José Fonollosa
Wer regiert in deinem Haus?
© 2013 José Fonollosa
Ein Leben unter Katzen, festgehalten von
Foto © 2013 José Fonollosa
Eine Katze schläft bis zu 16 Stunden am Tag. Anders als Jim Davis’ Kater Garfield (»fett, frech, faul, filosophisch«) ist eine normale Freigänger-Katze, die nicht im Haus eingesperrt ist, in ihrer wachen Zeit ganz schön aktiv. Und anders als beispielsweise ein Hund ist eine Katze eher schwer zu erziehen. Einen Haushalt mit einer oder gar mehreren Katzen zu teilen, ist sowohl eine Herausforderung und eine Kunst, als auch ein Segen. Ein bedeutender Schriftsteller wie Ernest Hemingway wusste das nur zu genau (noch heute wohnen in seinem ehemaligen Haus auf Key West in Florida über 60 Nachkommen seiner Katze Snowball, die kurioserweise sechs statt fünf Zehen hatte) und auch ein Mark Twain schätzte die eigensinnigen Felidae so sehr, dass er sich einst zu der kühnen Behauptung hinreißen ließ: »Könnte man den Menschen mit der Katze kreuzen, würde man damit den Menschen verbessern, aber die Katze verschlechtern.« Der Ostspanier José Fonollosa ist ein begnadeter Beobachter. Seine Liebe zum Detail merkt man jedem seiner Comicstrips an. Seine Katzen benehmen sich nicht wie Menschen, so wie man es in der Regel bei anderen Tiercomics sieht, sondern wie eben das neugierige Haustier, das bei »dir und mir« wohnt. Gar nicht so einfach, dies realistisch und gleichzeitig lustig umzusetzen. Aber selbst die Tatsache, dass Katzen gerne stundenlang dösen, schier endlos lang aus dem Fenster schauen oder angespannt auf der Lauer liegen, stellt er mit spielerischer Leichtigkeit dar. Fonollosa wurde 1975 in der spanischen Hafenstadt Vinaròs am Mittelmeer geboren. Sein Gespür für
© 2013 José Fonollosa / Diábolo Comics
In Deutschland leben rund 8,2 Millionen Katzen, was die flauschigen Stubentiger zu den mit Abstand beliebtesten Haustieren macht. Doch eigentlich sind Katzen gar nicht so leicht in den Griff zu kriegen. Die Binsenweisheit »Hunde haben Herrchen oder Frauchen, Katzen haben Personal« hat fast jeder schon einmal gehört – oder gar am eigenen Leib erfahren. Und in der Tat, Katzen haben ihren eigenen Willen und lassen sich ungern wie ein Hündchen dressieren. Schon der italienische Dichter Francesco Petrarca (1304-1374) soll gesagt haben: »Die Menschheit lässt sich grob in zwei Gruppen einteilen: in Katzenliebhaber und in vom Leben Benachteiligte.« Einer, der sich mit den eigensinnigen, aber natürlich höchst liebenswerten Mitbewohnern des Menschen auskennt, ist der spanische Zeichner José Fonollosa. Seine Erfahrungen mit Katzen hielt er in seinem Webcomic Miau fest, dessen erste Sammlung jetzt auf Deutsch bei Diábolo Comics vorliegt.
Situationskomik ohne Worte: Morgendlicher Überfall im Hause Fonollosa Foto unten: Der Künstler und seine Protagonisten am Zeichentisch
Comics, wie das für Katzen, erwachte sehr früh. Wo er wohnte, gab es keinen Comicladen. Seinen Lesestoff kaufte er in kleinen Kiosken, in denen oftmals nur alte Hefte auslagen, so dass man keine vernünftige lückenlose Sammlung aufbauen konnte. »Zum Glück führte die öffentliche Stadtbücherei eine große Auswahl europäischer Comics. Die Lektüre von Comics wie Asterix, Tim und Struppi, Schlümpfe, Blueberry oder Superlópez ließen meine Liebe zur Neunten Kunst wachsen,« so Fonollosa über die Anfänge in seiner Kindheit. Letzteres ist eine spanische Superheldenparodie, die auf Deutsch als Super-Meier bei Condor erschienen ist. Was wie ein Comic aussah und in Fonollosas Hände fiel, wurde gelesen. Sobald er etwas älter war, verschlang er die Erwachsenencomics seiner älteren Cousins. Im Spanien der 1980er Jahre erschienen jede Menge Horror- und Underground-Magazine. Lesestoff wie Cimoc, El Vibora oder Zona 84 wirkte fast schon bewusstseinserweiternd auf ihn. »Da habe ich gemerkt, dass man im Comic über alles reden kann. Es gab keine Grenzen. Nicht, dass dies die passende Lektüre für ein Kind war, aber ich habe sie geliebt«, so Fonollosa heute. Seit er denken kann, wollte er Comics zeichnen. Er kann sich noch sehr gut daran erinnern, dass er als kleiner Junge Peyos Schlümpfe nachzeichnete und eigene Geschichten mit neuen Schlumpf-Figuren kreierte. Zwar belegte er nach der Schule das Studienfach
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© 2011 José Fonollosa / Dolmen Editorial
© 2013 José Fonollosa / Diábolo Ediciones
Architektur, doch er übte den Beruf des Architekten nie aus. »Heute, mit all dem Wissen das ich angesammelt habe, und wenn ich in der Zeit zurückreisen könnte, würde ich Kunst studieren. Ich sehe bei Kollegen, die eigene Kunststudios haben, dass sie einen anderen Zugang zur Kunst an sich haben. Sie trauen sich mehr oder experimentieren furchtloser mit neuen Techniken. Ich hatte früher bereits Panik, als ich mit Wasserfarben kolorieren wollte, weil mir keiner gesagt hat, dass ich mir einfach viel mehr zutrauen soll«, erklärt der Zeichner, als er nach seiner Ausbildung gefragt wird. Eine formale Kunstausbildung hat er nicht. Alles, was er über die Jahre gelernt hat, hat er sich selbst beigebracht oder von Freunden und Kollegen erfahren. Professioneller Comiczeichner ist er seit rund 15 Jahren. Er zeichnet für verschiedene Magazine, veröffentlicht seine eigenen Webcomics im Internet und regelmäßig auch gedruckte Alben. Nach speziellen Einflüssen und Vorbildern gefragt, kann der Spanier gar nicht genau sagen, welcher Zeichner ihn geprägt hat. Grundsätzlich interessiert er sich für alles, ob europäische, nordamerikanische Comics oder japanische Manga. Die Bandbreite geht von Peter Bagge über Jean Giraud, Juan López Fernández (»Jan«) oder John Byrne bis zu Lewis Trondheim. Aber das sind nur einige der Künstler, deren Comics er immer wieder zur Hand nimmt und von ihnen lernt. Zu seinem Hauptwerk gehören seine Katzencomics. Es begann mit dem Webcomic Miau.
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Gelungene Parodie auf Kirkmans The Walking Dead: Umlaufendes Covermotiv des zweiten Hefts von Los Muertos Revivientes
Was Katzen tun, wenn sie nicht spielen oder jagen …
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Sci-Fi, Erotik und Underground: Spanische Erwachsenencomics prägten den Zeichner in den 1980er Jahren
Warum eigentlich Katzen? Die Frage beantwortet José Fonollosa mit einer Gegenfrage: »Warum keine Katzen?« Er und seine langjährige Freundin kennen nichts anderes als ein Leben mit Katzen. Sie sind seit zehn Jahren ein Paar, und als nach einiger Zeit die Entscheidung fiel, zusammenzuziehen, war das erste, was in der neuen Wohnung vorhanden war, noch vor einem neuen Fernseher, ihre beiden Katzen Rufa und Belfi. »Alle Anekdoten, die ich in Miau zum Besten gebe, basieren auf unseren Katzen. Ich arbeite zu Hause und habe somit mein Recherchematerial sehr nah bei mir: Es schläft auf dem Sofa, neben meinem Zeichenbrett.« Den Webcomic Miau startete er Ende 2009. »Ich arbeitete an einer Sammlung mit Geschichten über die Reisen von Charles Darwin. Nach diesem Job, der eine sehr detaillierte Dokumentation erforderte, wollte ich etwas leichteres und spaßigeres machen. In diesem Jahr starteten in Spanien einige Webcomics, die ich täglich gelesen habe. Das erschien mir eine großartige Idee, um einen Comic zu bewerben,bevor er in Papierform erscheint. Aber was sollte ich zeichnen? Mein Leben ist nicht sonderlich interessant. Ich schaute auf die Seite und da lag meine Antwort: meine beiden Katzen. Als Katzenfan mag ich alles, was mit Katzen zu tun hat, und ich war mir sicher, dass es noch mehr sol-
cher Leute wie mich gibt. Recht bald hat der Verlag Diábolo Ediciones Interesse gezeigt und bislang haben wir vier Bücher über Katzen in verschiedenen Ländern veröffentlicht, zum Teil mit großem Erfolg«, meint Fonollosa nicht ohne Stolz. Neue Strips versucht er wöchentlich zu veröffentlichen. Miau hat längst ein Eigenleben entwickelt. Er bekommt viele Katzenbilder von seinen Lesern geschickt, und auf Facebook gibt es eine Gemeinschaft spanisch sprechender Fans, die seine Comics weltweit austauschen und kommentieren. Inzwischen leben drei Katzen in Casa Fonollosa. Die beiden Geschwister Belfi und Rufa sind zwölf Jahre alt, und vor rund acht Monaten kam ein kleines Kätzchen namens Toñin dazu. Der herzige Racker hat umgehend einen eigenen Comicstrip mit dem Titel Uno más en la familia bekommen, der eine Art digitales »Tagebuch der neuen Adoptivkatze« darstellt. Seine ersten Abenteuer wurden in Spanien im Frühjahr erstmals als Buch zusammengefasst und gedruckt veröffentlicht. Mit diesem Band entwickelt der Zeichner sein Konzept weiter und liefert nicht nur lustige Zeichnungen und Gags zum Thema Katzen ab, sondern zeigt, was passiert, wenn ein kleiner neuer Mitbewohner in ein etabliertes
© 2013 José Fonollosa / Diábolo Ediciones
Gleich geht’s rund: Rufa und Belfi wird’s nicht langweilig
© 2013 José Fonollosa / Diábolo Comics
© 2013 José Fonollosa / Dolmen Editorial
Mensch-Katzen-Universum einzieht, inklusive hilfreicher Tipps. Fonollosa glaubt, dass eine Katze sich eine Person eines Haushalts aussucht, zu der sie eine bevorzugte Bindung aufbaut. Rufa, die schwarzweiße Katze, hat ihn »auserwählt«. Sie ist ein bisschen exzentrisch
als »wandelndes Erdbeben«. Toñin will immer spielen und nervt damit die beiden alten Damen. Die vier bisIm Fokus herigen Bewohner mussten sich gehörig umstellen, damit es allen Katzen gut geht. Hinzu kam, dass Toñin verletzt war, eine Operation an der Hüfte hinter sich hatte und daher oft zum Tierarzt musste. Aber er bringt viel Freude ins Haus mit seiner temperamentvollen Art. Nach seinem Geheimrezept für gute Ideen gefragt, erzählt Fonollosa von seiner wichtigsten Regel, die besagt, dass seine Protagonisten Katzen sind und sich auch wie solche benehmen. Seine Stubentiger sprechen nicht, weil Katzen nicht sprechen. »Diese Tatsache macht es schwieriger, sich neue Ideen auszudenken, weil eine normale Hauskatze den ganzen Tag im Bett liegt und pennt. Manchmal brauche ich sehr lange, um einen Kniff zu finden, um einen neuen Strip interessant zu gestalten. Aber ich versuche stets, mich nicht zu wiederholen, damit es meinen Lesern nicht langweilig wird.« Fonollosas Zeichenstil ist simpel, locker und auf den Punkt. Hat er einmal die Grundidee, braucht er höchstens ein bis zwei Stunden für einen Strip. Seine Comics zeichnet er mit Bleistift und Tusche auf Papier und koloriert und lettert das Ganze anschließend mit dem Wacom. Auch wenn er die Vorteile der digitalen Verarbeitung schätzt, bevorzugt er es nach wie vor, im alten Stil auf Papier zu zeichnen. Außer Katzencomics zeichnete José Fonollosa bislang viele andere Comics. Bemerkenswert ist seine Parodie des ZomMiau bie-Comics The Walking Dead mit Text/Zeichnungen: José Fonollosa dem Titel Los Muertos Revivientes, Diábolo Comics | HC | zweifarbig | veröffentlicht beim Verlag Dolmen 128 Seiten | 14,95 € Editorial. Spanische Comicfans lieben Parodien, und mit seiner scharfsinnigen Beobachtungsgabe und dem witzigen Zeichenstil ist Fonollosas ein prädestinierter Parodist. Zuletzt versuchte er sich an Marvels The Avengers: »Ich mag diese Art von Comics, da kann man richtig wild sein. Es gibt keine Regeln.« Und was hält Fonollosa eigentlich von Hunden? Er hat noch nie mit einem Hund gelebt, aber wenn er Freunde besucht, die Hunde besitzen, liebt er es, mit ihnen zu spielen. »Wahrscheinlich muss man für einen Hund mehr Zeit und Arbeit aufwenden, aber die Liebe, die man für eine Katze oder einen Hund aufbringt, ist gleich«, sagt Fonollosa und ergänzt: »Entscheide dich nicht für oder gegen eine Katze oder einen Hund, sonder bringe so viel Liebe wie möglich für das Tier auf, das du zu Hause hast.« Matthias Hofmann
Knallharte Action bietet die Hommage an Marvels The Avengers mit dem Titel Los Vengatas. 112 Seiten Funny-Unterhaltung à la Fonollosa
und sehr wählerisch, aber er liebt sie sehr und kuschelt mit ihr so oft es geht. Wenn er sie ruft und mit den Fingern schnalzt, kommt sie sofort angelaufen. Die grauweiße Katze Belfi hat sich dagegen für Josés Freundin entschieden. Sie ist sehr elegant, bewegt sich wie eine Lady und ist liebesbedürftiger als Rufa. Den kleinen männlichen Newcomer Toñin bezeichnet der Künstler
Foto © José Fonollosa