Die Beste Zeit Nr 28

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DIE BESTE ZEIT Das Magazin für Lebensart

Ausgabe 28, 2014 - 3,50 Euro

Die Magie des Alltäglichen Von der Heydt-Museum Wuppertal

Stephan Balkenhol Ausstellung im Skulpturenpark

25 Jahre am Ort Der Bildhauer Eckehard Lowisch

Literatur Biennale 2014 Rückblick von Jürgen Kasten

Wuppertal ist Tangostadt Tango ist tiefstmenschlich

Angstschweiß an diesem Denkmal Glosse zum Engelsdenkmal

Referenzaufführung im Wuppertaler Opernhaus

Willi Baumeister - International im Museum Küppersmühle Duisburg

Jeder Mensch braucht Wüste Konzertreise durch die Mongolei

ISSN 18695205

Wuppertal und Bergisches Land

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Editorial Sommerloch - liebe Leser? Mitten in der gefürchteten Sommerpause vieler Kulturstätten, dem berüchtigten Sommerloch, liegt das druckfrische Heft Nr. 28 Ihres Kulturmagazins „Die Beste Zeit“ vor Ihnen. Prall gefüllt die 100 Seiten, damit Sie nicht darben müssen, bunt wie immer unser Angebot. Also doch kein Sommerloch. Was machen Sie eigentlich mit Ihrem Sommer zu Hause, nachdem sie Falko Löfflers Buch „Bin ich blöd und fahr in Urlaub?“ gelesen haben? Gerade in den Ferien ein lohnendes Ziel - die Museen im Bergischen. Was gibt es da nicht alles zu sehen. Der schattige, verzauberte Skulpturenpark „Waldfrieden“ lockt mit seiner einzigartigen Topographie und den zauberhaften Werken seines Gründers Tony Cragg – derzeit mit zwei sehenswerten Sonderausstellungen mit Arbeiten von Gereon Lepper und Stephan Balkenhol. Das Von der Heydt-Museum kann mit eigenen Beständen wuchern und tut das auch üppig, während es parallel die Wiederentdeckung des Malers Günther Blau mit seiner „Magie des Alltäglichen“ feiert. Es gibt nichts Schöneres, als an einem heißen Tag aus der brodelnden Stadt in die Stille der kühlen Säle mit ihren erlesenen Bildern zu fliehen. Hinter den Kulissen wird derweil schon fieberhaft an der großen Pissarro-Ausstellung (ab Oktober) gearbeitet. Da gibt es noch mehr: Die Galerie der Stadt Remscheid führt noch den ganzen August über in einer Doppelausstellung in zehn Malereipositionen unter der Überschrift „Suckstract“ und in das Werk von Stefan Pfeiffer ein. Das Solinger Kunstmuseum verfügt über einen beachtlichen Bestand ausgesuchter Originale, während das Museum Plagiarius in Solingen Fälschungen zeigt. Das Solinger Klingenmuseum ist mit seiner phantastischen Sammlung auch im Sommer geöffnet, das Werkzeugmuseum im benachbarten Remscheid hat mit der Geschichte des Werkzeugs und mit Maschinen regionaltypisches zu bieten (und Pannenhilfe für Radtouristen). Sogar ins Theater kann man im Sommer gehen, denn das TiC (Theater in Cronenberg) spielt auch im August. Mark Rieder und Mark Tykwer laden wie jeden Sommer in ihr „Talflimmern“ ein – gutes Kino zu fairen Preisen unter freiem Himmel. Mit berechtigter Spannung schaut die Kulturwelt auf den bevorstehenden, seit Monaten kontrovers diskutierten Saisonstart an Wuppertals Oper und Schauspiel, deren neu besetzte Intendanzen sich und ihre Arbeit einer höchst kritischen Öffentlichkeit stellen müssen. Das knistert, hört man von vielen Seiten, schon ordentlich. Man kommt in Wuppertal natürlich nicht an Friedrich Engels vorbei. Der hat schon manche kommunistische Charge ins Tal gelockt, unvergessen der Besuch des peinlich hofierten und nach der Wende vor Gericht gestellten Erich Honecker. Seit die Regierung der VR China der Stadt jüngst ein Engels-Denkmal des Künstlers Zeng Chenggang verehrt hat – ein Danaer-Geschenk, wie es unser Kolumnist Heiner Bontrup trefflich bezeichnet – kommt man schon gar nicht mehr um den Vordenker des Kommunismus herum, immerhin ist das tonnenschwere Trumm 3,85 Meter hoch und steht mächtig im Weg, wenn man im Engelsgarten Alfred Hrdlickas „Starke Linke“ anschauen möchte. Und dann gibt es doch noch ein „Sommerloch“ – aber auch das ist das Gegenteil von gähnender Leere. Mal im Internet reinschauen: http://www.sommerloch.info/. Viel Spaß in diesem Sommer! Ihr Frank Becker

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The art of tool making

Impressum Die Beste Zeit erscheint in Wuppertal und im Bergischen Land Erscheinungsweise: alle zwei Monate Verlag HP Nacke Wuppertal - Die Beste Zeit Friedrich-Engels-Allee 122, 42285 Wuppertal Telefon 02 02 - 28 10 40, E-Mail: verlag@hpnackekg.de V. i. S. d. P.: HansPeter Nacke Ständige redaktionelle Mitarbeit: Frank Becker, Thomas Hirsch, Matthias Dohmen, Susanne Schäfer Darüber hinaus immer wieder Beiträge von: Marlene Baum, Heiner Bontrup, Antonia Dinnebier, Beate Eickhoff, Fritz Gerwinn, Klaus Göntzsche, Johannes Vesper und weiteren Autoren

Nachdruck - auch auszugsweise - von Beiträgen innerhalb der gesetzl. Schutzfrist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Gastbeiträge durch Autoren spiegeln nicht immer die Meinung des Verlages und der Herausgeber wider. Für den Inhalt dieser Beiträge zeichnen die jeweiligen Autoren verantwortlich. Kürzungen bzw. Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend, liegen im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge kann keine Gewähr übernommen werden. Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer oder Unterlassungen keine Haftung übernommen. Bildnachweise/Textquellen sind unter den Beiträgen vermerkt. Titel: aus der Ausstellung Stefan Balkenohl im Skulpturenpark.

Sempre più ..., 2009, Zedernholz, farbig gefasst, Höhe ca. 570 cm

Erfüllungsort und Gerichtsstand Wuppertal

SKULPTURENPARK WALDFRIEDEN in WUPPERTAL Stephan Balkenhol 12. 7. – 12. 10. 2014 Gereon Lepper 25. 6. – 28. 9. 2014 skulpturenpark-waldfrieden.de

Hirschstraße 12 · 42285 Wuppertal · 0202 47898120

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Inhalt Ausgabe 28, 6. Jahrgang, August 2014 Die Magie des Alltäglichen

Ein Sturz aus Bestürzung

Ausstellung Günther Blau Von der Heydt-Museum

von Falk Andreas Funke

Literatur Biennale 2014

Kapital

Rückblick von Jürgen Kasten Seite 12 Balkenhol im Skulpturenpark Ausstellung Stephan Balkenhol von Kay Heymer

Seite 19

Seite 25

Seite 29

Seite 62

Ein Gespräch mit Angelika Zöllner Übersetzerin Alenka Novak

Seite 64

Rückblick und Ausblick von Jens Kalkhorst

Seite 69

Paragraphenreiter Seite 33

Interessantes zum Thema Steuern und Recht von Susanne Schäfer Seite 72 Unter Mauerseglern und Zypressen

Nachruf Ulli Weiss Von Anne Linsel Seite 39

Ein Bericht aus Gargonza von Maren Kames

Seite 73

Eine Gewehrkugel...

Roaring Forties Ausstellung Gereon Lepper im Skulpturenpark Waldfrieden – von Jürgen Kasten

Glosse von Heiner Bontrup

10 Jahre TalTonTheater

Willi Baumeister - International Ausstellung Museum Küppersmühle für Moderne Kunst in Duisburg

Seite 60

Schweigen und Hören

Wuppertal ist Tangostadt Carsten Heveloing: „Tango ist tiefstmenschlich“ von Marlene Baum

Gedicht von Matei Chihaia Fotografie von Olaf Joachimsmeier Angstschweiß klebt an diesem Denkmal

Referenzaufführung im Wuppertaler Opernhaus von Fritz Gerwinn

Seite 58

Seite 6

von Wolf Christian von Wedel Parlow Seite 41

Seite 79

wie es anfängt : wie es endet

Jeder Mensch braucht ein Stück Wüste

Gedichte von Michael Zeller

Eine Konzertreise in die Mongolei von Gunda Gottschalk

Seite 81

Dietmar Schönherr Ein Menschenfreund ist gestorben von Hermann Schulz

Seite 85

Seite 43 Cool, Boy! Aufführung im Teo Otto Theater von Frank Becker

Seite 44

25 Jahre am Ort

Klangart 2014

Der Bildhauer Eckehard Lowisch von Tine Christ

im Skulpturenpark Waldfrieden

Seite 86

Seite 46 Du kannst nicht immer 60 sein

Eine Frage des Vertrauens Ziemlich beste Freunde im TiC von Frank Becker

Seite 52

Kabarettistischer Liederabend von Frank Becker

Seite 88

Neue Kunstücher,

Die Macher vom Sommerloch von Dorothea Bohde

Buchvorstellungen Seite 54

Seite 89

Kulturnotizen

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Die Magie des Alltäglichen „Günther Blau – Magie des Alltäglichen“ bis 24. August 2014 im Von der Heydt-Museum.

linke Seite: Sandalen, 1969 Gouache / Bleistift auf Karton, 39 x 28 cm, Von der Heydt-Museum Wuppertal © Ruthild Blau, Marburg-Cyriaxweimar unten: Rote Mischkessel, 1971 Gouache auf Karton, 22,8 x 27,4 cm, Von der Heydt-Museum Wuppertal © Ruthild Blau, Marburg-Cyriaxweimar

Günther Blau (1922 Elberfeld – 2007 Marburg-Cyriaxweimar), ein Vertreter der modernen realistischen Malerei, ließ sich von den einfachen Dingen in seiner Umgebung inspirieren. Er fand Motive für seine Bilder auch auf Reisen, vor allem in Italien. Selbstbildnisse und Porträts der Familie, Stillleben, Städtebilder, Industriemotive, Landschaftsbilder und Pflanzendarstellungen zählen zu seinen bevorzugten Themen. Flüchtige Spiegelungen auf Glas ebenso wie alltägliche Gebrauchsspuren und Anzeichen von Veränderung, Verfall und Vergänglichkeit sind genau beobachtet und mit akribischer Genauigkeit wiedergegeben. Stilistisch anknüpfend an die Neue Sachlichkeit der 20er Jahre entwickelte Günther Blau eine malerische Perfektion, die selbst dem Tristen und Alltäglichen magische Wirkung verleiht und geheimnisvolle Seiten unter dem äußeren Schein sichtbar macht. 1977 wurde Günther Blau mit dem Eduard von der Heydt-Preis der Stadt Wuppertal ausgezeichnet. Mit rund 70 Gemälden und Arbeiten auf Papier (davon 16 aus der Sammlung des Von der Heydt-Museums) bietet die Ausstellung des Von der Heydt-Museum

einen repräsentativen Querschnitt aus dem Lebenswerk von Günther Blau. Der größte Teil der Exponate stammt aus dem Nachlass des Künstlers, der von seiner Witwe Ruthild Blau betreut wird. Günther Blau – der Künstler und seine Familie Den Anfang der Ausstellung bilden einige Selbstbildnisse, die viel über die Persönlichkeit Günther Blaus und seine Intentionen verraten. „Selbstbildnis IV“ (1954) bringt die angespannte Willenskraft des Künstlers zum Ausdruck, mit der er nach seiner künstlerischen Ausbildung seine Ziele verfolgte. Das „Selbstbildnis mit Kreuzen“ (1964)

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unten: Morgen in Termoli, 1959 Öl auf Hartfaser, 24 x 30,5 cm, Von der Heydt-Museum Wuppertal © Ruthild Blau, Marburg-Cyriaxweimar

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entstand in einer Zeit, in der er sich mit den Entwicklungen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs befasste. Die Augen des Künstlers begegnen dem Betrachter hier als bannendes Zentrum einer unheimli-

chen und rätselhaften Vision. Auch im „Selbstbildnis mit Lupe I“ (1966) betont Günther Blau besonders den Augensinn; hier ist die Bedeutung des Sehens und Beobachtens der Wirklichkeit hervorgehoben.


Vor diesem Hintergrund erhält auch sein Atelierbild (1959) als gewissermaßen verschlüsseltes Selbstbekenntnis eine programmatische Bedeutung: In Anlehnung an die Ideen der romantischen Kunst von Caspar David Friedrich verdeutlicht es die

nach innen gewandte Haltung bzw. wohl auch das verschlossene Naturell Günther Blaus. Die vom Sehen geprägte Aufnahme und Verinnerlichung der Wirklichkeit war seine Art, am Leben teilzunehmen und sich mitzuteilen. Zugleich beweist der Künstler beim Doppelbildnis seiner Eltern (1958-1961) eine ausgeprägte Charakterisierungsgabe. Mit einfühlsamem Blick und Respekt vor der menschlichen Würde sind das Bildnis seiner Frau Ruthild (1973) und die Porträts der beiden Töchter (1974 und 1976) wiedergegeben. Die beiden Mädchen litten an einer schweren Stoffwechselkrankheit und wurden bis zu ihrem frühen Tod liebevoll von ihrem Vater gepflegt. Die Porträts seiner Frau und Kinder sind somit auch kennzeichnend für die Bedingungen des familiären Umfeldes, innerhalb dessen Günther Blau sein künstlerisches Schaffen der 1970er Jahre hervorbrachte. Stillleben und Trompe-l’œils 1952 setzte Günther Blau sein Malstudium an der Karlsruher Akademie fort. Durch seinen Lehrer Wilhelm Schnarrenberger erhielt er wichtige Impulse und wurde auf die Kunst der Neuen Sachlichkeit aufmerksam, die die deutsche Kunst zwischen den Weltkriegen geprägt hatte. In seinem Tagebuch notierte er: „Stilleben in Neuer Sachlichkeit. Vielleicht mein Weg!“ Das Studium der Maltechnik lenkte seinen Blick auch auf die Kunst der alten Meister. Bei der Wiedergabe von Lichtreflexen und Spiegelungen auf Glas, von Glanz und Schimmer der Oberflächen orientierte er sich an der niederländischen Stilllebenmalerei des 17. Jahrhunderts. In seinen Trompe-l’œil-Bildern steigerte Günther Blau den Realismus bis zu einem plastisch wirkenden Illusionismus. Die Perfektionierung seiner Malerei diente dem Ziel, den Dingen einen magischen Ausdruck zu verleihen, ihr geheimnisvolles Eigenleben hervorzukehren. Er liebte das Spiel mit Bildtäuschungen und schuf auch überraschende Bildkombinationen nach dem Prinzip der Collage. In der modernen Kunst fühlte er sich Giorgio Morandi verbunden, dessen Stillleben hinsichtlich ihrer Ausstrahlung metaphysischer Ruhe und Würde vorbildlich für ihn waren.

Wie Günther Blau berichtete, hatte er selbst „eine Sammlung vieler kleiner Dinge, Gläser, Schachteln, Puppen, alte Schuhe und vieles mehr, dem wir im täglichen Gebrauch kaum Beachtung schenken“. Die Gegenstände, das Meiste davon auf dem Flohmarkt erstanden, arrangierte er in seinen Stillleben zu spannungsvollen Kompositionen, aus denen sich eine beziehungsreiche Symbolik ablesen lässt. Flüchtige Reflexe von Lichtern und Spiegelungen ebenso wie das zerbrechliche Glas, die empfindlichen Blumen und die verwesenden Früchte erinnern an Tod und Vergänglichkeit. Noch direkter treten die Vanitasanspielungen durch Bildmotive wie Schädel und Skelett hervor. Das Bild „Schädel mit Bergfink I“ mit dem singenden Vogel malte er 1991, kurz bevor er sich einer Herzoperation unterziehen musste. Mit dem Wissen um die Vergänglichkeit verband Günther Blau jedoch weniger eine pessimistische Einstellung als vielmehr den Gedanken, sich dem Leben bewusst zuzuwenden. Arbeiten auf Papier Die Linolschnitte von Günther Blau kombinieren Sinnbilder und Sinnsprüche, die gewissermaßen sprichwörtliche Lebensweisheiten vermitteln. Die Textund Bildaussage wird hierbei durch eine expressive Formensprache unterstrichen. Die Arbeiten verweisen auf ein weniger bekanntes Interesse Günther Blaus, der sich auch schriftstellerisch bzw. als Verfasser satirischer und grotesker Texte und Kindergeschichten betätigt hat. Auf eine besondere literarische Vorliebe Günther Blaus spielt seine Zeichnung „Franz Kafka mit Jungdohle“ (1967) an. Einen wesentlichen Schwerpunkt seines Schaffens bilden die Zeichnungen und Gouachen mit Natur-, Alltags-, Stadt- und Industriemotiven. Bemerkenswert ist die zeichnerische Akribie, mit der Günther Blau etwa den verschlungenen Verästelungen einer Baumwurzel nachgegangen ist. Ebenso sorgfältig sind die Strukturen von Wuppertaler Schloten und Fassaden oder die komplexe Konstruktion eines alten Schwebebahnhofs wiedergegeben. Die Spuren von Abbruch und Verfall hat er stets mit aufgezeichnet. Sie markieren die Industriearchitektur und die alltäglichen Zweckbauten als ein

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von der Geschichte, der Arbeit und dem Alltag gezeichnetes historisches Ganzes, dem Günther Blau in seinen Zeichnungen eine ästhetische Aufwertung verleiht. Industrielle Rohre, Kessel und Speicher mit ihren ausgeprägt plastischen Formen gewinnen in seinen farbigen Gouachen ein merkwürdiges Eigenleben. Einfache Gebrauchsgegenstände wie abgewetzte Sandalen oder ausgebeulte Arbeitshandschuhe verkörpern für ihn gelebtes Leben. Ob aus der Erde gerissene Baumwurzeln, bröckelnde Hausfassaden oder verschlissene Dinge aus dem Alltagsleben – stets schwingt in den zeichnerischen Arbeiten von Günther Blau der Aspekt von Vergänglichkeit, aber damit letztlich auch eine andere Qualität von Leben mit. Die Zeichnungen und Gouachen Günther Blaus sind als eigenständige Kunstwerke anzusehen, auch wenn sie häufig zur Vorbereitung von Gemälden dienten.

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Lebensstationen: Wuppertal, Karlsruhe, Marburg (und Umgebung) Das Bild „Erinnerung“, das Günther Blau 1984 malte, führt in seine Vaterstadt Wuppertal zurück. Die dargestellte Situation wirkt surreal und beklemmend – offen bleibt, wo die Grenze zwischen erlebter Wirklichkeit und Phantasie verläuft. Das bedrückende Kindheitsgefühl, das hier lebendig wird, ist wohl mit dem Ort seiner Kindheit untrennbar verbunden. Aus der Zeit seines Studiums an der Karlsruher Akademie stammen die Gemälde „Karlsruher Sommernacht“ (1952) und „Kirmes 45“ (1954). Das von Kriegsruinen durchsetzte Stadtbild bildet eine bizarre Kulisse, in der sich alltägliches, gleichwohl unwirklich erscheinendes Leben abspielt. Günther Blau hat sich in diesen Bildern den Realismus der Neuen Sachlichkeit

angeeignet, um die widersprüchlichen Verhältnisse der Zeit zu reflektieren. Die nach 1945 weiterhin aufrecht gehaltene enge Verbindung nach Wuppertal dokumentiert eine Reihe von Wuppertaler Stadtansichten, in denen Phänomene der Nachkriegszeit, des Umbruchs und Wandels festgehalten sind. Das 1948 entstandene Bild „Wuppertaler Schwebebahn II“ (1968 überarbeitet) vermittelt durch die Spannung zwischen leeren und bebauten Flächen einen Eindruck des Disparaten und zeigt das Wuppertaler Wahrzeichen aus einer wie beiläufig wahrgenommenen Perspektive. Irritierend wirkt auch das wie zufällig Zusammengewürfelte von Ruinen, Günther Blau, Unterbarmer Schlote, 1968, Bleistift, 32,5 x 50 cm, Von der Heydt-Museum Wuppertal © Ruthild Blau, Marburg-Cyriaxweimar


Brachflächen und dichter Bebauung bei der Ansicht der „Elberfelder Stadthalle“ und bei anderen Bildern mit Wuppertaler Stadtmotiven. 1963 ließ Günther Blau sich endgültig in Marburg nieder. Auf die eigentlich idyllischen Motive der Stadt und ihrer Umgebung reagierte der Maler jedoch ebenfalls mit einem empfindlichen Gespür für Gegensätze, formale Spannungen und Diskrepanzen. Er liebte es auch, eigentlich nicht zusammengehörige Motive collageartig zu kombinieren. Wie bei der „Schneiderwerkstatt“, einen Fensterausblick auf Marburg mit dem am Gardasee gefundenen Motiv der Schneiderwerkstatt.

säumte Straßenflucht, die sich in trister Regenstimmung darbietet. Doch das Triste und Trübe reizte Günther Blau zu einer monochromen Farbstimmung, der er mit seiner feinen Beobachtungsgabe und seinem sensiblen Farbgefühl subtile Nuancen abzugewinnen wusste. Mauern, Architektur und Verkehrssignale, die das Stadtbild prägen, haben, wie Günther Blau bewusst macht, aber auch von der Natur Besitz ergriffen: In seinem Bild „Unterführung im Oberbergischen“ (1971) verdrängen eine monumentale Brücke, Verkehrszeichen und Straßenasphalt die Landschaft geradezu.

Fabriken, Mauern und Maschinen Industriemotive nehmen in Günther Blaus Schaffen der 1960er und 1970er Jahre breiten Raum ein. Fabrikgebäude, Maschinen und Schornsteine bildeten für ihn zentrale Bildgegenstände, deren Materialität und technisch-funktionale Ästhetik ihn interessierte. Ihn faszinierten die kühlen Grau- und Grüntöne der Fensterscheiben, das reflektierende Licht auf dem Glas, die Strukturen des Ziegelmauerwerks und der Schimmer und Farbglanz von Metalloberflächen. Maschinen und Industrieanlagen waren ein wichtiges Thema in den 1920er und 1930er Jahren bei den Künstlern der Neuen Sachlichkeit, wurden von ihnen aber in voller Betriebsamkeit dargestellt. Diese ist nun dem Stillstand und der Ruhe gewichen. Die Objekte, die den Blick Günther Blaus fesseln, scheinen verlassen: eine verhüllte Maschine, die Fabrikanlage in Hörde, die Fabriken in Liverpool, deren zerbrochene Fensterscheiben Verfall signalisieren. Eine eigentümliche, surreale Atmosphäre hat sich ihrer bemächtigt. Das alte Fabrikgebäude im Zentrum des Bildes „Alte Fabrik in Hörde II“ (1977) wirkt mit seiner hochaufstrebenden Architektur und den klar gegliederten Formen hoheitsvoll wie eine Kathedrale, hat aber seine zentrale Funktion innerhalb des einstmals von industrieller Arbeit erfüllten Orte verloren. In dem Gemälde „Morgen in Liverpool“ (1987) fällt der Blick in eine von Mauern und Schornsteinen ge-

Bäume Mit der „Baumruine“ (1964) schließt Günther Blau an eine alte Bildtradition an, die in dem entlaubten, abgestorbenen Baum ein Zeichen für die Vergänglichkeit sieht. Wenngleich dem Baum eine den Menschen überdauernde Lebenszeit gegeben ist, so ist auch er letztlich diesem Naturgesetz unterworfen. Doch geht es Günther Blau hierbei nicht primär um den Naturkreislauf; die Bildsymbolik mit brennenden Häusern und großen Rauchsäulen im Hintergrund deutet auf eine Katastrophe von apokalyptischem Ausmaß hin. Somit bezeugt dieses Bild, wie auch sein „Selbstbildnis mit Kreuzen“, ein weiteres Mal düstere Visionen, in denen Erinnerungen an die Kriegserlebnisse nachwirken, die den Künstler auch 20 Jahre später offensichtlich noch intensiv beschäftigten. Auch das Gemälde „Baumwurzeln vor Seelandschaft II“ (1981) löst mit dem aus verschlungenem Wurzelwerk aufstrebenden Baumstamm hintergründige Assoziationen aus. Bei dem Anblick drängt sich der Gedanke des Baumschicksals als Sinnbild für den Lebenskampf auf. Dabei ist es die Natur selbst, die Erscheinungen wie das Wachsen und Vergehen von Pflanzen und Bäumen vor Augen führt. In dem Bild „Oliven im Winter“ (1989) schildert Günther Blau eine Naturimpression in winterlich gedämpften Farbtönen. Bei längerem Hinschauen wird bewusst, dass die kahlen und ausgehöhlten Baumstämme von starkem Eigenleben erfüllt sind und die Natur, entgegen der allgemein herrschen-

den Vorstellung, im Winter keineswegs abgestorben ist. Reisen nach Italien Bereits 1947 unternahm Günther Blau seine erste Reise nach Italien, der verschiedene weitere folgten. Als Ergebnis dieser Reisen, die ihn durch das ganze Land bis nach Sizilien führten, sind zahlreiche Bilder der von ihm besuchten Orte entstanden: Ansichten der großen Städte und klassischen Ziele einer Italienreise wie Verona, Venedig, Urbino und Assisi ebenso wie von kleineren Orten in verschiedenen Regionen Italiens, wie Malcesine, Termoli, Roccagorga, Rocca di Papa, Monticiano und Porticello (Sizilien). Die Bilder zeigen jedoch meist keine besonderen Sehenswürdigkeiten, sondern nur typische Häuser und Häuserzeilen bzw. Fassaden, Plätze, Treppen, Gassen und Straßenausschnitte. Nur selten sind Architekturmotive in Verbindung mit der Landschaft wiedergegeben. Wiederum finden wir die Orte im Allgemeinen menschenleer und mit verschlossenen Fenstern und Türen vor. Wo in seinen Bildern die Architektur in helles Sonnenlicht getaucht ist, treten plastische Effekte kulissenhaft hervor. Häufig erscheinen die Gebäude jedoch geradezu düster und abweisend. Merkmale des Provisorischen und Zufälligen zeichnen sich ab. Bröckelndes Mauerwerk, Regenspuren, Verschmutzungen und andere Anzeichen des Alterns an den Gebäuden zeugen von den unterschwelligen Prozessen der Zeit, die sich oftmals langsam und unentdeckt im Stillen und Verborgenen vollziehen. Eine melancholisch-poetische Atmosphäre erfüllt die Szenerien, entfernt vergleichbar der Pittura metafisica von Giorgio de Chirico. Bis 24. August 2014

Von der Heydt-Museum Turmhof 8, 42103 Wuppertal Telefon 0202 563-6231 Öffnungszeiten: Di-So 11-18 Uhr Do bis 20 Uhr www.von-der-heydt-museum.de

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Die Wuppertaler Literatur Biennale 2014

Ein Rückblick auf die Wuppertaler Literatur Biennale 2014 Im Mai verzeichnete die Wetterstatistik 17 Regentage für Wuppertal. Das interessierte zumindest die 3000 Besucher nicht, die sich an der 2. Wuppertaler Literatur Biennale erfreuten und das waren wesentlich mehr, als vor zwei Jahren. 11 Tage im Mai, 51 Autoren und Autorinnen aus 15 Ländern, an 16 verschiedenen Orten mit 33 Veranstaltungen, die für jeden Geschmack etwas bieten sollten. Wurden die Erwartungen erfüllt?

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Bei der Gleichzeitigkeit vieler Darbietungen, fiel es schwer, sich zu entscheiden. Ich wollte Autoren kennen lernen, die mir bisher unbekannt waren – wollte bekannte Schriftsteller einmal live erleben, einen Überblick der gesamten örtlichen Literaturszene erhalten, mich an Musik und bildender Kunst erfreuen – war also jeden Abend unterwegs. Und aus dieser selektierten Sicht heraus kann ich sagen: Meine Erwartungen sind erfüllt. Fragt man Monika Heigermoser vom Kulturbüro, die mit ihrem Team und einem Beirat aus Literatur, Kunst und Wissenschaft (Ruth Eising, Dr. Katja Schettler, Dr. Christoph Jürgensen, Gerold Theobaldt und Hermann Schulz) das gesamte Programm konzipierte und mit einem großen Unterstützerkreis aus dem Land, der Stadt und örtlichen Sponsoren ermöglichte, so erntet man ein zufriedenes Lächeln. Was bleibt? Vergnügliche, nachdenkliche und erhellende Eindrücke. Ich will versuchen, einige zurück zu holen:

Zum ersten Mal wurde ein Preis (3.000) für eine Kurzgeschichte ausgelobt , die das Thema der Biennale „unterwegs nach Europa“ aufgriff. Der Wettbewerb richtete sich an junge Autoren unter 35 Jahren. Aus dem gesamten deutschsprachigen Raum wurden 85 Erzählungen eingereicht. Konrad H. Roenne aus Berlin durfte am 18. Mai im Rahmen der inoffiziellen Eröffnung im Skulpturenpark Waldfrieden den ersten Preis entgegen nehmen. Prof. Dr. Rita Süssmuth war extra angereist – nein, nicht nur wegen Roenne, sie stammt aus Wuppertal und sie hielt die Eröffnungsrede zum Festival, wie auch die aus Kroatien stammende deutsche Schriftstellerin Jagoda Marini´c „Ohne Geschichten werden wir dieses Europa, das wir meinen, nicht finden. ...“. Roenne und weitere Preisträger lasen direkt am nächsten Tag ihre Geschichten vor aufmerksamen und begeisterten Eröffnung der 2. Wuppertaler Literatur Biennale 2014, V.l.n.r.:Denis Scheck, Martin Walser, Kulturdezernent M. Nocke


Schülern in der Erich Fried Gesamtschule in Ronsdorf vor. Für alle übrigen sind sie im „Karussell“ nachzulesen, der Bergischen Zeitschrift für Literatur, deren 3. Ausgabe sich ganz dem Thema Europa widmet. In dem 150 Seiten starken Heft versammeln sich Lyrik und Prosa Wuppertaler Autoren und Autorinnen, von ernst bis lustig. Eine unterhaltsame, wie auch nachdenklich stimmende Lektüre (Verlag HP Nacke, ISBN: 978-3942043-42-7). Aus den Regenwäldern der Mecklenburgischen Seenplatte zurück, erlebte ich am 21. Mai rechtzeitig den offiziellen Beginn der Biennale mit Martin Walser und Denis Scheck als Gesprächspartner, dem unerbittlichen Literaturkritiker aus dem TV. Beide gaben sich locker witzig. Walser nannte Scheck schelmisch ein „Trüffelschwein“, ob der längst vergessenen Zitate, die dieser ausgrub und sie dem großen alten Mann deutscher Literatur vorhielt. Nichts war davon zu bemerken, dass der Umgang mit Walser schwierig sei, wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen zu verneh-

men war. Mit kraftvoller Stimme und wechselndem Timbre las der Autor aus seinem neuen Buch, dem Dialogroman „Die Inszenierung“ und stand Scheck zwischendurch Rede und Antwort. Nur kurz verließ Walser seine Schlagfertigkeit, etwa bei der Frage „Worin besteht denn für Walser Europa?“. „...irgendwo müsste ich doch darüber was geschrieben haben“, blätterte er in seinen Unterlagen. „Ob es den europäischen Schriftsteller“ überhaupt gäbe, nötigte ihm dagegen kein Nachdenken ab. Walser führte Dostojewski, Strindberg und Molière an, die er bereits als Jugendlicher gelesen habe und gleich ihnen habe er sich als Europäer gefühlt. „Das richtige Europa“, das Thema des Abends, hätten die Literaten lange vor den Politikern verinnerlicht. Sie und die Ökonomen hätten da noch Nachholbedarf. Und an einen Rausschmiss Griechenlands aus der EU dürfe man gar nicht denken. Es sei der Grundstein des heutigen Europas. „Hölderlin hat die deutsche Sprache das Tanzen gelehrt. Und wo hat er es gelernt? Bei den antiken Griechen...“.

Das war ein Auftakt nach Maß im ausverkauften Saal des Barmer Bahnhofs. Die Organisatoren hatten paritätisch die Stadt, bzw. deren alternative Kulturstätten eingebunden. Als Veranstaltungsorte wählten sie die Bandfabrik aus, dasTalTon Theater, das Haus der Jugend, Cafés, Kneipen, Bahnhöfe, Buchhandlungen, den Skulpturenpark, Schulen, das „Eventum“, das kath. Stadthaus, die Börse, den „Klub“ auf der Gathe und den Lesekeller in der „Viertelbar“. Ebenso verfuhren sie mit den örtlichen Buchläden, und auch der WDR mit einem „1Live Klubbing Spezial“ war dabei – ich leider nicht. Auch nicht, als Sigrid Löffler mit dem Germanisten und Philosophen KlausMichael Bogdal im Café Ada über „... Diebe, Lügner, Gefährten des Satans, Waldmenschen und eine Bande von Asozialen...“ diskutierte und der Schauspieler Bernd Kuschmann dazu aus Bogdals Buch „Europa erfindet die Zigeuner“ vorlas. Mit diesen Zuschreibungen werden die Martin Walser liest

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Romavölker Europas seit 600 Jahren ausgegrenzt. Zur gleichen Zeit stellte der Kritiker Hubert Spiegel die Autorin Terézia Mora vor, die im TalTon Theater aus „Das Ungeheuer“ las. Darius Kopp ist es, der sich selber beim morgendlichen Blick in den Spiegel als Ungeheuer sieht. Job verloren, Frau verloren, und das durch Suizid. Kopp macht sich auf zu einer Reise nach Osteuropa. Er sucht sich, seine Vergangenheit und einen Platz, wo er die Asche seiner Frau in heimatliche Erde bringen könnte, und er lernt seine Frau jetzt erst richtig kennen. Dazu hat Mora sich einer besonderen Erzählweise bedient: Ein Großteil der Seiten ist mittels eines durchgehenden Striches zweigeteilt. Im oberen Seitenteil wird die Handlung weitergeführt. Im unteren stehen Floras Aufzeichnungen, die Kopp im Computer seiner Frau fand, Gedichte, Tagebuchaufzeichnungen, Gedankensplitter. Die Leser müssen entscheiden, wie sie damit umgehen. Lesen sie den kompletten Text hintereinander weg, oder parallel? Terézia Mora verglich diese Art des Schreibens mit einem „Split Screen“. Wie in die laufende Handlung eines Films wird hier ein zweites Bild eingeblendet, das die tote Flora sehr präsent macht. Es ist nicht einfach zu lesen, wie mir Kenner des Buches berichteten. Die Themenvielfalt dieser Biennale war schon beeindruckend. Mit der Literatur verknüpft ging es auch um Politik, Musik und die Kunst im Allgemeinen. Um Reisen in die Vergangenheit ging es, ums Erinnern, um das Mit- und Gegeneinander der Völker Europas. In der City-Kirche Elberfeld diskutierte der Wiener Romancier und Philosoph Robert Menasse mit Prof. Rüsen über „Die Rolle der Literatur in den europäischen Gesellschaften“. Ebenda an einem anderen Abend Moustapha Diallo, Rupert oben: Moderatorin M. v. Schwarzkopf, Anthony McCarten, Rufus Beck Mitte: Moderator Dirk Domin, Jaroslav Rudis unten: Feridun Zaimoglu

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Neudeck, Gilles Reckinger über das „Bollwerk Europa gegen Afrikas Flüchtlinge“. Neudeck, Begründer der Hilfsorganisation „Cap Anamur“, sei es gewesen, der den Abend mit seinen engagierten Beiträgen zu einem Erlebnis machte, erzählte man mir. Die Autorin und Fotografin Anna Kuschnarowa diskutierte mit, und am nächsten Abend las sie im Berufskolleg Barmen aus ihrem Buch „Kinshasa Dreams“, für das sie den Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Jugendbücher erhielt. Der Beginn des 1. Weltkrieges jährt sich zum hundertsten Mal. Viel zu wenig wurden die Ursachen und Folgen dieses schrecklichen Krieges bisher aufgearbeitet. Anlass genug, auch dies im Rahmen der Biennale zu versuchen. „Vom 1. Weltkrieg heute erzählen“, so der Titel der Veranstaltung in der City-Kirche. Alexandra Rak, Nataly Savina und Hermann Schulz sprachen und lasen aus dem Buch „Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen“. Szenische Textcollagen zum gleichen Thema, zusammengestellt von Gerold Theobaldt, wurden im Café Ada dargeboten.

Auf meinem Parcours durch die abendlichen Veranstaltungen traf ich Bekannte, die von Lesungen und Veranstaltungen berichteten, auf denen ich nicht gewesen war. Durchweg waren alle begeistert. Von Manuel Rivas und seinen „Geschichten aus Galizien“ wurde erzählt, seinem Roman „Die Zunge der Schmetterlinge“, aus dem der Schauspieler Jörg Reimers las. Vom Nibelungenlied, über das in der Kneipe Köhlerliesel debattiert wurde, von Georg Klein, dessen Erzählung „Europa erleuchtet“ nach Prag führte, und von Pauline de Bok, deren Roman „Blankow oder das Verlangen nach Heimat“ im Café Ada von ihr selbst vorgestellt wurde. Andere berichteten von einer langen Lesenacht im Klub auf der Gathe. Junge europäische Literaturmagazine wurden dort vorgestellt und aus ihnen vorgetragen. Im Rahmen der Biennale wurde auch großer Wuppertaler Literaten und Künstler gedacht. Ulle Hees, Bildhauerin und Schöpferin großartiger Plastiken im Stadtgebiet, konnte ihr letztes Werk, eine Bronzestatue der 1943 verstorbe-

nen Philosophin, Frauenrechtlerin und Pazifistin Helene Stöcker, nicht fertigstellen. Das vollendete ihr Künstlerkollege Frank Breidenbach. Die Statue wurde am 30. Mai vor der VHS der Öffentlichkeit übergeben und am Abend dann in der City-Kirche Texte von ihr und von Armin T. Wegner von den Schauspielern Ingeborg Wolff und Thomas Braus gelesen „Kriegstagebuch“ und „An die freien Europäer“). Gut besuchte Einzellesungen gab es auch, wobei erfreulicherweise, wie fast überall, ein altersgemischtes Publikum zum Beispiel Anthony McCarten im Barmer Bahnhof lauschte. Rufus Beck las dazu Ausschnitte aus „Funny Girl“, McCartens neuestem Roman über eine Muslime, die in London mit Burka auf der Comedy-Bühne steht und sich damit eine Menge Feinde macht. Die Ausschnitte, die der Schauspieler und Hörbuchinterpret Rufus Beck zelebrierte, erheiterten das Publikum. Das Buch ist Präsentation Karussell, Stefan Seitz, Scheibner-Dosdogru Duo

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wie bei McCarten üblich, lustig bis satirisch geschrieben und auch zu lesen, das Thema jedoch ernst und aktuell. McCarten erzählte etwas zu den Hintergründen: Terroranschlag auf die U-Bahn in London, Ehrenmorde und Familiendramen in muslimischen Familien. Leider ließ McCarten sich im weiteren Verlauf dazu animieren, eine „nur“ witzige Vorstellung abzuliefern, und auch Rufus Beck ließ sich darauf ein. So glitt der Abend langsam auf Stammtischniveau ab – schade. Richtig lustig, dabei aber auch tiefgründig, war der Tscheche Jaroslav Rudiš, der in der Viertelbar im Luisenviertel seinen Roman „Vom Ende des Punks in Helsinki“ vorstellte. Sein Protagonist Ole betreibt in Ostdeutschland eine Bar namens „Helsinki“. Sein Freund Frank und er sind sympathische Loser, so Rudiš. Sie trauern vergangenen Zeiten nach, in denen sie zu DDR-Zeiten noch Punks waren und in Tschechien in Pilsen auf einem Konzert der „Toten Hosen“. Rudiš erzählte neben der Lesung viele spannende Geschichten: Von seinem stramm kommunistiDie Autoren der Spazierganglesung

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schen Großvater, vom Leben im Grenzgebiet und von der Eisenbahn im Altvatergebirge. Eben dort spielt auch der auf vielen Festivals prämierte Film „Alois Nebel“, den Rudiš am folgenden Tag im Bürgerbahnhof Vohwinkel vorstellte. Er behandelt die Vertreibung der Deutschen nach dem Krieg, den Alois Nebel als Kind miterlebte, Exzesse und Mord mit anschauen musste. Ein Thema, das bis zur Wende in Tschechien tabu gewesen war, sagte Rudiš. Ein sehenswerter Film, brillant im Rotoskopie-Verfahren hergestellt (mit Schauspielern gefilmt, anschließend von Zeichnern animiert). Vorlage zu dem Film war die Graphik-Novel, die Rudiš zusammen mit seinem Freund Jaromir 99 einige Jahre zuvor veröffentlichte und die inzwischen als Bestseller in mehreren Sprachen vorliegt. Auch Feridun Zaimoglu war ein absolutes Highlight dieser Biennale. Im Café Ada war das Publikum beeindruckt von seinem Timbre und Art des Vortrages. Er las aus seinem Roman „Isabel“. Während die Moderatorin Diana Zulfoghari noch über die nicht nachlassende latente Diskriminierung in

Deutschland haderte, meinte er nur lapidar, dass ihn so was nicht kratze. Er sei Deutscher mit Leib und Seele, seine Heimat sei die raue Küste im Norden und wenn ihn irgendwo in der Provinz eine verirrte Besucherin einer seiner Lesungen anspreche und meine, er schreibe sehr schön, obwohl er doch Türke sei, dann könne er nur lachen. Und wo bleiben die Wuppertaler? Die könnten doch jetzt endlich auch einmal ein Lob erhalten. Jawohl, und zwar nicht nur das Publikum, sondern auch die Künstler und Literaten, die prominent auf mehreren Veranstaltungen vertreten waren. Da war zunächst einmal die Vorstellung des Literaturmagazins in der Buchhandlung Köndgen mit einem Potpourri unterschiedlichster Texte von Armin T. Wegner bis zu Stefan Seitz mit seinem heiteren Parcours durch die Wuppertaler Gastronomieszene ausländischer Provenienz. Dann die Spazierganglesung im Skulpturenpark Waldfrieden, bei der mich vor allem die junge Poetry-Slammerin Lisa Schöyen (keine Wuppertalerin) beeindruckte. Sie trug frei ihren Text „Europa von Fern“ vor,


eine Anklage gegen ein verknöchertes Europa der Schranken, Mauern und Feindschaften, in dem die Jugend sich nicht wieder findet. Die zahlreichen Zuhörer sahen es genau so. Ähnlich die Generation-Stage in der Utopiastadt des Mirker Bahnhofes. Dort war Karl Otto Mühl als 91jähriger vortragender Autor der beileibe nicht älteste Teilnehmer im Saal. Er brachte als Zuhörerin seine Schwiegermutter mit. 103 Jahre alt ist die Dame. Sie verfolgte aufmerksam die Darbietungen junger und älterer Autoren mit ihrer Sicht auf Europa. Auch hier war es ein junger PoetrySlammer, Hank Zerbolesch (Wahlwuppertaler), der mit seiner Geschichte über einen hier zu integrierenden Kindersoldaten die Zuhörer in den Bann schlug. Dann war da noch ein außergewöhnliches Musikprojekt, von Luci Bögeholz und Björn Krüger unter dem Thema „Kleines, funktionierendes Europa“ initiiert. Vor vier Jahren hatten sie junge Musiker aus sechs europäischen Ländern zusammen gebracht, die zu ausgewählter Lyrik ihrer Heimatländer Kompositionen erarbeiteten. Im Haus der Jugend, wo ich vor etlichen Jahren schon so manchen

Tanzschritt verstolperte, brachten sie das Geschaffene auf die Bühne. Zum Beispiel Luca Magnani zu einem Vers von Alda Merini: „Der Kuss, der die Schwere meines kurzen Lebens trägt Durch dich wird die Welt meiner Worte zu Klang und Furcht.“ Oder der Wuppertaler Matthias Wiercinski, der sich eines Gedichts von Conrad Ferdinand Meyer annahm. Eingängige Rockrhythmen, fließende Melodien, meist vorgetragen von der charismatischen Engländerin Kelly Younghusband. 2012 gewann das „European Poetry Orchestra“, so nennen sie sich, einen bundesweiten Musikwettbewerb mit dem Song „Free from the chains“, der natürlich auch vorgestellt wurde (zu sehen bei YouTube). Spannend auch die zwei Abende, die von der GEDOK gestaltet wurden. Interdisziplinär näherten sich Lyrikerinnen und bildende Künstlerinnen, ergänzten sich mit ihren Werken. Etwa Angelika Zöllner mit ihrem Text „Zeus und Europa“: „...und als sich wandelt der Gott in die himmlische weiße des stiers

da zeigt sich Europa gerührt – sie besteigt seinen schimmernden rücken...“ Dazu das verpixelt wirkende Gemälde „Europa“ von Helga von Berg-Harder, das bei näherem Betrachten aus tausenden von Einzelfotos besteht. Den Schlusspunkt setzte dann Lars Gustafsson in der Immanuelskirche, der mit der Literaturkritikerin Maike Albath und der Schauspielerin Mechthild Großmann auf der Bühne saß. Der 88jährige Schwede Gustafsson präsentierte sich als schelmischer Geschichtenerzähler. Zu seinen weltweit geschätzten Werken zählen sowohl Prosa wie Lyrik und auf die Frage, wann ein Gedicht in ihm reife, antwortete er schmunzelnd, das sei wie mit den Fischen, sie kommen oder kommen nicht. Als Beispiel für eine solche Initialzündung führte er einen italienischen Dichter an, den er einmal aus einem Kopenhagener Hotel abgeholt habe. Der habe in den nächtlichen Himmel geschaut und ausgerufen „...dieses Licht aus Porzellan“. Salon Europa, „Europa“ von Helga v. Berg-Harder

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„Den Augenblick anhalten, das ist Dichtung“, solch schöne Sätze sagte Gustafsson mit knarziger, bedächtiger Stimme. Er ließ es sich auch nicht nehmen, selbst vorzulesen. Die eigentliche Leserin aber war Mechthild Großmann. Ihre vorgetragenen Auszüge aus dem Roman „Frau Sorgedahls schöne weiße Arme“ erhielten ob der Art der Darbietung frenetischen Beifall. Über 20 Jahre lang lebte, lehrte und schrieb Gustafsson in Texas, kam aber 2006 nach Schweden zurück. „Frau Blomqvist (Ehefrau) hat das so entschieden und es ist gut so“, lachte der alte Schwede. Und es ist auch gut so, dass der Literatur in Wuppertal eine solche Bühne geboten wurde. Der große Zuspruch von Zuhörern aller Altersklassen belegt das Interesse an Literatur. Dass es nicht nur die Großen der europäischen Literatur waren, die das Publikum anzogen, sondern auch die von örtlichen Autoren getragenen Veranstaltungen, macht Hoffnung. Allerdings frage ich mich, warum dann die vielfältigen Lesungen, die praktisch alle paar Tage irgendwo im Stadtgebiet stattfinden, oft nicht mehr als eine Handvoll Zuhörer finden. Vielleicht liegt es an der mangelnden Werbung, der Organisation oder der nur am Rande vorkommenden Berichterstattung der örtlichen Presse. Die Biennale jedenfalls war bestens organisiert und beworben, dank auch der vielen Sponsoren, die dafür 140.000 Euro aufbrachten, von denen nur ein Zehntel zu Lasten der Stadt ging. Gut angelegtes Geld. Ich freue mich jetzt schon auf eine Wiederholung in zwei Jahren. Wer sich übrigens für sämtliche Werke der beteiligten Autoren interessiert, findet eine von der Buchhandlung Mackensen erstellte Literaturliste im Netz unter www.mackensen.de und alles weitere Wissenswerte rund um die Biennale unter www.wuppertalerliteratur-biennale.de. Jürgen Kasten

oben: European Poetry Orchestra Mitte: Salon Europa Gitarrenduo WeimerSisters unten: Mechthild Großmann liest Lars Gustafsson

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Balkenhol im Skulpturenpark Anmerkungen zum Satyr, 2014 12. Juli 2014 bis 12. Oktober 2014

Hermaphrodit, 2013, Holz Galerie Jochen Hempel Leipzig

Stephan Balkenhols Skulpturen gehören zu den bekanntesten Werken zeitgenössischer Bildhauerei in Deutschland. Seine meist wie beiläufig dastehenden, neutralen, „normalen“ Figuren bevölkern zahlreiche Museen und öffentliche Orte in unseren Städten. Er hat überwiegend menschliche Figuren, aber auch Tierdarstellungen und Fabelwesen geschaffen, deren einfach und unaufdringlich anmutende Formensprache gleichzeitig zu seinem großen Erfolg beigetragen hat und für einige Kritiker und andere Vertreter der Kunstszene zur Provokation wurde. So fühlte sich die Leiterin der Großausstellung Documenta 13 / 2012 zu einer distanzierenden Stellungnahme veranlasst, als eine Skulptur von Balkenhol weithin sichtbar im Turm der Kirche St. Elisabeth aufgestellt wurde, um auf eine Ausstellung des Künstlers in diesem Kasseler Gotteshaus hinzuweisen, die unabhängig von der Documenta stattfand. Kürzlich veröffentlichte der Kritiker Hanno Rauterberg in der Zeit eine Polemik unter dem Titel „Holzköppe für alle“, in dem er das Werk Balkenhols als „tumbe, ewig gleiche Kunst (…) von possierlicher, manchmal heiterer Belanglo-

sigkeit“ attackierte (Die Zeit, 2. Juni 2013). Derartige Kritik an der vermeintlichen Oberflächlichkeit, dem Dekorativen und Harmlosen seiner Kunst teilt Balkenhol mit einer ganzen Reihe sehr erfolgreicher und bedeutender Künstler, deren Arbeiten für ein sehr großes Publikum zugänglich sind – man kann hier etwa die Namen von Malern wie David Hockney oder Alex Katz anführen, deren Werke sehr ähnlich kritisiert werden. Zugänglichkeit und Popularität als Makel aufzufassen, zeugt allerdings weniger von Selbstsicherheit und Souveränität als von Angst. Oberflächlich sind nicht die kritisierten Werke, sondern die Kritik an ihnen, wenn sie sich auf den oberflächlichen ersten Eindruck eines Werkes verlässt. Die Skulpturen von Stephan Balkenhol tragen eine bewusste Auseinandersetzung mit der bildhauerischen Tradition seit der Klassischen Antike in sich und bündeln eine Reihe teils gegensätzlicher bildhauerischer Ideen und Konzeptionen. Balkenhol ist ein postabstrakter, postminimalistischer Bildhauer, und seine Figuren sind durch die Erfahrung der modernistischen, bis zur Gegenstandslosigkeit reduzierten

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Formensprache hindurchgegangen. Wenn sie ikonografisch unbestimmt, „neutral“, geschichtslos oder unliterarisch sind, dann aus diesem Grund. Balkenhols Mann in Hemd und schwarzer Hose ist zu einem Archetyp geworden, der als Formelement dem einzelnen Granitblock seines Lehrers Ulrich Rückriem oder der lackierten Stahlbox von Donald Judd entspricht. Balkenhols Entscheidung für die handwerklich erschaffene, aus dem Holzstamm geschlagene Figur ist im Hinblick auf die vor ihm entstandenen spezifischen Objekte der Minimal Art keineswegs revisionistisch – er hat diese Skulpturtradition nicht abgelehnt, sondern sich einverleibt und als zusätzliche inhaltliche Dimension seiner Figuren zunutze gemacht. Der amerikanische Maler Alex Katz ist bei seiner figurativen Malerei im Hinblick auf die kompositionslosen Riesenformate von Jackson Pollock genauso vorgegangen. Man muss diese Beziehung zur modernen Tradition nicht unbedingt wahrnehmen, sie ist allerdings dezidiert vorhanden und kann bei einer Beurteilung dieser Werke nicht außer Acht gelassen werden. Auch wenn in der Literatur über Stephan Balkenhol die lapidare Neutralität der Ausführung immer wieder beschrieben worden ist, darf man die Genauigkeit und die Details seiner Gestaltungsform nicht übersehen. Viele seiner Figuren zeigen Mikrogesten, die sie individuell erscheinen lassen – besonders deutlich wird das ablesbar in seinen Skulpturengruppen, wie etwa den Pinguinen in der Sammlung des Museums für Moderne Kunst Frankfurt, oder in den Darstellungen tanzender Paare, die als Gruppe eine erhebliche Bandbreite an Beobachtungen und Feinheiten dokumentieren. In den vergangenen gut 30 Jahren seiner bildhauerischen Arbeit hat Balkenhol seine Formensprache immer weiter verfeinert und auf verschiedensten Gegenstände angewendet. Schon früh kamen zu den Figuren auch Reliefs, in denen er Landschaftsdarstellungen von erheblicher malerischer Überzeugungskraft schuf. Das Repertoire seiner Figuren ging zwar von dem einfach dastehenden Mann im Hemd aus, wurde aber um zahllose Variationen erweitert. Diese Variationen betreffen das Motiv insgesamt (Männer, Frauen, Raumansicht Ausstellung Stephan Balkenhol im Skulpturenpark

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Tiere, Mischwesen), aber auch Details wie Körperhaltungen und Maßstabsänderungen. Balkenhol reflektierte grundlegende bildhauerische Fragestellungen wie die nach dem Sockel, meist indem der Baumstamm, aus dem die Figur geholt wurde, auch den Sockel bildet und ihn so untrennbar mit der Figur verbindet. Er nutzte aber auch häufig Tische oder Konsolen für die Montage einer Figur an der Wand. Seine Skulpturen weichen stets von der realen Lebensgröße seiner Motive ab und unterstreichen so ihre Künstlichkeit. Mit diesem einfachen Mittel kann Balkenhol ohne emotionalen Überschwang darauf hinweisen, dass die Kunst eine eigene Sphäre markiert. Dabei strahlen seine Werke immer eine Zeitgenossenschaft aus, die sie unverwechselbar zu Werken am Übergang des 20. zum 21. Jahrhundert machen, auch wenn sie bewusst skulpturale Formen aufgreifen, die Jahrhunderte älter sein können. Der Barberinische Faun (seit 1830 in der Münchener Glyptothek aufbewahrt) gehört wie der Laokoon, der Diskuswerfer des Myron, die Venus von Milo und einigen weiteren berühmten Skulpturen zum grundlegenden Fundus der antiken Skulptur. Stephan Balkenhol hat schon seit den 1980er Jahren zahlreiche Fotografien antiker und anderer Skulpturen gemacht und sich mit diesen Traditionen intensiv beschäftigt. Sein fotografisches Archiv umfasst Hunderte von Skulpturen und Objekten, aber auch Aufnahmen von Alltagsszenen wie Menschen auf der Kirmes und am Schnellimbiss. Anlässlich einer Ausstellung 2002 im spanischen Santiago de Compostela publizierte der Künstler eine Auswahl dieser sehr inspirierenden Aufnahmen, deren innerer Zusammenhang veranschaulicht, wie Balkenhol disparate Elemente seiner Erfahrungen zu einer kohärenten Formensprache zusammenfasst. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich Balkenhol auch direkt mit antiker Skulptur auseinandersetzen würde. Sein Satyr ähnelt dem Barberinischen Faun in der Körperhaltung und auch im Format so eindeutig, dass man ihn als unmittelbares Erinnerungsbild an diesen betrachten kann. Die antike Marmorskulptur – es ist Satyr, 2014, Wawaholz, farbig gefasst 202 x 100 x 200 cm – Deweer Gallery (Standort Deweer Gallery, Belgien) unten: Ausschnitt Satyr

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nicht geklärt, ob es sich um eine hellenistische Skulptur oder eine römische Kopie handelt – zeigt einen jungen, athletischen und sehr detailliert modellierten Mann, der auf einem über ein Felsstück drapierten Fell ruht. (Ergänzungen wurden während der Barockzeit von Gian Lorenzo Bernini vorgenommen.) Balkenhols Satyr (der Titel verweist auf den hellenistischen Ursprung der Skulptur, während „Faun“ seine römische Version bezeichnet) weist allgemeine Ähnlichkeiten und im Detail extreme Unterschiede zum Barberinischen Faun auf. Eine Koinzidenz ist bemerkenswert: wie die antike Marmorfigur auf einem Stein sitzt, so bildet der Baumstamm den stützenden Untergrund für Balkenhols Holzfigur. Beide Skulpturen teilen also eine Form von Materialgerechtigkeit, die fast tautologisch demonstriert wird. Die ähnliche Körperhaltung und der vergleichbare Maßstab wurden bereits erwähnt, jenseits von diesen generellen Entsprechungen sind die Unterschiede jedoch entscheidend. Die perfekte, glatte Modellierung des jugendlichen Körpers ist bei Balkenhol einer charakteristisch verkürzenden, die gestischen Marken des modellierenden Künstlers sichtbar belassenden Darstellungsweise gewichen, die uns diese Figur paradoxerweise näher bringt als den muskulösen antiken Superhelden mit seiner hyperrealistischen Ausstrahlung. Balkenhols Satyr hat einen normaleren Körperbau und einen vertrauteren Gesichtsausdruck, dem wir in unserer Welt täglich begegnen könnten. Die Ausstrahlung von Balkenhols Satyr ist nicht monumental, nicht überhöhend, nicht idealisierend – und das, obwohl sie doch erkennbar einen der Archetypen antiker Skulptur heraufbeschwört. Sie ist eine Skulptur des 21. Jahrhunderts. Ihre Verbindung zur Antike ist sichtbar, ihr Zusammenhang mit der Bildhauerei des späten 20. Jahrhunderts ist weniger offensichtlich, aber dennoch spürbar. Stephan Balkenhols Satyr ist insofern typisch für das gesamte bildhauerische Werk dieses Künstlers, dem es gelungen ist, jede überkommene bildhauerische Sprache zu seiner eigenen zu machen, ohne unnötiges Pathos heraufzubeschwören. Gleich Frau in gelbem Kleid / Mann mit rotem Hemd, Wawaholz, farbig gefasst, 170 cm hoch, Galerie Löhrl unten: Ausschnitt daraus

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ob er religiöse Skulpturen, Antiken oder öffentliche Denkmäler als Ausgangspunkt seiner Arbeit nimmt, immer überführt er die Arbeiten in eine Gegenwart, die wir mit dem Künstler teilen. Balkenhols gesamtes Werk zeichnet sich durch diese Konstanz des Lapidaren aus und ist dank seiner enormen Produktivität und Vielseitigkeit für den Betrachter immer wieder Überraschung und Bestätigung zugleich. Kay Heymer Fotos: Süleyman Kayaalp

Zur Ausstellung erscheinen eine Broschüre und ein Plakat. Skulpturenpark Waldfrieden Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal Tel. 0202 47898120 / Fax 478981220 mail@skulpturenpark-waldfrieden.de www.skulpturenpark-waldfrieden.de Öffnungszeiten: März bis Oktober: Dienstag bis Sonntag, 10-19 Uhr, November bis Februar: Freitag bis Sonntag, 10-17 Uhr Der Skulpturenpark Waldfrieden ist an allen Feiertagen geöffnet. Stephan Balkenhol wurde 1957 im hessischen Fritzlar geboren, absolvierte 1976 in Kassel sein Abitur und studierte anschließend bei Ulrich Rückriem an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg (1976–1982). Nach Lehraufträgen ebendort und an der Hochschule für Bildende Künste – Städelschule in Frankfurt a. M. lehrt Balkenhol seit 1992 als Professor für Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. Balkenhols Werk zeichnet sich durch das Bestreben des Künstlers aus, die Skulptur von politischen, religiösen oder allegorischen Implikationen zu befreien und die figurative Skulptur neu zu begründen. Mit den für den öffentlichen Raum realisierten Arbeiten lässt sich Balkenhol auch auf historisch aufgeladene Orte ein und nimmt auf diese formal und inhaltlich Bezug.

Sempre più ..., 2009, Zedernholz, farbig gefasst, Höhe ca. 570 cm unten: Ausschnitt

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Referenzaufführung am Saisonende Szymanowskis König Roger in Wuppertal Manchmal sollte man auf eine Vorbereitung für einen Opernbesuch verzichten. So hat mich die Pariser Aufführung von 2009, im Fernsehen aufgenommen, sehr verwirrt. Der ansonsten sehr geschätzte polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski hatte so ungenau und Rätsel aufgebend inszeniert, dass mir nicht einmal die Handlung klar wurde, und die Sprunghaftigkeit der Regie übertrug sich auf die Wiedergabe der Musik, so dass ich schon fürchtete, Johannes Weigand hätte am Ende seiner Wuppertaler Intendanz ein schlechtes Stück ausgesucht.

Mitte: Kay Stiefermann, drum herum: Josly Rechter, Banu Böke, Martin Js. Ohu, Opernchor, Extrachor, Statisterie, Wuppertaler Kurrende

Nichts davon war so. Man kann sogar sagen: Wenn es eine Referenzaufführung dieser Oper auf DVD geben sollte, dann wäre diese Wuppertaler Aufführung dafür absolut geeignet. Das deutete sich schon in der Einführung des Dramaturgen Johannes Blum an, der die unterschiedlichen Einflüsse der Oper sehr genau darstellte – Szymanowskis Lebensgeschichte und kompositorischen Einflüsse, seine Liebe zu Sizilien, wo Antikes, Arabisches und Christliches nebeneinander existierten und sich vermischten, und schließlich der Einfluss des Dionysos-Kultes und des Euripides-Dramas „Die Bakchen“ auf Libretto und Komposition. Auch der Regisseur, Jakob Peters-Messer, hatte das Libretto noch einmal sehr genau gelesen, und hatte eine sehr gut nachvollziehbare, punktgenaue und aktuelle Lösung erarbeitet. Niedergang und Therapie Rogers standen im Mittelpunkt und wurden mit sehr sinnlichen und bühnenwirksamen Mitteln ausgestaltet.

Wenn der Vorhang aufgeht, sieht man den Chor im Schattenriss, die Bühne ist eine achteckige Röhre, oben und an den Seiten verspiegelt, so dass alles verzerrt wird. Auf dem so entstandenen Achteck im Hintergrund dreht sich langsam das Bild des Königs Roger, er trägt eine Maske, in deren Mitte ein Kruzifix befestigt ist (Bühnenbild Markus Meyer). Davor, direkt am Bühnenrand, liegt Roger auf einer Couch, hinter ihm sein Berater Edrisi. Eine Therapiesituation. Wir befinden uns also in der Gegenwart, obwohl Roger noch die Krone trägt, und Edrisi will Roger von seinen Obsessionen befreien, indem dieser sie noch einmal durchlebt. So folgt nach der Einleitungssequenz die Anklage von Äbtissin und Erzbischof gegenüber dem Hirten. Zu byzantinischen christlichen Hymnen heben alle Mitglieder des nun von vorn angestrahlten Chores ihre mit Kreuzen versehenen Hände, der Hirte ist aber schon da, tritt aus der Menge heraus und wird von Rogers Gattin, Roxane, verteidigt. Hier hat der Regisseur z.B. besonders gut hin-

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gesehen und deutlich herausgearbeitet, dass Roxane nicht aus heiterem Himmel zum Hirten überläuft, sondern sich schon seit längerem zu wenig beachtet fühlt und insofern eine grundsätzlich gegensätzliche Position ihrem Mann gegenüber einnimmt, auch durch ihre Kleidung, zuerst als Marylin-MonroeVerschnitt und später als 20er-JahrePartygirl (Kostüme Sven Bindseil). Der Hirte erscheint hier noch unschuldig in Weiß, tritt ein für Liebe, Lust und Frieden und verursacht kaum noch auffangbare Auflösungserscheinungen in der zuerst entrüsteten Gemeinde. Im 2. Akt dagegen erscheint er martialischer, trägt Uniform, Sonnenbrille, hebt den rechten Arm, die Gemeinde, einschließlich Roxane, gehört jetzt ihm, und es fließt, wie bei den Bakchen, Blut. Das sich drehende und spiegelnde Achteck im Hintergrund zeigt am Anfang dieses Aktes Sterne, die wie Spinnweben aussehen, und gegen Ende, als die Gefährlichkeit des Hirten immer größer wird und Roger endgültig seine Macht verliert, eine Grube voller giftiger Schlangen. Edrisi macht sich auch in Momenten des größten Tumultes seine therapeutischen Notizen, um Roger im 3. Akt zu einer Synthese und zu sich selbst zu führen. Als er auf die Macht verzichtet, kehrt seine Frau zurück, auch der Hirte/Dionysos erscheint noch einmal, stirbt aber, als Roger ihn umarmt – das Trugbild zerfällt zu Staub. Das kann es erst, wenn Roger seine Obsessionen noch einmal durchlebt, sich geändert und vom ursprünglich Störenden etwas angenommen hat. In diesem Akt strahlt die aufgehende Sonne auch das Publikum an, die Spiegel werden nach und nach ausgeblendet, zum Schluss senkt sich der Vorhang: Therapie erfolgreich oben: Mitte: Banu Böke, Martin Js. Ohu, Hintergrund: Opernchor, Extrachor, Statisterie unten: Kay Stiefermann, Banu Böke linke Seite: Mitte:Banu Böke, Mitte hinten: Kay Stiefermann, drum herum: Opernchor, Extrachor, Statisterie, Wuppertaler Kurrende

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beendet. Roger ist zwar allein, ruht aber in sich und preist die Sonne. So wie die Handlung neue und alte unterschiedliche Elemente verschiedener Kulturen aufnimmt und verarbeitet, verdichten sich in der Musik die verschiedensten Einflüsse zum persönlichen Stil Szymanowskis. Neben mittelalterlichen und byzantinisch anmutenden Chorälen erklingen lustvolle Melismen auf der Silbe Aaah, orientalische Tanzmelodik und -rhythmik trifft auf dissonant aufgebrochene romantische Klänge. Spürbar ist auch die Beschäftigung mit der Rhythmik Strawinskis, und ganz am Schluss stehen sogar Diatonik und reines C-Dur. Florian Frannek beleuchtete mit dem Wuppertaler Orchester all diese Facetten sehr sorgfältig und klangsinnlich, das jeweils vorherrschende Element wird deutlich hervorgehoben. Chor (Jens Bingert) und die diesmal mitwirkende Kurrende (Dietrich Modersohn) lösten ihre umfangreiche und schwierige Aufgabe bravourös, auch in darstellerischer Hinsicht waren alle Mitglieder außergewöhnlich engagiert.

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Das Wuppertaler Sängerensemble zu loben, heißt fast Eulen nach Athen tragen. Gewohnt exzellentes Niveau bei Martin Ohu (Erzbischof ), Joselyn Rechter (Diakonissin) und Christian Sturm (Edrisi), wunderbar hohe Töne und fabelhafte Darstellung bei Banu Böke (Roxane). Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Tenor so entspannt, frei und doch so klangvoll und tragend erlebt zu haben wie den einzigen Gastsänger des Abends, Rafal Bartmínski. Und schließlich den Sänger der Hauptrolle, Kay Stiefermann, der sich sowohl in sängerischer als auch in darstellerischer Hinsicht vor keinem anderen Bariton verstecken muss. Kein Wunder: Donnernder Beifall, standing ovations für alle Mitwirkenden, auch für das Regieteam. Nach einer solchen Saison mit einer Operette (Fledermaus), einem Musical (Evita), einer Barockoper (Alcina), der gelungenen Ausgrabung von „Król Roger“, sogar einer Uraufführung (Der Universums-Stulp) sowie drei weiteren Produktionen an verschiedenen anderen kleineren Spielstätten könnte man

v. l. n. r.: Banu Böke, Kay Stiefermann, Christian Sturm Johannes Weigand und sein Team nur beglückwünschen und sagen: Macht weiter so mit einem anregenden und intelligenten Programm, das viele in Wuppertal und Umgebung anspricht! Leider wissen wir, dass es nicht geht und auch eine sehr lohnende Wiederaufnahme dieser Produktion in der nächsten Saison nicht möglich ist. Deshalb kann ich nur hoffen und wünschen, dass für alle Ensemble-Mitglieder mindestens gleichwertige Engagements folgen. Fritz Gerwinn Fotos Uwe Stratmann


Wuppertal ist Tangostadt Carsten Heveling: „Tango ist tiefstmenschlich – Wuppertal ist Tangostadt“ XVII. Ball Tango Argentino in der Historischen Stadthalle Wuppertal am 20. 9. 14

Am 20. September findet das jährliche Tangofestival in Wuppertal statt – mit dem immerhin siebzehnten großen Tangoball in der Historischen Stadthalle, organisiert von Carsten Heveling. „In dieser Stadt kann man fast jeden Tag Tango tanzen“, sagt er und freut sich: „Wuppertal ist Tangostadt.“ Carten Heveling ist ein Mensch mit Visionen und so vielfältigen Begabungen und Interessen, dass ich im Folgenden versuche, die Zusammenhänge zu verdeutlichen und deshalb die Fakten nur umreiße. In Köln, wo Carsten Heveling vor einigen Jahren als DJ für Tango gearbeitet hat, lief er noch Gefahr, sich lächerlich zu machen, wenn er sagte, er käme aus Wuppertal. Heute passiert ihm das nicht mehr: „Ich fühle mich hier wie in Berlin. Die Stadt hat eine positive Langsamkeit, man kennt sich, man ist gut vernetzt, und gute Arbeit erfährt Wertschätzung.“ Schon immer konnten sich in Wuppertal revolutionäre politische, soziale und künstlerische Neuerungen problemloser entwickeln als in anderen Städten. Dennoch ist es mit dem Selbstbewusstsein dieser Stadt nicht

weit her. Dass Wuppertal aufholt, verdankt sich nicht zuletzt Pina Bausch und ihrem Tanztheater; sie hat auch das Leben von Carsten Heveling geprägt. „Ich lebe gern in dieser Stadt“, sagt er, als ich ihm in seiner Bandoneonwerkstatt in Heckinghausen gegenüber sitze. In Regalen sorgfältig sortiert liegen unzählige Teile der komplizierten Mechanik von Bandoneons. Auf einem Tisch stapeln sich deren schmale, schwarze, metallbeschlagene Aufbewahrungskästen. Sie haben eine merkwürdige geheimnisvollfeierliche Wirkung. Das große Fenster mit unzähligen blühenden Blumen ist weit zum Garten geöffnet. Carsten Heveling hatte es sich ganz anders gedacht – nicht den Tango als Lebensaufgabe und Lebenserfüllung, nicht die Betreuung der freien Tanzszene in Wuppertal, nicht die Organisation des Tangoballs samt Festival, und auch nicht das Restaurieren von Bandoneons. Carsten Heveling kommt aus dem Ruhrgebiet und ist eigentlich gelernter Schneider und studierter Modedesigner. Während er am Staatstheater in Mainz arbeitete hörte er, dass Pina Bausch in Wuppertal einen

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Kostümassistenten suchte. „Ich war ganz unvorbelastet, kannte nur den Namen Pina Bausch und wusste, das ist etwas Tolles!“ Und dann ist es passiert: Eines Abends rief eine Freundin an: „Du musst unbedingt ins ‚Ada’ kommen, die tanzen hier Tango!“ Mehmet Doc, Inhaber des ‚Ada’, hatte den Draht zu Pina Bausch. Dorthin ging sie zum Essen und um Freunde zu treffen. „An diesem Abend war dort ein Tangotänzer aus Buenos Aires, klein, mit kugelrundem Bauch, ein älterer Herr. Er legte Tangomusik auf und tanzte mit den Frauen. Es war der berühmte Tete Rusconi, Pina Bausch hatte ihn eingeladen, weil er ihren Tänzern Tango beibringen sollte. Tango – da muss man erst einmal hinkommen. Tango ist auch ein Tanz, man könnte sagen, er ist gerade noch ein Tanz. Da treffen sich zwei Menschen, die versuchen, ohne Worte miteinander zu kommunizieren und dabei nicht umzufallen. Es gibt ja nicht viel mehr als vorwärts und rückwärts zu gehen und zu drehen. Diese Unmittelbarkeit des Tango hat mich sofort begeistert. Ich ging dann nach Berlin und habe dort die Tangoszene kennengelernt, und mir war klar: Tango ist ein Hobby für ganz normale Menschen. Sofort fühlte ich mich zu Hause, Tango kann man überall auf der Welt tanzen, in Beirut, Shanghai oder Berlin. Der Tango verbindet die Menschen, denn die körperliche Kommunikation ist viel unkomplizierter als die verbale. Man geht in ein Tangolokal, und bevor man die Jacke aufgehängt hat, hält man jemanden im Arm, ohne ein einziges Wort miteinander zu sprechen. In Südamerika ist der Tango eine soziale Angelegenheit. Die ganze Familie geht am Wochenende tanzen, Männer, Frauen, Kinder. Abkunft, Alter, Schönheit zählen nicht. Tango ist das Tiefstmenschliche.“ Casten Heveling war so überzeugt vom Tango, dass er in Zusammenarbeit mit dem Café Ada die ersten Tangonächte in Wuppertal organisierte und die freie Tanzszene betreute. 1998 entschloss sich Carsten Heveling, anlässlich des 25jährigen Jubiläums des Tanztheaters Pina Bausch einen großen Tangoball in der Historischen Stadthalle zu veranstalten. Die Verantwortlichen, damals Werner Wittersheim, haben das Projekt ohne Vorbehalte unterstützt, und

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das ist bis heute so geblieben. Von Anfang an war der Erfolg groß: „Der Ball in der Stadthalle ist sicherlich der größte dieser Art in Europa. Im Laufe der Jahre entwickelte er sich zu einem richtigen Tangofestival mit Workshops, Konzerten und Tangonächten. Die Tangofreunde kommen aus der ganzen Welt und aus allen Schichten, und sie übernachten im Schlafsack oder im Wellnesshotel, das ist vollkommen unwichtig. Für die Künstler aus allen Nationen ist es das größte, einmal in Wuppertal aufgetreten zu sein. Das Festival ist für diese Stadt von enormer Bedeutung, in Argentinien kennt man uns!“ Wie in alten Zeiten die Wuppertaler Bühnen ein Sprungbrett waren für die Karriere zahlreicher Sänger und Schauspieler, so ist es heute der Tangoball. „Dann ist die ganze Stadthalle voller schöner Menschen“, begeistert sich der Organisator. „Dabei ist es eigentlich paradox – warum gibt es Tangoshows, wenn es doch gar nichts zu demonstrieren gibt, denn den Tänzern ist

es gleichgültig, ob ihnen jemand zuschaut oder nicht.“ Diese scheinbare Widersprüchlichkeit des Tango ist nicht die einzige. Widersprüchlich scheint auch die Intimität während des Tanzes, die sofort aufgehoben ist, sobald dieser endet. Im Widerspruch zu der ursprünglichen Schlichtheit des Tanzes stehen auch die artifiziellen Figuren, die sich im Laufe der Zeit entwickeln. „Natürlich gibt es den sportlichen Ehrgeiz, die große Ungeduld weiterzukommen, und viele denken, man habe das große Erlebnis. Aber dahinzukommen ist schwer. Man darf nicht vergessen, beim Tango steht man einfach da als Mensch. Schon in der simpelsten Bewegung kommt der Charakter zum Ausdruck.“ Kaum weniger widersprüchlich und faszinierend zugleich ist die Geschichte des Tango, die ich nur andeute: Aus den Hafenvierteln im Mündungsgebiet des Rio de la Plata, wo die Ärmsten der Armen aus

aller Welt zusammentrafen, hat sich Ende des 19. Jahrhunderts der Tango entwickelt, der eigentlich Ausdruck von Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit, Frustration und Liebesleid von Männern war und als Tanz und als Musik Weltkarriere gemacht hat. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schwappte die Tangowelle nach Europa. „Da war der Tango, ein ursprünglich anrüchiger Tanz, in der Gesellschaft so weit angekommen, dass Argentinien mit Tangomusik für den Fleischexport werben konnte. Um 1938, als in Europa längst die Lichter ausgingen, entstanden in Südamerika die schönsten Tangos.“ Mit den politischen Wirren während und nach den fünfziger Jahren, als Juan Perón vom Militär abgesetzt wurde und die staatliche Förderung unterblieb, verlor der Tango in Argentinien an Bedeutung, zumal der Tanz von den Militärdiktaturen abgelehnt wurde. Anders in Europa, wohin sich argentinische Tangomusiker wie

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Astor Piazzolla und José Mosalini geflüchtet hatten. Als 1983 in Paris die große Tangoshow „Tango Argentino“ aufgeführt wurde, wuchs die Begeisterung für diesen Tanz so, dass in Amsterdam und in Berlin die ersten Tangoschulen gegründet wurden. Bald entwickelten sich Tangoszenen in den Großstädten. In den 90er Jahren waren es dann Tangotouristen, die nach Argentinien reisten und nach den berühmten Tangolokalen fragten. Dieses interkontinentale Hin und Her hatte einen Fixpunkt: das Bandoneon aus Sachsen, welches deutsche Einwanderer nach Südamerika brachten. Schnell hatte dieses Instrument die ursprünglichen Tangoinstrumente Flöte und Gitarre abgelöst, und bis heute charakterisiert der eigentümlich verlorene Klang des Bandoneons die Musik des Tango. Zu diesem Instrument hat Carsten Heveling eine ganz besondere Beziehung. Schon während seines Berlinaufenthaltes hatte er gemerkt, dass er nicht nur dem Tango als Tanz, sondern auch dessen Musik verfallen war - und eben dem Bandoneon, „dessen schlichter, trockener, erdiger Klang“ ihn unmittelbar berührt. „Das erste Bandoneon, das ich gekauft und gespielt habe, war kaputt, der Balg verlor Luft, und die Knöpfe waren abgegriffen. Ich kannte niemanden, der es reparieren konnte, und so machte ich mich selbst an die Arbeit. Ich hätte nie gedacht, dass ich davon einmal eine Familie ernähren könnte.“ So kam es, dass Carsten Heveling zum Spezialisten für das Restaurieren von Bandoneons geworden ist. Außer ihm gibt es in Deutschland nur noch einen einzigen Bandoneonfachmann. Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte der Instrumentenbauer Heinrich Band aus Krefeld aus der Harmonica das Bandoneon, oder Bandonion, wie es damals genannt wurde. Gefertigt wurden diese Instrumente im Erzgebirge. Das Bandoneon gehört zu den Luft- Balg- oder Knopfinstrumenten, je nachdem ob man bei der Bezeichnung vom Klangerzeuger oder von der Spielweise ausgeht. Es ist verwandt mit der Mundharmonika, der Orgel und mit dem Akkordeon. Mit seinem opulenten Klang bedient das Akkordeon einen ganz anderen Interessentenkreis als das Bandoneon, und Carsten Heveling wird vielleicht einmal etwas zur Soziologie dieses Instrumentes nachtragen. So kommt es, dass alle noch existierenden

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Bandoneons heute 70 bis 90 Jahre alt sind und irgendwann einmal aus Sachsen nach Südamerika verschifft worden sind. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 gingen keine Schiffe mehr nach Südamerika. 1948 wurden die Betriebe in Sachsen enteignet, und die Produktion von Bandoneons kam nicht mehr recht auf die Beine. Das lag an der Mentalität der Tangomusiker: Sie bevorzugen den schlichten Klang der sächsischen Bandoneons. Die neuen Materialien veränderten den Klang, der den Musikern zu opulent war und zu sehr dem des Akkordeons ähnelte. „Die jungen Leute in Argentinien spielen noch heute die Instrumente ihrer Großväter; punkig gekleidet schreien sie ihre Not heraus wie diese, auch beim Tangofestival in Wuppertal.“ In Argentinien geht die Wertschätzung der historischen Instrumente so weit, dass sie zum Nationalen Kulturerbe erklärt wurden. Damit will man verhindern, dass ein echtes Bandoneon aus Sachsen zur Kapitalanlage wird und noch mehr der kostbaren Instrumente nach Europa zurückwandern. Jedes Bandoneon außerhalb Argentiniens ist ein Reimport und hat seine ganz ‚persönliche’ Geschichte. „Die Musik des Tango ist ungemein sensibel“, sagt Carsten Heveling und erinnert daran, dass der Tango zur Zeit der MonoSchelllackschallplatte Karriere gemacht hat. „Der Charakter dieser Musik will wenig zum künstlichen Klangdesign von Stereo und CD passen.“ Anders als die meisten Musikinstrumente hat das Bandoneon keine technischen Neuerungen erfahren, im Gegenteil, beziehen die Tangomusiker technische Unvollkommenheiten wie klappernde Knöpfe oder Luftgeräusche in die musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten ein. Und das ist für den Restaurator eine Herausforderung: „Jeder Bandoneonspieler ist mit seinem Instrument verwachsen. Jede Reparatur kann einen intensiven Eingriff in den Charakter des Instrumentes bedeuten. Deshalb tausche ich kein Teil aus, sondern alles wird restauriert. Es ist für mich sehr wichtig, den Spieler persönlich zu kennen und genau zu wissen, welchen Klang er sucht.“ Das herauszufinden und das jeweilige Instrument entsprechend zu reparieren und zu intonieren macht Carsten Heveling nicht nur Freude, sondern er empfindet es

als Privileg, weil es sein Leben ausfüllt. In Argentinien heißt es: „Der Tango kommt zu Dir.“ So ist es auch Carsten Heveling ergangen. Durch seine vielfältigen Begabungen, ein hochsensibles Gehör, Musikalität, manuelle Geschicklichkeit und ein besonderes Einfühlungsvermögen, kann er dem Tango etwas zurückgeben. Und nicht nur dem Tango, denn durch seine Vision von der Tangostadt Wuppertal bereichert er diese mit seinem Tangoball um ein Weltereignis, auf das sie stolz sein darf. Marlene Baum Fotos: WSW Wuppertal Foto Stadthalle: Dennis Scharlau www.tango-tango.de


Willi Baumeister – International 4. Juli bis 5. Oktober 2014 Museum Küppersmühle für Moderne Kunst in Duisburg In Kooperation mit dem Kunstmuseum Stuttgart mit Unterstützung von Evonik Industries und der Sparkasse Duisburg

Willi Baumeister (1889 – 1955) gehört ohne Frage zu den wichtigsten deutschen Künstlern der Nachkriegszeit und zu den bedeutendsten Vertretern der abstrakten Malerei. Die Retrospektive „Willi Baumeister International“ im MKM Museum Küppersmühle gibt mit rund 100 Werken nicht nur einen Einblick in das umfangreiche Œuvre des Malers, sondern zeichnet auch sein internationales Netzwerk aus Galeristen, Sammlern, Künstlern und Kunsthistorikern anhand von zahlreichen Fotografien aus dem Archiv Baumeister nach.

A I Orange-Grün, 1923 Öl auf Leinwand, 123,7 x 68,3 cm Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

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Kaum ein Künstler wird so sehr mit der deutschen Nachkriegszeit in Verbindung gebracht wie Willi Baumeister. Seine Rolle als Verfechter der abstrakten Malerei in den 1950er Jahren und seine Arbeit als Kunsttheoretiker haben dieses Bild über Jahrzehnte gefestigt. Baumeisters Reduzierung auf seine Bedeutung als einflussreicher deutscher Nachkriegskünstler greift allerdings zu kurz. Mit der Ausstellung „Willi Baumeister International“ stellt das MKM Baumeister als international agierenden Künstler vor. Den Auftakt der Ausstellung im Museum Küppersmühle bildet eine umfangreiche Präsentation privater Fotografien aus dem Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart, die einen intensiven Blick auf die Person Willi Baumeister und seine zahlreichen internationalen Kontakte zu Galeristen, Kunsthistorikern und Künstlern erlauben. Daran anschließend wird die Entwicklung seines Werkes in chronologische umgekehrter Reihenfolge ausgehend vom Spätwerk bis zu seinen Anfängen als Stuttgarter Kunststudent vorgestellt. Den Schwerpunkt bilden dabei ausgewählte zentrale Werkgruppen Baumeisters, beginnend mit den späten „Montaru-Bildern“ und der „Afrika“Serie bis hin zu den „Mauerbildern“ der 1920er Jahre, mit denen Baumeister der internationale Durchbruch gelang. Sie geben einen Überblick über seine Werkentwicklung und sind zugleich Belege seines internationalen Renommees.

Willi Baumeister Afrikanische Erzählung, 1942 Öl mit Kunstharz und Spachtelkitt auf Karton, 35,5 x 45,5 cm Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

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Willi Baumeister Phantom mit Rot, 1952 テ僕 mit Kunstharz auf Hartfaserplatte, 100 x 130 cm Sammlung Strテカher, Darmstadt, ツゥ VG Bild-Kunst, Bonn 2014

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Öffnungszeiten: Mi 14-18, Do / Fr / Sa / So 11-18 Uhr feiertags 11-18 Uhr M /Di geschlossen MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst Innenhafen Duisburg Philosophenweg 55, 47051 Duisburg www.museumkueppersmuehle.de

Willi Baumeister Dialog Rot-Blau, 1951 Öl mit Kunstharz auf Hartfaserplatte, 100 x 130 cm Sammlung Ströher, Darmstadt © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

Willi Baumeister Schwarz-Violett, 1948 Öl mit Kunstharz auf Karton, 64,8 x 80,9 cm Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

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Nachruf Ulli Weiss Als die Fotografin Ulli Weiss vor einigen Jahren den Wuppertaler Enno-und Christa Springmann-Preis erhielt, gab es im Opernhaus-Foyer eine kleine Ausstellung mit Fotografien der Preisträgerin. Da hingen drei Arbeiten, auf denen Pina Bausch zu sehen war. In diesen Aufnahmen hatte Ulli Weiss Augenblicke mit der Kamera eingefangen, die bis heute von großer Aussagekraft sind: Da ist die Tänzerin Pina Bausch in ihrem Stück „Café Müller“ : still, traumverloren, mit geschlossenen Augen steht sie an der Drehtür – ein Moment der totalen Selbstversunkenheit, Einsamkeit, Melancholie, Trauer, – Gefühle, von denen Pina Bausch und das Tanztheater Wuppertal in allen Stücken spricht. Auch von der Ahnung, was Glück sein könnte, trotz aller (Lebens-)Enttäuschungen – in dem man bei sich selber ist und bleibt, mit all seiner Eigenständigkeit und Eigenart, - ob so in sich versunken oder tanzend. Es ist eines der schönsten Fotos von Pina Bausch. „Café Müller“ ist eines von zwei Stücken, in denen Pina Bausch selbst getanzt hat. (Das andere war „Danzon“). So erzählt dieses Foto auch etwas über Entsagung und damit auch über Schmerz: denn Pina Bausch, so hat sie einmal gesagt, wollte und musste eigentlich immer nur tanzen. Aber die Verantwortung als Choreografin habe immer wieder den Drang zu tanzen aufgeschoben. So sei es einfach gekommen, dass sie ihre eigentliche Liebe, die sie in sich habe, diesen großen Wunsch zu tanzen, an andere weiter gegeben habe. Das zweite Foto: Pina Bausch von oben inmitten der leeren Stuhlreihen im Opernhaus. Ein Bild der Konzentration - und der Einsamkeit. Sie schaut auf die Bühne, wahrscheinlich während einer Probe, vielleicht aber ist es auch ein Blick auf die leere Bühne. Wir sehen nur den Zuschauerraum und die Choreographin – sie allein hat das Stück – die Stücke, die im Grunde ein einziges ist – gemacht, sie allein trägt die Verantwortung, die Zweifel, die

Fragen, die Enttäuschungen, die Ängste vor jedem neuen Stück. Diese Einsamkeit – jeder Künstler kennt sie. Im dritten Bild: das ganze Gesicht offen, klar, wieder diese Konzentration und Ruhe, die Gelassenheit, das Wissen, dass sie den Weg gehen musste und gehen muss, den sie gegangen ist. Das Wissen und die Erfahrung aber auch, dass das ein schwerer Weg war. Alle drei Fotos sind nicht inszeniert, nicht gestellt – ein Markenzeichen der Fotografin Ulli Weiss. „Ich bin,“ so sagte sie einmal, „ als Fotografin Zuschauer, der nie gestört hat, der nie Situationen zerstört hat.“ D.h. sie hat nie zu den Tänzerinnen oder Tänzern gesagt: macht doch diese Szene noch einmal extra für mich und die Kamera– oder: schminkt Euch doch für die Kamera – nein, sie war nach eigenen Worten“ jemand, der gar nicht da war“. Sie hat sich – unsichtbar - ins Geschehen begeben und eingefügt – und so die Menschen, meistens Künstler, den Tanz, die Proben, festgehalten, ehrlich, genau, direkt und gleichzeitig in poetischer Schönheit. So geben diese Fotografien das wieder, was der Dramatiker Heiner Müller einmal gesagt hat über das Tanztheater von Pina Bausch: es sei ein Theater, wie man früher eingekauft habe – ein Theater ohne Plastiktüten. Ulli Weiss wurde 1943 in Bonn geboren. Sie arbeitet zunächst als Angestellte der Deutschen Lufthansa AG in Bonn und München, bevor sie 1970 an die Folkwangschule (heute: Folkwang Universität der Künste) nach Essen ging, Dort studierte sie bei Otto Steinert Fotografie und Bildjournalismus und machte 1976 ihr Examen über freie Theaterensembles in Europa. In jener Zeit lernten sich Ulli Weiss und Pina Bausch kennen. Pina Bausch hatte an der Folkwangschule Tanz studiert, war nach einem Stipendium des DAAD in New York wieder zurückgekommen nach Essen, leitete das Folkwang-Tanzstudio und machte ihre ersten Choreografien in der Alten Aula der Schule. Dorthin ging auch Ulli Weiss, als Zuschauerin. Begegnet

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aber sind sich die beiden in der Mensa – Pina Bausch kam beim Essenholen auf Ulli Weiss zu und fragte, ob sie ihr, Pina, das schöne Kleid, das sie anhabe, leihen könnte für ihren nächsten Tanz. Dieses blaue 30ger Jahre Seidenkleid mit weißen Blümchen, in Amsterdam auf dem Flohmarkt erstanden, ist später in Wuppertal – natürlich neu genäht – immer wiedergekehrt auf der Bühne. Ulli Weiss hat seit 1976 für und über Pina Bausch und das Tanztheater gearbeitet. Sie war die erste Fotografin und lange Zeit auch die einzige, die bei Pina Bauasch fotografieren durfte. Bei Proben, Aufführungen, auf Tourneen. Zu ihr hatte Pina Bausch Vertrauen. Diese Fotografien sind veröffentlicht in Fachzeitschriften wie „Theater heute“, in Zeitungen, Programmheften, Katalogen, Büchern, auf Plakaten. Sie hat auch andere Künstler mit der Kamera begleitet – Jehudi Menuhin, Kazuo Ohno, Heiner Goebbels, Robert Wilson , die koreanische Tänzerin und Choreographin Eun Me Ahn. Sie hat Inszenierungen von Werner Schroeter und Rainer Werner Fassbinder fotografiert und auf vielen Festivals Theaterkompanien und Straßentheatergruppen.

Über das Fotografieren habe sie Sehen gelernt, sagte Ulli Weiss. Dieses Sehen wurde sicher auch auf ihren vielen Reisen geschult, die die Fotografin während ihres Studiums und danach gemacht hat. Sie reiste nach Japan, Brasilien, Griechenland und in die Türkei. Und nach ihrem Examen in Essen ging sie zunächst für mehrere Monate auf Foto-Reise nach Laos, Thailand, Burma, Nepal und Indien. Ihr Hauptwohn-und Arbeitsort aber wurde und blieb Wuppertal und das Tanztheater Pina Bausch. Hier hat sie, neben ihren BauschFotografien, am Buch über die Bühnenbilder von Peter Pabst mitgearbeitet ebenso, wie an der Fotoausstellung über Rolf Borzik. Im Buch zum Film „Tanzträume“ – Jugendliche tanzen „Kontakthof“ von Pina Bausch, das wir zusammen gemacht und herausgegeben haben, sind ausschließlich Fotos von Ulli Weiss veröffentlicht. Für ihren leidenschaftlichen und akribischen Einsatz für dieses Buch bin ich Ulli Weiss dankbar. Ich habe viel gelernt in dieser Zeit – auch, dass es sich lohnt,Geduld zu haben.

TANZTRÄUME Jugendliche tanzen „Kontakthof“ von Pina Bausch. Das Buch zum Film von Anne Linsel und Ulli Weiss Verlag HP Nacke Wuppertal, 2011 120 Seiten, 23 x 17 cm, Softcover ISBN 978-3942043-81-6, 19,80 Euro Verlag HP Nacke Friedrich-Engels-Allee 122 42285 Wuppertal Telefon 0202 - 28 10 40 verlag@hpnackekg.de

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Ulli Weiss mochte nie lange über Fotografie reden. Da tat sie es Pina Bausch gleich, die auch nicht über ihre Stücke gesprochen hat – die Sprache, sagte sie, sei nicht ihr Medium, dann wäre sie ja Schriftstellerin geworden. Ulli Weiss’ Medium war die Fotografie. Ihr wichtigstes Thema: Pina Bausch und das Tanztheater. Sie sah es bis zuletzt mit bewunderndem und liebendem Blick. Ulli Weiss starb Anfang Juli in Wuppertal. Anne Linsel


Roaring Forties Gereon Lepper im Skulpturenpark Waldfrieden

Gereon Lepper Ortstreu

Zwischen dem 40. und 50. Breitengrad herrschen extreme Winde und hoher Wellengang. Energie wird dort quasi sichtbar. Darauf bezieht sich die Ausstellung Roaring Forties, die derzeit in der unteren Halle des Wuppertaler Skulpturenparks „Waldfrieden“ von Tony Cragg präsentiert wird. Energie ist auch das Thema der Installationen, die der Bildhauer Gereon Lepper dort aufgebaut hat. Der 1956 in Ratingen geborene Künstler ist ursprünglich gelernter Steinmetz und Steinbildhauer, war danach Gasthörer an der Kunstakademie Düsseldorf und dann Meisterschüler bei Prof. Klaus Rinke.

Bis zum 28. September sind drei kinetische Werke Leppers zu besichtigen, besser: zu erleben. Beim Betreten der Halle wird der Blick sogleich von einem großen Käfig eingefangen, in dem zwei Ventilatoren stehen, fast wie Flugzeugpropeller wirkend mit den jeweils zugehörenden Motorblöcken. Die Installation steht auf Rädern. Die Motoren laufen an, machen einen Höllenlärm und lassen die Propeller mit irrsinniger Geschwindigkeit rotieren.

Diese Kräfte müßten eigentlich die Räder in Bewegung setzen, doch sie stehen still. Die Propeller rotieren gegenläufig, die Kräfte heben sich auf. Entsprechend nennt Lepper das 1990 entstandene Werk „Ortstreu“. Auf der gegenüberliegenden Seite der Halle steht „Schwere See“ aus dem Jahr 2001. Ein mit rotem Dieselöl gefüllter Glasbehälter, ähnlich einem langen Aquarium, wird durch eine motorbetriebene mechanische Schau-

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kel in Bewegung gesetzt. In der öligen Flüssigkeit entwickelt sich ein Wellensystem, rollt an, türmt sich auf, Gischt schäumt, die Wellen rollen überschlagend zurück, werden langsamer und kleiner, kommen zum Stillstand, bis der Blick des Betrachters auf einem ruhenden Horizont weilt. Man könnte damit die Ewigkeit assoziieren. Chaos, Entspannung, Ruhe, Ewigkeit, so sieht Lepper es. „Das Alter des Mondes“ schließlich, das dritte gezeigte Werk 2014 gebaut, das sich an der Wand zwischen den beiden anderen Installationen befindet, demonstriert Leppers eigene Energie, sagt er selber. Er habe sie beim Bespannen des etwa einen Meter im Durchmesser großen Metallringes mit einer Gummi-Membrane in den so entstandenen Rundkörper eingebracht. Der steht auf dem Boden. Langsam wird die

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Luft aus dem Behälter abgesaugt und über ein Schlauchsystem in den noch flach an der Wand hängenden „Mond“ transportiert. Der bläst sich mit der aus dem anderen Körper abgepumpten Luft langsam zu einer halben Mondkugel auf. Im gesamten Ausstellungsraum pulsiert Energie, die den Betrachter physisch wie psychisch erreicht. Leppers Werke haben „starke metaphysische Qualität“, sagt Tony Cragg. „Mein Herzblut hängt auch an den Innenskulpturen“, erklärt Gereon Lepper dazu. Geschaffen hat er aber auch anderes, große Objekte im öffentlichen Raum und vieles mehr, das bereits in zahlreichen Einzelausstellungen zu sehen war. Als Atelier hat Lepper sich eine alte Werkhalle einer stillgelegten Zeche in Hattingen gemietet. Dort baut er seine Objekte zusammen, manchmal

in Zusammenarbeit mit einer Werft. So sein neuestes Projekt, ein schwimmender Ausstellungsraum, mit dem er die Kanäle Europas befahren will, um die Kunst zu den anliegenden Orten und den dort wohnenden Menschen zu bringen. Das Projekt stellt er ausführlich im Internet vor: www.art-space-shuttle.com . Tony Craggs Skulpturenpark bietet einmal mehr eine inspirierende Ausstellung, die es sich lohnt anzuschauen. Weitere Informationen: www.skulpturenpark-waldfrieden.de www.gereon-lepper.de Jürgen Kasten Fotos Frank Becker. Tony Cragg und Gereon Lepper zwischen Das Alter des Mondes und Schwere See


wie es anfängt : wie es endet Sechs Gedichte aus wie es anfängt : wie es endet. Gedichte und Gesänge von Michael Zeller

Saludo

Klarheit

Der alte Mann im Unterhemd schaut seiner Morgenzigarette auf den Ramblas hinterher hoch vom Balkon. Vergangenheit in letzten Zügen. Atmet tief und zieht den Schrei der Möwe ein den Rest der Kippe, auf dem Scheitel von Kolumbus, raus aufs Meer den Schiffscontainern nachgegiert

Es sind diese Nächte sie führen ins Leere mit polnischem Wodka Südstaatenballaden

So fängt ein Tag zu leben an

Die Wahrheit von Kunst ist im Abstand zum Leben und der wird erfahren dadurch daß du lebst

1968

Willkommen jetzt, Schlaf willkommen mit Träumen

Und es kommt die Minute da weiß ich Bescheid so sicher wie nie und sag es ins Glas

Rasch zu altern gelang dir leicht Wie du dem Jungsein hinterher liefst bis zur Grimasse deiner selbst um’s dann (dein Jungsein dazumal) einzumotten im Museum deiner ausgemalten Taten im Kabinett für Sedanstage alte Burschenherrlichkeit und weißgewaschne Runenkrieger Eintritt ins Pantheon ist gratis Jugendliche nur in Klassen Heimleuchten ihnen Veteranen bei Kerzenschimmern Der Mythenpilz ist lichtempfindlich

Zuschauen dem Leben Oh ja! mit Leib und Seele Doch sich zu tummeln mittendrin bei dem Gedränge? Den Start seinerzeit verbummelt irgendwie zum Glück Blieb sitzen vor meinem Loch gewann Zeit den Eiligeren nachzuschauen und ließ es mir gesagt sein

Pane Und sitzen da raumgreifend wie Tenöre und schaufeln armweit sich die Pizza rein Jackett im Rücken. Blanke Muskelröhre Und geht ruckzuck. Soll Eile sein

Denn über das Ziel gab’s nie Zweifel

Und an den Rand gedrängt die junge Dame (Schaufeln frißt Platz und alle Energie) die mitgebracht ward und vergessen lahme Kaugummis dreht – sie weiß kaum wie Und nehmen sie, die Helden, zum Finale in ihrer Mitte mit, das schmale Kind führen sie träge ab nach diesem Mahle Und draußen weht ein pizzawarmer Wind

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Cool, Boy! Hinreißende Detmolder West Side Story

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Der schöne 50er-Jahre-Saal des Remscheider Teo Otto Theaters am vergangenen Pfingstsonntag komplett besetzt, das Publikum aus allen Generationen gelöst erwartungsfroh, der Anlaß: die „West Side Story“ in der aktuellen Detmolder Inszenierung von Kay Metzger. Seit 1957, als Arthur Laurents und Stephen Sondheim den Romeo und Julia-Stoff mit der wundervollen Musik von Leonard Bernstein und der kongenialen Choreographie von Jerome Robbins für das Musical adaptierten und spätestens seit der grandiosen Verfilmung 1961 durch Robert Wise, sind die Songs daraus von ungebrochener Popularität. Da kann fast jede(r) mitsingen und mitschnippen: „Prologue“ „Jet Song“ ,„Maria“, „Tonight“, „America“, „I Feel Pretty“, „Cool“, „Somewhere“ und „Gee, Officer Krupke“ ist nur eine Auswahl der Titel, die Musical-Geschichte geschrieben haben.

Verona wird zur Bronx, die Montagues zur Straßengang der Jets, bereits in Amerika geborener Jugendlicher, die Capulets zu den verfeindeten neu eingewanderten puertoricanischen Sharks. Amerikaner sind sie alle, doch es ist im Kleinen wie im Großen stets die gleiche Geschichte: Machtgelüste, rassistische Vorbehalte auf beiden Seiten und Macho-Gehabe verhindern kluge Gespräche und friedliche Ko-Existenz. Daß sich dazwischen keine Liebe entwickeln kann, es schlechterdings nicht darf, wissen wir nicht erst seit Shakespeare. So werden bei der „West Side Story“ seit 57 Jahren die Taschentücher in Theatern und Kinos bis an die Grenzen ihres Aufnahmevermögens gefordert, wenn sich die Bestimmung des tragischen Paars Maria/Julia und Tony/Romeo erfüllt: Tod als Mahnung zur Versöhnung. Gefordert sind auch jeder Regisseur, jedes Ensemble, die sich diesem perfekt konzipierten Stück stellen, das


in Musik, Choreographie und Gesang keine Abweichungen oder Experimente verzeiht. Kay Metzgers Inszenierung wird dem hohen Anspruch in der raffinierten beweglichen Bühne von Petra Mollérus mit der Choreographie von Richard Lowe, mal abgesehen vom etwas matten Mambo, durchweg in Soli und Ensemble-Nummern gerecht, die hitzig aufgeladene Stimmung der brodelnden Bronx konnte an diesem heißen Sommerabend besonders gut in den Saal überspringen. Den breiig überladenen Film-Kitsch der Alptraumsequenz hätte Metzger sich aber gerne sparen können. Mit Leah Delos Santos stand am Sonntag in Remscheid eine berührende Maria auf der Bühne, Patrick Schenk als Tony auch in den zarten Duetten ebenbürtig an ihrer Seite, zwei hervorragende Musical-Stimmen. Dazu die charismatische Andrea Sanchez del Solar als Anita – eine

junge Rita Moreno und für mich die am eindrucksvollsten verkörperte Rolle - sowie ein ganz hervorragendes Corps de Ballet: dynamischer Tanz, bewegende Darstellung runde Ensemble-Leistung. Perfekt.

Westfälisches Landestheater e.V., Europaplatz 10 44575 Castrop-Rauxel Telefon: 02305 – 97 80 – 0 Telefax: 02305 – 97 80 10 www.landestheater-detmold.de

Stark auch die Leistungen der „Erwachsenen“: Wolfgang von der Burg als mäßigender Drugstore-Besitzer Doc, Johannes Paul Kindler als rassistischer Lt. Schrank und Manfred Ohnoutka als Inspektor Krupke machten gute Figur. Besonderes Lob gebührt dem begleitenden Orchester: Die Bergischen Symphoniker unter ihrem GMD Peter Kuhn lieferten zu diesem erfüllenden Abend Bernstein-würdig die phantastische Musik, womit sie ein weiteres Mal ihre brillante Qualität als sinfonischer Klangkörper mit Jazz- und Unterhaltungspotential unterstrichen. Frank Becker

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25 Jahre am Ort Der Bildhauer Eckehard Lowisch

Eckehard Lowisch (geb. 1966 in Iserlohn) studierte nach einer Steinmetzlehre Industrial Design und Bildhauerei bei Prof. Eugen Busmann und Prof. Norbert Thomas an der Bergischen Universität – Gesamthochschule Wuppertal. Er fertigt seit 1989, neben seinen eigenen Werken, Steinskulpturen für Tony Cragg. Lowisch lebt und arbeitet in Wuppertal.

linke Seite: Prominente Fans, 2013 unten: Vertical limits, 2013

In den „roaring nineties“ bin ich Eckehard Lowisch in seinem Atelier in der Hofaue im Kolkmannhaus wiederbegegnet. Um den Fachbereich 5 der Bergischen Universität Wuppertal hatte sich damals eine agile Studentenbewegung entwickelt, deren Protagonisten bis heute die Kulturlandschaft in Wuppertal prägen. Die ursprünglich industriell genutzten Gebäude am Wupperufer standen leer und wurden nach und nach von den Studenten „besetzt“. Sie wurden als Kreativräume genutzt und durch selbstorganisierte Ausstellungen, Präsentationen, und legendäre Hofparties wiederbelebt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Während seine Kommilitonen sich ausnahmslos für den Computer begeisterten, blieb Eckehard Lowisch mit seinem Material in Verbindung. Einmal bestäubte er sein Atelier inklusive aller Utensilien komplett mit grauem Steinstaub, ließ nur einen schmalen Streifen auf dem Boden als begehbare Schneise frei, um so die Trennung von Produktion und Rezeption von Kunst zu verdeutlichen. Ein anderes Mal „rettete“ er die zerbrochene Billardplatte eines stadtbekannten Etablissements, die damals entsorgt werden sollte und schuf

daraus sein Werk „FrühStück“, das formal noch sehr starke Bezüge zu den Arbeiten von Tony Cragg aufwies, dessen Assistent er seit 1989 war. Noch während seines Studiums ging Eckehard Lowisch im Auftrag von Tony Cragg für mehrere Monate nach Italien, um ihm dort bei dessen Skulpturenprojekt Fields of Heaven in Siena zu helfen. Dort entstanden die ersten Skulpturen aus aufeinandergeschichteten Steinplatten. Nach Siena hat Eckehard Lowisch sich dann mit eigener Steinbildhauerwerkstatt in der Friedrich- Ebert-Straße, neben den Elba-Hallen, selbstständig gemacht. Zu dieser Zeit war er aktives Mitglied in der Künstlergruppe Die Werft e.V., die durch spektakuläre Kunstaktionen, wie die Installation aus Kirchenbänken in der Pauluskirche in Unterbarmen, oder „Der Gletscher kalbt – die längste Zeichnung der Welt“ im heutigen Kunstmuseum Solingen große Aufmerksamkeit erregte. Irgendwann wurde ihm sein Atelier in Elberfeld zu klein. In einer Shedhalle in Vohwinkel , kurz vor Dornap, fand er einen für ihn inspirierenden, neuen Ort,

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mit, wie er sagt „perfekten, italienischen Bedingungen“. In direkter Nähe zu den Steinbrüchen, ist dies der einzige Ort in Wuppertal, dessen Umgebung von steinverarbeitenden Prozessen geprägt ist, woran nicht nur die „Zwölf-Uhr-Sprengung“, die man jeden Tag hören kann, erinnert. Skulpturen bauen, schlafen, essen. In einer Reihe von Jahren entstanden hier unzählige Skulpturen, darunter natürlich auch etliche für Tony Cragg. Eckehard Lowisch war im Flow, wie ein Surfer in seinem Element. Bis dann im Jahre 2010 der Moment kam, als er sich fühlte, wie Forrest Gump, der unvermittelt seinen Langstreckenlauf beendete. Dies führte zu einer Reihe bemerkenswerter Einzelausstellungen. „ Update 2011 – Neue Skulpturen von Eckehard Lowisch“ in der Station Natur und Umwelt mit 20 Arbeiten größeren Formats im Innen - und Außenbereich. In der Galerie Martina Diers in Wichlinghausen „ allez passant“ (2011) mit einer kleinen, feinen Galerieausstellung. 2012 machte Eckehard Lowisch dann das Bürgerbad in Vohwinkel zur Kunsthalle, wieder mit großartigen Skulpturen im Innen- und Außenbereich, sogar unter Wasser, bei laufendem Schwimmbetrieb. Endlich war Eckehard Lowisch dazu bereit, wieder in sein Atelier einzuladen. So begegnete der Kurator Prof. Dr. Oliver Zybok Eckehard Lowisch erneut. Einem Bildhauer, der mittlerweile 25 Jahre am Ort Skulpturen baut und sich unbeirrt und unbefangen dieser Aufgabe stellt. Es folgte eine vielbeachtete Einzelausstellung, „Der Bürgermeister von Calais“ (2013), in der Galerie der Stadt Remscheid. Anlässlich dieser und der darauffolgenden Einzelausstellung im Künstlerverein Malkasten in Düsseldorf im gleichen Jahr, „Es hat sich auf jeden Fall gelohnt, zu bleiben“ wurde im April diesen Jahres der Katalog Eckehard Lowisch STONED von Oliver Zybok herausgegeben. Gestaltet von wppt: kommunikation, deren Inhaber, Kolkmannhauszeiten sei Dank, Eckehard Lowisch seit Jahren freundschaftlich verbunden sind.

Vier Europaletten, 2000, Anröchter Dolomit , 80-teiliger Bausatz, 56 x 120 x 80 cm

Kaiserwagen, 2011, Anröchter Dolomit, Goldlack und Stahl , 16 x 20 x 56 cm

Tine Christ

Stiches DIN A2, 2010, Marmor und Schnur (Takelgarn), 63 x 44 x 4 cm

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Beate Engel im Gespräch mit Eckehard Lowisch Beate Engel ist Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin. Seit 1999 war sie Kuratorin der Berner Stadtgalerie und hat von 2004 – 2010 das Atelierhaus PROGR in Bern aufgebaut und geleitet. Von 2010 – 2012 war sie Leiterin der Kunsthalle Luzern. Zur Zeit arbeitet sie als Programme Manager Fine Arts für die Stanley Thomas Johnson Foundation in Bern.

Tagesration, 2012, 2 Sorten Marmor, Edding u. Blisterverpackung, 14 x 9 x 20 cm

Beate Engel: Wieso arbeitest Du eigentlich immer noch mit Marmor? Eckehard Lowisch: Solange ich denken kann, arbeite ich mit Stein. Viele sagen mir, Marmor sei kein Material für zeitgenössische Skulptur. Umso mehr reizt mich die Bearbeitung. Marmor kenne ich, liebe ich und ich kann ihn immer besser lesen und nutzen. Aber ich nehme dieses Material auch nicht zu ernst, setze es ohne Pathos ein. Die meisten Deiner Skulpturen erschließen sich erst über den zweiten Blick. Du arbeitest oft mit ungewöhnlich gewöhnlichen Motiven und mit Materialverschiebungen. Ja, zum Beispiel die Zigarettenkippen aus Marmor (Alle für Einen, 2013), die ungeordnet auf dem Boden der Ausstellung herumliegen, so als hätte ich sie in meiner Werkstatt in die Ecke gefegt. Schon Claes Oldenburg hat auf Künstlerpartys in den 1970er-Jahren Zigarettenstummel gesammelt und daraus Skulpturen entwickelt. Bei ihm sind sie überdimensioniert, bei Dir entsprechen sie ungefähr den Originalen. Welche Bedeutung hat das Motiv heute für Dich? In den Siebzigerjahren war die Zigarette ein normaler Konsumartikel, ein cooles Accessoire in kulturellen Kreisen. Heute ist sie allgemein verpönt und ein Symbol für Selbstzerstörung. Jede einzelne Zigarette, die ich in Handarbeit herstelle, unterscheidet sich von der anderen, aus dem Genormten wird also wieder etwas Individuelles. Die Arbeit besteht aus insgesamt sechshundert Kippen, das ist meine reale Monatsration. Also ist es auch eine Art Selbstporträt? Ja, eine ironische Darstellung meines »Lebenswerks«. In Künstlerkreisen wird geraucht und auch der Arbeiter raucht. Ich kenne beide Rollen. Viele Deiner Objekte stammen aus der Arbeitswelt, wie zum Beispiel die Europaletten (2001). Alle möglichen Waren, auch Kunstwerke, werden auf diesen Paletten transportiert. Bei Dir werden die Kunstträger selbst zum Kunstwerk. Ich versuche, aus dem Arbeitsprozess heraus künstlerische Motive zu entwickeln, Details hervorzuholen, die normalerweise unter den Staubkörnern verschwinden. Wenn die Europaletten (2000) im Ausstellungsraum

installiert sind, erkennt der Betrachter plötzlich die Zwischenräume, das Schattenspiel, die Proportionen. Merkmale, die ihm an einer normalen Holzpalette, die einfach so in der Werkstatt im Weg herumsteht, nicht auffallen würden. Du entwickelst das System der minimalistischen Skulpturanordnung weiter, indem Du Abweichungen in die vorgegebene Ordnung einbaust. So scheint es, als hätten sich zwei Latten einer Deiner Paletten nach oben aufgebäumt und miteinander verschränkt … Ja, sie tanzen, wie Spielsachen, die nachts zum Leben erwachen. Spielzeuge zeigst Du auch in Deiner Marmorarbeit BSE Hof (2001), eine Ansammlung von Bauernhoffiguren, die auf dem Boden gruppiert sind, als hätte gerade ein Kind damit gespielt. Der Titel verdirbt einem allerdings die Lust am Spiel. Es sind ja auch keine Spielsachen, sondern leicht vergrößerte Objekte, die Spielsachen darstellen. Durch die Marmorierung bekommen sie etwas Fleischiges. Ich beziehe mich damit auf ein konkretes aktuelles Phänomen, den Rinderwahnsinn, eine der Seuchen, die durch die Ausbeutung der Natur mit der Massentierhaltung aufgekommen ist. Immer wieder schlägt die vermeintliche Idylle in deinen Arbeiten ins Gegenteil um. Am stärksten spürbar ist dies vielleicht bei dem Mandalakreis (Mandala, 2013). Beim näheren Hinschauen wird klar, dass die harmonische Form des magischen Mandalas aus Schlagringen zusammengesetzt ist. Kannst Du die reine schöne Kunst nicht ertragen? Ich arbeite manchmal mit den Motiven des Idyllischen, Reinen, Romantischen, aber nur, um sie zu brechen. Beim Mandalakreis gibt es formale Anklänge an Richard Long, der die Natur mit seinen meditativen zeitlosen Steinkreisen feiert. Aber mir geht es auch um gesellschaftliche Realitäten, um die Angst vor Krankheit, Tod und Gewalt. Dabei berufst Du Dich auch bewusst auf Künstlergrößen, die neue Konzepte in die Skulpturgeschichte eingebracht haben. Deine Installation Der Bürgermeister von Calais (2013) bezieht sich auf Auguste Rodins Meisterwerk Die Bürger von

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Calais. Während Rodin die sechs Bürger, die bereit sind, für die Rettung ihrer Stadt zu sterben, auf expressive Art in ihrer Körperlichkeit und Verletzlichkeit darstellte, platzierst Du eine karge Weinkiste mit Korken von sechs leeren Flaschen in den Raum. Wie kam es zu dieser Reduktion? Die Arbeit ist ein Stillleben. Vielleicht erzählen diese Korken von der Henkersmahlzeit der sechs Todgeweihten. Es ist immer etwas tragisch, sich freiwillig für eine fremde Sache zu opfern. Gleichzeitig beziehe ich mich auf das lächerliche Klischee, dass Künstler und Rotwein unweigerlich miteinander verbunden sind. Die Geschichte erzählt, dass der Bürgermeister von Calais, auf den Du im Titel Deiner Arbeit verweist, bei der Rettung seiner Stadt fehlte. Sind es denn die Künstler, die die Welt retten können? Bekannte Künstler werden immer wieder für ihr Engagement geehrt, doch was sie wirklich bewirken können, ist unklar. Mich interessiert der ständige Wertewandel. In meiner Arbeit Kaiserwagen (2011) zum Beispiel beziehe ich mich auf einen Orden, den die Stadt Wuppertal an verdiente Bürger vergibt, eine Darstellung des Sonderwagens der Schwebebahn, einem Wahrzeichen der Stadt. »Die goldene Schwebebahn« ähnelt einem Goldbarren, der wie eine Ziehharmonika auseinandergezogen werden kann, so wie ja auch der Wert von Gold variiert. Die kürzlich verstorbene Tanzpionierin Pina Bausch hat diesen Orden verliehen bekommen. Ihre langjährige Wirkungsstätte, das Wuppertaler Schauspielhaus, soll nun aber wegen der aktuellen Finanzkrise abgerissen werden. Ja, das ist die Ironie der Geschichte.

Nächste Ausstellung Eckehard Lowisch: Mission Bahnhof, Skulptur und Zeichnung 2. 10. bis 2. 11. 2014, Eröffnung: Do. 2. 10. Am selben Abend findet im Bürgerbahnhof Vohwinkel ein Konzert von Tony Mc Manus, Schottland statt. www.buergerbahnhof.com www.facebook.com/buergerbahnhof Fotos:Süleyman Kayaalp Im Atelier von Eckehard Lowisch

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Eine Frage des Vertrauens „Ziemlich beste Freunde“ im TiC für die Bühne eingerichtet von Gunnar Dreßler Regie: Ralf Budde Ausstattung: Thomas Pfau Choreographie: Tarik Dafi / Livia Caruso Fotos: Martin Mazur Besetzung: Andreas Mucke (Philippe) Tarik Dafi (Driss) – Livia Caruso (Magalie, Galeristin, Prostituierte, Eleonore) – Dennis Gottschalk (Bewerber, Antoine, Pfleger)

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Wie geht man entspannt und möglichst unkompliziert mit dem Schicksal eines bis hinauf zum Hals querschnittsgelähmten Menschen um? Wie erträgt er seine grausame Behinderung, wie kann seine Umwelt es ihm erträglich und das gleichzeitig sich selbst zur Aufgabe machen? Der französische Unternehmer Philippe Pozzo die Borgo hat eben dieses Schicksal durch einen Sportunfall erlitten, und als sei das nicht genug, auch noch seine geliebte Frau durch schwere Krankheit und frühen Tod verloren. Dank seines finanziellen Hintergrundes fand er kundige fachliche Hilfe und durch Freunde menschliche Zuwendung – allen voran durch einen, den Pfleger Abdel Jasmin Sellou, mit dem ihn bald eine tiefe Freundschaft verband. Pozzo hat ein Buch über sein Schicksal und diese Freundschaft geschrieben, Eric Toledano und Olivier Nakache haben daraus für das Kino einen der wohl besten Filme jüngerer Zeit gemacht, der zu einem Kassenschlager wurde. Am Freitagabend brachte das Wuppertaler TiC-Theater vor ausverkauftem Haus die

Theaterfassung von Gunnar Dreßler in der Regie seines Intendanten Ralf Budde auf die Bühne. So viel schon hier: ein voller Erfolg. Mit sicherem Griff besetzte Budde die vier tragenden Rollen aus dem großen Ensemble der semiprofessionellen Laienbühne und fand in Thomas Pfau einen gewitzten Ausstatter, der aus den räumlichen Möglichkeiten ein Optimum für die Handlung machte. Zwangsläufig muss sich das Geschehen für den im Rollstuhl sitzenden oder im Bett liegenden Philippe auf engstem Raum abspielen, was die Konzentration auf die Personen und Dialoge lenkt. Budde hat das in kurzen Szenen so fesselnd und präzise inszeniert, dass die zwei Stunden, in denen auf der Bühne ein Underdog zum verantwortungsbewußten und -bereiten Mann wird und ein an ein Schicksal ohne Zukunft Verlorener neuen Lebensmut schöpft, wie im Fluge vergehen. Das ist ihm mit einem perfekten Ensemble, tiefem Einfühlungsvermögen, sensiblem Humor und durch-


aus auch mit einem Schuss Sarkasmus in feinsten Nuancen ohne Schenkelklopfer (vom Publikum leider nicht immer verstanden) vom leisen Lächeln bis zum markerschütternden Schrei der Verzweiflung hervorragend gelungen. Driss steckt Philippe mit den Fingern Schokolade in den Mund, teilt einen Joint oder ein Glas Wasser mit ihm, wo ein anderer Pfleger versucht, Philippe mit Lätzchen und Einweghandschuhen wie ein Kleinkind zu füttern. Es ist die Menschlichkeit, die mit Driss in Philippes Haus einzieht. Andreas Mucke zeigt als Philippe ein weiteres Mal, welch enormes Potential als Charakterdarsteller in ihm steckt. Unvergessen u.a. sein „Parasit“, übrigens auch von Ralf Budde inszeniert. Zwei Stunden lang in völliger körperlicher Bewegungslosigkeit, nur mit Mimik und Sprache arbeitend, bringt er den vom höchsten Gipfel des Erfolgs und Glücks in den Orkus der Verzweiflung gestürzten Mann anrührend nahe, ohne falsches Mitleid aufkommen zu lassen. Die Möglichkeiten in dem eigentlich arbeitsunwilligen Kleinkriminellen Driss aus den Pariser Banlieus erkennend, bringt der vermögende Philippe diesen zum Umdenken, gibt ihm die Chance, die ihm das Leben bis dahin verweigert hat. Tarik Dafi schlüpft mit Mutterwitz so selbstverständlich und natürlich in die Haut dieses Gegenübers aus einer völlig anderen sozialen Welt, dass man ganz bei ihm ist. Gemeinsam geben die beiden ein faszinierendes Paar ab, dessen Gemeinsamkeiten größer sind als die Unterschiede in Herkunft und Bildung. Driss gibt, was Philippe braucht: Respekt ohne Mitleid, Hilfe ohne professionelle Distanz. Mucke und Dafi schaffen es, die Zeit völlig vergessen zu lassen, weil man hungrig nach jedem weiteren Dialog, jeder Auseinandersetzung, jeder Frechheit ist, bis sich schließlich die Freundschaft der Männer manifestiert. Ein großes Kompliment für beide. Mit Livia Caruso als Sekretärin Magalie, zuletzt sahen wir sie als Linda in „Spiels noch mal, Sam“, hat Ralf Budde ebenfalls eine Idealbesetzung gefunden. Mit viel Wärme und Understatement ist sie bei aller scheinbaren Sachlichkeit und Kühle die lenkende Kraft im Dialog der beiden

Männer, erotisch reizvoll, doch distanziert, liebenswert und doch unnahbar. Mit Eleganz und feiner Ironie lässt sie die Annäherungsversuche Driss´ abperlen. Ein Glanzlicht des Abends ist eine von ihr und Tarik Dafi erarbeitete und choreographierte Szene, in der die beiden miteinander und für Philippe zu „September“ von Earth, Wind & Fire tanzen – nach ersten zögerlichen Schritten und Bewegungen wird die reservierte Hausdame neben dem naturbegabten Driss zur hinreißend feurigen Disco-Queen. Chapeau! Livia Caruso füllt im Kontext des Stückes - ebenso wie Dennis Gottschalk, der mehrere kleine Auftritte in verschiedenen Rollen hat - weitere Charaktere aus: als

versponnene Galeristin, vergnügte Prostituierte und schließlich als geheimnisvolle Eleonore. „Ziemlich beste Freunde“ im TiCTheater sollte man nicht verpassen – ein gelungener Theaterabend für feinsinnige Besucher. Frank Becker

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Die Macher vom Sommerloch

Sie schufen drei Jahre lang im Sommer(loch) einen spannenden Ort in Wuppertal, führten Konzerte auf, machten Ausstellungen, Filmabende und Public Viewing – was gerade jetzt zur WM bestens genutzt wird. Sie sind Musiker, Studenten, Künstler und Handwerker, sie sind jung, kreativ, aktiv und optimistisch, sie sind das Beste, was einer Stadt, einer Gesellschaft passieren kann.

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Bereits in den Jahren 2010 und 2011 fand das „Sommerloch“ statt und stieß auf große Resonanz. Vor allem die inspirierenden, atmosphärischen Veranstaltungsorte ebenso wie das vielfältige, breit gefächerte Programm konnten überzeugen. Dadurch wurde das Sommerloch zu einem kulturellen Geheimtipp weit über die Grenzen der Region hinaus. Auch der Ort ist bestens dafür geeignet: eine alte Fabrik an der Wupper, alle paar Minuten rumpelt ein Verkehrsmittel vorbei, was selbst einzigartig und ein Kunstwerk ist, die Schwebebahn.

Hier, in der Elbafabrik wurden Ordner hergestellt, 1998 schloss das Werk und den Leerstand konnte das junge Team nutzen um über die Sommermonate hinweg Veranstaltungen aller Kultursparten, von Musik und Design, über die bildende Kunst und Theater, bis hin zu Literatur und Film, einem breiten Publikum zu präsentieren . Das ist ihnen gelungen ohne Mäzene und ohne Unterstützung von Stadt und Kulturfonds, ein echter Kraftakt: Chapeau ! In einer Zeit, einer Gesellschaft, die sich längst daran gewöhnt hat, dass es nicht mehr Arbeit für alle gibt, ist es wichtiger


denn je, Orte zu schaffen, an denen Menschen zusammenkommen können, Orte die nicht kommerziell arbeiten und damit für alle möglich sind. Gerade die Stadt von Friedrich Engels könnte sich das auf die Fahnen schreiben und z. B. ein Pilotprojekt für Zwischennutzung bei Leerstand starten, gern auch Projekte wie „Sommerloch“ fördern und weitere initiieren. Es gab einmal eine Künstlergruppe, die sich „Situationisten“ nannte und die sich wie keine andere Künstlergruppe mit gesellschaftlichen Problemen und Forderungen auseinander setzte. Ziel war die Auflösung der Grenze

zwischen Kunst und Leben ebenso wie eine grundlegende Umgestaltung der Stadtstrukturen und der gesellschaftlichen Normen. Die Gruppe gründete sich Mitte der sechziger Jahre und löste sich 1972 auf, sie waren eine der letzten klassischen Avantgarden des 20. Jahrhunderts und ihre Forderungen und Überlegungen sind völlig aktuell und bieten wichtige Denkanstöße. Dem Menschenbild des „Homo oeconomicus“, des funktionierenden Menschen, stellten sie den „Homo ludens“ den spielenden Menschen gegenüber. Und dafür muß man eben auch Räume schaffen !

Macher des Sommerlochs (eine Auswahl) © s.schmitz, www.gruppenfoto.de

Ich bin Kölner Künstlerin mit einer Vorliebe für diese Stadt an der Wupper, in der ich studiert habe und aus der die Familie meiner Mutter kommt. Schon 2012 habe ich hier eine Arbeit gemacht, die Hommage an die „Galerie Parnass“, womit ich an die legendäre Galerie erinnern wollte, von der wichtige Impulse für die Kunst ausgingen. In einer Zeit in der Kunst mehr und mehr ein

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Eines der typischen Sommerloch“-Poster Wirtschaftsfaktor ist und junge Kollegen kaum noch wissen, wie anders die Situation einmal war, ist das wichtig. (Matthias Dohmen schrieb in „Die Beste Zeit“ Nr. 17 darüber). Für das Projekt „Sommerloch“ in der Elba Fabrik Wuppertal habe ich die Rauminstallation „Gehen“ gemacht, sowie ein gemeinsames Frühstück veranstaltet und das Foto mit den Machern von „Sommerloch“ in Auftrag gegeben, um das Team auch im Bild sichtbar zu machen. Es war wichtiger Teil meiner Arbeit und nur durch Mitarbeit des in Gruppenbildern erfahrenen Kölner Fotografen Stephan Schmitz / Gruppenfoto realisierbar. Da Ende August mit dem Ausbau der Fabrik in Lofts das Ende von „Sommerloch“ bevorsteht, soll es für diejenigen, die so viele Stunden für das Projekt eingesetzt und miteinander verbracht haben, auch eine Erinnerung sein: an die Leichtigkeit von Sommertagen im „Sommerloch“.

Rauminstallation „Gehen“

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Die Leichtgkeit eines Sommertages

Public Viewing im Hof der Elba Fabrik


Die Rauminstallation „Gehen“ Ein großer alter Fabrikraum und mittendrin eine freigelegte Fläche mit Sand, so wie vor dem Betonieren mit Spuren von Füßen. Diese Fußspuren im Sand waren der Ausgangspunkt für meine Arbeit mit dem Raum. Dyptichon: Wohin gehen? Fußspuren eines Erwachsenen, sie heben sich schwach vom graphitfarbenen Untergrund ab, führen nach unten, daneben auf der zweiten Tafel Fußspuren eines Kindes, rot, vital, die nach oben führen.

einer Fensterscheibe endet. Eine Spur legen heißt nach Walter Benjamin ein Mittel schaffen mit dem wir uns der Welt bemächtigen. Diese „Gelbspur“ bringt etwas Kostbares wie von Kirchenfenstern in den dunklen Industrieraum.

In allen Kulturen und Religionen spielen Bilder von Aufbruch, Unterwegs sein, Rückkehr eine wichtige Rolle, wie auch im I Ging, dem „Buch der Wandlungen“ im Zeichen LÜ / der Wanderer. Dieses Zeichen ist mit Wasser in den Staub des Hallenbodens gewischt. Der ewige Wanderer, der Fremde, der nomadisch umherzieht ist zugleich auch der Neugierige, der Entdecker von Neuland.

Spricht man über Gehen, taucht gleich auch die Figur des Flaneurs auf, die Walter Benjamin kreierte. Er selbst scheiterte am Gang über die Pyrenäen, keine selbstbestimmte Wanderung sondern Flucht vor den Nazis, und starb in Port Bou bereits auf sicherem spanischen Boden. Laut Lisa Fittko, seiner Fluchthelferin, schleppte er einen schweren schwarzen Koffer mit. Er enthielt ein Manuskript und Benjamin wollte sich trotz Lebensgefahr nicht davon trennen. Der schwarze Koffer ist verschwunden und trotz aller Bemühungen nicht wieder aufgetaucht. Daran erinnert die Arbeit „Walter Benjamin mit Koffer in Port Bou“.

Gelbe Farbfelder wandern über die Fensterfront, eine Spur die im schwarzen Loch

„Der Mensch ist in der Bewegung, er geht um zu gehen, aber auch, um einen Ort zu

finden, er bricht auf, um nicht bleiben zu müssen, er möchte bleiben, um nicht in die Fremdheit zu fallen, er entscheidet sich für ein Unterwegssein ohne Ziel und will doch ankommen. Der Mensch geht aus vielfältigen Gründen, er ist Entdecker, Forscher, Eroberer, er ist Siedler, Pilger, Missionar, schließlich Tourist, er geht, um die Welt zu verstehen, zu vermessen, zu besitzen, zu verändern, zu genießen. Er geht in der Hoffnung auf Einsicht, Verwandlung, Zukunft, aus Gier, Verzweiflung, Lust, er weicht der Gewalt, er wird vertrieben.“ (Volker Adolph) Und mancher verliert dabei den Kopf. Eine der Figuren des Wupperwegs lag abgebrochen in der Halle. Ich borgte mir die Füße und zeichnete zu den Füßen den „Kopflosen“ mit Kreide an die Wand, ein flüchtiges Material, eine flüchtige Figur.

Dorothea Bohde www.dorothea-bohde.de

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Ein Sturz aus Bestürzung

Falk Andreas Funke, Schreiber und Leser, Jahrgang 1965, geboren und geblieben in Wuppertal, Deutschland. Sachbearbeiter in der Arbeitsverwaltung. Seit 2001 Veröffentlichungen in diversen Anthologien, Zeitschriften und beim Westdeutschen Rundfunk. 2001 – 2007 Mitarbeiter des Satiremagazins „Italien“, Wuppertal. Bislang drei Bücher, zuletzt Krause der Tod und das irre Lachen Buchtitel: Tier und Tor, 2004; Ballsaal für die Seele, 2010 (jeweils Turmhut-Verlag), Krause, der Tod und das Irre Lachen (Verlag Thomas Tonn, 2012) Anschrift: Hombüchel 70, D-42105 Wuppertal, Tel. 0202/302971, Falka@wtal.de Bernd.boeker@yahoo.de Andreas.Funke@arbeitsagentur.de

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Die kennt er doch. Aber ja. Auch so eine Schreiberin. Kollegin also. Aber eine von den jungen. Eine von denen, die schon ganz anders klingen als man selbst. Rotziger. Unbedarfter. Eben jung. Dem entspricht auch die Art wie sie rüberkommt: Edelsecondhandklamotten, die ein Flair von anspruchsvollem Understatement betonen, das Smartphone oder das I-phone (er kennt noch nicht mal den Unterschied) mit einer Selbstverständlichkeit im Gebrauch, mit der er höchstens ein Reclam-Heft handhaben kann. Wenn er in der Bahn unterwegs ist – so wie jetzt. Soll er sich in den Text, den er vorgibt zu lesen, verkriechen? Um die Peinlichkeit des Grüßenmüssens zu umgehen? Denn irgendwas muss man ja reden, wenn man zugegeben hat, sich begegnet zu sein. Aber was? Er ist kein großer Konversationsmacher. Ist es nie gewesen. Er will nicht gewöhnlich rüberkommen. Er will glänzen. Doch. Und dann fällt ihm meistens nicht ein, womit er rüberkommen könnte. Um zu glänzen. Deshalb ist er ja Schreiber geworden. Schriftsteller. Weil: da kann er sich vorher Zeit nehmen zum Gedanken machen für einen Text, der glänzen soll. Und wenn der Text glänzt, dann glänzt auch der Schreiber. Also er. So ist das. So einfach. Und so schwer. Er spürt, dass sie ihn ansieht. Ansieht auf eine Weise, dass er nicht mehr so tun kann, als würde er das nicht merken. Mist. Er lässt das Reclam-Heft sinken, gibt seinem Blick etwas Versonnenes, als hinge er einer bemerkenswerten Textpassage nach, um dann sogleich den Erschreckten zu spielen, nein, den Überraschten: wen haben wir denn da? Uns gegenüber? Das ist doch – jetzt fällt ihm der Name nicht ein. Dabei hat die schon einen. Als Jungautorin. Als FräuleinWunder. So hat es dieser Feuilleton-Fritze formuliert. Nie hat der etwas Vergleichbares über ihn geschrieben. Das schmerzt. Ob er, der Kollege, auch unterwegs sei: zum Badehaus? Badehaus? Das ist jetzt nicht wahr! sagt sie, fragt sie. Das Fräulein-Wunder spielt die Erstaunte. Er kenne das Badehaus nicht? Die TopAdresse für Literatur im Tal? Tal-Literatur sei ein Begriff, der gerade im Begriff sei, ein Begriff zu werden. Sie lacht; er muss reagieren und legt sich ein Lächeln auf.

Und Tal-Literatur könne man nur mit dem Badehaus zusammendenken. Wegen Mario Maria. Na? Jetzt alles klar? Mario Maria. Er schluckt. Legt seine Stirn in Frage-Falten. Nein, den Namen hat er noch nie gehört. Überhaupt: Maria. Und Mario. Das kommt ihm so vor, als könne sich einer nicht entscheiden: zwischen Mann- und Frausein. Also, Mario Maria ist der Badehausgründer. Rilke-Verehrer. Daher Maria. Der Mann sei so was von super. Der stelle was auf die Beine. Im Badehaus, diesem alten Fabrikschuppen tief im öden Osten des Tals. Zum Beispiel die Literaturzeitschrift TalEnte. Lustiger Name, nicht? Könne man doppelt denken. Wie Tal und Ente, was ziemlicher Unsinn sei, aber eben auch Talente. Im Sinne der Autoren, die dort eine Plattform fänden. Und längst nicht nur Leute aus dem Tal. Da wollen jetzt alle rein, die was zu sagen haben. Oder es glauben. Praktisch die ganze Szene. Die Youngster. Aber auch ein paar von den alten Säcken. Oh. Sie lacht. Das Lachen sticht ihn wie eine Injektionsnadel. Sie wolle nicht übergriffig werden. Er zähle für sie nicht dazu. Bestimmt nicht. Bestimmt doch – denkt er. Er müsse ihr jetzt etwas gestehen, sagt er. Er habe von diesem neuen Stern am Himmel über dem Tal, von diesem SzeneDominierer noch nie gehört. Was er nicht sagt, aber was er zwischen den Zeilen mitschwingen zu lassen glaubt, könnte sie ihm auch als Überheblichkeit auslegen: wer ist Mario Maria? Hat der schon irgendeinen maßgeblichen Text verfasst? Reißen sich die Leute nach seinen Büchern? Hat der Humor? Ausgerechnet als Rilke-Anbeter? Ist der wenigstens originell? So wie ich? Eigenlob? Sein Großvater hat auf diesen Einwand immer geantwortet (rheinisch): Abber wenn et doch wahr is!? Das Fräulein-Wunder verdreht die Augen. Wie eine Klassenbeste, die dem Versager von der letzten Bank zum hundertsten Mal was erklärt. Und was sie jetzt sagt, trifft ihn wie ein Schlag mit einem Gegenstand: Das, was einen Mario Maria ausmache, habe sie ihm in den letzten drei Wochen bereits drei Mal erklärt. Er schluckt. Und versucht zu parieren. Da hilft nur noch seine Conter-Ironie. Aha. Dann sei er jetzt wohl auch noch senil.


Worauf sie lächelt. Nachsichtig! Er fühlt sich geohrfeigt. Oder eher: hart gestreichelt. Darauf kann er jetzt nur mit einer Offensive reagieren. Ein Angriff, um seine Ratlosigkeit zu übertönen. Und dieses peinliche Berührtsein. Sollte er wirklich vergessen haben, woran ihn das FräuleinWunder drei Mal erinnert haben will? – Ob sie sich auf eine Tasse Kaffee einladen lasse? Um ihn in Sachen Literaturszene noch mal auf Stand zu bringen? Im Bahnhofstunnel, der wegen des Großumbaus fast nur noch aus Leerständen besteht, hat, in so ein ausgestobenes Ladenlokal hinein, ein trotziges Alternativ-Café eröffnet. Da, wo das Morbide, das diesen Hauptbahnhof zwingt, sich demnächst abreißen zu lassen, noch einmal vorgeführt wird: die Wände, schon von Putz und Kacheln befreit, zeigen nur noch bröckelnden Beton, Sinnbild für den Verfall des Tals, das sich diese Monsterbaustelle in seinem Herzen eigentlich gar nicht leisten kann. Pleite wie die Stadt nun mal ist. Ja, an diesem Café sei sie heute Morgen auch schon vorbeigelaufen. Kurios nicht? Man müsse vor der Absonderlichkeit dieses Ortes den Hut ziehen. Und Lust auf einen Tee hätte sie schon. Und wenn der alte Sack einen springen lässt? denkt er hinzu – in ihrem Namen. Also verlässt man die Bahn mit einem gemeinsamen Ziel, schlendert durch das Menschengewimmel in der Harnröhre – wie die Talbewohner ihr Bahnhofstunnelrelikt liebevoll nennen. Und betritt diesen absonderlichen Ort, der vollgestellt ist mit Sperrmüll-Tischen- und Stühlen und in dem ein ziemliches Gedränge herrscht, gerade dass sie noch einen winzigen Doppeltisch ergattern können. Junges Publikum, trägt Flohmarktklamotten nach der Art armer aber aufstrebender Künstler. Ähnlich wie das Fräulein-Wunder, das mit dem Edelsecondhand schon einen Schritt weiter ist. Die hat sich gerade erst einmal umgeguckt und schon jemanden begrüßt. Ihn würde es nicht wundern, wenn gleich dieser Mario Maria hereinspazierte und Hallo zu ihr sagte. Er lächelt sie an, um Freundlichkeit darzustellen, muss das Lächeln jedoch unterbrechen, weil ihm der gefiederte Finger eines Kunststoffpalmenblattes über

die Augen streicht. Eine junge Frau am Nebentisch hat den Kübel dieses Zierpflanzenimitats ein Stück von sich abgerückt, so dass die Zweige über den Tisch reichen, an dem er mit dem FräuleinWunder sitzt. Da diese junge Frau den erkämpften Platz sogleich mit ihrem Stuhl zugerückt hat, ist diese Verrückung jetzt alternativlos. Er könnte sich beschweren. Aber das wäre eine Arbeit, für die ihm der Moment keine Kraft verleiht. Er will auch nicht als alter nörgelnder Sack dastehen- oder sitzen. Nur: er kann den Kopf drehen und wenden wie er will, immer befingert ihn diese Kunststoffpalme. Slapstick. Er sollte lachen, genau wie es das Fräulein-Wunder gerade macht. Aber dieses Lachen kränkt ihn. Weil es nicht mit ihm sympathisiert, sondern auf seine Kosten geht. Aber ja! Er ist jetzt zu dünnhäutig für Selbstironie. So! Dass man hier mal zu Potte kommt, sagt er, um eine Nachdrücklichkeit bemüht, die seine Seelenschwäche übertönen soll. Er will sich jetzt alles notieren; die Adresse von diesem Badehaus, den Namen dieser Literaturzeitschrift, in die sich alle reißen hineinzukommen. Wäre ja gelacht, wenn er es nicht ebenso schaffen würde. Dann prangt sein Name auch mal wieder in einem bedeutenden Inhaltsverzeichnis und alle, die im Tal, wenn es ums Schreiben geht, genannt werden müssen, werden es sehen. Sie könne ihm die App auf sein Smartphone schicken, sagt das Fräulein-Wunder, offensichtlich sich daran weidend, dass ihm ein solches Gerät viel zu unheimlich ist, um es auch nur zu besitzen. Das weiß die genau, denkt er, während er sich zu seiner Aktentasche beugt, um sein Papier-Notizbuch heraus zu kramen. Er sei, sagt er, während ihm der Kunststoffpalmenzweig über den Hals kitzelt, nach dem Misserfolg seines letzten Buches in eine Schreibdepression gefallen. Brutal soll die meine Ehrlichkeit finden, denkt er, brutal, aber auch beeindruckend. So dass die vor sich bekennen muss: der hat es nicht nötig, in diese literatentypische Selbstbeweihräucherung einzusteigen. Immerhin. Er öffnet die Aktentasche, will in das Fach greifen, in dem sich sein Notizbuch befindet; da kommen ihm seine Notizbücher entgegen: die ganze Tasche

ist prall gefüllt mit Notizbüchern und als wäre es eine Erlösung für sie, endlich aus der Taschenbeengung ausbrechen zu können, fallen gleich drei, vier heraus, ja, es scheint ihm fast so, als sprängen sie oder als besäßen sie die Eigenschaft von Haushaltsschwämmchen, die massenhaft in sich zusammengedrückt aus einem Behälter quellen, von dem gerade der Deckel abgehoben wurde. Eines der handtellergroßen Ringbücher fällt vor dem Fräulein-Wunder aufgeschlagen auf den Tisch und zeigt den Inhalt zweier Seiten: ungelenke, aber eindeutig obszöne Zeichnungen und sofort weiß er, dass diese Skizzen auf Gedankenschauspiele in seinem Kopf zurückgehen – er hat die Originalszenen sofort vor seinem immerwährenden geistigen Auge – aber dass er diese heimlichen Hitzigkeiten zu Papier gebracht hat und mit sich herumträgt, hätte er bis vorhin für ausgeschlossen gehalten. Und nun liegt das Büchlein vor dem FräuleinWunder auf dem Tisch und offenbart, was er in seiner innersten Herzkammer verborgen glaubte. Ein Dumpfheitsgefühl übermannt seinen Bauch: als stiege er im Dunklen eine Treppe hinunter und noch eben im Glauben, die letzte Stufe betreten zu haben, spürt er nun, wie sein Fuß, statt auf den Flur, ins Leere tritt: ein Abgrund hat sich aufgetan und er fällt – und er hört noch die Stimme des Fräulein-Wunders, angespitzt mit blanker Ironie: Ich wusste nicht, dass Du so schön malen kannst – doch da ist er schon tief im Tunnel des Brunnens verschwunden. Falk Andreas Funke

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KAPITAL In einem der Kapitel des Kapitals, ich erinnere nicht mehr in welchem es ist schon viele Jahre her sagen Don Carlos und Don Federico, dass die Liebe etwas plötzliches ist das nach dem Duft von Tréveris riecht oder wie die Gleise der Schwebebahn vonWuppertal klingt Diese Männer waren furchtbar sentimental sie sprachen von Zahlen wie jemand eine Verdi-Oper singt sie suchten Champignons zwischen den schwitzenden Nadelbäumen und bezogen sich dabei auf das Aroma des Regens der auf die schwarze Erde stürzt zur Zeit des Aufstands von 48 Ich habe nie verstanden wie sie von Tau sprechen konnten und dann die Risiken vom Zinssatz abziehen die Angst nicht bis ans Monatsende auszukommen Karl sagte zu Friedrich unser Lohn wird nicht ausreichen um den Mate-Tee zu kaufen wir werden beim Händler anschreiben müssen Sie tranken Mate auf dem Feld bei Tréveris zwischen flüchtigen Insekten und Vögeln mit Samtflügeln Don Carlos in seinem Haus Don Federico in seinem Haus häuften die Schmerzen an durchmischtendieAbenddämmerungen und umarmten sich im Morgengrauen träumend von einer besseren Welt Néstor Ponce

sinnIIquadrat Foto: Olaf Joachimsmeier www.bildnagel.de

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Angstschweiß … … klebt an diesem Denkmal

von Heiner Bontrup

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Die Baumeister der Antike gestalteten die Wohnungen ihrer Götter fünfmal so groß wie ihre eigenen Häuser. Also musste ein Gott fünfmal so groß gewesen sein wie ein Mensch. Die Skulptur des Friedrich Engels junior im Engelsgarten ist nur zweimal so groß wie der historische Engels. Oder vielleicht auch zweikommazweimal so groß. 3, 85 Meter misst sie jedenfalls. Aber Friedrich Engels junior ist ja auch kein Gott, sondern nur ein „Held“. Götter darf es im Reich der Mitte ja auch nicht geben, weil Gott (oder Götter) Opium fürs Volk sind, wie einst ein anderer Nationalheiliger der Volksrepublik befand: Karl Marx, geistiger Weggefährte Friedrich Engels und gemeinsam mit ihm Autor des Kommunistischen Manifests. Helden hingegen darf es schon geben. Nein, sie muss es sogar geben. Opium ist verboten, aber ein bisschen Shit, den darf es doch wohl geben! Für den chinesischen Kunst-Professor Zeng Chenggang, Schöpfer des Denkmals, ist Engels jedenfalls ein Held, sagt er. Schon als der Bildhauer noch kein Bildhauer, sondern ein Kind war. War? Helden benebeln das kritische Bewusstsein. Menschen, die in der Adoleszenz angekommen sind, wissen das. Die lokale Zeitung hat Künstler und Galeristen nach ihrer fachkundigen Meinung hinsichtlich der ästhetischen Qualität des Engels-Denkmals befragt. Verlorene Liebesmüh, denn dass das Urteil vernichtend ausfallen musste, ist jedem halbwegs künstlerisch sensibilisierten Menschen bewusst. 3,85 Meter erstarrte Denkerpose, stilistisch angesiedelt „zwischen Manga und sozialistischem Realismus“, wie der Spiegel schreibt. Ein Denkmal, das Friedrich Engels nicht gerecht wird. Denn Engels war nicht nur Denker, sondern auch aktiver Revolutionär. Einer, der wie Marx für die Rehabilitation der politischen Lebensform gegenüber der rein akademischen, theoretischen gekämpft hatte. Seit Aristoteles‘ Nikomachischer Ethik war der Primat der Vita Contemplativa ein unumstößliches Paradigma der europäischen Geistesgeschichte gewesen. Dass der Philosoph unmittelbar ins Leben eingreifen müsse, war eine Erkenntnis, die Marx in seiner 11. Feuerbach-These klar formuliert hatte: „Die Philosophen haben die Welt verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ Ein Satz, den Friedrich Engels gelebt hat. Anders als die großartige Skulptur des ös-

terreichischen Bildhauers Alfred Hrdlicka „Die starke Linke“ fehlt dem chinesischen Denkmal jede Kontextualisierung. Die Skulptur sagt: „Seht, so hat Engels ausgesehen.“ Oder genauer: So stelle ich, Zeng Chenggang, meines Zeichens Kunstprofessor, mir Friedrich Engels vor. Dabei – man darf ja mal laut nachdenken, was für spannende Möglichkeiten eine solche Auftragsarbeit in einem Land geboten hätten, in dem es die Freiheit der Kunst gibt. Etwa: Wie kann man einen Engels porträtieren, der das Elend und die erbärmliche Armut der Arbeiterschaft im Wuppertal beobachtet und genauestens beschrieben hatte? Der Alkoholismus und Pietismus als Fluchtpunkte eines unerträglichen Lebens diagnostiziert hatte. Welche Botschaft Friedrich Engels ist für uns heute noch wichtig? So würde ein Künstler hierzulande vielleicht fragen und die Antwort darauf in seinem Material gestalten: beispielsweise einen Engels, der die Entfremdung des Arbeiters von dem Produkt seiner Arbeit und den Warencharakter der Arbeitskraft und mithin des Arbeiters selbst erfasst hatte, als revolutionärer Anführer protestierender chinesischer Wanderarbeiter, die allererst das turbokapitalistische Wirtschaftswunder im Reich der Mitte ermöglichten. Oder Friedrich Engels, der für die Freiheit der Presse und der Wissenschaft gekämpft hatte, als führender Kopf der demonstrierenden Studenten auf dem Tian’anmen, dem Platz des Himmlischen Friedens? Am 3. und 4. Juni 1989 kamen bei der blutigen Niederschlagung der Massenproteste nach Angaben von Amnesty International zwischen mehreren hundert und mehreren tausend Menschen ums Leben. Oder weil das zu eindeutig und gefährlich ist: Friedrich Engels als Kämpfer für einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz, wie er sich vor sowjetische Panzer stellt, die den Prager Frühling in eine politische Eiszeit verwandeln. Ideen über Ideen fielen einem dazu ein. Und doch: Es klebt kein Blut an diesem Denkmal, wie etwas dramatisierend Uli Klan, Vorsitzender des Armin T. Wegner Gesellschaft, geschrieben hat. Denn Zeng Chenggang ist kein Mörder, sondern lediglich ein Staats- und Auftragskünstler. Wenn etwas an diesem Denkmal klebt, dann Angstschweiß. Ich gehe davon aus, dass Zeng Chenggang


ein kluger Mann ist, viel zu klug, um an die Staatsdoktrin des sozialistischen Realismus zu glauben. Überhaupt sind alle Akteure in dieser Farce viel zu klug, um an das zu glauben, was sie offiziell sagen. Die einzigen, die Zeng Chenggang die Peinlichkeit dieser Auftragsarbeit hätten ersparen können, wären die verantwortlichen Wuppertaler Kommunalpolitiker gewesen. Denn jeder weiß, dass es bei diesem Spiel um einen Dinosaurier des Sozialismus nur um kapitalistische Marktwirtschaft geht. Das weiß Zeng Chenggang. Das weiß Unternehmersohn und Oberbürgermeister Peter Jung. Das weiß der Botschafter der Volksrepublik Shi Mingde, der augenzwinkernd verspricht: „ 600.000 Touristen kommen aus China, alle bleiben zwei Tage und geben 800 Euro aus.“ Vielleicht sind Selbstironie und Humor die einzigen Möglichkeiten für alle Beteiligten, diese Schmierenkomödie zu ertragen. Doch im Ernst: Kann man ein solches Danaer-Geschenk ablehnen, wenn vermeintlich wirtschaftsfördernde Ansiedlungen chinesischer Unternehmen und eine chinesische Tourismus-Welle locken. Kann man der Logik der Wirtschaft autonomes politisches Handeln entgegensetzen. Yes, we can! Oder besser: Ja, wir hätten gekonnt! Jetzt ist es wohl zu spät. Oder vielleicht doch nicht? Dass es möglich ist, zeigt unsere Kanzlerin. Angela Merkel, innen- und wirtschaftspolitisch nicht dafür bekannt, mutig und experimentierfreudig zu sein, fährt – wenn es um Menschenrechte geht – im Umgang mit den Großen dieser Welt einen ganz klaren Kurs. Erst unlängst hat sie vor Studenten bei ihrem jüngsten China-Besuch Demokratisierung, Meinungs- und Pressefreiheit und die Wandlung zu einer offenen Gesellschaft angemahnt. Dafür hat sie von den Studenten viel Beifall erhalten. Und nun schließen Sie zum Ende dieser Glosse hin die Augen und stellen sich vor: das Wuppertaler Engels-Denkmal vor dem Reichstagsgebäude in Berlin; ein Gastgeschenk der Volksrepublik China. Sie haben Recht: unvorstellbar! Heiner Bontrup Foto: Atamari

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Schweigen und hören ‘Schweigen und hören, vielleicht die Augen schließen, dann wirst du es verstehen’. Das Interview erschien am 22. April 2014 in der Beilage ONA der führenden Zeitschrift DELO in Ljublajana, Slowenien (Online am 24.4. 14 - http://www.slovenskenovice.si/lifestyle/vrt-dom/zaprite-ocimorda-boste-potem-razumeli)

links Angelika Zöllner, rechts Übersetzerin Alenka Novak rechte Seite: Buch-Präsentation im Verlag am 24. März 2014

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Alenka Novak, Übersetzerin: Angelika Zöllner befand sich in März 2014 in Ljubljana anläßlich der Ausgabe ihres Buches „das rote Haus“ (Verlag 71, Plön) ins Slowenische (Rdecˇa hiša ali skrivnost živih besed, Mohorjeva založba). Bei dieser Gelegenheit habe ich, als Übersetzerin des Buches, folgendes Gespräch mit ihr geführt: Fragen: Alenka Novak, Übersetzerin Anworten: Angelika Zöllner, Autorin 1. Alenka Novak: Frau Zöllner, sie sind von Haus aus Lyrikerin, das ‘rote Haus’ (Verlag 71, Plön) ist ihr einziges Kinderbuch bzw. Jugendroman. Was hat Sie dazu veranlasst, eine Jugendgeschichte zu schreiben? Was hat sie zum Schreiben angeregt, was war der Auslöser? 1. Angelika Zöllner: Das ‘rote Haus’ ist mein einziges Kinderbuch, aber nicht meine einzige Kindergeschichte. Ich habe mehrere geschrieben. Einige sind im Rowohlt Verlag in Anthologien publiziert, andere in Zeitschriften.

Auslöser für dieses Buch waren wohl in erster Linie unsere Ferienaufenthalte in Schweden. Etwa 15 mal haben wir dort mehrwöchige Ferien mit Wohnwagen und Zelten an einem See verbracht. Dabei machten wir die auffallende Beobachtung, dass unsere vielen Kinder sich ganz anders als zuhause verhielten. Erstens stritten sie viel weniger, zweitens konnten sie sich erheblich besser konzentrieren. Die tatsächliche Szene, dass unser Siebeneinhalb-Jähriger in der Schule nicht still sitzen konnte, aber zwei Stunden ruhig auf einer Bank den Sonnenaufgang abwarten konnte, hat Einzug ins Buch gehalten. 2. Alenka Novak: Das rote Haus beinhaltet mehrere Geschichten. Von Anfang bis Ende stellt es die Geschichte von Martin, einem 6-jährigen Jungen dar, der mit seinen Eltern Ferien in Schweden verbringt. Auf einem seiner Streifzüge in der Natur stößt er auf ein für Schweden typisches rotes Haus und erblickt davor einen Troll, der sich später als richtiger


Freund erweist. Im nächsten Jahr wird die Geschichte erweitert, denn er begegnet dem Schäfer Johann, der ihm die Geschichte vom roten Haus erzählt. Der Schäfer Johann ist die Schlüsselfigur dieses Romans. Bei ihm beginnt Martin lesen zu lernen, zu schreiben, schließlich spielt er auch Cello. In einem Moment ist es mir vorgekommen, als ob Sie ein Buch für Großväter und Großmütter geschrieben hätten. Eigentlich sprechen Sie uns alle als Erwachsene an. Für wen ist das Buch eigentlich bestimmt? 2. Angelika Zöllner: Eigentlich habe ich das Buch für Kinder ab 7-8 Jahren geschrieben. Unsere unterschiedlichen Kinder lieben es interessanterweise alle, vielleicht, weil es vieles aus ihrer Kindheit beschreibt. Ebenso die Kinder unseres Freundes, mit dem zusammen wir diese Urlaube verbracht haben. Dass es später viele Erwachsene gerne lasen/lesen, aber auch junge Männer Anfang zwanzig, hat mich überrascht.

3. Alenka Novak: Der Großvater im Buch verkörpert die Weisheit – er ist bescheiden, innerlich ausgewogen und liebevoll, vor allem kann er zuhören. Oder, wenn wir Martins Wörter verwenden, als er über ihn nachdenkt: »Vielleicht hatte er ihn besser verstanden als die anderen, weil er nicht so viel sprach, weil er schauen und hören konnte - und abwarten«.. Dieses Abwarten – wahrscheinlich sprechen Sie aus eigener Erfahrung? 3. Angelika Zölllner: Der Schäfer als Großvater-Ersatz besitzt Lebenserfahrung. Er weiß, dass man vieles erst abwarten muss, sich wirkliche Fortschritte langsam entwickeln.Für ihn hat es keine Bedeutung, ob ein Kind in der ersten oder vierten Klasse das Lesen lernt – es ist wichtiger, das Kind in seiner Kreativität nicht zu verbiegen, es nicht zu früh einzuengen mit Lernanspüchen, die es nicht versteht. 4. Alenka Novak: Martin wird uns auch in der Schulumgebung dargestellt. Dort erscheint er zurückhaltend,

zurückgezogen. Es sind Szenen beschrieben, die wir alle kennen – Prügeleien unter den Mitschülern, Auslachen … Dass Sie ihre Helden lieb haben, ist offensichtlich, da die Geschichte voller liebevoller Beschreibungen ist – aber auch für diesen Teil scheint es, dass er mit viel wohlwollendem Verständnis geschrieben ist. Es ist keine Kritik zu spüren, kein Ärgernis, nur eine Beschreibung, die für sich spricht. Könnte man sagen, dass sich darin Ihre Stellungnahme zu Verhaltensstörungen von Kindern widerspiegelt? 4. Angelika Zölllner: Wohlwollendes Verständnis brauchen Kinder, auch wenn man mal zwischendurch nicht ohne Grund ärgerlich wird. Vor allem – viel Geduld. Ich würde nicht gleich von 'Verhaltensstörungen' sprechen, obwohl auch sie öfter dazu gehören. Mir ging es darum, Kinder in unterschiedlichem Verhalten, in unterschiedlicher Individualität zu akzeptieren – sie nicht zu früh in eine Norm zu pressen. Wie vielleicht keiner es wirklich will, aber gewisse Schulnormen, sogenannte gute Freunde oder Pisa-Studien

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es durchaus erwarten/verlangen. Fast erscheint es mir eine grundlegende Frage – ab welchem Alter darf ein Mensch eigentlich individuell sein? 5. Alenka Novak: Die Geschichte vom roten Haus ist eine Geschichte, die der Großvater dem Martin erzählt. Sie handelt von einem Trollmädchen, das innerhalb einer menschlichen Familie im roten Haus heranwächst - ihre Trollmutter übergibt es in einer stürmischen Nacht vorübergehend den Eltern, holt es aber später nicht ab. Als das Mädchen schon erwachsen ist, wird die Geschichte auch für Jugendliche interessant, da eine Liebe zwischen ihm und einem jungen Mann (Mädchen und Jungen) dargestellt wird. Es handelt sich um eine ernsthafte Liebe, der junge Mann hält ja um das Mädchen an. Da werden feinfühlig die Seelenzustände beider beschrieben; das Verhältnis ist schwierig, konfliktreich, zugleich könnte man von einem märchenhaften Archetyp der Liebe sprechen. Trotz der »Irrungen und Wirrungen« endet am Schluß alles gut.

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Dadurch wird die Geschichte auch für Kinder geeignet und verständlich - gleichzeitig führt sie Ihnen das Ganze des Lebens vor Augen, nicht nur eine sorgenlose Kindheit, sondern auch die Erweiterung in die erwachsenere Familie. Wollten Sie den Kindern und Jugendlichen auch ein Vorbild der Liebe unter Erwachsenen vorzeigen? 5. Angelika Zölllner: Ich schreibe sehr unbewusst. Ich weiß nicht, ob ich Kindern tatsächlich eine Liebe unter Erwachsenen zeigen wollte – ich glaube, es geht um die Liebe grundsätzlich. Auch in den Märchen oder Sagen ist von erwachsenen Prinzessinnen und ihren Rittern die Rede, die sie erlösen – oder umgekehrt. Kinder verstehen viel in Bildern, wenn es einfach und nicht allzu intellektuell oder technisch erklärt wird. 6. Alenka Novak: Finden Sie auch sonst wichtig, dass Geschichten positiv enden? 6. Angelika Zölllner: Bei Kindern halte ich es, gemäß den traditio-

nellen Märchen, für besonders wichtig, dass Geschichten positiv enden. Sie brauchen Hoffnung und Kraft, auch die Gewissheit, dass sich vieles zum Guten entwickeln wird, gerade wenn Schwierigkeiten entstehen. In gewisser Weise – nicht immer – halte ich es auch in der Erwachsenenliteratur für notwendig, Hoffnung zu vermitteln. Klagen in Krisen können wir alleine. Wenn wir etwas lesen, suchen wir doch Kraft, etwas durchzustehen. Ohne Hoffnung einzubeziehen, könnte ich zumindest nicht schreiben. 7. Alenka Novak: Die Natur ist im Vordergrund, der Großteil der Erzählung findet in der Natur statt, in reiner Natur, ohne Angebote unserer Zivilisation. Es ist offensichtlich: Keinem fehlt irgendwas, allen ist bei der Rückkehr schwer zu Mute. Aber als Martin nach dem zweiten Sommer wieder zurück in sein Schulfeld kommt, hasst er es nicht, sondern er kommt darin zurecht. Man könnte sagen, dass der Roman sehr Angelika Zöllner


konstruktiv und optimistisch ist, vor allem wirklichkeitsnahe. 7. Angelika Zölllner: Ich hoffe, dass mein Buch wirklichkeitsnah genug ist. Wir haben selbst fünf Kinder, die sich teilweise sehr viel langsamer entwickelt haben als der Durchschnitt, aber später noch erheblicher aufholten, als ich es beim Schreiben des Buches schon wusste. Mein Mann ist Förderschullehrer für Erziehungsschwierige, ich selbst bin ursprünglich Sozialarbeiterin. Mit Kindern haben wir seit Jahrzehnten zu tun; allerdings haben wir natürlich subjektive Erfahrungen und uns an keiner wissenschaftlichen Erhebung orientiert. 8. Alenka Novak: Durch subtile Beschreibungen von Seelenzuständen des Knaben regen Sie zum Erleben der Welt um uns herum an - durch unsere Sinne, durch das Beobachten. Sie lassen das Kind die Welt alleine entdecken, mit dem Fahrrad und einem Teddybär, ohne Handy, ohne moderne technische Hilfsmittel … Was bringt eine solche Wahrnehmung der Welt? 8. Angelika Zölllner: Als ich das Buch schrieb, gab es noch keine Handies. Abgesehen davon frage ich mich, ob ein sechsjähriges, phantasievolles Kind schon mit technischen Hilfsmitteln ausgestattet sein muss. Wenn man Kinder nicht allzu viel belehrt oder ihr Spiel unterbricht – das mögen ja auch wir Erwachsenen nicht können sie gerade in der Natur einfache Vorgänge von Anfang bis zum Ende überschauen und erleben. Z. B. folgt auf das Angeln von einem Fisch das Ausnehmen, das Kochen, einer erfindet plötzlich einen Räucherofen. Oder man sucht Holz im Wald, baut die verschiedensten Buden, sogar Baumbuden – und abends trifft man sich am Lagerfeuer am See, kann Sternschnuppen betrachten. 9. Alenka Novak: Es scheint, dass in der Natur auch kleine/unbeträchtliche alltägliche Verrichtungen wertvoll werden? 9. Angelika Zölllner: Eine Wahrnehmung der Welt in ganz einfachen Naturvorgängen und/oder täglichen Abläufen kann alle Sinne ansprechen, ohne dass man ein pädagogisches Konzept entwickeln muss. Mir scheinen die meisten Gesetze des Lebens in der Natur zu liegen – das Werden, das Blühen, die Früchte, das Vergehen... .

10. Alenka Novak: Martin bzw. der Leser wird zweimal mit dem Tod konfrontiert. Er wird als Teil des Lebens dargestellt – die Helden der Geschichte nehmen ihn an, natürlich nicht ohne Schmerz. Ähnlich wie sie das Leben annehmen, ein fremdes, neugeborenes Wesen, wenn in jener stürmischen Nacht die Trollfrau an die Tür klopft. Finden Sie wichtig, dass bereits die Kinder mit dem Tod konfrontiert werden? 10. Angelika Zölllner: Eine ehrliche Konfrontation mit dem Tod halte ich auch bei Kindern für eine Selbstverständlichkeit. Es bleibt natürlich bei dem einzelnen Kind abzuspüren, wieweit man es einbezieht. Keinesfalls soll der Tod Angst machen. Kinder zu schwer atmenden Sterbenden mitzunehmen, halte ich für eine grandiose Übertreibung. Es geht zunächst um die einfachen, selbstverständlichen Bilder von Geburt, Werden und Vergehen – wie sie in der Natur ganz normal existieren.Wichtig scheint mir, dass Kinder beim Anblick eines toten Angehörigen, wenn man sie mitnimmt, begleitet werden. Wie der Erwachsene mit dem Tod umgeht, wird sich auf das Kind übertragen. 11. Alenka Novak: DeieLeitfäden vom 'roten Haus' sind Achtung und Selbstvertrauen, trotz aller Schwierigkeiten, die seine Helden erleben müssen, auch das Vertrauen in gute, zwischenmenschliche Beziehungen. Davon, dass dies eines der aktuellsten zeitgenössischen Probleme ist, schreibt in ihrem Einführungswort Prof. Dr. Ana Kranjc. Stimmen Sie ihren Überlegungen zu? Würden sie noch etwas hinzu fügen? 11. Angelika Zölllner: Frau Prof. Dr. Ana Kranjc hat sehr vieles von dem angesprochen, was ich für wesentlich halte. Zu ergänzen wäre vielleicht, dass Kinder, die man in ihrem Spiel nicht fortwährend unterbricht, mit der gleichen Kreativität später an ihre Arbeit gehen. Das hat bereits Friedrich Schiller in seinen »ästhetischen Briefen zur Erziehung des Menschen« beschrieben: Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“. Nordische Trollsagen habe ich schon als Kind gelesen (Volksmärchen oder Geschichten der schwedischen Schriftstellerin/Lehrerin Jeanna Oterdahl). Die Menschen gingen davon aus, die Trolle tatsächlich zu sehen – wenn sie noch Kinder oder besondere Menschen waren. Wieweit diese Sagen einer magischen Phantasie entspringen, mag jeder Leser für sich selbst beantworten.

12.Alenka Novak: Könnte man sagen, dass das 'rote Haus' ein Erziehungsroman für Erwachsene ist? Einst nannte man das Bildungsroman? 12. Angelika Zölllner: Vielleicht könnte man das nachträglich so sagen, obwohl ich in dieser märchenhaft erzählenden Form belehrende Absichten gar nicht bewusst verfolgt habe. Viele meiner/unserer Erfahrungen sind natürlich unbewusst eingeflossen. Ich habe einfach beschrieben... 13. Alenka Novak: In der Zeit von immer grässlicheren Ungeheuern und Werwölfen kommt zu uns eine Geschichte von guten Leuten, von Liebe und warmen, zwischenmenschlichen Beziehungen. Glauben Sie daran, dass diese Figuren in der Phantasie/ im Einbildungsvermögen eines Kindes stärker als Ungeheuer zu sein vermögen? Stärker als die Helden moderner Bestseller, die um die Macht und Übermacht kämpfen? Was halten sie von solcherlei/diesartiger Literatur? 13. Angelika Zölllner: Ich halte es mit den traditionellen oder ähnlich (neu) erzählter Märchen und Geschichten unterschiedlicher Kulturen, die ich Erziehern immer wieder ans Herz legen würde. Ein Kind erlebt das Gute und das Ungute noch stark getrennt. Es ist begeistert, wenn ein Held dem bösen Wolf den Bauch aufschneidet und die Großmutter und die Geißlein unverletzt herauskommen,wenn der Prinz den Drachen mit vielen nachwachsenden Köpfen besiegt, wenn der Kluge sogar den Teufel überlistet. Nicht alles ist realistisch – es handelt sich um Bilder, die sich beim Kind tief einprägen. Das Gute siegt. Lesen Sie Märchen erstmals Erwachsenen vor, werden Sie schnell merken, dass diese solche Geschichten intellektueller interpretieren und gruselig finden. Ich halte es für notwendig, Kindern keine Angst zu machen. Dies geschieht leider zunehmend in Filmen (Werwölfe usw). Gerade dort gewöhnen sich die heutigen Kinder an immer gruseligere Darstellungen. Etwas anderes sind die inneren Bilder, die beim Kind entstehen, wenn es beim Vorlesen zuhört. Es behält die Freiheit, sich seine eigene Vorstellung zu machen. Geschichten, Filme oder Computerspiele, in welchen es darum geht, sich an einen Mächtigen anzupassen (vgl. Pharaonenspiel, ich weiß den Namen nicht), halte ich geradezu für schädlich. Kinder brauchen Vorbilder und vertrauensvolle Menschen, die ihnen zeigen, dass es lohnt,

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sich für das Gute in der Welt einzusetzen. Insofern halte ich vertrauensvolle Beziehungen, die mehr und mehr gepflegt werden, für ganz effizient. 14. Alenka Novak: Was ist für Sie persönlich die wichtigste Aussage des Romans, was wollten Sie mitteilen? 14. Angelika Zölllner: Der wichtigste Aspekt? Eine schwere Frage. Ich denke, der wichtigste war, Kindern Zeit und 'die Erlaubnis' zu geben, sich ganz individuell zu entwickeln... 15. Alenka Novak: Halten Sie es für übertrieben, wenn ich das Buch als einen Lobgesang an das Leben, die Kreativität, die Liebe bezeichnen würde? 15. Angelika Zölllner: Ein ,Lobgesang‘ sollte es natürlich nicht sein – auch wenn ich weiß, was Sie meinen. Als ich es schrieb, habe ich versucht, das wiederzugeben, was mir so wichtig erschien – in

Bildern. Es geht um das wirkliche Verständnis für Menschen, die nicht so ,funktionieren‘ wie wir – und das fängt beim Kind ja schon an – um die Kraft, das Leben immer wieder neu zu gestalten und um die Entspannung, die wir alle in der Natur finden, weil in ihr, denke ich, schon alle Gesetze und Rhythmen des Lebens verborgen liegen. 16. Alenka Novak: Eine letzte Frage: Was halten Sie von der Bezeichnung „Kleiner Prinz in schwedischer Verkleidung", die auf dem Buchumschlag zu lesen ist? 16. Angelika Zölllner: Warum nicht, die Kinder wissen es noch, man sieht ,nur mit dem Herzen gut‘ (SaintExupery, der kleine Prinz) oder, wie der Schäfer zu Martin sagen würde, ,schweigen und hören, vielleicht die Augen schließen, dann wirst du es verstehen‘. Fotos: Verlag, Seite 66 und 68 Thomas Zöllner

Angelika Zöllner

Sparkassen-Finanzgruppe

„Wunderbar, dass unsere Sparkasse einer der größten Kulturförderer Wuppertals ist.“

Die Stadtsparkasse Wuppertal unterstützt Soziales, Kultur und Sport in Wuppertal mit rund 5 Mio. € pro Jahr. Wir sind uns als Marktführer unserer Verantwortung für die Menschen und Unternehmen in unserer Stadt bewusst und stellen uns dieser Herausforderung. Mit unserem Engagement unterstreichen wir, dass es mehr ist als eine Werbeaussage, wenn wir sagen: Wenn’s um Geld geht – Sparkasse

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10 Jahre TalTonTheater Rückblick und Ausblick Das Wuppertaler TalTonTheater kann in diesen Tagen sein 10jähriges Jubiläum feiern - dazu gratulieren die Musenblätter herzlich. Da die Eröffnungsrede, die Jens Kalkhorst für Theater und Ensemble hielt, auch Schlaglichter auf die Kulturund Theater-Situation der Stadt wirft, haben wir uns ausgebeten, diese Rede veröffentlichen zu dürfen. An der anschließenden angeregten Gesprächsrunde nahm auch Wuppertals Kulturdezernent Matthias Nocke teil, den die Musenblätter aus Gründen des Gleichgewichts der Meinungen um einen Kommentar zur Rede und zur Situation der Kultur in der Stadt gebeten haben. Beide Texte können wir Ihnen heute hier vorstellen.

von links: Maurice Kaeber, Angela del Vecchio, David Meister, Jens Kalkhorst Foto: TTT

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Taltontheater Freunde, ich begrüße Sie im Namen des Ensembles des TalTonTheaters und danke Ihnen, daß Sie unserer Einladung gefolgt sind, um mit uns das 10-jährige Bestehen des TalTonTheaters zu feiern! Während der Vorbereitungen zu unserer Jubiläumsfeier mußte ich in den letzten Tagen immer wieder an meine Worte denken, die ich anlässlich der Proben zur ersten TTT Premiere zu meiner Mitstreiterin Angela del Vecchio sagte: „Hör mal, wir machen das alles ganz ohne Stress“. 10 Jahre weiter muss ich gestehen, ich habe nicht ganz Wort halten können. 41 Premieren hat es in dieser Zeit gegeben, eine Puppentheaterbühne, das Märchenfestival, eine Dracula-Produktion, die selbst in Bayern für Schauer sorgte und zu guter Letzt die Erschaffung einer eigenen Bühne in diesem Haus. Es ist nicht so, daß David Meister, Maurice Kaeber, Angela del Vecchio und ich vom

ersten Tag an dieses Ziel im Blick hatten, im Gegenteil, am Anfang stand der einfache Wunsch, gutes Theater machen zu wollen. Rasch entstand die Zusammenstellung eines Spielplans, der noch heute das Bild jeder Saison prägt. Ein Spielplan, der immer auch die Auseinandersetzung mit den großen Texten der Theaterliteratur sucht, der aber auch keine Angst vor den „Niederungen“ der leichten Unterhaltung scheut. Diese 10 Jahre waren gezeichnet durch ein beständiges Wachsen, geprägt durch immer neue Gesichter, die sich für diese Idee des Theatermachens begeistern konnten. Und was mit Hilfe vereinter Kräfte verschiedenster Couleur, unter anderem der Wuppertaler Stadtwerke, der Stadtsparkasse Wuppertal, der Jackstädt-Stiftung, dem Kulturbüro sowie familiärer und fachlicher Unterstützung möglich ist, sehen wir hier. In weniger als drei Monaten entstand aus einer leeren TischlerWerkstatt diese Theater-Bühne, die sich seit der Eröffnung im Januar 2012 stetig wachsender Beliebtheit erfreut.

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Das TalTonTheater wollte von Anbeginn immer etwas mehr sein, als eine reine Theaterbühne. Ein Teil unserer Arbeit besteht auch darin, junge Menschen mit der Kunstform Theater in Kontakt zu bringen. Das TTT kooperiert seit mehreren Jahren mit der Gesamtschule Else-Lasker-Schüler im Rahmen der Profilklasse Theater. Auch zahlreiche Schülervorstellungen gehören in jeder Spielzeit zum festen Tagesgeschäft. Darüber hinaus arbeiten wir seit 8 Jahren mit Schulen aus Wuppertal und Umgebung zusammen, um Schülern und Studenten ein individuelles Praktikum anzubieten. Aufgrund der kleinen Wege unseres Hauses haben wir die Möglichkeit, den Praktikanten in die verschiedensten Bereiche eines Theaters Einblicke zu gewähren und sie Erfahrungen sammeln zu lassen. Es freut uns besonders, dass viele der ehemaligen Praktikanten über das Ende des Praktikums hinaus dem Haus in verschiedenster Weise treu verbunden bleiben, was für den Team-Geist und das Zusammengehörigkeitsgefühl unseres Hauses spricht. Mittlerweile ist die Wirkung des TalTonTheaters nicht nur auf Wuppertal beschränkt. Das Einzugsgebiet unseres Hauses bezieht sich nicht nur auf die umliegenden Städte. Auch Besucher aus Köln und Düsseldorf nehmen das TalTonTheater positiv wahr. Diese erfreulichen Akzente in der Außenwahrnehmung Wuppertal sollte einer Stadtverwaltung nicht gänzlich egal sein. Gerade in dieser Stadt, die bis jetzt gerne als Negativ-Beispiel für den Umgang mit öffentlicher Kultur aufgeführt wird.

26. September 2014 18 – 24 Uhr

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Und so sollte hier bei allem Grund zur Freude über unseren 10. Geburtstag eine kritische Bemerkung erlaubt sein. Würden wir den rund 30 Menschen, die hier regelmäßig auf und hinter der Bühne tätig sind, irgendeine Form von Entgelt zahlen, wäre das TalTonTheater innerhalb der nächsten Monate finanziell am Ende, bzw. wir hätten nie 10 Jahre überlebt. Fakt ist, daß zum momentanen Zeitpunkt alle Theater dieser Stadt vom Kinder- und Jugendtheater über Tic und Müllers Marionetten-Theaters bis zu den Wuppertaler Bühnen durch eine institutionelle Förderung städtisch subventioniert werden. Uns bleibt bisher trotz 10 Jahre Kulturarbeit in und für Wuppertal diese finanzielle Zuwendung verwehrt, obwohl die Förderung, wie der Name schon sagt, eine Grundsicherung der Institution darstellen soll. Auch wenn wir in den vergangenen Jahren bewiesen haben, dass wir die gesamte Bandbreite der Theaterliteratur mit hohem künstlerischem Niveau erfolgreich auf die Bühne bringen konnten, ist eine Fortsetzung der bestehenden Qualität oder gar eine Steigerung für uns nur mit externer finanzieller Förderung möglich. Über eine Neuausrichtung der Verteilung zur Verfügung stehender Gelder mag sich bei der Stadtverwaltung anscheinend keiner Gedanken machen. Die Standard-Antwort: „Was sollen die aktuell Geförderten denn dazu sagen?!“ als fadenscheinige Plattitüde wird an dieser Stelle gerne vorgeschoben. Es soll hier kein Missverständnis entstehen. Wir wollen andere Institutionen und ihre künstlerische Arbeit nicht diskreditieren

oder ihre Förderungswürdigkeit in Frage stellen. Uns geht es vielmehr um eine gerechte Verteilung der städtischen Mittel, die sich am tatsächlichen Bild des kulturellen Lebens unserer Stadt orientiert. Aktuell leistet sich unsere Stadt eine Förderungspolitik, die so tut als ob sich an der kulturellen Entwicklung Wuppertals seit 1990 nichts getan hat. Wir hoffen fest darauf, dass die Entscheidungsträger dieser Stadt es wagen, diese festgefahrenen Strukturen aufzubrechen. Denn es wusste schon Gustav Mahler: „Alles immer so zu belassen wie es immer war erscheint mir langweilig, denn wissen Sie: Tradition ist nichts anderes als Schlamperei.“ Wir freuen uns, Ihnen nun einen Einblick in diese 10 Jahre zu präsentieren und in erster Linie freuen wir uns, dass wir so weit gekommen sind - und unser Dank gilt jenen Menschen, die mit uns bei jeder Premiere aufs Neue auf eine künstlerische Reise gehen, mit dem Willen ein einzigartiges Theatererlebnis zu erschaffen. Und den Personen und Institutionen, die uns dabei finanziell unterstützt haben. Wir sind ein gemeinnütziger Verein und es bieten sich verschiedene Möglichkeiten der Kooperation und Unterstützung an, die unsere Arbeit auch in Zukunft sichern. Wenn Sie Interesse haben, dann sprechen Sie uns an heute Abend oder in Zukunft. Wir freuen uns sehr darüber. Hier also nun 10 Jahre TTT, und im Anschluß möchten wir gerne mit Ihnen auf diese Zeit anzustoßen. Jens Kalkhorst


Foto. Frank Becker Liebe Freunde des TalTon Theaters, lieber Jens Kalkhorst, herzliche Glückwünsche zum 10jährigen Bestehen eines großartigen Theaterprojekts, welches von Esprit, Engagement und Liebe zur Theaterkunst getragen seit einem Jahrzehnt die Wuppertaler Kulturszene bereichert und eine stetig wachsende Publikumsresonanz zu verzeichnen hat. Dank auch an die „Heroen der ersten Stunde“: Angela del Vecchio, David Meister, Maurice Kaeber sowie das ganze Ensemble für ihre großartigen Leistungen, die im „festen Haus“ in der Wiesenstraße seit Anfang 2012 in ansprechender Atmosphäre zur Geltung kommen. Ein Beispiel dafür, daß durch das Zusammenführen unterschiedlicher Akteure auch aus sehr wenig – viel - erfolgreich gemacht werden kann. Dieser Satz ist das tragende Geheimnis der Freien Kulturszene in Wuppertal. Das schöne Gustav Mahler-Zitat von Jens Kalkhorst benennt eine Quelle der Tradition neben vielen anderen. Im Fall der institutionellen Förderung einzelner Kultureinrichtungen ist die Quelle die blanke Not, die zum Einfrieren des Vorhandenen geführt hat und Nachjustierungen nur auf Umwegen außerhalb des städtischen Haushalts im Einzelfall ermöglicht hat. Die Geschichte unseres Klimas lehrt: Keine Eiszeit währt ewig und auch eine schockgefrostete Zuschuß-Systematik kann bei politischem Willen und finanzieller Deckung verändert werden. Allerdings sind bisherige Versuche nicht erfolgreich gewesen. In der Sache selbst gibt es keinen Grund, einem freien Theater, das erfolgreich unter den geschilderten Bedingungen arbeitet und durch Praktika und Schulkooperationen auch der kulturellen Bildung verpflichtet ist, eine bescheidene institutionelle Förderung zu gewähren. Persönlich bin ich zuversichtlich, daß die Begrüßungsworte der künstlerischen Leitung des TalTon Theaters zum 12jährigen Jubiläum von der Kontinuität einzigartige Theatererlebnisse zu (er-)schaffen künden werden und sich die Bedingungen für den Betrieb des TalTon Theaters verbessert haben werden. Für die nächsten zehn Spielzeiten Toi, Toi, Toi! Mit freundlichen Grüßen Matthias Nocke

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Paragraphenreiter Kann ich als Kunsthändler mit dem Verkauf von Fälschungen Steuern sparen?

Ja, aber nur, wenn ich behaupte, dass es Originale sind – woran man ganz wunderbar das System der steuerlichen Gewinnermittlung verdeutlichen kann. So berechnet sich der steuerpflichtige Gewinn nach § 4 EStG grundsätzlich als Differenz zwischen Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, sofern diese nicht – wie z. B. Bewirtungskosten – durch bestimmte gesetzliche Regelungen vom Abzug ausgeschlossen sind. Heißt: je höher die abzugsfähigen Betriebsausgaben, desto niedriger der steuerliche Gewinn und die Steuern. Das wusste auch die New Yorker Kunsthändlerin Glafira Rosales, die wir hier zur Vereinfachung nach Deutschland verpflanzen und deren Betriebseinnahmen wir 1:1 von $ in Euro umrechnen. Glafira erwarb im Jahr 2014 vierzig von Rothko, Pollock und anderen Kunstgrößen inspirierte Werke von einem besonders talentierten Hobby-Maler zum Preis von 5.000 Euro pro Stück. Kurz darauf lud sie die Geschäftsführerin einer bekannten ortsansässigen Galerie zum Essen ein, verkaufte ihr die Bilder für 20.700.000 Euro und übernahm zum Dank für dieses reizvolle Geschäft die Restaurantrechnung über insgesamt 300 Euro inklusive Trinkgeld.

Susanne Schäfer, Steuerberaterin Geschäftsführerin der Rinke Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft/ Steuerberatungsgesellschaft

Wäre Glafiras beim Finanzamt eingereichte Gewinnermittlung korrekt gewesen, hätte sie wie folgt ausgesehen: Euro Euro Betriebseinnahmen Veräußerungserlös 40 Bilder 20.700.000 Betriebsausgaben Anschaffungskosten 40 Bilder 200.000 Bewirtungskosten 300 200.300 Überschuss 20.499.700 90 nichtabziehbare Betriebsausgaben (30% von 300 Euro) steuerpflichtiger Gewinn 20.499.790 Tatsächlich fühlte Glafira sich verpflichtet, die der Galeristin erzählte Geschichte zur Provenienz der Bilder dem Finanzamt gegenüber zu wiederholen. Danach stammten die Werke von einem privaten Sammler aus der Schweiz, der sich nur gegen Zahlung von 20.000.000 Euro von ihnen trennen konnte. Entsprechend lautete die eingereichte Gewinnermittlung wie folgt: Euro Betriebseinnahmen Veräußerungserlös 40 Bilder Betriebsausgaben Anschaffungskosten 40 Bilder 20.000.000 Bewirtungskosten 300 Überschuss nichtabziehbare Betriebsausgaben (30% von 300 Euro) steuerpflichtiger Gewinn

Euro 20.700.000

20.000.300 699.700 90 699.790

Was dazu führte, dass sich die zu erwartende Einkommensteuer von rd. 9.730.000 Euro auf rd. 330.000 Euro reduzierte. Und dazu, dass Glafira, nachdem ihre Geschichte aufgeflogen war, nicht nur wegen Betrug und Geldwäsche, sondern auch wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Immerhin – das System der Gewinnermittlung hatte sie verstanden.

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Unter Mauerseglern und Zypressen Ein Bericht aus Gargonza Es war so, dass wir im Supermarkt Esselunga, Arezzo einen aufblasbaren Delfin in der Abteilung Pflanzen und Spielgeräte gefunden haben und unmittelbar wussten: Das ist Franks Geburtstagsgeschenk. Er hört seitdem auf den Namen Delfi und schläft im leer stehenden unteren Zimmer der Casa. Sämtliche Versuche, ihn unter höchstakrobatischem Körpereinsatz im Sitzen durch den Pool zu reiten, arteten in einen langen, lautstarken Reigen uneleganter Veitstänze aus. Es ist so, dass vermutlich keiner von uns zuvor in derart geräuschlosen Nächten geschlafen hat. Einmal auf dem Rückweg von einem Ausflug: wir sind zuvor der Nase nach durch die Landschaft gefahren und dabei in ein Dorf geraten, in dem es mehr Tauben als Einwohner gab und die Einwohner seltsamer aussahen als die Tauben und alles aus groben, großen Steinen war, an denen die Feuchtigkeit hing und überall Moos gewachsen war, da ist auf dem Rückweg gegen acht Uhr abends nach einem sehr grauen Tag die Sonne durch die Wolken gebrochen und es war so, dass wir daraufhin mit unserem Stipendienleihwagen dem Licht hinterher gefahren sind, das sich nach und nach über das ganze Tal ergossen hat und überall in den regennassen Olivenzweigen hing, und wir immer wieder das Auto stoppten und ausstiegen und dem Licht hinterher liefen. Es ist so, dass sich auf dem scheinbar unendlich weit verzweigten Areal der Grafschaft Gargonza mehrere halbverfallene, fast vollständig überwucherte Steinhäuser am Wegrand finden, deren Fußböden in den faszinierendsten Formationen in sich zusammengefallen sind und durch deren Fenster sich eine kilometerweite Aussicht auf die Hügel dahinter eröffnet. Es ist so, dass in einem davon an die Hundert kaputter Kloschüsseln gestapelt sind. In einem anderen fanden wir mehrere Stapel kreisrunder Unterbauten ausrangierter Hoteltische und es ist so, dass Frank aus diesem zufällig gefundenen alten GargonMatej vor den Mauern des Taubendorfs

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Es ist so, dass zwischen viertel vor sieben und acht Uhr abends das Licht auf Gargonza am goldensten ist. za-Material seine neue Gargonza-Architektur entwickelt und gebaut hat. Nachdem wir diese mannshohen, kreisrunden Tischunterbauten den ganzen Weg von den Ruinen zu unserem Haus gerollt haben. Woraus der slapsticklastige Kurzfilm „The Rings of Gargonza“ entstanden ist. Ohnehin ist es so, dass Franks räumliches Denken unbedingt die bereits bebaute Umgebung braucht, dass er sehr genau die vorhandenen Geometrien beobachtet und benutzt und seine eigenen Formen in einer Bewegung zwischen Abgrenzung und Einpassung dazu findet und so jetzt auf dem Vorplatz unserer Casa das Modell eines vier Meter hohen Campanile steht. Dessen Gerüst eine rhythmische Gliederung aufweist, die Frank aus der Betrachtung der Umgebung gefunden hat. Wir wissen nicht genau, wie das von Statten ging, aber es sieht sehr schön aus. Es war so, dass Maren etwa zur Hälfte unseres Aufenthalts in eine intensive Arbeitsphase eingetreten ist, weil sie mit den

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Vorbereitungen einer SoundperformanceInstallation für ein Literaturfestival in Hildesheim beschäftigt war, und dass sich das zu einer wirklich richtig interdisziplinären Angelegenheit ausgewachsen hat, für die sie auch Frank und Matej völlig in Beschlag nahm, weil sie sich einen Raum ausgedacht hat, den Frank für sie entworfen und ausgestaltet hat und weil sie aus einem Text und einzelnen Textfetzen und sich einander überlagernden Textpassagen ein Skript geschrieben hat, mit regieartigen Anweisungen zu verschieden gestalteten Sound-Übergängen zwischen den Passagen, das Matej sich sehr lange angesehen und dann gesagt hat: Du weißt schon, dass du da eine Partitur geschrieben hast. Und dass sie dann mit Matej vier volle Tage bis jeweils spät am Abend an der Umsetzung dieses Soundgewebes gearbeitet hat, während Chris und Frank zu einem Ausflug nach Florenz aufbrachen und zunächst mehrere Stunden mit der Suche nach einem Hotelzimmer verbrachten, während Matej irgendwann in

diesen vielen Stunden, die er mit Maren auf der Suche nach den richtigen Geräuschen vor diesem wahnsinnig komplexen Soundprogramm verbrachte, sich abrupt zu Maren umdrehte und rief: Why don´t you write just normal books! YOU ARE CRAZY!, während Christian und Frank durch Florenz liefen und in Florenz in der Abstellkammer eines Hotels schliefen, deren Deckenhöhe sich auf einen Meter fünfzig belief, und im Dom in Florenz ein Konzert hörten, dessen Akustik ganz atemberaubend gewesen sein muss. Es war so, dass Dr. Joachim Blüher, Leiter der Villa Massimo, Rom, feststellte, wir alle vier würden nach dem Nachmittag unseres Besuchs in der Villa eindeutig stärker strahlen als noch bei der Begrüßung, und dass uns vier das überhaupt nicht wunderte, weil wir die Stunden zuvor mit Oswald Egger gesprochen haben, einem Lyriker, vor dem wir einen großen Respekt hatten und von dem wir uns ebenso gut hätten vorstellen können, dass


er gar nicht spreche oder nur in einer selbst erfundenen Waldsprache, aber er hat dann ganz zugänglich und normal gesprochen und viele nette und gute Dinge gesagt und ein Buch geschenkt. Und weil uns Vito Zuraj in seiner Atelierwohnung Kekse angeboten und uns seine Kompositionen gezeigt hat und eine wahnsinnig riesige Partitur, und dann mit uns durch den Garten der Akademie gelaufen ist und uns Zitronen und Aprikosen von den Bäumen geschüttelt hat. Es war so, dass wir uns am Abend darauf mit Vito Zuraj zum Sommerfest der britischen Künstlerakademie verabredeten, dass es ein lauwarmer Abend war und wir gekühlten Weißwein tranken und unter dem Blätterdach im Garten der Villa saßen, und sich der britische Architekturstipendiat Frank Archie zu uns setzte, und sich sehr freute uns kennenzulernen, und sich der amerikanische Komponistenstipendiat zu uns setzte, der Eric hieß oder vielleicht auch Ewan, und sie uns dann mitnahmen in den Garten der österreichischen

Künstlerakademie gleich nebenan, weil es dort auch ein Sommerfest gab und Bier und Bratwürste und eine sehr große Bühne, auf der der Chef des österreichischen Kulturfonds stand, in einer jagdgrünen Trachtenjacke mit Einstecktuch, und in einem sehr österreichischen Italienisch eine Rede hielt, und wir daraufhin mehrmals zwischen den Gärten der beiden Villen hin und herwechselten, und vor allem der Garten der österreichischen Villa sehr voll war mit Menschen, und Frank in diesem dichten Gedränge verschiedene der Menschen einige Male unabsichtlich mit den beiden langen Plakaten erwischte, die er bei unserem Besuch im von Zaha Hadid entworfenen Museo Nazionale delle Arti del XXI Secolo mitgenommen hatte, und die jetzt weit über seinen Kopf hinausragend in seinem Rucksack steckten, und dass er mit dieser Plakatstange einmal eine Frau schlug, mit der wir daraufhin in ein sehr nettes Gespräch über unser Stipendium kamen und sich bald darauf der Chef des österreichischen Kultfonds zu uns stellte, mit dem sie eng befreundet war. Dass wir

am späteren Abend dann ganz in der britischen Künstlerakademie blieben, weil dort die Dachterrasse geöffnet war und Musik gespielt und getanzt wurde und wir dort unter freiem Himmel über den Dächern von Rom saßen und noch ein paar Weine tranken und zum Beispiel mit Matej darüber sprachen, was für eine unbegreifliche, wundersame Angelegenheit die Arbeit des Komponierens für einen Außenstehenden sei, dass man sich einfach nicht erklären könne, wie so etwas eigentlich von statten gehe, und wir uns noch später alle vier auf der Tanzfläche wiederfanden und sehr ausgelassen waren und unsere Arme und Beine in großen Bögen durch die Luft warfen. Dass wir zwischendurch noch einmal dem Chef des österreichischen Kulturfonds über den Weg liefen, der sich jetzt plötzlich auch in der britischen Villa eingefunden hatte, und wir uns nach einem schüchternen Zögern dazu überwinden konnten, ihm eine Einladung für unsere Abschlusspräsentation zu überreichen, und wir erfahren haben, dass er den Namen Maron trägt und er trug eine jagdgrüne Trachtenjacke mit

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Wie wir einmal ein Gemälde unserer Vorgänger im Atelier weiß überstrichen haben und danach sehr glücklich waren einem Einstecktuch seines Großvaters und zeigte sich sehr interessiert und noch viel später, als wir als eine der letzten Gäste das Fest verließen, trafen wir ihn am Ausgang wieder und er freute sich sehr anerkennend über unsere Tanzenergie und unser Durchhaltevermögen, Durchhaltevermögen, rief er uns zu, hätten wir ja, und das sei doch eins vom Wichtigsten. Wir hatten zweimal Geburtstagsfeten unter der Pergola im Vorgarten, eine mit einem blauen Piratenpartyset, eine mit einem rosafarbenen Prinzessinnenpartyset, wir hatten viermal Besuch von jeweils sehr guten FreundInnen von uns, wir hatten einmal Besuch von Herrn Heinz Holtmann, einem großartigen Kölner Galeristen, der in einem geleasten Jaguar gefahren kam, die ganze Strecke von Köln bis nach Gargonza, mit seinen silbergrauen Haaren, und zum Mittagessen Erdbeeren und Weißwein brachte und von einer bereits mehrere Jahre zurückliegenden nächtlichen Autofahrt mit Joseph Beuys erzählte

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und davon, wie wichtig und wertvoll es sei, in seinem Leben eine Vision zu haben, und dass wir unsere gefälligst behalten sollten, und wir haben genickt und viel gelacht und gut gegessen. Es ist so, dass wir vor allem in den ersten noch kühleren Wochen, in denen oft ein Nebel über dem Tal von Monte San Savino unterhalb unseres Hauses hing, viele Feuer in unserem großen, steinernen Kamin machten, dass vor allem Chris und Maren sich nachhaltig beeindruckt von schwelendem und loderndem und leicht und stark flackerndem Feuer zeigten und oft mehrere Stunden damit zubrachten, es möglichst geschickt einzurichten und aufrechtzuerhalten und lange hineinzusehen. Oft sieht Chris sehr lange in seine Bilder hinein, während er fast regungslos auf einem Stuhl oder auf dem Boden davor sitzt oder halbaufgerichtet davor liegt. Er sieht dann in die verschiedenen Schichten, die er nach und nach auf die Leinwände aufträgt oder hinein reibt oder sprüht oder kratzt oder faltet. Oder er sieht durch

die Schichten hindurch oder was aus den Schichten im nächsten Schritt werden könnte und es kann passieren, dass man eine halbe Stunde später wieder vor dasselbe Bild tritt und es unter seiner neuen Schicht nicht mehr wieder erkennt. Chris sagt dann, er habe eine neue Farbe auf die zuvor mit einem besonderen Mittel stellenweise imprägnierte Oberfläche aufgetragen, oder das hier sei durch einen flächigen Abrieb entstanden, er sagt: Struktur, Materialität, Dynamik. Neben den vielen Töpfen im Atelier stehen Sprühdosen, Kreide, Tinkturen unklarer Natur, den Gasbrenner, mit dem er zuvor einige Zeit gearbeitet hat, hat er zu Hause in Deutschland gelassen, die Toskana sei zu trocken, sagt er, um mit Feuer zu arbeiten. Es ist so, dass wir unzählige lange und intensive Gespräche in verschiedenen Konstellationen miteinander hatten und immer wieder gemeinsame Ansätze, Techniken und Parameter gefunden haben, die da wären, zum Beispiel: Rhythmus. Das Ent-


Im Giardino di Spoerri, Toscana stehen von etwas in Zeit und durch die Zeit hindurch. Das Arbeiten mit Wiederholung und Variation. Verschiedene Sorten des Aufschichtens und Kombinierens. Raum und die Frage, wie man ihn erzeugt, in der Ausdehnung und in der Tiefe. Es ist so, dass das heisere Bellen, das nahezu jeden Abend aus dem Waldabschnitt hinter unserem Haus zu uns herüberkam, weder von einer trächtigen Hirschkuh, noch von einer Wildsau, noch von fasanenartigen Vögeln oder stark behaarten Ungeheuern stammt, sondern von einem schlichten Reh. Es ist so, dass noch seltsamere Geräusche zu erzeugen nur Matej in der Lage ist. Er macht sie mit dem Mund oder indem er auf etwas herum klatscht oder klopft, in seinem Zimmer oder im Laufen auf der Straße oder wenn er direkt neben einem steht, und also ist es so, dass er eigentlich in einem fort zischt und knallt und jault. Die letzten drei, vier Wochen auf Gargonza hat er praktisch ununterbrochen komponiert, drei Stücke hintereinander, er nennt das:

I´m working like an idiot und manchmal sitzt er dabei unter der Pergola, mit großen weißen Papierbögen, auf denen sich Linien und Vektoren abzeichnen, in irgendeiner von außen nicht einsehbaren, imposanten Ordnung, er sagt es gehe um „sculpting in time“ und er spricht von rhythm und consistency und vom „rhythm of consistency“ und wenn man ihn fragt, wie viel Mathematik da dahinter steckt, sagt er: zu viel, und dann sagt er: Aber eigentlich ist es ein ganz einfaches Muster, es ist A B A, C B A, D C B A und wenn er zum zweiten Mal B sagt, kommen wir nicht mehr mit. Und dann sagt er, es gäbe aber auch noch A1 oder APlus und CPlus und DSternchen, und dann die Notwendigkeit, dieses Muster zu brechen und es aber auch so zu arrangieren, dass diese Elemente und ihre Varianten anfangen, miteinander zu atmen und sich daraus ein System konstruiert. In den letzten Tagen vor unserer Abschlusspräsentation auf Gargonza hat Matej also wie ein Idiot an einem Flötenstück für Michael gearbeitet und es war ratsam, für schreck-

hafte Menschen, sich nicht unmittelbar in seiner Nähe aufzuhalten, weil er immer wieder unangekündigt durch abrupte, nahezu epileptische Kontraktionen seiner Stimmbänder spitze, heftige Töne von sich gab, mit denen er versuchte, verschiedene Blastechniken zu imitieren. Und trotzdem weiß man, wenn man Matejs Stücke hört, oder auch wenn man sie nicht hört und ihn nur darüber sprechen hört: Hier formt sich etwas in der Zeit und durch die Zeit hindurch, präzise und kaleidoskopartig, und egal wie irre die Geräusche oder die Vektoren, aus dieser Bewegung kommt etwas mit Konsistenz und Kontinuität. Der Eifrigste im Finden von sehr langen wurmartigen Mehrfachfüßlern, dicken Käfern, Spinnen sowie Schlangen im Haus und um das Haus herum, war Chris. Es ist so, dass laut einer Umfrage 100 Prozent der diesjährigen Stipendiaten ihre Zeit auf Gargonza um mindestens einen Monat verlängern würden. Wir möchten noch nicht gehen. Weil wir es vermutlich

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doch müssen werden, werden wir versuchen, die Trennung von diesem Ort durch noch mehr Zusammenarbeiten in adäquate Ersatzhandlungen oder Kunst umzusetzen. Es ist so, dass die nächste Gelegenheit dafür unsere Abschlusspräsentation in Deutschland sein wird, die im Kunstverein Leverkusen stattfinden wird, was sich bekanntermaßen im Bergischen Land befindet, von dem man ja bekanntermaßen sagt, es sei die Toskana Deutschlands, und das tröstet uns, denn dann haben wir etwas wie eine kleine Verlängerung dieser vollen, intensiven, besten Zeit. Es ist so, das wir vom Verein InterArtes genau das erhofft haben, Stipendiaten die sich wohl fühlen und neugierig die Gebiete des jeweils Anderen erkunden. Von April bis Anfang Juni waren auf Gargonza: Matej Bonin / Komposition, Frank Illing /Architektur, Maren Kames /Literatur und Christian Seidler / Malerei. Seit 2012 ermöglicht der in Köln ansässige Verein InterArtes einmal im Jahr vier jungen Künstlern aus verschiedenen Sparten ein interdisziplinäres Aufenthaltsstipendium auf einer Burganlage in der Toskana. Das Castello di Gargonza bei Monte San Savino, Arezzo wird für drei Monate zu ihrem gemeinsamen Lebens- und Arbeitsort. Von April bis Anfang Juni waren auf Gargonza: Matej Bonin / Wir sind ein kleiner privat finanzierter Verein zur Förderung der Künste und als solcher angewiesen auf Sponsoren und Mitglieder. Auf unserer Homepage www.gargonza-arts. com finden Sie weitere Informationen und Möglichkeiten, das Projekt zu unterstützen. Der Jahrgang 2014 wird seine Arbeiten ausserdem in einer Ausstellung im Kunstverein Leverkusen präsentieren: Die Vernissage findet statt am 30. 8. 2014 ab 17.00 im Kunstverein Leverkusen, Gustav -Heinemannstr.80. Die Ausstellung ist bis einschliesslich 7. 9. 2014 für Sie geöffnet. Maren Kames (Preisträgerin des Gargonza Arts Award für Literatur.) Fotos: Christian Seidler, Frank Illing

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Eine Gewehrkugel…

Wolf Christian von Wedel Parlow, Foto: Frank Becker Wolf Christian von Wedel Parlow ist 1937 in Prenzlau geboren, wuchs in der Uckermark, Böhmen und Baden auf, studierte in Heidelberg und Kiel Volkswirtschaftslehre, Geschichte und Soziologie, arbeitete als Wirtschaftswissenschaftler am Osteuropa-Institut in Berlin, an der Ökonomischen Hochschule in Prag und der Universität Wuppertal und lebt gegenwärtig in Wuppertal.

Walter glaubte, noch gerade gehen zu können. Die Freunde riefen ihm nach, ob sie ihn nicht nach Hause bringen sollten. Er lehnte ab. Sie trauten ihm wieder einmal nicht zu, dass er soviel Bier vertrug. Bei Rot über die Allee – kein Problem zu dieser späten Stunde. Dann links in die Haspeler Schulstraße. Er kannte sich aus hier. Immer den Berg hoch. Er ging wie ein Automat. Sein Kopf war leer. Über die Elberfelder Straße, durch die Bahnunterführung, über die Mauerstraße, immer geradeaus. Einmal musste er sich an dem Gestrüpp festhalten, das hier aus dem Gehsteig wuchs. Es wurde ihm doch nicht etwa schwindlig? Er schüttelte den Kopf. Soviel Bier war es doch gar nicht. Und die paar Schnäpse. Alles nur, weil sie sich wegen Christopher Clarks Schlafwandler in den Haaren gelegen hatten. Nicht aufgeben, ermannte er sich. Im Müll-Museum brannte noch Licht. Da drin hatten sie auch schon mal gesessen, fiel ihm ein, mit einer Frau, die sie alle drei in Unruhe versetzt hatte. Unruhe war eigentlich das falsche Wort. Ein besseres fiel ihm gerade nicht ein. Dass er nach Wörtern suchte, wertete er als gutes Zeichen. Vielleicht hatte er den toten Punkt schon überwunden. An der Ritterstraße wurde es plötzlich hell. Die ganze Straße dröhnte. Ach ja, die Jacquard-Maschinen von Kruse & Söhne. Natürlich, das Heer brauchte jetzt Litzen für neue Uniformen. War nicht gestern allgemeine Mobilmachung? Zum Glück war er schon zu alt. Oder sollte er sich nicht doch noch freiwillig melden? Für Schreibstubenarbeit taugte er allemal. Wie schön doch die Haspeler Schulstraße war, all die prächtigen Fassaden! So hatte er die Straße noch nie gesehen. Wo hatte er bisher nur seine Augen gehabt? Zwei Berittene kamen die Schulstraße herauf, uniformiert, Pickelhauben auf dem Kopf. Reiter hatte er hier noch nie gesehen. Und wie laut das Hufgeklapper war! Er fasste sich an den Kopf. Stimmte etwas nicht mit ihm? Was tat der eine Reiter da, der auf seiner, auf Walters Seite? Er blieb bei Nr. 22 stehen, direkt neben ihm, neben Walter, zog ein Papier aus der Umhängetasche und rief: „Scharpenack, Hans. Gestellungsbefehl“. Der Reiter wartete eine Weile und griff schon nach seinem Horn, als sich die Haustür öffnete und eine junge Frau

erschien, hinter ihr drei Kinder, das jüngste vielleicht sechs. „Er ist drüben beim Kruse. Wovon sollen wir denn leben, wenn er keinen Lohn mehr nach Hause bringt?“ Sie rang die Hände. „Keine Angst, junge Frau! Es ist für alles gesorgt. Seinen Sold holen Sie jeden Monat bei Ihrem Postamt ab.“ „Und wenn ihm was passiert?“ Mit der Schürze wischte sie sich die Tränen ab. „Ach was! Die Franzmänner reißen aus vor uns.“ Er lachte und ritt zum nächsten Hauseingang. Es war die Nr. 24. Wieder zog er so ein Papier aus der Tasche. „Herlinghaus, Wilhelm“, rief er, „Gestellungsbefehl“. Er wartete. Die Tür blieb verschlossen. Der Soldat nahm das Horn zur Hand. Es klang entsetzlich, wie eine Tröte. Auch danach tat sich nichts. Aber überall kamen jetzt Kinder aus den Häusern und blieben bei dem Soldaten stehen. So viele Kinder hatte Walter hier noch nie gesehen. Und warum saßen die jetzt nicht in der Schule? Waren etwa noch Ferien? Ein Mädchen hielt dem Pferd auf der flachen Hand ein Stück Brot hin. Es kicherte, als das Pferd das Stückchen Brot zwischen seine weichen Lippen nahm. „Wie das kitzelt!“ Sofort kramten andere Kinder in ihren Hosentaschen, ob sie nicht auch einen Rest Brot hätten. Sie wollten das Kitzeln auf ihrer Hand spüren. Der Soldat lächelte unter seiner Pickelhaube. Er war schon alt. Sein Schnurrbart war silbergrau. Vielleicht war er schon Großvater. Inzwischen hatte sich im zweiten Stock von Nr. 24 ein Fenster geöffnet. „Von den Herlinghaus ist niemand da. Die Frau ist einkaufen gegangen, und der Mann schafft drüben bei Kruse & Söhne. Wie fast alle hier“, rief die Frau herunter. Ob sie ihm bitte den Gestellungsbefehl übergeben wolle, rief der Soldat. Es klang wie ein Befehl, fand Walter. Sie komme herunter, antwortete die Frau. Auch der andere Reiter war dabei, Gestellungsbefehle zuzustellen. Auf der anderen Straßenseite, auf der Seite mit den ungeraden Hausnummern. Auch er wurde von immer mehr Kindern umringt. Bald herrschte auf der schmalen Straße ein dichtes Gedränge von Kindern. Sie kamen von oben und unten gelaufen, voller Neugier, was sich hier tat. Langsam schob sich der Schwarm die steile Haspeler Schulstraße

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hinauf, überragt von den beiden Reitern, die den Namen der Empfänger der Gestellungsbefehle immer lauter ausrufen mussten, um das aufgeregte Geplapper der Kinder zu übertönen. Zwischendurch flaute der Lärm etwas ab, wurde es fast still, wenn eine Frau zu weinen begann, weil der Soldat ihr gerade einen Gestellungsbefehl in die Hand gedrückt hatte. Betroffen sahen die Kinder zu ihr hin. Die wenigsten wussten, was das hieß: Gestellung und warum die Frauen weinen mussten, wenn der Soldat ihnen einen Gestellungsbefehl gab. „Was heißt das: Gestellung?“, fragte ein barfüßiges Mädchen von vielleicht fünf. „Er muss in den Krieg ziehen, Dummerchen“, erklärte der große Junge in ausgefransten kurzen Hosen neben ihr, auch er barfuß. „So schnell geht das nicht“, verbesserte ihn der schmächtige Junge, der das Mädchen an der Hand hielt. „Er muss sich erst in einer Kaserne melden, bei einem bestimmten Bataillon. Dort bekommt er eine Uniform und ein Gewehr. Erst dann geht es in den Krieg.“ „Und wenn er noch gar nicht gelernt hat, mit dem Gewehr umzugehen, du Schlaumeier?“, wies ihn der große Junge zurecht. „Er muss erst einmal schießen lernen und in Reih und Glied marschieren üben. So schnell geht es nicht in den Krieg.“ „Und was heißt Krieg?“, fragte wieder das kleine Mädchen. „Du fragst Sachen, Kindchen!“, grinste der Große. „Stell dir vor, hier stehen wir, dort drüben stehen die Franzmänner. Unser Offizier brüllt: ‚Feuer frei!’ Wir schießen, und die Franzmänner laufen weg.“

„Und der Krieg ist aus! Du hast ja keine Ahnung“, lachte ihn der Schmächtige aus. „Gib nicht so an, du Depp! Meinst du, ich erklär’ ihr den ganzen Krieg, wenn sie wissen will, was Krieg heißt? Klar ist jedenfalls, dass wir im Vorteil sind, wenn wir als erste schießen. Denn dann laufen die anderen weg.“ „Und schießen, was heißt schießen?“, wollte das Mädchen wissen. „Warst du schon einmal auf dem Jahrmarkt?“, fragte der große Junge. Das Mädchen nickte. „Und hast du dort die Schießbuden gesehen?“ Wieder nickte das Mädchen. „Dann hast du auch gesehen, wie die Männer dort Blumen von der Wand zu schießen versuchen, bunte Blumen aus Papier, rote Rosen zum Beispiel. Wenn sie treffen, gehört die Rose ihnen. Die schenken sie dann dem Mädchen, das neben ihnen steht.“ „Mir hat noch keiner eine rote Rose geschenkt“, sagte das Mädchen. „Vielleicht weil du noch so klein bist Wenn du größer bist, gehen wir zusammen auf den Jahrmarkt, und ich schieße für dich eine rote Rose von der Wand.“ „Erzähl doch nicht so einen Quatsch, Mann!“, rief der Schmächtige. „Du wolltest ihr das Schießen erklären und kommst ihr mit roten Rosen. Komm, Emily, wir gehen weiter.“ „Gib nicht so an, Hannes! Jetzt weiß sie vom Schießen schon verdammt mehr, als du denkst. Und dass es verdammt weh täte, wenn man von so einem Luftgewehr getroffen würde. Und dann erst von einem richtigen Gewehr.“ „Was tut denn dabei so weh?“, wandte sich Emily an den großen Jungen. „Wenn einer einen Stein nach dir wirft,

bekommst du höchstens einen Kratzer. Es tut weh, klar. Aber bald vergisst du den Schmerz. Eine Gewehrkugel kann dir verdammt mehr weh tun, wenn sie dich trifft. Weil sie in dich eindringt, weil du blutest. Du kannst davon sterben.“ „Aber ich will nicht, dass man auf mich schießt. Warum machen sie überhaupt diesen Krieg?“ „Weil Russland angefangen hat.“ Walter versuchte mit den dreien Schritt zu halten. Aber das Gedränge war zu groß. Er verlor sie aus den Augen. Die beiden Reiter waren schon in die Hirschstraße eingebogen, die lärmenden Kinder immer hinterher. Werner Lindenbeck bekam auch einen Gestellungsbefehl. Das hörte Walter deutlich. Immer schneller schob sich die Menge voran. Nochmals ging es den Berg hinauf und links herum in die Iltisstraße. Das kann nicht sein, hier wohnte er doch. Musste er etwa selbst in den Krieg? Was blendete ihn nur so? Er hob die Hand vor die Augen. „Das könnte er sein. Die Beschreibung stimmt. Langes blasses Gesicht, weiße Haare“, sagte der Mann mit der Taschenlampe. „Er rührt sich. Den ersten Rausch scheint er ausgeschlafen zu haben“, sagte der andere. „Sie werden vermisst. Können Sie sich denken, von wem?“, fragte der Mann mit der Taschenlampe. „Aber das wäre doch nicht nötig gewesen“, wehrte sich Walter gegen die beiden hilfreichen Hände. Wolf Christian von Wedel Parlow Erstveröffentlichung in: André Wiesler (Hg.), Vom Leben und Schweben in Wuppertal, Edition Köndgen, Wuppertal 2013

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Jeder Mensch braucht ein Stück Wüste Eine Konzertreise in die Mongolei Im Rahmen des Roaring hooves Festivals reisten die beiden Wuppertaler Musikerinnen Ute Völker und Gunda Gottschalk im Juni 2014 zwei Wochen lang durch spektakuläre Landschaften in der Mongolei.

Die Konzerte fanden meist unter freiem Himmel im Dialog mit der Natur statt. Im Rahmen der traditionellen mongolischen Pferderennen und Ringkämpfe spielten wir für die Nomaden, die für dieses Ereignis aus den anliegenden Landstrichen angeritten kamen. Schamanentreffen, Rituale und der Besuch eines Lamaklosters standen ebenso auf dem Programm, wie die internationalen „food evenings“, wo jeder eine Speise seines Landes präsentierte und ein Lied darbot. Wie vielleicht in dieser Aufzählung bereits deutlich wird, lässt sich das Festival nicht mit den Worten: „Festival für zeitgenössische Musik in Kombination mit mongolischer traditioneller Musik“ beschreiben, obwohl es genau dies auch ist. Nur: Roaring hooves

beschreitet eine gänzlich andere Straße. Die Straßen in der Mongolei sind eigentlich gar nicht vorhanden. Mal sind es Sandpisten, in die durch Erosion abenteuerliche Furchen hineingezogen wurden, mal ist es schlicht und einfach Grasland, in welches der Fahrer Richtung und Weg hineininterpretieren muss, um zu seinem Zielort zu gelangen. Auf diesen eigentümlichen Straßen bewegt sich das Festival roaring hooves. Musiker aus aller Welt gemeinsam mit mongolischen Tänzern, Musikensembles, Models, einem extra Transporter für das Klavier ziehen durch das weite unendliche Land. Irgendwie versteht man bald, dass es genau so sein soll.

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Inmitten der Steppe: Ringkämpfe. Steve Reich, Percussion Trio. Die reitenden Kinder galoppieren ein. Modenschau zu improvisierter Musik von Geige und Akkordeon. Regen J.S. Bach Klavier-Serenade auf dem Ladelaster unter einer Plane musiziert. Wir errichten gemeinsam mit den Nomaden einen heiligen Steinhaufen auf einem Berg. Regenbogen. Dann entsteht zu einem bizarr improvisierten Walzer von Ute plötzlich eine Art spontanes Volksfest mit Tanz und Polonaise. Der Himmel klärt sich auf. Am folgenden Tag gestalten die Schamanen eine 12-stündige Zeremonie. Ein ganzes Tal, Berge und der Fluss werden geweiht. Für den heiligen Baum werden wir gebeten zu musizieren. Wir stehen im Gedränge zwischen Menschen, den schamanischen Gesängen und Trommelschlägen. Unsere Musik wird zu einem Teil des Ganzen.

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Wir konzertierten innerhalb der 14 Tage zu mehr als 17 Anlässen. Nie gab es ein Podium, Bühnenlicht und artig bestuhlte Sitzreihen. Dafür gab es Sandhügel, die Weite des Sees, oder schroffe Berge als Kulisse. Das Publikum gruppierte sich locker auf ihren Pferden oder dem Boden sitzend, während wir für die Sanddüne, den Khuvskhul See, oder für einen Baum musizierten. Prof. Bernhard Wulff, der eine Schlagzeugklasse an der Musikhochschule Freiburg leitet, ist der künstlerische Kopf dieses Festivals. Für ihn kommen, wie er sagt, in den jährlichen zwei Wochen roaring hooves im Juni „Weihnachten, Ostern und Geburtstag gleichzeitig zusammen.“ Das Festival hatte dieses Jahr 15-jähriges Jubiläum. Mögen viele weitere Jahre folgen. Gunda Gottschalk Fotos: Peter Weinberger, Gunda Gottschalk

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Dietmar Schönherr Ein Menschenfreund ist gestorben

Foto. dapd

Im Herbst 1979 machte der neue Kulturminister der nicaraguanischen Revolutionsregierung, der Priester und Dichter Ernesto Cardenal, seinen ersten Besuch in Deutschland. Hier war er durch frühere Besuche, seine Bücher und eine starke Solidaritätsbewegung ein bekannter Mann. Auch bei Organisationen, Ministerien und Parteien standen ihm die Türen offen. Da die Botschaft seines Landes noch nicht wieder besetzt war, bat er mich, seinen Verleger, ihn zu begleiten; für mich ein ungewöhnliches Abenteuer. Bei einer Veranstaltung in Essen trafen wir auf den Schauspieler Dietmar Schönherr, der sich für die Entwicklung im „neuen Nicaragua“ interessierte. Er und Cardenal fanden Gefallen aneinander. Er kam mit uns nach Wuppertal: es folgten zahlreiche Besuche, denn auch sein erstes Buch („Nicaragua mi amor“) fand später hier seinen Verlag und er war Mitbegründer des „Informationsbüro Nicaragua e.V.“ Cardenal lud ihn spontan ein, sein Land zu besuchen. Ebenso spontan folgte Schönherr der Einladung, der Beginn eines ungewöhnlichen Projektes, das sich in den Jahren ausweitete, neue Konturen bekam und immer neue Freunde gewann. „Pan y Arte“ mit dem Büro in Münster wurde eine Organisation, die in einem der ärmsten Länder Lateinamerikas soziales und kulturelles Leben fördert. Vor allem gilt das Projekt der Weiterbildung, der Jugend, der Musik und der Malerei. In zahlreichen Reisen hat Schönherr, der am 18. Juli auf Ibiza gestorben ist, Hand angelegt. Er hat gelernt, hat Freunde in allen Kreisen der Bevölkerung gewonnen, hat Bücher über seine Erfahrungen geschrieben und bis vor einigen Jahren den Vorsitz von „Pan y Arte“ geführt, bis er aus Altersgründen die Verantwortung in die Hände von Henning Scherf (ehem. Bürgermeister von Bremen) legte.

welt!“ Seine Bekanntheit, seine Popularität setzte er bedenkenlos ein, wenn es darum ging, Öffentlichkeit und Geld für sein Projekt aufzutreiben. Er stellte sich nach dem Ende von Theaterveranstaltungen nicht selten vor das Publikum, erzählte vom Leiden der Menschen in Nicaragua und bat um Hilfe. In den letzten Jahren, vor allem nach dem Tod seiner Frau Vivi Bach, gab er nur noch Interviews, wenn er damit seiner „Sache“ weiterhelfen konnte. Im Herbst 2013 habe ich ihn auf Ibiza noch einmal besucht, da war seine Lebensfreude schon auf eine Sparflamme gesunken. Er blickte von seinem Balkon auf das Meer und kraulte seinen Hund Tarzan. Mit ihm hat die Solidarität für die unterentwickelten Länder eine wichtige Gestalt verloren, die beispielhaft seine Bekanntheit einsetzte, um Menschen so zu helfen, damit sie eine Basis gewannen, besser zu überleben. Schönherr war ein leidenschaftlicher Mann, oft aufbrausend ohne streitsüchtig zu sein, den Menschen zugetan, offen für neue Ideen und immer bereit, zuzuhören. Überall, wo er Gleichgesinnte wusste, machte er mit; ob bei Evangelischen Kirchentagen oder Gottesdiensten engagierter Gemeinden. Immer ging es um sinnvolles Leben, um das eigene und das von Tausenden, denen geholfen werden musste. Mit dem Dichter und Priester Ernesto Cardenal verband ihn bis zum Schluss eine Männerfreundschaft, die ihre Basis im gegenseitigen Vertrauen hatte und in der Gewissheit, für die „gleiche Sache“, die Sache des Menschen zu leben und zu kämpfen. Hermann Schulz Ehem. Verleger, Autor zahlreicher Kinderund Jugendbücher, Vorstandsmitglied bei „Pan y Arte e.V.“

Es hatte keine Spur von falscher Bescheidenheit, wenn Schönherr sagte, das Projekt in Nicaragua sein sei ihm wichtiger als aller Ruhm als Schauspieler und seine Rollen im Show-Geschäft. „Wenn es durch unsere Arbeit einigen Menschen besser geht, sie eine Zukunft haben, wiegt das mehr als alle Eitelkeit der Medien-

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Klangart 2014 im Skulpturenpark Waldfrieden Grenzgänger! KLANGART im August mit Bassekou Kouyate und Markus Stockhausen „The best rock’n’roll band in the world“ bejubelte die englische Zeitung The Independent Bassekou Kouyate: Weltmusikfreunde dürfen sich freuen ihn mit seiner Band Ngoni Ba am 9. August bei KLANGART zu erleben und der damit ein traditionelles Instrument aus Mali, die Langhals-Spießlaute Ngoni, auf neuartige Weise einsetzt und überaus lebhafte, zum Tanzen animierende Musik auf die Bühne bringt. Eine Reise durch Kontinente und Kulturen verspricht Markus Stockhausens multinationales Projekt Eternal Voyage am 10. August. Es trägt in sich den gleichen Ideenkeim wie das Festival als übergreifenden Rahmen: Grenzen überwinden, Kulturen zusammenführen und dadurch besondere Momente hervorbringen.

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Samstag, 9. August, 19 Uhr, Open Air Bassekou Kouyate & Ngoni Ba, Jama Ko Bassekou Kouyate (Ngoni), Aminata Sacko (Gesang), Mamadou Kouyate (Ngoni Bass), Moustafa Kouyate (Ngoniba), Mahamadou Tounkara (Yabara, Tama), Abou Sissoko (Ngoni), Moctar Kouyate (Calebasse) „Ein Genie und der lebende Beweis dafür, dass der Blues aus der Region von Segou in Mali kommt“, sagt Taj Mahal über Bassekou Kouyate, mit dem er schon oft musiziert hat. Einen „rohen afrikanischen Diamanten“ nannte ihn Ali Farka Toure – und nahm ihn mit auf Tournee. Youssou Ndour und Bono sind ebenso Fans wie Damon Albarn: Mit Albarn, Fatoumata Diawara, Tony Allen und anderen tourte Kouyate als Africa Express durch Europa. Wer Kouyates wahren Sound erleben will, muss ihn mit seiner Band Ngoni ba sehen. Benannt ist sie nach der LanghalsSpießlaute Ngoni – einem traditionellen

Instrument aus Mali, das Kouyate auf ungewohnte Weise einsetzt. Bereits die Idee eines Ngoni-Quartetts ist für Mali revolutionär; hierfür wurde eigens eine Bass-Ngoni entwickelt. Die Band, zu der auch seine Frau Amy Sacko als Sängerin gehört, spielt traditionelle Songs der Bambara aus Segou, die Kouyate für die ungewöhnliche Besetzung neu arrangiert hat. Das Ergebnis ist überaus lebhaft und mitreißend: „The best rock’n’roll band in the world“ urteilte der englische Independent nach einem Konzert.

Bassekou Kouyate – Foto: Jens Schwarz


Markus Stockhausen Sextett, Eternal Voyage Sonntag, 10. August, 18 Uhr, Open Air Rabih Lahoud (Gesang), Dinesh Mishra (Bansuri Flöte), Tara Bouman (Klarinette, Bassklarinette ), Florian Weber (Piano), Yonga Sun (Perkussion), Markus Stockhausen (Trompete, Synthesizer) Die letzte „Open Air“-Station der KLANGART-Reise durch Kontinente und Kulturen ist eine besonders faszinierende. Sie trägt in sich den gleichen Ideenkeim wie das Festival als übergreifender Rahmen: Grenzen überwinden, Kulturen zusammenführen und dadurch besondere Momente hervorbringen. Sechs Freunde aus verschiedenen Nationen und mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen erschaffen mit Eternal Voyage eine Musik, die es so vorher nicht gegeben hat – zwischen Zartheit und Ekstase schwingend, hyp-

notisierend und rhythmisch, den Hörer in den Bann ziehend. Bei einem ersten Konzert in der Kölner Philharmonie Ende 2008 sprang der Funke zwischen den Musikern über: der Beginn einerReise, die immer wieder Überraschungen birgt. Jeder Musiker steuert Ideen aus seiner musikalischen Erfahrung bei. Zu weiten Teilen improvisiert, schlägt Eternal Voyage eine Brücke zwischen Ost und West, um eine neue, harmonische One World Music entstehen zu lassen. Trompeter und Komponist Markus Stockhausen fungiert als Leader, im Prozess sind er und seine Mitmusiker – allesamt angesehene Größen in ihrem jeweiligen Metier – aber gleichberechtigte Teile eines faszinierenden Ganzen.

Markus Stockhausen - Eternal Voyage

Kunstgenuss vor dem Konzert Im Eintritt aller Konzerte ist der Besuch des Skulpturenparks Waldfrieden enthalten. Die Besucher sind eingeladen, vor den Konzerten einen Spaziergang durch den weitläufigen Park zu unternehmen, wo unter vielfältigem Baumbestand und auf Lichtungen Kunstwerke von Tony Cragg und anderen bedeutenden Künstlern zu finden und zu betrachten sind. Kulinarischer Genuss nach dem Konzert Ein besonderes Erlebnis sind die Dinner nach den KLANGART-Konzerten in der Villa Waldfrieden. Gemeinsam mit den Künstlern können Besucher mit einem speziellen Ticket in den sonst nicht öffentlich zugänglichen Räumen ein mehrgängiges Menü genießen. Skulpturenpark Waldfrieden Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal mail@skulpturenpark-waldfrieden.de www.skulpturenpark-waldfrieden.de

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Du kannst nicht immer 60 sein Ein kabarettistischer Liederabend über das Älterwerden (Ein musikalisches Show-Spiel) mit Ulrich Michael Heissig und Ilja Richter

Regie: Ilja Richter, Ulrich Michael Heissig Choreographie: Marie-Christine Zeisset Ausstattung: Zoltan Labas Musikal. Leitung: Ingvo Clauber, Christian Kullak Mit: Ilja Richter, Ulrich Michael Heissig, Kim Pfeiffer Dem Älterwerden die heitere und/oder die lyrische Seite abgewinnen – eine Aufgabe, der sich zwei, die es wissen müssen in einem Doppelprogramm, einer kleinen kabarettistischen musikalischen Erzählund Lese-Show im Essener Theater im Rathaus gestellt haben: der Schauspieler Ilja Richter als er selbst, knapp über 60 und der Kabarettist Ulrich Michael Heissig (in seiner Rolle als Irmgard Knef gefühlte 86). Aber zur Vorgeschichte:

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„Licht aus – Spot an!“ „Zeige mir einen in dieser Republik, der Ilja Richter nicht kennt und ich gehe in Sack und Asche“ wird ein bekannter Fernsehkommentator zitiert. Er kann getrost so auftrumpfen, denn der einstige Kinderstar und frühere „Disco“-Moderator, der sich längst zum seriösen Schauspieler entwickelt hat, war in den 70er Jahren eine Figur, an der sich die Generationen spalteten und an der niemand vorbei kam. Die einen (jungen) liebten den schlaksigen Zappelphilipp mit der kaum dem Stimmbruch entwachsenen krächzenden Knaben-Stimme, die anderen (älteren) fanden ihn einfach nur nervtötend. Heute kann der Ur-Berliner auf einen reichen Schatz an Erfahrungen zurückgreifen, den er durch seine Tätigkeit im deutschen Schlagergeschäft hat sammeln können. Er tut das in seinem Buch, das der Show ihren Titel gegeben hat „Du kannst nicht immer 60 sein“ und er tut es als kurzweiliger Erzähler von Anekdoten und als Parodist vieler der Stars, die er als Jüngling angesagt hat: Bata Illic (der Tragöde des deutschen Schlagers), Peter Alexander mit seiner verlogenen Verlegenheit und Moral („Hier ist ein Mensch“) oder Chris Roberts, der mit seiner Bewegungsmechanik und seinem TopHit „Du kannst nicht immer 17 sein“ die Initialzündung zu Buch und Show gegeben hat. Und: haben Sie schon mal den Text eines deutschen Schlagers genau angeschaut? Ilja Richter tut es und stößt auf Zeilen wie „Dunkel war die Nacht, ein Vogel sang…“. Da steckt Naturwissenschaft drin. Der alte Fuchs ist abgewetzt... Stumm und vergessen hat sie ihr Leben in einer Parallelwelt gelebt. Sie hat geschwiegen, sich das Schweigen vielleicht sogar bezahlen lassen, aber irgendwann, im reifen Alter von immerhin 75 Jahren ist des Schweigens nicht länger: sprach SIE, die verkannte, verdrängte, betrogene Zwillingsschwester von Hilde Irmgard Knef ging an die Öffentlichkeit! Der Sindelfinger und naturalisierte Berliner Regisseur und Schauspieler Ulrich Michael Heissig hatte vor einem guten Dutzend Jahren die faszinierende Idee, dieser bestechenden Fiktion Wort und Gestalt zu verleihen. Mit aufgefrischten Texten trat er in fast beängstigender Identität (Ähnlichkeiten mit dem Original sind durchaus beabsichtigt) auf die Bühne und ist seitdem Irmgard, in Maske, Sprache und Gestus ein Ebenbild Hildegard

Knefs, zugleich eine ungewöhnlich tiefe Huldigung an die große Dame des deutschen Chansons und Films. Frech kalauernd erzählt bis heute Irmgard von den gemeinsamen Anfängen als Kinderstars in den Varieté-Palästen Berlins vor dem Krieg. Berlin lag den Zwillingsschwestern zu Füßen, als sie „1+1 das ist 2“ sangen und Erich Kästner ein Kinderbuch nach ihnen betitelte, bis die braune Zeit in nur zwölf Jahren ihre Welt in Trümmer legte. Noch vor der „Währung“ ging Hilde nach Hollywood, Irmgard blieb in Berlin. Während Hilde Champagner trank und Seidenstrümpfe trug, soff Irmgard Bier in Kreuzberger Kneipen und blies Trübsal, wurde Eintänzerin im Café Keese. Die eine wurde ein Star, die andere die Undine vom Landwehrkanal, eine Spree-Loreley. Wie Heissig das und viele andere denkbare Anekdoten aus Irmgards verpfuschtem Leben mit fabelhaftem Vibrato und verzitternd ersterbender Stimme in atemlos verwehenden Sätzen erzählt, ist berührend und einfach genial. Die eingeflochtenen Chansons legen neue Texte auf Hilde Knefs bekannte Erfolge, aus „Ich brauch kein Venedig“ wird „Ich bin nicht die Hilde“ und der Welterfolg „Für mich solls rote Rosen regnen“ erklingt als „Auch ich möcht‘ einmal Rosen kriegen“. Zusammengerauft Wenn nun also Ilja Richter durch einen Planungsfehler des Theaters auf die heute flotter den je wirkende Irmgard Knef trifft – und diese beiden Individualisten (zunächst) um den Vorrang auf der Bühne kämpfen, haben die Zuschauer allen Grund zum Lachen. Doch die beiden machen zum Vergnügen des Publikums das Beste daraus. Abwechselnd stellen Herr Richter sein Buch und Frau Knef ihr Lamento über den verpaßten Ruhm vor. Wenn sie sich dann nach der Pause zusammengerauft haben, wird eine kleine musikalisch-komödiantische Show rund um das Thema Alter und Altern daraus. Heftige Kalauer und respektlose, bisweilen nur sehr zweifelhaft komische Ausblicke auf die mögliche Altersdemenz stehen in diesem bunten Programm neben wirklich amüsanten Anekdoten und herrlichen Parodien - mit der charmanten, Step-begabten Allrounderin Kim Pfeiffer als kleiner Farbklecks der Inszenierung. www.theater-im-rathaus.de Frank Becker


Heilende Gewürze Die neue Gewürzbibel von Dr. Bharat B. Aggarwal 50 heimische und exotische Gewürze für mehr Gesundheit und Wohlbefinden Zimt reguliert den Blutzucker, Kurkuma schützt vor Krebs und Curry vor Alzheimer: Gewürze sind kleine Kraftpakete, hinter denen sich mehr verbirgt als intensive Aromen. Seit über 20 Jahren erforscht Dr. Bharat B. Aggarwal am renommierten M.D. Anderson-Krebszentrum der Universität Texas die Heilwirkung von Gewürzen und stellt seine Ergebnisse auf lebendige Art und Weise in seinem neuen Buch vor. „Heilende Gewürze“ vermittelt das in neuesten Studien bestätigte Heilpotenzial bekannter Gewürze auch für Laien verständlich.

Auf über 500 Seiten beschreibt Dr. Aggarwal ausführlich die verschiedenen Anwendungsgebiete der Gewürze sowie deren heilenden Einfluss. Viele Gewürze sind wahre Wundermittel bei der Verteidigung des Körpers gegen Bakterien, Viren und Pilze. Sie wirken entzündungshemmend, können Alterungsprozesse aufhalten und sind, wissenschaftlich erwiesen, wirksam gegen verschiedenste Krebsarten. Dr. Aggarwals Werk rückt Gewürze endlich in das lang verdiente Rampenlicht und zeigt, dass auch mit scheinbar alltäglichen Gewürzen potente Wirkstoffe bei verschiedensten Erkrankungen zur Verfügung stehen. Beispielsweise hat die allseits bekannte Petersilie weitaus mehr zu bieten, als dekorative Blätter: Sie enthält reichlich Antioxidantien wie Apigenin, welches aufgrund seiner starken Wirkung

als Antioxidans und Entzündungshemmer das Potenzial zur Bekämpfung von Herzerkrankungen, Alzheimer und sogar Krebs hat. Daneben bietet Petersilie eine Fülle von Vitamin A und C und strotzt vor B-Vitaminen, Calcium und Eisen. „Heilende Gewürze“ ist ein Buch zum Nachschlagen und Anwenden – vom Kauf der Gewürze bis zur Aufbewahrung und Verwendung in Rezepten oder direkt als präzise gewähltes Heilmittel. „Dr. Aggarwal bietet einen hervorragenden Einblick in die gesundheitsfördernde Wirkung von Gewürzen, der den Lesern wertvolles Wissen gut verständlich vermittelt, um dieses in der täglichen Ernährung umzusetzen. Diese kraftvollen Nährstoffe sind ein Muss für jede gesundeErnährung.“ Prof. David Heber, Direktor, UCLA Center for Human Nutrition

Dr. Bharat B. Aggarwal Heilende Gewürze Wie 50 heimische und exotische Gewürze Gesundheit erhalten und Krankheiten heilen können Narayana Verlag GmbH, Kandern 2014 Gebundene Ausgabe, 512 Seiten Preis: 29,90 Euro ISBN: 978-3-95582-026-8

Fotos: Narayana Verlag

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Neue Kunstbücher Andere Zeiten Werkmonographien im Wandel der Zeit vorgestellt von Thomas Hirsch Es gibt etliche Möglichkeiten, (Kunst-) Bücher zu gestalten, und mit dem zunehmenden technischen Fortschritt wächst auch die Anzahl der Alternativen und Varianten, oft unter dem Einfluss von Moden. Indes ist das Kunstbuch als Katalog zu einer Ausstellung und in der heutigen Form ein relativ junges Genre. Vor dreißig Jahren machte es einen Riesenunterschied, ob die Abbildungen in Farbe oder s/w reproduziert waren. Daran und am Umfang des Kataloges konnte man erkennen, wie „wichtig“ ein Künstler war. In der Regel gab es einen umfassenden Katalog erst im reifen Alter als Dokumentation des Lebenswerkes. Heute ist Beides inflationär: das mehrere hundert Seiten starke Buch und die Menge an Katalogen zu ein und demselben Künstler – Ausgehend von der „klassischen“ Werkmonographie, die das Oeuvre eines Künstlers seit seinen Anfängen präsentiert, stellt sich die Frage, inwieweit die Katalogbücher zu älterer Kunst jetzt anders gestaltet werden als die zu zeitgenössischer Kunst. Inwieweit wird das Buchkonzept dem Werk gerecht? Also, kann man sich eine Monographie über Matthias Grünewald anders vorstellen als das Buch im DuMont Verlag, das im vergangenen Jahr erschienen ist? Grünewald (um 1480-1528) wurde berühmt

Francois-René Martin u. a. (Hg.), Grünewald, 352 S. mit 240 Farbabb., geb. mit Schutzumschlag im Schuber, 34 x 27,5 cm, DuMont, 68,- Euro

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mit seiner expressiven Figurendarstellung und seiner visionären Gestaltung von Licht – sein Isenheimer (Flügel-) Altar, der die Kreuzigung und Auferstehung Christi schildert, gehört zur Weltkunst; er befindet sich im Unterlinden-Museum in Colmar. Das Buch nun ist schwer, großformatig, aber nicht so, dass es ärgern würde. Es strebt nach Angemessenheit und nutzt das Format mit ganzseitigen Detailaufnahmen. Es liefert Vergleichsabbildungen und enthält neben dem malerischen Werk auch Zeichnungen von Grünewald. Es steuert gelassen auf den Isenheimer Altar zu und stellt diesen mit seinen Details, dem Figurenprogramm und den Farb-Licht-Kompositionen vor. Der Text, den der Pariser Kunstgeschichtsprofessor Francois-René Martin geschrieben hat, läuft parallel daneben. Er ist grundsätzlich und verständlich, nicht auf neue Forschungsergebnisse aus – das ist kein Symposions-Band, sondern ein Prachtbuch. Wie Grünewald war auch Théodore Géricault (1791-1824) ein Frühvollendeter. Und auch er beschäftigte sich – nachdem er zunächst heroische Szenen und Pferdestudien angefertigt hatte, natürlich in seinem bildnerischen Realismus – intensiv mit dem menschlichen Körper. Dies thematisiert nun die Monographie, die anlässlich seiner letztjährigen Ausstellung in der Schirn-Kunsthalle in Frankfurt/M. erschienen ist. Gewiss, ein Problem für

Géricault, Bilder auf Leben und Tod, 224 S. mit 165 überwiegend farb. Abb., Hardcover, 27 x 21,5 cm, Hirmer, 39,90 Euro

jede Ausstellung zu Géricault ist, dass sich die Rezeption auf wenige Hauptwerke – darunter „Offizier der Gardejäger beim Angriff“ und das „Floß der Medusa“ – fokussiert, diese aber aus dem Louvre nicht verliehen werden., Wohl auch deshalb stellt der Katalog im Hirmer Verlag, wie schon die Ausstellung, Géricault im Kontext seiner Zeit und seiner künstlerischen Interessen vor. „Bilder auf Leben und Tod“ lautet der Untertitel. Abgebildet sind seine Figurendarstellungen und die teils drastischen Körperfragmente, begleitet von Zeichnungen und etlichen zeitgenössischen Beiträgen. Dabei franst die monographische Struktur aus, und nicht ganz logisch ist, dass einige seiner Bilder lediglich in s/w abgebildet sind ... Das Buch zu Géricault trägt den Look des heutigen Ausstellungskataloges. Es ist als Hardcover gebunden, verzichtet aber auf den Schutzumschlag. Und statt Leinen-Bezug haben wir es beim Cover mit fester Pappe zu tun. Innen erreicht das Buch eine intelligente Strukturierung durch die Verwendung von blauem Papier bei den vier vertiefenden Textbeiträgen. Gut! Wo bei Géricault ein vergleichendes Sehen angestrebt wird, neigt die Monographie zum zeitgenössischen Künstler – im Sinne einer ersten, noch nicht endgültigen Bilanz – zur Chronologie. So auch beim Buch zu Mel Chin, das in einem deutschen Verlag (Hatje Cantz) zu einer

Mel Chin, Rematch, 240 S. mit 147 Abb., Hardcover, 29 x 23,5 cm, Hatje Cantz, 39,80 Euro


Ausstellungstournee in Amerika erschienen ist. Leider sind die Texte in englisch; immerhin ist dies ein erster Versuch, diesen wichtigen US-amerikanischen Konzeptkünstler hierzulande weiter bekannt zu machen. Mel Chin (geb. 1951) bezieht sich häufig auf Kunstgeschichte; ein weiterer Ansatz ist die Land Art – so sind etliche Werke im Außenraum entstanden – und die zentrale bildnerische Form ist die raumgreifende Plastik; daneben hat Chin interaktive Video-Installationen, Wandarbeiten und Zeichnungen angefertigt. Mel Chin ist mit seiner Position, die auch politische und gesellschaftliche Implikationen besitzt, kein Einzelfall – aber es lohnt sich, sich mit seinem Werk zu beschäftigen. Das Buch in seiner chronologischen Systematik, mit den ergiebigen Erläuterungen und einer abschließenden Werkbiographie ist dabei sehr hilfreich.

Haus der Kunst in München, zu der die Monographie bei Prestel erschienen ist, war ein Drahtzaun mit Rasierklingen errichtet und Backsteine hingen an Seilen von der Decke – das besaß (bei aller illustrativen Deutlichkeit) etwas physisch Bedrängendes. Aber wie kann es einem Buch gelingen, diese Präsenz der Werke und ihre Atmosphäre zu vermitteln? Nun, das Buch schafft es in seiner Abfolge ausgesprochen gut, die Intensität der Anliegen zu schildern, wozu Geers auch selbst zu Wort kommt. Seit 2000 lebt er in Brüssel; hier wendet er sich allgemeineren Themen zu, er interessiert sich für spirituelle Fragen und für Poesie – nun kommt etwas Dekoratives in sein Werk. Was in jedem Fall deutlich wird, ist der Furor gegen politisches und gesellschaftliches Unrecht und die Auseinandersetzung mit Sprache.

Kendell Geers - 1988-2012, 240 S. mit 143 Farbabb., Klappenbroschur, 30 x 23 cm, Prestel, 49,95 Euro

Zilvinas Kempinas - Slow Motion, 174 S. m. 183 Farbabb., Hardcover, 28 x 23,5 cm, Christoph Merian Verlag, 39,- Euro

Heute ist bei Kunstbüchern, die in Verlagen erscheinen, der Hardcover-Umschlag üblich. Die Broschur mit einem Umschlag, der nach innen geklappt ist, ist nicht mehr gefragt. Doch! Eine Werkmonographie zu dem südafrikanischen, in Brüssel lebenden Künstler Kendell Geers ist als Klappenbroschur erschienen, und das wirkt hier gut. Kendell Geers (geb. 1968) hat sich mit seinem Frühwerk der 1990er Jahre als politischer Künstler, der sich als weißer Südafrikaner gegen die Rassentrennung engagiert, etabliert. In seiner letztjährigen Ausstellung im

Eine andere Intention und eine andere Formensprache eignet dem Werk des litauischen Künstlers Zilvinas Kempinas, der ein Jahr jünger ist als Kendell Geers. Kempinas lebt seit 1997 in New York, und in dieser Zeit wurde er international bekannt. Vor etwa einem dreiviertel Jahr hat er eine Installation in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen realisiert; davor hat er im Museum Tinguely ausgestellt – dazu ist das Buch im Verlag Christoph Merian erschienen. Es versteht sich als Werküberblick, der zwischen dem frühen Werk und den Arbeiten

seit New York unterscheidet. Natürlich stehen die jüngsten Installationen im Mittelpunkt, bei denen Kempinas mit einfachen konstruktiven Maßnahmen und dem Umgang mit Licht und Dunkelheit ganze Räume temperiert hat. Das Raumerleben, das Atmosphärische, ja, Taktile ist mit Abbildungen schwierig zu vermitteln, zu diesem Zweck sind die zentralen Installationen mehrseitig abgebildet. Und dem Christoph Merian Verlag gelingt es, daraus ein stilvolles, präzises Buch zu formen, das dem Werk angemessen ist. Das ist doch schön!

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Geschichtsbücher, Buchgeschichten Vorgestellt von Matthias Dohmen

Geschichtspolitik Nützlich I: Man wartet schon jedes Jahr auf die neue Ausgabe des „Jahrbuchs für Historische Kommunismusforschung“. Schwerpunkt 2014 ist die Erinnerungskultur mit insgesamt neun Einzelstudien, die sich mit europäischen Staaten und zentralasiatischen Republiken beschäftigen. Gleich drei Aufsätze befassen sich mit der alten Bundesrepublik und der DDR. Geld spielt keine Rolle: Allein die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur gibt jährlich 90 bis 100 Millionen Euro aus – für immer wieder neue Studien über die Staatssicherheit und verwandte Themen. „Wenn der Staat Geld zur Aufarbeitung bereitstellt, dann kann er auch Vergabekriterien festlegen“, schreibt Markus Goldbeck auf S. 5 lakonisch. Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2014, Berlin: Metropol 2014, 325 S., 29,00 Euro Nützlich II: Das von der Arbeitsgemeinschaft historischer Forschungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland (AHF) herausgegebene „Jahrbuch der historischen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland“ stellt mit der Ausgabe für 2012 – zumindest in der alten Form und Trägerschaft – sein Erscheinen ein. Themen, die

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nachgeschlagen werden können, sind der Islam, Frankreichforschung, mittelalterliches Polen, das Russland des 18. Jahrhunderts und deutsche Einwanderer nach Amerika. Die unter der Adresse http://194.97.159.218/verlag/hbo im Internet verfügbare und laufend ergänzte „Historische Bibliographie“ dokumentiert die von der deutschen Geschichtswissenschaft aktuell publizierte historische Fachliteratur, ergänzt um eine Auswahl ausländischer Titel. Sie wird laufend aktualisiert. Derzeit sind in der Historischen Bibliographie 358.551 bibliographische Einträge sowie einige Tausend Arbeiten, die in der Entstehung begriffen sind, recherchierbar. Erfasst sind historische Monographien, Dissertationen, Habilitationsschriften sowie Editionen, Aufsätze aus Zeitschriften, Beiträge aus Sammelwerken und Festschriften. Fazit: Bücher zum Nachschlagen. Jahrbuch der historischen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland. Berichtsjahr 2012, München: Oldenbourg 2013, 758 S., 240,00 Euro

Publizistik Riskant: Die Autoren der „Frankfurter Zeitung“, die 1943 auf Goebbels’ Geheiß eingestellt werden musste, bewegten sich auf dünnem Eis. Zu ihnen gehörten Walter Dirks, Theodor Heuss, Franz Schnabel und Dolf Sternberger, die sich, ein schönes Bild, im Dickicht der „inneren Emigration“ durchschlugen. Allerdings finden sich in den Texten des renommierten Blattes auch „eindeutige rhetorische Konzessionen an das Regime, die bei dem skeptischen heutigen Leser eher den Verdacht der Kompromittierung oder sogar des Mitläufertums erwecken“ (S. 3). Ab 1943 gehörte die Zeitung dem nationalsozialistischen Franz-Eher-Verlag. Alles in allem bleibt die Frage, „ob die gegönnten bzw. erkämpften resistenten Freiräume“ von Redaktion und Autoren „nicht zu teuer erkauft wurden“ (S. 9). An 85 Texten, denen mehrere Register folgen, kann der Leser überprüfen, ob die Beiträge faschistisch, lediglich nicht faschistisch oder gar verschlüsselt antifaschistisch waren. Fazit: Ein notwendiges und lehrreiches Buch. William John Dodd (Hrsg.), „Der Mensch hat das Wort“. Der Sprachdiskurs in der Frankfurter Zeitung 1933-1943, Berlin/ Boston: de Gruyter 2013, 277 S., 79,95 Euro


Kulturnotizen Akademie Plus

Senf und Wasser Vergnüglich: Legendär ist die „Feindschaft“ der Düsseldorfer gegen die Kölner, der Domstädter gegen die Landeshauptstadtbewohner, von Alt gegen Kölsch. Eine Symbiose versucht der Wirtschaftswissenschaftler Horst A. Wessel, der lange das Mannesmann-Archiv geleitet hat, mehreren geschichtswissenschaftlichen und Fachvereinen vorstand und Professor an der Heinrich-Heine-Universität ist. Von der Antike bis heute spannt er den Bogen, und unser Wuppertal taucht auch an mehreren Stellen auf, etwa wenn es um den Eisenbahnbau Düsseldorf-Elberfeld geht (S. 35) oder die Schwebebahn, die nach den Plänen des Kölner Tüftlers Eugen Langen konzipiert wurde. Die Konkurrenz der beiden Rheinmetropolen ging bis in die persönliche Rivalität der Oberbürgermeister Adenauer und Lehr. Wessel plädiert für die Bündelung der Kräfte und die „Bildung einer Metropolregion Rheinland oder Rhein-Ruhr“, ohne dass die Kölner in Zukunft „Helau“ rufen müssen oder die Düsseldorfer „Alaaf“ (S. 87). Zahlreiche Fotos lockern den Text zusätzlich auf. Und wer sich intensiver mit der einen oder anderen Frage beschäftigen will, dem geben 153 Anmerkungen die nötigen Anregungen. Historische Wissenschaft kann auch populär sein. Fazit: Ein Buch zum Lesen und zum Verschenken. Horst A. Wessel, Kölner Senf und Düsseldorfer Wasser. Wettbewerb der rheinischen Nachbarn, Düsseldorf: Schifffahrtsmuseum 2013, 94 S., 7,95 Euro

Veranstaltungshinweise August und September 2014 „Lang lebe die Kunst“ Gemeinsamer Aktionstag von Akademie Plus & kubia Dienstag, 16. September, 10 – 16 Uhr Meditatives Schreiben Termin: 25. – 28. August, Montag, 15 Uhr bis Donnerstag, 13 Uhr Fotografieren statt knipsen Digitale Bildbearbeitung für Einsteiger Termin: 27. - 29. August, Mittwoch, 15 Uhr bis Freitag, 13 Uhr Wo bitte geht’s hier zum Film? Oder: Die Kunst, gute Bilder einzufangen Termin: 1. - 4. September, Montag, 15 Uhr – Donnerstag, 13 Uhr „Zu Hause im Netz“ Ein Tag rund um’ s Internet Termin: 6. Sept., Samstag, 10-18 Uhr Für alle, die gerne mit dabei sein möchten, finden sich weitere Informationen unter: www.akademieremscheid.de/ Akademie-Plus.de oder telefonisch unter 02191-794 212. „Lang lebe die Kunst“ am 16. September 2014 Aktionstag für Kulturaktive, Fachkräfte und Neugierige

geben sie einen lebendigen Einblick in die Kulturarbeit mit Älteren und bieten kulturell Interessierten, Fachkräften und Neugierigen von 10 bis 16 Uhr ein vielseitiges Programm zum Mitmachen, Informieren und Entdecken. Zahlreiche Praxisworkshops ermöglichen den Besucherinnen und Besuchern selbst kreativ zu werden und das Kursprogramm und das Dozententeam der Akademie Plus kennenzulernen. Die Angebote reichen von Holzschnitt, einem „Chor für alle“ und digitaler Fotografie über Tanz und Theater bis hin zu Musikmachen mit dem iPad und vielem mehr. Für Fachkräfte aus dem Bereich Kultur und Alter werden Workshops unter anderem zu Theaterarbeit mit Menschen mit Demenz, zu inklusiver, intergenerationeller oder interkultureller Kulturarbeit angeboten. Zudem können sie sich von Ausschnitten aus Kulturprojekten inspirieren lassen, die 2013 vom „Förderfonds Kultur & Alter“ des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützt worden sind und den Tag zum kollegialen Austausch nutzen. Das detaillierte Programm finden Sie im anhängenden Flyer und unter www.ibk-kubia.de/aktionstag Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung wird gebeten bei: Anke Rauch Akademie Plus/Akademie Remscheid Tel.: 02191 794 212 oder rauch@akademieremscheid.de www.akademieremscheid.de/Akademie-Plus MÜLLERS MARIONETTEN THEATER

Aufgrund der großen Resonanz im vergangenen Jahr laden das Kompetenzzentrum für Kultur und Bildung im Alter (kubia) und die Akademie Plus am 16. September 2014 zum zweiten Mal zum Aktionstag „Lang lebe die Kunst“ in die Akademie Remscheid ein. Mit dieser Veranstaltung

Nach der Sommerpause kommt der Kalif Im August in Müllers MarionettenTheater: Kalif Storch Nach der Sommerpause geht es in Müllers Marionetten-Theater mit Kalif Storch weiter im Programm. Das beliebte Abenteuermärchen nach der Vorlage des berühmten Kinderbuchautors Hans Christian Andersen rührt mit Spannung und Witz sowohl kleine als auch große Zuschauer. Einmal im Leben fliegen können! Das wünscht sich der Kalif von Bagdad. Von einem Magier erhält er das nötige Zauberpulver, um sich in einen Storch verwandeln zu können. Nur lachen darf er nicht, niemals! Denn wer lacht, vergisst das Zauberwort,

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Kulturnotizen 1. Wuppertaler Figurentheaterfestival · September 2014

wer lacht kann sich nicht zurück verwandeln. Als der Kalif sich aber in der Gestalt als Storch sieht, muss er eines ganz herzlich: lachen!!! Und tatsächlich vergisst er sogleich das Zauberwort und bleibt ein Storch. Als Vogel irrt er nun herum, auf der Suche nach dem Zauberwort, das ihn befreit, und trifft auf eine indische Prinzessin, deren Schönheit unter der Gestalt einer hässlichen Eule versteckt ist. Auch sie war auf die Freundlichkeit des Magiers hereingefallen. Gemeinsam finden Eule und Storch nun das Zauberwort und verbringen schließlich den Rest ihres Lebens, als Liebende, als Lachende! Hans Christian Andersens Märchen gehört zu den schönsten Abenteuermärchen und ist eine anrührende Liebesgeschichte über die man sogar herzlich lachen kann. Aufführungstermine: 13. Juli 2014 um 16 Uhr, 24. und 31. August jeweils 16 Uhr, 3., 6. und 7. September 2014 jeweils um 16 Uhr. Bitte beachten Sie, dass Müllers Marionetten-Theater vom 14. Juli bis 19. August wegen Theaterferien geschlossen ist. S MÜLLER N ETTE MARION ER T HuEpA TW per tal

10. bis 14. September 2014

Aus Anlass seine 30-jähr. Jubiläums laden wir einige unserer liebsten Kollegen ein. www.muellersmarionettentheater.de

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Do

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16 Uhr

Müllers Marionetten-Theater Aladin und die Wunderlampe für Kinder ab 4 Jahren* und für Erwachsene Müllers Marionetten-Theater Der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry · für Erwachsene Figurentheater Lille Kartofler Der Froschkönig für Kinder ab 3 Jahren* und Erwachsene Matthias Kuchta spielt mit fast lebensgroßen weichen Textilfiguren auf offener Bühne. Stellen Sie sich ein großes Schachspiel mit einem Schauspieler vor, der die Figuren bewegt und mit ihnen eine spannende, witzige Geschichte spielt.

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16 Uhr

theater 1 Goethe, Wassermaus und Kröte für Kinder ab 4 Jahren* und für Erwachsene Das „theater 1“ liest und spielt Kinderreime, Lieder, Gedichte, Geschichten – eben Poesie für Kleine. Dabei werden die Kinder viele Möglichkeiten haben, selbst mitzumachen oder mitzusingen.

So

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Seifenblasen Figurentheater Rumpelstilzchen für Kinder ab 3 Jahren* und für Erwachsene „Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß …“ So tanzt der bekannteste Kobold der Grimmschen Märchenwelt um sein Lagerfeuer. Er freut sich auf den Besuch bei der Königin, um seine versprochene Belohnung abzuholen … Das Seifenblasen-Figurentheater spielt mit Stabfiguren und Tischmarionetten.

So

Der kleine Prinz

al 1. Wuppertaler Figurentheaterfestiv

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Thalias Compagnons Macbeth · für Erwachsene Der Puppenspieler, von Ehrgeiz besessen, plant eine Aufführung von Shakespeares „Macbeth“. Als seine alten Kasperpuppen erfahren, dass sie nicht mitspielen dürfen, kommt es zum Aufstand: Hinter dem Rücken des Puppenspielers beginnt das Ensemble auf eigenes Risiko mit der Tragödie. Doch schon bald geraten die unschuldigen „Anfänger“ in den verhängnisvollen Sog der Shakespeareschen Dramaturgie. Und unbarmherzig erfüllt sich an ihnen Macbeths Schicksal.

Festival-Eintritt: Kinder 8 ¤ / Erwachsene 11 ¤, Rabatte auf den Gesamtpreis (nur bei Buchung direkt im Theater): bei Buchung von 2 Vorstellungen 10%, 3 Vorstellungen 20 %, 4 Vorstellungen 30 %, 5 Vorstellungen 40 %, alle 6 Vorstellungen 50 %. Der Vorverkauf hat begonnen. * Die Theater bestehen auf Einhaltung der Altersuntergrenzen.


Stephen Tharp war Organist an mehreren Kirchen in New York, darunter die St. Patrick’s Cathedral, und wurde im September 2013 zum Associate Director of Music an der Church of Our Saviour in New York City ernannt. Fr, 5. 9. 2014, 19:30 Uhr /// Opernhaus /// Premiere /// Tosca /// Giacomo Puccini (1858-1924) /// Melodramma in drei Akten; Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica nach dem Drama „La Tosca“ von Victorien Sardou. / Weitere Aufführungen: So, 7. 9., 16 Uhr, Opernhaus / Mi, 10. 9., 19.30 Uhr, Opernhaus / Fr, 12. 9., 19.30 Uhr, Opernhaus / Sa, 13. 9., 29.30 Uhr, Opernhaus / So, 14. 9., 16 Uhr, Opernhaus

Do, 18. 9., 19.30 Uhr /// Opernhaus /// Sweet Mambo /// Tanztheater Wuppertal, Pina Bausch /// Weitere Aufführungen: Fr, 19. 9., 19.30 Uhr, Opernhaus / Sa, 20. 9., 19.30 Uhr, Opernhaus / So, 21. 9., 18.00 Uhr, Opernhaus Fr, 26. 9. 2014, 19.30 Uhr /// Opermhaus /// „como el Musguito en la Piedra, ay si, si, si…“ /// Tanztheater Wuppertal, Pina Bausch /// Weitere Aufführungen: Sa, 27. 9., 19.30 Uhr, Opernhaus / So, 28. 9., 18 Uhr, Opernhaus / Di, 30. 9., 19.30 Uhr, Opernhaus

TalTonTheater Spielplan September 2014 September Samstag, 6. 9., 20:00 Uhr „Elektra“ – Premiere Hugo von Hofmannsthal

Als gefragter Konzertorganist ist er weltweit unterwegs und erhält Kompositionsaufträge – u. a. aus Köln, wo am Ostersonntag 2006 zur Einweihung der neuen Tuba-Hochdruckregister im Dom seine »Easter Fanfares« aufgeführt wurden. Beim Besuch von Papst Benedikt XVI. 2008 in New York spielte er vor einem Weltpublikum – das Konzert wurde live übertragen. Zur Eröffnung der Wuppertaler Orgeltage 2014 ist der Amerikaner im Großen Saal der Historischen Stadthalle zu Gast. So 21. 9. 2014, 11:00 Uhr / Historische Stadthalle /// 1. Sinfoniekonzert /// Weitere Vorstellung: Mo 22. 9. 2014, 20:00 Uhr / Historische Stadthalle Sa 27. 9. 2014, 12:00 Uhr / CityKirche Elberfeld /// Ohrenöffner - Musik im Gespräch / Leben, Werk, Mysterium: Gustav Mahler - ein Porträt

Klassiker nach der antiken Vorlage Die dichte Atmosphäre des Stückes wirkt archaisch, teilweise unwirklich, gespenstig. Ein sprachgewaltiges und leidenschaftliches Werk, das zu erleben sich lohnt. König Agamemnon opfert im Krieg um Troja seine Tochter Iphigenie und wird nach seiner Heimkehr von seiner Frau Klytämnestra und deren Liebhaber Aegisth im Bade ermordet. Soweit die Vorgeschichte, die in Hugo von Hofmannsthals einakter Adaption des antiken Stoffes von Sophokles um Elektra nur in Rückblicken Erwähnung findet. Getrieben von tiefen Gefühlen umkreisen sich nun Elektra, ihre Schwester Chrysothemis und Klytämnestra in dem begrenzten Umfeld des heimischen Hofes und der Vergangenheit, die diese Figuren aneinanderkettet und psychisch voneinander abhängig macht. Der Zuschauer wird Zeuge einer psychologischen Darstellung dreier Frauen, die unfähig, die Vergangenheit zu verarbeiten und in der Gegenwart zu leben, sich selbst verleugnen und ihre Persönlichkeiten, schließlich sogar ihre Menschlichkeit ablegen. Weitere Aufführungen: Sonntag, 7. 9., 18:00 Uhr) / Freitag, 26. 9.. 20:00 Uhr / Samstag, 27. 9., 18:00 Uhr / Sonntag, 28. 9., 18:00 Uhr Samstag, 13. 9., 20:00 Uhr Britta von Anklang Das können Sie sich abschminken Kabarett vom Schönsten!

Sa, 6. 9. 2014, 20:00 Uhr /// Saisoneröffnung /// Historische Stadthalle So, 14. 9. 2014, 18:00 Uhr / Historische Stadthalle /// 1. Orgel-Akzent /// Stephen Tharp, Orgel /// So 28. 9. 2014, 18:00 Uhr / Theater am Engelsgarten /// Premiere /// Die schöne Müllerin /// Liederzyklus von Wilhelm Müller und Franz Schubert / Ein Abend für neun SchauspielerInnen / Am Flügel: Christoph Schnackertz

Sonntag, 14. 9., 20:00 Uhr Chrizz B. Reuer Edgar-Allan-POEtry düstere Erzählungen TalTonTHEATER Wiesenstraße 118, 42105 Wuppertal, www.taltontheater.de Preise: VK Typ A: 17,-/15,- VK Typ B: 15,-/12,- AK Typ A: 18,50-/15,- AK Typ B: 16,50-/12,- /// kontakt@taltontheater.de Kartentelefon: 0211 27 4000 /// online

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Kulturnotizen Kunstmuseum Solingen Ross ohne Reiter Das Pferd in der Kunst der Gegenwart 21. September – 9. Oktober 2014 Dienstag – Sonntag 10.00 – 17.00

Das Pferd, das so schnell rennen sollte, dass sich die Nase biegt" Julia Wilczewski, Foto Künstlerin, 2011. Das Kunstmuseum Solingen präsentiert künstlerische Positionen zur Pferdedarstellung in der zeitgenössischen Kunst. Mit dieser Ausstellung wird einmal mehr deutlich, dass sich allein am Ross-ReiterMotiv Veränderungen des Zeitgeistes ablesen lassen: Bis zum Ende der Französischen Revolution waren Reiterbildnisse und Reiterstandbilder dem Adel vorbehalten. Mit dem Ende des Absolutismus profaniert und demontiert die Kunst die heroische Darstellung des Reiters bis hin zu Edgar Degas, der am Ende des 19. Jahrhunderts einen vom Pferd gestürzten Jockey malt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts werden Franz Marcs reiterlose Pferde zu symbolischen Stellvertretern des Menschen. Hundert Jahre später kommen Künstler unserer Zeit wie Emil Schumacher, Norbert Tadeusz, Andreas von Weizsäcker, Johannes Brus, Christa Näher und andere mit ihren Pferdedarstellungen zu überraschenden Aussagen, gerade weil sie auf den Reiter verzichten. Papiermuseum Düren Marianne Pitzen. Schwarze Vögel – Weiße Frauen 1. 5. – 24. 8. 2014 Marianne Pitzen (*1948 in Stuttgart) Künstlerin, Museumsleiterin und Gründerin des weltweit ersten Frauenmuseums in Bonn präsentiert das Thema Papierskulpturen im Papiermuseum Düren. Lebensgroße und lebendig anmutende Matronen in langen faltenreichen weißen

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Gewändern aus Zeitungspapier, geschichtet und geformt, erwarten förmlich den Besucher und empfangen ihn in einer inspirierenden Ausstellung schon im Eingangsbereich des Papiermuseums.

Das Leopold-Hoesch-Museum und das Papiermuseum Düren auf der Landesgartenschau Das Leopold-Hoesch-Museum & Papiermuseum Düren präsentieren auf der Landesgartenschau NRW Zülpich 2014 drei zeitgenössische Positionen von Skulptur im öffentlichen Raum. Der konzeptuelle Bildhauer Martin Pfeifle (*1975) zeigt eine begehbare Plattform mit dem Titel „zetta“, die unterhalb der Zülpicher Stadtmauer verortet ist.

Schwarze Flügelwesen ebenfalls aus Zeitungspapier, sorgen für spannungsreichen Kontrast zu den weißgewandeten Papierskulpturen. Zeitungspapier, als

Der Installationskünstler Paul Schwer (*1951) präsentiert zwei monumentale, farbige Leuchttafeln. Im Sinne eines kulturellen Dialoges befindet sich eine Skulptur auf dem Marktplatz in Zülpich und eine weitere auf dem Hoeschplatz vor dem Museum in Düren.

Speicher von Wissen und Information, ist vornehmlicher Werkstoff der Künstlerin. Marianne Pitzens Vorbild für diese Matronen waren die weisen Frauen des matriarchalischen Matronenkultes. Hinweise zu diesem Kult findet man vornehmlich im südlichen Rheinland. Die schwarzen und weißen Papierskulpturen stehen in der Ausstellung im Kontext zu einem für Düren traditionellen Papierverarbeitungsprozess, dem Trauerrändern, der als Inszenierung nicht nur den papierenen Gästen einen Einblick in ein altes Handwerk gibt.

Der an der Düsseldorfer Kunstakademie studierende Künstler Arjan Stockhausen (*1992) zeigt zwei Baumskulpturen, eine im Bereich unterhalb der Zülpicher Stadtmauer und die andere auf dem Areal Hoesch-Kreativ-Plattform. Video zur Installation „stockstock“ Auf der kulturellen Plattform „zetta“ veranstaltet das Leopold-Hoesch-Museum & Papiermuseum Düren über den gesamten Zeitraum der Landesgartenschau Zülpich verschiedene Events, wie Künstlertalks, Konzerte und Präsentationen der Region Aachen. Während der Laufzeit der Landesgartenschau Zülpich greift das LeopoldHoesch-Museum & Papiermuseum Düren in den Frühjahrs- und Sommer-


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Die Harmonie dieser Bilder gibt einen Eindruck der aktuellen sozialen Stimmungen wieder. Und wo stehen wir? Der Orchesterchef - als Clown verkleidet dirigiert die Symphonie

23. August bis 14. September 2014 Gemeinschaftsausstellung der GEDOK Wuppertal in der Schwarzbach-Galerie, Schwarzbach 144, 42277 Wuppertal „unfrisiert“ Vernissage: Sa., 23.8.2014, 18.00 Uhr. Mo., 22. September 2014, 19.30 Uhr Katholisches Stadthaus, Laurentiusstraße 7, 42103 Wuppertal „Gewaltverherrlichung und Friedenssehnsucht – Die Kriegslyrik Emile Verhaerens 1914 – 1916 Vortrag von Dr. Jutta Höfel GEDOK Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstförderer e.V., Gruppe Wuppertal www.gedok-wuppertal.de · gedok-wuppertal@t-online.de

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Heine-Kunst-Kiosk Ausstellung Elisabeth Grünschläger la philharmonie sociale Noch bis 6. September 2014 Ich höre diese Symphonie!

„La liberté d´expression silencieuse“ Diese Noten oder Portraits spielen die universelle, stille Komposition. Hören Sie die Melodie? Die Zuhörer spielen und werden weiterhin das Spiel mit diesen farbigen zerbrechlichen Formen spielen. Das alles ist eine soziale Philharmonie und ich nehme dies als Titel dieser Ausstellung www.elfv.de Kontaktadressen: Barbara Held Bornerstr. 8, 42349 Wuppertal Tel 0202/475098, barbaraheld@netic.de www.heine-kunstkiosk.de - Boris Meißner M.-Luther-Str.83 42853 RS Tel 02191/73162 Boris.Meissner@ freenet.de www.bbk-bergischland.de

STANDORT STÄRKEN KULTUR FÖRDERN

ausstellungen 2014 die Thematik von „Kunst, Umwelt und Natur“ auf. Leopold-Hoesch-Museum & Papiermuseum Düren Hoeschplatz 15, 2349 Düren www.leopoldhoeschmuseum.de

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Kulturnotizen Der BürgerBahnhof meldet sich zurück aus der Sommerpause: BürgerBahnhof Vohwinkel Kulturfahrplan August 2014 Freitag, 22. 8. 2014, 19:00 h Vernissage KunstStation Bernd Sippel On Location Modefotografie aus Wuppertal Ausstellung vom 22. 8. – 26. 9. 2014 Die KunstStation im Bahnhof Vohwinkel ist ein nicht kommerziell orientierter, temporärer Projektraum. Kunstinteressierten und Künstlern wird im Rahmen von Ausstellungen, Workshops und anderen thematischen Veranstaltungen Gelegenheit zum Austausch geben. Die KunstStation erweitert das kulturelle Angebot im Stadtteil um Präsentationsflächen für bereits etablierte, als auch jüngere künstlerische Positionen und bildet ein weiteres Engagement im Rahmen des ehrenamtlichen Projekts BürgerBahnhof. Eröffnet wird die KunstStation mit einer Fotoausstellung von Bernd Sippel: ON LOCATION Modefotografie aus Wuppertal. Geöffnet ist die Ausstellung jeweils eine Stunde vor Veranstaltungen im gegenüber liegenden BürgerBahnhof, sowie ganztägig zum „Tag des offenen Denkmals“. Öff-

nungszeiten: Fr. 22. 8., 19 – 21 h / Sa. 23. 8., 19 – 22 h / Fr. 29. 8., 19 – 20 h / So. 14. 9., 11 – 17 h / Fr. 19. 9., 19 – 22 h Sa. 20. 9., 19 - 20 h / Fr. 26. 9., 19 - 20 h Es folgen die Ausstellungen „Eckehard Lowisch - MISSION: BAHNHOF, Skulptur und Zeichnung“ vom 2. 10. 2. 11. 2014 und „BBK Druckwerkstatt Wuppertal – DIE ZEIT, Grafik“ vom 14. – 23. 11. 2014. – Eintritt: Frei Samstag, 23. 8. 2014, 21:00 h

Konzert in der Schalterhalle KlangReise mit Ulli Putsch, Namakua Pedro Bley & Reinhard Rechungpa Kreckel Der BürgerBahnhof startet fulminant in die Konzertsaison und unterstreicht mit einem Konzert in der Schalterhalle, das Bahnhöfe magische Orte sind: Wenn sich das Geräusch einfahrender Züge mit dem Klang einer Shakuhachi-Flöte mischt oder mitten im Bahnhof Klangschalen ertönen, werden Reisende, Flaneure und Neugierige wieder

zum Hören und Staunen darüber eingeladen, was in dieser Stadt alles möglich ist. Bei laufendem Betrieb wird es ungewohnte Begegnungen und Hörerlebnisse geben, die zeigen, dass sich der unwirklichste Ort durch Musik und Höreraufmerksamkeit in einen Konzertsaal verwandeln kann. Beginn 21 Uhr, Eintritt: Spendenbasis Freitag, 29. 8. 2014, 20:00 h Konzert Rookie-Sessions Wo ist Jan? / Sister Ray Die Newcomer Format„Rookie-Sessions“ wird in unregelmäßigen Abständen den regionalen musikalischen Nachwuchs fördern. Den Anfang machen: Wo ist Jan? bietet englischsprachige Rockmusik, die mal poppig, mal düster, aber dennoch niemals belanglos klingt. SISTER RAY (Wuppertal) Sister Ray ist nicht nur ein Velvet Underground Song, sondern eine 4p Band, die

Indie von Pop bis Grunge spielt. Stephan Dorf (bass), Tom Thöne (drums), Stefan Wittek (guitar/voc), Julian Altmann (guitar/voc) Eintritt: VVK: 6,- Euro / AK: 8,- Euro Projekt BürgerBahnhof Initiative des Bürgerverein Vohwinkel e.V Bahnstraße 16 / D-42327 Wuppertal Telefon 0202 - 89 79 89 53 www.buergerbahnhof.com / www.face

InterArtes 'ĂƌŐŽŶnjĂ ƌƚƐ͗ 'ĂƌŐŽŶnjĂ ƌƚƐ͗ /ŶƚĞƌĚŝƐnjŝƉůŝŶćƌĞ /ŶƚĞƌĚŝƐnjŝƉůŝŶćƌĞ <ƵŶƐƚͲ^ƟƉĞŶĚŝĞŶ

Tony Cragg ist als Kurator und Spender ein großer Förderer des Projekts! www.gargonza-arts.com

Der Conte schreibt ein Buch Conte Roberto Guicciardini schreibt die Geschichte des toskanischen Castello di Gargonza.

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ZŽďĞƌƚŽ 'ƵŝĐĐŝĂƌĚŝŶŝ ŽƌƐŝ ^ĂůǀĂƟ͗ „Il borgo castellano di Gargonza“ ĚŝĮƌ ĚŝnjŝŽŶŝ &ŝƌĞŶnjĞ Ɛ͘ƌ͘ů͘ ϮϬϭϯ ǁǁǁ͘ĞĚŝĮƌ͘ŝƚ


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