August E. Umbreit - Jacob Böhme: über das im Leben der Menschheit sich gestaltende religiöse Moment

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NE

Asr:5104

Umhreito




Jacob Böhme.

Eine Gedankenreihe über das im Leben der Menſchheit ſich geſtaltende religiöſe Moment.

Von

U ug u ft E r n ft 1 mbriit.

Heidelberg, bei F. E. B . M o hr. 18 3 5 .


,

denn Ăźber Gott werde ich nie Ĺżtreiten ."

Herder.

TLCA


V o r r ede.

b dieſe wenigen Bogen noch einer Bevorwortung

bedürfen , könnte füglich gefragt werden , da an mehre: ren Stellen in ihnen ausgeſprochen iſt , was ſiewollen und ſollen . Ja der ganze erſte Abſchnitt könnte als

eine Art Vorrede angeſehen werden , ſo auch der zweite , vielleicht auch der dritte, vierte und am Ende das ganze Schriftchen : doch das findet wol der Leſer ſelber, wenn

er aufmerkſam lieſt. Aber eben ehe er anfängt aufmerk: ſam zu leſen , möchte er ſich vielleicht an Gegenſtand ,

Titel und Form vorliegender Arbeit ſtoßen , und dadurdy

gerade vom aufmerkſamen Leſen abgeſchređt werden , was dem

Verfaſſer nun freilich ſehr leid thun würde.

Wie man etwas mit Liebe und Ernſt behandelt hat ,

und es nun mit der freundlichſten Geſinnung einem an: dern mittheilt; ſo wünſcht man dies doch mit einiger

Aufmerkſamkeit betrachtet zu ſehen , und ſollte man auch dieſe Aufmerkſamkeit damit erkaufen , daß man eine Vorrede vorſeßt, die doch eigentlid unnöthig , aber in


IV

folchem Falle nicht unnüß iſt. — Es wird daher dem Verfaſſer von dem aufinerkſamen Leſer wol verziehen werden , wenn er hier noch einige überflüſſige Erinne: rungen beibringt, die er ohne weiteres der Reihe nach ausſprechen will.

Dadurch , daß Facob Böhme’s ſehr zu beachtende Bedeutung zur Sprache gebracht wird, ſoll dem Myſti: cismus kein Anſpruch auf unſere Zeit zugeſichert wer: den ; im Gegentheil ! – Jener Myſticismus hat ſeinen

Auftrag erfüllt und tritt unwiederruflich ab. Ja un : wiederruflich, denn alle ſubjectiven Verſuche, ihn zurückzuführen , werden es nicht dahin bringen , daß er wieder zu einer That des Lebens ſelbſt wird. — Aber ſollen wir uns nicht freuen , wenn wir ſehen wie einer

ſeinen Auftrag tüchtig erfüllt, auch wenn dieſer Auftrag von dem unsrigen verſchieden iſt ? Was die gegebenen Auszüge aus Jacob Böhme bes

trifft, ſo , glaubt der Verfaſſer, ſind ſie ſo gewählt und zuſammengeſtellt, daß ſie ſich zu einem characteriſtiſchen Ganzen zuſammenſchließen , undmöchte wol dadurch der Leſer eine kleine Chreſtomatik aus Jacob Böhme in die Hand bekommen . Hierdurch möchte vielleicht auch dies

Schriftchen , abgeſehen von ſeinem ſonſtigen Zweck und Inhalt, für manche Leſer keine unwillkommene Gabe

ſein. Auch hofft der Verfaſſer , daß durch dieſe Auszüge und deren Zuſammenſtellung jeder unbefangene und mit


Facob Böhme nichtvertraute Leſer (und deren gibt es doch ſehr viele) ſich freuen wird , hier eine ſolche Bes kanntſchaft gemacht zu haben .

Wer Jacob Böhme's Schriften kennt und die wun: derliche Methode , in der ſie componirt ſind, wird ein ſehen , daß der vorliegende Verſuch ſeine eigenthümlichen Schwierigkeiten hatte; und wenn er dennoch beſſer

hätte ausfallen ſollen , ſo glaubt der Verfaſſer doch immerhin eine gewiſſe Entſchuldigung durch jene Schwies rigkeiten beſcheidentlich in Anſpruch nehmen zu dürfen . Aber nun ! - welche Maſſe von Citaten , Anfüh

rungen und Auszügen aus verſchiedenen ältern und neuern Schriftſtellern findet ſich hier in bunter Reihe unterges

bracht ! Hierauf wüßte der Verfaſſer freilich nur zur Entſchuldigung zu ſagen , daß es die Abſicht war , dies Schriftchen durch die Farbenbrechung einer moſaikartigen

Umkleidung beleuchten zu laſſen . Es könnte demnach wol nur die Frage ſein , ob die Abſicht gehörig durchges führt ſei, d. h . ob ſich hier eine Moſaik oder eine Coms

pilation darſtelle. Hierbei möchte aber der Verfaſſer eine Bemerkung machen , die man ihm hoffentlich nicht miß :

deuten wird. Er erklärt demnach , daß man ihn eines

ihm ganz fremden Fehlers beſchuldigen würde, wenn man der Meinung ſein ſollte , als hätte er irgend eine

Vorliebe für ſolches Citiren , wie ſie etwa dem alten Hagedorn beiwohnte , und jeßt auch hie und da wie:


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der Modewerden will. ( Böſe Beiſpiele verderben gute

Sitten ! – Hamann gehört nicht hierher ; das iſt etwas ganz anderes.) Zufällig hat er ſich bei dem im vorigen Herbſte (Heidelberg bei Mohr ) erſchienenen

Heftchen „ Zur Aeſthetiť “ auch in der Nothwendigkeit

geſehen , oftmals zu citiren , wobei er ſich aber in den gehörigen Schranken gehalten zu haben glaubt. Sollte man jedoch ſeiner Verſicherung nicht trauen , ſo glaubt er ſich auf ſeine „ Pſychologie als Wiſſenſchaft “ ( Hei: delberg 1831, beiMohr ) und ſein „ Syſtem der Logik “

( Ebendaſ. 1833 ) berufen zu dürfen , die hoffentlich als Beweiſe ſeiner Citatenfeindſchaft gelten dürften. — Man iſt oft genöthigt, das , was man nicht liebt , ja ſogar

haßt , doch wieder auf gewiſſen Standpunkten gelten zu laſſen , ja es oft ſogar, wunderlidy genug! ſelber zur Anwendung zu bringen. Die Welt iſt voller Wider: ſpruch . „ Doch ſchäme dich nicht der Gebrechen ,

Volende ſchnell das kleine Buch ; Die Welt iſt voller Widerſpruc ),

Und ſollte ſich's nicht widerſprechen ? "

Heidelberg , 1.Febr. 1835.


Daß unſere Zeitbewegung ein Kampf um Ideen ſei, hört man jeßt häufig , ja überhäufig aus - und nachſprechen , ſo

daß ſchon dadurch der unbefangene Beobachter etwas bedenks lich die Anſicht anticipiren möchte , es ſei dieſer Ausſpruch denn doch nichts anderes als eine Modephraſe , gleichſam ein Kompliment , das ſich unſere Zeit ſelber mache. — Sind denn etwa Ideen etwas ſo leicht Gewinnbares , ohne Mühe Anerkennbares , im trivialen Getreibe der Menge häufig Vors

kommendes ? Wolwäre es gar ſchön , und das ſich entwit:

telnde Leben einer echten Menſchheit gewaltig fördernd, wenn das allem Daſein und ſich fortbewegenden Leben zum Grunde liegende Göttliche – denn das ſind die Ideen — ſich als eine Reihe ewiger Selbſtoffenbarungen ausſpräche durch den ſelbſts

ſtändigen Geiſt hochbegabter Männer , und nun der große Haufen der Menſchen , ergriffen und erhoben von dieſen auss ſtrömenden lichtgedanken , ſich ſchaare um die trefflichſten ſeis ner Mitbrüder , durchzufämpfen den großen Geiſteskampf und

ſo mit Selbſtbewußtſein auszuführen , was er jeßt unbewußt vollbringt , indem er denn doch zuleßt immer die göttlichen

Bedingungen des Lebens durchführen muß. Schwerlich wird

aber wol je der große Haufe der Menſchen zu dieſer Klarheit und Energie des Geiſtes gelangen , und bedenklich muß es

und demnach vorkommen , wenn wir gerade von dieſem gros

Ben Haufen , oft ſogar von den unbedeutendſten Gliedern deſs ſelben , ausſprechen hören : Rampf um Ideen !


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Jene Bedenklichkeit des unbefangenen Beobachters , die fich ihm gleichſam als Anticipation aufdrängt, verwandelt ſich aber für ihn in drückende Gewißheit, wenn er ſo mans nichfaltige Erſcheinungen unſerer Zeit in's Auge faßt, und der pomphaft angeprieſene Kampf um Ideen zeigt ſich ihm

unter der traurigen Schattengeſtalt eines Kampfes um — Meinungen . Meinungen ſind die gehaltloſen Schattenbilder der Ideen , wobei freilich zu beachten iſt , daß , wie ein Schats ten nicht eriſtiren kann , ohne einewirkliche Geſtalt , ja ſogar

eine jede wirkliche Geſtalt begleitet , wenn ſie in einem Vers hältniſſe zu der fortſchreitenden Beleuchtung des Tages ſteht; ſo auch nur die Meinungen entſtehen , wenn es Ideen gibt,

indem ſie gleichſam die Schatten der Ideen ſind, die ſich auf der Oberfläche der Zeit projectiren . Dies hier Ausgeſprochene gibt ein reiches Feld für die

Betrachtung , und wenn wir es nur als kurze Einleitung zu nachfolgenden Gedanken hier aufgeſtellt haben , ſo findet dies darin ſeine Entſchuldigung , daß es nur dazu dienen ſoll die

Intention derſelben anzudeuten und den Leſer gleich von vorn herein unter die bewegten Geſtalten des Lebens zu führen ,

und daſelbſt den Standpunct höherer Freiheit anzuſprechen . Da es ſich nun nachweiſen ließe , daß der ſogenannte Kampf um Ideen , wie wir ihn ſo eben zur Sprache gebracht

haben , beſonders auch in religiöſer und ethiſcher Beziehung

mit vieler Anmaßung anftritt , wo er dann freilich um ſo vers derblicher eingreift, und die trefflichſten Erſcheinungen auf religiöſem und ethiſchem Gebiete mit ſeiner Turbulenz ergreift und in ſeine Staubwolken zu hüllen bemüht iſt ; ſo halten wir es um ſo weniger für unpaſſend unſere Betrachtungen und

Entwickelungen an die auszuſprechende Bedeutung eines Mans nes anzuknüpfen , der eine ganze Sphäre geiſtiger Richtungen vertritt, und gar wol als der regte dieſer Sphåre betrachtet werden fanno


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Daß ſich ſeit dem lezten Jahrzehent des vergangenen Jahrhunderts die Aufmerkſamkeit der deutſchen Denker wies derum 1 ) auf Jacob Böhme richtete , iſt jedem bekannt,

der mit der Geſchichte unſerer Nationalliteratur nur etwas

vertraut iſt. Jedenfalls kann nun die Beſchäftigung mit eis nem ſolchen Geiſte , wie der Jacob Böhme's , für die

jedesmalige geiſtige Summe der Ideen , die ſich als die hos here , reinere Potenz des Zeitgeiſtes darſtellt , nur bereichernd ſein , wodurch auch nothwendigerweiſe die in dieſe geiſtige

lebensbewegung aufgenommene, individuelle Idee eine bes fruchtende Berührung erfährt , und Yo ſich Anerkanntes und Anerkennendes in einem gegenſeitigen Wechſelleben als die

Dynamik und Organik der ewigen Lebensbewegung der Ideen bewährt. Wie eine ſolche individuelle Idee , welche als ein hiſtoriſches Factum , in ſeiner auf ſich ſelbſtſtändig ruhenden Eigenthümlichkeit , ſchon einmal vorhanden war , wiederum

in den wogenden Strom zeitlich ſich entwickelnder Ideen hers eintritt , ſo entſteht eine erregtere Thätigkeit jenes polaren Perhältniſſes , welches die abſolute Bedingung alles Lebens

iſt. Es bleibt daher von hoher Bedeutung , daß die dieſe Bewegung verurſachende Idee gehörig erfaßt werde und der

innere Lebenspunkt derſelben , um von hier aus ihre Bewes gung , die ſich unter den verſchiedenen Verhältniſſen des Das feins in mannichfaltigen Refleren kund gibt, einzuſehen . Nur

dann iſt man ſicher, daß ſich der geiſtige Gehalt der Zeit nicht nur immer reicher und lebendiger entwidelt , ſondern daß er

auch ſein über den zeitlichen Relationen erhabenes Freiheits princip behauptet und in fortſchreitender Entwickelung bes thätigt. Wenden wir dieſe allgemeinen Anſichten auf Jacob Böhme und auf die für ihn neu erregte Aufmerkſamkeit an , ſo müſſen wir freilich geſtehen , daß hier noch alles in den

Anfängen des Anfangs begriffen iſt ; denn erſtens iſt unſer guter Leutonicus bei weitem nicht ſo bekannt, wie er es vers


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dient, was ſich auch darin zeigt, daß er noch gar nicht alls

gemein als ein Schriftſteller anerkannt wird , der ſeiner ties fen geiſtigen Bedeutung wegen ſtudirt werden muß. Zweitens aber iſt Jacob Böhme auch von denjenigen , die ihn anerkens

nend wiederum zurSprache brachten, immer nur nach vereins zelten Richtungen hin aufgefaßt, oder vielmehr der Beachtung empfohlen worden 2). Die Folge hievon konnte dann nichts anders ſein , als daß ſein Name ein Spielbal der Parteien wurde , was dann freilich einem allgemeinern Bekanntwerden

deſſelben nur hinderlich ſein mußte , wie es uns auch die Ers

fahrung lehrt. Dieſem leßtern hat man zwar in neueſter Zeit entgegen zu wirken geſucht, namentlich durch eine neue Hers ausgabe ſeiner fämtlichen Schriften . Aber ganz davon abs

geſehen , daß der Herausgeber (Scheibler ) gar nicht dazu

geeignet iſt, ſeinen Zweck beim Publicum durchzuführen 3) ; ſo fragt ſich immer: was die Herausgabe von Schriften rolle, wenn dieſe Schriften ſelbſt nicht der Beachtung werth gehals ten werden.

Wir glauben demnach , es ſei vor allem nöthig das Pus

blicum mit derjenigen Eigenthümlichkeit Jacob Böhme' s bekannt zu machen , die ihm gerade für unſere Zeit einen hohen

Anſpruch auf Beachtung erwirbt. Dies kann aber nur das durch geſchehen , daß man ihn nicht in Beziehung auf gewiſſe wiſſenſchaftliche Richtungen , ſeien ſie philoſophiſch , oder théo . logiſch , oder ſtyliſtiſch , auffaßt, ſondern ſeine Individualität unbefangen als ſolche hervorhebt. Sprechen wir nun in

Beziehung auf dieſe Individualität aus, daß ſich die Idee der Menſchheit klar und beſtimmt in ihr zu realiſiren ſtrebt, mit aller Energie eines ſelbſtbewußten Gehaltes hervortritt , und eben in dieſem Selbſtbewußtſein ihren Standpunkt zu Gotts lichem und Weltlichem hat , welcher Standpunkt kein blos

negirender ſein kann , auch nicht einmal ein einſeitig trennens der und abſprechender , ſondern ein poſitiver und anerkennens der , kein vermittelnder , aber ein verſöhender : ſprechen wir


dies von

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Jacob Böhme’s Individualität aus , mithin ,

daß in ihr die beidem Momente , welche die große Erſcheis nung des Daſeins , die wir Menſchheit nennen , conſtituiren , nämlich Idee und Liebe, bedeutſam hervortreten : ſo wird

man uns wol einſtweilen zugeben , daß, wenn es ſich ſo verhalte , wir völlig Recht hatten für dieſe Individualität die Beachtung unſerer Zeit in Anſpruch zu nehmen .

Idee -- Menſchheit - Göttliches – liebe find

hochtlingende Worte — wir wiſſen es wol — die gar oft der Art angewendet werden , daß ſie in dem geiſtigen Verkehr für nichts anderes gelten können , als ſchön geſchliffene Prismen ,

die gegen den klaren Sonnenſtrahl gehalten unſer Auge mit farbigen Schattenbildern blenden . Oft aber ſind jene Worte nicht einmal die Werkzeuge zu ſolch anmuthiger , momentaner

Befriedigung des leichtfertigen Sinnes , ſondern nur die bes liebten Schlagwörter ſentimentaler Kopf- und Herzloſigkeit

und phantaſtiſch obſcuren Getreibes , das den Einſeitigkeiten

vergangener Zeiten mit abgeſtorbenen und verðumpften Bläts tern und Blümchen räuchert, und mit dieſem Qualme den hohen , weiten , herrlichen Horizont des menſchlichen Lebens zu verfinſtern ſtrebt, damit ja nicht der Gottheit Selbſtoffen barung , die eitel Licht iſt , des Menſchen Kern und Weſen

durchdringe. Es möchte demnach nöthig ſcheinen , daß wir erſt eine Erklärung abgäben über das, was wir mit jenen Wörtern bezeichneten ; da aber dieſe Erklärungen in unſerem Falle hier immer nur Worterklärungen (Nominaldefinitionen ) ſein würden , ſo unterlaſſen wir ſie lieber , indem ja die hier zur Sprache gebrachten Verhältniſſe ihre reale Erſcheinung und lebendige Entwickelung innerhalb des beſtimmteſten und inhaltsvolſten Momentes des Daſeins, innerhalb des menſch

lichen Rebend, haben . Wenn wir demnach anſchaulich und


überzeugend darthun , wie ſich in einem jeden trefflichen Ins dividuum die Idee ſeines Seins zum Selbſtbewußtſein hers

vorſtellt , was eben nur dadurch möglich iſt , daß ſie mit urſprünglicher Energie in ihm waltet , ſo muß fich wol für

jeden aufmerkſamen Leſer erweiſen , in welchem Sinne wir obige genannte Wörter gebrauchen .


Der Menſch, ſei er audy, wer er ſei, bildet iminer einen Mittelpunkt des Daſeins und Lebens, ſo wie im Räumlichen,

Materiellen , Phyſiſchen , ſo auch im Geiſtigen und Ethiſchen ; es iſt ein Oben und Unten , ein Hüben und Drüben vorhan den , in deren Verhältniſſen er ſich urſprünglich befindet , die ſich ihm mit einer continuirlichen Bewegung aufdrängen und

ihn zu einer beſtändigen Gegenwirkung aufrufen . Geſchieht dies nun auch bei einem jeden ſich in ſeinem ſelbſtſtändigen Principe behauptenden Gegenſtande des Daſeins , ſo hat jes doch nur der Menſch den Vorzug , daß er ſich nicht allein dieſes Wechſelverhältniſſes bewußt iſt , ſondern es auch zu : folge dieſes Bewußtſeins eigenthümlich beſtimmen kann ; wenn daher auch die Einwirkung des Daſeins auf ihn eine noth

wendige iſt, ſo geſtaltet ſie ſich doch in der geiſtigen Welt ſeines ſubjektiven Daſeins (die dadurch immer mehr an In

halt gewinnt) , zufolge eines Princips , das die innerſte Bes wegung ſeiner ſelbſt iſt. Zugleich iſt auch die von ihm auss gehende Gegenwirkung eine Manifeſtation ſeines Innern und

der Stempel ſeines Lebens , den er dem ihn umgebenden Das , ſein aufdrückt. Daher kommt es auch , daß der Menſch nicht

blos mit Bewußtſein in dieſer Wechſelwirkung ſteht , ſondern auch das ſeiner bewußte Subject derſelben iſt. So verhält er ſich immer productiv , und muß ſich nothwendig ſo verhalten,

wenn er ſeinen Standpunkt als Menſch behaupten will. Mit ten in 's volle Leben iſt er urſprünglich hereingeſtellt ; wäre

dies , urſprünglich nicht , ſo könnte er ſo wenig hineinkoms men , als er im Grunde herauskann , welches leßtere nicht zu überſehen iſt ; ſehen wir demnach , daß ſich die Menſchen in ihren einzelnen Individualitäten dem Leben bald mehr oder


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weniger nähern , oder auch oft umgekehrt ſich von demſelben bald mehr oder weniger entfernen , ſo werden wir hier nur das Steigen und Fallen des Lebens ſelbſt im Menſchen ges

wahr. Worin nun dies Steigen und Fallen beſteht, wäre hier beſonders auszuſprechen , um nicht das bedeutendſte Vers

hältniß des Lebens durch eine bloſe Formel der unfruchtbaren Abſtraction zu übergeben . Doch vermeiden wir auch hier eine vereinzelte Definition , und gehen lieber in der Entwickelung

dieſer Zuſtände weiter , wo dann die Definition gleichſam von ſelber hervortreten muß. .

Die productive Thätigkeit des Menſchen erweiſt ſich

nun zuförderſt darin , daß er ſich der Welt gegenüber findet.

Es iſt eine Summe von Thätigkeiten , Wirkungen , Erſcheis nungen vorhanden , die beſtändig auf ihn eindringen und ihn zur Thätigkeit aufregen , welche Aufregung um ſo bedeutender

wird , wenn er bemerkt , wie alle dieſe Thätigkeiten , Wirs kungen und Erſcheinungen in einem Contact und Sonner zu

ſammenſtehen ; denn da ſieht er ſich nothgedrungen zwiſchen fich und der Welt , ſowol für das Erkennen als für das

Handeln , ein Verhältniß zu gründen , das ſich auf beſtimmte Marimen bafirt , die er durch die Thätigkeit ſeines Geiſtes gewonnen hat , um der Welt auch eine in ſich zuſammens

hängende Thätigkeit entgegen zu ſeßen . Da tritt nun gleich ſeine productive Thätigkeit einleuchtend hervor; er will ſeine Selbſtſtändigkeit behaupten , dies kann er aber nicht , wenn

er die Welt ſo aufnimmt, wie ſie ſich ihm gibt; das, was von allen Seiten auf ihn einſtrömt, muß er auf eine gewans de, mannichfaltige Art zu behandeln wiſſen , er muß abwei ſen , wieder aufnehmen , trennen , verbinden , theilen , das Getheilte wieder zuſammenſtellen und ſo fort, ſei es für das Wiffen oder für das Handeln , kurz er wil und muß Einheit in den Beziehungen zur Welt haben , Einheit, die aus dem

Subjecte reines Weſens hervorgeht , eben um Herr über die Welt zu werden , welche ihrerſeits wiederum jene Einheit beg


ſtånbig zu vernichten ſtrebt , indem ſie den Menſchen in thre

Zerſtüdelung hereinzuziehen ſucht. Dieſes Verhältniß zwiſchen Gemüth und Welt , welches eine Bedingung der Menſchheit iſt, alſo ſich mit jedem menſchlichen Individuum gegeben fins

det, und das urſprüngliche Lebenselement deſſelben bildet, ist jedod einer großen Ausbildung und Erhöhung fähig , ſo wie es ſich auch höchſt mannichfaltig ſchon urſprünglich in den

Individuen zeigt, ſo daß beſonders die Ausbildungsfähigkeit lebendiger in dem Einen vorhanden iſt als in dem Andern , wobei vorzüglich beachtetwerden muß, daß dieſe Ausbildungss fähigkeit ein inneres poſitives Verhältniß iſt , und darum auch ſich von innen heraus vollzieht. Es wird alſo der Menſch

um ſo echter und gediegener ſein , je freier und kräftiger er ſeinen Standpunkt in der Welt ausbildet , wodurch er die Welt nicht blos fich gegenüber, ſondern auch unter ſich hat, dadurdy, daß er immer beſtimmter anerkennt, wie dieſes ſein Verhältniß zur Welt zugleich die innere Geſtaltung ſeines

eignen Weſens iſt , der Lebensinhalt ſeines Daſeins , der wol ein gewonnener und gebildeter genannt werden kann , aber

doch nur die erfreuliche Bildung zeigt , wenn er , ſchon bis zu einem gewiſſen Grade geſtaltet, als urſprüngliches Leben des Individuums gegeben war. Die gediegenſte Erſcheinung des Menſchen iſt, wenn ſeine gewonnene Bildung fich fort und fort in 's Unendliche bewegt, und in jedem Augenblicke dieſer Bewegung friſch und voll aus ſeiner unmittelbaren Natur

hervorquillt, wenn ſich der Menſch immer wieder von vornen lebt. Da ſteht er ſelbſtſtändig und unverwüſtlich da ; immer ganz; raſch , kräftig und entſchloſſen eingreifend, wo ſich ihm

das Ächte, Wahre, ihm im höchſten Sinne Nüßliche dar bietet.

Er iſt ein Anthropos , ein menſchlich und aufwärts

Schauender , ſeinen Standpunkt nimmt er aufder Erde ſchwels lenden Hügeln , wo jeder Tritt ſeines Fußes der Muskel ſtraffe Gewalt anſpricht , aber ſein Haupt erhebt ſich leicht und frei, und fühlt nur die Gewalt der aufſtrebenden Seele , die gibt


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ihm den innern Salt, daß es klar und beſtimmt durchſchaue die um ihn ſtehenden und mannichfach wechſelnden Bilder des Lebens. So bildet er ſich ſeinen freien , ihn weit und weiter

umgebenden Horizont, worin eine jede hereintretende Seſtalt ſogleich ihren beſtimmten Plaß bekommt als bedeutendes Sterns bild feines Lebens. Aber er iſt ja nicht blos ein um ſich und durch Schauender , ſondern auch ein aufwärts Schauender ;

was ſchaut er nun über ſich , hat er nicht die Welt unter ſich , und neben ſich ſeine Mitbeherrſcher ? Sieht er etwa noch ges

heimnißvolle , gewaltige Erſcheinungen , die ilin mit unenda licher Ahnung füllen und ihm eine Sicherheit gewähren , daß er ſo frei und fühn von Höhe zu Höhe einherſchreitet ? So ſehen wir denn , wenn wir den Menſchen in ſeinem Verhältniſſe zur Welt betrachten , und bis zu dem Punkte ges langen , wo er eben in dieſem Verhältniſſe die echte Entfals tung ſeines Weſens darſtellt, daß ſich hier Beziehungen zeis gen , welche wir noch nicht ausgeſprochen haben , und die

doch erſt allen weltlichen und menſchlichen Beziehungen die gehörige Bedeutung geben . Verſuchen wir auch dieſe Bezies hungen auszuſprechen , indem wir zuerſt bemerken , daß dieſes Ausſprechen , ſei es mehr oder weniger ausführlich , geſchehe es von dieſem oder jenem , immer nur ein Verſuch ſein wird;

denn es ſoll hier etwas Unausſprechliches ausgeſprochen werden .

Jedoch iſt dieſer Verſuch nichts Unnöthiges , etwa

gar Unpaſſendes , ſondern das Bewußtſein der Menſchheit in uns verlangt ihn , und findet in demſelben eine Bethätigung ſeiner ewigen Ideen . · Wir haben ſchon oben ausgeſprochen wie der Menſch in ſeiner nothwendigen Wechſelbeziehung zur Welt ſich productiv verhält, und dadurch erſt dasjenige Verhältniß freithätig hers

vorbringt , worin die Welt ſeinem Daſeinszwede correſpons dirt. Sehen wir nun genauer auf dieſe Harmonie , inſofern fie in Beziehung auf die zufällig wirkliche Erſcheinung der

weltlichen Verhältniſſe ſtattfindet ; ſo zeigt Re fich freilich


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noch gar nicht als eine wahre Harmonie , ſondern ſte iſt im glüclichſten Falle doch nur ein erträgliches Verhältniß , gleichſam ein Vertrag, den hier das Gemüth mit der Welt abſchließt, indem es von derſelben nicht zu viel verlangt. Rann ſich auch bei einem ſolchen Übereinkommen mancher

Menſch begnügen , weil es ihm denn doch blos darum zu thun iſt, ein ruhiges , gemächliches Leben zu führen , ſo muß hingegen derjenige, der ſich bewußt iſt, dahin zu ſtreben , daß ſich in ſeiner Individualität die Idee der Menſchheit ges diegen hervorbilde, jenes erträgliche Verhältniß als ein höchſt unzulängliches anerkennen , ſo daß er gerade mit der Welt im entſchiedenſten Zwieſpalt ſtände: Nun haben wir aber ans erkannt, daß ja eine ſolche gediegene Erſcheinung der Menſcha heit nicht außer der Welt ſteht , ſondern gerade im innigſten Verhältniſſe zu ihr ihren Karakter ausſpricht, dadurch , daß die Welt in ein correſpondirendes Verhältniß zu ihr (dieſer gediegenen Erſcheinung nämlich ) tritt. Wie erklärt ſich dies ?

Wird die Welt etwa eine andere ? - Nein ! denn es gäbe dann keine Welt. — Wird er ein Anderer ? — Auch nicht; denn er iſt nur, was er ſein ſoll, wenn er ſeine Selbſtſtäns digteit in der Welt behauptet. - Hier treten alſo zwei Ges genfäße auf. - Allerdings !" aber das allmächtige Leben durchdringt fle , und der gewaltige Zwieſpalt wird unendliche Harmonie. - Was iſt aber dies allmächtige Leben ? Nun haben wir zuerſt wiederum auf den ro wichtigen Punft aufmertſam zu machen , daß der Menſch ſich in der gegebenen Wechſelbeziehung zur Welt productiv verhält , daß

er fich ferner fein Verhältniß in derſelben ſelber ſchafft, und daß es was ein leeres mmendnicht nn em Rohierzu altendiekaFähigkeit hwir als ein leeres Gefäß , das ets was von außem Rommendes aufnehmen und mit Willen feſts halten kann , zu betrachten liches, ſondern daß es eine Eris erunahaben

äuß er leihrbenseigenthümliche eſen als 8 , hiiſter ,agdie als €ſtenz s WWeſen

eine Summe

nothwendiger Lebensäußerungen ausſpricht. Wir unterlaſſen

est, hier auf eine weitere Deduction der verſchiedenen noths


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wendigen Momente des Lebensgehaltes des Ich einzugehen , ſondern betrachten denſelben als einen unſerer Anſchauung ges gebenen Gegenſtand, indem wir mit unſerm Gedankengange uns frei über denſelben bewegen . So verfuhren wir bis jeßt,

und indem wir es auch bei den noch zu betrachtenden Bezies hungen durchführen , ſtellt ſich uns eine fortlaufende Reihe

wiederholter Spiegelungen der Idee der Menſchheit dar, aus denen zuleßt eine ſolche Geſtalt hervortreten wird , um

an ihr die bedeutende Individualität eines Jacob Böhme. berichtigen zu fönnen. : Wenn ſich der Menſch mitten im vollen Leben als ein freithätiger Mittelpunkt deſſelben gewahr wird , indem in ihm das Selbſtbewußtſein ſeiner Menſchheit ſich voll und kräftig entfaltet ; ſo weiß er ſich wol in einer nothwendigen Bezies hung zur Welt, da er ja weiß , daß er ſelber nur in derſels ben ſeine Eriſtenz hat; aber zugleich mit dieſem Bewußtſein

ſeiner Eriſtenz in der Welt hat er ja eben auch das Bewußt: ſein ſeines inhaltsvollen Verhältniſſes zur lettern . Er weiß demnach ſich als das Subject ewiger Ideen des Lebens, die ſich in tauſend und aber tauſend Refleren ausdrüden , in ihm und außer ihm , im Geiſtigen und Materiellen . Bald

ſpielen ſie von außem herein auf des Gemüthes unendlichen Spiegel , bald dringen ſie aus dieſer unerſchöpflichen Ges müthstiefe als die Silberblicke des ewigen Lebenstages der

Seele unmittelbar hervor, aber immer und immer begegnen fie ſich in erhebender Harmonie , die ja eben das freie Weſen der menſchlichen Gemüthskraft iſt , welche leßtere nichts von

außem nimmt, wenn nicht dadurch eine innere Saite tönend berührt wird , und nun die innere Menſchenharfe den Lon feſthält und durch reinere Accorde fortklingen läßt. So ent

widelt , geſtaltet ſich und lebt in ihm das ewige liebeſpiel der Ideen . Sie gehen aus und ein , entgegnen ſich , trennen ſich, umfaſſen ſich , durchdringen ſich , und ſtellen ſo , als mit un

vergånglichem Frühling umduftete Horen , das treiſende les


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13

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ben im Menſchen dar. Wie ſie nun auch in einander leben und weben , ſie geben dem Menſchen das Bewußtſein ſeines höhern Daſeins , denn fle ſind dieſes Daſein ja ſelbſt ; darum

iſt ihre Wahrheit in ihrem unmittelbaren Leben , und jeder ihrer Ausſprüche iſt ein Erlebtes und Wirkliches , mithin fich fort und fort erzeugende Liebe. Da erfaßt der Menſch in ſeis

nem Bewußtſein die Fülle des Lebens, die Welt ſteht ihm nicht mehr einſeitig in ihrer zufälligen Bedeutung gegenüber , ſondern ſie hat durch ſeine eigenen Ideen ihre wahre Bedeu .

tung für ihn bekommen ; denn ſo wie der Menſch das Bes wußtſein ſeines höhern Daſeins hat, muß auch die Welt eine höhere Bedeutung für ihn haben , welche Bedeutung auch ihre Wahrheit iſt , indem des Menſchen Daſein , in jedem Falle , nur ein Daſein in der Welt ſein kann. Der Menſch eriſtirt nur, wenn er das ſeiner ſelbſtbes wußte Subject der Ideen iſt. Sobald nur irgend ein geſuns

des Bewußtſein im Menſchen ſich vorfindet, iſt auch jenes Selbſtbewußtſein der Ideen da. Freilich nicht unter der Form einer ſich beſtimmt ergriffen und nun ſich als ein nothwendiger

Gedanke ausgebildet habenden Vorſtellung , ſondern als die

urſprünglichſte geiſtige Lebensmanifeſtation der Seele. Uns mittelbar iſt er ſich der ihm gegenüber ſtehenden Objectivität und ſeines nothwendigen innern Verhältniſſes zu ihr bewußt, eben dadurch , daß er ſich unmittelbar thätig in der Welt fins det.

Wodurch nun dieſe Thätigkeit in ihm rich unmittelbar

zeigt , das ſind ja eben die Ideen , welche als objective Eris

ſtenzen außer ihm ſind und zugleich in ihm als integrirende Cheile ſeines inhaltsvollen Ich. Wie ſich nun ſein eigenſtes Weſen immer mehr entfaltet, ſo iſt es eben nichts anderes , als daß er ſich immer vollendeter und felbſtſtändiger als das Subject jener Ideen hervorſtellt , erkennend und wollend auf

die Objectivitåt einwirkend , und dadurch an innerm Gehalte ſelber gewinnend , ia in allen dieſen Wirkungen ſein eigenes Weſen erſt ſelber vollziehend. Darum iſt jede nothwendige


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Idee , die ſich in ihm der Art ausbildet, ein Erlebtes, denn ſie iſt ein Theil feines Lebens und zugleich dadurch ſich fort und fort erzeugende Liebe.

Die Liebe , wie wir ſie hier

in ihrer höchſten Bedeutung auffaſſen , iſt das Streben und Wirken des Menſchen , wo er in jede Bewegung, die von ihm ausgeht, ſeine eigenſte , innigſte Eriſtenz hineinlegt , ins

dem dieſe lektere ja nur daſein kann , wenn ſie ſich in jeder ſolcher Bewegungen immer wieder aus ſich ſelber erzeugt. Die Liebe iſt ein beſtändiger Opferdienſt am Altar der Menſchheit.

Jene Ideen ſind nun das Wahre , das Schöne und das Edle , ſomit zeigt ſich alſo das wahre Leben des Menſchen als ein Leben in dieſen Verhältniſſen , und iſt , als ſolches , das

ſeiner ſelbſtbewußte unendliche Streben der Menſchheit, die wir weiter oben durch Idee und Liebe conſtituiren ließen . Ins dem ſich ferner die Idee der Menſchheit in dem Menſchen als Ausdruck unendlicher liebe manifeſtirt , muß ſie nothwendig

Leben eines Individuums ſein , denn ſie iſt das ſeines wahren Inhaltes bewußte Ich . Der Menſch iſt aber als Individuum

in eine Reihe endlicher Bedingungen verwickelt , Idee und Liebe hingegen machen auf jedem Punkte , wo ſie hervortres ten , ihre Unendlichkeit gelten ; ſo könnte man hier einen Wis derſpruch finden , wenn nicht zu bedenken wäre , daß eben da:

durch , weil das Individuum die Ideen als etwas Erlebs tes mit Liebe in ſich hegt, daſſelbe ſich in unendlichen Vers hältniſſen erblickt, nicht durch bloſe Gedankenſchlüſſe, ſondern

eben durch die in höherer Lebendigkeit hervortretende Grunds anſchauung ſeines Daſeins.

Es hat die gegebene zufällige

Objectivität ſich gegenüber , aber eben ſo nothwendig die

Macht der unendlichen Idee und Liebe über fich , in deren

Gebiet es wie eine ewige Geiſtererſcheinung hineinragt, und in ihm ſeine Wahrheit findet. Unmittelbar gewiß , wie ihm ſeine Eriſtenz und die der Objectivität iſt , iſt ihm auch jene

ewig waltende Macht. Sie iſt das Göttliche; alles lebt und webt und iſt in ihr. In jedem wahrhaft erhöhten Zuſtande


ſeines Daſeins erlebt der Menſch das Göttliche in ſich und erfaßt mit ſeinem ganzen Gemüthe dieſe heilige Macht, die aber frei ſchwebt über den Häuptern der Menſchen , und in

ihrem vollen Glanze unerfaßbar iſt für endlich bedingte Wes ren , denn ſie iſt der Herr des Himmels und der Erde , der ſich ſelber anſchaut in ſeinem Reich und in ſeiner Herrlichkeit

von Ewigkeit zu Ewigkeit, den ſelber die die Himmel bewohs nenden Engel nicht ergründen können . „ Der Anblick gibt den Engeln Stärke , Da keiner dich ergründen mag , Und alle deine hohen Werte Sind herrlich wie am erſten Tag.“

Ohne dieſe für uns objektive höchſte Macht und abſolute Einheit der Ideen wären dieſe in ſich ſelber widerſprechend ,

und das Erleben derſelben als Gehalt der Menſchheit wäre nicht möglich .

So beſteht die Religion . Sie iſt das Erleben des Gött: lichen im Menſchlichen , eine beſtändige Offenbarung der

Gottheit und Erlöſung der Menſchheit im Innern des Mens ſchen .


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16 -

Was iſt alſo Religion , und wer hat welche? Gibt es verſchiedene Religionen , oder immer nur die eine ? -

Alle

dieſe Fragen beantworten ſich gleichſam von ſelber , wenn nur eine von ihnen in ihrer gehörigen Bedeutung anerkannt

und beantwortet iſt; denn die Religion eriſtirt nur, wenn fie gehabt wird , d. h . wenn ſie Lebensäußerung des Mens

ſchen iſt , und iſt ſie eine ſolche Lebensäußerung , ſo ſteht der Menſch in einem unmittelbaren Lebensverhältniſſe zu dem Eis

nen , Höchſten , das als Urquell aller Heiligkeit und Gnade das Eine, was Noth thut, am Menſchen wirft : folglich gibt es nur eine Religion . Religion iſt höchſte Entfaltung der Liebe, mithin That, aber keine einzeln aus einem Compler der ſich aneinander reihenden Handlungen hervortretende, ſie iſt auch nicht jene einſeitige Reihe von Handlungen , ſondern ſie iſt das Leben

eines Individuums als die Geſamtthat ſeines geiſtigen Das ſeins , das ſich Bethätigen der Idee der Menſchheit , und das

mit das Anerkennen des Lebendigen , objectiven Urquells als

ler Föeen , nämlich der Heiligkeit und Ewigkeit Gottes. . Wir können demnach denjenigen als religiös bezeichnen , der ,

anerkennend die hohen Ideen des menſchlichen Lebens , ſie auf ſeinem begränzten , individuellen Standpunkte darzuſtel len ſich beſtrebt , indem die Wahrheit dieſer Ideen nicht blos für ihn unerſchütterlich iſt , inſofern nämlich in ihnen eine Gefeßgebung für ſeinen Willen liegt, ſondern inſofern dieſe


: - 17 Wahrheit auch eine die Erſcheinungen des Lebens beherrs ſchende Macht iſt. Dieſe Macht iſt das Unbegreifliche für den Verſtand ,

das Anzuerkennende für die Vernunft , aber ſie iſt unerfaßs bar durch dialectiſche Relationen , obgleich durch dieſe leßtern aufſtellbar in dem Syſteme des denkenden Geiſtes . - Was

Schiller einſt von der Genialität ausſprach: ,,Klar iſt der Aether und doch von unermeßlicher Tiefe ; Offen dem Aug , dem Verſtand bleibt er doch ewig geheim .“ gilt auch hier , nur in einem noch viel weiteren Sinne; denn das Auge iſt hier das unmittelbare Leben eines echtmenſch

lichen Individuums, mitten in den tauſend Beziehungen Refleren , Wirkungen und Gegenwirkungen des reich und von dahin wogenden Stromes unſeres Daſeins. ' , .

So iſt das Göttliche, in dem wir leben , wes ben und ſind, ein tief deutſames, uns umwogens

des Licht- und liebesmeer. So iſt es denn die echte liebe, deren hoher unerſchöpfs

licher Gehalt die Religion iſt. Religion iſt die Gottſeligkeit der menſchlichen Liebe. Sie weiſt den Menſchen beſtäns dig auf ſeinen richern , feſtgegründeten menſchlichen Stands

punkt an : ,, Denn mit Göttern Sol fich nicht meſſen Irgend ein Menſch .

Hebt er ſich aufwärts , Und berührt

Mit dem Scheitel die Sterne, Nirgends haften dann

Die unſichern Sohlen , Und mit ihm ſpielen Wolfen und Winde.“

„ Steht er mit feſten Martigen Knochen

Auf der wohlgegründeter Dauernden Erde;


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Reicht er nicht auf.

in .

.

Nur mit der Eiche Oder der Rebe : Sich zu vergleichen ."

(Göthe. B . 2 , 84.)

Aber dieſer Standpunkt liegt in der ſchönen , unendli chen Gottesflur. Auf ihm ſteht der Menſch : . . Rindliche Schauer

-

Treu in der Bruſt."

.

diye

Und wie ſich ſein Gemüth geſtaltet und bildet zu dem Ewigen hin , vernimmt er die Sprache der Götter durch die himmlis Ichen Klänge der Liebe. Schön und finnvoll hat daher Plato , dieſer wahre

Philofoph der Liebe, von ſolcher heiligen Beſtimmung derſelben geſprochen :

„ Was möchte da wol, ſprach ich , die Liebe ſein ? ſterbs lich ? " - r , Dies am wenigſten . “ “ - „ Aber was eigents lich ? " - NV - - das Mittlere zwiſchen dem Sterblichen

und dem Unſterblichen .“ – „ Was alſo , o Diotima ?" or „ Ein mächtiger Dämon , o Sokrates ! denn alles Dåmos niſche iſt ein Mittleres zwiſchen der Gottheit und dem Sterbs lichen .

— ,,Was , ſprach ich , iſt ſeine Beſtimmung ?" .- -

m Nachricht und Erklärung zu bringen den Göttern von den Menſchen , und den Menſchen von den Göttern ; den einen von den Gebeten und Opfern , den andern von den höhern

Beſchlüſſen und wie die Opfer aufgenommen wurden . Als ein Mittleres zwiſchen dieſen beiden vollendet es nun das Weſen derſelben , damit das al ſelbſt in ſich felber zuſams menhängend ſei. Hieraus geht auch alle Wahrſagung hers

vor , dann die Wiſſenſchaft der Prieſter , was die Opfer , die Einweihungen , das Beſprechen , alle Kunſt das Orakel zu befragen und die Zauberei betrifft: Gott vermiſcht ſich nicht mit dem Menſchen , ſondern durch jenes Mittel findet

jede Zuſammentunft und jedes Geſpräch der Götter mit den


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Menſchen ſtatt , ſeien dieſe nun wachend oder ſchlafend. Auch

heißt derjenige , der in ſolchen Sachen ein Wiſſender iſt , ein

dämoniſcher Mann , weit aber in irgend einem von dieſem Verſchiedenen erfahren iſt, der iſt ein gemeiner Mann. Sols cher Dämonen gibt es denn viele und vielerlei; einer von ih

nen iſt die liebe. u.4) So wird durch die Liebe und die Gottſeligkeit in ihr (die Religion) gerade das Menſchliche, dem Göttlichen ges genüber , feſtgehalten . Hierdurch wird aber gar nicht die urs

ſprünglich göttliche Anlage des Menſchen verkannt, ſondern gerade dadurch , daß er in dieſer Stellung die Unbedingtheit der Idee muthvoll erfaßt , die Offenbarung ewiger Liebe in ſich erlebt , ſtellt er die Göttlichkeit ſeiner eignen Beſtimmung dar.

Die Erkenntniß des Göttlichen , des Seins von allem und jedem in der Einheit der Freiheit und liebe Gottes,wird nicht gewonnen durch Speculation , ſondern errungen

durch die ſich entwickelnde Kraft des vollen Lebens, wie wir das auch in der vorhergehenden Entwicelung mit einigen alls gemeinen Zügen aufgeſtellt haben. „ Weltſeele komm uns zu durchdringen ! Dann mit dem Weltgeiſt ſelbſt zu ringen Wird unſerer Kräfte Hochberuf. Theilnehmend führen gute Geiſter , Gelinde leitend , höchſte Meiſter Zu dem , der alles ſchafft und ſchuf.“

(Götbe. B . 3 , 89.)

So verweben ſich Geiſt und Natur gegenſeitig ineinans der , und geben ſo wiederum jedem einzelnen Menſchengeiſte die unendlichen , inhaltsvollen Kreiſe des Daſeins , innerhalb welcher er mit Freiheit ſeine eigene Eriſtenz, fich alſo ſelbſts ſtändig , zu geſtalten hat.

Indem

er nun im Bewußtſein

ſeiner Freiheit , von ſeinem feſtgehaltenen menſchlichen Stand.

.


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punkte aus, wirkt und betrachtet , weiß er gar wohl, daß er Natur vor ſich hat , eine objective , unantaſtbare Geſeks. mäßigkeit , die ihn abwechſelnd ängſtigt und erhebt; denn fie

gewährt ihm Sicherheit und erfreuende großartige Auffaſſung, wo er Einſicht in dieſelbe gewinnt; zugleich aber muß er dann und wann befürchten von ihr überwältigt zu werden , da ſie ihm oft zu koloſſal entgegen tritt , um ſie erfaſſen zu können . Dem ſei jedoch wie ihm wolle , er muß daran , wenn

er wirken und etwas ſein will ; auch tritt ihm , je kräftiger er daran geht, die Natur immer großartiger entgegen , ſie zeigt

ſich ihm immer mehr als urſprünglich, d . h. als die von Ewig keit her fich realiſirenden Ideen des Daſeins. So iſt er in dieſe Natur geſtellt , und wandelt wirkend und erkennend in ihr. Ihre nothwendige , ewige, wirkende Geſeßmäßigkeit iſt ihm eine unmittelbare Offenbarung Gottes ; Gott iſt nicht

außer ihr, er iſt in ihr , aber nicht von ihr verhüllt. Doch .

der Menſch bedarf mehr; hier iſt ſtrenge Nothwendigkeit, und er bedarf der Gnade. Auch dieſe iſt ihm gewährt , nicht

durch die Betrachtung der Natur , ſondern eben durch das

Erleben des Göttlichen in ihm , durch die Religion . Die großartige Nothwendigkeit der Natur verliert für ihn ihre

Schroffheit in dem Bewußtſein von der Heiligkeit Gottes. Nicht außer der Natur iſt Gott , aber etwas unendlich Höhe: res als dieſe ; er iſt der Herr des Himmels und der Erde, durch deſſen väterlichen Willen der Menſch auf ſeinem les

bensgange durch die erhabenen Tempelhallen der Natur ges .

leitet wird. Das iſt das große Wort Göthe’s : „ Ich wandle auf weiter bunter Flur Urſprünglicher Natur,

Ein holder Born , in welchem ich bade, Iſt Ueberlieferung , iſt Gnade.“

(B . 2 , 228 ) So ließe ſich nun noch beſtimmter ausſprechen , was

das Religiöſe iſt.


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cm

Es iſt das Anerkennen einer heiligen , waltenden Macht; einer heiligent, weil ſie , hoch erhaben über des Menſchen Sinn und Geiſt, ſeine Bruſt mit unendlichem , ahnungsvol Tem Schauer erfüllt durch die ewigen Ideen des Wahren , Schönen und Edlen , deren Urquell und reinſtes Leben ſie iſt. Die Heiligkeit iſt das eigenſte Weſen Gottes , und von ihr

geht die Gnade aus ; denn nur das Heilige kann gnädig ſein . · Ueberall , wo in der Lebensentwickelung des Menſchen jene Ideen ſich wirkend geſtalten , und er nicht von ihnen

laſſen kann , ob auch die Veſten der Welt erbeben , und ſie vor ihm herſchreiten als die leuchtenden Boten einer uralten , allwaltenden Gottesmacht, da iſt Religion .

Daß nun die Religion eine mehr oder weniger vollkom

mene Geſtaltung gewinnen kann , wird wol fein denkender Menſch in Zweifel ziehen , und die größere Reinheit wird ges rade dadurch bedingt , daß die Vorſtellungen der Heiligkeit und Gnade gehörig hervortreten . Begriffe follen dieſe Vors ſtellungen freilich nicht werden , was ſie auch nie können ; denn eben die Begriffsloſigkeit derſelben liegt in der Gewalt

ihres Lebens. — Gerade das Tiefere, Ahnungsvolle , die heiligen Schauer , die freudige Demuth ſind die Wahrheit der Religion , und mit ihnen wird auch dein Menſchen ſein

Werth geraubt. Wo ſie aber vorhanden ſind , da erhebt ſich die Menſchheit zu freudiger Größe; innere und äußere Freis heit entwickelt ſich zu ſchöner , lebensfroher Geſtaltung; Kunſt

und Poeſie treten aus dem tiefern Himmelsgewölbe als fühn ſich bildende Sternengruppen hervor; die Wiſſenſchaften ge winnen einen wahren Gehalt, d . h . ein freies , inneres Les ben ; auch Bürger und Bauer erhebt ſich raſch und inunter ,

und legt die kräftige Hand mit an an den Siegesbogen , den die Menſchheit für ihren eignen Triumph errichtet : „ Und im feurigen Bewegen Werden alle Kräfte kund.“


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Wo die Kunſt , wo die Poeſte etwas Großes leiſtete , wo das Leben ſich zu den herrlichſten Thaten erſchwang, da

erſcheint auch die findliche Achtung vor einer , die Menſch heit unendlich überragenden , göttlichen Macht, deren Glanz den Menſchen erleuchtet , aber nicht durch endliche Weſen

begriffen werden kann . So erhebt uns im Homer die Scheu vor den Göttern , und die edelſten Helden gehorchen mit Achtung ihren Befehlen . – So richtet Phidias das

Bild des höchſten Gottes auf, und eine fromme Scheu ers greift diejenigen , die ſich ihm nahen 5). – Gewaltig erhebt ſich der heilige Chor des Aeſchylos und redet von der

unerforſchlichen , nimmer fehlenden Macht der waltenden Gottheit : „ Gleich und Recht iſt des Zeus ja in Wahrheit ! Das Verlangen des Zeus ward nicht leicht zu erforſchen ;

Dennoch ſtralet es rings Auch aus Nacht, im Graunſchidjal des Web '$ , Den beredten Völkern.“

„ Gradaus fällt und entſchiedenes Wurfes , Was im Haupte des Zeus aufwuchs reifer Vollendung. Denn rauh laufen und dicht: ſchattig ſeines Sinns Nachtpfad' einher , Für das Aug' unmerfbar.

„ Er ſchlägt hoch aus der Flur Des Thurmpalaſtes

Den ruchloſen Mann ;

Und nie übt Gewalt ein Frevler , Der entrinnt dämoniſchen Zorn .

Waltender Bedacht, der oben thront, Schaffet von dort ſein End' ihm gleichwol Aus dem hehren Wohnſiß." (Nach Voß.)


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Ein muthiger Streiter des Herrn , der ſein Schwerd ſo oft erprobte zur Ehre des alleinigen Gottes , knüpft zus gleich an das Bekenntniß ſeiner Unfähigkeit die Größe Gots

tes zu begreifen den erhabenſten Ausdruck für dieſe Größe:

„ Solches Erfenntniß iſt mir zu wunderlich und zu hoch, ich kann's nicht begreifen .“ „ Wo ſoll ich hingehen vor deinem Geiſt! Und wo fout ich hinfliehen vor deinem Angeſicht !“

( Pſ. 139.)


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: : Die Religion iſt tiefſtes Gefühl, und zugleich , was

hier in dieſem Falle daſſelbe iſt, ſicherſtes , hellſtes Bewußts fein . - Es iſt in der Religion ein Wiſſen von Gott und den göttlichen Dingen ; ein Wiſſen , welches , wenn es auch immer Stücwerk iſt , doch ein echtes , ja nothwendiges ges nannt werden muß; d. h . das , was wir von dem Weſen

Gottes , von unſerm menſchlichen Standpunkte aus , erkens nen , kommt auch dieſem Weſen wirklich zu , iſt ein Mos ment, das ihm von Ewigkeit und in Ewigkeit zukommt, Wie ? über ſo viele untergeordnete Gegenſtände und Vers

hältniſſe hätten wir ein hinreichendes Wiſſen , könnten mit Sicherheit an die Betrachtung derſelben gehen , aber von

demjenigen , worauf beſtändig unſere Sinne und Gedanken hingezogen werden , worin wir die höchſte Entwicelung uns ſeres Daſeins , die einzige Sicherung unſeres beſtgemeinten Strebens zu ſuchen haben - von dieſem wüßten wir nichts

auszuſagen , wenn es darauf ankommt ſein Verhältniß zu der uns umgebenden Welt auszuſprechen ? müßten eingeſtes

hen , daß unſere Anſicht hievon keine Realität habe? – Freilich iſt es nur ein Wiſſen von unſerem menſchlichen Standpunkte aus , aber dieſer Standpunkt iſt ja ſelber ,

wenn er echt iſt , ein Standpunkt in Gott. Wie er ein folcher iſt , dies aufzuzeigen , war ja eben bis jeßt unſer

Bemühen . Es iſt nicht unſere Abſicht, hier eine Religionsphiloſos phie zu ſchreiben , ſonſt wäre es freilich nöthig , darzulegen ,

wie von dem religiöſen Standpunkte im Leben und Bewußt ſein der Menſchheit aus ſich das Wiſſen von Gott und den göttlichen Dingen unter der Bewegung des philoſophiſchen

Denkens entwicelt und ſyſtematiſirt. Wir begnügen uns


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bemnach hier nur zu bemerken , was ſchon ſeinen Bereis in den vorhergehenden Entwickelungen in fich trågt, daß

nämlich alle Religionsphiloſophie von dieſem Standpunkte aus ausgehen und auf ihn zurückkehren muß , oder vielmehr, fie muß ſich innerhalb deſſelben bewegen , wozu ſie auch

Raum genug hat , da ſie ihn ja nicht einmal ganz ausfüls len kann. Die Religion befommt ihren Gehalt durchaus nicht durch die Philoſophie , und der Geiſt Gottes iſt nur

in der Gemeine, wenn das religiöſe Leben ſo voll und les bendig , und ſo klar und einfach in derſelben vorhanden iſt, daß es ſelber von den unſchuldigen Kindlein erfaßt wird .

Auch das Chriſtenthum ſpricht dieſe Grundwahrheit , deren

Verkennen einen völligen Mangel an Religion beweiſt, auf das beſtimmteſte aus , f. B . : ,, Wahrlich , ich ſage euch : wer das Reich Gottes nicht empfabet als ein Kindlein , der

wird nicht hineinkommen .“ (Mare. 10 , 15 .). Da wir uns hier genau an die Sache halten und uns

bemüht haben , das religiöſe Bewußtſein in ſeiner Auſeitig

feit hervortreten zu laſſen ; ſo übergehen wir hier die vers drüßlichen Streitigkeiten über Wiſſen und Glauben , und

bemerken nur im allgemeinen Folgendes . Bei allen Unterſuchungen und Streitigkeiten über das

Verhältniß zwiſchen Wiſſen , Glauben , Denfen u . f. w . follte man immer zuerſt bedenken , daß es ja doch nur die

Religion iſt, die ſich ſelber deutlich macht. Hier gilt Schets lings Zuruf: „ Im ſtilſten Daſein und ohne Reflerion offenbart die Pflanze die ewige Schönheit. So wäre dir

am beſten , ſchweigend und gleichſam nicht wiſſend Gott zu wiſſen .“ „ Dieſes nicht wiſſende Wiſſen erkennet , bevor ihr für das Höchſte ausgebt das Ahnden und den Glauben .“ ( S . Jahrbücher . Medic. als Wiſſenſch . 2ten Bds . 2tes Heft , S . 287) .

Wer der Religion durch ein ihr von außen kommens


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des Denten zur Hülfe tommen will, iſt dem genialen Läus fer Münchhauſens gleichzuſeßen , der , um ſich nicht durch zu ſchnelles Laufen zu entfräften , ſich ſchwere Gewichte an die Füße band. -- Die Religion iſt gar nicht aus Denken und Gefühl zuſammengeſeßt, aber beide Momente ſind

urſprünglich in ihr vereinigt. — Ueber dieſe beiden Mos mente in der Religion hat ſich der , allen Freunden freier

Ausbildung der Menſchheit , ſo unvergeßliche Leibniß gar trefflich ausgeſprochen : L 'on voit que Jésus - Christ, achevant ce que Moïse avait commencé , a voulu que

la Divinité fût l'object, non seulement de notre crainte et de notre vénération , mais encore de notre amour et de notre tendresse. C 'étoit rendre les hommes bien - heureux par avance , et leur donner ici - bas un

avant - goût de la félicité future. Car il n'y a rien de si agréable que d 'aimer ce qui est digne d 'amour. L 'amour est cette affection qui nous fait trouver du

plaisir dans les perfections de ce qu'on aime , et il n 'y a rien de plus parfait que Dieu , ni rien de plus char

mant. Pour l'aimer , il suffit d 'en envisager les per fections ; ce qui est aisé , parceque nous trouvons en

nous leurs idées . Les perfections de Dieu sont celles de nos ames ; mais il les possède sans bornes: il est un océan , dont nous n 'avons reçu que des gouttes : il y a en nous quelque puissance , quelque connoissance,

quelque bonté ; mais elles sont toutes entières en Dieu. L'ordre, les proportions , l'harmonie nous enchantent, la peinture et la musique en sont des échantillons ;

Dieu est tout ordre , il garde toujours la justesse des proportions , il fait l'harmonie universelle : toute la

beauté est un épanchement de ses rayons.“ „ Il s'ensuit manifestement que la véritable piété ,

et même la véritable félicité , consiste dans l'amour de Dieu , mais dans un amour éclairé, dont l'ardeur


soit accompagné de lumière. Cette espèce d 'amour fait naître ce plaisir dans les bonnes actions qui donne du relief à la vertu , et rapportant tout à Dieu , comme

au centre, transporte l'humain au divin .

(Siehe die

préface zu ſeinem „ Essais de theodicée." ) . Noch müſſen wir jedoch einige Punkte auffaſſen , wo

von der erſte die Frage nach einem perſönlichen Gotte iſt, eine Frage, die eigentlich nicht ſtatt finden ſollte ). Nur ein Leben in Gott iſt ein wirkliches Wiſſen von

Gott ; wenn wir demnach von Gott etwas ausſagen wols Len , ſo ſind es Verhältniffe ſeiner erigen Selbſtoffenbarung

in uns, das geiſtig belebende Verhältniß , in dem er zu uns ſteht. In einem ſolchen Verhältniſſe erſcheint er aber nie

Perſönlich . Wer hat je die Perſon Gottes geſehen ? Ers klären wir nicht alle ſogenannte göttliche Erſcheinungen , wie ſie uns aus dem Leben heiliger Menſchen erzälyſt werden , für Viſionen ? Müßten wir nicht ſelbſt geſtehen , wenn uns

Gott wirklich auf irgend eine Art als Individuum erſchiene, ſei es , daß er ſich unſerm Auge darſtellte, oder unſerm Ohr durch eine Stimme u . f. w . , müßten wir da nicht geſtes

hen : Gott habe eine Erſcheinungsform für uns angenoms men ? – Eine Perſon iſt etwas Endliches , Gott aber iſt etwas Unendliches , unendliche Liebe. Als ſolche ſpricht er ſich aus , und wird von uns als ſolche gewußt. Nehmen wir den höchſten Grad religiöſer Begeiſterung, das Gebet , wer fühlt ſich da in einem Verhältniſſe zu einer Perſönlich keit , einem endlich beſtimmten Weſen ? In einem ſolchen

Falle würden wir ja geradezu die Anbetung einer Perſon für Gößendienſt erflären . 7 - Im Gegentheil beim Ges

bete, wenn es aus einem ſelbſtſtändigen , klaren Gemüthe hervorgeht , fühlt ſich wol der Menſch als endliche Perſon , aber gerade das Göttliche als das Unendliche. Wo denkt

der Menſch im Gebete daran , Gott als eine Perſon fich gegenüber zu ſtellen , ſei es durch Reflerion oder durch Phan


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taſte? Unmittelbar fühlt er ſich umgeben und getragen von der unendlichen Liebe, die ihm in dieſem Momente all über all entgegenklingt. - Sehr ſchön und ganz beſtimmt be: zeichnend redet daher die chriſtliche Religion von dem himm

liſchen Vater, der nicht ferne iſt von einem jego lichen unter uns, und in dem wir leben , weben und ſind.

Der alte Gayler von Kayſersperg , den wir doch

hier einmal hören wollen , predigt über das Gebet Folgendes: „ Wie man ſoll betten lernen ohn Bild.“ „ Die einbildend Kraft iſt das , davon ein Menſch ets was gedenkt , als da einer gedenkt an ein Buch , oder an

ein Menſch , davon hat er je ein Bild , daß es die oder die

Geſtalt hatt. Dieſelben eingezogen Bild ſollt du verlaſſen , und wenn du an Gott gedenken wilt, ſo fout du nit an

ihn gedenken als an einen Menſchen , ob er lang oder kurz ſei, ſchwarz oder weiß . Aber du ſollt für dich nehmen , zu betrachten , daß er iſt der allermächtigoſt, er iſt der allers weiſeſt, und iſt darzu der gütigoſt , er iſt der ſchöneſt. Denn

heb an zu betrachten , daß er iſt barmherzig , er iſt mild , ihm ſind unverborgen alle vergangene, gegenwirtige und fünfs tige Ding , er iſt der , von dem alle Dinge geregiret und

aufenthalten werden . Alſo mit Betrachtung ſolicher und ders

gleichen Stuck laß dein Herz gegen ihn aufgehn , und ges denk daß er dein Vatter iſt, denn ſprich : Vater unſer , der du biſt in den Himlen , du biſt mein Vater der du mich me

(mehr) lieb haſt , dann mein natürlicher Vater 8) , du haſt mich geheiſen , daß ich dich ſoll Vater nennen , darumb ruf ich ' dich an mit einem reilichen Vertrauen , als ein Kind ſeis nen allerliebſten Vater , wenn ich weiß , daß du mich nim mer verlaſſen wilt. Solliche und dergleichen Wort mag ein Menſche ſprechen mit den Worten oder mit dem Herzen , und denn bitten umb alles , das ihm anliegt. Alſo ſou ſich


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ein Menſch von den Bilden lehren abziehen und sich allein zu Gott , als zu ſeinem Vater kehren , der nit in Bilden noch in Formen mag begriffen werden . Er ſoll thun als . ein Knab , der in einem fremden Land wäre , und ſeinen Vatter nie geſehen hätt ; aber ſein Vatter der ſchickte ihm dannoch Kleider und Zehrung , und alles, das er nothdürfs tig wär , ſo ſpräch man zu demſelben Knaben , das und das

hat dir dein Vatter geſchickt, Kleider , Nahrung, und was du haſt, das haſt du alles von deinem Vatter ; wenn das der Knab hörte , ſo möcht er nit gelaſſen , er müßt ſeinen Vatter von Herzen lieb haben . Er ſpräch , es iſt billig , daß ich dem Vater gehorſam ſei , der mir alſo viel gutes thut, ich will mich ſeines Willens fleißen und alles das , damit ich ihm mag Gefallen thun , das will ich vollbringen .

Dieſem Knaben bildet nit ein ob ſein Vatter lang oder kurz ſei , ob hat ihn iſt , von Menſch

er ſchwarze oder rothe Kleider an trage, wann er nie geſehen , ihm iſt allein vor, daß er ſein Vater dem er alles Gutt entpfangen hat. Alſo ſoll ein ſich zu Gott ſeinem himeliſchen Vater kehren , und

ihm kein Bild davon machen , ſondern allein für ſich nehs men , daß er ſein Vater iſt, von dem er alles Gut empfans gen hat , das erhaben iſt nach Seel und nach Leib , und ihu alſo anrufen , als ein Kind feinen Vater.“

„ Wie man Bild brauchen ſoll." ,, Nun ſprichſt du , ſol ich nun die Bild verlaſſen , und mid , darvon kehren , ich meinet wann ich mich alſo zu dem Leiden unſeres Herren kehrete ; desgleichen zu den lieben heis

ligen ; ich thät ihm daran gar recht. Da merk, du ſout die Bild des Leidens Chriſti und der lieben Heiligen darumb nit ganz von dir werfen , ſondern du ſout ſie brauchen als einer , der ein leiter braucht. Wenn der an das End kummt, von deswegen er die Leiter aufgeſtiegen iſt , ſo laſſet er die

Leiter ſtehn und zeucht fie nit mit ihm hinauf, alſo ſollt du

auch thun. Ich reß : dir bilde ein , wie Chriſtus Jeſus , uns:


- 30 ſer Herre , knüwe an den Delberg und ihm der blutigeSchweis über ſein Antlüß abrinn , als du das betrachteſt , ſo bleib nit ſtehn auf dem Bild , aber dringe weiter ein , und gedenk daß er dein Gott und Erlöſer iſt , und aus ſeiner grundlos

ſen Barmherzigkeit ſolliches umb deinent willen gelitten hat. Alſo laß dich das Bild der Menſchheit Chriſti weiſen und ſeiten zu betrachten ſeine grundloſe Barmherzigkeit.

Das

magſt du alſo nehmen von allen anderen Stucken ; wann wo du auf den Bilden allein wilt haften , ſo verderbeſt du

dich ſelber und macheſt dir einen tauben Kopf; wenn es aber nit geleich im Anfange wollt zugehn , daß du die Bild in einer kurzen Zeit nit kannſt verlaſſen , des erſchrick nit; wenn du des würſt üben ſo würd es dir bald leicht zuthun. Auch ſollt du dich daran gewöhnen , was du ſeheſt oder hö reſt , und was dir ſunft einbilde , daß du allwegen über ſich damit zu Gott kehreſt. Surſum corda , über ſich mit dem

Herzen in allem deinem Thun und laſſen , fere dein Herz allzeit über ſich zu Gott.“ (Gepredigt zu Augsburg im I . 1488.) .

Das Gebet iſt der Ausdruck der Religioſität im höchs ſten Momente der lebhaftigkeit derſelben , und ſo ſpricht ſich auch in ihm das Erleben des Göttlichen in uns auf das

Beſtimmteſte aus, das reale, inhaltsvolle , geiſtig belebende Verhältniß , deſſen Inhalt eben der Silberblick des unmits telbar enthüllten Lebens in Gott iſt. In ihm findet ſtatt

das volle beſeligende Ausſtrahlen der unendlichen Macht und Herrlichkeit Gottes .

Darum verſchwindet auch in ſolchem

Momente jede Individualiſirung Gottes in unſerm Bewußt ſein ; aber feine Augegenwart , ſeine Allmacht , ſeine Liebe ertönen , weben und wogen in und um uns wunderbar ) .

Hier wird man vielleicht ſagen : „ Gott iſt doch ein Ich. “ - Ja und nein ! — „ Demnach auch ein Nichtich ? – Nein ! Nämlich Gott ſteht als unendliche, abſolute Liebe und Freis

heit, folglich als abſolutes Selbſtbewußtſein , über uns. Wie


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nun auch Gott unendliches , unbedingtes Leben iſt , ſo mas. nifeſtirt er ſich doch in den Menſchen , in endlichen Indivis duen , welche Manifeſtation zu ſeinem Weſen gehört. Alſo

ſein Weſen beſteht darin , ſich in Manifeſtationen auszuſpres chen , die für uns, die wir auf dem endlichen Standpunkte ſtehen , auch eine endliche Beziehung haben , und ſo ſind die

Aeußerungen des abſoluten Selbſtbewußtſeins, in ihren für uns endlichen Beziehungen , gleich den Aeußerungen eines ſeiner ſelbſtbewußten Ich ; hingegen iſt das göttliche Selbſts

bewußtſein , auf feinem göttlichen Standpunkte , in ſeiner unbedingten Wirkſamkeit, über der Relation des Ich - ei

ner Relation , die doppelt iſt, nämlich zum Nichtich und zum

Göttlichen – erhaben , welches Selbſtbewußtſein wir freis lich nicht erfaſſen können , weil wir dann ſelber Gott ſein müßten ; jedoch wird es auch nicht als ein leeres Subſtrat

für unſer logiſches Denken angenommen , ſondern die Idee von ihm klingt beſtändig in der Grundanſchauung unſeres

Daſeins hindurch als der tiefe , ahnungsreiche und geheims nißvolle Himmel im Menſchen , aus dem die ewigen Ideen

gleich den Rieſengeſchlechtern der alten Götter heraustreten. „ Im Namen deſſen , der ſich ſelbſt erſchuf! Von Ewigkeit in ſchaffendem Beruf; In Seinem Namen der den Glauben ſchafft, Vertrauen , Liebe , Thätigkeit und Kraft ; In Senes Namen , der , ſo oft genannt, Dem Weſen nach blieb immer unbekannt.“ „ So weit das Ohr, ſo weit das Auge reicht, Du findeſt nur Bekanntes , das Ihm gleicht, Und deines Geiſtes höchſter Feuerflug

Hat ſchon am Gleichniß , hat am Bild genug ; Es zieht dich an , es reiſt dich weiter fort, Und wo du wandelſt ſchinüđt ſich Weg und Ort : Du zählſt nicht mehr, berechneſt keine Zeit , Und jeder Schritt iſt Unermeßlichkeit.“

(Göthe. B. 3, 81.)


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Durch dieſe gedrängte Darſtellung glauben wir es nun zur Einſicht gebracht zu haben , wie der Menſch , wenn die

Idee der Menſchheit mit aller Energie ihres ſelbſtbewußten Gehaltes in ihm hervortritt , wie er da den echt menſchlis chen Standpunkt zu Weltlichem und Göttlichem behauptet.

Dieſer Standpunkt iſt kein ein und für allemal firirter und ångſtlich abgegränzter , ſondern ein ſich gar mannichfaltig ausdehnender und zuſammenziehender , ein in Beziehung auf die verſchiedenen Individualitäten beſtändiges Crescendo

und Descrescendo der innern Harmonie , die freilich in jes dem

Falle vorhanden ſein muß. So kann ſich auch dieſes

Leben mehr oder weniger erponiren , gleich der bildenden Idee eines poetiſchen Genies . Dies alles halten wir als den fich

erponirenden Inhalt unſeres Bewußtſeins feft , indem wir

uns jeßt zu Jacob Böhme wenden . Wir glauben uns ſern oben ausgeſprochenen Zweck zu erreichen , wenn wir uns

hier auf einige aus ſeinen Schriften ausgezogene Stellen bes ſchränken , indem wir einzelne Anmerkungen beifügen , und zuleßt noch mit einigen allgemeinen Bemerkungen ſchließen .

So mag er denn nun ſelber ſprechen : „ Die Erkenntniß iſt in dem unendlichen Gottmanchers lei: es ſoll ſich aber ein jeder des andern Gaben und Ers kenntniß freuen , und denken , daß uns Gott in der Paras

deiſiſchen Welt wird ſo überſchwängliche Wiſſenſchaft geben , welches wir alhie mit den unterſchiedlichen Gaben nur ein Fürbilde haben . Darum ſollten wir nicht zanken wegen der Saben und Erkenntniß : denn der Geiſt gibt einem jeden nach ſeiner Essentia in dem wunderlichen Gott auszuſpres

chen nach ſeiner Geſtalt. Denn das wird im Paradeis in der vollkommenen Liebe gar ein ſehnliches Liebeſpiel ſein ;


da ein jeder aus feiner Årkenntniß der großen Wunder in der heiligen Natur wird reden .“

„ D Ach des Dornenſtechens ! das der Teufel in das hohe Liebeſpiel gebracht hat; daß wir in der edlen Erkennts niß einen ſolchen hofärtigen Zanf treiben , daß man den hei ligen Geiſt mit Gefeßen bindet ! Was ſind die Geſetze im

Reich Chriſti; der uns frei gemacht , daß wir ſollen in ihm wandeln im heiligen Geiſte ? Worzu find ſie anders erdich tet als zur Wolluſt des Antichriſts , damit er mächtig und prächtig einhergehe, und Gott auf Erden ſei. Von den drei Principien göttl. Wefens. Kap. 9 . S . 16 . ihr blinden Menſchen laffet ab vom Zanfe , und : „

vergießet nicht unſchuldig Blut, und verwüſtet darum nicht Land und Städte nach des Teufels Willen und Gutdüns ken ; ſondern ziehet an den Helm des Friedens, und gürtet euch mit Liebe gegeneinander , und braucht euch der Sanft:

muth . laſſet ab von Hofart und Geize , mißgönne feiner dem andern ſeine Geſtalt; laſſet euch das Zorn - Feuer nicht anzünden , ſondern lebet in Sanftmuth , Keuſchheit , Freund lichkeit und Reinigkeit ; fo reid und lebet ihr alle in Gott.“

„ Danni bu darfſt nicht fragen : Wo iſt Gott ? Höre du blinder Menſch , du lebeft in Gott , und Gott iſt in dir :

und ſo du heilig lebeſt, ſo biſt du felber Gott; wo du nur hinſieheſt , da iſt Gott.“ „ Wann du die Liefe zwiſchen Sternen und Erden ans

fieheſt, wollteſt du ſagen : Das iſt nicht Gott, oder hie iſt nicht Gott.

D ! du armer verderbter Menſch , laß dich un

terweiſen : dann in der Liefe über der Erden , da du nichts fieheſt und erkenneſt , und ſprichſt, da iſt nichts ; daſelbſt iſt gleichwol der Licht- Heilige Gott in feiner Dreifaltigkeit ,

und wird alba geboren wie in dem hohen Himmel über dies ſer Welt.“ Morgenröthe im Aufgang. Rap. 22 , S . 45 - 47. 3


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„ In meinen eigenen Kräften bin ich ſo ein blinder Menſch als irgend einer iſt, und vermag nichtes : aber im Geiſte Gottes ſiehet mein ingeborner Geiſt durch alles , aber nicht

immerdar beharrlichy; ſondern wann der Geift der Liebe Got

tes meinen Geiſt durchbricht , alsdann iſt die animaliſche (feliſche von anima ) Geburt und die Gottheit ein Weſen ,

eine Begreiflichkeit und ein Licht.“ p ! „ Nicht bin allein Ich alſo ; ſondern es ſind alle Mens ſchen alſo , es ſein gleich Chriſten , Juden , Lürken oder Heis den , in welchem die Liebe und Sanftmuth iſt , in dem iſt

auch Gottes Licht.“ . Wollteſt du ſagen , Nein zu Es leben die Lür: ken , Juden und Heiden ja auch in demſelben Corpus , das rinnen du lebeſt ; und brauchen auch deſſelben Leibes Kraft, die du brauchert , darzu haben ſie auch denſelben Leib , den

du haſt; und derſelbe Gott , der dein Gott iſt , iſt auch ihr Gott.

Anmerkung: Bei dieſer Stelle aus Jacob Böhme fallen uns unwillkürlich einige Worte Shakſpeares ein ,

deren Mittheilung hier bei dieſer Stelle doch mindeſtens zu intereſſanten Betrachtungen veranlaſſen möchte. Es

ſind diewahrhaft furchtbaren Worte Shylocks im 3ten Act des Merchant of Venice, Sc. I. : „ I am a Jew :

Hath not a Jew eyes ? hath not a Jew hands ,

organs, dimensions, senses, affections, passions ? fed with the same food, hurtwith the same weap ons , subject to the same diseases , healed by the

same means , warmed and cooled by the same winter and summer , as a Christian is ? if you priek us , do we not bleed ? if you tickle us , do we not laugh ? if you poison us, do we not die ? and if you wrong us , shall we not revenge ? if we are like you in the rest , we will resemble you


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in that. If a Jew wrong a Christian , what is

his humility ? revenge ; if a Christian wrong a Jew , what should his sufference be by Christian example ? why , revenge. The villainy , you teach me, I will execute ; and it shall go hard , but I will better the instruction.“ „ So wirſt du ſagen : ,r ,, Sie kennen Ihn aber nicht, und ehren Ihn nicht. “ Ja lieber Menſch rühme dich nur, du haſt's wohlgetroffen ; du kenneſt Ihn vor andern wohl. Siehe du blinder Menſch , wo die Liebe in Sanftmuth ,auf gehet , da gehet das Herze Gottes auf. Dann das Herze

Gottes wird im ſanften Waffer des angezündeten Lichtes ges boren , es ſei gleich im Menſchen oder außer dem Menſchen ; es wird überall im Centro in der Mitte zwiſchen der äußers

ften und innerſten Geburt geboren ." . . „ Und was du nur anſieheſt, da iſt Gott : die Begreifs lichkeit aber ſtehet in dieſer Welt im Zorne, die hat der Leufel angezündet ; und im verborgenen Kerne mitten im Zorne wird das Licht oder Herze Gottes geboren , dem Zorne

unbegreiflich , und bleibet ein jedes in ſeinein sede." „ Nicht rühme'ich darum der Juden , Lürfen und Heis den Unglauben und Halsſtarrigkeit , und ihren Grimm und Bosheit wider die Chriſten . Nein ! das find eitel Stricke

des Leufels , der die Menſchen dadurch in Hofart , Geiz ,

Neid und Zorn reizet , damit er das hölliſche Feuer in thnen anzünde: auch ſo kann ich nicht ſagen , daß dieſe vier Söhne des Leufels in der Chriſtenheit nicht aucy regieren , ja wol in einem jeden Menſchen .“ Nun ſprichſt du : « « Was iſt dann der Unterſcheid

zwiſchen Chriſten , Juden , Lürken und Heiden ?" " Hie thut der Geiſt Thür und Thor auf: willſt du nicht fehen , ſo ſei blind. Das iſt der Unterſcheid , den Gott je und allwege

gehalten hat , daß diejenigen , die da wiſſen was Gott iſt,


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und wie ſie Ihm dienen ſollen , können durch ihre Wiſſens fichaft durch den Zorn in die Liebe Gottes dringen , und den

Leufel überwinden : thun ſie es nun nicht , ſo find ſie nicht beſſer , als die , die es nicht wiſſen ." . So aber derjenige , der den Weg nichtweiß , durch den Zorn in die Liebe dringet , ſo iſt er dem gleich , der durch ſeine Wiſſenſchaft iſt durchgedrungen ; die aber im Zorn bes

harren , und zünden den in ſich gar an , die ſind einander auch alle gleiche: es fein gleich Chriſten , Juden , Lürken oder Heiben . Röm . 2 : 11.- 29. .

„ Oder was meineſt du , damit man kann Gott dienen ? wollteſt du mit ihm heucheln , und deine Geburt ſchmückenau „ Ich meine ja du biſt ein ſchöner Engel : wer Liebe in

feinem Herzen hat, und führet ein barmherziges und fanfts müthiges Leben , und ſtreitet wider die Bosheit , und drins get durch den Zorn Gottes in 's Licht, der lebet mit Gott , und iſt ein Geift mit Gott.“ : „ Dann Gott bedarf keines andern Dienſtes , als daß

ſich ſein Geſchöpfe , welches in ſeinem Leibe iſt, nicht von Ihm verrüde , fondern heilig ſei wie Er iſt.“

„ Darum gab auch Gott den Juden das Gefeße, daß fie fich ſollten der ſanften Heiligkeit und Liebe befleißen , das

mit die ganze Welt einen Spiegel an ihnen hätte ; als fie aber in Hofart geriethen und rühmeten ſich ihrer Geburt vor der Liebe, und machten aus dem Gefeße der Liebe eine Schärfe

des Zorns; ſo ſtieß ihnen Gott den Leuchter weg und zog zu den Heiden .“ „ Zum andern iſt das der Unterſcheid zwiſchen den Chris ſten , Juden , Zürken und Heiden , daß die Chriſten den

Baum des Lebens wiſſen , welcher iſt Chriſtus; der da iſt der Fürſt unſers Himmels und dieſer Welt , und regieret

in allen Geburten als ein König in Gott ſeinem Vater , und die Menſchen ſind feine Glieder ."

: , Nun wiſſen die Chriſten , wie ſie förnen , in Kraft


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dieſes Baumes , aus ihrem Lode durch ſeinen Lob zu Ihm in ſein Leben eindringen , und mit Ihm herrſchen und leben : da ſie dann auch mit ihrem Durchdringen , mit ihrer neuen

Geburt aus dieſem tobten Leibe können bei Ihm im Himmel ſein .“ „ Und obſchon ber todte Leib mitten in der Höllen iſt

bei allen Leufeln , dannoch herrſchet der neue Menſch mit Gott im Himmel , und iſt ihnen der Baum des Lebens eine

ſtarke Porte , durch welche ſie in 's Leben eingehen ."

Morgenr. im Aufg. Kap. 22. S . 51 - 15. Darum iſt es ein Unbilliges, daß die Welt alſo wü thet, tobet , ſchändet und ſchmähet , ſo ſich die Gaben Gots

tes in dem Menſchen ungleich erzeigen , und nicht alle einers lei Erkenntniß haben . Was kann ihme ein Menſch nehmen,

ſo es nicht in ihmeerboren wird , welches doch nicht in menſch licher Wahl ſtehet, wie er’s begehret ; ſondern wie ſein Hims

mel in ihme iſt, alſo wird auch Gott in ihme offenbar : Denn Gott iſt nicht ein Gott der Zerſtörung in der Geburt, ſondern ein Erleuchter und Anzünder , und hat eine jede

Creatur ihr eigen Sentrum in ſich , ſie lebe gleich in Gottes

Heiligkeit , oder in Gottes Zorn ; Gott will aber in allen Creaturen offenbar ſein .“ „ So doch die Welt nicht ſo blind wäre, würde fie

Gottes wanderbarliches Weſen an allen Creaturen erkennen ; ſu ſie aber nun alſo wüthet und tobet, das thut ſie alles

wider ſich ſelbſt , und wider den H . Geiſt Gottes , vor wels chem Lichte ſie dermaleinſt werden erſchrecken : ſie werden doch nicht aufhalten den Sohn , den die ſehnliche Mutter in Sh rem Alter wird gebären , denn das zeiget der Himmel an , Gott wird ihn erleuchten wider alles Wüthen und Loben des Leufels , und wird ſeinen Glanz vom Aufgang zum Nies

dergang ſtrecken." Lheoſoph. Sendbriefe. Ir Br. S. 14 - 15.


Gebe euch demnach dieſes zur Antwort , daß die eigene Vernunft, welche ohne Gottes Geiſt blos vom Buchſtaben gelehret iſt , alles tadelt und verachtet , was nicht ſchnur:

recht nach dem Gefeße der hohen Schulen eintrifft. Wuns dert mich aber gar nichts ; dann ſie iſt von auſſen , und Gottes Geiſt von innen ; ſie iſt gut und böſe , ſie fähret das hin als ein Wind , und läßt ſich wägen und treiben , ſie

achtet auf Menſchenurtheil ; und was das hohe Anſehn dies ſer Welt richtet , darnach richtet ſie auch ; ſie erkennet nicht des Herrn Sinn , dann er iſt nicht in ihr: Ihr Verſtand iſt

vom Geſtirne, und iſt nur ein Spiegel gegen der göttlichen Weisheit,“ „ Wer mag die göttlichen Sachen richten , in dem nicht der Geiſt des Herrn iſt? Der Geiſt des Herrn richtet und prüfet allein alle Dinge: dann ihme allein iſt alles bewußt

und offenbar , die Vernunft aber richtet von auſſen , und richtet je eine Vernunft nach der andern : der kleine nach dem

großen , der laie nach dem Doctor , und ergreifet feiner die Wahrheit und des Herrn Sinn , ohne der Geiſt Gottes ,

welcher im Menſchen richtet , und Niemands Perſon anſies het ; der laie iſt ihme als der Doctor.“ „ Daß aber die Kinder Gottes ſo mancherlei Gaben has

ben zu ſchreiben , reden und richten , und nicht alle einen Stylum führen , daraus die eigne Vernunft hernach das ihre

ausſauget und eine Babel machet, daraus ſo vielerlei Meis nung iſt entſtanden , daß man hat aus ihren Schriften Meis

nungen und Wege zu Gott erdichtet, welche Wegeman ges hen ſollte : und alſo ein ſolcher Zank daher entſtanden iſt,

daß anißo der Menſch nur blos auf den Streit ſiehet , wels cher den andern mit Buchſtaben - Wechſeln überwindet : Das iſt alles Babel , eine Mutter der geiſtlichen Hurerei, da die Vernunft nicht zur Thüre Chrifti , durch Chriſti Geiſt in die Gelaſſenheit eindringet; ſondern ſie dringet aus ſich ſelber, aus eigener Macht und Hofart in einen andern Menſchen ,


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and will gerne immer das ſchönſte Kind im Hauſe ſein , man ſou ſie ehren und anbeten .“ „ Die Kinder Gottes haben mancherlei Gaben , nach der Regel des Apoſtels : Gott gibet einem jeden auszuſprechen ,

wie er will ; die Gaben der Menſchen geſchehen alle nach dem ie MutterGottes, quellen alle aus einer und quellen sens und ist dWillen unerforſchlichen , edie iſt die Mutter der 3 Principien : wie eines Wurzel eliſcherGeiſt ffeliſcher in der ewigen Mutter conſtelliret wird ,

jeden alſo

iſt auch ſeine Offenbarung und Erkenntniß .“ . ' , Dann Gott führet keinen neuen oder fremden Geiſt in und , ſondern er eröffnet mit ſeinem Geiſt unſern Geiſt , als

das Verborgene der Weisheit Gottes , welche je in dem Mens ſchen lieget, nach dem Maß und auf der Art ſeiner innerli

chen verborgenen Conſtellation.“ . Theoſoph. Sendbriefe. 12r Br. S. 22 — 26 .

„ So wir uns nun entſinnen der mancherlei Secten und Streiten in der Religion , wovon ſie doch herkommen und ſich

urkunden ; ſo iſt das ſonnenklar, und findet ſich in der That im Werke : Denn es werden große Kriege und Empörungen wegen des Glaubens angerichtet , und entſtehet darinnen gro Ber Neid und Haß , und ein jeder verfolger den andern um

ſeiner Meinung willen ; daß er nicht ſeiner Meinung iſt , darf er wol ſagen , er ſei des Teufels , und iſt das allerelen : deſte , daß das von den Gelehrten der Schulen dieſer Welt

geſchiehet.“ „ Und ich will dir einfältigen Menſchen ihren Gift zeis gen : denn ſiehe , jedermann unter den Laien fiehet auf ſie. und denket : Das muß ja recht ſein , weil es unſer Pfarrherr ſaget: er iſt Gottes Diener und fişet an Gottes Statt , der H . Geiſt redet aus ihme. Aber St. Johannes ſpricht: 1 Epiſt.

4 : 1 : Prüfet die Geiſter , denn es iſt nicht jedermanns Lehre zu gläuben ; und Chriſtus ſpricht: Math. 7 : 16 — 18 : An ihren Werken ſollt ihr ſie erkennen ; denn ein guter Baum träget gute Frucht, und ein fauler Baum träget böſe Frucht.


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Und lehret uns treulich , daß wir nicht der Weifſagung, ſo aus Gott iſt , widerſtreben , ſondern an der Frucht ſollen wir die Lehre prüfen.“

„ Nicht reden wir von vollkommenen Werken des Leibes , welcher im Geiſt dieſer Welt gefangen iſt; ſondern von ihrer Lehre, daß wir ſie prüfen , ob ſie aus Gott erboren iſt: denn ſo der Geiſt läſterung und Verfolgung lehret , ſo iſt er nicht

von Gott , ſondern vom Geiz und Hochmuth des Teufels . Denn Chriſtus ſehret uns ſanftmüthig in einer brüderlichen Liebe wandeln , damit können wir den Feind überwinden ,

und dem Leufel ſeine Macht nehmen , und ihme ſein Reich zerſtören .“

„ Aberwenn man zum Schwerd , Feuer und Verwüſtung land'und Leute greifet , da iſt kein Chriſtus , ſondern des Vas ters Zorn , und der Teufel iſt Aufblaſer . Denn das Reich Chriſti läfſet ſich nicht alſo finden , ſondern in der Kraft ,

wie das das Erempel der Apoſtel Chriſti ausweiſet , welche nicht Rache lehreten , ſondern ließen ſich verfolgen und betes

ten zu Gott , der gab ihnen Zeichen und große Wunder , daß die Völker haufenweis zufielen : alſo wuchs die Kirche

Chriſti mächtig , daß fie faſt die Erde beſchattete. Run , wer iſt dann der Verwüſter derſelben ? Siehe, thue die Aus gen recht auf, es iſt am Lage, und muß an Lag kommen , denn Gott will’s haben um der Lilien willen : das iſt der Ges

lehrten Hofart.“

„ Als der H .Geiſt mit Kräften und Wunder in den Heis ligen redete , und ſie träftig bekehrete ; fo fielen die Menſchen 34 , und thaten ihnen große Ehre an , neigeten und beugeten

ſich vor ihnen , als wären ſie Gott. Nun bei den Heiligen war es gut; denn man gab die Ehre Gott, und wuchs alſo

die Demuth und liebe , und war alles ein freundliche Ehrer: bietung, als den Kindern Gottes gebüret und ſein ſoll.“ „ Als aber die Heiligen ihre Lehre in Schriften faſſeten , Damit man ſie fönnte abweſende verſtehen , was fic lehreten ,


da fiel die Welt zu , und ein jeder wollte ein ſolcher Lehrer ſein , und dachten nun die Kunſt ſteckte im Buchſtaben : da

kamen ſie gelaufen alte und neue, die ein Theil nur im alten Menſchen ſtecketen , und hatten kein Erkenntniß von Gott ,

lehreten alſo nach ihrem Dünkel nach den aufgeſchriebenen Worten , und legeten dieſelben aus nach ihrem Gutdünken .“ „ Und dieweil ſie ſahen , daß man den Lehrern große Ehre

bewies , ſo ſtecketen ſie im Ehrgeize und in der Hofart, und auch im Geldgeize : denn die Einfältigen trugen zu , und meis.

neten der H .Geiſt ſtecete im Lehrer , da doch der Teufel der Hofart in ihm ſteckte : und kam dahin , daß ſich ein jeder nach ſeinem Meiſter nannte : einer wollte Pauliſch ſein , der ans

dere Apolliſch , der dritte Petriſch , und ſo fort. Dieweil die Heiligen nicht alle einerlei Worte führeten in der Lehre und

Schrift , und da es doch aus einem Geiſte war ; ſo fing der natürliche Menſch (welcher von Gott ohne Gottes Geiſt nichts weiß) allerlei Streit und Secten an , und ſetzten ſich allerlei

Leute zu Lehrern ein , nicht alle um Gottes , ſondern um zeit:

licher Ehre , Reichthum und Wolluſt willen , daß ſie möchten gute Lage haben , denn es war kein ſchwer Handwerk , alſo dem bloſen Buchſtaben anzuhangen ; und iſt;alſo ein Zant und Streit unter ihnen worden , daß man einander auf 8 heftigſte anfeindete : und derſelben war keiner aus Gott gebos ren , ſondern ihre Eltern hielten ſie zur Schrift, daß ſie rolls

ten Lehrer werden , daß ſie große Ehre an ihnen erlebeten , und ſie in guten Tagen fäßen .“

„ Alſo trieb fich's , daß ihm wollte ein jeder den größten Zulaufmachen , daß er bei den Leuten geſehen würde, unb

wurden derſelben Maul- Chriſten afſoviel , daß man die herzs liche Begierde zu Gott vergaß , und ſahe auf die Maulpfaf

fen , welche nur Streit und Zank anrichteten , und brüſtete ſich ein jeder mit ſeiner Kunſt , ſo er in der Schulen hatte ges :

lernet , und ſchrie: Da iſt Chriſtus , laufet hiezu , ſo hat Pau lus geſchrieben. Der ander ſagte : laufet hiezu , hie iſt Chri- .


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ſtus , ſo hat Petrus geſchrieben , es war ja Chriſti Jünger , und er hatte des Himmelreichs Schlüſſel , es kann mir nicht fehlen ; jener betrüget euch , folget mir nach.“ .

„ Alſo ſahe das arme unverſtändige Volk auf die Maul affen und Geizhälſe , welche nur Larven - Pfaffen waren , und verloren alſo ihren lieben Immanuel, den Chriſtum in ih nen , da der H . Geiſt ausgehet , der den Menſchen leitet und

führet in alle Wahrheit , und der ſie am Anfange hatte mit Kraft und Wunder geboren , der mußte nunmehro eine Hiſto ria ſein , und wurden nur Hiſtorien - Chriſten . So lange die

Apoſtel ſebeten , und ihre rechte Jünger , wahreten ſie ja ,. und ſtrafeten das, undweiſeten ſie den rechten Weg ; und wo ſie nicht waren , da machten ſie die Hiſtorien - Pfaffen irre , wie genug an den Epheſern zu ſehen iſt. Act. 19 : 32. Eph. 4 : 14 . Apoc. 2 : 2 .“ „ Alſo wuchs das Reich Chriſti nicht alleine in der Kraft,

ſondern meiſtentheils in der Hiſtorien : die Heiligen in Chriſto geboren , beſtätigten das oft mit großen Wundern , und die Baals - Hiſtorien - Pfaffen baueten dann immer alſo darauf;

mancher etwas Gutes zu guten Sitten und Tugenden , man cher nur Dornen und Diſteln , zu Krieg und Streit , mans cher zu großer Ehre , Dignität und Herrlichkeit , die man der Kirche Chriſti und ihren Dienern ſollte anthun , wie das

am Pabſtthum genug zu ſehen iſt, aus welcher Wurzel es

iſt gewachſen . Und war des Treibens alſo viel, ſonderlich miſchete man die jüdiſchen Ceremonien mit ein , als ob die Rechtfertigung des armen Sünders darinnen ſteckete, weil

es ein göttlich Gefeße wäre ; wie denn die Apoſtel das erſte Concilium um deswillen zu Jeruſalem hielten , da doch der

Heilige Geiſt beſchloß , man ſollte nur an Chriſto in rechter

Liebe untereinander hangen , das wäre alleine die Rechtferti: gung vor Gott.“ „ Aber es half nicht ; die Hofartwollte ihren Stuhr bauen , und ſich über Chriſtum ſeßen , der Teufel wolte Gott ſein ;


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und machten Gloſſen , wie ſie das könnten zuwege bringen , daß es der Einfältige nicht merke. Da mußte Petri Schlüſs fel Statthalter ſein , und zogen ihnen göttliche Gewalt mit

dem Schlüſſel zu , und mochten der göttlichen Kraft in Wun der und Thaten nicht mehr: denn ſie wolten auf Erden reich und fett ſein , und nicht arm mit Chriſto , welcher in dieſer Welt (wie Er ſelber bezeugete) nicht hatte , da er ſein Haupt

hinlegete. Solche Chriſten in Kraft und Wunder wollten ſie nicht ſein , gleich wie Adam , der wollte auch nicht in der Kraft leben , ſondern in einem großen Haufen , in turba magna) daß er zu faſſen hatte , und ſiehet man alhier recht unſer Elende, darein uns Adam führete , daß unſere Eſſens tien immer nach dem Geiſte dieſer Welt greifen , und wollen ſich alleine mit großen Haufen füllen , davon Adam und uns allen ein ſolch geſchwule und tölpiſcher Leib wird in Krank: heit und ſteten Widerwillen ." „ Als nun die hiſtoriſche Chriſtenheit neben den rechten Chriſten wuchs , ſo ſtund das Scepter allezeit bei den Gelehrs

ten ; die erhuben ſich und machten ſich mächtig , und der Ein fåltige gab ihnen alles recht : und da gleichwol eine Begirde zum Reiche Gottes im Menſchen erfunden ward , als das edle Wort Gottes , welches ſich in der Verheiſung hatte in 's Lebenslicht eingebildet, und durch Chriſtum råge gemacht; das trieb ſie doch gleichwol, daß ſie ſollten Gott fürchten .

Da bauete man große ſteinerneHäuſer, und rufete jedermann dahin , und ſagte : der H . Geiſt wäre alda fräftig , und man

müßte alda hineingehen ; fagten auch noch wol , indeme ſie ſich böſe und falſch erfunden , der H . Geiſt wäre fråftig in des Gottloſen Munde.“ „ Aber du Heuchler , du leugſt; po du gottlos biſt, kannſt

du keinen Loden aufweden ; du kannſt keinen bekehren , der im Geiſte dieſer Welt in Sünden verteufet iſt : du rügeſt wol durch deine Stimme dem Gläubigen ſein Herze , daß der

Geiſt würfet ; aber du gebiereſt keinen aus dem Tode , es iſt


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ein unmöglid Ding. Denn ſo du willt den armen Sünder, der in Sünden verteufet iſt , und im Zorne gefangen lieget ,

bekehren ; ſo muß in deinem Munde der . Geiſt ſein , und deine Eſſentien müſſen ſeine fahen ; ſo wird dein Licht in ihme Leuchten , und wirſt ihn aus dem Tode der Sünden aufwek fen , und mit deiner Liebe in deiner Linctur fahen , ſo wird

er zu dir kommen mit herzlichem Flehen und Begirde des Hims melreichs. Dann To biſt du ſein Beichtvater , und haſt Petri Schlüſſel ; und ſo du außer dieſem biſt, ſo haſt du keinen Schlüſſel.“

Wie die Beichte iſt, alſo iſt auch die Abſolution : iſt der.

Patient ein Hiſtoricus , alſo auch der Arzt , und iſt in beiden

eine Mund -Heuchelei; iſt aber der Patient kräftig , ſo bläſet die Stimme auch auf ſeine Kraft, nicht aus Kraft des Arzt

tes , ſondern in Kraft Gottes , der auch mit ſeiner Kraft in einem Dornbuſche das Gedeihen machet , daß er grüne ,welche

iſt die Kraft in allen Weſen : alſo auch wol in einer Stim

me, welche in ihr ſelber keine Macht hat.“ „ Alſo ging's im Schwange , daß jedermann an ſteinern Tempel gebunden ward , und der Lempel Gottes in Chriſto

blieb ſehr ledig ſtehen ; als man aber ſahe die Verwüſtung im Zanfe, ſo ſtellete man Concilia an , und machete Geſebe , daß jedermann die halten ſollte bei Verluſt feines Lebens. Alſo ward aus dem Lempel Chriſti ein ſteinerner Tempel ges

machet , und aus dem Zeugniß des H . Geiſtes ein weltlich Geſeke; da redete nicht mehr der H . Geiſt frei, ſondern er ſollte reden nach ihren Geſeken ; ſtrafete Er ihre Frrthümer, ſo verfolgeten ſie Ihn : Alſo ward der Lempel Chriſti in menſchs (icher Erkenntuiß ſehr blind ; kam einer aus Gott geboren , und Lehrete im H . Geiſte , ſo es ihren Geſeben nicht ähnlich

war, ſo mußte er ein Keßer ſein .“ „ Alſo wuchs ihre Macht , und jedermann ſabe darauf,

und ſie ſtärketen ihre Gefeße in Macht St. Petri immerdar, bis ſie ſich alſo hoch repeten , daß ſie ſich auch ſo unverſchämt


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für Gott über der Apoſtel lehr als Herren feßten , und fürs gaben , Gottes Wort und der Heiligen Lehre müßte von ihs rem Rath den Werth empfangen , und was ſie ſebeten , das thäte Gott , ſie wären Gottes Statthalter im Worte ; man

müßte ihr Gefeße gläuben ; denn es wäre der Weg der Recht fertigung des armen Sünders vor Gott.“ „ Wo bleibet dann die neue Wiedergeburt in Chriſto,durch den H . Geiſt ? Biſt du nicht Babel, eine Behauſung aller Leufel in der Hofart ? wie haſt du dich geſchmücket , nicht

um Chriſti, ſondern um deiner ſelbſteigenen Hofart willen , um deines Abgott - Bauches willen , und biſt ein Freſſer ? aber dein Bauch iſt ſtinticht worden , und hat eine grimme Quaal bekommen . Es iſt ein Feuer der großen Angſt in deiner Quaal, denn du biſt vor Gott offenbar , du ſteheſt als ein unzüchtig Weib : was hangeſt du armer Laie an dies ſer Huren ? ihre ſelbſteigene genommene Macht iſt ihr Thier ,

darauf fie reitet , ſchaue ſie doch in der Offenbarung Jeſu Chriſti an , wie fie der H . Geiſtmahlet.“ :

„ Wiltdu Chriſti Apoſtel ſein , und willt nur ein Bauchs

diener ſein , und nur nach deiner Kunſt lehren , wen lehreſt du dann ? beinen Bauch , daß du dich davon nähreft und

fett wirſt : Zwar nähren ſollt du dich davon , und man fou

dich pflegen , ſo du Chriſti Jünger biſt; aber dein Geiſt foll nicht im Geize ſtecken , ſondern in Chriſto : du ſout dich nicht

alleine verlaſſen auf Kunſt, ſondern dich Gott ergeben , daß Gott aus dir rebet , ſo biſt du im Lempel Gottes , und nicht

im Lempel der Gefeße des Menſchentandes.“ „ Siehe an St. Petrum am Pfingſttage, der dreitaus ſend Menſchen in einer Predigt befehrete. Act. 2 : 41. Er redete nicht aus der Phariſeer Gefeße, ſondern aus dem Geiſte Moſis und der Propheten , aus dem Lempel des H . Geiſtes,

das drang durch , und erleuchtete den armen Sünder. Alſo, der du ißt nur Verfolgunge Lehreſt , denke woraus biſt du das

mit gewachſen ? aus dem erſten Stođe, da man aus dem


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Tempel Chriſti fiel in Menſchentanto , da man Lehrer aufblies, nach denen ihnen die Ohren jucketen , nur zum Schein , wie du möchteſt in deiner Hofart groß werden . Und ſo du nur folches geſucht haſt, ſo hat dich auch Gott laſſen fallen in vers kehrten Sinn , daß aus dir ſind worden die , welche die wahre

Lehre von Chriſto läſtern .“ :

,, Siehe ! woraus iſt der Türk gewachſen ? aus deinem

verkehrten Sinn : als man fahe , daß man nur nach Hofart trachtete , und nur zankete um den Tempel Chriſti , und daß es ſollte ſtehen auf Menfchen - Grund und Fund , ſo kam der Mahomed herfür , und ſuchte einen Fund , der der Natur ähnlich wäre, weil jene nur nach Geiz trachteten , und fielen vom Tempel Chriſti, und auch vom Lichte der Natur in eine Wirrung der Hofart , wie man nur möchte den anti- chriſtis

fchen Stuhl ſchmücken : ſo machte er ihm auch ſelber Geſeke

und Lehre aus der Vernunft.“ •

Oder meineſt- du , es ſei vergebens geſchehen ? Ja der Geiſt der großen Welt hat ihn alſo im Wunder erbauet , dieweil jene nichts beſſer waren , ſo mußte dieweil das Licht

der Natur im Wunder ſtehen , als ein Gott dieſer Welt , und war Gott einer ſo nahe als der ander. Deine Zeichen im Les ſtament Chriſti , die du treibeſt, welche Chriſtus zu einem

Bunde ließ , die ſtunden im Zanke , dazu verkehreteſt du ſie nach deiner Hofart, und bogeſt ſie nach deinem Gefeße. Es

war dir nicht mehr um den Bund in Chriſto , ſondern um den Brauch , der Brauch ſollte es thun ; Und da doch ein Holz ohne Glimmen kein Feuer iſt, und ob es ſchon ein Feuer

wird im Anzünden : alſo auch der Bund ohne Glauben iſt als ein Holz ohne Glimmen , das man wollte Feuer nennen .“ . „ Oder ſoll dir's der Geiſt nicht unter Augen ſtellen , du

Unzüchtige ? Siehe! wie haſt du den Eheſtand zerriſſen , und eine Porte der Hurerei aufgethan , daß man's für keine Sünde achtet. Haſt du nicht geritten auf deinem Thier , da jeder mann hat auf dich geſehen , und iſt dir nachgeritten ? Oder

i


biſt du nicht noch ſchöne ? Meineſt du wir ſtellen's dir verges , bens dar ? Das Urtheil ſtehet über dir , das Schwert iſt ges

boren und will freſſen : Gehe aus Babel, fo lebeſt du , wies wol wir ein Feuer ſahen in Babel, und Babel brannte , po

wird's doch den nicht brennen , der ausgehet.“ Von den drei Principien göttl. Weſens. Kap. 26.

S. 13 - 34 . „ Wann gleich tauſend von Gott Gelehrte , welche im

Geiſt Chriſti erboren ſind , bei einander wären , und da ein jeder eine ſonderliche Gabe und Erkenntniß in Gott hätte , noch wären ſie alle in der Wurzel Chriſti einig , und begehrte ein jeder uur die Liebe Gottes in Chriſto : welcher Jünger wird ſich über ſeinen Meiſter erheben ? Sind wir in Chriſto ein Leib , was darf dann ein Glied mit dem andern zanken um die Speiſe ? Wenn der begehrende Mund iſſet , ſo empfas.

hen alle Glieder Kraft , ein jedes Glied hat ſeine Geſchäfte, die Wunder Gottes zu eröffnen : Wir führen nicht alle ein Wort , aber einen Geiſt in Chriſto , einem jeden wird ſeines zugetheilet , was er in Gott eröffnen ſoll , auf daß die große Geheimniſſe Gottes offenbar werden , und die Wunder , ſo

von Ewigkeit in ſeiner Weisheit ſind, erſehen werden ; zu wels

chem Ende die Seele von Gott ward erſchaffen .“ Bom dreifachen Leben des Menſchen . Rap. 16 . . 24 . : : „ Die Welt vermeinet ſchlechts , man müſſe Gott mit den irdiſchen und Sternenaugen ſehen , ſie weiß nicht , daß. Gott nicht im Aeußern wohnet , ſondern im Innern ; ſo fle denn nichts wunderliches an Gottes Kindern ſiehet, ſpricht ſie : O ! er iſt ein Narr , er iſt närriſch geboren , iſt melans. choliſch , ſo viel weiß ſie. Dhöre Meiſter Hans , ich weiß wol was Melancholei iſt , weiß auch wolwas Gott iſt , ich

kenne ſie beide , und auch dich in deiner Blindheit; Aber ſolch' Wiſſen foſtet nicht eine Melancholei, ſondern ein ritterlich

Ningen : denn keinem wird's gegeben ohne Ringen , er ſei dann im Ziel von Gott erkoren , er ringe denn um das Krängs


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lein . Es wird wol mancher in Mutterleibe dazu erforen , wie Johannes der Läufer , Luc. 1 : 13, und andere mehr,

im Bunde Gottes der Verheiſung ergriffen , welcher allezeit ein Ziel eines Seculi iſt , der init der Zeit des großen Jahres

geboren , und von Gott erkoren wird die Wunder, die Gott vorhat zu ' eröffnen : Aber nicht alle aus dem Ziel , ſondern ihrer viel aus eiferigem Suchen ; denn Chriſtus ſprach : Su chet , ſo werdet ihr finden , klopfet an , ſo wird euch aufges

than , Math . 7 : 7. Item : Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausſtoßen , Joh . 6 : 37. Item : Vater ich will , daß, die du mir gegeben haſt, feien ,wo ich bin , Joh . 17. 24 ;

das iſt mit dem neuen Menſchen aus Chriſto geboren in Gott feinem Vater . Item : Vater ich will , daß ſie meine Herrlich keit ſehen , die ich hatte vor der Welt Grunde. Alhier lieget

das Sehen aus Chriſti Geiſte, aus Gottes Reiche, in Kraft des Wortes , des Wefens der Gottheit , mit Gottes Augen , und nicht mit dieſer Welt und des äußern Fleiſches Augen ."

• „ Alſo du blinde Welt wiſſe womit wir ſehen , wenn wir von Gott reden und ſchreiben , und laſſ dein falſches Richten bleiben ; Siehe du mit deinen Augen , und laſſ Got tes Kinder mit ihren Augen ſeben : Siehe du aus deinen Gas

ben , und laſt Gottes Kinder oder einen andern aus ſeinen

Gaben ſelen . Ein jeder , wie er berufen wird , alſo ſehe er, und alſo wandele er , denn wir treiben nicht alle einerlei Wans del , jeder aber nach ſeiner Gabe und Beruf zu Gottes Ehr und Wunder : Es läßt ſich der Geiſt Gottes nicht alſo bins

den , wie die äußere Vernunftmit ihren Gefeßen und Concis liis vermeinet , da man allemal eine Kette des Antichriſts mit

ſchleuſt, daß die Menſchen wollen über Gottes Geiſt richten , und ihren Dünfel und Schluß für Gottes Bund halten , als wäre Gott nicht in dieſer Welt daheime, oder als wären

fie Götter auf Erden , beſtätigens noch mit Eide , was ſie gläuben wollen . Iſt das nicht ein Narrenwerk , den H . Geiſt

in feinen Wundergaben an einen Eid binden ? Er ſollgläuben ,


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was ſie wollen , und ſie kennen Ihn doch nicht, ſind'auch nicht aus Ihm geboren , machen Ihm doch Geſeke , was Er thun ſoll.“

„ Ich ſage, daß alle ſolche Bünde der Antichriſt und Uns

glaube ſind , es gleiße, wie es wolle : So iſt Gottes Geiſt ungebunden , Er gehet nicht im Bunde, ſondern frei erſcheis

net er dem ſuchenden Gemüthe nach ſeiner Gabe, wie er ges naturet iſt; Er iſt ihm auch wol unterthan , ſo er Ihn nur mit Ernſt begehret. Was ſoll denn der Bund in menſchli

cher Wiße von dieſer Welt , ſo es Gottes Ehre betrifft ? Sind doch alle Bünde aus eigener Hofart geboren : freund liche Unterredung iſt wol gutund nöthig , daß einer dem ans dern ſeine Gabe darthue , aber die Bünde ſind eine falſche Rotte wider Gott. Gott hat einmal einen Bund mit uns in

Chriſto gemachet, das iſt genug in Ewigkeit, Er machet fei

nen mehr , Er hat das menſchliche Geſchlechte einmal in Bund genommen , und ein veſtes Teſtament gemacher mit Tod und

Blut: es iſt genug an deme, wir laſſen uns billig an deme genügen , und hangen dieſem Bunde an ; wir dürferr nicht alſo fühn um

Chriſti Kelch tanzen , als ist geſchieht, oder

wird weggenommen werden , wie den Türken geſchahe.“ Von der Menſchwerdung Jeſu Chriſti. 2r Th., Kap. 7. S. 11 – 13.

„ Der Wille führet uns zu Gott , und auch zum Leu fel : es lieget nicht daran , ob du einen Chriſten - Namen has beſt , es ſtedet keine Seligkeit darinnen ; ein Heide und Lürke

iſt Gott ſo nahe , als du unter Chriſti Namen . So du aber einen falſchen ungöttlichen Willen in der That führeſt , ſo biſt du ſo wol außer Gott als ein Heide , der Gottes nicht begehret , und den nicht wil. Und ſo ein Türke Gott ſuchet, und das mit Ernſt , und ob er in Blindheit wandelt , ſo iſt

er doch unter dem Kinderhaufen , welche unverſtändig ſind ; und erreichet Gottmit den Kindern , welche nicht wiſſen , was


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fie reden ; denn es lieget am Willen , und nicht am Wiffen , wir ſind alle blind an Gott.“

„ Sowir aber unſern ernſtlichen Willen in Gott ſeßen , und den begehren , ſo empfahen wir ihn in unſerm Willen ,

alſo , daß wir in Ihme in unſerem Willen geboren werden : denn durch den Willen iſt dieſe Welt gemacht worden , und

im Willen ſtehet unſer Leben , auch alle unſer Thun.“ Vom dreifachen Leben des Menſchen . Kap. 6 . 9. 21 -- 22. ,, Dieſe angedeutete Autores , über welche ihr ein Gutachs ten von mir begehret , habe ich nicht alle , jedoch zum Lheil : geleſen : id begehre ſie nicht zu richten , es ſei ferne von mir,

ob ſie gleich nicht alle einen Stylum gehabt haben zu ſchreis ben : Dann das Erkenntniß iſt mancherlei; ſo gehöret mir

aber aus meinen Gaben ihre Herzen und Willen zu prüfen : Wann ich aber befinde, daß ihre Herzen und der Geiſt aus einem Centro , als aus Chriſti Geiſt entſprießen ; ſo laſſe ich mir am Centro genügen , und befehle das Ausſprechen der höchſten Zungen , als dem Geiſt der Weisheit Gottes , der durch die Weisheit eröffnet einem jeden , nach dem Maß als Er will."

„ Ich richte niemand , und iſt das Verdammen ein fals ſches Geſchwäß. Der Geiſt Gottes richtet ſelber alle Dinge, iſt derſelbe in uns, was fragen wir dann lange nach dem Geſchwäße ? Ich erfreue mich aber vielmehr der Gaben meis

ner Brüder : Iſt es aber , daß fie eine andere Gabe auszu :

ſprechen gehabt haben als ich , ſoll ich ſie darum richten ?" „ Spricht auch ein Straut, Blume, Baum zum andern :

du biſt ſauer und tunkel ich mag nicht neben dir ſtehen ? Ha ben ſie nicht alle cine Mutter , daraus ſie wachſen , alſo auch alle Seelen aus Einer , alle Menſchen aus Einem . Was

rum rühmen wir uns Kinder Gottes , ſo wir doch unver ſtändiger ſind als die Blumen und das Kraut auf dem Felde ?

Iſt’s nicht auch alſo mit uns, daß Gott ſeine Weisheit in


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uns offenbaret ? gleichwie er die Tinktur der Verborgenheit in der Erden , durch die Erde mit ſchönen Gewächſen offen : baret ; alſo auch in uns Menſchen : wir folten uns vielmehr

darüber erfreuen , und uns herzlich lieben , daß Gott ſeine Weisheit in uns ſo vielfältig offenbaret. Der aber richtet und verdammet auf dem gottloſen Wege, welcher nur in Hofs art lauft , ſich ſehen zu laſſen , der iſt der Treiber zu Babel ,

ein drehend Rad , das nur Zank aufbläſet.“ „ Die rechte Proba der Kinder Gottes iſt dieſe, da man mag ſicher nachfolgen : Ein demüthiges Herz , das ſich nicht ſelber ſucher noch ehret, ſondern ſuchet immerbar ſeinen Brus der in der Liebe, das nicht eigen Nuß und Ehre ſuchet, ſons dern Gerechtigkeit und Gottesfurcht. Der rechte und ſchlechte Weg zu Gott zu kommen iſt dieſer , ſo viel mir deſſen erkennts lich iſt : Nemlich , daß der Menſch aus ſeinen begangenen Sünden ausgehe , und ihme einen ernſten Fürſaß mache ,

nimmermehr wieder darein einzugehen , und in ſeinem Ausges hen nicht zweifelt.“ Theoſoph. Sendbriefe. 12r Brief S . 34 - 37. „ Ich habe mit den Kindern Gottes wegen ihrer ungleis chen Gabe feinen Zank; ich kann ſie in mir alle einigen , ich

gehe mit ihnen nur auf's Centrum , ſo habe ich die Probam

aller Dinge. Wollet ilir mir nun nachfolgen , ſo werdet ihr es erfahren , und vielleicht hernach beſſer verſtehen , was ich geſchrieben habe.“

Ebendaſelbſt. S. 43. „ Die gleisneriſche Babel lehret ißt: Unſere Werke vers dienen nichts , Chriſtus habe uns vom Lode und der Höllen

erlöſet , wir müſſen's nur glauben , ſo werden wir gerecht. Höre Babel , der Knecht, der ſeines Herrn Willen weiß , und , den nicht thut, ſoll viel Streiche leiden . Ein Wiſſen ohne Thun , iſt eben als ein Feuer , das da glimmet , und kann vor Näſſe nicht brennen . Willt du , daß dein göttlich Glaubenss


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feuer brennen ſoll , ſo mußt du daſſelbe aufblaſen , und aus des Teufels und der Welt Näſſe ausziehen , du mußt in 's Leben Chriſti eingehen : wilt du ſein Kind werden , ſo mußt

du in ſein Haus eingehen , und ſein Werf treiben , oder du biſt darauſen , und ein Heuchler, der den Namen Gottes uns nüßlich führet ; anderſt ſehreſt du , und anderſt thuſt du , und. bezeugeſt alſo , daß Gottes Urtheil recht über dich ſei. Oder, was hat Gott für Gefallen an deinem Wiſſen , da du ein Schalk bleibeſt ? Meineſt du , Er nehme deine Heuchelei an ,

daß du zu Ihm ſchreieſt : Herr gib mir einen ſtarken Glauben an das Verdienſt Deines Sohnes Chriſti , daß ich 's vom Hers

zen glaube , daß er für meine Sünde hat genug gethan ! Meis neſt du , das ſei genug ? o höre , Nein ! du mußt in Chriſti

Leiden und Sterben eingehen , und aus ſeinem Tode anderſt geboren werden , du mußt ein Glied mit und in Ihm werden ; du mußt den alten Adam ſtets kreuzigen , und immer an Chriſti

Kreuz hängen , und mußt ein gehorſam Kind werden , das immer höret , was der Vater faget, und immer daſſelbe wols len gerne thun : Sn's Thun mußt du eingehen , ſonſt biſt du eine Larve ohne Leben , du mußt mit Gott gute Werke der

Liebe gegen deinen Nädyſten wirken , deinen Glauben ſtets üben , und immer bereit ſein zur Stimme des Herrn , wenn

Er dich heiſet aus dem alten Pelze heimgehen in das reine

Kleid. Siehe , ob du gleich auf dieſen Weg tritteſt, ſo wirſt du dennoch Schwachheit genug und viel zu viel an dir füh len , du wirſt noch zu viel Böſes wirken , denn wir haben eis nen böſen Gaſt in uns zur,Herberge: es gilt nicht nur tröſten , ſondern wider denſelben fämpfen , ſtreiten , ihn ſtets tödten

und überwinden ; er iſt ohne das immer zu ſtark , und will das Oberregiment haben . Chriſtus hat wol für uns und in uns den Lod zerbrochen , und die Bahn in Gott gemachet,

was hilft mich’s aber , daß ich mich des tröſte , und ſolches lerne wiſſen , bleibe aber im finſtern Zorn verſchloſſen liegen , an der Ketten des Teufels gefangen ? Ich muß in dieſelbe

.


-

53

.

Bahn eingehen , und in derſelben Straße wandeln , als ein Pilgramm , der aus dem Lode in 's Leben wandelt.“

Von der Menſchwerdung Jeſu Chriſti , ar Theil.

. ri

i

"

Kap . 7. S . 15 .

.

. "

. : ,,Uns Menſchen in dieſer Welt iſt daran am meiſten ges legen , daß wir das Verlohrne wieder ſuchen : fo .wir nun wollen ſuchen , ſo müſſen wir nicht außer uns ſuchen .“

: : „ Wir dürfen keiner Heuchler und Ohrenjucker , die uns tröſten , und viel güldner Berge verheiſen , daß wir nur ihs

nen nachlaufen , und ſie gleißend machen .“ „ Und wann ich alle mein lebenlang fäße, und hörete

. "

Predigt, und hörete immer vom Himmelreich und von der neuen Wiedergeburt predigen , ſingen und klingen , und ließe es alſo dabeibleiben , ſo wäre ich doch einmal als das ander.“ .

Wann man einen Stein in 's Waffer wirft , und wieder

herauszeucht, ſo iſt’s einmal ein harter Stein als das ander , und er behält ſeine Geſtalt: wann man ihn aber in 's Feuer wirft , ſo friegt er eine andere Quall in ſich ſelber.“

„ Alſo auch du Menſch , wann du gleich in die Kirche laufeſt , und willt auch als ein Diener Chriſti geſehen ſein , das iſt nicht genug ; fo du es dabei laſſeſt bleiben , ſo biſt du einmal als das ander ."

.

„ Es iſt auch nicht genug , daß du alle Bücher auswendig lerneſt : undwann du Jahr und Tag ſtündeſt, und läſeſt alle Schriften , und könnteſt gleich die Bibel auswendig , ſo biſt

du darmit nichts beſſer vor Gott als ein Säuhirte , der dieſe Zeit die Säue gehütet hat ; oder ein armer Gefangener in der

Finſterniß , der des Tages Licht dieſer Zeit nicht geſehen hat.“ . . . „ Es hilft kein Schwäßen , daß du viel weißt von Gott zu reden , und verachteſt die Einfältigen , wie die Heuchler auf des Antichriſts Chier thun , welche dem Sehenden das licht verbieten , wie dieſer Hand auch geſchehen iſt. Es heis

fet , wie Chriſtus ſpricht: Es ſei dann , daß ihr umkehret und werdet als die Kinder', ſonſt werdet ihr das Himmelreich nicht


ſehen ewiglic); ihr müſſet von neuem geboren werden , wollt ? ihr das Reich Gottes fehen ; das iſt der rechte Zweck.“ geſchehen auch Hand dieſer Anmerkung. Die Worte „wie iſt “ , beziehen ſich auf die Chicanen des Görlißer Paſtors

primarius, Gregor Richters , gegen Jacob Böhs me, und auf das Verbot, das der Görlißer Mas giſtrat an den leßtern ergeben ließ, ſich nicht mehr mit ſolchen Betrachtungen zu beſchäfti: gen , und ſie nicht aufzuſchreiben . - Ueber dieſe

ganze ſchändliche Geſchichte gibt hinlängliche Nachricht Fouque, in ſeinem Buche: „ Jacob Böhme. Ein bios

graphiſcher Denkſtein.“ 1831. Greiz. - Auch Franz Horn theilt hierüber einiges mit, nur erwähnt er das Verbot des Görliger Magiſtrats nicht. S . Die Poeſie und Beredſamkeit der Deutſchen . 1r Band, S . 236 . — In Beziehung auf das Benehmen der Görliger und ihres Magiſtrates ſchreibt einmal J. B . von Dresden aus an

ſeinen Freund , Dr. Kober, in Görlig : „ Dwann Jeſuiter dahin kämen , und man die Kirchen von ihnen wieder abfoderte , was würde es gute Päpſtler geben.“

S . den 64n der theoſoph. Sendbriefe. - Nil novi in ecclesia — ſchon vor zweihundert Jahren ſagte ein ehrs licher , einfacher Mann , was zu unſern Zeiten unſer größter Dichter ſagt: „ Verdammen wir die Seſuiten , So gilt es doch in unſern Sitten ."

(S . Göthe’s D . 4 , 370.) „ Es darf keine Kunſt oder Wohlredenheit darzu fein , du

darfſt auch weder Bücher noch Kunſt darzu , ein Hirte iſt ſo geſchickt darzu als ein Doctor , und noch vielmal beſſer: dann er gehet eher aus feiner eigenen Vernunft in Gottes Barmhers sigkeit ; er hat nicht große weiſe Vernunft, darum berathſchlas get er ſich nicht damit , ſondern gehet ſchlecht mit dem armen

Zölner in Lempel Chriſti, da der Hochgelehrte noch wolzerſt


- 55 eine Academiam auf die Naſen ſeket , und beſinnet ſich erſt , in welcher Meinung er will in den Tempel Chriſti eiugeben . Er nimmt ihme erſt Menſchenmeinung vor, aus dieſer oder

jener Meinung willſt du Gott ſudjen : Einer in 's Papſts

Meinung , der andere in Luthers , der dritte in Calvini, der vierte in Schwenkfelds , und ſo fort an , es ſind der

Meinungen kein Ende.“ „ Alſo ſtehet dann die arme Sele außer dem Lempel Chriſti in Zweifel, klopfet und ſuchet , und zweifelt doch auch ima • mer, es ſei nicht der rechte Weg ." „ O du arme verirrete Sele in Babel ! Was madheſt du ? D laſ ab von allen Meinungen , wie die in dieſer Welt heis fen ; es iſt alles nur ein Streit der Vernunft."

Man findet die neue Wiedergeburt und den edlen Stein nicht im Streite , auch in feiner weiſen Vernunft : du mußt alles , was in dieſer Welt iſt , es ſei hochglißende wie es

wolle , fahren laſſen und in . did ſelber eingehen , und nur

deine Sünde , in der du gefangen biſt, zuſammen auf einen Haufen raffen , und in die Barmherzigkeit Gottes werfen und zu Gott fliehen , und den um Verzeihung bitten , und um Er , leuchtung ſeines Geiſtes Peptes ..“" 1 . Nicht lange disputiren , nur Ernſt ; dann der Himmel muß zerſpringen , und die Hölle erzittern , und es geſchieht auch . Du mußt alle Sinnen mit Vernunft , und alles , was

dir in den Weg kommt darein leben , daß du nichtwolleſt von Ihme laſſen , Er ſegne dich dann , wie Jacob die ganze Nacht alſo mit Gott rang : Wann gleich dein Gewiſſen ſagt lauter Nein , Gott will deiner nicht, ſo will ich aber ſeiner , ich

laſſe von dir nicht ab , man trage mich dann in's Grab; mein Wille ſei dein Wille , ich will , was du Herr willſt : und wann gleich alle Leufel um dich ſtünden , und ſprächen ,

verzeuch , es iſt auf einmal genug; ſo mußt du ſagen : Nein , mein Sinn und Wille ſoll nicht außer Gott kommen ; er ſoul ewig in Gott ſein , ſeine Liebe iſt größer als alle meine Sünde : ,


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habt ihr Leufel und Welt den ſterblichen Leib in eurem Ges fängniß , ſo hab ich meinen Heiland und Wiedergebärer in

meiner Selen , der wird mir einen himmliſchen Leib geben , der ewig bleibet.“ „ Verſuche es nur alſo , du wirſt Wunder erfahren , du

wirſt balde Einen in dich bekommen , der dir wird helfen rins gen , kämpfen und beten ; und ob du gleich nicht viel Worte kannſt , lieget nichts daran , und du gleich nur das einige

Wort des Zöllners : Ad Gott ſei mir Sünder gnädig ! könns teſt. Wann aber dein Wille mit aller Vernunft und Sin nen in Gott geſeßet ſind, von Ihme nicht abzulaſſen , und follte gleich Leib und Sele zerſpringen ; ſo hälteſt du Gott und brichſt durch Tod und Hölle , und Himmel , und geheſt in Lempel Jeſu Chriſti ein , wider aller Leufel Wehren .“ Vom dreifachen Leben des Menſchen . Kap. 7 . S. 1 -- 13. : „ Träget doch eine Biene aus vielen Blumen Honig zu ſammen , ob manche Blume gleich beſſer wäre als die andere ; was fraget die Biene darnach ? Sie nimmt was ihr dienet : Sollte ſie darum ihren Stachel in die Blumen ſtechen , ſo

fie des Saftes nicht möchte , wie der verächtliche Menſch thut?

man ſtreitet um die Hülſen und den edelen Saft, der zum Leben dienet , läſſet man ſtehen .“

„ Was hilft mich die Wiſſenſchaft, ſo ich nicht darins nen lebe ? das Wiſſen muß in mir ſein , und auch das Wola len und Zhun . Der Mantel mit dem Leiden und Genugs thuung Chriſti , den man ißt dem Menſchen umdecket , wird

manchem zum Stricke und hölliſchen Feuer werden , daß man ſich alſo nur will mit Chriſti Genugthuung fißeln , und den Schalk anbehalten .“

„ Es heiſet: Ihr müſſet neu geboren werden , oder ſollet Gottes Reich nicht ſchauen ; ihr müſſet werden als ein Kind, wollet ihr Gottes Reich ſehen . Nicht allein um die Wiſſens ſchaft zanfen , ſondern ein neuer Menſch werden , der in Ge


- 57 rechtigkeit und Heiligkeit in Gott lebe. Man muß den Schalt austreiben , und Chriſtum anziehen , alsdann ſind wir in

Chriſto , und mit Chriſto in ſeinem Tod begraben , und ſtes hen mit Chriſto auf, und leben ewig in Ihme. Was ſoll ich dann lange um das zanken , das ich ſelber bin ." „ Ich habe mit Niemand keinen Zank, als nur wider

den Gottloſen , den ſtraft der Geiſt unter Augen : wollte ich

euch nicht bergen , und meine es treulich.“ · Theoſoph. Sendbriefe. 12r Br. S. 61 - 64. „ Anlangend etliche Perſonen , eurer Nachbarſchaft , das von ihr meldet , welche alles zu Gelbe machen , und dem vers

meineten zion zulaufen , hielt ich rathſamer fie blieben das

heime, dann Zion muß in uns geboren werden ; Wann fie werden an die Orte kommen , ſo iſt ihnen ſo wohl als vors

hin , und müſſen gleichwol unter dem Joch Chriſti leben .“

„ Gott iſt im Himmel und der Himmel iſt im Menſchen ; will aber der Menſch im Himmel ſein , ſo muß der Himmel

im Menſchen offenbar werden . Das muß durch ernſte Buße und herzliches Einergeben geſchehen ; das fönnen ſie wol das heimen , und an ihren Orten thun. Deme ſie gedenken zu

entfliehen , darein werden ſie laufen . Wann ſie daheime eis

nen göttlichen Weg wandelten , daß andere Leute ein Erems pel an ihnen hätten , wäre Gott angenehmer."

Dann es hat unter ihnen auch ſtolze , hofärtige , ſpots tiſche Leute , welche nur verachten und ſchmähen , und iſt in manchem mehr eine angenommene Weiſe und geiſtliche Hofs

art; als ich dann ſelbſt erfahren habe. Dann ich habe einen unter ihnen wegen eines ausgegangenen Büchleins, darin ich etwas ſchweres wider Gott und den Grund der Wahrs

heit fand , ganz chriſt- und brüderlich erſuchet und unterwies

fen , verhoffte er würde ſehend werden ; Aber er hat ganz ſtolz und verächtlich , darzu ſchmählichen geantwortet , und eine

ſolche Antwort von ſich gegeben , darinnen kein Gottes Geiſt zu ſpüren iſt.

Ihre Confeſſion iſt vielmehr eine Meinung!


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58

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als ein rechter Ernſt, dann deſſen ſie ſich rühmen , die ſind ſie nicht. Es mag wol fromme Herzen unter ihnen haben , aber ihrer viel ſind es nur mit dem Namen , und wollen das Anſehen haben ; wie ich ſelbſt von einem der Vornehmſten uns

ter ihnen habe erfahren .“ . „ Wollte Gott , es wäre ſo ein Ernſt mit ihnen , wie ſie vorgeben , ich wollte es auch loben . Allein Schmäben und

Verachten iſt nur Babel , deſſen iſt die Welt voll.“ „ Anlangende den Hans Weyraud , ſo viel ich in dies

ſer Schrift ſehe, mag ein Menſch ſein , welcher in Gottes Liebe wallet, wofern fich fein Weg im Herzen ſo verhält: Daß er aber andere tadelt, wegen Erkenntniſſes des Lichtes

der Natur, darinnen hat er vielleicht nicht Srkenntniß , und erſtrecken ſich ſeine Gaben dahin nicht; iſt darauf nicht zu ſes hen , weil es ſeine Gabe nicht iſt. Wollet ihn derweil für

einen frommen Bruder halten . Dann Gott führet ſeine Gas ben nicht nur in der Einfalt aus , ſondern auch in manchem in der Höbe; dann er iſt hoch , und thutmit allen ſeinen Wers

fen , was Er will.“ „ Alſo antworte ich auch von den andern angedeuteten Autoribus , welche theils hohe Gaben gehabt, aber nichtalles mögen genug ergreifen , doch haben ſie zu ihrer Zeit genug gethan . Weil aber die ißige Zeit eines andern Arztes bedarf,

ſo befinden ſich auch ißiger Zeit andere Erkenner und Wiſſer

gu der Krankheit, alles nach Gottes liebe und Vorſorge , der nicht will , daß jemand verloren werde, ſondern daß allen Menſchen geholfen werde.“

„ Wann dieſelben Autores anißo lebeten , ſo würden ſie vielleicht in etlichen Punkten haben klärer und in andern

Formen geſdrieben , wiewol ſie bei ihrer Zeit genug gethan , und ſie darum mit nichten zu verachten ſind ; obwol etliche Puncta zu verbeſſern wären , ſo iſt doch ihre Lehre von der Vereinigung der Gottheit und Menſchheit faſt klar, und ſiehet man , wie auch Gottes Geiſt in ihnen geweſen ; die Vernunft


-- «59 aber drehet alles in 's årgſte , und verkehret’s mit falſchein .

Deuten .“

. .

Ebendaſelbſt. S . 47 — 53. . . liebe Herrn und Brüder ! laſſet uns Chriſto die Ehre

geben , und uns unter einander freundlich mit züchtigen Wors ten und Unterweiſung begegnen ; thue einer dem andern ſeine Gaben im brüderlichen Willen dar; denn es ſind mancherlei Erkenntniß und Auslegungen ; ſo ſie nur aus dem Sinne

Chriſti gehen , ſo ſtehen ſie alle in einem Grunde.“ „ Wir ſollen uns wegen der ungleichen Gaben nicht vers folgen , ſondern vielmehr in der Liebe unter einander erfreuen , daß Gottes Weisheit ſo unausſchöpflich iſt; und denken auf das Künftige, wie uns ſo wol geſchehen ſoll, wenn alle dieſe Wiffenheit wird , aus Einer , und in einer Selen offenbar werden , daß wir allé Gottes Gaben erkennen , und unſere

Freude an einander haben werden , und ſich jeder des andern Gabe erfreuen wird, wie die ſchönen Blumen in ihren uns

terſchiedlichen Farben und Tugenden auf der Erden neben

einander in einer Mutter fich erfreuen : alſo auch iſt unſere Auferſtehung und Wiederkunft.“ Von der Gnaden -Wahl. Kap. 13. S . 20 – 21.

.

Anmerkung. Schon dieſe hier angeführten Stellen möchten i . hinreichend ſein , uns darauf aufmerkſam zu machen ,

-mit welcher Fülle und Kraft fich in dieſem Individuum die Idee der Menſchheit ausſpricht. Es iſt neben dem

ausgeſprochenen Ernſte des Lebens, der ja , nach Göthe, allein das Leben zur Ewigkeit macht, vorzüglich die echte Toleranz, die uns ſo wohlthuend entgegenkommt, ja , möchten wir ſagen , entgegenduftet ; denn ſo wie ſie hier ,

erfcheint, iſt ſie eine wahre Lebensatmoſphäre , die mild, klar und duftig jede echte Erſcheinung der Menſchheit umgibt.

·

Dieſe Loleranz findet ſich nun bei allen den alten


- 60 -

. :.

Myſtikern , wie das auch ganz natürlich erſcheint,wenn man beachtet , wie ſich dieſe Myſtik im Gegenſage zu einer mönchiſchen Theologie und einer einſeitigen , ſtreits ſüchtigen Scholaſtik hervorbildete. - Schon vor Jacob

Böhme ſagt der , der Myſtik zugethane, Sebaſtian Frank von Wörð , einer der geiſtreichſten Schriftſteller des ſechszehnten Jahrhunderts , in der Vorrede zu ſeiner

» Chronika , Zeitbuch und Geſchichtsbibel" : „ Allein wider das Bapſtumb haben wir etwas ſchärpffers gehandelt, doch mit ihren eigen Worten ,

Werk und Decreten , und den nacenden , verrathenen , eröffneten , unverſchampten Teufel , der ihm nit ſagen

wil laſſen , keins ſondern linden , guten Worts wert geacht. Derhalb wie andere mit der Schrift , alſo haben

wir's dies mit der Vätter Concilien , Lehr, und ihren eignen Decret, etwas angetaſt. Allein man ſehe eben , daß wir nit immer auf dieſen glaffen (kläffen) , mit ihm zu Feld liegen , und dieweil den Teufel in einem andern Bapſtumb verkappet , einlaſſen und anbetten , dann er

feiret nit, geht damit ſchon auf der Bahn umb, und iſt des Bapſts ſchier ſelber müd ; man ſehe nur eben auf

ihn , er wird nit ausbleiben , dann die Welt will und muß ein Bapſtumb haben , und ſollt ſie's ſtehlen . So ſind wir ihm nit zu gefcheid , wie wir doch meinen , und uns verwundern , daß wir ſollich Narren ſeind geweſen ,

und alſo blind uns haben bei der Naſen laſſen führen . : :

Er hat erſt gut machen , weil jeßt jedermann das Gras hört wachſen , und ſo ſicher iſt.

Er kann wol auch mit

uns überaus ſchriftweis ſein , und in eitel Schrift hers einziehen , ſchmucken 2 . Ja mitten in den Buchſtaben der Schrift ſich regen , wie er bereits bei ſo viel Secten

thut, die nichts dann eitel Schrift für ſich haben , wöl

len geſehen ſein , daß je der einig Gott nicht ſein kann , ſonder der Leufel ſein muß. Darumb liegt er allenthalb


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im Weg ,wo man hinauswill, und kann audjdie Schrift, und alles , allein glauben und lieben nicht , wie Chriſtus

ſagt, Beten , faſten , leben , Schrift , frumm ſein 2c.“ . Nun was ſagt der liebe Leſer zu dieſer Leufelstheos rie ? Sollte man nicht glauben der Göthiſche Mephiſto

pheles ſei dort in die Schule gegangen ? Wie mögen denn · unſere Pietiſten dieſe Eriſtenzialfäße aus der Lehre vom Leufel finden ? fie, die den Teufel ſo gemüthlich zus zuſtußen wiſſen , und dieſe aufgepußte Puppe zu Freud und Schmerz mit ſich herumführen , wie der Prinz feine Mandandane in Göthe's Triumph der Empfindſamkeit. Von unſern neuen Aufklärern , die'nun freilich auch ſchon

etwas alt geworden ſind , wollen wir gar nicht reden . Erinnern wir uns an das, was die Schule von

St. Victor , was Bonaventura , Johann Gerſon , und ſo manche andere lehrten ; ſo wird man gewiß fols gendem Ausſpruche beiſtimmen : „ Der Myſticismus , in

der edelſten Bedeutung des Wortes hat ſich unter allen

Verwandlungen des kirchlichen Syſtems, nicht als eine Reßerei erhalten , ſondern vielmehr als der urſprüngliche,

als der Johannäiſche Dialect des Chriſtenthums.“

S.

Philoſophiſche Anſichten von C . G . V. Brinkmann. 1r Theil. S . 110.

„ leſer verſtehe mein Schreiben recht : wir haben nicht Macht ju reden von der Geburt Gottes , denn dieſelbe hat

von Ewigkeit feinen Anfang jemals gehabt; allein das haben wir Macht zu reden von Gott unſerm Vater, was und wie Er ſei , und wie die ewige Gebärung ſei.“ 1.

Von den drei Principien göttl. Weſens. Rap. 3 . S. 1 .

„ Iſt doch die Welt erfüllet mit Büchern und Reden vom Fall, und der neuen Wiedergeburt. Es iſt aber in der Theos

logen Bücher meiſtentheils nur die Hiſtoria beſchrieben , daß es einmal geſchehen ſei, und daß wir ſollen wieder neu gebos


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62

ren werden in Chriſto . Wao verſtehe ich aber davon ? nichts als die Historiam , daß es einmal geſchehen ſei , und wieder geſchehe und geſchehen ſoll.“ „ Unſere Theologi legen ſich mit Händen und Füßen das

wider , ja mitganzem Vermögen , mit Verfolgung und Schmäs hen , daß man nicht ſou forſchen vom tiefen Grunde was Gott

ſei , man ſoll nicht in die Gottheit grübeln und forſchen : ſo ich ſoll deutſch davon reden , was iſt's aber.

Ein Roth und

Unflath iſt es , daß man den Leufel verdecket , und die ins

ficirte Bosheit des Teufels im Menſchen zudecket , daß man beides den Teufel den Zorn Gottes und die unartige böſe Beſtia im Menſchen nicht kenne.“

„ Es iſt eben das, der Teufel reucht den Braten , das rum wehret er , daß ſein Reich nicht erkannt werde, daß er Großfürſt bleibe , ſonſt möchte der Menſch vor ihm fliehen . Wo iſt ihm aber nöthiger zu wehren , als an der Lücke , da der Feind möchte einbrechen ? Er verdecket der Theologen Herz, Sinn und Gemüthe, führet. ſie in Geiz , Hofart und Unzucht , daß ſie ſich ſelbſt für den licht Gottes entfeßen , fürchten und erſchrecken : darum decken ſie zu , denn ſie ſind

nackend , und mißgönnen auch dem Sehenden das Licht; das

heiſet recht dem Teufel gehofieret.“ · Ebendaſelbſt. S. 5 - 7 .

Anmerkung. — In dieſen Stellen , wie in ſo vielen ans dern , dringt Iacob Böhme durchaus auf ein freies Forſchen in göttlichen Dingen , und erklärt das Wiſſen von dieſen für einen weſentlichen Theil der Religion , ganz wie Leibnik , der das lumière nicht blos für ets was der Liebe gegen Gott Förderliches , ſondern auch

! für etwas derſelben Nothwendiges und Weſentliches ers -

klärt. (Siehe S . 27.) In merkwürdiger Uebereinſtimmung mit Jacob

· Böhme ſagt Leſſing:


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: ,, Man wende nicht ein , daß dergleichen Vernünftes

leien über die Geheimniſſe der Religion unterſagt ſind. – Das Wort Geheimniß bedeutete , in den erſten Zeis ten des Chriſtenthums , ganz etwas anders , als wir ißt

darunter verſtehen ; und die Ausbildung geoffenbarter Wahrheiten in Vernunftswahrheiten iſt ſchlechterdings nothwendig , wenn dem menſchlichen Geſchlechte damit geholfen ſein ſoll. Als ſie geoffenbaret wurden , waren

fie freilich noch keine Vernunftswahrheiten , aber ſiewurs den geoffenbaret um es zu werden . Sie waren gleichs ſam das Facit , welches der Rechenmeiſter ſeinen Schüs

lern vorausſagt, damit ſie fich im Rechnen einigermaßen darnach richten können . Wollten ſich die Schüler an dem vorausgeſagten Facit begnügen ; ſo würden ſie nie rechnen lernen , und die Abſicht, in welcher der gute Meiſter ihnen bei ihrer Arbeit einen Leitfaden gab ,

ſchlecht erfüllen .“ „ Und warum ſollten wir nicht auch durch eine Res ligion , mit deren hiſtoriſcher Wahrheit , wenn man will, es lo mißlich ausſieht , (dieſen kurzen , etwas ſtarken Ausdruck Leſſings , mag ſich der Leſer gehörig deuten ,' jedenfalls hat er uns nicht darüber zur Verantwortung

zu ziehen .), gleichwol auf nähere und beſſere Begriffe vom göttlichen Weſen , von unſrer Natur , von unſern Verhältniſſen zu Gott , geleitet werden können , auf welche die menſchliche Vernunft von ſelbſt nimmermehr ware ?" !" gekommen wäre

„ Es iſt nicht wahr, daß Speculationen über dieſe Dinge jemals Unheil geſtiftet und der bürgerlichen Ges fellſchaft nachtheilig geworden . - Nicht den Speculas tionen : dem Unſinne , der Tyrannei, dieſen Speculatio nen zu ſteuern ; Menſchen , die ihre eigenen hatten , nicht ihre eigenen zu gönnen , iſt dieſer Vorwurf zu machen ." S . die Erziehung d . Menſchengeſchlechts. S . 76 — 78 .


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Aus den angeführten und ähnlichen Stellen Sac.

Böhme's gegen die Theologen ſchließe man jedoch nicht auf einen Haß deſſelben gegen Theologen und Theos logie. - Wie ſehr Jacob Böhme den würdigen Theo logen zu ſchäßen weiß , beweiſen ſeine Briefe aus Dress den , die ſich am Ende der theoſophiſchen Sendbriefe befinden . Freilich traf er dort auf hochangeſehene Geiſt

liche echt chriſtlichen Sinnes , von denen der eine, Dr. Gerhard , ſagte : „ Ja ich wollte die ganze Welt nicht nehmen , und den Mann verdammen helfen .“ und der

andere : ,,Mein Herr Bruder ! ich auch nicht, wer weiß , was dahinter ſteckt ; wie fönnen wir urtheilen , was wir nicht begriffen haben , noch begreifen fönnen , ob es recht, ſchwarz oder weiß ſei. Gott befehre den Mann , ſo er irret, und erhalte uns bei ſeiner göttlichen Wahrheit ,

gebe uns dieſelbe , je länger , je beſſer , zu erkennen , auch Sinn und Muth ſie auszuſprechen , und Vermögen ſie fortzupflanzen ! " - S . den Anhang zu der Hams burger Quartausgabe der ſämmtlichen Jacob Böhmis

ſchen Schriften „ de vita et scriptis J. B .“ S . 35 . „ Dem Menſchen , welchen Gott in ſein Bild und Gleich , niß geſchaffen hat , iſt in aller ſeiner Uebung , die er treibet , nichts nüßlicher , als daß er ſich ſtets betrachte, was er ſei , (?) wovon ihm Gutes und Böſes hertomme, (S) und

wie er ſich in Böſes und Gutes einführe. In welcher Bes trachtung (“) er auch die curam zu Leib und Sele finden und erlernen mag ; und (5) wie er ſich darzu ſchicken ſoll, daß das Heil in Leib und Seele möge eingeführet und eröffs net werden. Auch lernt er (6) in ſolcher Betrachtung ſeinen Schöpfer kennen , und werden ihm die Geheimniß der großen

Wunder Gottes bekannt und offenbar : Welches nicht alleine eine Erkenntniß der großen Wunder Gottes im Menſchen er :

wecket, ſondern auch (8) eine herzliche Begierde und Zuflucht


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' zu der Liebe und Gnade Gottes , in welcher Begierde das

Bild Gottes in ſich ſelber durch Gottes Willen - Geiſt , wels cher in der Begierde gegen Gott ſelber fähret , ihme ( ) ſelber offenbar wird , gleichwie ſich Gott in ſeiner ewigen Begierde

mit dem Weſen , ſo in der Begierde geurſtändet , mit ſeinem Geiſte ſelber geoffenbaret hat.“ „ So dann Gott den Menſchen in eine Gleichniß nach Ihme aus ſeinem ewigen und zeitlichen Weſen geſchaffen , und ihn zum Herrn und Regierer ſeines Geſchöpfs geordnet

hat, auch alles unter ſeine Füße gethan ; So iſt dieſes nicht zu dem Ende geſchehen , daß er ſei als ein unverſtändig Vieh , ſondern er ſoll die Wunder Gottes in ſeiner Schöpfung, und den großen Gott in ſeinem dreifaltigen , einigen Weſen

recht erkennen lernen , auf daß er wiſſe , wie er ſein Leben halten , und vor Gott in dieſem ſeinen befohlenen Amt auf Erden führen ſoll , damit er das zeitliche und ewige Heil , und die Erbſchaft , darzu ihn Gott geſchaffen hat, möge ers langen .“ „ Aus ſolcher Betrachtung nun habe ich mir fürgenoms men , dieſe Geheimniß , ſo der Geiſt Gottes dem Menſchen ,

welcher ſich mit rechtem Ernſt darein gibet , offenbaret , und ihn gleich als in ein Liebe- Spiel ſeiner Wunder einführet , aufzuſchreiben , und dem liebhabenden , gottfürchtigen Leſer

und Sucher der Weisheit Gottes Urſache zu geben , ob er dadurch möchte in Bewegung oder in Begierde , als in einem Hunger nach dem

edlen Perlein , welches föſtlicher iſt als

die äußere Welt , gebracht werden , dadurch ( 1) die Wunder

Gottes in uns offenbaret, (2) ſein heiliger Name in uns und von uns gepreiſet und erkannt , ( *) und das Satans Reich auch alſo offenbar und gehindert werden möchte : Auf daß

doch der Menſch (4) möchte Gottes Willen gegen ihm erkens nen lernen , auch von dem unnüßen Streit , davon die brüs derliche Uneinigkeit entſtehet , ausgehen , und der Liebe - Wille Gottes gegen uns , ſo in eitel Streit gezogen wird , dadurch 3

.


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erkannt, und offenbar werde , daß der Streit ein nichtig und hodiſchädlich. Ding , und nicht in Gottes , fondern des Leus

fels Willen und Begierde urſtände , davon das edle Bild Gottes ausgehet, und in die wahre Erkenntniß Gottes , feis nes Willens und Beſens eingebet. “

„ Ob nun zwar die Vernunft nur ſchreiet : Schrift und Buchſtaben her ! ſo iſt doch der äußere Buchſtabe allein nicht genug zu der Erkenntniß , wiewol er der Anleiter des Grun des ift : es muß auch der lebendige Buchſtabe, welcher Gots tes ſelbſtſtändiges ausgeſprochenes Wort und Weſen iſt , in der Leiterin des ausgeſprochenen Wortes im Menſchen ſelber eröffnet und geleſen werden , in welchem der H . Geiſt der

Leſer und Offenbarer ſelber iſt. Derowegen dann mein Vors haben iſt , den wahren Grund aller Weſen , nach meiner Ers kenntniß und Gaben , wie es der Geiſt des Verſtandes in mir ſelber eröffnet hat , in Eigenſchaft aufzuſchreiben , und

für ein kurz Memorial und Uebung zu behalten , damit , ſo jemand lüſterte nachzuforſchen , derſelbe ſolchen Nuß in ſich ſelber befinde und erfahre.“ „ Es iſt aber nicht meine Meinung, den Menſchen in

unverſtandene, unnüşe Kunſt, darzu er niçit pon Gott bes rufen noch begabet, einzuführen , weil ich ſie auch ſelbſten nicht in der Praxi führe und treibe, ſondern nur die Mögs lichkeit aller Dinge, nebenſt der Praxi der neuen Geburt anmelde, und den von Gott darzu Begabten zu den äußeren

Dingen Anleitung gebe: Dieweil dodh ja die Zeit der Eröffs

nung aller Heimlichkeiten nahet und anbricht.“ : „ Würde ſich aber jemand auf einen Vorwiß begeben , und ſelbſt in Unheil eingehen , ehe er darzu geſchicket, und den wahren Verſtand nebenſt göttlichem Willen erreichet hätte , der gebe ihme ſelber die Schuld , daß er unſerem treuen Rath , ſo hierinnen begriffen , nicht folgen wollen. Uns hiemit

göttlichem Lichte , Segen und Schuß , mich aber dem Beſer


- 67 in ſeine Gunſt und Liebe empfehlend. Geben im Monat Februario Anno 1622. J. B .

Anmerkung. Dies iſt die Vorrede zu der Schrift : „ Von der Geburt und Bezeichnung aller Weſen .“ ( signatura

rerum ). — Wir haben ſie ganz mitgetheilt , weil ſie eine Anſicht von den Vorreden Iacob Böhme's gibt, die alle ein ganz eigenthümliches Gepräge haben , beſons ders dadurch , daß ſie gewöhnlich ein kleines abgeſchloſs

ſenes Schriftchen bilden . - Dieſe Vorreden bilden faſt immer die vollendetſten Theile ſeiner Schriften .

. „ Und iſt kein Ding in der Natur, das geſchaffen oder geboren iſt, es offenbaret ſeine innerliche Geſtalt auch äußers lich ; denn das innerliche arbeitet ſtets zur Offenbarung , als

wir ſolches an der Kraft und Geſtaltniß dieſer Welt erfens nen , wie ſich das ewige Weſen mit der Ausgebärung in der Begierde hat in einem Gleichniß offenbaret , wie es ſich hat in ſo viel Formen und Geſtältniſſe offenbaret , als wir ſolo ches an Sternen und Elementen , ſowol an den Creatyren , auch Bäumen und Kräutern ſehen und erkennen.“

Von der Geburt und Bezeichnung aller Wefen . Kap. 1. 8. 15,

Denn auch der Himmel Kräfte arbeiten ſtets in Bilde niſſen , Gewächſen und Farben , zu offenbaren den heiligen Gott , auf daß er erkannt werde in allen Dingen : Vielmehr

höher und heller kann die Offenbarung Gottes in einem Mens ſchen geſchehen , dieweil derſelbe nicht alleine iſt ein Weſen

aus der geſchaffenen Welt, ſondern ſeine Kraft, Materia und eigen Weſen , das Er ſelbſt iſt , ſtehet und inqualiret

mit allen dreien Principien göttliches Weſens.“ Theoſoph. Sendbriefe. Ir Brief S. 5 .

: „ Siehe Menſch , betrachte dich , was du von deinem Anfang biſt, und was du in deinem Ende ſein wirſt, ſo wirſt


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du gewiß finden , wo du daheim biſt , in welcher Herberge

du gefangen liegeſt : Auch wirſt du finden , wie du zugleich ein Menſch und ein Thier biſt , du wirſt den ſchweren Fall wol ſehen , iſt aber ein Fünklein aus Gottes Licht in dir , denn kein Thier begreifet das, denn es urſtändet nur aus

dem Leben dieſer Welt. Und darum erkennen wir, daß noch ein ander leben in uns iſt, indeme wir den Grund dieſer Welt erkennen. Denn wenn wir aus dem Leimen oder Erden dieſer Welt wären , ſo wären wir leim und Erden wie ein Vieh , das keinen Verſtand hat, wir könnten nicht den Grund

dieſer Welt erkennen ; denn ein Topf kennet nicht ſeinen Löpfer , und ein Werk den Meiſter , alſo erkennet auch das Vieh nicht ſeinen Meiſter , es hat auch keine Begierde nach

ihme, denn es weiß nichts von ihme; ſeine Begierde iſt nur ſich zu füllen , nehren und mehren , wie das Centrum Na turae an ihm ſelber iſt , welches keinen Verſtand vom höhern

Weſen hat. Denn es hat ſeinen eigenen Geiſt , daß es lebet und wächſet , und dann ſich wieder verzehret, und das thut's einmal als das ander : dann ein ſolch Weſen iſt das Band

der Ewigkeit, welches Natur heiſet." „ So haben wir Menſchen noch eine höhern Wiſſene und

Erkenntniß , denn wir können allen Dingen in's Herze ſehen , wes Weſen und Eigenſchaft es ſei : Auch ſo haben wir noch ein ander Sehnen und Begehren nach einem andern Weſen

und Leben , welches nicht thieriſch und vergänglich iſt , und auch nicht elementiſcher irdiſcher Speiſe begehrete.“

Hom

„ So erkennen wir nun , daß ein jedes Leben begehret ſeiner Mutter , daraus es urſtändet , und darinnen es ſtehet ,

als uns zu erkennen iſt , daß ein jedes Leben begehret das Beſte , ſo in ſeinem Centro iſt , als das Herze oder Oleum , in welchem das Feuer brennet, und das Leben offenſtehet ,

daß es ein Leben iſt.“ Vom dreifachen Leben des Menſchen . Kap. 8. S. 15 - 17. Hon


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69

, Darum ob wir gleich reden von der Schöpfung der Welt , als wären wir dabei geweſen und hätten ſolches ges ſehen , des darf ſich kein Menſch wunderen , und für unmögs

lich halten : denn der Geiſt ſo in uns iſt , den ein Menſch vom anderen erbet , der iſt aus der Ewigkeit in Adam geblas

fen , der hat es alles geſehen , und ſiehet es alles im lichte Gottes , und iſt gar nichts Fernes oder Unerforſchliches : denn die ewige Geburt , ſo in menſchlichen Centro verbors gen ſtehet , thut nichts Neues , ſie erkennet, wirket und thut eben das , was ſie von Ewigkeit gethan hat, wirket zum Licht und Finſterniß und arbeitet in großen Aengſten . Wenn aber das Licht in ihr ſcheinet , ſo iſt in ihrem Gewirke eitel

Freude und Erkenntniß ! "

„ Darum ſo man redet vom Himmel und von der Ges burt der Elementen , ſo redet man nicht von fernen Dingen , ſo weit von uns ſind ; ſondern wir reden von Dingen , ſo in unſerm Leibe und Seele geſchehen : und iſt uns nichts näher als dieſe Geburt , denn wir leben und ſchweben darins

nen , als in unſerer Mutter , reden alſo nur von unſerem Mutter - Hauſe ; und ſo wir vom Himmel reden , ſo reden wir von unſerm Vaterlande, welches die erleuchtete Seele wol ſchauen kann , und obs gleich dem Leibe verborgen ſtehet.“

Von den drei Principien göttlichen Weſens. Kap. 7. S. 6 - 7 . Anmerkung. - völlig wie das menſchliche Genie

die Geſebtafeln über die Entſtehung des Weltaus ents deckte , nicht durch trocne Anſtrengung, ſondern durch einen in 's Dunkel fallenden Bliß der Erinnerung, weil es bei deren Abfaſſung ſelbſt zugegen war.

Es würde vermeſſen ſein , ſolchen Aufblißen im Gedächt niß höherer Geiſter ein Ziel zu ſetzen , oder den Grad , in welchem ſich dieſe Erleuchtung halten müßte , zu bes y

ſtimmen . — Göthe zu Falk. S . Göthe aus näherm perſönlichen Umgange dargeſtellt. Von I. Falk. S . 60.


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70

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Gerade eine ſolche Anſicht, recht in ihrer geiſtigen Liefe erfaßt, nöthigt zur Demuth und der Bekenntniſſe,

daß unſer Wiffen Stückwerf ſei. Sie vernichtet die Idee, oder vielmehr Unidee , von einem abſtracten Gotte , der

dann beliebig conſtruirt wird, wie es das zufällig ers zeugte Bedürfniß der Speculation berlangt. Daher ers

kennt auch Jacob Böhm eben auch wie Göthe die Unvollkommenheit unſeres Wiſſens von Gott. -

Von

dem erſtern werden wir gleich in der Folge Ausſprüche hierüber leſen ; und der zweite ſagt am Schluſſe des näm lichen Geſpräches , woraus wir obige Stelle angeführt haben : „ Ich habe in einer unſerer früheren Unterhals tungen den Menſchen das erſte Geſpräch genannt , das

die Natur mit Gott hält. Ich zweifle gar nicht , daß dies Gefdräds auf andern Planeten viel höher , tiefer und verſtändiger gehalten werden kann. Uns geheit vor der Hand tauſend Kenntniſſe dazu ab. Das erſte gleich ,

was uns mangelt , iſt die Selbſtkenntniß ; nach dieſer fommen alle übrigen . Streng genommen kann ich von Gott doch weiter nichts wiſſen , als wozu mich der ziems lich beſchränkte Geſichtskreis von finnlichen Wahrnehe

mungen auf dieſent Planeten berechtigt, und das iſt in allen Stücken wenig genug. Damit iſt aber keineswegs geſagt, daß durch dieſe Beſchränkung unſerer Naturbes trachtungen auch dem Glauben Schranken gereßt wären .

Im Gegentheil kann , bei der Unmittelbarkeit göttlicher Gefühle in uns , der Fall gär leicht eintreten , daß das Wiffen als Stüdwerk befonders auf einem Planeten érs fcheinen muß , der , aus ſeinem ganzen Zuſammenhange mit der Sonne herausgeriſjen , alle und jede Betrachtung

unvollkommen läßt, die eben darum erſt durdj den Glaus

ben ihre vollſtändige Ergänzung erhält. Schon bei Ges legenheit der Farbenlehre habe ich bemerkt , daß es Ur phänomene gibt, die wir in ihrer göttlichen Einfalt durch


unnüße Verſuche nicht ſtören und beeinträdytigen , ſon dern der Vernunft und dem Glauben übergeben ſollen .

Verſuchen wir von beiden Seiten muthig vorzubringen , nur halten wir zugleich die Grenzen ſtreng auseinander ! Beweiſen wir nicht, was durchaus nicht zu beweiſen iſt !

Wir werden ſonſt nur früh oder ſpät in unſerm ſoges nannten Wiſſenswerf unſere eigene Mangelhaftigkeit bei der Nachwelt zur Schau tragen . Wo das Wiſſen ges nügt, bedürfen wir freilich des Glaubens nicht, wo

aber das Wiſſen ſeine Kraft nicht bewährt oder unges nügend erſcheint, ſollen wir auch dem Glauben ſeine Rechte nicht ſtreitig machen . Sobald man nur von dem

Grundfaß ausgeht, daß Wiſſen und Glauben nicht dazu da ſind , um einander aufzuheben , ſondern um einander zu ergänzen , ſo wird ſchon überall das Rechte ausges

mittelt werden .“ – S . a . a . D . S . 65.

Daß dieſe ſchönen Glaubensworte Göthe’s nicht blos eine Abfertigung des wol etwas zudringlichen Falk

waren , beweiſt ein Brief Göthe's an ſeinen Herzens freund Zelter , worin folgende Stelle vorkommt: „ Wirken wir fort bis wir , vor oder nacheinander , vom Weltgeiſt berufen in den Aether zurückkehren ! Möge

dann der ewig lebendige uns neue Thätigkeiten , denen analog , in welchen wir uns ſchon erprobt, nicht

verſagen ! Fügt er ſodann Erinnerung und Nachgefühl des Rechten und Guten , was wir hier ſchon gewollt und geleiſtet , väterlich hinzu ; ſo würden wir gewiß nur

deſto raſcher in dieKämmedes Weltgetriebes eingreifen.“ „ Die entelechiſche Monade muß ſich nur in raſtloſer Thätigkeit erhalten ; wird ihr dieſe zur andern Natur,

ſo kann es ihr in Ewigkeit nicht an Beſchäftigung fehlen . Verzeih dieſe abſtruſen Ausdrücke ! man hat ſich aber von

jeher in ſolche Regionen verloren , in ſolchen Sprechs · arten ſich mitzutheilen verſucht , da wo die Vernunft


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nicht hinreichte und wo man doch die Unvers nunft nicht wollte walten laſſen . S . Briefs

wechſel zwiſchen Göthe und Zelter. 4r Chr. S . 278 . o ach , daß ich Menſchen - Griffel hätte , und könnte

den Geiſt der Erkenntniß ſchreiben ! Muß ich doch an dem großen Geheimniß ſtammlen gleich einem Kinde, das gehen

lernet , ſogar kann's die irdiſche Zunge nicht erheben , was

der Geiſt begreift und verſtehet. So will ich's doch wagen , ob ich manchen möchte lüſternd machen zu ſuchen die Perlen ,

damit ich in meinem paradeiſiſchen Roſengarten auch Gottes

Werk wirke : denn mich treibet auch die Luſt der ewigen Mas trir dazu , mir ſolche meine Erkenntniß zu ſchreiben und zu ůben .“

,,So wir unſer , und fors betroffe erheben Shiwollen alleineGemüth Sentnun m m w a e n t e r t t, ſchen nach dem Himmel , da Gott innen wohnet , ſo können wir nicht ſagen , daß Gott alleine über den Sternen wohnet, und alſo eine Veſte um ſich habe geſchloſſen , welche aus dem Waſſer ſei gemacht, da niemand hinein käme, es würde ihm dann aufgethan ; welcher Gedanke die Menſchen faſt narret :

oder aber auch können wir nicht ſagen , wie etliche vermeis nen , Gott der Vater mit dem Sohne ſei alſo im obern einges

ſperreten Himmel mit den Engeln , und regiere alſo alhier in dieſer Welt nur mit dem H . Geiſte, welcher vom Vater und Sohne ausgehet. Dieſe Gedanken alle haben noch keine rechte Erkenntniß von Gott , denn alſo wäre Gott zertheilet und wäre unfaßlich gleich der Sonnen , welche hoch über

uns ſchwebet, und ihre Kraft und Licht zu uns ſcheuſt , daß

alſo die ganze Liefe lichte wird und überall wirket.“ „ Dieſer Gedanke narret die Vernunft faſt ſehr, und das antichriſtiſche Reich ſtehet in dieſen Gedanken geboren , und

hat ſich der Antichriſt mit dieſer Meinung an Gottes Statt gefeßet , und vermeinet Gott auf Erden zu ſein , und meſſet


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ihm göttliche Gewalt zu , und verſtopft dem Geiſte Gottes ſeinen Mund;und will Ihn nicht hören reben .“ „ Alſo kommt fräftiger Irrthum , daß ſie glauben dem Geiſte der Lügen , welcher in Gleisnerei fräftigen Irrthum redet , und verſichert werden die Kinder der Hoffnung , wie

St. Paul es bezeuget 1 Tim . 4 : 1 , 2.“ Von den drei Principien göttl. Weſens. Kap. 7 . S. 17 - 20 . Anmerkung. Gewiß hat Jacob Böhme hier eine tüchtige

Wahrheit ausgeſprochen . '-

Es iſt gar verwunderlich

anzuſehen , wie ſo manche Menſchen mit aller Gewalt dagegen proteſtiren , ſich , um bildlich zu reden , mit Händen und Füßen dagegen ſträuben , die dem Daſein und Leben inwohnende Göttlichkeit anzuerkennen : nie

möchten lieber des Leufels werden , als anzuerkennen , daß ſie Gottes ſind. So etwas iſt aber nun doch nicht zum Verwundern , wenn man bedenkt , daß um ſold '

ein Anerkenntniß auszuſprechen , der höchſte Muth des Lebens dazu gehört. Entſagung , Selbſtbeherrſchung , Demuth , unerſchütterliches Feſthalten menſchlicher Freis

heit und Würde, und unermüdliches Streben und Wir

fen , ſich immer mehr als Ebenbild Gottes auszubilden , dies wird auf jenem

ſelbſtbewußten Standpunkte im

Göttlichen verlangt. Freilich mag wol das Bewußtſein von ſolch einem Verkehr in dem unmittelbar überall hers

vortretenden Göttlichen nicht immer gelegen kommen , denn es iſt das Göttliche eine etwas unbequeme Nach barſchaft; kann man Eſie , da kann man frei lijabeſeitigen Der Eliſabeth d ausrufen athmen und mit der aut: e. Lebe cum auf ns m Erde!" „ Seßt endlich hab' ich Raum dieſer Darum ſpricht auch das Chriſtenthum jenes Lebensvers

hältniß des Göttlichen zu uns ſo beſtimmt aus , weil es eben jenen höchſten Muth des Lebens - und nur ihn

allein - verlangt.


- 74 Es iſt doch intereſſant zu ſehen , wie Göthe bei einer ähnlichen Gelegenheit ſich auch ähnlich ausſpricht: „ F. H . Jacobi's auserleſener Briefwechſel 2 . – Eine höchſt intereſſante Lectüre für's Publikum , dem es um Einzelnheiten der Perſonen und Schickſale zu thun

iſt ; fürmich eine höchſt traurige Unterhaltung. Ich res capitulire, was id , ſchon weiß , und ſehe nur deutlicher , warum ich mit ſo viel guten und vorzüglichen Menſchen

niemals eigentlich übereinſtimmen konnte. Jeßt da ich fie in ein Paar Bänden zuſammengedrängt in der Hand

habe, kommert ſie mir vor, wie Menſchen , die ſämtlich Eine Sprache ſprechen , aber in den verſchiedenſten Dias

lecten , und jeder glaubt , auf ſeine Weiſe drücke man rich am beſten aus der Schweizer. ſchüttelt deit Kopf über den Niederſachſen , der Wiener über den Berliner ; von dem , worauf es eigentlich anfäme, weiß aber einer ſo wenig zu ſagen als der andere ; ſie tanzen mit wenis gen Ausnahmen alle am Hochzeitfeſte und niemand hat

die Braut geſehen . Beſieht man es geitau , ſo gründet ſich doch zuleßt nur ein jeder auf ein gewiſſes inneres Behagen an ſeinem Daſein . Der Glaube , die Zuvers ſicht auf das Bischen , was inan iſt oder fein möchte ,

beſeelt einen jeden , und ſo möcht er ſich auch dem ans

dern machen , eigentlich den andern ſich gleich machen , und dann , denken ſie , wäre es gethan . Erſt bekoms plimentiren ſie ſich von der Seite , wo ſie ſich gerade

nicht abſtoßen ; zulegt aber , wenn jeder ehrlich wird und ſeine Individualität herauskehrt, fahren und blei ben ſie auseinander. - -

„ Iacobi wußte und wollte gar nichts von der Nas tur , ja er ſprach deutlich aus : ſie verberge ihm ſeinen

Gott. Nun glaubt er mir triumphirend bewieſen zu has ben , daß es feine Naturphiloſophie gebe; als wenn die

Außenwelt dem , der Augen hat, nicht überall die ges


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heimſten Gefeße täglich und nächtlich offenbarte ! In dieſer Conſequenz des unendlich Mannichfaltigen ſehe ich Gottes Handſchrift am allerdeutlichſten . Da lobe ich

mir unſern Dante , der uns doch erlaubt, um Gottes Enkelin zu werben ." -

S . Göthes W . 45 , 292.

Hiermit find auch zu vergleichen folgende ſchlagende Worte aus dem zweiten römiſchen Aufenthalte : „ Neulich fand ich in einer leidlich apoſtoliſch -capu

cinermäßigen Declamation des Züricher Propheten die unſinnigen Worte : Alles , was Leben kåt, lebt durch etwas außer fich . Oder ſo ungefähr tiang's .

Das kann nun ſo ein Heidenbefehrer hinſchreiben , und bei der Reviſion zupft ihn der Genius nicht beim Aermel. Nicht die erſten ſimpelſten Naturwahrheiten haben ſie ges

faßt, und möchten doch gar zu gern auf den Stühlen um den Thron ſitzen , wo andere Leute hingehören oder keiner hingehört.“ — W . 29 , 111. „ Wenn l. ſeine ganze Kraft anwendet, um ein

Mährchen wahr zu machen , wenn I. ſich abarbeitet , eine hohle Kindergehirnempfindung zu vergöttern , wenn

C . aus einem Fußboten ein Evangeliſt werden mochte , fo iſt offenbar , daß ſie alles , was die Liefen der Natur näher aufſchließt, verabſcheuen müſſen .“ – Ebendas felbſt S . 116 .

„ Halteman dagegen ein Buch , wie den dritten Theil der Ideen ( es iſt nämlich hier die Rede von Herders

„ Ideen “ und ſeinem ,, Gott “ ) , fehe erſt , was es iſt , und frage fodann , ob der Autor'es hätte ſchreiben föns

nen , ohne jenen Begriff von Gott zu haben ? Nimmer: mehr ; denn eben das Uechte , Große, Innerliche , was es hat, hat es in , aus und durch jenen Begriff von

Gott und Welt.“ – Ebendaſelbſt.


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„,Was läfſeſt da dich den Antichriſt narren mit ſeinen Geſeßen und Schwäßen ? wo willſt du Gott ſuchen ; in der

Liefe über den Sternen ? da wirſt du ihn nicht finden : ſuche ihn in deinem Herzen , im Centro deines Lebens Geburt ,

da wirſt du Ihn finden , wie Vater Adam und Mutter Heva thäten .“

Von den drei Principien göttl. Weſeus. Kap . 4 . S. 8 .

„ Gott iſt die ewige Einheit , als das unermeßliche , einige Gut , das nichts hinter noch vor ſich hat, das Ihm möge etwas geben oder eintragen , oder das Ihn möge bes

wegen ; ohne alle Neiglichkeiten und Eigenſchaften , welches ohne Urſprung der Zeit in ſich ſelber nur Eines iſt, als eine eitel Lauterkeit , ohne Berührung, welches nirgend keinen Ort noch Stelle hat, noch bedarf zu ſeiner Wohnung ; ſons dern iſt zugleich außer der Welt und in der Welt , und iſt

tiefer als ſich ein Gedanke ſchwingen mag ; ja wann man hundert tauſend Jahr aneinander Zahlen ausſpreche von ſeis ner Größe und Tiefe, ſo hätte man doch noch nicht anges fangen , ſeine Liefe auszuſprechen , dann Er iſt die Unends lichkeit. Alles was kann gezähler und gemeſſen werden , das iſt natürlich und bildlichy ; aber die Einheit Gottes kann nicht

ausgeſprochen werden , dann ſie iſt durch alles zugleich , und

iſt darum Gut genannt und erkannt, daß es die ewige Sänfte und das höchſte Wohlthun in der Empfindlichkeit der Natur und Creatur iſt , als die empfindliche ſüße Liebe.“

„ Dann die Einleit , als das Gute , fleußet ſelber aus ſich aus, und führet ſich mit dem Ausfluſſe in Wollen und Bewegniſſe ; alda liebet oder durchwohnet die Einheit das Wellen oder Wallen und das Wallen oder Wellen empfindet die Sänfte der Einheit , davon Moſes ſaget : Der Herr unſer Gott iſt ein einiger Gott , und keiner mehr. Exod . 20 .“

„ Und hält ſich nicht alſo wie die Vernunft meinet , Gott wohne alleine über dem Geſtirne, außer dem Drt dieſer Welt.


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Ihm iſt kein Ort bereitet , da Er ſonderlich wohnet , ſondern ſeine Dffenbarung iſt nur unterſchiedlich ; er iſt in , bei und durch uns ; und wo er in einem Leben mit ſeiner Liebe bes weglich wird , alda iſt Gott in ſeiner Wirkung offenbar ; das iſt Teine Liebe, als die Einheit iſt allda ausfließende, wollende und empfindlich ; alda hat ihm Gott eine Stätte gemachet , als im Grunde der Selen ; in der ewigen Idea

oder Gegenwurf des ewigen Wallens in der Liebe, darinnen ſich die Liebe ſelber wil und empfindet, wie in Engeln und ſeligen Selen zu verſtehen iſt.“

.

.

177 Fragen von göttl. Offenbarung.

Die 1e Frage. „ Sprichſt du aber : ich kann nicht die Natur und Creas tur von mir wegnehmen , denn ſo das geſchähe , ſo wäre ich

ein Nichts ; darum ſo muß ich mir die Gottheit durch Bilde einmodeln , dieweil ich ſehe, daß in mir Böſes und Gutes iſt , ſo wol in der ganzen Creatur alſo verſtanden wird.“ „ Höre mein Bruder , Gott ſprach in Moſë : Du ſouſt dir kein Bildniß machen einiges Gottes , weder im Himmel, auf Erden , noch im Waſſer oder in Etwas ; anzudeuten ,

daß Er kein Bild ſei, auch keine Stätte zu einem Siße bez dürfe , und man ihn nirgend an einem Orte ſuchen ſolle , als nur in ſeinem geformten ausgeſprochenen Worte , als im Bilde Gottes , nemlich im Menſchen ſelber , wie geſchrieben ſtehet : Das Wort iſt dir nahe, nemlich in deinem Munde

und Herzen . Rom . 10 : 8. Und iſt das der nächſte Weg zu Gott, daß das Bild Gottes in ſich ſelber allen eingemodel ten Bildern erſinke , und alle Bilde , Disputat und Streit

in fich verlaſſe, und an eigenem Wollen , Begehren und Meinen verzage, und ſich blos allein in das ewige Eine,

als in die lautere, einige Liebe Gottes erſenke und vertraue; welche er nach des Menſchen Fall in Chriſto , in die Menſchs

heit hat wieder eingeführet.“


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: „ Dieſes habe ich darum etwas weitläuftig vorgebildet, daß der Leſer den erſten Grund verſtehen lerne was Gott ſei und wolle ; und daß er nicht einen böſen und guten Willen in dem einigen , unnatürlichen , uncreatürlichen Gotte ſuche,

und daß er aus den Bilden von der Creatur ausgehe, wenn er wil Gott , ſeinen Willen , und ſein ewig ſprechendes Wort betrachten wovon Böſes und Gutes urſtände , davon fich Gott einen zornigen , eiferigen Gott nennt. Daß er ſich alss denn zur ewigen Natur, als zum ausgeſprochenen compacs

tirten geformten Worte, und denn zur Natur wende, als zur anfänglichen , zeitlichen Natur, darinnen die Creation dieſer Welt lieget."

Von der Gnadenwahl. Kap . 1. S . 28 – 30 . „ Arhie beſinne dich und laß mich ungetadelt ; Ich ſage

nicht daß die Natur Gott ſei, viel weniger die Frucht aus der Erden , ſondern ich ſage , Gott giebet allem Leben Kraft, es ſei bö8 oder gut, einen jeden nach ſeiner Begierde, dann Er iſt ſelber alles , wird aber nicht nach allem Weſen Gott

genannt, ſondern nach dem Lichte , damit wohnet Er in ſich ſelber , und ſcheinet mit der Kraft durch alle ſeine Weſen ; Er eineignet Feine Kraft allen ſeinen Weſen und Werken , und ein jedes Ding nimt ſeine Straft an nach ſeiner Eigenſchaft; eineß nimmt Finſterniß das andere licht , jeder Hunger bes

gehret ſeine Eigenſchaft , und das ganze Weſen iſt doch alles Gottes , es ſei bös oder gut: Dann von und durch ihn iſt

alles ; was nicht ſeiner Liebe iſt, das iſt ſeines Zornes.“ . . „Das Paradeis iſt noch in der Welt , aber der Menſch iſt nicht darinnen , es ſei dann , daß er aus Gott wieder ges boren werbe, ſo iſt er nach derſelben neuen Wiedergeburt daf

rinnen , und nichtmit dem vier - elementiſchen Adam . Wann wir uns poch eines wollten lernen kennen , und verſtünden 's . doch an dem geſchaffenen Weſen .“ .

:: Von der Geburt und Bezeichnung aller Weſen. Kap. 8 . S. 46 u . 47.


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„ Gott wohnet in dem edlen Bildniß , und nicht im Sters nens und Elementengeiſte ; Er beſiket nichts , als nur ſich ſelber und ſeines Gleichen . Und ob Erwol etwas beſißet ,

als er dann alles beſiket , ſo ergreifet ihn doch nichts , als riur das , ſo von Ihme entſprungen , und herkommen iſt, als die Seele in der Gleichheit Gottes.“

„ Darum iſt mein ganzes Schreiben als eines Schülers , der zur Schulen gehet; Gott hat meine Sele in eine wuns derliche Schule geführet , und ich kann mir in Wahrheit

nichts zumeſſen , daß meine Ichheit etwas wäre oder vers ſtünde.“

„ Es ſoll keiner höher von mir halten , als er hier ries het : denn das Werk in meiner Arbeit iſt nicht mein , ich habe es nur nach dem Maß , als mir es vom Herrn

vergünnet wird , ich bin nur ſein Werkzeug, mit dem Er thut, was er will. Solches melde ich euch mein ges liebter Herr zur Nachricht, daß nicht jemand einen andern bei mir ſuche, der ich nicht bin , als einen von Kunſt und hoher Pernunft; ſondern ich lebe in Schwachheit und Kindo heit , in der Einfalt Chriſti, in ſeinem mir gegebenen King

derwerke , darinnen habe ich mein Spiel, und iſt mein Zeits vertreiben , darinnen habe ich meine Freude , alo in einem Luſtgarten , da viel edle Blumen innen ſtehen , mit denen will ich mich dieweil ergeben , bis ich werde wiederum die Paradeis - Blumen im neuen Menſchen erlangen.“ ...

Theoſoph. Sendbriefe. 12r Br. S. 18 — 20 . „ Die rechte wahre menſchliche Eſſenz iſt nicht irdiſche noch aus der finſtern Welt ; ſie wird hløs in der Lichtwelt

erboren , fie bat feine Gemeinſchaft mit der finſtern , noch äußern Welt ; es iſt ein großer Schluß , aļß der Lød , das zwiſchen .“

Pon ſechs theoſoph. Punkten . Kap. 8. S. 4, „ Die Natur ift der ſtillen Ewigkeit Werkzeug, damit ſie formiret, machet und ſcheidet, und ſich ſelber darinnen


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faſſet in ein Freudenreich , denn der ewige Wille offenbaret ſein Wort durch die Natur. Das Wort nimt in der Scienz

Natur an fich ; aber das ewige Eine als der Gott Jeho

vah nimt keine Natur an ſich, ſondern wohnet durch die Natur, gleichwie die Sonne in den Elementen , oder wie das Nichts im Lichte des Feuers , denn des Feuers Glanz macht das Nichts ſcheinend , und da man doch nicht ſagen

foll ein Nichts ; denn das Nichts iſt Gott und Ales ; allein wir reden alſo , ob wir dem Leſer könnten unſern Sinn

und Begriff geben .“ Von der Gnadenwahl. Kap.29. 17. „ Moſes ſpricht: der Herr unſer Gott iſt ein einiger

Gott. Deut. 6, 4 . Und am andern Orte ſtehet: Von Ihm , durch Ihn und in Ihm ſind alle Dinge ; Rom . 11, 36. Item : Bin nicht Ich s , der alle Dinge erfüllet ? Jer. 23, 24 . Item : Durch ſein Wort ſind alle Dinge gemacht , was

gemacht iſt. Joh. 1, 3.“ . „ Darum muß man ſagen , daß er aller Dinge Urſprung ſei ; Er ſei die ewige und unwandelbare Einheit ; als zum Erempel : So ich denke , was würde am Ort dieſer Welt bleiben , wenn die 4 Elementa mit dem Geſtirne ſamt der

Natur weg kämen und aufhörten , daß keine Natur oder Creatur mehr wäre ? Antwort : Es bliebe dieſelbige, ewige Einheit , daraus Natur und Creatur ihren Urſprung empfans gen . Alſo auch wenn ich denke : Was iſt viel hunderttaus ſend Meilen über dem Geſtirne, oder was iſt an dem Ort da kein Geſchöpf iſt ? Antwort : Es iſt die ewige , unwans delbare Einheit, welche iſt das einige Gute, das nichts hinter ihm , oder vor ihm hat, das ihm etwas gebe oder nehme, oder davon dieſe Einheit urſtände; es iſt alda kein

Grund, Ziel noch Stätte , und iſt der ewige Gott , oder · das einige Gut, das man nicht ausſprechen kann.“ Schlüſſel I, s. 1 und 2.


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: „ Aber gleichwie Gott über und in allem herrſchet, und kein Ding Gott iſt : Denn in ſeiner Heiligkeit iſt Er als

ein Nichts , und iſt doch in allem das Leben ; alſo follte dieſes Bild (näinlich der Menſch ) im gelaſſenen Leben Got tes , als ein Werkzeug Gottes inne ſtehen , in dem der Geiſt Gottes thäte , was er wollte ; Er ſchuf ihn nicht einen

Herrn , ſondern einen Knecht, ein Lautenſpiel.“

„ Ich kann nicht ſagen , aus der göttlichen Stimme, und aus dem Centro des Herzens Gottes ſei der Menſch geſchaf fen , wie ſich dieſer Autor ganz unbillig in die H . Dreifaltigs keit einſeket ; Nein , Nein , ein Werkzeug iſt nicht der Meiſter ;

der Meiſter kann nicht einen Werkzeug ſeines gleichen mas chen : Aus ſeinem ewigen Mysterio kann Er Ihm wol ein Bild nach ſeines gleichen zu einem Freudenſpiel machen , wie der Meiſter ein Inſtrument , welches auch den Hal führet,

wie er will; Aber einen ſolchen Meiſter , wie er iſt , macht er nicht, als nur aus ſich ſelber.“ „ So denn Gott ein Geiſt iſt , und kein Wefen , auch nicht die Natur , ſo iſt der Menſch kein Gott , ſondern ſein

Leben iſt aus Gottes Leben ausgehallet, doch verſtehet , aus den dreien Principien .“ „ Nicht iſt das Leben Gott ſelber , ſonſt ſo es fiele und

zum Leufel würde, wie lucifer , ſo wäre aus Gott ein Leufel worden . Das menſchliche Leben iſt das ausgeſprochene Wort ,

in welchem das ſprechende Wort innewohnet, entweder im Böſen oder Guten , wie das ausgeſprochene Wort eine Eis genſchaft aus Gottes Harmonia in ſich zeucht : Wie ein Volk

iſt, ſolch einen Gott hat es auch in ſich ; Und iſt doch nur der Einige ; aber Er offenbaret ſich in allem Leben nach des Lebens Begierde, im Guten und Böſen .“

Vom Irrthum der Secten Ef. Stiefels und Ezech . Meths S . 86 – 89.

„ Man muß allezeit die Menſchheit und die Gottheit uns terſcheiden , und den menſchlichen Willen von Gottes Willen :


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Denn kein Menſch kann Gottes Sinn und Willen in der

Selbheit treffen ; der Menſch ſiehet dem Geiſte Gottes nach . Ronnte doch Moſes nicht Gottes Antlit ſehen , Ermußte Ihm nach ſehen ; wann Er's gethan hatte , ſo ſabe er des Herrn

Spur. Wie will denn dieſer Menſch in , mit und durch Gott reden ? und ob derHerr durch ihn redete , ſo weiß er’s nicht, bis er ſeine Spur fiehet und erkennet.“ „ Iſt derowegen eine vergebene Vermeſſenheit, welche auch ſonſt nicht genug gegründet iſt : ſie iſt nur verwirret. Sie will nicht der Natur ſein , und mag doch auch im Men ſchen keine göttliche Erkenntniß ohne Natur ſein ."

„ Die Natur iſt Gottesoffenbarung : der menſchliche Geiſt iſt der ewigen Natur, verſtehet die Sele ; und der äußere Geiſt iſt der äußern Natur, und ſind doch nicht zween Geis ſter , aber in dreien Gradibus ſtehen ſie ineinander , nach

Art der drei Principien , und ſind doch alle drei nur das aus:

geſprochene Wort Gottes : Das Sprechen bleibet ewig in fich ſelber wohnende.“ „ Dieſes ausgeſprochene Wort mag fich in Liebe oder Zorn einergeben , beides iſt darin , es kann ſich in der Quaal ver

ändern ; aber das ſprechende Wort, ſo in dem ausgeſproches nen in ſich ſelber wohnet, kann ſich nicht verändern , denn es ſtehet in der ewigen Geburt : Es iſt geboren , und wird

von Ewigkeit in Ewigkeit immerdar geboren . Der Menſch hat es nicht in der Selbheit , ſondern in der freien Gelaſſens

heit wird in ihm Gott geboren . Der Menſch hat Urſtand, Gott keinen : Gott iſt gegen einen Menſchen als ein Nichts : der Menſch iſt des Nichtes Etwas; ſo mag nun das Etwas nicht das Nichts begreifen .“ „ Darum hütet euch , lieben Brüder ! machet nicht Got tes theuer erlöſete Kinder irre, und zu felb - eigenen Göttern , es iſt ein Greuel vor Gott.“ „ Wir ſind wol ſeine liebe Kinder , aber aus dem Etwas

gezeuget ; wir ſind nicht das Nichts außer aller Quaal und


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Natur: greife ein jeder in ſeinen Buſen , und ſchaue ſich doch, was er ſei , und denke ja nicht , daß er Gott gleich ſei, oder

Gott ſelber ſei; eine Offenbarung Gottes ſind wir wol, als das Inſtrument ſeiner Harmoniae : wir ſind ſeine Pfeife,

da durch er pfeifet.“ Ebendaſelbſt. S. 95 – 100. „ Unſer Schreiben langet nicht dahin , daß wir wollen die Gottheit in der ewigen Natur ausgründen ; Nein , das kann nicht ſein , ſondern daß wir wollen dem Blinden den

Weg weiſen , welchen er ſelber gehen muß. Wir können nicht mit ſeinen Füßen gehen , aber als ein Chriſt wollen

wir ihn gerne leiten , und ihme mittheilen was wir haben , nicht uns zu Ruhme, ſondern helfen pflanzen den großen Leib in Chriſto mit ſeinen Gliedern , davon wir euch hernach wols len melden ; zu welchem Ende dieſe gar hohe Dinge gemeldet werden , daß wir euch mögen den rechten Zweck im Urkund

zeigen , auf daß ihr euch ſelber ſehet, und (ernet verſtehen das Treiben dieſer Welt, wie alles ſo blind an Gott iſt , und was die Urſachen , und dann auch ſein Ende iſt.“

Vom dreifachen Leben des Menſchen . Kap. 2. S. 46. „ Dann wir geben euch dieſes zu entſinnen , gleichwie

wir Menſchen mit unſern Augen dieſer Welt nicht können Gott und Engel ſehen , welche doch alle Augenblick vor uns ſind, ja auch die Gottheit in uns , und wir ſie doch nicht

mögen ergreifen , wir ſeben dann unſere Imagination und ernſtlichen Willen in Gott , ſo erſcheinet uns Gott im Willen , und erfüllet das Gemüthe, da wir dann Gott fühlen , und

mit unſern Augen ſehen .“ Ebendaſelbſt. s. 51.


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Da wir doch einmal abbrechen müſſen , Stellen aus Jacob Böhme's Schriften anzuführen , ſo mögen die hier

beigebrachten genügen , und können es auch , wie jeder Leſer, der uns bis hieher aufmerkſam gefolgt iſt, und ſich die Lens

denz unſerer Schrift deutlich gemacht hat, einſehen wird. Wir halten es jedoch nicht für überflüſſig , es hier nochmals kurz weg auszuſprechen , welche Abſicht der Abfaſſung dieſer Se danken zum Grunde liegt. Es ſollte keine Darſtellung der philoſophiſchen Anſichten Jacob Böhme' s gegeben werden , auch keine biographiſche Karacterzeichnung deſſelben ; eben ſo wenig eine pſychologiſche Entwickelung dieſer individuellen Erſcheinung , oder überhaupt

eine vollſtändige Darſtellung, die die Idee ſeiner Individuas lität in allen ihren nothwendigen Beziehungen erfaßte (wels ches leßtere freilich etwas ſehr Wünſchenswerthes wäre) ;

dies alles darf man hier nicht ſuchen , ſondern wir beabſich tigten blos aufmerkſam zu machen , anzuregen , und zugleich

eine Gedankenreihe zu entwickeln , durch welche dargeſtellt würde, wie ein ſicherer , von innen belebter Standpunkt in den gegen einander wogenden Fluthen des Lages zu gewinnen

und zu behaupten ſei; wobei wir uns natürlich ſehr freuen würden , wenn es uns in dem Umfange gelänge, wie wir es eben beabſichtigen . Man wird uns demnach keinen Mangel

an Vollſtändigkeit vorwerfen .

So hätten wir freilich noch mancherlei aus Jacob Böhs me beibringen können , wenn wir nicht glauben müßten , daß demjenigen , dem das von uns Beigebrachte unſere Abſicht I und Anſicht nicht einſehen laſſe , auch ein mehreres nichts hels fen würde. Auch wird derjenige leſer , der nicht blos in den


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Buchſtaben , ſondern auch in den Gedanken eines Verfaſſers zu leſen , verſteht, unſere Arbeit nach der von uns vorgeſetten Ueberſchrift zu beurtheilen wiſſen , und die ausgeſtreuten Ges danken nicht für Zerſtreuung des Gedankens nehmen . Dody wollen wir hier noch einige Punkte berühren , und zuleßtnoch einige Gedanken über die alten Myſtiker im allgemeinen beis

fügen . Wir erwähnen nämlich hier nur noch die Fragen : Ob ſich Jacob Böhme für einen Propheten gehalten ; und ob er die Vernunft verworfen habe ? Was die erſte Frage betrifft, ſo erledigt ſie ſich ſchon durch

die beigebrachten Citate aus ſeinen Schriften .

Daß er von

vielen ſeiner Anhänger für einen Propheten gehalten wurde,

iſt wahr, wie denn überhaupt ſeine Anhänger ihn oft mit einem wunderlichen , falſch ſchillernden Lichte umgeben. Doch haben ihn auch wieder tüchtige Männer unter ſeinen Anhän

gern richtig aufgefaßt. Wir können unter andern in dieſer

Hinſicht empfehlen : , Zwiefache Apologia und chriſtliche Ver antwortung auf die fünf läſterlichen Hauptpunkte Davids Gilberti von Utrecht, insgemein : Wider die Perſon und Schriften des theueren und hocherleuchteten Manns Jacob Böhmens, - — vor dieſem in holländiſcher Sprache an den Lag gegeben durch Johann Theodorum v . Iſcheſch u .

Anno 1676 . “ –

Dieſen muß man leſen , und nicht den

phantaſtiſchen , mitunter faſt pofſirlichen , Abraham von Frandenberg, um zu ſehen , wie klar, beſtimmt und wirk lich gediegen ſich die Lebensanſichten Jacob Böhme' s in

einem unbefangenen , gebildeten und ruhig auffaſſenden Ges müthe reflectirten . 11)

Wenn übrigens Jacob Böhme das baldige Eintreffen ,

ia das ganz nahe Bevorſtehen eines neuen himmliſchen Reis ches ausſprach ; ſo kann man dies kaum einen Anſpruch auf eine beſondere Gabe der Vorherſagung nennen , wenn man Teine Individualität, ſeine Lage , und die ſchlechte Zeit, in


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der er lebte , gehörig ins Auge faßt. Wer möchte es einem

tief religiöſen Manne aus jener Zeit ſo ſehr verdenken , wenn er glaubte das Ende der Welt ſtehe nahe bevor ?

Auch war

ja dieſe Anſicht damals ſehr verbreitet. Wol behergige man hiebei Leſſings Kernworte : „ Der Schwärmer thut oft ſehr richtige Blicke in die Zukunft : aber er kann dieſe Zukunft nur

nicht erwarten . Er wünſcht dieſe Zukunft beſchleuniget; und

wünſcht, daß ſie durch ihn beſchleuniget werde. Wozu ſich die Natur Jahrtauſende Zeit nimmt, ſoll in dem Augenblicke

ſeines Daſeins reifen . Denn was hat er davon , wenn das , was er für das Beſſere erkennt, nicht noch bei ſeinen Lebzeis ten das Beſſere wird ? Kömmt er wieder ? Glaubt er wie der zu kommen ? - Sonderbar, daß dieſe Schwärmerei als

lein unter den Schwärmern nicht mehr Mode werden will !

- S . Die Erziehung des Menſchengeſchlechts. S . 90. (Wol zu merken ! es iſt hier von der Zeit eines Evangeliums die Rede, das uns ſelbſt in den Büchern des neuen Bundes vers

heiſen iſt. S . d . a . D . S. 86 .) - Man höre aber nur wie Jacob Böhme das nämliche ſagt, was in der angeführten Stelle Leſſings ſteht: „ Dann vor Gott iſt 1000 Jahr als ein Lag ; der Geiſt ſiehet alles nahe; ſo vermeinet der fydes riſche Menſch , es ſei balde, es iſt aber im Rath Gottes . " Theoſoph. Sendbriefc , 4r Brief S. 43. — So drückt er ſich

ſelbſt da, wo ſeine Reden ſchon mehr die Form einer Prophes zeiung annehmen , immer höchſt beſcheiden aus , 3. B . „ Ihr

werdet noch wunderliche Dinge hören , dann die Zeit iſt ges boren , davon mir vor drei Jahren geſaget ward durch ein

Geſichte , als nämlich die Reformation ; das Ende befehle ich

Gott , ich weiß es noch nicht eigentlich. “ –

Theoſoph .

Sendbr. , 58r Br. S. 13. In ' Beziehung auf die zweite Frage läßt ſich allerdings

nicht läugnen , daß jacob Böhme ſehr geringſchäßig von der Vernunft ſpricht. So iſt es nämlich buchſtäblich) ; wir,

die wir uns aber nicht an den Buchſtaben zu halten haben ,


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müſſen anerkennen , daß er unter dem Worte , Vernunft"

den Verſtand verſteht, gerade wenn er der Vernunft entgegengeſeßt erſcheint. In dieſem Falle erſcheint ihm die Vernunft als eine Art von Auctorität.

Es beſtätigt ſich

hier an Jacob Böhme, was Göthe ſo ſchön ſagt : „ So

hat die Vernunft , und das ihr verwande Gewiſſen eine uns geheure Autorität, weil ſie unergründlich ſind ; ingleichen das, was wir mit dem Namen Genie bezeichnen . Dagegen kann

man dem Verſtand gar keine Autorität zuſchreiben : denn er bringt nur immer ſeines Gleichen hervor ; ſo wie denn offen bar aller Verſtandes -Unterricht zur Anarchie führt.“ – Zur Farbenlehre 2r Bd. S . 144. Auch Werke 53 , 88. · Genug Jacob Böhme will ein freies , ſelbſtſtändiges Wiſſen , und nennt, wie wir ja geſehen haben , das Beſtres ben ſolches Wiſſen niederzudrücken teufliſch und antid,riſtlich . Demnach ſagt L . A . Feuerbach wol mit Recht: „ Iacob

Böhm iſt ein Myſtiker , wenn man anders dieſes ſo unbes ſtimmte und in neuerer Zeit ſo herabgewürdigte Wort zur Bezeidynung eines ſo merkwürdigen Weſens , wie er iſt , ana wenden kann und darf, aber ein Myſtiker , der ſpeculirt , der

innerhalb der Myſtik nach Freiheit von Myſticismus , nach klarer , reiner Erkenntniß ringt.“ – Geſchichte der 'neuern Philoſophie von Baco von Verulam bis Benedict Spinoza . S . 151.

Jacob Böhmewar gar nicht der Mann , der geſonnen geweſen wäre, das ewige Menſchenrecht freier Forſchung aufs zugeben und ſich durch irgend eine Auctorität einſchüchtern zu laſſen. Höre man nur folgende characteriſtiſche Rede, die er gegen einen ſeiner Gegner, Balthaſar Tilken , führt.

„ Weiſe er mir nur ein ander Centrum , als ich ihme in den dreien Principiis , ſowol im Buche vom dreifachen Leben

des Menſchen , und noch viel mehr tiefer und gründlicher in dem Büchlein von den Sechs Punkten des großen Mysterii des Weſens aller Weſen , von den drei Welten , wie ſie in


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einanderſtehen als Eine, und wie ſich ewig vertragen , und eine jede der andern Urſache ſey , daß alſo in dem großen

Myſterio nichts Böſes und ohne eine Urſache ſen , habe ges zeiget. „ Romme er vom erſten in dieſe Schule , und Verne das

s heiſet nicht auf ABC, ehe er ſich Magiſter rheiſet : EEs t sun "ern ohne miri I fremden Füßen gehen , ſo einer will vom Myſterio reden , ſich mit fremden Meiſtern ſchmüden , ſondern ſelber verſtehen ,

ſelber den Geiſt zum Verſtand haben , oder das Myſterium unbeſudelt laſſen , und die laſſen davon reden und ſchreiben ,

denen es Gott hat geoffenbaret.“

„ Das Gewäſche , das er treibet mit Anziehen der heis ligen Schrift , nimmtmeinem Sinn und Verſtand gar nichts. Die Kinder Gottes reden in ihrem Begriff und Saben , nicht aus anderer Munde , ſondern aus ihrem : Und ich rede auch nicht aus anderer Munde , ſondern aus meinem ; Aber aus

Einem Geiſte reden wir alle , ein jeder aus ſeiner Gabe : Was gehet das den Unverſtändigen an , dem das Myſterium

von Gott nicht vertrauet iſt ? Was darf er uns alle tadeln , eher er derſelben einen recht verſtehet ? „ lerne er von erſten das Centrum der ewigen Natur verſtehen , und wie man die klare Gottheit von der Natur

unterſcheidet , und lerne wie ſich die Gottheit durch die Natur offenbaret, und lerne was Gottes Weisheit ſei , wie ſie das

ausgeſprocheneWeſen der Gottheit ſei, und was das göttliche Leben , und dann der Natur Leben ſei; Item , was ein Prins cipium ſei ? Ehe er klügelt , lerne er von erſten , daß die Linctur Ewig ſei , und daß das Element himmliſch ſei ; Item , was Paradeis und Himmel ſei ; was Böſes und Gutes ſei ; Gehe er von erſten in die Pfingſt-Schule , daß er denſelben

Geiſt erreiche, in dem der Verſtand allein iſt.“

„ Aber er muß von ehe ein Narr , und alsdann ein Nichts werden in dieſer Welt , will er den Geiſt des Myſterii

erreichen , daß Gott ſein Willen und Thun wird , alsdann


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komme er , ſo will ich mit ihm vom Myſterio reden , anderſt

laſſe er mir meinen Begriff unbefleckt.“ „ Iſt er ein Chriſt, To lebe er in der Liebe gegen einen Chriſten , und freue ſich der Gaben , ſo uns Gott unter eins

ander gibet; Was prahlet und läſtert er viel: das bewähret nur einen ſtolzen Menſchen ; Handele er demüthig , ſo will

ich ihm demüthig entgegnen ; Verſtehet er etwas nach ſeinen Gaben , ſo danke er Gott , und verachte nicht das , was Gott einem andern gibt ; Mag er's nicht leſen , ſo laſſe er's ſtehen demjenigen , den Gott darzu berufen hat , dem Er's

will offenbaren .“ „ Iſt das nicht ein wunderlich Ding, daß er will die drei Principia tadeln , und er verſtehet nicht , aus welchem Centro der Begriff und Geiſt redet : Er will das erſte Prins

cipium mit dem Feuer anfangen , wo bleibet dann das Cens trum , daraus das Feuer urſtändet ?

Zweite Schuß.

ſchrift wider Balthaſar Zilken s. 31 – 37. —

In dies

ſer Controverſe handelt es ſich von der Gnadenwahl , worüs ber ſich Jacob Böhme beſonders würdig , echt religiös auss ſpricht. Wir wollen nur einige ſeiner Stellen , über dieſen Gegenſtand hier anführen : „ Diene Gott mit Mund und

Herzen , wandele im Lichte , laß dir der Welt Spott das Mahlzeichen Chriſti ſein , arbeite , wache und bete , und ſtehe immer in Sorgen vor dem Teufel , rüſte dich ſtets wider ihn , und denke , daß du athie ein Pilgram biſt , und in Chriſti Weinberge, arbeite treulich im Reiche Gottes ; Ale deine Arbeit folget dir nach ; denn Chriſtus ſprach : Mein Vater wirket und ich wirke auch , Joh. 5, 17. So mußt du als eine Rebe am Weinſtock auch wirken , und Frucht tragen .“ „ Denn ein Chriſt iſt ein Aſt am großen Baum

Jeſu

Chriſti: wird er nicht wirken und Frucht tragen , ſo ſoll er abgehauen werden , daß er andere Aeſte nicht verhindere; das iſt , er muß gar verdorren und verſtockt werden am Les

ben Chriſti, den wil Gott verſtocken ; Da heiſet's : Ich vers


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ſtocke wen ich will ; als einen Aſt, der nicht will Frucht bringen , dem will Gott nicht Chriſti Saft geben.

Es heißt

nicht, Gott will mein nicht; du willſt auch ſein nicht ; als

To ſeid ihr geſchieden .“ „ Sagſt du , Gott kann aus mir machen , was Er will, Er iſt allmächtig : Er macht aus dir , was du willt; ſeine

liebe iſt allmächtig , und auch ſein Zorn ; was dich krieget, das hält dich ; Der Gottloſe iſt Gott ein guter Geruch zum Tode , und der Heilige zum ewigen , heiligen Leben ; wie du wächſt , ſo biſt du ; was für Saft du in dich geuchrt , ſoldje

Frucht trägeſt du .“ „ Was ſchuldigeſt du Gott ? Goit ſo viel Er Gott heis

ſet , kann nichts Böſes wollen ; denn Er iſt gut , es iſt kein

böſer Wille in Ihm : Aber nach ſeinem Zorn begehret Er ein Holz in ſein Feuer , das dem Feuer ähnlich iſt.“

„ Darum ſaget der Apoſtel recht: Röm . 6, 16 . Wem ihr euch begebet zu Knechten in Gehorſam , des Knechte ſeið ihr, entweder Gottes Liebe oder Zorn.

Hie ſaget der Apo

ſtel von des Menſchen Wahl, daß ſich der Menſch ſelber

eingebe, und eingeben könne ; ob er ihm wol ſelber nichts kann nehmen , ſo gibt ihme aber Gott das Nehmen , denn Er hat's ihm in Chriſto verheiſen .“

„ Meines Gegenſatzes Lehr iſt durchaus anders nichts, als mache Gott einen guten Baum , ſo ſei er s , das iſt , ma che er einen Chriſten , ſo ſei er’s , als dürfte der Menſch

nichts dazu thun , er dürfte nicht darzu wirken und arbeiten , daß er ein guter Baum werde.“ „ Ach ! erbarme es doch Gott ! warum hat uns denn

Gott Gefeße und Lehre gegeben , und geſaget : Du ſollt das und jenes nicht thun , ſo er das Böſe haben will ? wie gar ſchändlich irret doch der Menſch , wie leichtfertig machet er

den Menſchen ! lieben Brüder , beſinnet euch nur ob der ab ſcheulichen Lehre ; wie raffet er doch die Sprüche der Schrift


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zum falſchen Gottesdienſt zuſammen , nur daß er beweiſe ,

daß Gott Gutes und Böſes in uns wirke.“ „ Was darf's Beweis ? ich ſage euch alſo , daß Gottes

Liebe Gutes , das iſt Frucht zum ewigen Leben in uns wirke ; und ſein Zorn , ſo wir Ihme uns eingeben , wirke Böſes , Frucht zum Tode und Verdammniß . Was hilft ihn doch das, daß er die Menſchen auf cinen leichtfertigen Weg führet ? Er ſage ihnen lieber , daß ſie ſollen Buße thun , wie Gott im Propheten ſpricht : Heute , wenn ihr des Herrn Stimme

höret, ſo verſtocket eure Herzen nicht; Pſ. 95, 8 . Laſſet mein Wort zu euren Herzen und Ohren eingehen .“

„ Er aber ſaget , es fönne nichthinein ; Gottmache einen guten oder böſen Baum .

Das dienet gut zu aller Leichtfers

tigkeit und Gottloſigkeit , und endlich zur Verzweiflung ; das iſt das Ende ſeiner Lehre , mehrers und beſſers werdet ihr in ſeiner Gnadenwahl nicht finden .“ „ Und ich ſage mit Grunde, und iſt die theure Wahrheit,

daß, ſo eine ſolche Lehre wird angenommen werden , ſo wird

die Welt vollend eine Mordgrube des Teufels werden . Denn würde ein jeder ſagen , wie kann ich anderſt thun , als mich Gott treibet : will mich Gott zum Kinde haben , ſo wird er

mich wol lehren und führen ; bin ich abernicht erwehlet , was ſoll ich dann lange den Frommen hold ſein ? Ich will thun als der Teufel , und ſie anfeinden , in des Reich ich gehöre , ich

will ſtehlen , rauben , morden und den Albern betriegen , daß

ich mächtig und wollüſtig ſei; es wird doch nichts anders draus , weil mich Gott nicht ziehen will, ſo muß ich ja dem Gott Lucifer dienen ; will mich aber Gott haben , ſo wird

Er mich wol davon ziehen , daß ich's nicht thue.“ „ Ach fündige böſe Art ! thue es nicht , Gott hat’s vers boten ; nelyme ein jeder ſeine Seligkeit wol in Acht , und fürchte den Herrn mit Zittern ; verzweifle kein Menſch , und

ſage , es iſt ein veſter Schluß über mich , ich kann nicht ſelig

werden , denn ſolche Gedanken haben die Teufel und die Ver


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dammten in der Hölle ; und wenn ich wüßte , daß nur ſieben

Menſchen in unſerer Stadt erwähletwären , oder kaum zwene,

Towollte ich nichtverzweifeln , undmich für der einen glauben .“ .

„Mein Gegenſag , beſinnet euch doch um eurer Selen

Seligkeit willen , wenn ihr werdet vor Gottes Gerichte ers ſcheinen , und Chriſtus wird zu den Gottloſen ſagen , die in ſolcher Lehre ſind verzaget, oder leichtfertig worden : Gehet

hin von mir ihr Verfluchten , ich bin hungerig , durſtig , krank, nackend und gefangen geweſen , und ihr habt mir nicht gedies

net ; und ſie werden ſagen : Herr du haſt uns nicht zu Kina dern erwählet, und gezogen ; fo wird Er ſagen : Habe ich nicht laſſen alle meine Güte vor euch hergehen , und euch mein Wort laſſen lehren , und eud treulich gerufen , und des

falſchen Weges gewarnet ; und ſie ſagen werden : wir ſind alſo gelehret worden , du habeſt einen aus deinem Fürſaße erwählet zur Kindſchaft , und den andern verſtockt ; ſo daß

denn in deinem Worte ſtehet ; was willt du uns denn ſchula digen , wir haben nicht fönnen Gutes thun.“ — a. a. D . S. 182 — 193. – „Mein Freund, ihr redet auf Menſchenweiſe, und ſdreis bet von Gottes ewigem Fürſaß und Wahl; es läſſet ridy nicht alſo ſchreiben.“ „ Wenn die Schrift redet von Gottes ewigem Fürſaß ,

ſo redet ſie nicht von einem lange zuvor gewefenen Fürſaße; denn in Gott iſt kein Anfang , ſondern iſt ein ewiger Anfang,

da der Anfang und das Ende eines iſt , das Erſte immer das lekte , und das legte immer das Erſte : was Gott von Ewigkeit hat angefangen zu verſehen , das fåhet er noch heute alle Stunden an zu verſehen .“ „ Ich kann mit Grunde alſo ſagen ; ob ich in Mutterleibe

wäre in ſeinem Zorn erſehen und ergriffen , ſo hätte mich Gott von Ewigkeit in ſeinem Zorn erſehen und ergriffen , und

ich wäre von Ewigkeit in ſeinem Zorne erwählet.“


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„ So ich mich aber umwende in die Buße , daß mich

Gottes liebe ergriffe , ſo wäre ich auch von Ewigkeit aus dem Zorn in die Liebe verſehen : Denn in Gott iſt alles ewig ;

was rich gleich heute in dem Ewigen anfähet zu ändern , das iſt von Ewigkeit zu Ewigkeit in der Ewigkeit.“

„ Der Geiſt in der Schrift hat eine andere Art zu reden . Wiſſet ihr , wie geſchrieben ſtehet in der Schrift , da der Herr ſagt: Plöblich rede ich wider ein Volk , ſo das Böſe iſt, daß ich's will verderben ; und ſo rich 's bekehret , ſo reuet mich

des Uebels , ſo ich ihnen gedachte zu thun. Jer. 18 , 7 . 8 .“ „Sehet Ninive an , dawerdet ihrſehen , ob nicht Gott ſeinen Willen um derMenſchen willen ändere ; Joh. 4 , 10. 11. Und der

Apoſtel ſaget : Daß auch der GeiſtGottes dem Menſchen ,vers ſtehet dem heiligen Menſchen , unterthan ſei.1 Cor . 14, 32.“ Seine Wahl und Anfang iſt alle Stunden ; ſeine

ewige Geburt iſt auch alle Stunden , vor und in ihm iſt alles neu und alt : Denn der Gott , der uns hat in

Chriſto vor der Welt Grund erwählet , der erwählet noch alle Stunden ſeine Kinder , die zu Ihm kommen ; Es iſt nur

um eine Umwendung des Willens zu thun.“

„Und ob geſchrieben ſtehet , es liegt nicht an jemandes Wollen ; Röm . 9 , 16 . das gehet nur auf den ; der zwar Gottes begehret , und will aber nicht aus ſeinem ſündlichen

Willen ausgehen ; Er behält die Sünde, und will auch ſelig ſein ; Darum liegt's nicht an ſeinem Willen , ſondern an deme, daß der Menſch aus der Sünden ausgehe in Gottes Gnade,

welche uns Gott in ſeinem Sohne geſchenket hat ; denn Gott will , daß allen Menſchen geholfen werde, wie die Schrift faget ; ſeine Wahl und Ausgang iſt von Ewigkeit ; und ſein

Erbarmen iſt auch von Ewigkeit in Ewigkeit , es iſt in ihm

alles Ewig.“ – Ebendaſelbſt S. 203 — 211. Wunderlich genug geht es in Jacob Böhme's Schriften

zu , das iſt wahr; aber dieſes Wunderliche bewegt ſich auf einem Lebensgrunde , der im vollſten Sinne des Wortes ein


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Lebens grund zu nennen iſt ; denn er beſteht aus der Macht

der Idee und Liebe. Es iſt die Idee der Menſchheit , die ſich in ihm als die Gewalt der Liebe zu behaupten beſtrebt, in

welchem Beſtreben das Leben dieſer Ideen ſelbſt beſteht. So kommt er immer zu dem rich Feſthalten auf dem menſchlichen

Standpunkte zurück, aber freudig anerkennend, daß ja dieſer Standpunkt , als ein ächter , ſeiner ganzen urſprünglichen Anlage nach , ein Standpunkt im Göttlichen iſt. Darum

ſpricht 'er die Chatſachen dieſes Verhältniſſes immer mit Bes ſtimmtheit und Klarheit aus 12) ; denn ſie ſind die Momente ,

die die Idee der Menſchheit in fich erlebt, und die als ſolche Erlebungen die Religion ſind. Faßt er ſie aber im Gebiete des Denkens zuſammen , um ſie als die gedachten Momente

eines ſich geſtaltenden Gedankenverhältniſſes hervortreten zu laſſen ; ſo entfalten ſich für unſere Beobachtung jene eigen thümlichen , geiſtigen Productionen , die wie phantaſtiſch auf gethürmte Zaubergebäude vor uns ſtehen , die überal Thüren

und doch keinen Eingang haben , in die man nicht hineinzies hen , die man aber wol von innen heraus durchwohnen kann.

Verſucht man es ſo , ſich geiſtig in ihre Gemächer einzuwoh nen , ſo wird es freilich einem mitunter etwas zu bunt vor allem Gedränge und Getreibe, das da innen herumzieht,

aber es iſt doch ein wirkliches Leben , das allen dieſen Wirr: war durchdrungen hat, und das von allen dieſen Geſtalten ausgeſprochen wird .


Bei Beurtheilung des alten Myſticismus (nämlich dem

des Mittelalters , der mit und neben der Scholaſtik ging, ſie aber um einige Fahrhunderte überlebte ) wären immer ſeine hiſtoriſchen Zeitbedingungen zu beachten , nicht etwa

blos um einige anſpielende Aeußerungen zu verſtehen , ſons dern vorzüglich um ſein eigenſtes Leben ſelber zu erfaſſen. — Da wir hier nun blos kurze Bemerkungen geben wollen , ſo

bemerken wir nur in dieſer Hinſicht, daß zu ſeiner Zeit eine robe , herz - und geiſtloſe mönchiſche Theologie ſich der Herrs ſchaft zu bemeiſtern ſuchte , der eine ſtreitſüchtige , einſeitige

Scholaſtik gegen über ſtand , wenn auch nicht in offen aus: geſprochenem Kampfe (das durfte ſie freilich nicht wagen ) , jedoch mit Umſicht und Gewandheit gegen ſie anſtrebend ,

und ſo im geheimen Kriege Terrain für die Selbſtſtändigkeit des Gedankens gewinnend , welcher letztere denn auch dieſes

Terrian tüchtig benutte , und auf ihm mitunter einewirklich geniale Geſtaltung hervortreten ließ . Unter ſolchen Verhälts niſſen bildete ſich nun der Myſtizismus aus , indem er gleich ,

ſam das neutrale Gebiet war , worauf ſich alle diejenigen zurückzogen , deren volles Gemüthsleben ſich in ungetrennter

Einheit zu entfalten , und thatkräftig auf das umgebende les ben einzuwirken ſtrebte.

Betrachtet man den Myſticismus von ſolchem Stand

punkte aus , ſo bekommen eine Reihe erfreulicher Erſcheinun: gen deſſelben erſt ihre gehörige Stellung. Eine ſolche erfreu:

liche Erſcheinung iſt ſein Feſthalten des menſchlichen Stands punktes , wodurch er ſich auch weſentlich von der oriens taliſchen Myſtik (deren hohe Bedeutung, und in einigen ein zelnen Erſcheinungen , treffliche Geſtaltung wir übrigens gar


nicht verkennen ) unterſcheidet. Nicht in einer geſtaltloſen und unthätigen Ascetik verlor er ſich (einzelne Abartungen können hier nicht in Anſchlag kommen ) , ſondern er rief im

Gegentheil die im Menſchen ſchlummernden Kräfte auf. Nicht durch Vernichtung des Menſchlichen ſollte eine Vereinigung

mit der Gottheit ſtattfinden , ſondern gerade durch das ſich ſelber Bewußtwerden und Herausbilden des ewigen Ges haltes der menſchlichen Individuen ſollte ſich die Menſchheit zur Gottähnlichkeit erhöhen . Darum war auch dieſer

Myſticismus eine wirkliche Freiheitslehre , eben weil er ein Freiheitsleben war, und ein von uns ſchon weiter oben angeführter Schriftſteller konnte deswegen ſehr treffend ſagen : wwThut dies und jenes , auf daß euch Gott liebe!ww ſo laus tete von jeher das engbrüſtige Moralprincip der fariſäiſchen

Orthodorie. Der liberalere Myſticismus ſprach herzerhebens der , philoſophiſcher und ſchöner : wLiebet Gott über alles ,

und thut was ihr alsdann wollt!" (S . Brinkmann 's philoſophiſche Anſichten . 1r Th. S . 112.) Die Liebe, dieſe unmittelbare Einheit der Natur und

Freiheit , war in dieſen Myſtikern zum Selbſtbewußtſein ges kommen , und aus dieſem Selbſtbewußtſein heraus erklärten sie ſich die höchſten Fragen des Lebens. Dies zeigt ſich auch

darin , daß durch jenen ganzen Myſticismus das Beſtreben geht, ſich zum beſtimmteſten Selbſtbewußtſein zu bringen (man

ſehe nur in dieſer Hinſicht des Canzlers Gerſon , desi docto ris christianissimi, Considerationes de mystica theolo gia ), weswegen man wol die parabore Frage aufwerfen könnte: jene Myſtiker ſeien vielleicht gar keine Myſtiker ges weſen . — Wie verſchieden nun auch dieſe Erklärungsvers ſuche von einander ſelber waren , und wie baroc und bizarr (wir möchten ſagen findlich - phantaſtiſch) fie mitunter hers vortraten , ſo war doch das eigentlich religiöſe Moment in ihnen rein und echt ; denn es war die in ihnen aufblüs hende Idee der Menſchheit. Daher kam es auch , daß nach


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97

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dem das Mittelalter ſchon lange zu Grabe gegangen war, die Scholaſtik ihre Herrſchaft verloren hatte und nur noch kraftloſe Anſtrengungen machte , doch der Myſticisinus ims

mer nach fortlebte, aber zuletzt auch verſchwand, jedoch nicht etwa wie eine Sternſchnuppe , ſondern wie ein Sons nenſyſtem , das flammend in ſich zuſammenſtürzt , und ſich einer univerſellern Lichtſphäre einverſeibt. Jeder Verſuch den alten Myſticismus wieder herzuſtellen , muß demnach ein verfehltes Unternehmen ſein , wie wir dies denn auch an unſerm modernen Myſticismus ſehen , von dem

Göthe ſagt: er drücke doch eigentlich nur eine charakters und talentloſe Sehnſucht aus , die ſich ſchon ſelbſt pas rodire , wie auch der Vers zeuge : Mir will ewiger Durſt nur frommen Nach dem Durſte.

S . Göthe’s W . 6 , 85. –

Da wir ſo manches Citat

beigebracht haben , ſo wird man uns wol noch Folgendes aus Franz Horns Poeſie und Beredſamkeit der Deutſchen

ſeit Luther erlauben . Nachdem dieſer Schriftſteller , Bd. 1 , S . 276 , geſagt hat , daß manche neuere ſchon bei dem blo

ſen Wort „Myſticismus “ erſchreckten , fährt er fort: „ Andere ſind ſchon über das Erſchrecken hinaus , und haben ſich mit einigen für wißig gehaltenen Einfällen bewaffnet , von denen

ganze Ladungen von jenſeit der Ardennen her nach Deutſch

land herübergeführt worden ſind , ſo daß man jeßt nur uns bedenklich zugreifen kann , ohne jemals Mangel befürchten zu dürfen. Andere ſind völlig anders geſinnt, und begrüßen das bloße Wort Myſtik ſchon mit Jauchzen , ja fühlen ſich

in ihr behaglich , wie etwa ein Nervenkranker in einem wars men Kräuterbade. Wir haben ſogar Schriftſteller und Nicht

Schriftſteller , die ſich mit beſonderm Studium auf die Mys ſtik gelegt haben , und allenfalls als licentiaten und Bacca laureen derſelben auftreten können .“


- 98 Wenden wir uns denn von allem „ gemachten “ Myſticiss mus – und gemacht iſt jeder moderne — hinweg , um uns um ſo mehr jener alten Geiſtes - und Liebeshelden zu erfreuen , und dabei immer die hier beſonders geltenden Worte beher zigend :

„ Was auch als Wahrheit oder Fabel In tauſend Büchern dir erſcheint, Das alles iſt ein Thurm zu Babel, Wenn es die Liebe nicht vereint.“ Göthe .


Rand bemerkunge n .


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100

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1) Wir ſagen vorſätzlich wiederum , denn erſt zu jener , und allen bekannten , einſeitigen Aufklärungsmode hielt man Jacob Böhme gar nicht der Beachtung und Rede werthy. Es war in der Herrſchaftsperiode jener armſes

ligen Gemeinheit , wo man denjenigen geradezu für eis nen Narren hielt, der nur mit irgend einer Aufinerk

ſamkeit auf Jacob Böhme linblickte. Bis zu jener Periode wurde dieſer immer der Beadytung werth gehalten . Wie uns glimpflich man auch oft genug mit ihm umging, ja wie ſchmählich man oft auf ihn ſchimpfte ; ſo befand er ſich doch

immer unter der Zahl derjenigen bedeutenden Individuen , die

man bei den verſchiedenen Anſichten über philoſophiſche Ges genſtände beachten zu müſſen glaubte , was freilich ganz ans

ders wurde, wie eben jene oben bezeichnete Periode eintrat. Nun iſt auch dieſe letztere vorüber , möge uns nur der Himmel bewahren , daß wir nicht in das ihr entgegengeſeşte Ertrem verfallen . – Jacob Böhme findet wieder eine ihm gehörige

Beachtung, und — was das Beſte iſt — eine doch im Al gemeinen unbefangnere , als ſie früher , ſowol von ſeinen

Anhängern als von ſeinen Gegnern vorhanden war. Uebrigens möchten wir gar nicht unſere Zeit ſo beſons ders hoch ſtellen . Das, was Beſſeres an ihr iſt , hat ſie dem zuſammentreffenden Wirken ausgezeithneter Männer zu verdanken , die von ihr eigentlich doch nicht be - und ergriffen wurden . Aber das Wirken dieſer Männer zeigte ſich doch wenigſtens darin nüßlich für unſere Zeit , daß ſie die ſchlam


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mige , eines freithätigen Lebensprincips entbehrende Maſſe durchkneteten , und ſie in eine erträgliche Geſtalt umformten :

Das Froſchleich wurde doch nach außen hin mit einem menſch : lichen Angeſichte und menſchlichen Gliedmaßen begabt. In

tereſſant iſt in dieſer Hinſicht das Urtheil eines geiſtreichen Franzoſen über unſer neunzehntes Jahrhundert. —

Es iſt

der der romantiſchen Schule Frankreichs angehörige Balzac; der in einem ſeiner Romane Folgendes über das neunzehnte Jahrhundert ſagt : 9, - - ce siècle éclairé , ce siècle incrédule , ce siècle . .. Que ne se disait - on pas d' éloges , à propos

de ce siècle où , comme dans tous les autres , le talent expire sous une indifférence aussi brutale que l'était celle des temps où moururent Dante , Cervantes, Tasse

e tutti quanti; car les peuples comprennent encore plus tardivement les créations du génie que ne les compre naient les rois.” — La recherche de l'absolu par M . de Balzac. Bruxelles 1835. page 353.

2) Hier ſoll gar nicht verneint werden , daß allerdings ſchon manches Treffliche über Jacob Böhme geſagt wors

den iſt, was aber doch immer mehr ſein wiſſenſchaftliches Verhältniß zur Philoſophie betrifft. Gerade hierin iſt ſchon viel Wünſchenswerthes geleiſtet worden ; möchte man doch

auch bald eine gediegene Darſtellung des Verhältniſſes ſeiner Schriften zu dem unmittelbaren , vollen Leben ſeiner Indivis dualität leſen .

3) Der Werth , oder vielmehr Unwerth dieſer Ausgabe iſt in Nr. 78 des Literaturblattes zum Morgenblatte , Jahr gang 1832 , kurz , aber hinlänglich und treffend angegeben . De la Motte Fouqué hat zwar auch verſucht , zu einer unbefangenen Beachtung Jacob Böhme’s mitzuwirken , allein ſeine Schrift ( „ Iacob Böhme.

Ein biographiſcher

Denkſtein ,“ 1831, Greiz),wodurch er dies zu bezwecken ſucht, iſt für dieſen Zweck allerdings zu unvollſtändig , da ſie eigent


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102

ſich doch nicht auf eine Entwickelung ſeines innern Lebens eingeht, ſondern mehr ſeine hiſtoriſche Erſcheinung nach außen hin erfaßt, und über dieſelbe kurze Nachrichten gibt. Dieſer biographiſche Verſuch bleibt jedoch auc, ſo noch eine dankens werthe Gabe, und möchte beſonders denjenigen zu empfeha

nde

htetute len ſein , die in Jacob Böhme's chricbedeutende ach außen Schriften zu auch Naeine

Individualität erkannt haben und nun auch Nachrichten über ſeine Lebensverhältniſſe nach außen zu haben wünſchen . Bei dieſer Gelegenheit wollen wir zugleich einen Irrthum - vielleicht auch nur einen fehlgegriffenen , unvollſtändigen Ausdruck - Fouqué' s berichtigen . Der lektere ſagt näms DW

lidh (a . a . D . S . 22) : „ Auf ſeinem (Jacob Böhme's ) Tiſche

lag Doktor Martin Luther's im Druck verdeutſchte Biblia , das iſt die ganze heilige Schrift. An Dinte , Feder und Pa pier gebrach es nicht. Muße boten die Feierſtunden des Abends dar, oder die Frühſtunden des Morgens , inſofern

Beide nicht allzuſehr durch Kinderpflege und Kinderzucht, oder ſonſt häusliche Angelegenheiten Beſchränkung erlitten .“

„ Damit ſehen wir Iacob Böhme's äußerlichen Studiens kreis gezogen , und die darin anzutreffenden Hülfsmittel voll ſtändig bezeichnet.“ „ Aber wie Sonne , Geſtirn und Firmament all ihre

Segnungen hinſtrömen auch in des kleinſten Vögleins Neft gingen göttliche Ahnungen und Anſchauungen , auf das ans ſpruchloſe Studium der heiligen Schrift begründet , in die

kleine Bürgerwohnung des armen ungelehrten Handwerkers Jacob Böhme ein ." Dies iſt aber , ſo wie es hier der Wortſinn gibt, nicht richtig , Jacob Böhme hat offenbar nicht blos theologiſche, ſondern auch cabbaliſtiſche, alchymiſtiſche, aſtrologiſche und

aſtronomiſche Schriften ſtudirt, beſonders auch ſcheint ermit den Schriften des Paracelſus gut bekannt zu ſein . Dies ſieht man aus allen ſeinen Schriften , auch der Art, daß

nicht anzunehmen iſt, jene Kenntniſſe ſeien ihm nur durch den


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perſönlichen Umgang mit den rich unter ſeinen vertrauten Freunden befindenden , und ſich auf dergleichen Sachen le genden Aerzten , Balthaſar Walther , Tobias Kober und

Friederich Krauſe , zugekommen . Doch haben wir für unſere Behauptung ſogar Jacob Böhme's eigene Worte.

So ſagt

er ausdrücklich in der Morgenröthe im Aufgange , Kap. 10 . S. 27 - 30 : „ Ich habe viel hoher Meiſter Schriften geleſen , in Hoffnung den Grund und die rechte Liefe darinnen zu finden ; aber ich habe nichts funden als einen halb - todten Geiſt , der rich ångſtet zur Geſundheit , und kann doch um

ſeiner großen Schwachheit willen nichtzur vollkommenen Kraft kommen ."

„ Alſo ſtehe ich noch als ein ängſtlich Weib in der Ges burt , ſuche vollkommen Labſal, und finde nyr den Gerud im Aufſteigen ; darinnen der Geiſt prüfet , was in dem rech ten labſal für Kraft ſtedet , und labet ſich derweil mit dem

vollkommenen Geruche in ſeiner Krankheit, bis der rechte

Samariter wird kommen , und wird ihn ſeine Wunden vers binden und heilen , und wird ihn in die ewige Herberge füh ren ; dann wird er auch des vollkommenen Geſchmacks ge nießen .“ : „ Dieſes Kraut, das ich alhie meine, von welches Ges ryche ſich mein Geiſt labet , fennet nicht ein jeder Bauer , auch nicht ein jeder Doctor , es iſt ja einem wol ſo unkennts

lich als dem andern : es wächſt wol in einem jeden Garten , aber in manchem iſt's ganz verderbet und böſe ; dann die Qualität des Acers iſt Schuld daran. Darum kennet man's nicht, es kennen 's auch wol kaum die Kinder dieſer Geheim

niß , wiewol dieſe Erkenntniß von der Welt her theuer ge

weſen iſt.“ „ Obgleich in manchem iſt ein Quell aufgegangen , ſo iſt die Hofart bald hernach gedrungen , und hat’s alles verder

bet ; da hat er's in ſeiner Mutterſprache flugs nicht ſchreiben wollen , er hat vermeinet es ſei zu findiſch , er müſſe ſich in


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tiefer Sprache ſehen laſſen ; damit die Welt ſehe daß er ein Menſch ſei , und hat's in ſeinem Vortheil gleich wie verbor:

gen gehalten , und mit tiefen fremden Namen verkleiſtert, daß man's nicht fennet ; eine ſolche Bestia iſt des Zeufels Hofartſucht.“ - Auch in dem 25.- Kap., S. 42 — 48 , der nämlichen Schrift heißt es ausdrücklich : „ Alhie werde ich Anfechter genugſam haben , die da werden wiſſen zu tadeln : dann ſie werden nicht auf den Geiſt Achtung haben , ſondern

auf ihr Altes ; und werden ſagen , die Astrologi verſtehens beſſer , ſie haben geſchrieben ; und werden die große offene

Porten Gottes anſehen wie eine Kuh ein neu Scheunthor.“ „ Ja lieber Leſer , ich verſtehe der Astrologorum Meis

nung auch wol ; ich habe auch ein Paar Zeilen in ihren Schriften geleſen , und weiß wohl, wie ſie den Lauf der Sonnen und Sternen ſchreiben ; ich verachte es auch nicht,

ſondern halte es meiſtenteil für gut und recht.“ „ Daß ich aber etliche Dinge anderſt ſchreibe , thue ich nicht aus einem Wollen oder Wahn , daß ich zweifele ob' s alſo ſei , ich darf auch keinen Zweifel hieran ; ſo kann mich

auch kein Menſch hierinnen unterrichten .“ „ Dann ich habe meine Wiſſenſchaft nicht vom Studio : zwar der ſieben Planeten Ordnung und Inneſtehen habe ich in der Astrologorum Bücher geleſen , befinde ſie auch ganz recht; aber die Wurzel , wie ſie worden und herkommen ſind, kann ich nicht vom Menſchen erlernen , dann ſie wiſſens

nicht; ich bin auch nicht darbei geweſen , da ſie Gott ges

ſchaffen hat." „ Weil mir aber in meinem Geiſte die Thoren der Liefe oder Porten des Zorns, auch die Kammer des Lodes iſt aufgeſchloſſen worden durch die Liebe Gottes , ſo ſiehet der Geiſt hindurch . Befinde demnach , daß die Geburt der Natur

auf heute noch ſtehet , und ſich alſo gebäret wie ſie erſtlich

ihren Anfang genommen hat: und alles was da aufgehet in dieſer Welt , es ſein gleich Menſchen , Zhiere , Bäume, Kraut,


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Gras , Erzt oderwas es wolle , ſo gehet alles in ſolcher Quas

lität und Form auf; und alles Leben , es ſei bös oder gut , nimmt ſeinen Urſprung alſo .“ „ Dann das iſt der Gottheit Recht , daß ſich alles Leben in dem Leibe Gottes aufeinerlei Weiſe gebäre , ob's wol durch mancherlei Bildung geſchieht; ſo hat doch das Leben alles

einerlei Urſprung.“ „ Solche Erkenntniß ſehe ich nicht mit fleiſchlichen Au

gen ; ſondern mit denen Augen , wo ſich das Leben in mir gebäret : in demſelben Siße ſtehet mir des Himmels und der

Höllen Porten offen , und ſpeculiret der neue Menſch in Mits ten der ſideriſchen Geburt , und ſtehet ihm die innere und äußerſte Porten offen .“ —

Ferner ſchreibt er an Kaspar

Lindner, Zöllner in Beuthen : „ Dieſe angedeutete Autores, über welche ihr ein Gutachten von mir begehret , habe ich

nicht alle , jedoch zum Theil geleſen 2c.“ – Sendbriefe , 12r Br. S. 34 . –

S . theoſoph .

Dann werden an eben dem

Orte S. S. 53 u . 59 zwei von dieſen Autoren genannt, näms lich Schwenkfeld und Val. Weigel, über deren An- . richten Jacob Böhme ſein Urtheil ſagt.

Man iſt mal überhaupt auf keiner richtigen Spur, wenn man Jacob Böhme ſo unwiſſend , kenntnißlos annimmt. – Jacob Böhme, der ſpäter ſein wol nicht ſehr emſig (was ſich allerdings aus ſeinen eignen Aeußerungen nachweiſen läßt ) betriebenes Handwerk ganz aufgab , widmete ſein leben wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen , wobei ihm freis lich die gelehrte Bildung abging. 4 ) Die Stelle lautet im Griechiſchen : „ Ti oův av , Ė.

pnv , ein ó 'Epos; Juntos; ~ 'Hxlota ye. — 'Alla ti univ ; 'N STEP ta apotega , éon, uetasv Dvntov xai á Savatov. - Tí oův , á Alotiua ; Aarumv lieyas, w Ew κρατες. και γαρ παν το δαιμονιον μεταξυ εστι θεου τε ral Syntov. Tiva , řv d' êyw , durayev &Xor ; - 'Ep.

unvevov xai deanogSuevov DEOLS ta nap' & v2pw.ravtai


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άνθρωποις τα παρα θεων, των μεν τας δεησεις και θυ σιας , των τε τας επιταξεις τε και αμοιβας των θυσιών. εν μεσω δε όν αμφοτερων ξυμπληρoι ώστε το παν αυ

το αυτω ξυνδεδεσθαι. δια τουτου και η μαντικη πασα χωρει , και ή των ιερεων τεχνη των τε περι τας θυσιας και τας τελετας και τας επωδας και την μαντειαν πα σαν και γοητειαν. 9εος τε άνθρωπο ου μιγνυται , αλλα δια τουτου πασα εστιν η ομιλια και η διαλεκτος θεοις

προς ανθρωπους , και εγρηγοροσι και καθευδoυσι. και ο μεν περι τα ταιαυτα σοφος δαιμονιος ανηρ· ο δε άλλο τι σοφος ών ή περι τεχνας ή χειρουργιας τινας, βα. ναυσος. ούτοι δη οι δαιμονες πολλοι και παντοδαποι

είσιν εις δε τουτων εστι και ο Έρως. – 6. δie neue Auflage ( 1828 ) der Wolfiſchen Ausgabe des Platoniſchen Gaſtmahls p . 83. — In der Bekkerſchen Edition des Plato ,

part. sec. vol. sec. p. 428. Wir müſſen wegen unſerer eignen ſchlechten Ueberſebung

der Platoniſchen Stelle um Verzeihung bitten , da uns keine deutſche Ueberſeßung, die wahrſcheinlich beſſer ausgefallen wäre , zur Hand iſt. Um unſer Möglichſtes zu thun , fügen wir noch die Ueberſeßung dieſer Stelle aus der der Bekker), ſchen Edition beigegebenen Verſion des Marſ. Ficinus bei : „ So. Quid ergo ? num mortalis est amor ? Dio. Minime. So. Quid igitur ? Dio. Superiorum instar, mor talis immortalisve medium . So. Quid , inquam , est , o Diotima ? Dio. Magnus , o Socrates, daemon . etenim omnis natura daemonum inter mortales Deosve estme

dia . So. Quam vim habet. Dio . Interpretatur et traji cit humana ad Deos , divina ad homines: horum quidem preces et sacrificia , illarum praecepta sacrosque solem nes , institutiones et ordinem . In utroque medio consti tuta totum complet, ut universum secum ipso tali vin culo connectatur. Per hanc vaticinium omne procedit,

sacerdotumque diligentia circa sacrificia expiationesque


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et incantationes et divinationem omnem atque magi

cam .

Deus quidem homini non miscetur , sed per id

medium commercium omne atque colloquium inter Deos hominesque conficitur, et vigilantibus nobis et dor mientibus. Quicunque harum rerum peritus est, dae

monius , id est, felix vir et sapiens nuncupatur: qui vero alias artes et facultates , que mar:bus explentur, callent, mercenarii nominantur. Enimvero hi daemo

nes multi atqui varii sunt. ex hiç unus est Amor.” Wenn Hamann in einem ſeiner Briefe ſchreibt , (an I. G . Lindner , den 16 . Oct. 1761) daß Ficinus , für den

Plato zu abergläubiſch ſei, ſo kann die hier angeführte Stelle gar wol zum Beweiſe dienen . Man beachte nur die Breits und Breimäuligkeit des Schluſſes .

.

5 ) Man kann hier vergleichen die empfehlungswerthe Abs handlung von D . Carl Grüneiſen : Ueber das Sittliche der bildenden Kunſt bei den Griechen . 1833 Leipzig . Beſons

ders S . S . 53, 65 , 75.

6) Philolaus. Der Ausdruck Perſon , ſelbſtwenn ihn die Theologen von Gott gebrauchen , (die dieſe Perſon

• aber nicht der Welt entgegenſetzen , ſondern als Unterſchied im Weſen Gottes annehmen ,) iſt — (denn der Theolog ſagt

nicht: Gott iſt eine Perſon , ſondern in Gott ſind Perſonen .) Theophron. Laſſen wir die Sprache der Theologen , und reden vom Wort Perſon philoſophiſch .

Philolaus. Zuerſt alſo wol davon , was das Wort im feſtgeſtellten Gebrauch bedeutet. Perſon (apvomnov) hies -

- larve, ſodann — theatraliſcher Karacter;

dadurch führte es auf das Eigenthümliche eines Karacters überhaupt , wodurch er ſich von einem andern unterſcheidet; ſo ging das Wort in die Sprache des gemeinen Lebens über.

„ Dieſer," ſagt man , „ pielt ſeine Perſon ; er bringt ſeine Perſönlichkeit in die Sache,“ und F.

So reşte

man Perſon der Sache entgegen , immer etwas Abſtechens


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des, auszeichnend - Eigenthümliches in ihr bezeichnend. So ging es in die Gerichtsſprache, in die Verſchieden

heit der Stände. Können wir von dieſer Proſopopoie ets was auf Gott anwenden ? Er iſt weder eine Larve noch

Maske; weder eine Standesperſon , noch ein abges zeichneter Karakter, der mit andern da iſt , und neben

ihnen ſpielet. Laſſen wir dieſe Perſonalien , die immer doch , wo nicht auf etwas Falſches , Angenommenes , An

gedichtetes , ſo doch auf etwas Eigenthümliches an Geſtalt, Bildung , Abzeichnung von andern , auf Stand, Rang und dergleichen führen , mithin vom reinen Begriff einer ganz un

vergleichbaren Weſenheit und Wahrheit entfernen . Sowenig Gott die Perſon anſiehet, ſo wenig ſpielt er eine Pers ſon , ſo wenig affectirt er Perſönlichkeiten , hat eine perſöns liche , mit andern abſtechende, contraſtirende Denkart, u . f.

Er iſt. Wie Er iſt , iſt Niemand. I heophron . Sollte aber nicht „ die höchſte Ins

telligenz“ das Wort „ Perſönlichkeit“ fordern , ſo , daß „ Einheit des Selbſtbewußtſeing" die Perſonalität ausmacyte ?

Philolaus. Ich ſehe nicht ; vielmehr bleibt Perſöns • lichkeit dieſen Begriffen immer ein fremdes , aufgemahltes Wort u . ſ. w . - Herder's „ Gott, “ viertes Geſpräch. „ Was ſoll mir euer Hohn Ueber das uu und Eine ?

Der Profeſſor iſt eine Perſon , Gott iſt keine."

ſpricht ſo ein malitiöſer Pantheiſt bei Göthe. V . 47, 248. 6) Nach unſerer geläuterten Idee von Gott, wie uns dieſelbe beſonders auch durch das Chriſtenthum gegeben wird , müſſen wir es allerdings für eine Art Abgötterei erklären , zu

Gott als zu einer eigentlichen Perſon zu beten . Man wird uns alſo nicht mißverſtehen und meinen , wir erklärten das

Beten zur Jungfrau Maria und zu den Heiligen auch für


1

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Abgötterei; welche Abgötterei in dieſer Hinſicht dann nur ſtattfinden würde , wenn man dieſe Perſonen init Gott ſels ber verwechſelte.

Freilich ſollte man das brünſtige Hinwens

den zu geliebten , verklärten Perſonen nicht eigentlich Beten, ſondern nur ein Anrufen nennen ; denn das wahre, unbes dingte Gebet kann nur zu Gott ſtattfinden . Heberdieß läßt

ſich nicht läugnen , daß innerhalb des Chriſtenthums das An rufen eines Beiſtandes von Oben , wenn es nicht unmittels

bar an Gott gerichtet iſt, immer ein fremdartiges Element bleibt , das wol in eigenthümlich geſtalteten , vorübereilenden

Lebensmomenten hie und da einmal hervortreten , und ſich dann höchſt liebenswürdig und edel geſtalten kann .

Ja dies

ſes Anrufen , als eine weſentliche Religions voru ſdrift angenommen , iſt völlig gegen die Religion

Jeſu , und muß überhaupt von jedem echt religiöſen Bewußts ſein verworfen werden . 7) Unter den Ausſprüchen , die die Tradition der Mu hamedaner von Muhamed erzählt , findet ſich eine ähnli

che ſchöne Stelle : „ Seinen Gläubigen liebt Gott mehr, als die Mutter , die ſich des Kindes erbarmt.“

S . Tholucks

Blüthenſammlung aus der morgenländiſchen Myſtik. S . 52. 8 ) Gerade das unmittelbare Bewußtſein ſich als ein

Endliches , Perſönliches innerhalb des Unendlichen zu befin den , iſt der Gehalt des Gebetes ; dies Unendliche wird aber anerkannt, oder vielmehr unmittelbar gewußt, als ein In haltsvolles , Freithätiges , ſeines objectiven Verhälts niſſes zu uns ſich wol Bewußtes. — Das echte

Gebet iſt durchaus nicht die myſtiſche Ertaſe der Orientalen , worin die Selbſtſtändigkeit des Menſchen , und folglich auch die Freiheit Gottes als aufgehoben erſcheint: im wahren Ges bete tritt das Verhältniß zwiſchen Gott, Menſch und Welt auf das Klarſte im Bewußtſein hervor, und was die einſeis

tige Reflerion als gegebene Gegenſätze , die eben erſt durch die Reflerion aufzuheben ſeien , Annimmt, zeigt ſich hier im


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110 -

Gebete als eine urſprüngliche Einheit , als die ſich erlebende,

nothwendige und ewige Idee der Menſchheit. Klopp ſtock hat in einer ſehr begeiſterten Ode ganz

richtig das Verhältniß , in welchem im Gebete Gott von den Menſchen aufgefaßt wird , nämlich als das nicht perſönlich

Bedingte im Gegenſaße einer Perſon , ausgeſprochen . So lautet gleich der Eingang dieſer Ode : „Da du mit dem Tode gerungen , mit dem Tode Heftiger du gebetet hatteſt , Da dein Schweiß und dein Blut

Auf die Erde geronnen war; " „ In dieſer ernſten Stunde Thateſt du jene große Wahrheit kund , Die Wahrheit ſein wird

So lang die Hülle der ewigen Seele Staub iſt.“ „ Du ſtandeſt , und ſprachſt Zu den Schlafenden : Willig iſt eure Seele

Aber das Fleiſch iſt ſchwach !" „ Dieſer Endlichkeit Loos , die Sihwere der Erde Fühlet auch meine Seele ,

Wenn ſie zu Gott , zu dem Unendlichen Sich erheben will."

„ Anbetend , Vater , ſink ich in den Staub , und fleh , Verniinm mein Flehn , die Stimme des Endlichen , Gieb meiner Seel ihr wahres Leben , Daß ſie zu dir lich , zu dir erhebe !"

„ AUgegenwärtig, Vater ; Schließeſt du mich ein ! Steh hier , Betrachtung ſtill , und forſche Dieſem Gedanken der Donne nach !"

i

Daß nun auf dieſem träftigen Eingang eine Reihe ſcho

ner. Tiraden , wie feſſing in den Literaturbriefen ſehr rich tig bemerkt , folgt, geht uns hier weiter nichts an ; jedoch


111

wird auch in ihnen jenes richtige Verhältniß durchgeführt. Sv heißt es an verſchiedenen Stellen dieſer Ode: „ Ich hebe mein Auge auf, und ſeh . . Und ſiehe der Herr iſt überall.“

„ Mit heiligem Schauer Bredy ich die Blum ' ab ; Gott machte ſie , Gott iſt , wo die Blum ’ iſt.“

„ Mit heiligem Schauer fühl ich der Lüfte Wehn , Hör ich ihr Rauſchen ! es hieß ſie wehn und rauſchen Der Ewige ! der Ewige

Sft , wo ſie ſäuſeln, und wo der Donnerſturm die Seder ſtürzt.“ „ Ich hebe mein Hug' auf, und ſeh ,

Und ſiehe der Herr iſt überal ! Sonnen , euc , und o Erden , euch Monde der Erden , Erfület , rings um mich , des Unendlichen Gegenwart !"

„Nacht der Welten , wie wir in dem dunkeln Worte ſchaun Den , der ewig iſt !

Go ſchaun wir in dir , geheimnißvolle Nacht, .

Den , der ewig iſt!" „ Uugenblice deiner Erbarmungen ,

O Vater , ſind's, wenn du das himmelvolle Gefühl Deiner allgegenwart Mir in die Seele ſtrömſt.“

,,Ein ſolcher Augenbli , Augegenwärtiger , Iſt ein Jahrhundert Vou Seligkeit !

Siehe Kloppſtocks Ode „ Dem Augegenwärtigen.“ Dies iſt das Anbeten Gottes im Geiſt und in der Wahrs heit. Wenn man zu Gott betet, ſollman ſich kein Bild von


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112

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ihm machen , aber auch keinen Begriff; beides müßte jedoch ſtattfinden ,wenn uns Gott im Gebete als eine Perſon erſchiene.

Wir müſſen uns auf das Beſtimmteſte dagegen erklären , daß Gott perſönlich ſei ; können aber die innigſte Ueberzeugung

ausſprechen , daß wir mit vielen , die ſich des Wortes „ Pers ſönlichkeit ,“ wenn ſie von den Weſen Gottes reden , bedienen ,

der Sache nach übereinſtimmen ; ſind ſie doch genöthigt die Prädikate : „abſolute,“ „ unbedingte,“ „unendliche“ hins

zuzufügen . Was iſt nun dadurch gewonnen ? -

logomas

chie ! Bei vielen aber müſſen wir uns auch der Sache nach als mit ihnen in Widerſpruch ſeiend erklären , wie namentlich mit Jacobis Annahme von einer „perſönlichen , ſupras und ertramundanen Gottheit.“ Worüber unſer , uns allen , unvergebliche Herder ſagt : „ Gott iſt nicht Welt , und Welt iſt nicht Gott : das bleibt gewiß ; aber mit dem ertra

und ſupra iſt's , dünft mich auch nicht ausgerichtet. Wenn man von Gott redet , muß man alle Idole des Raums und

der Zeit vergeſſen , oder unſre beſte Mühe iſt vergeblich.“ – Herders „ Gott“ IV . Geſpräch . — Uebrigens ſagt doch auch ein , jeden Anklang an Pan

theismus heftig bekämpfender , berühmter Theolog : „ Das Eine aber kann allerdings den Beſtreitern der Lehre von einem pers

ſönlichen Gott zugegeben werden , daß der Name: perſons lich , ein leicht irre leitender iſt , indem er zu tief in die Sphäre des Menſchlichen führt. Richtiger wäre die Benen

nung : ſelbſtbewußter oder lebendiger , doch wir reden alles nur im Näthſel und Gleichniß 20.“ — S . Thos luck , die Lehre von der Sünde und dem Verſöhner. S . 263.

2e Aufl. —

Wir fügen nur noch hinzu , daß wenn die Bes

nennung „ ſelbſtbewußter oder lebendiger Gott richtiger w åre , ſo die des Evangeliums „himmliſcher Vater“ die richtigſte iſt. Wahrhaftig mit dem ſelbſtbewußten "

und „lebendigen “ iſt auch nicht viel gethan ! ;


113

9) Sehr ſchön fagt ein Orientale ; „ Unendlich iſt das Urſein , ſonder Schranken , Drum faßt du ’s nicht in Worten und Gedanken . Gin Fühlen iſt 8 , du kannſt’s nicht andern fagen ,

Wie ließ ſich je Gefühl in Worte tragen ! , Doch will der Weiſe Göttliches Verkünden ,

Muß er Gefühl in Schattenbilder binden .

Gol feinen Jüngern Weisheit ſein verſtändlich , Muß er unendliches geſtalten endlich.

Die Sinnenwelt ein Schatten iſt der Geiſtwelt , Þerab von dieſer jener Nahrungsmilch queut. Gefühle ſind gefangene Monarchen ,

Die in der Worte Kerker ſich verbargen . Tritt das Unendliche in 's Herz des Weiſen ,

Muß flugs hinab er zum Verſtande reiſen . Der muß die Schattenbilder ihm gewähren , Damit er könn Unendliches erhären , Doch nimmer iſt das Ubbild je voukommen , Nur Selbſtverſtändniß fann dir wahrhaft frommen .

Denn ziehſt aus jedem Bild du Conſequenzen , Mußt hier du vieles wegthun , dort ergänzen .“

S . Tholud8 Blüthenſammlung aus der morgen ländiſchen Myſtik. S . 215 . „ Allen gehört, was du denkſt , dein eigen iſt nur , was du fühleſt. . .

Soll er dein Eigenthum ſein , fühle den Gott, den du denkſt.“ S diller.

10 ) Wir haben hier , wie auch bei den Auszügen aus

Geyler von Kaiſers.perg — zur Bequemlichkeit des Les fers -- Orthographie und Interpunktion ſo geändert, wie es die Gegenwart verlangt ; haben uns aber dabei bemüht , die urſprüngliche Conſtruction und Ausſprache getreu wieder zu

geben, 11) Was dieſer Iſchefch noch ſonſt geſchrieben haben

mag , beſonders über Jacob Böhme, haben wir nicht geſehen, können alſo auch nicht darüber urtheilen .

Er iſt übrigens


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114

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nicht mit einem frühern Tſcheſch zu verwechſeln , der mit unter den perſönlichen Bekannten Jacob Böhme’s angeführt wird .

Was die Albernheiten ſo vieler Anhänger des lestern betrifft , das können wir wol als hinreichend bekannt voraus ſeßen . Man leſe nur das dumme Zeug, was die Hambur giſchen Herausgeber der Jacob Böhmiſchen Werke nebenbei

anbringen . Wer dieſe unſere Rede zu hart finden ſollte , beliebe nur folgende Stelle zu leſen : „ Aber eine bündigere Nachricht von des Autoris ( Iac. Böhme's ) eigentlichen Ausbildung, womit man tiefer in ſeis

nen Geiſt kommen kann ( es wird nämlich hier an dieſer Stelle über die vorhanden ſeienden Bildniſſe geſprochen , die Jacob Böhmen vorſtellen ) , theilen wir dem aufrichtigen

Leſer , der das Schalksauge ausgeriſſen , in einfältiger Liebe mit, ſo wie ſie A . 1712 d . 2 May ſchriftlich ausgedrucket worden , dieſes Einhalts : Weil von Jacob Böhmen unter

uns gehandelt wird , habe ich die Nacht vor dem an dieſes , da ich dieſen Brief unter Händen gehabt, und zwar des

Morgens zwiſchen Schlafen und Wachen ſeinen Geiſt bei mir gehabt. Es iſt kein rechter Traum , weil die Begegnung mehr inwendig als auswendig iſt.

Er war über die Maßen

human und demüthig als ein lernſchüler. Mit dem erſten Wort gab Er zu erkennen , daß er ſich an Br. G . . . . . ſel. in der Zeit incognito in eines Bauren Geſtalt geoffens

baret habe gehabt. Hierauf umfaſſeten wir einander , und er war ſo klein , daß ich ihn an meine Bruſt in meinen

Schlafrock legen konnte , und damit zu den Brüdern in ein Zimmer ging , worunter der ſelige Bruder mit war. Ich ſtel lete ihnen den neuen lieben Gaſt dar , welcher ſich auseinan

der that, und von Geſtalt ein nicht großer Mann war , ſon dern kleiner Statur, abermal in einem ſchlechten Baurkleide, nicht von Leinen , ſondern Wolle. Sein Angeſicht , welches ich eigen und lang contemplirte , war gemeiner Geſtalt ,


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115

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nicht anſehnlich ; das Kupfer und die Medaille , welche man

von Ihme hat, iſt ganz ein fremd Werk dagegen : Er gab zu erkennen , daß er noch ein Schüler mit uns in dem Leben

Chriſti ſei, und gelüſtete Ihmemit einem Unſchuldigen lern begierigen Affect von Christi Oeconomie unter uns zu

hören ; Und welches noch am höchſten zu verwundern , ſeşte Er ſich an den niedrigſten Ort unter uns , bis auf einem

nahe. Wenig Worte wurden unter uns geſprochen . Er vers ſtund ſich aber mächtig wol auf das einführen des demüthigen

Liebewillens in 's Herze des Bruders , und ging mit uns aus dem Herzen in die Jungfrau Jeſu ein , wovon ich erwachet,

und den Geiſt noch in der Empfindung habe. Soweit dies ſer nachdenklicher Bericht, dabei derſelbe Wohlgeglaubte Aus gen Zeuge der innern Deconomie nach füget : Mir hat Gott des Mannes Angeſicht wollen ſehen laſſen , ob wol kein Ver langen nach dergleichen bei mir iſt, weil Fleiſch nichts nüße.“

- Der Anhang zur Hamburger Ausgabe des Jacob Böhme (de vita et scriptis J . B .) S . 61. Da das im Tert angeführte Büchelchen von Tſcheſch den meiſten unſerer Leſer doch nicht bekannt iſt ; ſo wollen

wir hier eine Stelle daraus beibringen , welche von dem un befangenen und tüchtigen Sinne des Verfaſſers zeugen mag ,

indem ſie eine, auch für unſere Zeit, ſehr zu beherzigende Gewiſſensſache einſchärft : , - - ſo beliebe doch der chriſts

liche Leſer nur oben hin zu erwägen , wie unchriſtlich und unbillig dieſer Gilbertus in dieſer (nämlich der Beſchuldis gung der Gottesläſterung ) und anderen Beſchuldigungen zu

verfahren pflege.

Dann ja ihme als einem

Theologo

Practico wot ſollte bekannt ſein , daß zum Beweis einer wahren Gottesläſternng nicht genug ſei, eine oder die andere

Rede übel oder verkehrt auch nicht ganz, ſondern verſtümmelt beizubringen : ſondern daß auch zugleich die Gottesläſterung

ſelbſt, ſamt der Intention und Meinung, Gott dardurd ) zu läſtern , gründlich müſſe bewieſen werden . Wel


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ches ob , und wie es von ihme geſchehen ſei , barüber x . x ."

- a . a . D . S . 130 . Vielleicht möchte auch noch folgende ausgezogene Stelle hier nicht unpaſſend ſtehen , da ſie beſonders beweiſt , daß es

unter Jacob Böhme’s Anhängern Männer gab , die gar wol wußten , wie ſeine Ausſprüche über die Vernunft zu verſtehen ſeien .

Der in dem Schriftchen des Eſcheſch widerlegte G ils

bert hatte nämlich , wie eben aus obigem Büchelchen her : vorgeht, den Schriften Jacob Böhmens ſieben Widerſprüche vorgeworfen , wovon in Beziehung auf den dritten Tſcheſch folgendes antwortet : „ III. “

„ Ob das Eine Selb -Beſtreitung ſei, wann man dem fleißigen Erforſcher Anleitung gibt zum Nachdenken ; und

ſelbigen gleichwol dabei warnet, daß er mit ſcharfem Nachs denken der äußerlichen Vernunft folches nicht ſuchen ſolle.“ „ 1. Die dritte angewieſene Selb - Beſtreitung iſt von eben dergleichen Art , und noch ärger , als die zweite vorhers

gehende : Indem dieſe noch ſchlechter und verſtümmelter , als die vorhergehende, angezogen wird : Dann , daß zweierlei ſehr unterſchiedliche Stücke zu bedenken und zu betrachten ſein , nämlich das Gute aus Gott und dem Glauben , das andere aus ſich ſelbſten und ſeiner eigenen Vernunft , als welche

falſch und bös iſt, ſolches ſollte dieſer Gilbertus bereits in der Schule , vornehmlich in ſeiner Theologia Practica , gelernet haben , ſo würde das eine und andere anißo nicht To verkehrtlich von ihm vorgebracht, noch er von dem Läſtern

und der Finſterniß dergeſtalt überwunden worden ſein . Allein wie der Menſch und ſein Auge iſt , ſo iſt auch ſein Sehen und Nachdenken . Iſt das Auge lichte , ſo wird auch alles

ander licht ſein ; ſo es aber falſch und verderbt iſt, ſo wird ſein ganzer Leib , und alles , was er vorbringet , verfinſtert


117

und verdüſtert ſein. Inmaßen uns Chriſtus ſelbſt gelehret und angewieſen hat.“ „ 2 . Nun hat der ſel. Jacob Böhme ſehr billig und chriſtlich dem Arbeitſamen und ernſtlichem Sucher Urſache zu fernern Nachdenken geben wollen in dem Buche de Signa tura Rerum , aber nicht alſo , daß einer daſſelbe mit ſeiner eigenen unwiedergeborenen , und nicht im Glauben auf Gott

gegründeten , Vernunft , allein von außen leſen , und mit einem ſcharfen Vernunftſpeculiren und Nachdenken , in ſeinem

eigenen vermeſſenen Sinnen ſolches zu erreichen , ſich bereden laſſen ſolle. Worfür er dann im Schlüſſel, Sect. 1 , einen jedweden getreulich warnet. Sondern er bezeugt alls

dar, als auch anderswo , daß es anders nicht , dann in wah rer ernſtlicher Buße, und Kampfe zur Wiedergeburt , in und

aus Gott , in wahrer Gelaſſenheit gewonnen und erlanget werden müſſe : Inmaßen er dann ſolches durchgehends ges nugſamlich bezeuget : Aber in dem Büchlein ; der Weg zu

Chriſto , von der Buße , Wiedergeburt , Gelaſſenheit und überſinnlichen Leben vornehmlich und ganz eigentlich erklärt und bewieſen hat.

Er will nicht, daß es allein von außen ,

ſondern aus dem Centro , in Gott , unterſucher im Glauben und Gelaſſenheit , wohlbedacht und gelehrt werden ſoll. Wels

ches , wann es dieſer Gilbertus gethan hätte, ſollte er nicht ſo gröblich wider dieſen theurbaren Mann und Werkzeug Gottes angelaufen ſein , und ſeine Blindheit ( daß ich nicht ärger ſage) öffentlich vor allen redlich und gewiſſenhaften Leuten geoffenbaret haben ."

„ 3. Es iſt viel ein anders , das ſpitfündige Speculis ren der hochmüthigen unwiedergebornen Vernunft des alten Menſchen , und ein anders das ernſtliche , fleißige , demüs thige, bußfertige Suchen und Erforſchen , Beſinnen und Nachdenken eines , das Heil ſeiner Sele vom Herzen meinen den zerſchlagenen Geiſtes. Ein anderes iſt der ſuchende Laß dünfel , und die Gott ungelaſſene Selbheit; Ein anderes ,


– 118 – die ernſtlich ſuchende Begierde zu Ablegung der Finſternuß ,

und Anziehung des Lichts. Ein anders iſt das ſcharfſinnige Speculiren und Nachſinnen eines ſich ſelbſt rechtfertigenden Pharisaei; und ein anders , das ſtille , demüthige, bußfers tige , ernſtliche Nachdenken und Erwägen einer zu den Füßen

des Herren fißenden Magdalenae. Geſtalten uns dann Chriſtus ſelbſt ermahnet, daß wir darnach trachten ſollen , damit wir durch die enge Pforte eingehen , und ſaget darauf, daß viele ſolches werden thun wollen , aber nicht können : Welche niemand anders , dann allein die eigenſinnige, in

ihrer Selbheit , eigenen Gerechtigkeit , und eigenen Weisheit ungeſtorbene hochmüthige Gemüther ſeind, die es allein in eigener Gerechtigkeit und Weisheit , aus ihren Kräften zu thun vermeinen und ſich vornehmen dürfen .“

„ Von dieſem Geſchlechte redet der ſel. Jacob Böhme, in angezogenem Orte , wie auch durchgehends in ſeinen Schriften : und ermahnet die Menſchen ganz treulich, daß ſie es alſo von außen , ohne die Wiedergeburt, nicht erlan gen werden , ſondern allein in dem auswendigen bildlichen

Weſen bleiben , die enge Pforte des inwendigen wahren Wes

ſens der Weisheit und Erkenntniß Gottes nicht treffen , und mit einem Wort, nichts anders als ein gemahltes Weib , und ledigen Schatten bekommen werden . Denn der äußers liche Menſch, und die unwiedergeborne Vernunft , wie hoch

müthig nnd vermeſſen ſie audy iſt, erlangen es nicht. Der natürliche oder ſeeliſche Menſch , ( denn ſo lautet es nady

dem Griechiſchen Tert ) vernimt oder verſtehet nicht was des Geiſtes Gottes iſt; es iſt ihm eine Thorheit , und kann es

nicht begreifen . Dann es muß geiſtlich von innen , aus dem Licht und Leben Gottes und ſeines Geiſtes geurtheilet ſein . Darum ſo unſer Gilbertus dieſe hohe und im Geiſt Gottes geſchriebene Sachen verſtehen ſoll und will , muß er andere Augen , als der hochmüthigen , eigenweiſen Vernunft , darzu

bringen : ſonſten wird er dardurch nur immer ärger werden ,


119

-

und ſeine Unwiſſenheit und Blindheit jedermann je mehr und mehr zu erkennen geben : worfür wir ihn dann hiermit noch

mal getreulich wollen gewarnt haben .“ – A . a. D . S . 212. 12 ) Aufdieſe Thatſachen kommt es eben in der Religion an ; eben ſo müſſen ſich auch in der Philoſophie dieſe Thats ſachen wiederfinden , und hier vorzüglich als das plaſtiſch vorhanden ſeiende Urphänomen , welches nun als inneres Lebensprincip das Denkmoment von innen heraustreibt , ſich

in eine Gliederung zu geſtalten , alſo ſich zu organiſiren als Wiſſenſchaft. – Das Denken iſt freilich ſchon an

ſich ein Organismus , aber es thut nun eben in der Philos ſophie einen Schritt mit Freiheit weiter , nnd bringt einen

neuen Organismus hervor , der eine Fortſeßung und Uebers reßung der Natur in die Freiheit , und demnach ſelber Freis

heit iſt. Dieſe Fort- und Ueberſegung iſt aber nicht dadurch möglich , daß man jenes fortgeſtaltende Lebensprincip in dem Momente des Denkens ſucht , ſondern es ſchon klar ausges ſprochen findet als die lebendigen , inhaltsvollen Zhatſachen unſeres unmittelbaren Freiheitslebens , und nun von dieſem unendlich reichen Standpunkte aus das Ich das in ihm lies gende nothwendige Denkmoment anerkennt, es mit freiem

Entſchluß erfaßt, in der Glut des vollen Lebens flüſſig macht, und es dadurch zu der neuen , höhern Geſtaltung umbildet. 11, Was iſt denn die Wiſſenſchaft ? " . Sie iſt nur des Lebens Kraft , Ihr erzeuget nicht das Leben , Leben erſt muß Leben geben.“

(Göthe.) Dieſes freie Geſtalten des Denkens zu einem höhern Or: ganismus, der Wiſſenſchaft , bleibt , inſofern dadurch der zu denkende Gehalt des Menſchen in ſeiner Beziehung zu

· Gott und Welt ausgeſprochen werden ſoll, jedoch immer


-

120

nur ein Verſuchen , das deswegen aber durchaus nicht mit Scepticismus zu verwechſeln iſt, welcher leştere jenen Gehalt ſelber angreift , die echte Philoſophie aber nicht nur jenen

Gehalt anerkennt , ſondern zugleich auch eben durch dies Ans erkennen ein wirkliches Erkennen durch das Denken in ihm

gewinnt, und dieſen Gewinnſt mit Zuverſicht ausſprechen kann .

. Wie man nun , einſtimmend und nicht einſtimmend ,

über eine Philoſophie urtheilen mag, d. h. anerkennen , wie mehr oder weniger ein ſolcher Verſuch gelungen ſei ; ſo iſt es immer eine nothwendige Frage , ob ſich eben dieſe zu beurtheilende Philoſophie zuerſt obige Thatſachen gehörig

ausgeſprochen hat. Iſt dies geſchehen (nämlich dies Auss ſprechen ) , ſo bleibt ſie für uns immer höchſt bedeutend , mag ihr auch das Bearbeiten dieſer Thatſachen mehr oder weniger

gelungen ſein . Es iſt aber nicht allein dadurch für uns bes deutend , weil ſich mehr oder weniger die tiefſinnigſten An fíchten darſtelleu , ſondern auch weil ſich hier die Energie der Menſchheit entſchieden ausſpricht, und ihren freien Stands punkt zu Gott und Welt feſthält , wie ſehr ſie dann auch

in der'theoretiſchen Erklärung dieſes Standpunktes fich überſpringen mag. — Wir erinnern hier nur an Spis

noza , von dem ſelbſt der fromme Claudius mit ſo vieler Achtung und liebe ſpricht. Die Worte von Claudius ſind ſo trefflich , daßwir nicht umhin können , ſie anzuführen :

„ Die philoſophiſchen Syſteme, die von ihren Verfaſſern für andre erfunden , und als Feigenblätter oder des Zants und der Schau wegen aufgeſtellt werden , gehen vernünftige Leute eigentlich gar nicht an. Die Philoſophen aber , die nach Licht und Wahrheit forſchten für eignes Bedürfniß und

um fich den Stein der Unwahrheit, der ſie drückte, vom Herzen zu ſchaffen , gehen andere Menſchen eigentlich und fehr nahe an . Auch wo ſie irrten und verunglückten , irrten

und verunglückten ſie auf dem Bette der Ehren . Denn ,


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121

-

wenn du den Drieb zur Wahrheit und dem Guten im Men ſchen nicht ehren willſt ; was hat er denn noch , das du eht ren mögeſt ?

Rur, es iſt gewöhnlich über den Fund ſolcher

Philoſophen nicht leicht zu entſcheiden . Da ſie ihr Syſtem nicht in der Eile zuſammengeſchlagen , ſondern mühſam und

langſam mehr ausbrüten , als machen ; ſo wird für ihre wahre Meinung ein ähnlicher Brüt- Sinn erfodert , und wer ſie aus Bruckers Choralbuch oder à livre ouvert ſpielen will , der läuft Gefahr fehl zu greifen . Daher kömmt es

dann auch , daß es z. E. ſelbſt Theologen gegeben , die des Spinoza Lehre für eine Stüße der Religion angeſehen

haben ; indeß andere leute darüber aufſchreien und ſich wuns dern , daß Spinoza ein Spinoziſt geweſen.“ - - Viele Leute ſind ſehr ſicher, keine Spinoziſten

zu werden , für andere liegts nicht ſo weit aus dem Wege.“ „ Ale Menſchen haben eine Ahndung und Idee der

Wahrheit in fidy; in einigen aber rührt ſich der heilige Trieb

zur Erkenntniß lebendiger. Doch hat der Menſch , und das fühlte Spinoza ſehrwohl , kein nov otw , bis er das Unends liche und ſein Verhältniß mit dem Endlichen erkennet. Da aber hängt die Decke , die ſich nicht weg demonſtriren läßt. - - - - Wenn einer indeß die Wahrheit um ihrer

ſelbſt willen ſuchte, und ſie ſo nicht fand ; ſo iſt das Uns

glück genug für ihn , ohne daß wir ihn noch höhnen dürfen . Doch können wir an ſeinem Erempel lernen .“ –

S . zwei

Recenſionen in Sachen der Herren Leſſing , M . Mendelsſohn

und Jacobi. Im V . Ch. des Wandsb. Boten .

Laſſe man doch unverkefert einen jeden ſeinen Weg gehen , wenn er nur die richtigen Punkte feſthält , von wo er auszugehen , und worauf er loszuſchreiten hat: „ Weiß dod ; der Gärtner , wenn das Bäumchen grünt, Daß Blüth' und Frucht die künftigen Jahre zieren .“


-

122

-

Beſonders ſollte man ſich gewiffer allgemeinen Bezeich

nungen enthalten , wie unter andern des Wortes , Pantheis mus " , welches Wort - dies nebenbei bemerkt – noch

obendrein bei dem jeßigen Stande der Sachen ſeine Bedeus tung verloren hat. Wie nun dies alles auch ſeine Anwendung auf unſern guten Leutonicus findet , — ſollte es hierüber noch einer beſondern Bemerkung bedürfen ?






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