Konkretheit und Phantasie, in der man die reellen Dinge mittels Poesie versteht und das Märchen aus der Berichterstattung geboren wird. Eine Reise durch Italien, die aus dem Verwischen der Differenzen zwischen Dokumentarfilm und Fiktion Ehre schöpft. Tatsächlich ist es schwierig, eine geeignete Bezeichnung für
diesen Film zu finden. Wirklichkeit und Märchen, Träume und Sachzwänge: Der Film wechselt stets von einem Register zum anderen, angeführt eher von den gefilmten Ereignissen als von einem ausgearbeiteten Drehbuch. Auf einer scheinbar ziellosen Reise ohne feste Route, überwindet BELLA E PERDUTA (der Titel bezieht sich natürlich auf Italien) mit einem Sprung die Vorurteile gegenüber dem Kino, der Geschichte oder der Politik hinter uns her schleppen, und treibt uns“ ersetzen durch „dass es schwer am Ballast von Geschichte und Politik schleppt, und lehrt uns, die weltliche Wirklichkeit durch die Poesie zu erklären und durch die Märchen das Leben lieben zu lernen. — Paolo Mereghetti, Corriere della Sera
Pietro Marcello (geb. 1976 in Caserta)
studierte an der Accademia di Belle Arti und arbeitete von 1998 bis 2003 als Organisator von Filmfestivals. 2003 drehte er seine ersten Kurzfilme CARTA und SCAMPIA, denen 2004 und 2005 die beiden Dokumentarfilme IL CANTIERE und LA BARACCA folgten. 2007 wurde er mit IL PASSAGGIO DELLA LINEA international bekannt. 2009 gewann sein Film LA BOCCA DEL LUPO den Hauptpreis des Torino Film Festival, 2011 folgte IL SILENZIO DI PELESJAN.
Donnerstag, 01.12. 18:00 Uhr
Freitag, 02.12. 20:00 Uhr
LEA
Italien 2015 · 95 Minuten · OmeU Regie: Marco Tullio Giordana Drehbuch: Marco Tullio Giordana, Monica Zappelli Kamera: Roberto Forza Schnitt: Francesca Calvelli Ausstattung: Giancarlo Basili Musik: Franco Piersanti Produktion: Bibi Film, Rai Fiction Darsteller: Vanessa Scalera (Lea Garofalo), Linda Caridi (Denise), Alessio Praticò (Carlo), Mauro Conte (Floriano), Antonio Pennarella (Massimo), Diego Ribon (Don Luigi), Matilde Pierna, Bruno Torrisi, Roberta Caronia, Annalisa Insardà, Stefano Scandaletti, Andrea Lucente, Paco Reconti, Francesco Reda
INHALT Lea Garofalo ist in einer kriminellen Familie aufgewachsen. Auch die Familie ihres Mannes ist kriminell. In den Vater ihrer Tochter Denise hat Lea sich als junges Mädchen verliebt. Für Denise jedoch wünscht sie sich ein anderes Leben, ein Leben ohne Gewalt, ohne Lügen und Angst. Sie beschließt, mit der Justiz zusammenzuarbeiten und wird mit der Tochter unter strengen Zeugenschutz gestellt. Ein schwieriges und riskantes Leben beginnt. Um der Rache ihrer Familie zu entgehen, muss Lea mehrfach ihren Namen und Aufenthaltsort ändern. Aus banalen bürokratischen Gründen wird ihr der Schutz schließlich wieder entzogen. Sie steht ohne Geld und ohne Arbeit da, weshalb sie sich an ihren Ehemann wendet, um die gemeinsame Tochter ernähren zu können. Aber er nutzt die Situation aufs Schändlichste aus. Lea wird entführt, gefoltert und schließlich ermordet. Obwohl sie noch so jung ist, beugt sich Denise dem Druck nicht. Sie ermöglicht, die Mörder ihrer Mutter zu finden und vor Gericht zu stellen und tritt im Prozess gegen ihren Vater selbst als Nebenklägerin auf.
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kämpfen: die Geschichte einer Gefallenen, die den Mut hat, sich zu wehren, selbst als Zeugin aufzutreten und die Wirklichkeit nicht als etwas Vorherbestimmtes zu akzeptieren. Sie ist eine dieser Persönlichkeiten, die mir immer gefallen haben, unnachgiebig und rebellisch. Denn die einzige Hoffnung, in eine Struktur wie die der ‘Ndrangheta einzudringen, besteht darin, ihre Macht vollständig zu zerpflücken. Dies wird von Frauen ermöglicht, die nicht mehr die treuen Hüterinnen der mafiösen Traditionen sein wollen. Ich frage mich, ob auch ein Mann Leas Entscheidung hätte treffen können. Ich denke nicht. Der im Film dargestellte Fall konnte nur einer Frau widerfahren, weil die Mutterschaft für jede Frau der Beginn eines neuen Lebens ist und der Wunsch, dem Kind eine bessere Welt zu schenken, für sie stärker wird als alles andere.
Pressestimmen Im Zeichen des Kinos von Elio Petri und Luca Damiani, aber mit einer neuen Sensibilität. Und wenn möglich mit noch mehr Effizienz im Vergleich zu seinen Filmen LA MEGLIO GIOVENTÙ und I CENTO PASSI. Der neueste Film von Marco Tullio Giordana trägt den Namen einer Frau: Lea, eine Heldin unserer Zeit. Kein Opfer, wie der Regisseur erklärt, sondern einfach eine „in der Schlacht Gefallene“. Der Krieg geht gegen das Gesetz des Schweigens, gegen die Befangenheit Süditaliens, gegen die patriarchale Macht der Clans Kalabriens. Der Film beruht auf einer dramatischen wahren Begebenheit, er ist düster, aber frei von Rhetorik und jeder schmückenden Sentimentalität. — Pier Francesco Borgia, Il Giornale
Marco Tullio Giordana ÜBER LEA Lea Garofalos Geschichte hat mich tief beeindruckt. Es ist nicht die Geschichte eines Opfers, sondern die Geschichte einer Frau, die in sich selbst die Kraft findet, zu reagieren und zu
Marco Tullio Giordanas Film verdient einen Applaus. Er ist eine nüchterne, trockene und schmucklose Hommage an eine große Frau. Man bekommt nicht einen einzigen Tropfen Blut, keine
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der in Mafiafilmen sonst so üblichen Gewaltszenen zu sehen. Das ist eine weise Entscheidung, vor allem, weil dadurch der Figur Lea Garofalo kein Raum und keine Aufmerksamkeit entzogen wird. Sie steht im Mittelpunkt der Geschichte und ist stärker als Pistolenschüsse, Blut und Leichen. Lea ist ein Film, den man in den Schulen zeigen sollte, denn Lea Garofalo geht daraus als ein Beispiel für Mut und Moral hervor, als ein echtes Vorbild für all diejenigen, die noch die Kraft haben, sich zu wehren. — Domenico Naso, Il Fatto Quotidiano
Marco Tullio Giordana (Mailand, 1950). Nachdem er 1977 an Roberto Faenzas Film FORZA ITALIA! mitgewirkt hat, debütiert er 1980 mit MALEDETTI VI AMERÒ, mit dem er das Festival von Locarno gewinnt. Es folgen die Filme LA CADUTA DEGLI ANGELI RIBELLI (1981), PASOLINI UN DELITTO ITALIANO (1995), I CENTO PASSI (2000), LA MEGLIO GIOVENTÙ (2003), QUANDO SEI NATO NON PUOI PIÙ NASCONDERTI (2005), SANGUE PAZZO (2008) und ROMANZO DI UNA STRAGE (2012). Er ist außerdem Autor des Romans Vita segreta del signore delle macchine (1990) und Theaterregisseur. Für das Fernsehen hat er die Filme NOTTI E NEBBIE (1983) und LEA (2015) gedreht.
Freitag, 02.12. 22:00 Uhr
Dienstag, 06.12. 20:30 Uhr
LO CHIAMAVANO JEEG ROBOT They Call Me Jeeg Robot Italien 2016 · 112 Minuten · OmeU Regie: Gabriele Mainetti Drehbuch: Nicola Guaglianone, Roberto Marchionni Kamera: Michele D’Attanasio Schnitt: Andrea Maguolo Ausstattung: Massimiliano Sturiale Musik: Gabriele Mainetti, Michele Braga Produktion: Gabriele Mainetti für Goon Films Darsteller: Claudio Santamaria (Enzo Ceccotti), Luca Marinelli (Zingaro), Ilenia Pastorelli (Alessia), Stefano Ambrogi, Maurizio Tesei, Francesco Formichetti, Daniele Trombetti, Antonia Truppo, Salvo Esposito, Gianluca Di Gennaro
INHALT Enzo Ceccotti kommt mit einer radioaktiven Substanz in Berührung. In Folge eines Unfalls entdeckt er an sich übermenschliche Kräfte. Schattenhaft, introvertiert und verschlossen wie er ist, nimmt Enzo seine neuen Kräfte wie ein Geschenk und sieht sie als Segen für seine Gangsterlaufbahn. Das ändert sich jedoch, als er auf Alessia trifft, die davon überzeugt ist, dass es sich bei ihm um den Titelhelden des berühmten japanischen Anime Jeeg Robot handelt.
Gabriele Mainetti ÜBER LO CHIAMAVANO JEEG ROBOT Die Idee für den Film kam vor einigen Jahren auf, doch die Entwicklung des Projektes erwies sich als äußerst kompliziert, denn niemand war bereit, darauf zu setzen. Alle Produzenten sagten mir, dass es ein absurdes Unterfangen sei. Sie fürchteten, dass es ein Flop geworden wäre. Ich aber habe nicht lockergelassen. Die Kraft des Films steckt in den Figuren, die eine ganz konkrete Identität aufweisen. Enzo ist düster und Alessia sozusagen der Regenbogen, der in sein Leben tritt und Zingaro ein Wahnsinniger. Beim Verfassen des Drehbuchs haben wir uns auf die Facetten, die Komplexität und die Schwächen der drei konzentriert. Ziel war es, sie so zu gestalten, dass sie den Zuschauer begeistern. Das war nicht einfach und wir riskierten dabei, einen Genrefilm daraus zu machen, doch heute muss das Kino – um eine Bresche zu schlagen – von Gegenwärtigkeit handeln.
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Pressestimmen Er ist der erste geglückte – also sozial und psychologisch glaubhafte – Super held des italienischen Kinos nach Salvatores IL RAGAZZO INVISIBILE, der so glanzlos und voller guter Absichten war, dass er wie der Held eines postmodernen Cuore gestrickt zu sein schien. Ganz anders hingegen LO CHIAMAVANO JEEG ROBOT, der schon im Titel eine ironische Pflicht gegenüber den Pop-Mythen deklariert, die er mal mehr, mal weniger ab- und an anderer Stelle für den lokalen Gebrauch wieder aufbaut, wie es echter Mythologie geziemt. Während der mailändische Regisseur sich an einer didaktischen Erzählung bürgerlichen Aufstiegs versuchte, zückt der in jeder Hinsicht römische Gabriele Mainetti, Jahrgang 1976, die ActionfilmKarte im Milieu der Unterschicht, das in diesem Zusammenhang schon immer für mehr Kreativität bürgte (die Spitznamen, die in jeder kapitolinischen Bar kursieren, beweisen, dass Rom auf seine Art jede Kultur oder Subkultur verdaut und überarbeitet), mit einem Sinn fürs Parodistische, der seinen Antihelden der Peripherie ihre eigene Weltanschauung und Gefühlswelt zugesteht. All das aber ohne glänzende Kostüme, Flüge über der Metropole oder andere Protzereien; das wäre besserer Stoff für Marvel. Mainetti reichen dagegen in seinem Spielfilmdebüt nach mehreren, oftmals prämierten Kurzfilmen, die „Monster“ unserer Gefilde. Während Ceccotti herkulische Kräfte in sich entdeckt, hier das wilde Pack der
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weiteren Darsteller: Ein pathologisch schwindelnder Bandit, geschminkt im Stil der ROCKY HORROR PICTURE SHOW, der für Anna Oxa und Loredana Bertè schwärmt (Luca Marinelli, immer fantastisch, aber viel zu witzig, um tatsächlich Furcht einzuflößen). Eine halbverrückte Prolo-Frau, gespielt von der bisher noch unbekannten und extrem talentierten Ilenia Pastorelli, die neben dem überragenden Santamaria das wahre Ass des Films ist. All das gespickt mit tölpelhaften und zumeist unwiderstehlichen Gags (etwa die Suche nach einem abgehackten Finger), verzeihlichen Längen (90 Minuten wären besser als 112 gewesen), vielen authentischen und gut gewählten Gesichtern, da es hier sogar politische Untertöne gibt. Auf dem „Festa di Roma“ hochgelobt, besitzt der Film alle Qualifikationen für einen Auswärtssieg. — Fabio Ferzetti, Il Messaggero
Gabriele Mainetti (geb. 1976 in Rom),
studierte nach seinem Diplom Regie in New York und Schauspiel in Rom. Er debütierte 1999 als Schauspieler in Carlo Vanzinas Film IL CIELO IN UNA STANZA und spielte danach in vielen Fernsehserien mit, u. a. in Stiamo bene insieme (2002), La omicidi (2004), Tutti per Bruno (2010). 2014 drehte er seinen ersten Kurzfilm IL PRODUTTORE, dem BASETTE (2008) und TIGER BOY (2012) folgten. LO CHIAMAVANO JEEG ROBOT ist sein Debütspielfilm.
Montag, 05.12. 19:00 Uhr
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LORO DI NAPOLI Die aus Neapel Italien 2015 · 75 Minuten · OmeU Regie: Pierfrancesco Li Donni Drehbuch: Pierfrancesco Li Donni, Giacomo Bendotti, Erik Gandini Kamera: Chiara Caterina Schnitt: Matteo Gherardini Musik: Raffaele Inno Produktion: Alfredo Borrelli, Cristina Rajola, Lorenzo Borrelli für Own Air Darsteller: Antonio Gargiulo, Sergio Paolucci, Adam Toure Alassane, Maxime Kesse Blondet, Raffaele Shassah, Rony Cabral, Mario Gonzales, Monaam Amiri, Aldair Soares, Mansour Diop, Emerson Brito Sousa, Fabio Elisio Monteiro
INHALT In Neapel wird 2009 der Afro-Napoli United gegründet, ein Fußballclub neapolitanischer Migranten, die aus Afrika und Südamerika stammen, zusammengesetzt aus Italienern zweiter Generation und Neapolitanern. Unter ihnen sind Adam, Lello und Maxime. Adam stammt von der Elfenbeinküste, lebt im neapolitanischen Vorort Secondigliano und verbringt seine Tage damit, seinen Traum von einem Job – und sei es ungesetzlich – nachzueifern. Im Afro-Napoli spielt er als Torhüter. Lello ist in Neapel geboren, im spanischen Viertel, als Ergebnis einer Verbindung zwischen einem Neapolitaner und einer Marokkanerin. Seine Eltern ließen ihn nie in das Einwohnerverzeichnis eintragen, weswegen Lello mit seinen 23 Jahren ein Staatenloser ist. Maxime stammt ebenfalls von der Elfenbeinküste und war in seiner Heimat Mitglied der U17-Nationalmannschaft; nun lebt er in einer Baracke und hofft, eines Tages in einer Mannschaft der ersten Liga spielen zu können. Anfangs spielt der AfroNapoli nur in Amateurturnieren in Neapels Peripherie eine Rolle. Zahlreiche Siege und fünf Jahre später ist es der Traum der Mannschaft, das Spielfeld im Rahmen der Meisterschaften des italienischen Fußballverbandes betreten zu dürfen. Doch das Vorhaben droht an sportlicher Bürokratie und den eisernen italienischen Gesetzen zu scheitern. Dank ihrer Hartnäckigkeit und den Mühen des Vereinspräsidenten gelingt es der Mannschaft dennoch, sich für die Landesmeisterschaft aufstellen zu lassen.
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Pierfrancesco Li Donni ÜBER LORO DI NAPOLI Mit LORO DI NAPOLI wollte ich von einem Teil Italiens erzählen, in welchem sich gelungene Integration innerhalb eines mangelhaften Sozialsystems manifestiert. Man spürt innerhalb der Mannschaft Afro-Napoli eine große Sympathie. Das Witzige dabei ist, dass sogar manche der Jungs ihre eigenen Spielkameraden auf den Arm nehmen, indem sie sie „Neger“ nennen oder Verben im Infinitiv gebrauchen, um sie nachzuahmen. Und dann gibt es da Antonio – ein Vereinspräsident, der all diesen Jungs ein Vater ist, ein großes Vorbild in Sachen Antirassismus und Herzlichkeit. Der Film ist größtenteils das Ergebnis von Beobachtungen, aber natürlich sind manche Szenen auch gestellt bzw. filmische Nachstellungen realer Erlebnisse, die wir hatten. Nach und nach habe ich den Mut dieser Jungs erkannt. Vieles im Film stammt von ihnen - beispielsweise die Szene, in der sich Adam im Bad kämmt, die am zweiten Drehtag entstand und auf Anhieb perfekt war. Die Bewohner Neapels bilden eine unvergleichbare szenische Präsenz. Sie sind unberechenbar und doch sind sie es, die den Film machen.
Pressestimmen Die Grenze zwischen Dokumentarfilm und Fiktion ist im Fall von Pierfrancesco Li Donnis LORO DI NAPOLI derart schmal, dass kaum auffällt, und genau das verleiht dem Film seine Kraft. Es handelt sich um eine wahre Geschichte, auch die Figuren und Schauplätze sind echt, doch Pierfrancesco Li Donni ordnet das
dokumentarische Material auf intelligente Weise, indem er die Etappen und das Pathos klassischer Sportfilmdramaturgie anwendet. Um sich eine Orientierung zu verschaffen, isoliert und verfolgt er einige Figuren, indem er jeder einen persönlichen, kurzen Pfad zuweist; dabei geben die Fußballspiele den Takt vor und läuten die Erzählphasen ein, und aus der Realität entspringt das Szenario einer Stadt voller Gegensätze und Lebenskraft, in der sich allerlei Wege kreuzen. Er hat es dabei nicht nötig, zu sehr auf den sozialen Kehrseiten zu beharren, und wendet sich erst im Finale der Rhetorik zu, so wie es letzten Endes auch sein sollte. — Alice Cucchetti, FilmTv
Pierfrancesco Li Donni (geb. 1984 in Paler-
mo) besuchte an der Cineteca di Bologna einen Kurs der Filmwissenschaft unter der Leitung von Giuseppe Bertolucci und arbeitete danach zusammen mit Paolo Pisanelli an dem Dokumentarfilm JU TARRAMUTU (2010), über das Erdbeben von 2009, das Aquila und die Abruzzen verwüstete. Er war als freier Mitarbeiter bei Repubblica TV, Sky und Rai tätig. Er debütierte 2012 mit dem Dokumentarfilm IL SECONDO TEMPO, über Sizilien und die Mafia. Es folgten der Kurzfilm SEMPRE VIVI (2013), LORO DI NAPOLI (2015) und PRIMA COSA: BUONGIORNO (2016), über die Gegebenheiten in Neapels Außenbezirken.
Mittwoch, 30.11. 20:30 Uhr
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MILIONARI Millionäre
talente einen besonderen, stimulierenden Reiz. Ich selbst bin in Campania geboren und konnte daher gewissen Stimmungen leichter nachspüren. Für mich war der Film auch ein Weg, um zum Ursprung der tiefen Erschütterungen des italienischen Südens vorzudringen, die vielleicht unsere Lust erklären, das Licht und Dunkel, die Tugenden und die Laster unseres Landes zu erzählen.
Italien 2016 · 98 Minuten · OmeU Regie: Alessandro Piva Drehbuch: Massimo Gaudioso, Giacomo Gensini, Alessandro Piva, nach einem Buch von Luigi Alberto Cannavale, Giacomo Gensini Kamera: Renaud Personnaz Schnitt: Alessandro Piva Ausstattung: Antonio Farina Musik: Andrea Farri Produktion: Giuseppe Gargiulo für Compagnia Realizzazioni Cinetelevisive Darsteller: Francesco Scianna (Marcello Cavani), Valentina Lodovini (Rosaria), Carmine Recano (Gennaro), Francesco Di Leva, Salvatore Striano, Gianfranco Gallo, Sharon Alessandri
INHALT In den 80er und 90er Jahren ist Marcello „Alendelòn” Cavani, Ehemann, Vater und Krimineller, der reichste Mann Neapels und verwaltet den Bezirk Rione Monterosa für den Camorra-Boss Don Carmine, der sich seinen Weg an die Spitze mit dem Revolver erobert hat. Als Pate der Brüder Cavani, die beide auf unterschiedliche Weise mit der Camorra verbunden sind, entscheidet allein Don Carmine über Recht und Unrecht. Sein Rückzug aus den Geschäften und die Weitergabe der Macht an seinen Sohn Marcello läutet den Niedergang der Familie und ihrer Geschäfte ein und führt zu ersten Verhaftungen. Im spanischen Exil verliert Marcello Cavani über die Jahre alles – seine Brüder, seine Strahlkraft, sein Vermögen, vor allem aber seine Freiheit. In Folge seiner Verhaftung aufgrund seiner Beteiligung an Drogengeschäften wird er schließlich zum Kollaborateur der Justiz.
Alessandro Piva ÜBER MILIONARI MILIONARI möchte einen extremen Einzelfall erzählen, dadurch aber einen generellen Querschnitt durch ein beunruhigendes Kapitel der italienischen Geschichte ziehen. Mir gefiel die Idee, die Erzählung einer Figur anzuvertrauen, mit der diese Geschichte steht und fällt. Neben den beiden Hauptdarstellern, die keine Napolitaner waren und sich daher mit ihrem ganzen Talent in ihre Rollen stürzen mussten, hatte die Besetzung zahlreicher napolitanischer Nachwuchs-
Pressestimmen Ist es nach GOMORRA überhaupt noch möglich, von napolitanischer Kriminalität zu erzählen? Ja, wie der Staatsanwalt Luigi Alberto Cannavale und der Journalist Giacomo Sensini in ihrem Buch und der von selbigem inspirierte Film von Alessandro Piva zeigen. Vieles wurde im Zuge der filmischen Adaption modifiziert – insbesondere die Tatsache, dass im Film die Namen geändert wurden. Cannavale und Sensini erzählen durch die Erinnerungen eines Einheimischen das Leben und Schaffen von Paolo Di Lauro, genannt “Ciruzzo o’ Milionario”, der in den 80er und 90er Jahren Neapels oberster Boss war. Piva hingegen bleibt vager und sucht vor allem das Mythologische und
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Psychologische, die persönliche und die familiäre Dimension der Geschichte. MILIONARI, dem Willen seines Regisseurs nach eher ein amerikanischer GangsterFilm, platziert seine Kamera im Herzen einer Kriminalgeschichte der (De)Formation, um die psychologischen Taktiken der Camorra und eines ihrer Mitglieder sowie dessen äußerlich reingewaschene, möchtegern-bürgerliche Existenz zu beleuchten: Versuch geglückt. — Federico Pontiggia, cinematografo.it
Alessandro Piva (geb. 1966 in Salerno) studierte Schnitt am Centro Sperimentale di Cinematografia di Roma und arbeitete im Anschluss als Fotograf. 1999 debütierte er mit dem Film LACAPAGIRA, dem MIO COGNATO (2003) und HENRY (2011) folgten. Weiterhin arbeitete er fürs Radio und inszenierte 2007 Nino Rotas Oper IL CAPPELLO DI PAGLIA DI FIRENZE. Zudem drehte er eine Fernsehserie, LA SCELTA DI LAURA (2009), Werbespots und Dokumentarfilme, unter anderem PASTA NERA (2011), SITUAZIONE (2014) und DUE SICILIE (2016).
Mittwoch, 07.12. 20:30 Uhr
Donnerstag, 08.12. 18:00 Uhr
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MY ITALY
Italien 2016 · 101 Minuten · OmeU Regie: Bruno Colella Drehbuch: Bruno Colella Kamera: Blasco Giurato Schnitt: Mirco Garrone Ausstattung: Luca D’Alessandro Musik: Louis Siciliano ALUEI Produktion: Angelo Bassi, Joanna Ronikier für Mediterranea Productions, Running Rabbit Films Darsteller: Krzysztof M. Bednarski, Thorsten Kirchhoff, Mark Kostabi, H.H. Lim, Achille Bonito Oliva, Rocco Papaleo, Jerzy Stuhr, Piera Degli Esposti, Serena Grandi, Nino Frassica, Alessandro Haber, Lina Sastri, Sebastiano Somma, Luisa Ranieri, Marco Tornese, Bruno Colella, Edoardo Bennato
INHALT Ein Filmemacher reist mit seinem Assistenten durch Europa, um einen Film über vier Stars der internationalen Kunstszene zu finanzieren, die von einer profunden Liebe zu Italien geeint werden: der Pole Krzysztof Bednarski, der Däne Thorsten Kirchhoff, der Amerikaner Mark Kostabi und der Malaie H.H. Lim. Im Lauf dieser Reise trifft Krzysztof Bednarski die Witwe eines Gangsterbosses; Thorsten Kirchhoff rettet mit Mühe eine seiner Installationen; Mark Kostabi erkundet die Überbleibsel der Stadt der Wissenschaft in Bagnoli und H. H. Lim verguckt sich in einem römischen Café in eine Unbekannte und folgt ihr durch die Straßen der ewigen Stadt.
Bruno Colella ÜBER MY ITALY Der Film verschränkt die Wege und Arbeiten von vier ausländischen Künstlern, die Italien regelmäßig besuchen, als da wären: Der amerikanische Maler und Zeichner Mark Kostabi, der polnische Bildhauer Krzysztof Bednarski, der malaiische Maler und Performance-Künstler H. H. Lim sowie der dänische Videokünstler und Maler Thorsten Kirchhoff - vier prestigeträchtige und beliebte Namen der zeitgenössischen Kunst. Mein Film gibt seinen vier Protagonisten Gelegenheit, überschwänglich von ihrem Verhältnis zu Italien zu erzählen, zu begründen, warum sie mehrere Monate des Jahres in Rom verbringen und ihre Sicht auf die Kultur und die Menschen ihrer Wahlheimat dar-
zulegen. Daraus ergibt sich ein leichter und ironischer Erzählfluss entlang eines fiktiven Leitfadens, der einem ungleichen Duo folgt, das sich aus einem vorurteils freien Filmproduzenten und seinem resignierten Sekretär zusammensetzt, die durch Europa reisen, um finanzielle Mittel für einen Film über diese vier Künstler aufzutreiben. Der Film selbst schickt die vier auf eine traumgleiche Reise quer durch Italien, von Transvestiten und der Stadt der Wissenschaften in Neapel über das Kunst- und Klassik-Festival von Spoleto, zu den mythischen Erzählungen von den Banditen des Südens und der Erinnerungen und Geister, die sie auf ihrem Weg hinterlassen haben, aber auch zum Glamour des Filmfestivals von Cannes, bis nach Warschau und in das ruhmreiche Avantgarde-Theater von Breslau sowie in die unermüdlich kreative Künstlerszene von New York.
Pressestimmen In der Sektion “Special events” des Festivals von Montreal wurde dieses Jahr MY ITALY gezeigt, ein Film des kauzigen, 61-jährigen neapolitanischen Schauspielers und Regisseurs Bruno Colella, der seit Langem in Theater und Kino aktiv ist. Neben den Hauptfiguren des Films, den vier ausländischen Künstlern Mark Kostabi, Krzysztof Bednarski, H.H. Lim und Thorsten Kirchhoff sowie dem Regisseur selbst, versichert sich MY ITALY der Mitwirkung mehrerer beliebter
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Schauspieler und Künstlerfreunde des Regisseurs, Musikern und populärer Figuren des italienischen Kinos und Fernsehens. Auch der Kunstkritiker Achille Bonito Oliva tritt auf und spricht über die Arbeit der vier Protagonisten in einer Gegenüberstellung, in der sich laut Colella „die zeitgenössiche Kunst mit dem Theater misst, indem sie ihre Nähe zur Jahrmarktsattraktion offenbart, die sich aus ihrer Offenheit und ihrem Improvisationswillen speist, weswegen dem Lebensweg eines Künstlers eine ähnlich große Bedeutung zukommt wie seinen Arbeiten”. Bezüglich der Genese dieses untypischen Films, in dem häufig die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verwischen, was gelegentlich zu dezidiert surrealen Momenten führt, äußert sich der Regisseur folgendermaßen: “Ich mache keine Filme eines bestimmten Genres. MY ITALY bedient sich der Sprache der Komödie, die ich sehr liebe. Auch, während man die Arbeiten dieser vier großen Künstler studiert, gibt es viel zu lachen – so nähert man sich der zeitgenössischen Kunst besonders effektiv.” — Fabrizio Corallo, Il Mattino
Bruno Colella (geb. 1955 in Neapel)
begann nach ersten Erfahrungen als Musiker eine Karriere als Autor, Schauspieler und Theaterregisseur, bevor er 1993 mit AMAMI (NIMM‘S NICHT KRUMM, DADDY) seinen ersten Kinofilm als Regisseur drehte, dem VOGLIO STARE SOTTO AL LETTO (ICH WILL IM BETT UNTEN LIEGEN, 1998), LADRI DI BARZELLETTE (2004) und MY ITALY (2016) folgten. Parallel zu seinen Kinofilmen arbeitete er auch weiterhin am Theater und zeichnete dort für erfolgreiche Inszenierungen von IO, EDUARDO DE FILIPPO, L’ERBA CATTIVA NON MUORE MAI, BRIGANTI EMIGRANTI, BENE MIO, CORE MIO, I COMMEDIANTI und des Musicals LIBERA verantwortlich. Zudem ist er auch als Regisseur von Dokumentarfilmen und Musikvideos tätig.
Freitag, 02.12. 18:00 Uhr
Sonntag, 04.12. 20:30 Uhr
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NON ESSERE CATTIVO Tu nichts Böses Italien 2014 · 100 Minuten · OmU Regie: Claudio Caligari Drehbuch: Valerio Attanasio, Andrea Garello, Sydney Sibilia Kamera: Vladan Radovic Schnitt: Gianni Vezzosi Ausstattung: Alessandro Vannucci Musik: Andrea Farri Produktion: Domenico Procacci, Matteo Rovere für Fandango, Ascent Film Darsteller: Edoardo Leo (Pietro), Valeria Solarino (Giulia), Valerio Aprea (Mattia), Paolo Calabresi (Arturo), Libero De Rienzo (Bartolomeo), Stefano Fresi, Lorenzo Lavia, Pietro Sermonti, Neri Marcorè, Sergio Solli
INHALT Wir befinden uns in Ostia, in den 1990er Jahren. Die „Ragazzi di vita“, die Pasolini einst beschrieb, gehören nun zu einer Welt, in der sich alles um die Vergnügungssucht dreht. Eine Welt, in der Geld, schnelle Autos, Nachtlokale, synthetische Drogen und Kokain leicht zu haben sind. Es ist die Welt, in der sich Vittorio und Cesare, beide 20 Jahre alt, auf der Suche nach Erfolg und Bestätigung bewegen. Um sich zu befreien, distanziert sich Vittorio von Cesare, der hingegen unabwendbar immer weiter abrutscht. Aufgrund ihrer engen Bindung verlässt Vittorio seinen Freund jedoch niemals ganz und hofft weiterhin auf eine bessere, auf eine gemeinsame Zukunft.
Claudio Caligari ÜBER NON ESSERE CATTIVO NON ESSERE CATTIVO ist die Geschichte einer tiefen Männerfreundschaft, die allerdings nichts mit Homosexualität zu tun hat. Für mich sind die beiden wie Brüder. Es ist eine Verbindung, die Bestand hat, obwohl das Schicksal ihre Wege trennt. Vittorio versucht, sich zu retten und sich über die Arbeit in die Gesellschaft zu integrieren. Cesare hingegen versinkt immer tiefer in dem Sumpf aus Drogen und Dealen, bis er bei einem Überfall verletzt wird. NON ESSERE CATTIVO spielt in der Mitte der Neunzigerjahre, weil dies der Moment ist, in dem die Welt Pasolinis und seiner „Ragazzi di vita“ stirbt. Die
Jungen aus AMORE TOSSICO waren auf eine gewisse Weise voller Unschuld, sie stahlen, um sich mit Drogen betäuben zu können. Den Reichen etwas wegzunehmen, war für sie ein Weg, um die soziale Ungerechtigkeit auszugleichen. Cesare und Vittorio verkörpern eine neue Generation. Heute stiehlt man nicht mehr, um irgendwie durchzukommen, sondern um etwas anzuhäufen, Luxusgüter zu kaufen, Rolex, schnelle Autos, Markenschuhe: Pasolinis Jungen sind nun Teil des organisierten Verbrechens und haben dabei die bürgerlichen Wertvorstellungen von Geld und Konsum übernommen.
Pressestimmen Claudio Caligari kehrt 17 Jahre nach seinem Kultfilm L’ODORE DELLA NOTTE hinter die Filmkamera zurück. NON ESSERE CATTIVO erinnert an sein Debüt AMORE TOSSICO von 1983, das von einer Gruppe jugendlicher Heroinabhängiger aus der Vorstadt handelt. Um sich ihre Dosis zu beschaffen, ziehen sie zwischen Rom und dem Lido di Ostia hin und her, den Orten Pier Paolo Pasolinis. Dieser Film ist Kult geworden und hat als solcher mehrere Generationen überdauert. Es sind seine Orte und seine
Menschlichkeit, von der auch NON ESSERE CATTIVO ausgeht. Pasolinis Welt, so Caligari, war verschwunden, bevor der Film fertig war. Heute gibt es sie nicht mehr, aber der Regisseur bleibt ihr dennoch treu. Mit einem rigorosen und wahrheitsorientierten Stil, der an Brecht erinnert und dem jeder Mainstream fremd ist. — Maria Pia Fusco, La Repubblica
Claudio Caligari (1948, Arona, Novara)
drehte in den 1970er Jahren zahlreiche Dokumentarfilme über Drogensucht (PERCHÉ DROGA, 1976) und mit politischem Inhalt (ALICE E GLI ALTRI, 1976; LOTTE NEL BELICE, LA MACCHINA DA PRESA SENZA UOMO, 1977; LA FOLLIA DELLA RIVOLUZIONE, LA PARTE BASSA, 1978). 1983 erschien mit AMORE TOSSICO sein erster Spielfilm. Sein zweiter Film, L’ODORE DELLA NOTTE, kam 1998 heraus. Das Projekt ANNI RAPACI über die Kriminalität in Norditalien von 2001 blieb unvollendet. NON ESSERE CATTIVO ist sein dritter und letzter Film. Der Regisseur starb am 26. Mai 2015 im Alter von 67 Jahren in Rom.
Sonntag, 04.12. 12:00 Uhr
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LA PAZZA GIOIA Die Uberglücklichen
Art des Filmemachens ist und das, was mich am Meisten interessiert.
Italien 2016 · 116 Minuten · OmU Regie: Paolo Virzì Drehbuch: Francesca Archibugi, Paolo Virzì Kamera: Vladan Radovic Schnitt: Cecilia Zanuso Ausstattung: Tonino Zera Musik: Carlo Virzì Produktion: Marco Belardi für Lotus Production Darsteller: Valeria Bruni Tedeschi (Beatrice Morandini Valdirana), Micaele Ramazzotti (Donatella Morelli), Valentina Carnelutti, Anna Galiena, Marco Messeri, Tommaso Ragno, Bob Messini, Sergio Albelli, Marisa Borini, Bobo Rondelli
INHALT Beatrice Morandini Valdirana ist ein selbstdarstellerisches Klatschweib, selbsternannte Gräfin und behauptet, auf Du und Du mit den Mächtigen der Erde zu sein. Donatella Morelli ist eine tätowierte, spröde und schweigsame junge Frau, die ein schmerzhaftes Geheimnis hütet. Beide sind Patientinnen in einem Rehabilitationszentrum für psychisch labile Frauen, die als sozial gefährlich eingestuft werden. Ihre ungewöhnliche Freundschaft ist Beginn einer ereignisreichen Flucht, auf der Suche nach ein bisschen Glück in jenem Tollhaus unter freiem Himmel namens Welt.
Paolo Virzì ÜBER LA PAZZA GIOIA Mit La pazza gioia wollte ich eine gleichermaßen witzige wie menschliche Komödie machen und eine Geschichte erzählen, die auch das Märchenhafte nicht scheut, ohne sich dabei in Luftschlösser zurückzuziehen. Außerdem wollte ich die Ungerechtigkeit gegenüber und die Überforderung sowie das Martyrium von beschädigten Menschen und von einer Reihe stigmatisierter, verachteter, verurteilter und weggesperrter Frauen erzählen. Trotzdem sollte es kein Pamphlet, keine Anprangerung von Zuständen sein. Darf man vom Schmerz lächelnd, sogar lachend, erzählen, oder ist das pietätlos und skandalös? Ich hoffe man darf, da dies meine bevorzugte
Pressestimmen Viele Seelen und Lesarten bewohnen dieses weibliche Road Movie, das im Irrsinn beginnt (existiert überhaupt noch eine Normalität?), Komödie und Drama kreuzt, um schließlich in Richtung Muttergefühl abzubiegen und auf dieser Reise versucht, psychiatrische Strukturen und indirekt auch die Berlusconi-Ära zu erzählen und zu analysieren. Dennoch bleibt der Film in erster Linie aufgrund der virtuosen Darbietungen seiner Hauptdarstellerinnen im Gedächtnis, denen Virzì und seine Co-Autorin Archibugi viel verdanken. Valeria Bruni Tedeschi im Besonderen, und Micaela Ramazzotti, Italiens mutigste Schauspielerin, beeindrucken durch ihre Fähigkeit, sich ohne Phrasendrescherei in ihre schwierigen Rollen hineinzuversetzen. Mit LA PAZZA GIOIA versucht Virzì – nicht ohne einen Hauch von Bitterkeit – uns durch
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die Welt dieser Frauen zu führen und einen gesamtitalienischen Querschnitt zu ziehen. — Maurizio Acerbi, Il Giornale
Paolo Virzì (geb. 1964 in Livorno) stu-
dierte Film am Centro Sperimentale di Cinematografia in Rom, wo er auf Furio Scarpelli traf, einen der DrehbuchAltmeister der Commedia all‘italiana. Als Drehbuchautor arbeitete Paolo Virzì u.a. Bei TEMPO DI UCCIDERE (1989) mit Giuliano Montaldo und bei Turné (1990) mit Gabriele Salvatores zusammen, bevor er 1994 mit LA BELLA VITA sein Regiedebüt feierte. Es folgten FERIE D’AGOSTO (1996), OVOSODO (1997), BACI E ABBRACCI (1998), MY NAME IS TANINO (2001), CATERINA VA IN CITTÀ (2003), N - IO E NAPOLEONE (2006), TUTTA LA VITA DAVANTI (2008), LA PRIMA COSA BELLA (2010), TUTTI I SANTI GIORNI (2012) und IL CAPITALE UMANO (2013). LA PAZZA GIOIA ist sein neuester Film.
Freitag, 25.11. 19:00 Uhr
Zu Gast: Giuseppe M. Gaudino
Eröffnung Verso Sud 22
Freitag, 25.11. 22:15 Uhr
PER AMOR VOSTRO Aus Liebe zu Euch Italien 2015 · 109 Minuten · OmU Regie: Giuseppe M. Gaudino Drehbuch: Giuseppe M. Gaudino, Isabella Sandri, Lina Sarti Kamera: Matteo Cocco Schnitt: Giogiò Franchini Ausstattung: Paola Comencini Musik: Epsilon Indi Produktion: Riccardo Scamarcio, Viola Prestieri für Buena Onda Darsteller: Valeria Golino (Anna), Massimiliano Gallo (Gigi Scaglione), Adriano Giannini (Michele Migliaccio), Salvatore Cantalupo (Ciro Amoroso), Rosaria Di Cicco, Elisabetta Mirra, Roberto Corcione, Massimo De Matteo, Simona Capozzi, Alfonso Postiglione, Antonella Stefanucci
INHALT Anna, Mutter von drei Kindern, war ein draufgängerisches Kind und hatte später kein großes Glück im Leben. Heute lebt sie in ihrer Heimatstadt Neapel und sieht seit 20 Jahren nicht mehr, was in ihrer Familie wirklich vor sich geht. Sie ist eine Frau, die lieber keine Stellung bezieht. Gefangen in ihren Pflichten als Mutter hat sie zugelassen, dass ihr Leben langsam immer trostloser wurde und sie mit der Zeit jedes Selbstwertgefühl verloren hat. Und das, obwohl man sie bei der Arbeit schätzt und obwohl sie das mit Stolz erfüllt. Anna ist ein großzügiger Mensch und immer bereit, anderen zu helfen. Aber an sich selbst denkt sie nie. Bis sie eines Tages beginnt, sich zu emanzipieren. Auch von ihrem Mann, von dem sie sich nun endlich befreien will.
Giuseppe M. Gaudino ÜBER PER AMOR VOSTRO Ich habe Neapel immer als eine Stadt gesehen, die auf zwei Ebenen existiert: einer unterirdischen, voller Katakomben, Grabstätten, Gewölbe, und einer überirdischen Ebene, mit ihren engen Gassen und dem Meer, und die von einer seltenen Vitalität belebt wird. Zwischen diesen beiden Welten steht Anna. Sie ist unentschieden zwischen diesen entgegengesetzten Kräften. Eine zugleich zerbrechliche und starke Frau, die vor einer Entscheidung steht. Aus Zuneigung zu den anderen hat sie im Laufe der Jahre so viele Dinge hingenommen, dass ihr Blick trüb geworden, ihr abhanden gekommen ist. Es geht
sogar so weit, dass sie das Inferno, in dem sie lebt, gar nicht mehr wahrnimmt. Per amor vostro ist der Weg einer Enthüllung. Ein Weg zum Licht. Der Film handelt von einer Frau, die sich mühsam wieder aufrichtet und die Fähigkeit, Dinge wahrzunehmen, wiedererlangt. Am Ende kann sich Anna befreien.
Pressestimmen Es ist so leicht, sich in Anna wiederzufinden. Wie viele Frauen tun jeden Tag so, als würden sie nicht sehen, was vor sich geht. Die den Mann am gedeckten Tisch erwarten, um den die Kinder bereits Platz genommen haben und sagen: „Hallo Papa! Mama hat Kuchen gebacken, Cinzia hat ein neues Kleid und Arturo hat ein Lied gelernt, hör mal.“ Tief in ihrem Inneren wissen diese Frauen, wer dieser Mensch ist, mit dem sie ihr Leben teilen. Aber es ist besser, langsam den Blick abzuwenden und die Dinge nicht beim Namen zu nennen. Aus Angst vor den Folgen, aus Angst, zu schwach zu sein, um mit ihnen umgehen zu können. „Es ist notwendig und besser so“, sagt Anna. In Per amor vostro von Giuseppe Gaudino geht es genau darum. Eine außergewöhnliche Darstellung von Schuld und
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Schuldgefühlen, den ständigen Begleitern der Frauen, die den Blick senken und den Kopf geduckt halten. Valeria Golino ist Anna: ein draufgängerisches Mädchen, das von den Eltern ins Erziehungsheim gesteckt wird, um die Schuld ihres Bruders abzutragen und das zu einer schönen Frau wird. Einer traurigen, empfindsamen und dennoch blinden Frau. Sie hat drei heranwachsende Kinder. Sie hat genug Geld zum Leben, ein Haus in Neapel mit dem Elend vor der Tür und dem Meer, das hereinkommt. Sie hört das Getuschel der Leute, aber sie ignoriert es: Alle wissen, wie die Familie Scaglione ihr Geld macht. Gigi Scaglione, genannt O Milord, ihr Ehemann, ist ein Wucherer. Mit Per amor vostro hat Gaudino einen über- und unterirdischen Film geschaffen, einen vulkanischen und infernalen Film, der zugleich aber auch so intim wie ein Flüstern ist. Ungeordnet und genial. Annas Leben in Schwarz-Weiß, das Meer und der Vesuv draußen in Farbe. Ein Film, den man nur schwer wieder vergessen wird. — Concita De Gregorio, La Repubblica
Giuseppe M. Gaudino (1957, Pozzuoli bei Neapel) studiert nach dem Diplom an der Kunstakademie Neapel Bühnengestaltung am Centro Sperimentale di Cinematografia in Rom. In den 1980er Jahren dreht er zahlreiche Kurz- und Dokumentarfilme, darunter IN UNA NOTTE DI LUNA PIENA (1981), ANTRODOCO, UNA STORIA PER DUE BATTAGLIE (1983), ALDRIS (1984) und CALCINACCI (1990). Er arbeitet als Bühnenbildner und gestaltet unter anderem die Ausstattung in Gianni Amelios Film LAMERICA (1994). 1997 realisiert er seinen ersten abendfüllenden Spielfilm: GIRO DI LUNE TRA TERRA E MARE. Anschließend dreht er gemeinsam mit Isabella Sandri Dokumentarfilme in Lateinamerika, Afghanistan und im Kaukasus, darunter MAQUILAS (2004), STORIE D’ARMI E DI PICCOLI EROI (2008) und PER QUESTI STRETTI MORIRE (2010). PER AMOR VOSTRO ist sein neuester Film.
Samstag, 03.12. 19:00 Uhr
Zu Gast: Giovanni Coda
IL ROSA NUDO Das nackte Rosa Italien 2014 · 70 Minuten · OmU Regie: Giovanni Coda Drehbuch: Giovanni Coda, nach einem Buch von Pierre Seel, Jean Le Bitoux Kamera: Giovanni Coda Schnitt: Andrea Lotta Musik: Irma Toudjian, Les Sticks Fluò, Quartetto Alborada Produktion: Emilio Milia, Giovanni Coda für ReindeerCatSolutions, Labor Cinema, V-Art Festival Darsteller: Cesare Saliu, Massimo Aresu (Erzähler), Gianni Dettori, Italo Medda, Sergio Anrò, Gianni Loi, Mattia Casanova, Francesco Ottonello, Mauro Ferrari, Luca Catalano, Lorena Piccapietra, Assunta Pittaluga, Carlo Porru
INHALT Der junge Pierre Seel, im Elsass geboren und in einer strenggläubigen katholischen Familie aufgewachsen, bringt im Kommissariat den Diebstahl einer Uhr zur Anzeige, der sich in einem Park, der weithin als Treffpunkt Homosexueller bekannt ist, ereignet haben soll. Unwissend, dass er in das amtliche Register Homosexueller eingetragen worden ist, wird er nach der Invasion Frankreichs durch die Deutschen von der Gestapo vorgeladen, festgenommen und zwei Wochen lang gefoltert, um anschließend am 13. Mai 1941 in das Konzentrationslager Schirmeck deportiert zu werden. Pierre Seel, damals nur 17 Jahre alt, schafft es, diese grausame Erfahrung voller Folter und Erniedrigungen zu überleben, doch sein Leben wird für immer davon gezeichnet bleiben, obwohl er sich nach Kriegsende bemüht, ein normales Leben zu führen, heiratet und Vater wird. 1982 wird er öffentlich jene ungeheuerlichen Geschehnisse anprangern, die im Dritten Reich sein Schicksal und das tausender Homosexueller – die, wie er, mit einem rosa Dreieck gekennzeichnet wurden – geprägt haben.
Giovanni Coda ÜBER IL ROSA NUDO Seinen Anfang nahm dieses Projekt zunächst als Theaterstück, aus dem anschließend eine Fotoausstellung wurde. Parallel dazu vertieften wir unsere Kenntnisse einer wahren Geschichte, jener von Pierre Seel, die damals nur wenige kannten. Diese Geschichte war bereits
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auf dem Papier ergreifend, noch bevor ein Film daraus wurde. Trotzdem handelt es sich bei IL ROSA NUDO um einen antinarrativen Film, kinematographisch zwischen Moderne, Tradition und Theatralität sowie vielleicht einer gewissen Reminiszenz an das Kino Ozus schwankend. Tatsächlich ist dieser schwierige Film weltweit vom Publikum begeistert aufgenommen worden. Obwohl er weniger als 5000 Euro gekostet hat, ist er auf überraschendes Interesse gestoßen. Er stellt damit zwar vermutlich eine Ausnahme dar, doch man sollte dennoch darüber nachdenken, wie sich heutzutage die Produktion von Filmen verändert. Für mich ist dieses Experiment geglückt.
Pressestimmen Die 1982 veröffentlichte Autobiographie Pierre Seels, in der der französische Schriftsteller die Deportation der Männer mit dem rosa Dreieck (dem Erkennungszeichen, das Homosexuelle unter den Nazis auf ihrer Kleidung tragen mussten) anprangert, lieferte dem Regisseur Giovanni Coda aus Cagliari eine hervorragende Grundlage (das Buch wurde nie ins Italienische übersetzt), die er sich zu eigen gemacht hat. Das Ergebnis ist ein laizistischer Kreuzweg (obwohl Dornenkronen, Kreuze und eine Anlehnung an Michelangelos Pietà auftauchen), der die traditionellen Konzepte von Raum, Zeit und Orten verwirft, indem er sich eines verängstigten und leidenden zweifachen erzählerischen Ichs bedient. Die Aufmachung des Films ist theatral, Bilder folgen ähnlich tableaux vivants aufeinander, ohne sich um Bühnenausstattung oder die Wiedergabe historischer Ereignisse zu sorgen. Es ist die Offstimme, die en detail die Gräuel im Konzentrationslager schildert und mit gezügeltem Lyrismus den menschlichen Weg des Pierre Seels wiedergibt, der – nach Jahrzehnten des Schweigens – in Folge seines leidvollen Coming Out sogar von seiner Familie verleugnet wurde. […] Es gibt nur wenig Farbe, es dominiert unverblümtes, dokumentarisches Schwarzschweiß, ohne
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abgeschmackte expressionistische Schatten. Die Darsteller ergänzen auf großartige Weise das Bild; sie drücken mit ihren eigenen Körpern die verleugnete, erst unterdrückte, dann befreite Körperlichkeit von Pierre Seel aus. Ein notwendiger Film gegen das Vergessen. — Sergio Naitza, L’Unione Sarda
Giovanni Coda (1931, Treviglio/Bergamo), begann nach dem Zweiten Weltkrieg für das Elektrizitätswerk Edison-Volta zu arbeiten, drehte in deren Auftrag von 1952 an mehr als 40 Dokumentarfilme und konnte mit Unterstützung von Edison-Volta 1959 seinen ersten Spielfilm IL TEMPO SI È FERMATO (Als die Zeit stillstand, 1959) realisieren. Im selben Jahr gründete er die Produktionsfirma „22 Dicembre“. 1978 gewann er mit L’ALBERO DEGLI ZOCCOLI (Der Holzschuhbaum) die Goldene Palme in Cannes. LUNGA VITA ALLA SIGNORA (Lang lebe die Signora!, 1987) und LA LEGGENDA DEL SANTO BEVITORE (Die Legende vom heiligen Trinker, 1988) wurden in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. 1982 gründete er die Filmschule „Ipotesi Cinema“. Weitere Filme: u.a. IL MESTIERE DELLE ARMI (Der Medici-Krieger, 2000), CENTOCHIODI (Hundert Nägel, 2005) und IL VILLAGGIO DI CARTONE (2011). 2008 erhielt er in Venedig den Goldenen Löwen für sein Lebenswerk.
Sonntag, 27.11. 12:00 Uhr
Mittwoch, 30.11. 18:00 Uhr
SE DIO VUOLE Um Himmels Willen Italien 2015 · 87 Minuten · OmU Regie: Edoardo Falcone Drehbuch: Edoardo Falcone, Marco Martani Kamera: Tommaso Borgstrom Schnitt: Luciana Pandolfelli Ausstattung: Cristina Onori Musik: Carlo Virzì Produktion: Mario Gianani, Lorenzo Mieli per Wildside Darsteller: Marco Giallini (Tommaso), Alessandro Gassman (Don Pietro), Ilaria Spada (Bianca), Laura Morante (Carla), Enrico Oetiker (Andrea), Edoardo Pesce, Carlo De Ruggieri, Giuseppina Cervizzi, Alex Cendron, Fabrizio Giannini, Silvia Munguia
INHALT Der angesehene Herzchirurg Tommaso und seine Frau Carla, einst eine ambitionierte Kämpferin, die heute so verblüht ist wie ihre früheren Ideale, haben zwei Kinder: Bianca, die Ältere, hat weder Interessen noch Ideen, für die sie sich begeistern kann. Andrea wiederum ist ein scharfsinniger Junge. Er studiert Medizin und will in die Fußstapfen seines Vaters treten. Tommaso ist sehr stolz auf seinen Sohn. Aber plötzlich verändert sich etwas. Der Junge schließt sich häufig in seinem Zimmer ein und geht abends aus, ohne jemandem zu sagen, wohin. Der Verdacht, Andrea könnte homosexuell sein, wächst. Tommaso ist jedoch bereit, das zu akzeptieren. Bis Andrea sich eines Tages offenbart und seiner Familie mitteilt, dass er Priester werden möchte. Für den überzeugten Atheisten Tommaso ist das ein harter Schlag. Während er so tut, als würde er Andrea unterstützen, beginnt er heimlich, ihm zu folgen, um herauszufinden, wer für die Veränderung in seinem Jungen verantwortlich ist. Er findet heraus, dass sein „Feind“ Don Pietro ist, ein außergewöhnlicher Priester. Tommaso beginnt einen waschechten Krieg mit dem Geistlichen, der mit allen Mitteln geführt wird.
Edoardo Falcone ÜBER SE DIO VUOLE Mit SE DIO VUOLE wollte ich einen Film machen, der auf eine etwas ironische Weise die Realität darstellt, die uns
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umgibt. Ich bin ein großer Bewunderer der italienischen Komödie der 60er Jahre und der Filme von Mario Monicelli, Pietro Germi und Dino Risi. Deswegen suchte ich nach einer Idee, die anders war. Ich wollte weder die übliche romantische Komödie noch den typischen komischlächerlichen Film drehen. Die Ursprungsidee kam mir, als ich mich umschaute. Ich kenne viele Leute, die sich für offen, demokratisch und aufgeklärt halten, die aber in Wirklichkeit nicht in der Lage sind, sich selbst zu hinterfragen, und die dadurch zeigen, dass sie eigentlich das genaue Gegenteil sind. Genauso ist auch Tommaso, ein überheblicher und selbstgefälliger Arzt, der sein Leben und seine Einstellung revolutionieren muss, als er auf Don Pietro trifft, einen wirklich außergewöhnlichen Priester.
Pressestimmen Endlich einmal ist das Gras nicht woanders grüner. Eine Seltenheit in dieser Zeit. SE DIO VUOLE ist der Film, auf den wir gewartet haben. Dieser Film belebt unser Komödientalent, das tief in der italienischen DNA verwurzelt ist, aber zu oft von dem einfacheren Weg des Abschreibens (und dem chronischen Ideenmangel)
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ausgebremst wird. In diesem Film stimmt einfach alles. Er ist fast schon zu perfekt, fast, als hätte es dieses göttliche Einwirken, das im Mittelpunkt der Handlung steht, wirklich gegeben. Bravo, Edoardo Falcone! Er ist nicht nur für eins der besten Drehbücher der vergangenen Jahre verantwortlich (gemeinsam mit Marco Martani), er setzt es auch, obwohl er ein Debütregisseur ist, ganz im Stil der alten Schule italienischer Komödien um. Die Geschichte verliert nie an Intensität, sondern hält ihren hohen Rhythmus über 90 Minuten aufrecht, dank großartiger Dialoge und herausragender Darsteller. — Maurizio Acerbi, Il Giornale
Edoardo Falcone (1968, Rom) studierte Schauspiel und arbeitete einige Jahre als Schauspieler und Autor komischer Shows am Theater. Dann machte er sich einen Namen als Drehbuchschreiber und arbeitete unter anderem mit Massimiliano Bruno, Claudio Risi und Carlo Vanzina. Sein Debüt hinter der Kamera gab er 2015 mit SE DIO VUOLE, mit dem er den David di Donatello als bester Debütregisseur gewann.
Samstag, 03.12. 21:30 Uhr
Mittwoch, 07.12. 18:30 Uhr
LA STOFFA DEI SOGNI Der Stoff der Träume Italien 2016 · 101 Minuten · OmeU Regie: Edoardo Falcone Drehbuch: Ugo Chiti, Gianfranco Cabiddu, Salvatore De Mola, nach L’arte della commedia von Eduardo De Filippo Kamera: Vincenzo Carpineta Schnitt: Alessio Doglione Ausstattung: Livia Borgognoni Musik: Franco Piersanti Produktion: Isabella Cocuzza, Arturo Paglia per Paco Cinematografica Darsteller: Sergio Rubini (Oreste Campese), Ennio Fantastichini (De Caro), Renato Carpentieri (Don Vincenzo), Teresa Saponangelo (Maria), Francesco Di Leva, Ciro Petrone, Gaia Bellugi, Fiorenzo Mattu, Maziar Fayrouz, Jacopo CullinMichelangelo Balistreri, Santo D’Aleo, Attilio Ferrara
INHALT Ein Schiff, auf dem sich eine bescheidene Theaterkompagnie und eine Gruppe gefährlicher Camorra-Mitglieder befinden, geht vor der Küste einer Insel im Mittelmeer unter. Es ist nicht irgendeine Insel, sondern Asinara, auf der sich ein Hochsicherheitsgefängnis befindet. Sonst gibt es dort nichts, außer dem Meer ringsherum. Für den Gefängnisdirektor ist es unmöglich, die Verbrecher von den Schauspielern zu unterscheiden. Er hegt eine starke Abneigung gegen das Theater. Nachdem er von seiner Frau, einer Schauspielerin, verlassen wurde, hat er sich bewusst mit seiner heranwachsenden Tochter nach Asinara zurückgezogen und die Leitung des Gefängnisses übernommen. Nun findet er Gelegenheit zur Rache, indem er alle Schiffsbrüchigen zwingt, eine Komödie – „Der Sturm“ von Shakespeare – auf die Bühne zu bringen, um herauszufinden, wer ein echter Schauspieler ist und wer nicht. Wird es ihm gelingen, die Camorra-Mitglieder zu enttarnen, die sich unter die mittelmäßigen Theaterleute mischen, um dem Gefängnis zu entgehen?
Gianfranco Cabiddu ÜBER LA STOFFA DEI SOGNI Die Idee für den Film entstand vor einigen Jahren, als ich Asinara besuchte. Das Gefängnis war gerade geschlossen worden und man hatte die Insel in einen Nationalpark verwandelt. Aber eigentlich trug ich die Idee schon länger mit mir herum. Als junger Mann hatte ich mit dem
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großen Eduardo De Filippo gearbeitet. Ich war Tontechniker und wirkte an seiner Inszenierung von Shakespeares „Der Sturm“ auf Neapolitanisch mit. Dieses Erlebnis ist mir über die Jahre immer in Erinnerung geblieben. Ich habe die Insel Asinara für den Film ausgewählt, weil sie ein Stück Erde ist, das, als sich dort das Gefängnis befand, mehr als ein Jahrhundert vom Rest der Welt abgeschnitten war. In diesem Gefängnis saßen Kriegsgefangene aus dem Ersten Weltkrieg, Camorra-Mitglieder, sardische Banditen. Ein Ort des Schmerzes und des Exils, wie der, an dem Prospero eingeschlossen ist. Aber gleichzeitig ist es ein wundervoller, fast magischer Ort mit einer atemberaubenden Landschaft. Mit ihrer Geschichte und ihrem Leben wird die Insel selbst zur Darstellerin.
Pressestimmen Mit LA STOFFA DEI SOGNI verwirklicht der sardische Regisseur Gianfranco Cabiddu nach langem Warten seinen Traum, einen an Eduardo De Filippo und seiner Arte della commedia inspirierten Film zu drehen. Als Location wünschte sich der Regisseur um jeden Preis die nördlich von Sardinien gelegene Insel Asinara. Und genau auf dieser Insel, zu der Zeit, als sich dort noch ein Hochsicherheitsgefängnis befand, spielt auch die Handlung des Films. Zu den Protagonisten zählen die besten Darsteller des heutigen italienischen Kinos, Sergio Rubini und Ennio Fantastichini, die den
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Leiter der Theatergruppe und den Gefängnisdirektor verkörpern. — Fabio Canessa, La Nuova Sardegna LA STOFFA DEI SOGNI ist ein merkwürdiges Geschöpf, ein Film mit einer dichten Atmosphäre voller Bezüge und Zitate, der zwischen Verfolgungsjagden und waghalsigen Fluchten in der Abgelegenheit der Insel Asinara spielt und dort die heimtückische Natur des Menschen offenbart. Das von oben gefilmte Gefängnis ist nur ein symbolisches Echo, in dem jede Figur ihre wirklichen Absichten gut versteckt hält. Das Ergebnis ist eine handfeste Verwicklung, die sich der einfachen Schönheit der Commedia dell’Arte, ihrer Kulisse und ihrer Masken nach dem Vorbild Goldonis bedient und sie mit der scharfzüngigen neapolitanischen Rezitationskunst bereichert, die Realität mit Fiktion, Liebe mit Hass, Rache mit Verzeihen austauscht. — Sivia Pellegrino, Dazebao News
Edoardo Falcone (1953, Cagliari) beginnt nach seinem Abschluss in Musikethnologie als Tontechniker für Kino und Theater zu arbeiten. In den 1980er Jahren arbeitet er für Eduardo De Filippo. Für den Film arbeitet er unter anderem mit Luigi Comencini und Mario Monicelli zusammen. 1988 gibt er mit DISAMISTADE sein Regiedebüt, auf das 1997 IL FIGLIO DI BAKUNIN folgt. Er dreht außerdem zahlreiche Dokumentarfilme, darunter PASSAGGI DI TEMPO (2005) und FABER IN SARDEGNA (2015).
Sonntag, 27.11. 20:15 Uhr
Dienstag, 29.11. 18:00 Uhr
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Pressestimmen
SUBURRA Elendsviertel Italien 2015 · 130 Minuten · OmU Regie: Stefano Sollima Drehbuch: Sandro Petraglia, Stefano Rulli, Giancarlo De Cataldo, Carlo Bonini, nach einem Roman von Giancarlo De Cataldo, Carlo Bonini Kamera: Paolo Carnera Schnitt: Patrizio Marone Ausstattung: Paki Meduri Produktion: Riccardo Tozzi, Giovanni Stabilini, Marco Chimenz für Cattleya, La Chauve Souris Darsteller: Pierfrancesco Favino (Filippo Malgradi), Elio Germano (Sebastiano), Claudio Amendola (Samurai), Alessandro Borghi (Nummer 8), Greta Scarano, Giulia Elettra Gorietti, Antonello Fassari, Jean-Hugues Anglade, Adamo Dionisi, Giacomo Ferrara
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INHALT Um ein Bauvorhaben umzusetzen, das den römischen Küstenstreifen in ein neues Las Vegas verwandeln soll, wird die Unterstützung von Filippo Malgradi benötigt. Ein korrupter Politiker, der bis zum Hals in kriminelle Geschäfte verwickelt ist, hinter denen “Nummer 8” steht, der Kopf einer mächtigen Familie, die das Territorium verwaltet, und “Samurai”, der gefürchtetste Mann der römischen Unterwelt und letztes Mitglied der sogenannten Magliana-Bande. Doch einige Figuren, die die Ränder dieses Machtspielfelds bewohnen – wie der schmierige und skrupellose PR-Mann Sebastiano, das attraktive Callgirl Sabrina, Viola, die drogenabhängige Verlobte von Nummer 8 und Manfredi, Familienoberhaupt eines gefährlichen Zigeuner-Clans – setzen einen Dominoeffekt in Bewegung, der diese scheinbar perfekte Maschinerie aus dem Gleichgewicht bringt.
Stefano Sollima ÜBER SUBURRA SUBURRA erzählt eine absolut reale Welt, ist aber dennoch mehr als eine journalistische Rekonstruktion derselbigen. Der Film möchte sich frei bewegen zwischen den Perspektiven der verschiedenen Haupt- wie Nebenfiguren, den Mächtigen wie Hilflosen, ohne sie zu verurteilen, und dabei unvoreingenommen und nüchtern ihre Handlungen und Psychologie ergründen und so zwischen den Zeilen der Narration nach den menschlichen und weltlichen Facetten
seiner Protagonisten fahnden – ohne dabei demagogische oder moralistische Phrasen zu dreschen. Ein Sammelbild, dessen Figuren Kinder unserer Zeit sind. Rom ist ein einzigartiger Raum, in dem weit voneinander entfernte Welten koexistieren, von den prunkvollen Räumlichkeiten des Vatikan bis zu den heruntergekommenen Vororten, von den groben und überfüllten Behausungen der Zigeuner bis zu den Palästen der Politik, von den Pflastersteinen der historischen Innenstadt bis zu den Sandstränden von Ostia. Unterschiedliche Welten, die aber dennoch im Geheimen miteinander verknüpft sind. Um dieses Universum präzise rekonstruieren zu können, habe ich minutiös und fast besessen recherchiert und eine Reise quer durch meine Stadt unternommen während derer ich mir zuvor unbekannte oder vielleicht nur beiläufig wahrgenommene Aspekte an ihr entdeckte. Im Grunde erschafft ein Regisseur von Berufs wegen Welten, durch die er den Zuschauer führt. In SUBURRA führen alle Wege nach Rom.
Regisseure, die kriminelle Hinrichtungen, Sexszenen, Konfrontationen zwischen Gangstern und Supermarkt-Schießereien so mühelos zu inszenieren wissen wie Stefano Sollima, lassen sich in Italien an einer Hand abzählen. Das Ergebnis ist ein Film, der fesselt, aufwühlt. […] Irgendwo zwischen Western und Noir angesiedelt, variiert SUBURRA klassische Motive wie den Kampf zwischen Gut und Böse, Duelle sowohl bei hellichtem Tag wie auch aus dem Hinterhalt, prasselnden Regen, feierliche Musik, Körper, die sich mal vor elenden, mal einst kleinbürgerlichen und jetzt prächtigen Hintergründen abzeichnen, Beklemmung, die betont wird von einer Montage, die rastlos Details, Verlangen, Brutalität, Wut und Angst nachjagt. Es ist müßig, mögliche Bezüge zur realen politischen Berichterstattung und zu juristischen Fällen herzustellen, die ohnehin vorhanden sind. Erfreuen wir uns stattdessen reuelos der superben Darbietungen der Schauspieler und eines Films von jener hämmernden Energie, die Stefano Sollima von seinem Vater Sergio geerbt hat, einem Protagonisten des populären italienischen Kinos, der, seinerzeit von der Kritik verschmäht, heute seinem Sohn applaudiert. — Valerio Caprara, Il Mattino
Stefano Sollima (geb. 1966 in Rom) begann
seine Karriere als Kameramann für CNN, NBC und CBS, für die er unter anderem Reportagen in Libyen, Algerien, Israel und im Golfkrieg realisierte.1992 drehte er den Kurzfilm GRAZIE, dem SOTTO LE UNGHIE (1993) und ZIPPO (2003) folgten. Ab 1998 arbeitete er fürs Fernsehen, wo er für zahlreiche Folgen der Serien LA SQUADRA und CRIMINI verantwortlich zeichnete und 2008 bei der Serie ROMANZO CRIMINALE Regie führte. 2012 drehte er seinen ersten Langfilm ACAB - ALL COPS ARE BASTARDS. Zwischen 2012 und 2013 realisierte er die Serie GOMORRA. SUBURRA ist sein zweiter Langfilm.
Montag, 28.11. 20:30 Uhr
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VERGINE GIURATA Sworn Virgin
wendigerweise fragmentarische Lebensgeschichte lässt sich in erster Linie über eine emotionale Kontinuität verfolgen. Ich bin dieser Figur so nahe wie möglich gewesen und habe versucht, sie so auch dem Zuschauer näherzubringen. Ich habe mehr auf Reduktion denn auf Addition hingearbeitet und immer spezifische Kameraperspektiven gewählt, denn ich wollte, dass der Geschichte auch eine rohe, aber bewegende Poesie innewohnt. Ich musste lange darum kämpfen, diesen Film machen zu können, doch meine Liebe zu Hana trieb mich ebenso an wie ihre Geschichte, die ich unbedingt erzählen wollte, da sie für mich das Verhältnis zwischen weiblicher Freiheit und der Welt symbolisiert.
Italien 2015 · 87 Minuten · OmU Regie: Laura Bispuri Drehbuch: Francesca Manieri, Laura Bispuri, nach dem Roman von Elvira Dones Kamera: Vladan Radovic Schnitt: Carlotta Cristiani, Jacopo Quadri Ausstattung: Ilaria Sadun Musik: Nando Di Cosimo Produktion: Marta Donzelli, Gregorio Paonessa, Maurizio Totti, Alessandro Usai, Dan Wechsler, Michael Weber, Viola Fügen, Sabina Kodra, Robert Budina für Vivo Film, Colorado Film Darsteller: Alba Rohrwacher (Hana), Flonja Kodheli (Lila), Lars Eidinger (Bernhard), Luan Jaha (Stjefen), Bruno Shllaku (Gjergj), Ilire Çelaj (Katrina), Drenica Selimaj, Dajana Selimaj, Emily Ferratello
INHALT Hana wächst in einem albanischen Bergdorf auf, inmitten einer Gemeinschaft, in der noch immer eine archaische MachoKultur herrscht, die Frauen keinerlei Freiheit zugesteht. Um einem erzwungenen Schicksal als Ehe- und Hausfrau zu entfliehen, beruft sich Hana auf den Kanun, ein altes Gesetz ihrer Heimat, das Frauen, die lebenslange Jungfernschaft schwören, zugesteht, wie ein Mann leben und auftreten zu können. So nennt sich Hana fortan Mark, lebt als Mann und verzichtet auf ihre Weiblichkeit sowie jede Form von Liebe. Unter ihren neuen Kleidern pulsiert und regt sich jedoch eine Persönlichkeit, der der gewählte Lebensweg bald zum Gefängnis wird. Hana entschließt sich, ihre Heimat zu verlassen und nach Italien zu gehen. Dort erlebt sie wie im Taumel neue soziale Kontakte, findet geliebte Menschen wieder, die das Leben ihr entrissen hatte, und öffnet sich erstmals der unverhofften, vermeintlich verbotenen Möglichkeit der Liebe.
Laura Bispuri ÜBER VERGINE GIURATA Den Kern von VERGINE GIURATA bildet eine Erzählung von Weiblichkeit, in all ihren zahllosen Dimensionen und Widersprüchen. Ich habe dafür den Lebensweg eines Menschen gewählt, der zutiefst zerrissen ist. Mit Hana beschreiten wir konstant den Grat zwischen zwei Identitäten und überqueren dabei zeitliche Dimensionen und verschiedene seelische Befindlichkeiten. Hanas not-
Pressestimmen Nicht viele Filmemacher hätten für ihr Debüt ein derart schwieriges Thema gewählt. Man muss daher den Hut ziehen vor Laura Bispuri, die mit VERGINE GIURATA nach einigen preisgekrönten Kurzfilmen ihr Langfilmdebüt abliefert. Hana, die Protagonistin des Films (tadellos wie immer: Alba Rohrwacher), ist eine junge Frau auf der Flucht vor einer entlegenen Welt und dem Kanun, einem uns kaum bekannten, primitiven Gesetz, welches sich im begrenzten Rahmen eines Films nur schwer erfassen lässt.
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Vor allem ist VERGINE GIURATA aber die Gegenüberstellung zweier Frauen, Hana und ihrer in Italien geborenen Nichte Jonida, die sich gegenüber der eigenwilligen Kusine, die da in ihr Haus platzt, anfangs feindselig verhält. Der Begegnung dieser beiden jungen, so unterschiedlichen und einander überraschenderweise doch so nahestehenden Frauen ist der zweite Teil des Films gewidmet, während der erste, in Albanien angesiedelte Teil vor allem von Hanas Konflikt mit ihrem Vater, bzw. vielmehr mit den Gesetzen des Dorfs erzählt, denen sich Hana auf die ein oder andere Weise unterwerfen muss. Ein Film mit zwei Seelen, die sich vielleicht nicht immer berühren, doch das Resultat ist nichtsdestotrotz eine kraftvolle, originelle und radikale Arbeit. — Fabio Ferzetti, Il Messaggero
Laura Bispuri (geb. 1977 in Rom) studierte nach einem Abschluss in Filmgeschichte am Laboratorio Fandango in Rom Regie und Produktion. 2010 drehte sie die Kurzfilme PASSING TIME, der mit dem David di Donatello für den besten Kurzfilm ausgezeichnet wurde, und SALVE REGINA. Für ihre dritte Arbeit BIONDINA erhält sie das Nastro d’Argento als “aufstrebendes Talent”. VERGINE GIURATA ist ihr erster abendfüllender Spielfilm.
Samstag, 03.12. 16:00 Uhr
Mit Einführung
PADRE PADRONE Mein Vater, mein Herr Italien 1977 · 113 Minuten · OmU Regie: Paolo und Vittorio Taviani Drehbuch: Paolo und Vittorio Taviani, nach einem Buch von Gavino Ledda Kamera: Mario Masini Schnitt: Roberto Perpignani Ausstattung: Gianni Sbarra Musik: Egisto Macchi Produktion: Giuliani G. De Negri für Rai Darsteller: Omero Antonutti (Vater), Fabrizio Forte (Gavino als Kind), Saverio Marconi (Gavino), Marcella Michelangeli (Mutter), Stanko Molnar (Sebastiano), Marino Cenna, Nanni Moretti, Pierluigi Alvau, Giuseppino Angioni, Fabio Angioni, Giuseppe Brandino, Mario Cheri
INHALT Gavino, ein sardischer Knabe, ginge zu gerne zur Schule, doch der Vater entreißt ihn selbiger, um ihn stattdessen als Hirte arbeiten zu lassen. Übergriffe und Schläge gehören für den heranwachsenden Gavino zum Alltag. Er geht zum Militär, und er beginnt zu lesen. Mit der Hilfe eines Freundes gelingt es ihm, sich zu bilden. Doch der Kampf mit seinem Vater geht weiter: Er wird erst nach einer physischen Auseinandersetzung ein Ende finden, die der Sohn für sich gewinnt. Gavino lernt, geht an die Universität und macht sein Diplom.
Paolo und Vittorio Taviani ÜBER PADRE PADRONE Das, was uns an Gavino Leddas Buch vor allem beeindruckt hat, war, dass der Wille, durch das Wort zu kommunizieren, in einem Menschen so stark sein kann, dass er sich deshalb sogar entscheidet, Sprachforscher zu werden. Um das Buch zu adaptieren, haben wir es auseinandergenommen, um es anschließend mit Inhalten und Motiven zu verweben, die uns wichtig sind: Der Mensch und die Natur, die Einsamkeit sowie eben die Kommunikation. Wir haben es dann frei wieder zusammengesetzt, indem wir die anekdotische, chronologische Abfolge der Fakten zerstört haben, um zu einer Synthese zu gelangen. […] Wir sind davon überzeugt, dass ein Film nicht belehren, sondern das Publikum zum Nachdenken anregen sollte. Auch dieser Film ist – zumindest teilweise – zweideutig, denn
Special
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Auftakt eines sardischen Filmabends mit anschließendem Empfang und Live-Musik. Alle Infos und Details im separaten Flyer Ermöglicht durch die Unterstützung von: — Radio X Italia — Italiani a Francoforte e dintorni — Die Deutsch-italienische Vereinigung — experientia extrema excellentia italian food companies dimension — VIVIFrankfurt — Il MITTE — Ristoranti SARDI Uniti a Francoforte e Dintorni — Fondazione Maria Carta
Gavinos Sieg ist sowohl Triumph als auch Niederlage. Auch, wenn das Ergebnis erfreulich ist – wieviel Schmerz trägt Gavino mit sich, wieviel verlangt es ihm ab, und wie ungerecht ist es, diesen Sieg einsam zu erringen? Die Wunden, die er aus dem Eroberungskampf um die Sprache davonträgt, erleidet Gavino am eigenen Körper.
Pressestimmen PADRE PADRONE ist ein Film der TavianiBrüder, den uns Roberto Rossellini – als er ihn in Cannes mit der Goldenen Palme auszeichnete – wie eine Art Testament hinterlassen hat, als ein Beispiel wahrhaftigen Kinos. Es gilt, ihn nachzuahmen, zu verteidigen, diesen Film äußerster Bemühungen, der stilistisch durchdacht ist – was hier sogar Wert hat –, bisweilen aber auch trocken und sonnenverbrannt, immer aber von unerschütterlicher Konkretheit. Ihre sardische „Chronik“ wird eine der persönlichsten und lyrischsten Seiten ihrer Karriere bleiben, im Zeichen einer höchst glücklichen Zusammenkunft von Realität und Fantasie in der Darstellung. Zeugnis und Hinweis dafür, was Kino ist und heute geben kann, um seinerseits ein Teil der Gegenwart zu sein. — Gian Luigi Rondi, Il Tempo
Vittorio Taviani (1929, San Miniato bei Pisa) und Paolo Taviani (1931 ebenda), kamen zum Film, nachdem sie jeweils Jura und Literatur studiert hatten. Nach Assistenzen bei SAN MINIATO, LUGLIO ’44 (1954) und L’ITALIA NON È UN PAESE POVERO (1960) debütierten sie 1962 mit UN UOMO DA BRUCIARE, dem I FUORILEGGE DEL MATRIMONIO (1963), I SOVVERSIVI (1967), SOTTO IL SEGNO DELLO SCORPIONE (1969), SAN MICHELE AVEVA UN GALLO (1972), ALLONSANFAN (1973) und PADRE PADRONE (1977) folgten, welcher in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde. Danach drehten sie IL PRATO (1979), LA NOTTE DI SAN LORENZO (1982), KAOS (1984), GOOD MORNING BABILONIA (1987), IL SOLE ANCHE DI NOTTE (1990), FIORILE (1993), LE AFFINITÀ ELETTIVE (1996), TU RIDI (1998) und LA MASSERIA DELLE ALLODOLE (2007). 2012 gewannen sie bei der Berlinale den Goldenen Bären für CESARE DEVE MORIRE. 2015 realisierten sie MARAVIGLIOSO BOCCACCIO. Fürs Fernsehen drehten sie RESURREZIONE (2001) und LUISA SANFELICE (2004).
Einführung Hommage Cristina Comencini
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Cristina Comencini — Die Erzählung unserer Zeit Franco Montini, Piero Spila
Cristina Comencini bei Dreharbeiten zu Quando la notte ≥ S. 38
Es gibt in LATIN LOVER (2015), dem neuesten Film von Cristina Comencini, eine Szene, in der auf einem Schneidetisch ein Ausschnitt aus einem jener Italowestern gezeigt wird, wie sie in den 1960er Jahren in großer Zahl gedreht wurden, in der ein mexikanischer Revolutionär im Begriff ist, anzugreifen. Ein eingefrorenes Standbild zeigt jedoch ein Füßchen, welches hinter einem Felsen hervorlugt. Die Frau, die den Schneidetisch bedient (Angela Finocchiaro) erzählt, wie sie als kleines Mädchen ihrem Vater (der Darsteller des mexikanischen Revolutionärs) bei den Dreharbeiten zu dieser Szene aus der Nähe beobachten darf. Für sie sei diese Erfahrung ein Alptraum gewesen, denn niemand habe sie gewarnt, dass um sie herum Schüsse fallen und Explosionen simuliert würden. Und doch, so fügt sie hinzu, sei dies der einzige Weg gewesen, einem Mann nahe zu sein, den sein Beruf stets weit von zuhause fort führte. Daraus resultiert inmitten einer frei erfundenen Szene ein Moment von Wahrheit und großer Intimität (auch Cristina Comencini erinnerte sich einmal, ihrem Vater Luigi heimlich, in einem Schrank versteckt, beim Dreh einer Szene seines Meisterwerks TUTTI A CASA (Der Weg zurück, 1960) zugesehen zu haben). In dieser überaus gelungenen Inszenierung einer Drehbuchidee offenbart sich ein wesentliches Charakteristikum einer
Einführung Hommage Cristina Comencini
Künstlerin wie Comencini, die sowohl als Filmemacherin wie auch als anerkannte Romanautorin in der Öffentlichkeit steht. Zum jetzigen Zeitpunkt ihrer Karriere hat sie elf Spielfilme realisiert und beinahe ebenso viele literarische Arbeiten, weswegen man mit Recht behaupten kann, dass ihre kreative Berufung in erster Linie die einer Erzählerin ist.
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Interessen, die, wie bei vielen Künstlern, wahrscheinlich auch auf autobiografi sche Erfahrungen zurückgehen: Der Vater, Luigi, gefeierter Regisseur, eine Großfamilie, vier Schwestern, allesamt beim Film beschäftigt.
Sowohl im Kino als auch in der Literatur ist Comencini das höchst seltene Beispiel einer Künstlerin, die in der Lage ist, ihre filmische und literarische Tätigkeit in Einklang zu bringen, ohne eine der beiden gegenüber der anderen zu vernachlässigen. Vielmehr zieht sie daraus offensichtliche Vorteile, denn das Hauptaugenmerk liegt stets auf dem Schreiben, einer Tätigkeit, die für sie primär bleibt. Sie schreibt: „Ich habe mir oft gedacht, dass es nicht richtig sei, beide Sachen zu machen, aber jedes Mal, wenn ich einen Film mache, überkommt mich sofort das Verlangen, ein Buch zu schreiben.“ Man stellt sich vor, dass Selbiges auch umgekehrt gilt, denn Comencini beherrscht Kino wie Literatur gleichermaßen.
Als Regisseurin ist Cristina Comencini mit jedem Film gewachsen, ohne jedoch jemals innezuhalten, immer im Wunsch, früheren Erfahrungen etwas Neues hinzuzufügen. Dennoch war das Kino für Cristina trotz der familiären Prägung keine Liebe auf den ersten Blick. Ihr Wirtschafts- und Handelsdiplom verweist darauf, ebenso wie erste Forschungsprojekte, die von einem Willen zeugen, sich so weit wie möglich aus dem väterlichen Schatten zu lösen. Schlussendlich blieb ihr jedoch nichts anderes übrig, als ihren Neigungen zu folgen und erst als Drehbuchautorin unter den Fittichen einer großen Lehrerin wie Suso Cecchi D‘Amico zu arbeiten, um schließlich 1988 ein Set zu betreten und ihren Debütfilm ZOO zu inszenieren. Und das, ohne je eine Filmhochschule besucht zu haben, bestärkt nur von den seltenen und kostbaren Besuchen der väterlichen Sets.
Im Kino wie in der Literatur stützen sich ihre Geschichten auf eine Reihe präziser und wiederkehrender Themen: Die Gefühle, die Frauen, der Generationenkonflikt, die Familie, mit einem besonderen Augenmerk auf die Kinder.
Zoo ist ein eigenwilliges Debüt, vollständig losgelöst von der italienischen Filmlandschaft. Ein leicht verträumter und märchenhafter Ton bestimmt den Film, dessen Protagonisten zwei Kinder sind (unter ihnen eine sehr junge Asia
LA BESTIA NEL CUORE ≥ S. 37
Einführung Hommage Cristina Comencini
Argento), die ihre ersten Erfahrungen am Filmset sammeln. Zentrale Kinderfiguren kehren noch in vielen von Comencinis Filmen wieder, in Haupt- wie in entscheidenden Nebenrollen, etwa in IL PIÙ BEL GIORNO DELLA MIA VITA (Der schönste Tag in meinem Leben, 2002), in dem die Ereignisse durch die Augen eines kleinen Mädchens gesehen und erzählt werden. Nachforschungen in einer Kindheit bringen auch in LA BESTIA NEL CUORE (The Beast in the Heart, 2005) unaussprechliche Dramen oder in QUANDO LA NOTTE (Wenn die Nacht..., 2011) unterschwellige Unruhen zutage. Auch wenn bestimmte Themen in Comencinis Kino immer wiederkehren, hat das die Regisseurin dennoch nicht davon abgehalten, Filme verschiedener Genres, Stile und Settings zu realisieren. So drehte sie etwa zwei Jahre nach ihrem intimen Debüt ZOO den Kostümfilm I DIVERTIMENTI DELLA VITA PRIVATA (1990), der während der französischen Revolution spielt und dank seines Settings und seines angenehm liederlichen Tonfalls mehr französisch denn italienisch anmutet.
LATIN LOVER ≥ S. 39
Danach wechselt Comencini abermals die Tonlage, wendet sich in ihren beiden nachfolgenden Filmen direkt der populären Literatur zu und bringt zwei Erfolgsromane auf die große Leinwand: LA FINE È NOTA (Netz der Vergangenheit, 1992) nach einem Roman von Geoffrey
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Holliday Hall und VA‘ DOVE TI PORTA IL CUORE (Geh, wohin dein Herz dich trägt, 1996) nach dem Bestseller von Susanna Tamaro. Ersterer ist ein Thriller nach US-amerikanischem Vorbild, den Comencini vor dem düsteren Hintergrund des Terrorismus in ein rätselhaftes Italien verpflanzt. In letzterem, mit Virna Lisi und Margherita Buy hervorragend besetzten Film, bietet sie eine präzise Lesart der Romanvorlage an, ohne jedoch in Sentimentalität zu verfallen. Der große Erfolg von VA‘ DOVE TI PORTA IL CUORE läutet einen neuen Abschnitt in Comencinis Karriere ein. Ihre drei folgenden Filme, MATRIMONI (1998), LIBERATE I PESCI (2000) und IL PIÙ BEL GIORNO DELLA MIA VITA (2002) bilden eine Trilogie rund um das Thema Familie, die einen zunehmend komödiantischen oder sogar grotesken Ton anschlägt und einem mal ironischen, mal ernüchternden Ansatz folgt. Comencini erzählt in ihren Filmen von der Leere der Gefühle, der Schwierigkeit, Beziehungen einzugehen und aufrecht zu erhalten, dem Konflikt zwischen Treue und Verlangen, Leidenschaft und Routine. Comencini ist eine Filmemacherin, die das Risiko liebt und auch vor schwierigen und aktuellen Themen nicht zurückschreckt. Sie schenkt weiblichen Themen Beachtung, ohne dabei ein dezidiert feministisches Kino zu machen. Sie interessiert sich für die geheimnisvolle Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern und erforscht auch deren Schattenseiten mit großem
Einführung Hommage Cristina Comencini
Taktgefühl. LA BESTIA NEL CUORE ist ein Abstieg in einen Albtraum unsagbarer Gewalt und schuldbewussten Schweigens, und dabei entschlossen, dieses Schweigen mit geschrienen, schmerzhaften Wahrheiten zu brechen. Ein Film von großer dramatischer Spannung, der sowohl in Italien, als auch im Ausland Anerkennung erfährt und ins Rennen um den Oscar® als bester ausländischer Film ging. Weitere schwierige Themen nimmt sie mit den Filmen BIANCO E NERO (2008) und QUANDO LA NOTTE in Angriff. Ersterer stellt sich dem Thema ethnisch gemischter Beziehungen, untersucht diese allerdings im intellektuell-fortschrittlichen Milieu, in dem Willkommenskultur behauptet, aber Vorurteil und Ablehnung praktiziert werden. QUANDO LA NOTTE ist ein weiterer Exkurs über seelische Wunden der Kindheit, die das Geschick einer Reihe vom Unglück verfolgter Menschen lenken. Dreharbeiten zu VA‘ DOVE TI PORTA IL CUORE ≥ S.35
LATIN LOVER hingegen ist heiter und erfüllt von großer kreativer Freude, die sich im großartigen Spiel seiner internationalen Besetzung wiederspiegelt. Im Mittelpunkt des Films steht die Zehnjahresfeier des Todestags eines berühmten italienischen Schauspielers, der zwar ungenannt bleibt, anhand einer Montage von Ausschnitten seiner besten Filme jedoch leicht zu identifizieren ist. Statt sich aus diesem Anlass
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Einführung Hommage Cristina Comencini
der Verdienste des Verstorbenen zu erinnern, entbrennt unter Familie und Mitarbeiter/innen des Stars ein Wettstreit, in dem jeder gegen jeden kämpft und an dessen Ende die Wahrheit zum Vorschein kommt, die sich hinter Glamour und Ausstrahlung der erfolgreichen Persönlichkeit verbarg. Über die Geschichte dieser fiktiven und doch ausgesprochen realistischen Figur hinaus zollt Cristina Comencini hier einen enthusiastischen Tribut an das große italienische Kino der 60er Jahre, das Zuschauer auf der ganzen Welt zu begeistern vermochte. Comencinis jüngster Film QUALCOSA DI NUOVO (2016), welcher sich derzeit im Schneideraum befindet, basiert auf einem von ihr selbst verfassten Theaterstück, das die Geschichte zweier Freundinnen erzählt, die sich ihr Leben lang kennen und trotzdem immer noch in der Lage sind, einander zu überraschen. Es gäbe noch vieles mehr über das filmische Werk von Cristina Comencini zu sagen, besonders darüber, wie gekonnt sie ihre Darsteller und insbesondere Darstellerinnen führt; auch über die tadellose Präzision, mit der sie ihre Settings und Drehorte wählt, die nie zufällig sind und stets der Darstellung bestimmter Welten und ihrer Charakteristika dienen, ob großbürgerlich wie
in IL PIÙ BEL GIORNO DELLA MIA VITA, oder derb-knallig wie in LIBERATE I PESCI, oder intellektuell-kosmopolitisch wie in LATIN LOVER. Es gelingt dem Kino von Cristina Comencini schlussendlich, das Kontemporäre der verhandelten Themen mit stilistischem Klassizismus in Einklang zu bringen. Im italienischen Kino der Gegenwart gibt es nur wenige Filmemacher/innen, denen Vergleichbares gelungen ist.
Cristina Comencini (geb. 1956 in Rom). Nach einem Diplom in Wirtschaft und Handel war die Tochter des Regisseurs Luigi Comencini einige Jahre lang als Journalistin tätig, bevor sie sich dem Kino widmete. Zunächst arbeitete sie als Drehbuchautorin mit ihrem Vater zusammen, unter anderem für die Fernsehproduktionen IL MATRIMONIO DI CATERINA (1982), CUORE (1984), LA STORIA (1986) und den Film BUON NATALE, BUON ANNO (1989). Ihr Regiedebüt erfolgte 1988 mit ZOO, auf den I DIVERTIMENTI DELLA VITA PRIVATA (1990), LA FINE È NOTA (1992), VA‘ DOVE TI PORTA IL CUORE (1995) und MATRIMONI (1998) folgten. Nach LIBERATE I PESCI (2000) und IL PIÙ BEL GIORNO DELLA MIA VITA (2001) verfilmte sie 2005 ihren Roman LA BESTIA NEL CUORE. Der Film wurde
bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig dank der Darstellerin Giovanna Mezzogiorno mit der Coppa Volpi – dem Preis für die beste Hauptdarstellerin – ausgezeichnet und wurde für den Oscar in der Kategorie „bester fremdsprachiger Film“ nominiert. Weitere Romane Cristina Comencinis sind PAGINE STRAPPATE (1991), PASSIONE DI FAMIGLIA (1994), IL CAPPOTTO DEL TURCO (1997), MATRIOSKA (2002), L’ILLUSIONE DEL BENE (2007), QUANDO LA NOTTE (2009) und LUCY (2013). 2006 debütierte sie im Theater mit der Inszenierung ihres Textes DUE PARTITE. Für das Theater verfasste sie außerdem LIBERE und EST OVEST. Im Jahr 2000 zeichnete sie zudem auch für eine Inszenierung der Oper LA TRAVIATA verantwortlich. Zu ihren neuesten Filmen gehören BIANCO E NERO (2007), QUANDO LA NOTTE (2011), LATIN LOVER (2015) und QUALCOSA DI NUOVO (2016).
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Sonntag, 27.11. 18:00 Uhr
Hommage Cristina Comencini
VA‘ DOVE TI PORTA IL CUORE Geh, wohin dein Herz dich trägt
die individuelle Schuld und jene, die auf Erfahrungen vergangener Tage fußt. Die Grundlage der Geschichte bildet ein Willensakt, ein Wunsch nach Wandel: Die Großmutter fühlt ihr Ende nahen, und entscheidet sich dazu, der fernen Enkelin von den Geheimnissen und den Lügen zu schreiben, die ihr Leben gezeichnet, aber auch im Leben der Mutter und selbst der Enkelin Schaden angerichtet haben. Der Roman, und folglich der Film, gehen aus von der intensiven Bindung zwischen Großmutter und Enkelin, der positiven Hinterlassenschaft einer Frau, die einer anderen Epoche entstammt, die anders war als diejenige ihrer Enkelin. Das macht auch meine leidenschaftliche Bindung zu dieser Geschichte aus, zusammen mit dem Gedanken, dass vieles, was wir erleben, seinen Ursprung hat in den Ereignissen, die uns vorausgegangen sind. Nur wenn wir diese erkennen – nicht nur mit dem Verstand, sondern vor allem mit dem Herzen – können wir einen Schritt nach vorne wagen.
Italien 1996 · 110 Minuten · OmU Regie: Cristina Comencini Drehbuch: Cristina Comencini, Roberta Mazzoni, nach dem Roman von Susanna Tamaro Kamera: Roberto Forza Schnitt: Nino Baragli Ausstattung: Paola Comencini Musik: Claudio Capponi, Alessio Vlad Produktion: Sandro Parenzo für Videa, GMT Productions, Project Filmproduktion Darsteller: Virna Lisi (ältere Olga), Margherita Buy (junge Olga), Galatea Ranzi (Ilaria), Massimo Ghini (Augusto), Tcheky Karyo (Ernesto), Valentina Chico (Marta), Lavinia Guglielman, Luigi Diberti, Anna Teresa Rossini
INHALT Olga lebt allein in einer Villa an den Rändern von Trieste, nach einem Leben, das gezeichnet war von Widersprüchen, Falschheit, Familiendramen, über das sie nun nachzudenken versucht, indem sie ihre Erinnerungen einem Tagebuch anvertraut. Aufgewachsen im Wohlstand, den ihre großbürgerliche Familie ihr bot, hat sie ein kühles Verhältnis zu ihren Eltern und heiratet ohne jede Überzeugung Augusto. Eines Tages trifft sie auf den Arzt Ernesto, für den sie in zügelloser Leidenschaft entbrennt. Die Frucht dieses Ehebruchs ist Ilaria, gezeichnet vom Unbehagen und der Unfähigkeit, nicht nur mit ihrem „offiziellen“ Vater zu kommunizieren, sondern auch mit ihrer Mutter, die das Mädchen seit dem tödlichen Unfall ihres Liebhabers instinktiv ablehnt. Nach dem Tod ihres Mannes rutscht Olga während eines Streits die Wahrheit heraus, was die dreißigjährige Ilaria erschüttert – ihrerseits inzwischen alleinstehende Mutter der kleinen Marta, und sie zu einer leichtsinnigen, selbstmörderischen Autofahrt treibt. Olga kümmert sich seitdem um Marta, der das schmerzerfüllte Tagebuch nach dem Tod ihrer Großmutter das eigene Drama offenbart.
Cristina Comencini ÜBER VA’ DOVE TI PORTA IL CUORE Der Film vergleicht drei Frauen aus der gleichen Familie: Eine Großmutter, eine Mutter und eine Enkelin. Wir entdecken die Gefühle der drei, die Widersprüche,
Pressestimmen Als die schönsten Momente von Cristina Comencinis Film stechen jene hervor, in welchen Virna Lisi im Mittelpunkt steht, die ganz klar das Herzstück der Erzählung bildet. Die Verteidigung der Mauer, die
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sie aus Angst vor Verletzung um sich errichtet hat, ihre Herablassung, ihre Forderungen nach einer liebevollen Geste, die ihr jedoch in den meisten Fällen nicht gewährt wird, werden von ihr mit geschmeidiger Finesse dargestellt. Die Figur der Olga ist ein treffendes Resümée eines gewissen psychologischen Typs – jenes der norditalienischen Frau. Gut getroffen ist auch ihre Tochter Ilaria, gespielt von Galatea Ranzi, die die Ressentiments ihrer Figur unterstreicht, jene Art von Feindseligkeit, die Menschen zu eigen ist, die meinen, unverdient Wunden erlitten zu haben, für die sie nicht verantwortlich sind. Cristina Comencini, wie auch Susanna Tamaro, schreckt nicht vor Lösungen zurück, bei denen andere Regisseure den Mund verziehen würden, die aber zweierlei Funktion haben: Jener emotionalen Anteilnahme, die der Film sucht, und der Resonanz, die er im Publikum wecken will. Dagegen etwas gekünstelt scheinen jene Szenen, die die Verliebtheit der aufgrund ihrer trübseligen Ehe melancholischen Olga thematisieren – sie scheinen aus einem Liebesroman zu stammen und überschatten einen Moment lang alles Gute, von dem es in VA‘ DOVE TI PORTA IL CUORE nicht wenig gibt. — Francesco Bolzoni, Avvenire
Dienstag, 29.11. 20:30 Uhr
Hommage Cristina Comencini
IL PIÙ BEL GIORNO DELLA MIA VITA Der schönste Tag in meinem Leben
Ehe ihrer Eltern lustlos verlief, wird sie voller Zweifel fragen: „Und ihr seid das ganze Leben lang zusammen geblieben?“. Der gesamte Film bewegt sich zwischen diesen beiden Fragen, ohne Antworten zu finden, zeigt aber die Mühe und den Schmerz, Begleiter zu finden auf der Suche nach der Harmonie zwischen gegensätzlichen Gefühlen – auf der einen Seite die Zärtlichkeit, die Einsicht, die Treue, die Liebe zu den Kindern, und auf der anderen das Verlangen, das mit den eigenen Gesetzen bricht und dabei Vereinbarungen und Sicherheiten zertrümmert. Das Verhältnis zwischen Verlangen und Liebe ist das Thema dieses Films, ein flüchtiges, stoßartiges Verhältnis, das Glück und Schmerz in jenen sät, die uns lieben, auf das wir aber heute nicht mehr verzichten können.
Italien 2002 · 100 Minuten · OmU Regie: Cristina Comencini Drehbuch: Cristina Comencini, Lucilla Schiaffino, Giulia Calenda Kamera: Fabio Cianchetti Schnitt: Cecilia Zanuso Ausstattung: Paola Comencini Produktion: Riccardo Tozzi, Marco Chimenz, Giovanni Stabilini für Cattleya Darsteller: Virna Lisi (Irene), Margherita Buy (Sara), Sandra Ceccarelli (Rita), Luigi Lo Cascio (Claudio), Marco Baliani, Jean-Hugues Angalde, Ricky Tognazzi, Marco Quaglia, Gaia Conforzi, Giulio Squillacciotti, Andrea Sama, Francesca Perini, Francesco Scianna
INHALT Irene, eine reife, und doch junggebliebene Dame, lebt inmitten ihrer Erinnerungen in ihrer alten Villa, doch es gelingt ihr nicht, ihren drei Kindern dieselbe Verbundenheit zu dem Gebäude zu vermitteln. Ihre älteste Tochter Sara lebt nach dem Tod ihres Mannes in absoluter emotionaler Verschlossenheit, und verbringt ihre Abende damit, auf die Rückkehr ihres Sohns zu warten. Rita, die andere Tochter dagegen, scheint erfüllter zu sein: Sie hat ein schönes Haus, ist glücklich mit ihrem Mann Carlo verheiratet, und hat zwei Töchter, Silvia und Chiara. Doch die Fassade trügt. Zu guter Letzt ist da noch Claudio, ein junger Anwalt, der seine Homosexualität voller Frustration und nur im Verborgenen auslebt. Doch die Unzufriedenheit und Monotonie sind im Begriff, durch eine plötzliche und unerwartete Abfolge von Ereignissen erschüttert zu werden: Davide bricht in Ritas Leben ein. Ein Fremder bringt Saras Leben durcheinander. Und Luca veranlasst Claudio dazu, seine eigenen Entscheidungen zu treffen.
Cristina Comencini ÜBER IL PIÙ BEL GIORNO DELLA MIA VITA „Wie habt ihr es nur geschafft, ein Leben lang zusammen zu bleiben?“, fragt Rita ihre Mutter bewundernd, am gleichen Abend, an dem nach einer monatelangen Zerreißprobe ihre eigene Ehe in die Brüche geht. Als das Geständnis ihrer Mutter ihr verdeutlicht, dass selbst die
Pressestimmen Seit Vittorio De Sicas Film I BAMBINI CI GUARDANO (1942) blicken im italienischen Kino Kinderaugen in die Höhe, und fungieren dabei als Schlüssel zur Welt. Das Novum in IL PIÙ BEL GIORNO DELLA MIA VITA ist, dass diesmal das Mädchen Maria Luisa die Erwachsenen durch das Objektiv der Kamera beobachtet, die sie als Geschenk zu
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ihrer Erstkommunion erhalten hat. Es ist dabei durchaus legitim, in diesen verwackelten Sequenzen eine poetische Absicht der Regisseurin Cristina Comencini zu vermuten, die sich schon seit Längerem dem Film wie der Literatur gleichermaßen verschreibt. Die Tochter des großen Regisseurs Luigi Comencini, der auf sanfte Weise über die Kindheit dichtete, scheint die Filmkamera aus den nunmehr müden Händen des Vaters übernommen zu haben, um sie auf ihn und auf die ganze Familie zu richten. Es ist jedoch offenkundig, dass der Film nichts Autobiographisches in sich trägt, denn er zeichnet das Bild einer völlig anderen Familie; es wird aber deutlich, dass in dieser Brust ein starkes Gefühl der Identifikation pocht (und das zeugt von Stärke). Nach einem halbstündigen Prolog ist die vereinte Familie zu sehen, gemeinsam am Tisch, in der Villa der Mutter. Und die Masken fallen, die Reue bündelt sich, gegenseitige Beschuldigungen platzen heraus; doch wir sind nicht in Ingmar Bergmans Universum – alles spielt sich auf italienische Art ab, ohne Tragödien. Das Ergebnis ist eine Komödie im Zeichen des Ehrgeizes und des Feingefühls. — Tullio Kezich, Corriere della Sera
Sonntag, 04.12. 18:00 Uhr
Hommage Cristina Comencini
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LA BESTIA NEL CUORE The Beast in the Heart Italien 2005 · 120 Minuten · Omd/fU Regie: Cristina Comencini Drehbuch: Cristina Comencini, Francesca Marciano, Giulia Calenda, nach dem Roman von Cristina Comencini Kamera: Fabio Cianchetti Schnitt: Cecilia Zanuso Ausstattung: Paola Comencini Musik: Franco Piersanti Produktion: Riccardo Tozzi, Giovanni Stabilini, Marco Chimenz für Cattleya Darsteller: Giovanna Mezzogiorno (Sabina), Alessio Boni (Franco), Stefania Rocca (Emilia), Angela Finocchiaro (Maria), Luigi Lo Cascio (Daniele), Giuseppe Battiston, Valerio Binasco, Francesca Inaudi
INHALT Sabrina mag ihren Beruf als Schauspielerin und hat einen Partner, den sie liebt. Trotzdem wird sie seit einiger Zeit von eigenartigen Albträumen geplagt und fragt sich daher, ob sie tatsächlich glücklich ist. Als sie erfährt, dass sie schwanger ist, kehren Sabrinas Erinnerungen an ihre Kindheit zurück, eine Kindheit in einer bürgerlichen Familie, voller Strenge und doch vertraut. Doch dies ist nur eine Fassade. Tief darunter regt sich etwas Düsteres und Beunruhigendes. Mit der Hilfe ihres Bruders Daniele versucht sie, die Wahrheit aufzudecken und zu verstehen.
Cristina Comencini ÜBER LA BESTIA NEL CUORE Müsste ich den Film innerhalb einer Minute nacherzählen, würde ich sagen: Es ist die Geschichte einer Frau, die einen heftigen Albtraum hat; dieser schafft es, sie in Kontakt mit einem Teil ihres Selbst zu bringen, den sie nicht kennt und der folglich ihr Leben auf den Kopf stellt. Durch die Erkenntnis der Wahrheit wird sie neu anfangen können. Das Entdecken einer herzzerreißenden Wahrheit ist ein Element, das alle Figuren gemein haben: Erst nach ihrer Enthüllung wird jeder von ihnen etwas Neues aufbauen können. Auch im Buch ist der Moment, in welchem dies geschieht, der wichtigste. Sowohl mit dem Roman als auch dem Film wollte ich von den dunklen Abgründen in jedem von uns erzählen. Etwas, das wir von Kindesbeinen an – oder
gar noch früher – in uns tragen. Eine gemeinsame Quelle unserer Zuneigung, der Liebe, all unserer Bindungen, eine Energie, die Teil der menschlichen Natur ist und keinerlei positiven oder negativen Beigeschmack aufweist, der wir jedoch ein Antlitz, eine Form verleihen müssen.
Pressestimmen Im Gegensatz zum Roman erweist sich der Film als intensivere und glanzvolle Neuauslegung, Darstellern anvertraut (allesamt talentiert, angefangen mit der äußerst fähigen Giovanna Mezzogiorno), die Emotionen geradezu präsentieren und einladen, diese nachzuempfinden. Für Cristina Comencini schlägt mit LA BESTIA NEL CUORE die Stunde, ab der man von ihr nicht mehr allein als Luigi Comencinis Tochter sprechen wird, sondern als souveräner Filmemacherin, die aus dem Schatten ihres Vaters tritt, vielleicht um sich insgeheim idealerweise in das Adoptivtöchterchen Ingmar Bergmans zu verwandeln. Für sie war es allerdings sicherlich ein Segen, in der familiären Schule der Commedia all’italiana
aufzuwachsen, eine Erfahrung, die es ihr gestattet, Licht in das Dunkel des Dramas zu bringen, indem sie Zuflucht findet in der rettenden Flüchtigkeit eines Lächelns. — Tullio Kezich, Corriere della Sera Bei der Umsetzung einer Geschichte, die von Kindesmissbrauch in der Familie erzählt, war die Absicht der Regisseurin vor allem, keinen didaktischen Film zu machen. Das ist ihr auf zwei Wegen gelungen: Einerseits findet man im Film die Fernsehwelt, die mit ihrer Galerie voller komischer Käuze und gescheiterter Ambitionen einen Gegenpol zum zentralen Thema des Films bildet; andererseits wird man mit der Geschichte einer weiblichen Nebenfigur, Emilia, konfrontiert, die vielleicht die interessanteste ist. Emilia und Maria, eine Kollegin von Sabrina, die sich in Emilia verliebt, sind vielleicht die gelungensten Figuren; die Szenen, in denen die zwei Frauen im Zentrum stehen, zählen zu den freiesten und überraschendsten des Films. — Fabio Ferzetti, Il Messaggero
Dienstag, 06.12. 18:00 Uhr
Hommage Cristina Comencini
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QUANDO LA NOTTE Wenn die Nacht... Italien 2011 · 114 Minuten · OmeU Regie: Cristina Comencini Drehbuch: Cristina Comencini, Doriana Leondeff, nach einem Roman von Cristina Comencini Kamera: Italo Petriccione Schnitt: Francesca Calvelli Ausstattung: Giancarlo Basili Musik: Andrea Farri Produktion: Riccardo Tozzi, Giovanni Stabilini, Marco Chimenz für Cattleya Darsteller: Claudia Pandolfi (Marina), Filippo Timi (Manfred), Thomas Trabacchi, Denis Fasolo, Michela Cescon, Manuela Mandracchia, Franco Trevisi
INHALT In den Bergen begegnen sich ein Mann und eine Frau. Manfred ist Bergführer, in sich verschlossen und abschätzig, seitdem seine Frau ihn zusammen mit den zwei gemeinsamen Kindern verlassen hat. Marina ist eine junge Mutter. Sie hat das Appartement über seinem gemietet, um dort mit ihrem Kind einen einmonatigen Urlaub zu verbringen. Eines Nachts kommt es in Marinas Wohnung zu einem Zwischenfall und Manfred schreitet ein, indem er anschließend das verletzte Kind ins Krankenhaus bringt. Ab diesem Moment wird er sich auf die Spur einer unaussprechlichen Wahrheit begeben, die Marina vor jedermann, auch vor ihrem Mann, verborgen gehalten hat, während sie dagegen Manfreds Familiengeheimnis auf die Schliche kommen wird, welches seine Wut und seinen Hass gegenüber allen Frauen begründet.
Cristina Comencini ÜBER QUANDO LA NOTTE Wenn ich ein Buch schreibe, denke ich nie darüber nach, ob einmal ein Film daraus wird. Einer der Aspekte, die mir bei der Verfilmung von QUANDO LA NOTTE am meisten Sorge bereitet hat, ist der Stil des Romans, der reich ist an inneren Monologen: Es ist die Geschichte eines Mannes und einer Frau, die einander fremd sind und sich, um den anderen zu begreifen, gegenseitig zuhören und über den anderen nachdenken. Natürlich konnte dies im Kino nicht bewerkstelligt
werden. Ich habe versucht, die Innerlichkeit des Romans mittels eines gänzlich objektiven Stils wiederzugeben. Wir haben auf das zurückgegriffen, was das Kino am Besten bieten kann, und zwar Stille, Blicke, oder das langsame und gegenseitige Betrachten und Begehren darzustellen. QUANDO LA NOTTE ist eine Erzählung über die tiefgreifenden Gegensätzlichkeiten zwischen Mann und Frau, in Einklang gebracht durch ein Kind. Manfred, im Kindesalter von der Mutter verlassen, ist ein in einer Männerwelt (mit Vater und Brüdern) aufgewachsener Mann, der großen Groll gegenüber Frauen hegt. Marina ist eine junge Frau, im Urlaub mit ihrem Kind. Ohne einen Mann, der ihre Einsamkeit und ihre widersprüchlichen Gefühle von Liebe und Gewalt, die sie für ihr Kind empfindet, zu verstehen weiß. Paradoxerweise wird Manfred der einzige sein, der sie verstehen kann, da er selbst von seiner Mutter ausgesetzt worden ist und folglich mütterliche Liebe nicht für
selbstverständlich hält. Ich glaube, dass aus eben jenen Differenzen zwischen Mann und Frau der gewaltige Kontrast, die Angst, die Ambivalenz, aber auch das Verlangen und ein mögliches, wunderbares Verständnis geboren werden können.
Pressestimmen QUANDO LA NOTTE, für den Cristina Comencini ihren eigenen, gleichnamigen Roman als Vorlage verwendete, ist ein mutiger Film, da er die Ambivalenz mütterlichen Empfindens – das hier mit der ursprünglichen Anziehungskraft zwischen Mann und Frau verwoben wird – in Form eines inneren Dramas darstellt. Die Regie ist straff und stark, dazu die raue Bergkulisse, Andrea Farris Musik: All das trägt dazu bei, eine Spannung wie in einem Thriller der Emotionen zu schaffen. Und während Claudia Pandolfi sich als reife Darstellerin beweist, verleiht Filippo Timi Manfred eine mono lithische, urwüchsige Düsternis. — Alessandra Levantesi, La Stampa
Samstag, 26.11. 19:00 Uhr
Zu Gast: Cristina Comencini
Eröffnung der Hommage
LATIN LOVER
Samstag, 26.11. 22:00 Uhr
Neues italienisches Kino
das darzustellen, da es mir am meisten liegt. Anfangs hatte die Geschichte einen stärkeren, dramatischeren Ton, dem wir dann aber doch die Leichtigkeit vorgezogen haben. Ergreifende Momente dürfen allerdings dennoch nicht fehlen.
sen oder Ängsten, Tränen und Lachen. Und der Film ist eine Aufforderung an all seine Frauen, eine Leichtigkeit und eine Freiheit wiederzuerlangen, die ihnen erlaubt, sich mit einem Lächeln selbst zu akzeptieren. — Paolo Mareghetti, Corriere della Sera
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Pressestimmen
Italien 2015 · 104 Minuten · OmU Regie: Cristina Comencini Drehbuch: Cristina Comencini, Giulia Calenda Kamera: Italo Petriccione Schnitt: Francesca Calvelli Ausstattung: Paola Comencini Musik: Andrea Farri Produktion: Lionello Cerri für Lumière & Co. Darsteller: Virna Lisi (Rita), Marisa Paredes (Ramona), Angela Finocchiaro (Susanna), Valeria Bruni Tedeschi (Stephanie), Candela Peña (Segunda), Pihla Viitala (Solveig), Nadeah Miranda (Shelley), Cecilia Zingaro (Saveria), Francesco Scianna (Saverio), Llouis Homar, Neri Marcorè, Claudio Gioè, Toni Bertorelli
INHALT Anlässlich des zehnten Todestages von Saverio Crispo, einem Schauspieler mit Symbolcharakter für den italienischen Film und ewigem Latin Lover, wird in einem Dörfchen in Apulien eine Zeremonie organisiert, an der seine fünf Töchter und zwei Ex-Frauen, eine Italienerin und eine Spanierin, teilnehmen. Geheimnisse, Rivalitäten und neue Leidenschaften führen dazu, dass sie alle eine unerwartete Vergangenheit entdecken, die sie auch das eigene Leben aus einem neuen Blickwinkel betrachten lässt.
Cristina Comencini ÜBER LATIN LOVER LATIN LOVER ist im Grunde genommen ein Film über den Mythos Vater. Für alle Frauen ist der Vater ein Mythos, nicht nur für die Töchter eines berühmten Mannes wie Saverio Crispo. Denn wir Frauen lieben unsere Väter, diese unbekannten und flüchtigen Wesen, die jede Tochter zum Mythos verklärt. Im Film haben alle weiblichen Figuren eine sehr starke Bindung zu diesem Vater und Ehemann, der ein Charmeur und Verführer war. Aber dann entdecken sie die Freiheit, endlich sie selbst sein zu können. Es ist die Figur der zweiten Ehefrau, durch die dieses Moment der Befreiung entfesselt wird, als sie die anderen dazu auffordert, endlich erwachsen zu werden. Es ist ein Moment, den jede Frau durchlebt, er gehört zu unserem Leben dazu. Ich habe mich für das Genre der Komödie entschieden, um all
Für MATRIMONI war es das Weihnachtsfest, für IL PIÙ BEL GIORNO DELLA MIA VITA die Erstkommunion der Nichte und für LATIN LOVER sind es nun die Feierlichkeiten zum zehnten Todestag eines großen Schauspielers: in allen drei Komödien (den besten Komödien Cristina Comencinis) bietet eine Familienzusammenkunft das ideale Szenario, um Spannungen und Leidenschaften Ausdruck zu verleihen, die schon lange unter der Oberfläche schwelten. Anders als die vorigen Filme ist LATIN LOVER, neben dem Spiel mit den Emotionen, auch eine Liebeserklärung an die Welt des Kinos. Hieran geknüpft ist auch eine Überraschung, die alle Karten neu mischt. Aber angesichts der „Befreiung“, die durch das Familientreffen in jeder der Frauen eingeleitet wird, tritt dieser Aspekt an zweite Stelle. Auf diesem Gebiet bewegt sich die Regisseurin am mühelosesten. Ihr liegt das Spiel mit Enthüllungen und unterschwelligen Andeutungen, Neuro-
Ein liebevoller und nostalgischer Film über die Welt der Frauen, in dem Cristina Comencini für Idee, Drehbuch (zusammen mit Giulia Calenda) und Regie verantwortlich ist. LATIN LOVER, ihr elfter Film, schenkt uns das Vergnügen, uns ganz in der Gesellschaft von Frauen zu bewegen, in der die männliche Präsenz sich auf eine Traumgestalt, eine vielleicht zu stark kultivierte Sehnsucht nach einem Schauspieler, Ehemann, Liebhaber und Vater beschränkt, der vor zehn Jahren gestorben ist. Und die echten Männer? Eine Last! Die Regisseurin erzählt eine Geschichte, die in der Hand anderer Regisseure leicht ins Süßliche hätte abdriften können. Aber Cristina Comencini schafft mit Ironie und auf geradezu unschuldige Weise, ohne Rhetorik oder Langeweile, Szenen von heiterer Komplizenschaft, mit Geständnissen, Trinkgelagen und Gelächter unter Frauen. Sie zeigt uns eine weibliche Welt des Zusammenseins, die den Männern fremd ist. — Natalia Aspesi, La Repubblica
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