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Tödliches Ende eines ruhigen Abendabgleiters
Vor der Gefährlichkeit von Wasserlandungen wurde im DHV-Info schon öfter gewarnt. Dieser Bericht eines Augenzeugen und Ersthelfers soll noch einmal sehr deutlich machen, wie groß die Gefahr ist. Und wie wichtig Präventions-Maßnahmen sind. Schwimmweste, Kappmesser, Rettungsmittel am Ufer. Aber auch die mentale Vorbereitung auf den Fall einer Wasserung.
Karl Slezak, DHV-Sicherheitsreferent
→Westliche Hälfte des Landeplatzes in Roquebrune-Cap-Martin in Richtung Monaco
Tödliches Ende eines ruhigen Abend-Abgleiters
Unfall vom 06.10.21
AUTOR: GÜNTHER GROLL
Wir starteten zu zweit kurz vor 19 Uhr am Startplatz Mont Gros bei Monaco zu einem ruhigen Abflug. Am Startplatz war es windstill, der Flug war entsprechend ruhig und wir genossen die abendliche Stimmung der letzten Sonnenstrahlen auf Monaco und Roque-Brune-Cap-Martin. Während des Fluges herrschte Wind mit 5 km/h aus SüdWest.
Für die Landeeinteilung am östlichen Ende des Landeplatzes blieb ich nah am Hang und den Häusern. Zwei Drittel meines letzten Kreises befanden sich dennoch über Wasser. In 50 m Höhe kam ich dann in starkes Sinken mit bis zu 4,4 m/s und nur geringer Fahrt über Grund. Entsprechend hart landete ich dann ca. 10 m vom Wasser entfernt auf dem Strand ein.
Mein Fliegerkamerad war kurz nach mir gestartet und entschloss sich, den Landeplatz in einem größeren Bogen über Wasser anzufliegen. Er geriet wie ich in 50 m Höhe in starkes Sinken und landete ca. 20 m vom Strand entfernt im Wasser.
Mir war sofort klar, dass er Hilfe braucht. Ich entledigte mich meines Gurtzeugs, des Helms, der Handschuhe und des an den Beinschlaufen meines Overalls durchgeschlauften Fluginstruments. Letzteres nahm in der Hektik und des immer wieder verhakenden Klettbands mehr Zeit in Anspruch, als mir lieb war. Mein Freund rief zwischenzeitlich bereits um Hilfe, da es ihm immer weniger gelang, gegen den Auftrieb des Protektors und dem immer schwerer werdenden Gurtzeug den Kopf mit Schwimmbewegungen über Wasser zu halten. Ich sprang voll bekleidet mit den schweren Fliegerschuhen ins Wasser und war bereits nach wenigen Metern gezwungen, zu schwimmen. Als
ich ihn erreichte, ich schätze ca. 3 - 4 Minuten nach seiner Landung, war er noch bei Bewusstsein und mir gelang es mehrmals, seinen Oberkörper ausreichend weit über Wasser zu drücken. Er selbst war dabei noch in der Lage, den Kopf so weit zu drehen, dass er Luft einatmen konnte. Ich wurde dabei zwangsläufig jeweils unter Wasser gedrückt. Das schwerer werdende Gurtzeug und der Auftrieb des Protektors drückten ihn immer mehr in Bauchlage mit Kopf und Brust unter Wasser. Nach ca. 2 Minuten kamen mir zwei junge Franzosen zu Hilfe. Es gelang uns zwischenzeitlich selbst zu dritt nicht mehr, ihn ausreichend weit aus dem Wasser zu hebeln, um ihm ein Atmen zu ermöglichen, zumal er auch selbst keine Kraft mehr hatte, dies aktiv zu unterstützen. Es blieb uns nur, ihn so schnell wie möglich aus dem Wasser zu ziehen. Der im Wasser liegende Schirm bremste jedoch unser Zugbewegungen stark ab, so dass wir ca. 5 Minuten benötigten, bis uns eine Welle auf den Strand spülte. Dabei wickelten sich 3 Leinen um meinen linken Schuh und das zurückfließende Wasser zog den Schirm und mich wieder zurück ins Meer. Mit der nächsten Welle und den dadurch entlasteten Leinen konnte ich mich befreien und wir uns am Strand halten. Es gelang uns dann einen Tragegurt zu lösen, der zweite Karabiner ließ sich nicht öffnen, da der Sicherheitsmechanismus am Karabiner durch Sand blockiert war. Während die beiden Franzosen zwischenzeitlich mit Wiederbelebungsversuchen begonnen hatten, versuchte ich wenigstens einen Teil des mit Wasser gefüllten Schirmes aus dem Brandungsbereich Richtung Strand zu ziehen. Ich bekam den Zentner schweren Schirm keinen Zentimeter bewegt. Mit einem Messer durchtrennten wir die restlichen Leinen. Der Schirm wurde anschließend von der Brandung wieder ins Wasser gezogen.
Unsere Wiederbelebungsversuche zu Dritt forderten unsere letzten Kräfte und es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Rettungsdienst und Notarzt eintrafen. Leider blieben auch die Bemühungen der Rettungskräfte erfolglos. Sehr wahrscheinlich war mein Freund bereits tot, bevor wir den Strand erreichten.
Es bleibt nur Fassungslosigkeit und die brutale Erkenntnis, wie lebensgefährlich eine Wasserlandung ist, wie wenig Zeit zum Überleben bleibt und wie chancenlos man als Helfer im Wasser ist.
Der Verunglückte war ein erfahrener Flieger und hat immer wieder Andere darauf hingewiesen, bei einer Wasserlandung die Schnallen des Gurtzeugs so frühzeitig und so schnell wie möglich zu öffnen und tat es dann, als er selbst in diese Notsituation geraten war, nicht.
Am Strand gab es keine geeigneten Rettungsmittel. Das ist uns jedoch auch erst nach dem Unglück aufgefallen. Wir hatten zwar bei Ankunft im Fluggebiet den Landeplatz vor dem Fliegen inspiziert, auf Rettungsmittel jedoch gar nicht geachtet.
Uns fiel auch erst danach auf, dass nur wenige, meist von Flugschulen betreute Flieger Schwimmwesten trugen. Alle anderen Flieger nicht, wie wir am Unglückstag. Eine solche hätte das Leben unseres Freundes gerettet.
Wir beobachteten tags darauf viele Flieger, die den Landeplatz, wie der Verunglückte, vom Wasser her anflogen oder so nah am Wasser landeten, dass der Schirm im ungünstigsten Fall von den Wellen hätte erfasst werden können und damit Gefahr bestand, ins Wasser gezogen zu werden.
Ich glaube, dass die allermeisten Piloten die Gefährlichkeit einer Wasserlandung und das Landen nahe der Brandung unterschätzen.
Man hinterfragt nach einem solchen Vorfall nicht nur sein eigens Flugverhalten, sondern auch sein Verhalten als Helfender. Hatte ich denn ohne Rettungshilfe überhaupt eine Chance ihm zu helfen? In welche Gefahr habe ich mich dabei selbst gebracht? Das mit Wasser vollgesaugte Gurtzeug des Verunglückten war so schwer, dass wir es nur zu zweit tragen konnten. Schwimmend sind solche Gewichte inklusive Oberkörper des Verunglückten nicht zu stemmen. Für meinem hilferufenden Freund bin ich, ohne groß nachzudenken, ins Wasser gesprungen. Kein Umschauen, ob in erreichbarer Entfernung ein Surfbrett oder andere Schwimmhilfen von Strandbesuchern verfügbar waren. Gab es in diesem Fall nicht. Wenn doch, hätte ich die dann einzige Chance, ihn lebend herauszubekommen, vergeben.
Ich hoffe, meine Schilderungen tragen dazu bei, die Gefahr einer Wasserlandung und die richtigen Reaktionen im Notfall wieder mehr ins Bewusstsein vieler Pilotinnen und Piloten zu rücken und wir im besten Fall keine derart schrecklichen Unfälle mehr erleben müssen. Sie lassen sich verhindern.
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← Blickrichtung Osten. Aus dieser Richtung kommend sind wir am Unfalltag den Landeplatz angeflogen.
↓ Der gesamte Landeplatz aus östlicher Richtung mit der steilen felsigen Begrenzung Richtung Osten.
QR Code Todesfalle Wasser und Link: www.dhv.de/fileadmin/user_upload/files/2021/Sicherheit_2021/Todesfalle_Wasser.pdf
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