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Griechiſche Proſa iker in
neuen Ueberſerungen. Serausgegeben
3. f. F. Tafel , Profeffor zu Edbingen , C. N. Dſiander und G. Schwab, Profeſſoren zu Stuttgart.
Acht und vierzigſte & Båndchen.
Stuttgart , Verlag der F. B. Mesler (chen Buchhandlung. Für Deſtreid, in Commiſſion von Mörſdner und Jaſper i
in Wien. 8 3 9.
1
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1 1
Flavius Philoftratus, des geltern ,
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ľke ,
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ůberreßt Von
sofrath Friedrid Jatobo zu Gotha.
3 weites Bånd do e n.
P h iloft r a t u s Leben des Apollonius von X yana. Erſtes und zweites Bud ).
Stuttgart , Verlag der I. B. M e Bleriſchen Budyhandlung. Für Deftreid in Commiſſion von Mörſchner und Jaſper i
in Wien. 8 3 g
} 1
Einleitung. Das Beben des Apollonius von Tyana , welcher im erſten Jahrhunderte der chriſtlichen Zeitrechnung
in Afien und Europa die Aufmerkſamkeit der Zeitges
noſſen durch ausgezeichnete Geſtalt, ſtrenge Lebensart, Religionseifer und mancherlei ſogenannte Wunder auf fich 309, unter Domitianus der Zauberei angeklagt ward , und endlich in einem hohen Alter verſchwand ; nach dem Urtheile ſeiner Gegner ein Betrüger und Gaukler ; feinen Bewunderern hingegen ein Mittelwe:
ren zwiſchen Gott und Menſchen (Eunap. Vit. Phil. Prooem . 6. p. 3.) ; iſt von Philoſtratus auf Ver:
langen der wiſſenſchaftlich gebildeten Kaiſerin Julia Domia , der Gemahlin des Septimiuis Severus , in acht Büchern verfaßt worden. Die Quellen , aus de: nen er geſchöpft, führt er im Anfange des Wer-: 1
kes an .
Die vorzüglichſte und reichſte waren die
Denkſchriften des Damis aus Ninus ,1 eines Man
nes von ſchwachem Geiſte, wie es ſcheint , und voll unbegränzter Bewunderung ſeines Helden ; dann eine
Schrift des Marimus über Das , was Apollonius in
Aega gethan ; eine andere des Möragenes , welcher
150
Finleitung .
er aber wenigen Glauben ſchenkt; endlich die Briefe des Apollonius, ſo wie auch mündliche, an verſchiedes nen Orten , wo Jener ſich aufgehalten , geſammelte Nachrichten .
Dieſe Biographie erregt ein dreifaches Intereſſe: das philologiſche, als ein Ueberbleibfel des Alterthums, und das Werk eines gebildeten Schriftſtellers ; das hiſtoriſche, durch die Begebenheiten , die es erzählt ; das theologiſche endlicy, wegen der Beziehung, in die der Held derſelben mit dem Stifter des Chriſten .
thums geſeßt worden iſt.
Das theologiſche Intereſſe iſt lange Zeit das überwiegende geweſen . Freunde und Feinde des Chri ſtenthums haben das Werk geprüft, widerlegt und vertheidigt ; und indem es jede Partei zu ihrem Zwecke benußte , hat es eine Wichtigkeit bekommen , die ihm
unter andern Verhältniſſen ſein hiſtoriſcher Inhalt, und die darin entwickelte Kunſt der Rede ſchwerlich verſchafft haben würde.
Da die Väter der Kirche unter den Beweiſen ,
die ſie für die Wahrheit ihrer Lehre, und vornämlich für Jeſu göttliche Sendung anzuführen pflegten , auf die von Ieſu verrichteten , und in den Evangelien be ſchriebenen Wunder das meiſte Gewicht legten , ſo war es wohl ganz natürlich, daß, als es zum Streite mit den Heiden fam , Dieſe den Chriſten , um die
Kraft jenes Beweiſes zu ſchwächen, Aehnliches aus dem
Einleitung.
151
Leben ihrer berühmten Weiſen entgegenſeßten. Hieran de on marigelte es in jenem Zeitalter nicht. Die sdrücken Obmacht der allgemeinen Monarchie hatte dem öffent lichen Leben immer mehr und mehr jedes Intereſſe entzogen , und es auf die Theilnahme an dem leeren
Pompe der Circusſpiele, auf die Thierbeßen und auf geiſtleere Pantomimen beſchränkt ; ſo daß es faſt keine große Bewegung und feinen Aufſtand gab , der nicht
aus dieſen Armſeligkeiten hervorbrach .
Aber dieſe
Ergößungen waren auf gewiſſe Zeiten beſchränkt, und
für die unbeſchäftigten Zwiſchenräume blieb nichts übrig, als das Gepränge einer Volksreligion , die ebenfalls ,
weil ſie nicht mehr in das öffentliche Leben des Staa tes eingriff, von Tag zu Tag an Anſehen und Wirf: ſamkeit verlor ; und für die kleinere Zahl der wiſſen ſchaftlich Gebildeten die rhetoriſchen Schauſpiele, wos bei mundfertige Sophiſten durch unvorbereitete Löſung ſchwieriger rhetoriſcher Aufgaben Bewunderung und Wetteifer rege hielten. Dabei blieb für Diejenigen , welche nicht durch das Bedürfniß und die Erhaltung des Dafeyns binlänglich beſchäftigt waren, Muße ges nug für das Gefühl der Leere bei dem Mangel an
tiefergreifenden Anregungen ; und wir können nicht zweifeln , daß dieſes Gefühl ſehr viel dazu beigetra gen hat , den myſtiſchen und unverſtändlichen Reli gionsgebräuchen , die aus dem Drient einbrachen , und
nebenbei einer Philoſophie den Weg zu bahnen , die
Einleitung.
152
bei dem Streben , das Unerklärliche zu erklären , den feſten und fichern Boden des Erkennbaren verſchmähte, um ſich in dem Gebiete einer fantaſtiſchen Wilführ unbeſchränkt zu bewegen. Ein neues myſtiſches Sei
denthum entwickelte fich, in welchem die alte plaſtiſch gebildete Götterwelt von einer Schaar geſtaltloſer Phans tome umringt wurde 1, die , in beſtändigem Verkehr mit
dem Menſchen, durch Sühnungen mannichfaltiger Art gewonnen werden konnten . Die Gabe der Weiſſagung, die Kraft Wunder zu thun, ging von ihnen aus; und was dämoniſche Männer durch ihre Herrſchaft über die Natur Ungewöhnliches thaten oder zu thun ichies nen , diente dem natürlichen Wunderglauben zur Be
kräftigung. Ihn zu hegen ,. galt für Religion ; ihn verwerfen und beſtreiten , hieß Atheismus.
Dieſer Stimmung der Zeit war der Wunſch der Kaiſerin Julia , die eine Freundin der Beredſamkeit
und jeder Wiſſenſchaft war, die Thaten und Wuns der des in der beidniſchen Welt gefeierten Apollo nius *) auf eine gefälligere Weiſe beſchrieben zu leſen , vollkommen angemeſen , ohne daß man nöthig
hat, ihr eine dem Chriſtenthume feindliche Abficht un terzuſchieben.
*) Hierüber ſind die Seugniffe von Bagle im Dictionaire v. Apollonius not. E.beigebracht. Vergl. Meie ners Beitrag zur Geſchichte der Denkart u. f. w . 8, 18. f.
Einleitung .
165
Eine ſolche Ubſicht, durch den Gegenſaß bes fappadocifchen Wunderthäters die Beweisfraft der
chriſtlichen Wunder zu ſchwächen , ſcheint auf eine be ſtimmte und umfaſſende Weiſe zuerſt Hierokles
gehegt zu haben , der von Diokletian in Bithynien zum Richter über die Chriſten gefeßt, eine Schrift an Dieſe ausgehen ließ, die unter dem Titel des Wahr beitfreundes (pianons) die Chriſten von der Irrigkeit ihres Glaubens überzeugen ſollte. *) Dieſe Art des Angriffes war nicht ohne Gefahr. Nahmen
die Chriſten die Wunder des Apollonius für wahr, fo mußten ſie dieſelben entweder für Wirkungen magiſcher Künſte erklären , oder von natürlichen Urſachen ableis ten. Jenes aber wurde auch dem Stifter der chriſt lichen Religion von ſeinen Feinden vorgeworfen ; und Nichts hinderte, auch Jeſut eine tiefere Kenntniß nas türlicher Kräfte beizulegen. In dem einen , wie in dem andern Falle wurde der von den Wundern bers
genommene Beweis um deſto mehr geſchwächt, je wes *) Uuszüge aus dieſer Schrift , in ſo fern ſie den ApoCo nius betraf, haben ſich in der Widerlegung derſelben von Euſebius erhalten , welche Olearius dem Be ben des Apoữonius beigefügt hat. Hierofles madyte A
en darin vornämlich den Chriſten zum Vorwurf, daß ſie Jeſum ſeiner Wunder wegen für einen Gott erklär:
ten , während die Heiden den Apolonius , einen eben ſo großen Wunderthäter, nur für einen den Göttern be freundeten , und von ihnen begnadigten Mann hielten.
Einleitung.
254
niger man die Tugenden des Apollonius ableugnen konnte.
Wollte man aber , um dieſem Dilemma zu
entgehen , die Wunder des Kappadociers als Erdicha tung verwerfen , ſo konnte man den Gegnern nicht wehren ,1 dieſe Waffe gegen die Wunder des Nazare: niſchen Propbeten zu wenden ; oder man mußte ihnen
zugeſtehen , daß man für die eigene Sache ein ande: res Maß , als für die eigene gebrauche. *) Dieſer Schwierigkeit zu entgehen , ſtüßt Lactantius den von den Wundern entlehnten Beweis für die Gött lichkeit Jeſu durch einen Andern , für den er feinen Gegenfaş 311 fürchten hatte , indem er ſich auf die
Weiſſagungen der Propheten berief , **) ' die das Les *) Tillemont (Hist. des Emper. T. II. p. 200.) führt
dieſes doppelte Dilemma auf die Hölle zurück , indem er ſagt: der Teufel habe au's Furcht, rein Reich vernichtet zu ſehen , den Apollonius faſt zu gleicher Zeit mit Chriſtus geboreu werden lasſen , um entweder den Irrthum
durch die Wunder ſeiner 3 auberei guſti Ben ,
oder , wenn ihre Fairchheit an den
Tag käme,dadurdy a u dh die Wunder Chrifti i : Miß credit zu bringen .
**) Institut. V , 3 : Non igitur suo testimonio (cui cnim de se dicenti potest credi ?), sed prophetarum testimo nio , qui omnia , quae fecit et passus est , multo ante çecinerunt, fidem divinitatis accepit ; quod neque Apol lonio , neque Appulejo , neque cuiquam magorum po tuit aut potest aliquando contingere.
155
Einleitung.
ben , die Thaten und den Tod Chriſti lange vorber
verkündigt, und ſo über allen Verdacht erhoben bätten. Die Perſönlichkeit des Apollonius, ſeine Thaten , die Wirkung , die er dadurch bervorbrachte , und die Bewunderung, die man ihm noch in fpäten Zeiten ges
zollt hat, *) iſt für unſern Zweck gleichgültig, und es iſt über dieſen Gegenſtand von gelehrten Theologen mit großer Ausführlichkeit, wenn ſchon nicht immer mit parteiloſer Ruhe, gehandelt worden. **) Uns liegt hier nur die Beurtheilung ſeiner Lebensbeſchreibung und des Zweckes ob , den Philoſtratus dabei in
den Augen gehabt haben mag.
Denn auch hierüber
ſind die Meinungen nicht weniger, als über den Hel: den des Werkes getheilt. Eine zweifache Anklage laſtet auf ihm .
Die eine :
es ſey in der gehäſſigen Abſicht geſchrieben , dem Chri: ſtenthume zu ſchaden. Die andere : es ſey ein Ge webe von abſichtlichen Erdichtungen. * ) Im fünften Jahrhutidert trng Sidonius Apolli ,
nari8, ein Chriſt und Biſchof der katholiſchen Kirche, kein Bedenken , deu , Apollonius , ohne irgend ein Miß trauen gegen das Zeugniß des Philoftratus,
mit
ausgezeidnetem Lobe zu ſchmüden ( VIII. Ep. 3. p. 462, ed. Savar. ) ; worüber ihm der gelehrte Biſchof von Avs
ranches (Praepar. Evang. Il. p. 974) freilich nicht wenig zürnt.
**) S. Buhle in Erſch und Gruber's Encyclopädie. 4. Th. õ. 440 f.
156
Einleitung.
Die erſte dieſer Beſchuldigungen, ſo oft fie auch, felbſt in den neueſten Zeiten , ausgeſprochen worden , ermangelt eines biſtoriſchen Grundes ſo durchaus, daß
es genügen könnte , fie geradezu abzuleugnen . So 1
unwahr es iſt , daß ſich Apollonius zu einem Nachahmer Ieſu und ſeiner Apoſtel auf :
geworfen habe , eben ſo ungegründet iſt es , daß rein Biograph ihn nach Ieſu M uſter gebildet, und die Abſicht, dem Chriſtenthume zu fch as
den, allzuparteiiſch verratben babe. * ) Nach einem Beweiſe dieſer Anklage ſieht man ſich vergeb
lich um. Dagegen ſagt Einer der neueſten Geſchicht ſchreiber der chriſtlichen Lehre ( Neander Geſch. der chr. Rel. 1. Band. S. 272) der Wahrheit gemäß, es laſſe ſich in Philoſtratus Leben des Apollonius eine
polemiſche Beziehung auf das Chriſtenthum nicht nach weiſen, da doch die Veranlaſſungen nicht fehlten, feind
ſelige Bemerkungen gegen das Chriſtenthum einfließen * ) S. Schrödkh's chriftliche Kirchengeſchidste. 2. Theil. S. 263. ff. Vergl. Schöll Histoire de la Litter. grecque. Vol. IV . p. 289. Der Leftere behauptet , es 1
Ten ſchwer , den Philoftratus von der boshaften Ub:
fidit freizuſprechen , das Leben und die Wunder Chriſti zu parodiren ; wenigſtens möchte er auf ſeinen Helden einige Strahlen des Glanzes fallen laſſen wollen , der
die Perſuu Jeſu umgab ; ohne daß dieſe Vermuthung durdy irgend eine Stelle des Werkes unterſtüßt, oder
wahrſcheinlich gemacht wäre.
Einleitung.
157
zu laffen . Nur ſo viel könne man vielleicht ſagen, daß Philoſtratus, wie andere Heiden jener Zeit, indem er das Bild eines Heroen der alten Religion ausmahlte, dadurch dem ſinkenden Cultus einen neuen Schwung zu geben geſucht habe. Dieſe Vermuthung iſt dem Geiſte der Zeit angemeſſen , und ſtimmt mit
Dem überein, was wir hierüber in der Einleitung zu den Heldengeſchichten bemerkt haben.
Wenn aber
derſelbe Gelehrte , rich minder parteiloſen Vorgängern zuneigend, beifügt : es könne auch ſeyn , daß Phi I
loſtratus die Abſicht gehabt habe , den Apollonius
Obriſto entgegen zu ſtellen , und daß ihm Das , was er von den Wundern Chriſti gehört habe , zu man
chen Zügen ſeiner Dichtung Veranlaſſung gegeben ; ſo tragen wir deſto weniger Bedenken 1, ihm unſere Bei ſtimmung zu verſagen , da er ſelbſt mit der eines Ge ſchichtforſchers und Lehrers der Religion würdigen Wahrheitsliebe hinzuſeßt, es finde ſich in dem Werke
des Sophiſten keine ſo hervorſtechende Beziehung dies
ſer Art, daß ſich die geäuſſerte Vermuthung wirklich beweiſen ließe.
Noch möchte zur Beſeitigung jener Anklage fols" gende Bemerkung dienen fönnen . Die Biographie des Philoſtratus iſt auf die Denkſchriften des Da mis gebaut ; aus ihnen hat er alſo auch Das genom
men , worin Apollonius Chriſto zu gleichen ſcheint ; *) *) Aus ihnea , oder aus andern Quellen , die ihm zu Ges
1
Einleitung.
158
daß man aber , als Damis das Leben und die Wuns
- der ſeines Helden beſchrieb , in der Röiniſchen Welt Chriſti Wundern ein ſolches Gewicht beigelegt habe,
daß es nöthig geſchienen , ihnen die falſchen Waffen abſichtlichen Truges entgegenzuſeßen , möchte faum zu erweiſen ſeyn.
Wurden ja doch ähnliche Dinge auch
von Pythagoras zu einer Zeit erzählt, wo an eine folche Abſicht der Nothwehr noch gar nicht zu denken war.
Ueber die zweite Anſchuldigung, daß das Leben des Apollonius , ſo wie es von Philoſtratus be
ſchrieben worden , ein Gewebe von Erdichtung fey , *) .
bote ſtanden ; dieß iſt hier gleichgültig .Damis war nicht immer Augenzeuge der Thaten ſeines Helden . Was hindert aber anzunehmen, daß er Vieles dieſer Urt aus dem Munde des Apollonius vernommen , Anderes in den Städten , in denen rein Held früher gelebt , mit
dem Eifer eines leichtgläubigen Bewunderers aufgeleſen
habe. Was übrigens Caſtiihon (Essais sur les Erreurs et les superstitions des Anciens et Modernes. à Franc.
1766. 8. II. S. 33. ff.) von der Schrift des Damis und ihrer Wirkung auf ſeine Zeitgenoſſen ragt, iſt der Wahra heit nicht angemeſſen .
*) Huetius ( Praep. Ev. T.II. p.981.) verurtheilt es mit den ſtrengen Worren : Totap mendaciis et fallaci loquentia consatam esse Philostrati historiam, doctrinaque eum sua, baudquaquam tarren satis acute et solerler, imo vero inscite et inepte ad ludificandos homines consarcinan dasque fibulas valde esse abusum .
Dieſes Urtheil iſt
größtentheils aus Photius Bibl, (Cod. XLIV. p. 9 und
Einleitung.
159
muß der Beweis den Anklågern zugeſchoben werden, die ihn in dieſer Ausdehnung zu führen, kaum mögs
lich finden dürften.
Auch in dieſer Anklage bezieht
fich der größere Theil auf die dem Apollonius anges dichteten Wunder und die auſſerordentlichen Gaben , die ihm von ſeinem Biographen beigelegt werden. Von Diefen aber bemerkt Meiners *) mit Recht, daß nicht Philoſtratus zuerſt ſeinen Helden in einen
heiligen Wunderthäter umgeſchaffen, ſondern daß man geraume Zeit vor ihm von Apollonius Dasjenige ge glaubt habe, was ſein Lebensbeſchreiber von ihm er zählt. Was ein ſpäterer Gelehrte dieſer Rechtferti:
gung entgegenſeßt, **) entkräftet ſie nicht. Die ſo phiſtiſch - rhetoriſche Art des Stils entzieht der Glaub würdigkeit eines Werkes Nichts , deſſen Beſtimmung es eben war , ben rohen Materialien , die der Bear
beiter vorfand , eine zierlichere Form zu geben ; der Vorwurf von hiſtoriſchen Unrichtigkeiten und Ana
chronismen iſt größtentheils durch wahrſcheinliche Gründe entkräftet worden ; und von Dem , was etwa noch übrig bleibt, wird nie dargethan werden können, daß Cod. CCXLI. p. 328. ed . 1. Bekker) entlehnt, wo es aber keineswegs in dieſer Augemeinheit ausgeſprochen iſt. *) Meiners in der Geſch. der Denkart der erſten Jahrh. nach Ehr. Geb. S. 18. ff.
**) Buble in Erſch und Gruber's Encyclopädie. 4. Th. S. 440 ff., deſſen Einwendungen wir hier berückſichtigt baben.
1
Einleitung
160
es Philoft ratus zum Schmuck der Erzählung er : funden , und nicht vielmehr in feinen Quellen vor : gefunden habe. Daſſelbe gilt von der Befchreibung .
der feltfamen Naturerſcheinungen Indiens, welche der Biographie des Apollonius eingewebt find, und auffer dem , daß fie den Kappadociſchen Philoſophen wenig
berühren , eben ſo gut von Damis aus Kteftas und ähnlichen Quellen entlehnt ſeyn können. Wie dem aber auch immer ſey , fo zweifeln wir
nicht , daß Philoſtratus den Wünſchen ſeiner fai ſerlichen Beſchüßerin durch ein Werk Genüge gethan
habe , in welchem eine große Mannichfaltigkeit des Stoffes mit Mannichfaltigkeit des Vortrages verbun: den iſt ; Thatſachen mit philoſophiſchen Betrachtungen, Beſchreibung ferner Länder und fremder Geſchöpfe mit der Schilderung wunderbarer Kunſtwerke, Erzäh lung mit Geſpräch und ausführlichen Reden auf eine ergößliche Weiſe abwechſeln , und Alles endlich durch ausgeſuchten Schmuck des Vortrags , ſo wie er ſich durch die ſophiſtiſche Rhetorik der Zeit gebildet hatte, bekleidet iſt. Photius , welcher an mehrern Stellen ſeiner Bibliothek von dem Leben des Apollonius han
delt, rühmt die Deutlichkeit und Anmuth der Sprache
in demſelben, * ) und legt ihm Süßigkeit , gefällige
Abwechslung und Wahl im Ausdrucke bei. **) In *) Bibl. Cod . XLIV . p. 9.
Cod. CCXLI. p. 331 .
Einleitung
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der Wortfügung, reßt er hinzu, unterſcheide fich Phi Loftratus von Andern durch eigenthümliche Neuerun :
gen, von denen jedoch bei dem ausgebreiteten Wiſſen des Mannes nicht anzunehmen fey , daß er aus Uns 臺
Fenntuiß. des Rechten darin verfallen ; vielmehr ſey és wahrſcheinlich, daß er den Gebrauch gewiſſer Redefor: men , welche die Alten nur ſelten angewendet, übers trieben habe.
Bei der Verbeutſchung diefes Werkes vermißte ber Ueberſeper den Bortheil eines berichtigten Textes und gründlicher Auslegung, die ſeinen Weg bei der #
Ueberſeßung der Heldengeſchichten leiten konnten . Olearius. Ausgabe der Lebensbeſchreibung des Apol Yonius hat noch keinen Bearbeiter gefunden , der fie von ihren zahlreichen Mängeln gereinigt hätte. Sie muß mit Vorſicht gebraucht werden ; und in den mei ſten Fällen wird man ficherer gehen , wenn man dem
Serte der ältern Ausgaben, als dem von Olearius aufgeſtellten folgt. Hin und wieder haben uns die Lesa
arten einer von uns verglichenen Handſchrift der Reh
digeriſchen Bibliothek in Breslau Dienſte geleiſtet ; nicht ſelten auch die gelehrten Arbeiten von zwei treff lichen Männern , welche Beide Zierden Niederländis ( dher Univerſitäten ſind. *)
Von zerſtreuten Bemer:
* ) H. A. Hamakeri Lectiones Philostrateae. Fascio. I. Lugd . Bat. 1816. 8. Dieſe ſchäßbaren Bemerkungen
geben nur über die erſten vier Bücher. Ihre Fortſepung Philoſtratus. 38 Bodin .
Ginleitung.
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kungen iſt alles benußt worden , was uns bekannt geworden iſt. Ueberſeßungen gibt es von dieſem Werke nur
wenige. Eine ältere franzöſiſche von Pigenére (en richie d'amples commentaires par Artúr Thomas, Sieur d'Embry) Paris, 16u1 . 4. iſt uns nicht zu Ges ficht gekommen ; auch haben wir ſie nicht febr vers mißt , da ſie ohne Zweifel der uns wohlbekannten Ueberſeßung deſſelben Gelehrten von den Gemälden .
gleich ſeyn wird.
Berühmter iſt eine engliſche von
Charles Blount , von welcher aber nur die beiden erſten Bücher mit weitſchweifigen Anmerkungen erſchie : nen find , die er größtentheils aus den Papieren des
Lord Eduard Herbert of Cherbury , welchen Walpole eine der größten Zierden der gelehrten Pairs ſchaft nennt, gezogen haben ſoll. Den Reſt des Wer kes an das Licht zu ſtellen , bielt ihn die Bewegung ab , die unter der Geiſtlichkeit über ſein Unternehmen entſtand. Der zu London 1680 erſchienene Theil wurde ( im Jahr 1693) verdammt , und vielleicht *
verbrannt; es iſt aber unwahr, daß er ſich , wie Bublé iſt, nad ſo langer Unterbrechung unwahrſcheinlich ges
worden, zumal ild der Verfaffer ſritden größtentheils der Orientaliſchen Literatur zugewendet hat. Georgi Josephi Beckeri Specimen variarum lectio pum et observationum in Philostrati vitae Apollonii librum primum . Accedunt Friderici Creuz eri Ango lationes . Heidelbergae, 1818, 8.
Einleitung.
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behauptet (Encyklopädie a . a. D. S. 440), aus Ver: druß über das Schickſal ſeines Buches entleibt habe. Die Urſache feines Todes war eine ganz verſchiedene.
Das auch in England ſeltene Werf iſt von Caſtilhon (Berl. 1774 und Amſterd. 1779 in 4 Bänden. 8.) in das Franzöſiſche überſeßt , und die im Originale feh
lenden fechs Bücher , aber ohne Anmerkungen , hinzu : gefügt worden. Seybold ? 8 Ueberſeßung, die ich ſeit der Erſcheinung der Heldengeſchichten in den
Händen habe , geht felten über Dlearius hinaus, und hat bisweilen die Fehler dieſes Führers durch eis gene vermehrt. Gotha im September 1878.
Philoſtratus
Leben des Apollonius von Tyana . Erſte. 68 Budy B 9 . 1. Die, welche den Samier Pythagoras loben, ſagen Fol gendes von ihm : er ſen noch kein Junier, aber in Troja Eus phorbus geweſen ; *) dann ſen er wieder aufgelebt, nachdem
er geſtorben ; geſtorben aber ſey er ſo, wie Somer's Gefänge Beragen ; **) Kleidung von thieriſchen Stoffen habe er vrr: fdmäht, und von jeder Nahrung und Opferung beſeelter Wes
ſen ſich rein erhalten. Denn er befledte die Altäre nicht mit Blut ; ſondern Honigkuchen und Weihrauch und Geſang ma: ten die Apfer dieſes Mannes , weil er erkannte , daß die Götter ſolche Gaben mehr liebten , als Hekatomben und das Meffer auf dem Korbe. ***) Denn er hat , wie man ſagt, S. Szeroica Cap. 17. S. 725. Ueberſ. S. 106. 1
**) Ilias XVII, 50 ff. ***) Bei blutigen Opfern ward dem Opferthiere zerſtoßene Gerſte auf das Szaupt geſtreut, und dieſe in einern Korbe, der auch von Metal reyn fonnte , herbeigetragen . Auf sein Korbe fag das Opferineſſer. Ueber des Pythagoras Enthaltung von thieriſcher Nahrung und Abſceu vor Blut ſ. msis mers Gera . der Wiſſenſch. 1. Thr. S. 418 ff.
165
Erſtes Buch .
mit den Götteru Umgang gehabt ,1 und von ihnen gelernt;
tas ſie an den Menſchen erfreut und verdrießt ; auch was er von 'der Natur ſagt , hatte er von dort.
Denn die Ans
dern ſuchten das Göttliche zu errathen , und hegten 'ungleichs artige Meinungen davon ; fu ihm aber , heißt es , rem Apollo
gétømmen , und habe ich ihm zu erkennen gegeben ; *) aud) Athene Habe unerkannt mit ihm Umgang gepflogen , und die Muſen und andere Götter , deren Geſtalten und Namen die
Menſiten nicht kennen. Was aber Pythagoras kund gab, das 1
galt ſeinen Jüngern für ein Gelet , und ſie ehrtent es , ' als von Beus entſtammt , und übten das Sdyweigen in Rückſicht auf das Göttliche. Denn ſie hörten vieles Göttliche und Uns
ausfprechliche, was zu faffen faiwer war, wenn ſie nicht vors Ber gelernt hatten , daß auch das Schweigen Rede iſt.
In
Bfeſer Weisheit , ragt man , wandeſte ebenfalls der Agrigen : tiner Empedokles. **) Denn das Wort : Freut euch ! nicht ein Sterblicher mehr , ein Unſterblidher bin ico ! ***) and :
Schon ein Mägblein bin ich vordem und ein Sinabe geweſen ; † )
To wie auch der aus Teig geformte Stier , den er , wie er:
*) Nach Einigen war er ſelbſt der Szuperboreiſche Ayou. Š . Aelian Var. Hist. II , 26.
**) Ueber das Leben und die Schriften des Empedokles . Sturz
Empedocles Agrigentinus. Lips. 1806. Ritter über die philoſophiſche Lehre des Empedokles, in Wolf's literar . Analecten . 4. St.
6. 44. f
***) S. Diogen . Laert. VIII , 63. +) S, Diogen. Laert. Vill, 77.
466 Philoſtr. Leben des Apollonius pon Tyana. zählt wird , in Olympia opferte, *) zeigt, daß er des Pytha: goras Lehre billigte. Quih vieles Undere erzählt man don Denen , die nach der Weiſe des Pythagoras philoſophirten , was ich jetzt nicht berühren kann, da ich zu dem Gegenſtande cile , den ich mir zu behandeln vorgeſett habe. 2.
Apollonius nämlic ) ., welcher verwandte Zwecke vers
folgte, und ſich der Weisheit noch göttlicher, als Pythagoras , näherte ., ſich über die Tyrannei erhob, und weder in ſehr alter , 110a) in ganz neuer Zeit lebte , iſt den Menſchen noch nidit hinlänglich von Seiten der wahren Weisheit bekannt, die er mit philoſophiſchem Ernſte und geſundem Sinne trieb, Dir Eine rühmt Dieß an ihm , der Andere Senes ; Einige halten ihn rogar , weil er mit den babyloniſchen Magiern, den Indiſchen Brachmanen , und den Gymnoſophiſten in U gyp : ten Uingang gehabt , für einen Magier , und derleumden ihn als gewaltthätiger Wiſſenſchaft tundig ; worin ſie ihn ein großes Unrecht thun. Denn Einpedoties und Pythagoras ſelbſt und Demokritus haben auch mit den Magiern Unigang gehabt , und habeu viel Dämoniſches geſagt , und ſich doch dieſer Kunſt nicht ergeben. Und Prato , der nady Legypten gegangen iſt , und vieles von den dortigen Propheten und Prieſtern Empfangene feinen Reden eingemiſcht ,1 und ihre U nriffe mit Farb.n ausgefüllt hat , iſt doch der magiſchen Sünſte nicht verdächtig , ob er gleich mehr als ein anderer Meuſd Mißgunſt wegen ſeiner Weisheit erfahren hat. Dina enn Apollonius Vieles vorgeahnt und vorauégeſehen hat, * , Nach Athenaus I. p . 3. D. war dieſer Stier aus Weih: rauch und den tóftlichſten Aromen zufainmengeſett.
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darf man ihm doch darum jene Art von Wiſſenſchaft nicht ſchuld geben ; oder auch Sotrates müßte wegen Deffen 1, was
er durch den Dämon vorhererkannte , ein gleiches Urtheil er: fahren müſſen , und Unaragoras wegen ſeiner Borausſaguns gen. Denn Wer weiß nicht, daß Anaragoras während der Olympiſchen Spiele , wo es am wenigſten regnet , wegen der.
Vorausſicht eines Regens in einem Pelze auf dem Stadium erſchien ; daß er den Einſturz eines Hauſes vorherſagte, ohne ſich zu täuſchen (denn das Haus ſtürzte wirklich ein ) ; feraer, daß fich der Tag in Nacht verwandeln 1, und bei Uegospota: moi Steine vom Himmel fallen würden ; *) und daß dieſe Vorausfagungen in Erfülung gegangen ſind ? Indem man
nun Dieſes der Weisheit des Unaragoras beilegt , ſpricht man dem Upolonius die Gabe der Vorherſehung vermittelſt der Weisheit ab , und behauptet , daß er Dieſes durch ma: giſche Künſte bewirkt habe. Es ſcheint mir demnach gut, dieſe Unkenntniß der Menge nid)t hingehen zu laſſen , ſon : dern den Mann genau zu prüfen, ſowohl nach der Zeit, wo: rin er Dieß oder Jenes ſagte und that , als auch nach der Urt ſeiner Weisheit, wodurch er zu dem Rufe eines dämo: niſchen und göttlichen Mannes gelangte. Geſammelt habe ich hierzu Einiges aus den Städten , welche ihn liebten ; Eivi: ges aus den Tempeln, die er wieder zu Unſehen brachte, nach:
dem ihre geſeblichen Gebräudie aufgelöst waren"; Einiges aus dem , was Andere von ihm geſagt haben ; Einiges auch aus ſeinen Briefen. Er ſtand in Briefwechſel mit Königen , Sos
phiften , Philoſophen , mit der Eleern , Delphiern , Indern 1
*) S. Menage zu Diog. Laert, II , 10,
168 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. und Uegyptern , über die Götter , über Sitten und Herkoms men *) fund Gerebe; und was dagegen gethan wurde , rügte er. So hab' ich das Zuverläsſigere mit Sorgfalt geſammelt . 3. Einſt wohnte in dem alten Nitius ein Mann ,1 demo
es nicht an Weisheit mangelte, Damis genannt. Dieſer wids mete ſich der Philoſophie unter Leitung des Apollonius, und fchrieb die Reiſen feines Erhrers , an denen et , feiner Bér: ficherung nach,1 Theil genommen hatte, feine Gedanken und Re: den 1, und was er we fragend geſprochen hatte , auf ; und ein Verpandter des Damis brachte dieſe Dentſchriften , die vor's her nicht bekannt waren, in die Hände der Kaiſerin Jalia. **) Da ich nun an dem Kreiſe ihrer Umgebungen Theil nahm denn auch die rhetoriſchen Unterhaltungen liebte und begüns ſtigte fie - befahl ſie mir , dieſe Auffäße umzubilden , und für den Dortrag Sorge zu tragen '; denn der Ninivite hatte ſich zwar deutlich , aber ohne Gewandtheit ausgedrückt. Audy eine Schrift des Marimus aus Uegä kam mir in die Hände, welche Alles umfaßt , was Apollonius in Vega gethan hat. Ferner iſt auch ein ſchriftlicyes Teſtament von Apollonius vorhanden , aus dem man ſehen kann , mit welcher Begeiſtes rung er ſich der Philoſophie witmete. Dagegen darf man fidy an Möragenes nicht halten , welcher zwar vier Bü: cher über Apollonius geſchrieben , aber Vieles ven ihm .
nicht gewußt oder irrig aufgefaßt) hat. Wie id, nun dieſen zerſtreuten Stoff zuſammengebracht, und wie ich für ſeine * ) Nach der Lebart ; ÚÈO 9ov , unÈO 9av. S. Ha maker Lectt. Philostr, p. 30. F. Jacobs Addit, ad Athen , p. 282.
1
**) Julia Domna , die Gemahlin 'Ses Septimius Severus . 1
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Anordnung Sorge getragen, habe ich jest geſagt. Möge dieſe Schrift dem Manne , son dein fle handelt , Ehre , und den Bißbegierigen Nußen bringen ! Gewiß werden ſie daraus er's fahren , was ſie noch nicht wiſſen. 4. Das Vatertand des Upollonius 'war Tyana ', ' eine Hellenifdye Stadt in dem Botte der Kappatocier. Gleides
Namens war ſein Vater ; ſein Geſchlecht war alt , und Nieg bis zu den Erbauern der Stadt auf ; ſein Reidythum über ftieg das dortige Man , obgleich das Bore begütert iſt. Afs feine Mutter mit ihm ſchwanger ging , erſchien ihr die Bea ftalt des Aegyptiſchen Proteus, deffen Umwandlungen Homer beſchreibt. * ) Ohne zu erſchrecken , fragte pfe ihn , was fie gebähren würde. Er antwortete : ,,Midy." Und da ſie weis ter fragte : ,, und Wer biſt du denn ?" antwortete er : ,, Pro teus , 'der Wegyptiſche Gott." - Mit welcher Weisheit nun Proteus begabt gewefen , wozu ſou id) es Denen ſagen , die ans den Dichtern 'wiffen , wie gewandt er war , und wie ims mer ein Anderer , und nicht zu fangen , und daß man ihm alle Renntniß und Borfenntniß des Künftigen beilegte ? Man muß ſich aber des Proteus vorzüglid, erinnern , da der Fort gang der Erzählung zeigen wird , daß der Mann noch mehr *
1
Kenntniß der Zukunft beſaß als Proteus, **) und über vieles Bedentliche und Sdwierige obſiegte, eben wenn er ohne alle Rettung fchien .
* ) Oonf . IV, 455.ff. S. Nißfch erklärende Anm. zitr OdyT. 1, S. 274.
**) Virgil. Georg. IV, 592 : Novit namque oínia vates ( Proteus), Quae sint , quac fuerint, quae mox ventura trahantur. Quippe ita Neptuno visum . est. :
190 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. 5. Geboren wurde er ,1 wie man ſagt, auf der Wieſe, bei welcher ihm jeßt ein Tempel erbaut iſt. *) Uuch die Uit ſeiner Geburt roll nicht "urbekannt bleiben. Als die Zeit der
Entbindung herannahte, befahl ein Tram feiner Mutter, auf die Wieſe zu gehen, und Blumen zu pflüden . Hier zerſtreu : ten ſich ihre Dienerinnen, und ſuchten Blumen auf der Wieſe ; fie ſelbſt aber lehnte ſich auf das Gras, und rank iu Sdílaf. Da bildeten die Schwäne , welche die Wieſe, nährte , einen Chor um die Schlafende, **) und ſtimmten , die Fittige nach ihrer Beiſe hebend , ein gemeinſames Lied an ; denn auch ein Hauch des Zephyrus wehte über die Wieſe hin . Sie
fuhr bei dem Geſange auf, und gebar. Denn jeglicher Sdirect leiſtet Hebammendienſt auch vor der Zeit. Die Landesbe: wohner erzählen audy, daß bei der Geburt ein Blitzſtrahl fich in die Erde zu ſenken chinnt , dann ſich zum Uether ers hob , und in der Höhe verſchwand ; wodurch eben 1, wie ich glaube , die Götter den Glanz des Mannes , ſeine Erhebung über alles Irdiſche , ſeine Annäherung an die Götter , ind was er ſonſt wirflich ward , jeigen und vorbereuten wollten . 6. In der Nähe von Tyana iſt , wie man ſagt, eine
dem Zeus, dem Schüßer des Eides, geweihte Duele ; fie nen nen fie Uobamäon . ***) In ihrem Urſprunge iſt file kalt, *) S. unten VIII, 29. **) So wurde , nach fallimad u 8 Dichtung ( 3. in Det.
249. ff.) Apolo in Delux unter dem Geſange der Schwane geboren . Dieſe, erheben bei’m Singen die Fittige , und das Wehen des Zephyrus begünſtigt und fördert ihren Geſang.
S. zu Philoſtr . Imagg. !, 10. S. 260. 1, 11. S. 275. ***) Mit denſelben Worten wird von dieſer Duelle bei Pieudo :
Ariſtoteles (Mirab. Ausc. c . 163.) geſprochen . Mehuliche
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kocht aber wie ein ſledender Keſſel auf. Redlichen Leuten iſt das Waſſer hold und ſüß ; den Meineidigen aber folgt das Ges richt auf dem Fuße nađ. Denn es wirft ſich auf die Augen, auf die Hände und auf die Füße ; ſie werden von Waſſerſuat
and Abzehrung befallen ; nicht einmal entfernen können ſie fich , ſondern werden dort feſtgehalten , und wehklagen an dem Waſſer, und betennen die abgeſchworene Miſſethat. Nun ſagen die Einwohner des Landes ., Upollonius rey ein Sohn des Zeus ; er ſelbst aber nennt ſich den Sohn des Apollonius.
7. UIB er zu den Jahren des Unterrichts gelangt war,
zeigte er Kraft des Gedächtniſſes und Stäite des Nacidene tens. Seine Sprache war Uttiſch, und durch die heimiſche
Mundart *) nicht gefälſcht. Aue Augen waren auf ihn ges richtet ; denn ſeine Schönheit war ausgezeichnet. Nadtem er das vierzehnte Jahr erreicht hatte , führte ihn ſein Vater
nad), Tarſus (in Cilicien ), und übergab ihn dem Phönicier Euthydémus. Euthodemus war ein guter Redner , und un: terrichtete ihn. Er aber hielt zwar an ſeinem Lehrer ; die Sitte der Stadt aber dünfte ihm untauglid ), und philoſopbis
den Studien nicht angemeſſen.
Der Ueppigkeit mehr als
irgend ein anderes Bolt ergeben, vou Poffenreißerei und Muhs Aráfte regte man sem Waſſer der Paliter bei. S. Steph.
Byz. v Ilahıxń. Cluver, in Sicil, II.c. 9. Len Dich tungen der Erotiter müſſen ſolche Quellen öfters dienen. S. unfere.Anm . zu Achilles Tat. p. 982. *) Die Sprache der Rappadocier galt får barbariſch , und ihre Ausſprache insbeſondere für fehlerhaft, indem ſie die Son : ſonanten nicht gebdrig ſonderten , die langen Vocale verkürzs
ten , die kurzen verlängerten. S. Philoſtr. Vit. Soph. II, 13. p . 594.
172 Philoſtr. Leben des Apollonius von Zyana. willen , aditen fie Kleiderprunt höker , als der Uthenter die Weisheit. Die Stadt wird von dem Fluß Sydnus durd) ſtrömt. In dieſem ſißen ſie wie die Vögel der Gewäſſer ; wefa
halb Apolonius in einem Briefe an ſie ſchreibt : ,, laßt ab, Euch zu beraufdien im Waſſer. " er 'erbat ſich alſo von fris ten Vater die Erlaubniß 1, mit ſeinem Lehrer nadı tem na:
hen Vegå zu ziehen , wo eine dein Studiren zuträglidie Ruhe .
und ein friſcheres Streben herrſdite; two auch ein Tempel des
Usklepius wur, und Usklepius ſelbſt den Menſchen fich tund gar. *) Hier ſtudirten mit ihm Platoniker und Chrymppeer **)
und Unhänger des Lyceums ; felbft Epifur's Lehre hörte et an , und berichmähte auch dieſe nidyt; den Pythagoreern abet
gab er ſich mit 'unausſprechlicher Liebe ***) hin. Der Mann, don dem er in der Lehre des Pythagoras Unterricht erhielt, war kein muſterhafter Lehrer ; auch war für ihn felbſt dit Philoſophie nicht von großer Wirkſamkeit; den ner wurde
von ſeinem Baude und finnlicher Lut Beherrſcht , 'und reitt 1
Leben war nach Epikurus Weiſe geſtaltet. Es war dieſes
Eurenus aus Heraklea am Pontus. Er kannte die Lehren des Pythagoras, wie die Vögel Das, was ſie von den Menfdien
lernen. Denn guten Tag , und lebe wohl , und Gott *) Temper'des Asklepius, in denen er sén Kranten im Solafe errmien, und Mittel gegen ihre Krantheiten angab, waren auch zu Pergamum und Epidaurus. S. unten IV, 1.Vit. Soph. I. 25. 4. p. 535. und Etſch und Gruber's Encycl. 6. TH. 'C. io3. **) Stoifer , von Elryfippus , Sem zweiten Begränder der Stoa , genannt.
*** ) 'Αρρήτω φιλία, tatt her Reart φιλοσοφία , οδcr σοφία .
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Bråk did, und dergleichen wünſchen die Bögel , ohne zu
wiſſen ,1 was le ſagen, und ohne Etwas dabei für den Mens den zu fühlen , ſondern weil ihre Zunge ſo gewöhnt iſt. Wie aber die jungen Adler , eh' ihr Fittig erſtartt, neben den Eltern fliegen , und ſich unter ihrer Leitung üben ; wana
fie ſich aber zu erheben Vermögen, die Eltern überholen, por.
nämlid , wann ſebemerken, daß fie ſich aus Lüfternheit und um des Fettdampfes wegen , an die Erde halten ; 10 folgte
auch Upollonius, als Knabe der Leitung des Eurenus , und
sing ſeiner Lehre nad); ais:er aber das ſedyozehnte Jahr er: reicht hatte, ftrebte er , von einer höhern Macht beflügelt, der Lebensweiſe des Pythagoras nach. Doch hörte er darum nicht auf , den Eurenus zu lieben , ſondern erbat ſich von feia nem Vater en Landhaus der Vorſtadt mit anmuthigen Gär: ten und Bächen , und übergab es ſeinem Lehrer mit den Bor: ten: ,, Bebe du hier nach deiner Weiſe ; *) id) will nach Po: thagoras. Sitte leben .“ 8. Da nun Eurenus fand, daß er mit einem großen Ge daaken umging , fragte er ihn , womit er beginnen wollte ? Er antwortete: ,,womit die Aerzte beginnen ." Denn dadurch,
Daß. Diefe den Unterleib reinigen, erhalten ſie den Einen ger fund, und heilen den Undern. Dieſer Erklärung gemäß wies er thieriſche Nahrungsmittel , als unrein und den Berſtand
umnebelnd., von ſich; Obst aber und Gemüſe aß er , indem Nach der Weiſe Epifurºs, deſſen Leben in einem anmuiyigen Gar: ten bekannt, und und zur Benennung der Epifuriſchen Lehre, ons
ex xÝTOV,), Beranlaitung geworben ift. Daher docti horti Petron bei
, c, 132.
174 Philoſtr. Leben des Apollonius von Inana. er Ulles ,. was die Erde von ſelbſt bietet , für rein erklärte,
Auch der Wein , fagte er , iſt zwar ein reiner Trant , indem er den Menſchen aus einem ro milden Gewächſe kommt ; aber er widerſtrebt der ruhigen Ordnung des Verſtandes , iudem er den klaren Aether in der Seele derfinſtert. Nach dieſer Reinigung des Unterleibes nahm er ſich die Baarfüßigkeit zum Schmud ; *) legte ,I jede Bekleidung von Thieren ver:
fdmähend , ein linnenes Kleid aa ; ließ das Haupthaar wach): reu , und lebte in dem Tempel. Die Vorſteher des Tempels
ſtaunten ihn an ; und als einſt Uetleping zu den Prieſtera sagte ,1 ver freue fich, an Apollonius einen Zeugen ſeiner Heilungen zu haben ,“ kamen auf dieſe Nachricht die Silis cier und Andere aus der Umgegend nach degå. Und das
Ciliciſche Bort : ,,Wo eilſt du hin ? zu dem Jünglinge wohl ? " entſtand durch ihn , und erhielt ſprichwörtliches Unſehen.
9. Da ich das Leben eines Mannes erzähle , der auch von den Götteru geadytet wurde , ſo darf ich die Ereigniſſe
im Tempel nicht mit Stillſchweiger übergehen. Ein Aſſyris ſcher Jüngling war zu Usklepius gekommen , und ſchwelgte .
in ſeiner Krankheit fort , und lebte , oder ſtarb vielmehr , in Trinkgelagen . Er litt an der Waſſerſucht, und in der Freude am Zrunte kümmerte ihn die Austrodnung ſeines Leibes *) Was Andern für Pernachläſſigung tes Körpers galt, galt den Philoſophen der ſtrengen Obſervanz für Schmud . So erſcheint in dem Wettſtreite der Tugend mit der Luft (Vit.
Apoll. VI , 10. p . 240.) die Erſte unbeſchult, in geringer Kleidung, und mit der Bernachläſſigung des Leis
bes geroymůdt (rev dè aúxuov nenoInuévn xóo fylla ). Bergl. Heroica p. 715. Ueberſ. S. 93.
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nicht. Daher wurde er denn auch von Asklepius vernachlaſs
Rigt , und Dieſer erſchien ihm nicht einmal im Traume. U18 er ſich nun hieruber betlacte , trat der Gott zu ihm und
ſagte : ,,Wenn du mit Apollonius ſprechen willſt , wirſt du Erleichterung finden .“ Er begab ſich alſo zu Apollonius und .
ſagte: ;,was möchte mir deine Weisheit nüßen ?. dean Us: klepius befiehlt mir , mich an dich zu wenden ?" Jener ant: wortete : ,,Das wird ſie dir nüßen , was dir jeßt viel werth
iſt. Du bedarfſt doch der Geſundheit ?" – „ Uuerdings," ant: wortete der Jüngling : ,,deklepius perſpricht jie mir audy, aber ,,Sprich nicht ſo ,“ erwiederte Apollo gibt ſie mir nicht." nius ; „ er gibt ſie Denen , die ſie begehren ; du aber arbeiteſt im Gegentheil deiner Krankheit in die Hand. Denn indem du dich dem Wohlleben ergibst , füüſt du deine durdyråßten und vorderbten Eingeweide mit ledrer Koſt an , und ſchütteft dem Waſſer Sdylamm und Sefen zu.“ Hier gab , wie ich glaube , Apollonius ein deutlicheres Drakel , als die Weisheit des Heraklitus. U18 Dieren jenes
Uebel heimſuchte, fagte er, er brauche Einen, der den Regen in Trockenheit umwandle ; *) was nicht leicht zu verſtehen , noch deutlid, iſt. UpoConius aber führte . den Jüngling zur Gis
ſundheit, indem er weiſe Gedanken deutlich **) ausſprach. I
10 .
Als er einſtmals auf dem Urtare vieles Blut , und
Opfer darauf geordnet fab , geſchyladytete Aegyptiſche Rinder *) Nach Diog. Laert. IX, 3. p. 550. legte er den Verzten in Epheſus die Frage vor , ob ſie aus Regen Trockenheit mas .
Then könnten ?
**) Nach der Lesart der alten Ausgaben und Sandſchriften rd
σαφά σαφώς ερμηνεύσας.
176 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyang. und große Sdiweine , und Einige , die ſie häuteten , Andere, die fle gerſtückten , und zwei goldene Gefäße mit bewunderns : würdigen Steineu von acht Jodiſcher Urt , trat er zu dem Prieſter und ſagte : Was ist Das ? Et bringt wohl ein ſehr reicher Mann dem Gotte Gaben dar qui ,, Du wirſt dich noch mehr wundern ," antwortete der Prieſter, wenn du hörſt , daß er, ohne je hier gebetet, oder die gewöhnlidye Zeit, wie Andere , hier verweilt zu haben , noch auch ohne durch den Gott geheilt , oder ſonſt einer Bitte theilhaft worden 1
zu renn
.
denn geſtern erſt iſt er hier angekommen – den:
noch ſo reidslid)e Opfer bringt. Ja , er verſpricht noch mehr zu opfern und zu weihen , wenn ihm Usklepius Zutritt ge
ſtattet. Er iſt Einer. Der reichſten Männer ; wenigſtens bes fißt er in Cilicien mehr, als alle Silicier zuſammen genommen . Ec'bitter aber den Gott, ihm das eine ausgefloſſene Auge wieder zu geben." Hier heftete Apollonius , wie er auch im Alter zu thun gewohnt war , die Augen auf die Erde , und fragte nach dem Namen des Mannes ; und als er dieſen gehört hatte , ſagte er ; ,,Es ſcheint mir nicht gerathen , o Prieſter , dieſen Mens den in dem Heiligthume aufzunetmen ; er iſt mit Sünden befledt, und fein Uebel ſtammt nicht aus einem guten Grunde. Und ſein prachtiges Opfern, ehe er noch etwas bei dem Gotte erlangt hat, ſteht nicht aus wie ein Opfer , ſondern wie ein
Avtaufen böſer und fdjwerer Zhaten .“ So ſpracy Upotos aius, Afflepius aber erſchien in der Nacht dem Prieſter, und ſagte: „ Der Mann entferne fich mit ſeinen Gaben ;
denn auchdas andere Auge verdient er nidyt zu haben !" Der Prieſter forſchte nun dieſem Giljcier nad) , und erfuhr , daß
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er mit einer Frau Berheirathet rey , die aus einer frühero Ehe eine Tochter beſaß. Dieſes Mädchen liebte er , und in
ſeiner zügelloſen Begier wohnte er ihr bei. Die Sache war der Mutter nid )t verborgen geblieben. Sie überraſchte, das Paar im Lager , und ſchlug mit dem Dorne der Schnalle ihrem Manne das eine , ihrer Tochter beide Augen aus.
11. Daß Die, welche Opfer oder Weihgeſchenke darbrins gen , das Maß nicht überſchreiten ſollen , that er auf fols gende Weiſe dar.
U18 kurz nach dem Uustreiben des Silis
ciers Mehrere in dem Tempel verſammelt waren , fragte er den Prieſter : ,,Sind die Götter gerecht ?" - Höchft ,, ges recht ohne Zweifel," antwortete Jener. ,, Uuch verſtändig 3.14 ,, Was könnte verſtändiger ſeyn als die Gottheit ? !! ers
wiederte der Prieſter. — ,,und kennen ſie die Angelegenheis ten der Menſchen ,1 oder find ſie ihrer untundig ?" -- , Die Götter ," ſagte er , ,, übertreffen eben darin die Menſchen am meiſten , daß dieſe aus Schwachbeit nicht einmal ihren eis
genen Zuſtand wiſſen, die Götter aber jenen ſowohl, als ihre eigene Sade erkennen." - ,,Dieſes Alles , o Prieſter , iſt trefflich und wahr. Wenn demnach die Götter Uues wiſſen, po ſcheint es mir, daß , Wer zu ihnen eingeht , und ſich gua ter Abſichten bewußt iſt I, auf dieſe Weiſe beten müſſe : Gebt mir , ihr Götter , was mir gebührt. Denn dem Frommen gebührt ja doch wohl das Gute ; dem Rudloſen aber das Ges gentheil. Wenn alſo die Götter in ihrer Weisheit einen ge: ſunden und von Laſtern underlebten Mann finden , ſo enta ſenden ſie ihn beträngt 1, nicht mit goldenen Krängen , ſon :
dern mit vielem Guten : Wen ſie aber gebrandmarkt und vers derbt ſehen , den überlaſſen ſie der Gerechtigkeit, und zürnen Philoſtratus. 28 Bodyn .
3
198 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. ihnen auch in fo fern , als ſie die Kühnbeit gehabt haben, Zus ohne rein zu ſeyn , in ein Heiligthum einzutreten ." gleid warf er einen Blick auf Usklepius und ſagte : ,, Du übit , o Usklepius , deine geheimuißvolle und dir eigenthüms liche Weisheit, indem du den Sohlechten nicht geſtatteft, hiers !
ber zu kommen , wenn fe dir auch alle Schäße der Juder 1
und Sardianer *) bringen ſollten. Denn ſie opfern und weis hen dieſe Gaben nicht, um die Gottheit zu ehren , ſondern um die Strafe abzukaufen , die ihr ihnen aber zu Folge Eurer großen Gerechtigkeit nicht erfaßt." Dieß und vieles Dergleichen ſprach er in dem Tempel,
ch' er noch in das Jünglingsalter eingetreten war. 12. Auch Folgendes begab ſich während ſeines Aufents haltes in Aegå. Es herrſchte damals über Cilicien ein fres velnder , ſchlechter Liebe ergebener Mann. Zu den Ohren dieſes Mannes kam die Kunde von Apollonius Schönheit. Sogleich ſchloß er ſeine Geſchäfte er ſaß eben in Tarſus zu Gericht - und eilte nach Hegå , unter dem Vorwande, wegen einer Krankheit die Hülfe des Gottes zu brauchen . -
Hier trat er zu Apollonius , weldier eben für ſich wandelter und ſagte : „ Befreunde mich dem Gotte." Apollonius anta wortete : ,, Wozu bedarfſt du das ,1 wenn du ein wacrer Mann
biſt ? Denn rechtſchaffene Leute nehmen die Götter auch ohne - ,,Weil," erwiederte Jener,
Bermittler wohlwollend auf. “
.
„ der Gott did , zumi Gaſtfreunde angenommen hat, midy aber ,,Michy," antwortete Apollonius, „ hat auch die
noch nicht ."
*) Nach Boiffonase & Verbeſſerung zu Eunapius p. 448.
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Zugend empfohlen ; und da ich mir dieſe, ſo weit ein Jängs ling vermag , angeeignet habe , bin ich des Uotlopius Diener und Freund geworden . Wenn dir alſo aud Tugend am Here .
zen liegt, ſo gehe frohen Muthes zu dem Gotte, und erbitte dir von ihm , was du willſt.“
,,Alſo will ich ,“ verſeßle
Sener , ,,wenn ich bei dir zuerſt eine Bitte angebracht habe.“ „ Und was," ſagte Apollonius , ,,kannſt du pon mir era bitten ? " - ,,Was man" antwortete Jener, ſchöne Jünglinge !1
-
bitten muß. Denn Dieſe bitten wir, uns von ihrer Jugend
mitzutheilen , und den Genuß ihrer Blüthe nicht zu mißgöna 1
nen . “
Bei dieſen Worten nahm er ein ſchmachtendes Wer
fen an ; ſeine Uugeu lawammen in Luft, und er trieb jegliche Ungebühr, wie ſo ausgelaffene und derrufene Menſdien thun . Da ſah ihu Apollonius mit ſtarren Bliden an , und ſagte : ,,Nichtswürdiger, du raſeſt!" - Dieſe Worte fepten Feren in 1
ſolchen Zorn, daß er ihn bebrohte, ihm den Kopf abſchlagen zu
laſſen ; worauf Upollonius lachend ausrief : „ D über den gea wiſſen Tag ! Und wirklich den dritteu Tagi darauf richteten die Senter jenen Fredler auf der Reife hin , weil er mit
dem Könige der Kappadocier Archelaus eine Empörung gegen die Römer betrieb. *)
Dieſes und vieles Mehnliche meldet Marimus der Aegier, ein Mann , der ſich durch Rednergaben auszeichnete, und die Stelle eines kaiferlichen Geheim ſchreibers bekleidet hat. Die Geſchichte dieſes Archelaus , der poin Triumvir Antos nius zum König von Kappadocien gemacht worden , bei Lis
berius aber (im I. d. St. 770 ) in den Verdacht einer Pers.
ſchwörung gerathen war , f. Dio Cass. LVII, 19. p. 863,
180 Philoftr. Leben des Apollonius von Zyang. 13. Ars Apollonius den Tod ſeines Vaters vernahm, cilte er nach Tyana, und begrub ihn mit ſeinen eigenen Hans den neben dem Grabe ſeiner Mutter , die auch vor nicht laits ger Zeit geſtorben war. Den ſtattlichen Nacılaß theilte er mit ſeinem Bruder , einem ausſchweifenden , dem Trunfe er:
gebenen Manne , welcher drei und zwanzig Jahre alt , und I
alſo nid)t mehr unter Vermundſdyaft war ; Apollonius aber hatte erſt das zwanzigſte erreicht, und die Gelege feuten ihu unter Vormünder. Nachdem er ſich alſo wiederum nach Aegå
begeben , und während ſeines Aufenthaltes daſelbſt den Tema 1
pel zu einem Lyceum und einer Atademie gemacht hatte tehrte denn jede Art von Philoſophie haute darin wieder er als Mann und Herr ſeiner Habe nach Tyana zurück. Da hier jemand zu ihm fagte , es läge ihm ob , ſeinen Bruder
zur Ordnung zu bringen , und ſeine Lebensweiſe umzuwan. deln , antwortete er : Das möchte ein dreiſtes Unterfangen
deinett ; denn wie foute id) als der Jüngere den Seltern zur Ordnung bringen ? Dod) will ich ihn, fo weit es mir möglich iſt, von feinen Gebrechen heilen ." Er gab ihm nun die Hälfte feines eigenen Erbtheils , indem er ſagte , rein Bruder be: dürfe des Mehrern , er des Wenigern. Hierauf verſuchte ' er es , ihn auf eine luge Weile für Belehrung empfanglich zu machen . „ Unſer Vater ," ſagte er , wiſt von uns geſchieden , und wir entbehren ſeiner Belehrung und Warnung. Jißt hab' ich nur dich, und du vielleicht midy. Wenn ich alſo in Etwas fehle , ro rey du mein Bernther und heile meine Ges .
brechen ; foutreft du aber in Etwas fehlen , ro ninim Lehre von mir an .!' Yuf dieſe Weiſe gewöhnte er ihn , wie wi: 1
derspenſtige und ungezogene Pferde, durdy Streicheln zur Folga
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Famkeit, und brachte ihn von ſeinen zahlreichen Fehlern zus rüd. Denn er war dem Würfelſpiele und Wrine ergeben, id warmte bei den Hetären herum , und ſtolz auf ſein ges ſchmüctes und gefärbtes Haar , ſchritt er übermüthig einher. Da es ihm nun mit ſeinem Bruder gut oun Statten ging, wendete er ſich auch zu ſeinen andern Verwandten , und half
dea Bedürftigen mit dem Reſte reiner Habe auf , indem er für ſich nur Weniges behielt. Der Klazomenier Anaragoras, ſagte er , welcher ſeine Beſißungen den Ziegett und Schafen Preis gegeben , *) tabe mehr für die Thiere als für die Menſchen
philoſupħirt ; und der Thebaner Sirates , der ſein Vermögen in das Meer verſenkt , habe weder den Menſchen noch den Gdyafen genüßt.
Uld man das Gebot des Pythagoras rühmte , daß eiu Mann zu keinem andern Weibe gehen ſollte , als zu ſeinem eigenen , ſagte er , dieſes Gebot möchte Undern gelten ; er ſelbſt aber werde nidt heirathen , nod den Genuß der Liebe ſuchen , worin er audy den Sophotles überbot ; dena Dieſer *) Daß Unaxa gora 8 ſeine Grundſtüđe vernachläſſigt und uns bebaut habe liegen laſten , ſo daß das Vieh darauf weidete
(ber 9tuβrud mar : χώραν αφιέναι αργήν και μηλό Borov), erzahlen Mehrere, deren Stellen Menage zu Diog. Laert II, 6. p . 73. geſammelt hat. Da ihn ſeine Ber : wandten deßhalv tadelten , ſagte er : Warum bebaut ihr ſie nicht ? A rates brachte dem Genuſſe der Freihert ein Vers mögen von 8 Valenten zum Opfer (daß er es in das Meer verſenkt habe, ſagt nur Philoſtratus), und rohinůckte fiche nachdem er Armuth ſtatt Reichthuin errungen hatte , mit
dem Aranze der Sieger. S. Menage ad Diog. Laert. VI, 87. p. 269.
182 Philoſtr. Leben des Apollonius von Lyana. fagte, er fer einem wüthenden und wirten Gebieter entflohen, nadjdem er zum Ulter gelangt war ; *) Apollonius aber,
durd) Tugend und Sittſamkeit geſchüßt , unterlag felbſt als Jüngling nicht , ſondern fregte, als er noch jung und von fartem Körper war , über den Wüthenden , und beherrſchte inn . Deſſen ungeachtet geben ihm einige Verleumder Lies beshändel ſchuld , und behaupten 1, er habe lidy wegen eines Bergehens dieſer Art ein Jahr lang zu den Scythen begeben.
Aber nie iſt er zu den Scythen gereist , und nie in die Leis Denſchaft der Liebe verfallen . Daher hat ſelbſt Euphrates folche Beſchuldigungen nicht gegen ihn vorgebracht , ob er gleid) font fügenhafte Sdriften gegen ihn abgefaßt hat, wie
wir in unſerer den Euphrates betreffenden Erzählung **) geis gen werden . Er entzweite ſich mit Apollonius , weil ihm Diefer ſpottend vorwarf, Alles um des Geldes willen zu thun,
>
and ihn zu bewegen ſuchte, der Geldgier zu entſagen , und die Philoſophie midit feil zu haben. Dod, Dieß rey don mir bis zu feiner Zeit aufgeſpart. 14. Als Eurenud einſtmals den Apollonius fragte, war. um er nicht ſdyreibe, da er doch die Lehren tüchtig gefaßt habe , und einen bewährten und aufgewedten Burtrag bes
1
I
* ) Bene Sophocles, quum ex eo quidam jam affecto aetate quererel , ulereturne rebus venereis : Dii meliora , in
quit. Libenter vero istinc , tamquam a domino agresti ac furioso, profugi. Cicer. Calo. c. 14. , aus Plato de Rep. I, p. 329. C. Nicht, wie Einige wihnen , in einer beſondern Schrift , ſons
dern in dieſer Lebensbeforeibung ſelbſt , vorzüglich VIII, 4.
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fåße ? antwortete er : n weil id) nod nicht geld)wiegen habe. " Und von dieſer Zeit an beſchloß er zu ſchweigen. Dabei hielt er nun zwar -ſeine Stimme zurüc ; die Augen und der Geift aber waren vielfacher Erkenntniß geöffnet, und rammelten
Vieles in das Gedächtniß . Sein Gedächtniß war, als er ſchon hundert Jahre zurücgelegt hatte , ſelbſt dem des Simonides überlegen, *) und er dichtete einen Syymnus auf Mnemoſyne, in welchem er ſagt , Alles welke durch die Zeit dahin ; die Zeit ſelbſt aber ren durch Mnemoſyne gegen Alter und Tod geſchüßt. Während der Zeit feines Sdyweigens war er gleich: wohl für den Umgang nicht ohne Anmurh ; fonderu bei'n Geſpräche gaben die Augen ſeine Meinung tund, und die Hand und die Bewegung des Kopfes. Auch erſchien er nicht uns freundlich, oder finſter , ſondern er behielt ſeine lievende und
wohlwoứeude Weife bei. Dieſe Uebung fekte er fünf Jahre hindurch fort; geſtand aber, daß dieſes der mühevolfte Theil ſeines Lebens geweſen ſer. Denn Vieles , was er zu ſagen gehabt , habe er nicht geſagt ; Bieles , was ihn in Zorn ges rebt, habe er nicht gehört ; und bei vielfacher Aufforderung zum Scheiten , habe er zu fich geſagt: Dulde nur immer , mein Herz und Zunge ; **) und bei vielen ihm anſtößigen Reden habe er damals die Wis derlegung unterlaſſen . In einem von Ariftides (Orp. III. p. 645. ed . Cant.) aufbewalrten Diſtichon ( Br. Anal. 1. p. 137. LVI.) ſagt Siin onides von ſich felbft : „ So behaupte , daß an Ges
dechtniß Niemandbein achtzigjäminen Simonides gleichtomme.“ GB ist bekannt , daß ilim die Erfindung der Kunſt des Ges dichtniſles beigelegt wird.
**) Odyss. XX, 18.
184 Philoſtr. Leben des Apollonius von Zyana. 15. Dieſe Zeit des Schweigens brachte er zum Theit in Pamphylien, zum Theil in Cilicien zu . Ob er nun gleich unter fo üppigen Völkern wandelte , ſprach er død nirgends, und ließ fich nicht verführen , einen Laut von ſich zu gebent. Wenn er in eine aufrühreriſche Stadt tam piele aber was ten wegen leichtfertiger Schauſpiele in Aufſtand - trat er auf und zeigte ſich ; und wenn er dann mit der Hand oder der Miene den verdienten Tadel andeutete ; war ſogleidi alle Unordnung gehoben , und fie fdywiegen wie in den Myſterien . Daß er indeß Leute im Zaum hielt, die um Tänger und Roffe haderten , *) iſt nichts Großes ; denn Wer um ſolcher Dinge willen die Ordnung ſtört, pflegt, wenn er einen Mann er: blidt , **) zu erröthen , ſich zu tadiln , und dann leidit zur Vernunft zu kommen ; aber eine vom Hunger gedrückte Stadt durch ſanfte und überredende Borte des Beſſern zu belehren , und ihren Zorn zu beſänftigen , iſt nicht leicht. Und doch ge mügte dem Apollonius rogar das Schweigen bei ſolchen Vera hältniſſen . So kam er einſt nad, Uſpendus in Pamphylieu , einer Stadt am Fluſſe Eurymedon , der dritten unter den dors tigen Städten , wo damals die Einwohner ihren Hunger mit Erbſen und andern Lebensmitteln des dringenden Bedürfnijs res ſitten . Denn das Getreide hielten die Bermögenden eins
óexnorai, *) Bei den Pantomimen, deren SchEirfusſpielen auſpieler Zänzer, der einzigen Art
, genannt werden , und den Offentlicher Ergóglichkeit , die dem Volte durch die veränderte Verfaſſung übrig gelaſſen war. Die lebhafte , oft wilde und aufrühreriſche , Cheilnahme daran bezeugen zahlreiche
Lhatſachen .
S. Gibbon History, ch, XL.
p . 63. ff. ed . Basil .
**) Bergt. Virgil, Aea, I, 147 ff.
Vol. VII,
Erſtes Buch.
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geſchroffen , um es außerhalb des Landes höher auszubringen. Da war nun jedes Uiter gegen den Statthalter aufgeregt, und ſie griffen zum Feuer gegen ihn , ob er gleich Schuß bei den raiſerlidien Standbildern ſuchte , die damals furchtbarer
und unverleßlicher waren, als ſelbſt Zeus in Diympia ; denn es waren Bilder des Tiberius, unter dem ein Mann des Mas jeſtätsperbrediens ſchuldig befunden wurde , der ſeinen Sclas ven geſchlagen hatte , welcher eine ſilberne Drachme mit dem Ausgeprägten Bilde des Kaiſers bei ſich trug. *) Apollonius begab fich alſo zu dem Statthalter , und fragte ihn mit der Hand, was Dieß wäre ? Uld Dieſer antwortete, er habe nichts Unrechtes gethan , ſondern leide mit dem Volke Unrecht, und werde mit dem Volte zu Grunde gehen , wenn ihm nicht ges ſtattet würde, zu reden , wendete ſich Apollonius zu dem Volte, und gab ihm durch einen Wint 311 verſtehen , daß es ihn ans 1
höre ! foule.
Vou ſtaunender Ehrfurcht ſchwiegen nun die
Menſchen nicht bloß fill, ſondern legten auch das Feuer auf die Uitäre daſelbſt. **) Da ( chöpfte der Statthalter Uthem , + ) Schuß bei den Standbildern der Szerrſcher zu ſuchen, war, wie es loheint, unter den Ptolemaern gebräuchlich geworden ; in Rom fam eß unter Auguft auf. Antoninus Pius verbot es. Bon der tyranniſchen Ausdehnung , mit der urter Liz
berius das Majeſtársgeſeß gehandhabt wurde, gibt Suetos nius (vila Tiber. 58. ) Beiſpiele, welche den hier erwälyn : ten nicht nachſtehen .
**) Sie regten die Feuerbrande, mit denen ſie sen Statthalter hatten umgeben wollen , auf die Artäre, wo fie feinen Scha: den thun fonnten . Ohne Grund nimint Oreariu $ an, das Pore habe andeuten wollen , daß es den Apollonius wie einen Gott verehre , und ihm opfern wollte.
186 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. und fagte : ,, Dieſer und Jener" - er nannte Mehrere ,, find an der herrſchenden Hungersnoth [duld ." Denn Rie hielten die Feldfrüchte zurück , und ſparten ſie auf , die Eis nen hier , die Undern dort in dem Lande. Da ſich hierauf die Aſpendier gegenſeitig aufforderten , auf dem Lande nach: zuſuchen , winkte fie Upolonius davon zurück , und verlangte , daß ſie vielmehr die Sdyuldigen herbeirufen , und das Ges
treide mit ihrer Einwilligung ſuchen möchten . Uis nun Jeue kainen, fehlte wenig, ro wäre er, von den Thränen der Menge
gerührt , mit Worten gegen ſie ausgebrochen ; denn auch Kins der und Weiber waren zuſammengeſtrömt, und die Greiſe jammerten , indem ſie jeden Augenblic vor Hunger zu ſterben erwarteten . Um nun das Geles des Schweigens nicht zu verlegen , ſchrieb er ſeinen Tadel auf ein Täfelchen , und gab es dem Statthalter zu leſen. Dieſer Tadel lautete ſo : Apollonius an die Kornwucerer der Aſpendier.
„ Die Erde iſt Aưer Mutter ; denn ſie iſt gerecht. Ihr aber habt ſie aus Ungerechtigkeit zu Eurer alleinigen Mutter gemacht. Wofern Ihr nicht ablaßt , werde ich Euch nicht ges ftatten , auf ihr zu ſtehen ." Hierdurch in Sthređen gelebt, füllten ſie den Martt mit Getreide an , und die Stadt lebte wieder auf. 16. Nach Beendigung ſeines Schweigens beſuchte er
das große Antiochia , *) und begab ſich in den Tempel des *) Das große , zum Unterſchiede von vielen andern Städten dieſes Namens, die dritte Stadt des Römiſchen Reiches dem Range nach. Eine Beforeibung von Daply ne , einem sem Apollo geweihten Spaine nahe bei Antiochia , ſ. bei Gib .
bon ch . XXIII. Vol. IV, p. 94. ed . Basil.
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Daphndiſchen Apolo, dem die Aforier den Urtadiſchen Mo thus zutheilen. Denn hier, ragen ſte, habe Daphne , Las don's *) Tochter , ihre Geſtalt verwandelt ; und es fließt bei .
ihnen ein Fluß Ladon ; und der Baum der Daphne näm : lidh der , welcher vormals eine Jungfrau war wird bei
ihnen verehrt. Puch Enpreſſen von unbeſchreiblicher Höhe Atehen rings um den Tempel , und die Gegend umher ſtrömt reiche und ruhige Bäche aus , in denen fich , wie ſie ſagen ,
Apollo neßt. Hier hat die Erde einen Enprefſenſtamm ers zeugt ,1 dem Cypariſſus zu Ehren , wie man ſagt , einem Uls fyriſchen Jünglinge ; und die Verwandlung wird durch die Schönheit des Baumes bekräftigt. **) Bielleicht wird man meinen ,1 daß ich bei der Erwähnung ſolcher Mythen vach
üppigem Samude der Rede ſtrebe ; aber nicht der Mythen wegen geſchieht es. Was will alſo meine Erzählung . Uns Upollonius das Heiligthum fab , das Uamuth genug , aber teine ernſten Beſtrebungen zeigte, fondern halbbarbariſche und ungebildete Menſchen , ſagte er : ,,Wandle dod) , Apolo , die
Sprachloſen in Bäume un, damit ſie wenigſtens wie die Cys preſſen tönen ." Und als er fah , wie ſtiú hin die Bäche flies ßen , und Beiner von ihnen rauſcht, fagte er : ,, Die Schweiga famkeit hier geſtattet ſelbſt den Bächen nicht, zu plaudern .!! 016. er ferner den Ladon rah , ſagte er : „nicht bloß deine
Rocyter , aud du haſt did, umgewandelt, und bift aus einein Hedenen und Urtadier zu einem Barbaren geworden." Nach Andern des Pen eu .
Ovid. Metam . X , 105. ff. Der Dapyndiſche Sain “ wurde auch von chriſtlichen Kaiſern geehrt , und Zyeodoſius unter Anvern verbot, Cypreffen darin hinzuhauert.
188 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. Nachdem er beſchloſſen hatte I, wiſſenſchaftliche Unterres dungen zu pflegen , dermied er beſuchte und geräuſdjoolle
Praße , indem er ſagte , er brauche nicht Menſchen , ſonderg Mänger. Hingegen betrat er die ehrwürdigſten Orte ,, und
wohnte in den unverſchloſſenen Tempeln . Wenn die Sonne aufging ,1 verrichtete er Einiges für ſich , was er nur Denen tund werden ließ ,1 die ſich in vierjährigem Schweigen geübt hatten. Nachher pflegte er , wevn er in einer Helleniſchen
Stadt war, und die heiligen Gebräuche tannte , die Prieſter um ſich zu verſammeln , mit ihnen über die Götter zu philos ſophiren , und ſie zu belehren , wenn ſie von dem Hertömma lichen abwichen. Waren die Gebräuche aber barbariſch und pon eigeuthümlicher Art , ro forſchte er nach Denen , die ſie
gegrüudet hatten , und zu welchem Zwecke ſie gegründet wors den ; und wenn er ſich von der Weiſe des Gottesdienſtes una terrichtet hatte, odeë wenn ihm etwas Beſſeres , als Das, was man that , in den Sinn kam , theilte er es mit. Hiera auf begab er ſich zu ſeinen Jüngern , und forderte ſie zu bes
liebigen Fragen auf. Denn er ſagte, Wer nady dieſer Weiſe philoſophire , müffe beim Anbruche des Tages mit den Göts
tern Umgang pflegen , weiterhin über die Götter , und nach: her über menſchliche Dinge ſprechen . Nachdem er nun reis nen Freunden auf ihre Fragen Untwort ertheilt , und dieſe Unterhaltung zur Genüge gepflogen hatte, erhob er fid) zur Unterredung mit Auen , doc) uidyt Dor Mittagszeit , ſondern wenn der Tag inne ſtand. Hatte er nun ſo viel , als ihm
hinlänglich ſchien , geſprochen , fo falbte er fidy, und wenn er fich eingerieben hatte , warf er ſich in kaltes Waffer ; denn warme Bäder nannte er den Weg zum Alter, Ul$ daher
Erſtes Buch.
189 der Stadt Antiochia wegen ſchwerer Vergehungen die Bäder verſchloſſen wurden, ſagte er : „ Weil ihr ro ſchlecht rend, gibt Euch der Saiſer mehrere Jahre zu leben .“ Als die Ephes fler ihren Statthalter: freinigen wollten , weil er die Bäder nicht hinlänglich heißen ließ, ſagte er : „ Ihr klagt den Statts
halter an , weil ihr ſchlecht badet ; ich Euch, weil ihr, badet.“ 1
17. Die Gattung und der Styl ſeines Vortrags war
nicht dithyrambidh , noch von poetiſchen Worten aufgedunſen , noch mit ungewöhnlichen Austüden *) und übermäßiçem Atticismus **) geſchmüdt. Devin Was über den übermäßigen Atticismus hinausging, hielt er für widrig. Er firebte nicht
nad) Subtilität ; nodi jog er die Rede in die Länge; auch ironiſcher Schaltheit bediente er ſich nicht , nody ftritt er sich
*) Móyay idéav xareyhortionévny. Seltene, veraltete, aus der poetiſchen Sprache, oder aus den Dialecten enilehnte
Augðrúce wurden yaātrai genannt. S. Ernesti Tech pol. Graec. rhetor. v. ya @ Trul: p. 62.
**) 'Ynepattixigovoav. Ein Mißbrand), der unter den So .
pliſten der Rðiniſchen Kaiſerzeit eingeriſſen war, daß ſie Ats tiſdier zu ſeyn ſtrebten , als die alten Muſter des Atricit: mus reibſt. In dein Leben der Sophiſten (I, 16. 4. p . 502. ) 3
tilmt philoſtratu 8 von Kritias , er habe in ſeinen Ausdrucke nach Würde gefirebt, aber dithyra in v iſden Schwurſt und poetiſche Ausbreide vermieden ; auch rich des Atticismus befreißigt , ohne in das Ueberenaſ deſerven
zu verfallenézn,denn das Ueberináßige im Atticiſiren iſt Bar: Sarti ( το γαρ απειρόκαλον εν τώ αττικίζειν',
u
Beoßacov ).
Die Stellen der Utten über dieſe Affecta:
tion iſ, bei Cresoll. Theatr : Rhet. :111 , 6.. IS
9. "
190 Philoftr . Leben des Apollonius von Zyana. mit den Zuhörern hin und her ; *) ſondern wenn er ſich über
wiſſenſchaftliche Gegenftande unterhielt , fprach er wie vom Dreifuß herab , und bedieute fid, der Worte : ,,ich weiß ; ich denke ; wo gerathet ihr hin ?" und : rman muß wifien ;" und jener kurzen , gleidh fam demantenen Säße , und der eis gentlichſten , mit dea Sadjen gleichſam verwachſenen , Auss drüde ; und was er ſagte, hatte den Boutlang eines Gebotes vom Throne herab. Einſtmals fragte ihn Einer der Sub, tititätenträmer , warum er nicht forſche ? **) Er antwors tete : ,,weil ich als Knabe ſchon geforſcht habe. Jebt geziemt e$ inir , nicht zu forſchen , ſondern zu lehren , was id ) gefutt . den habe .“ Da Jener nun weiter fragte : ,, Wie wird der Weiſe bei wifſenſchaftlichen Fragen ſpreden u antwortete er : „ Wie der Geſeßgeber. Denn der Geſetzgeber muß Das , 1
wovon er ſich ſelbſt überzeugt hat, zu Befehlen für die Menge machen .“
Auf dieſe Weiſe beſchäftigte er fich ia Antiochia , und jog die Aufmereramkeit der hödyt ungebildeten Einwohner auf fic .
18. Nach dieſer Zeit faßte er den Gedanken einer weis tern Reiſe , und richtete reinen Sinu auf das Judiſche Vole und die eiſen daſelbst, welche Bradımanen und Sportas .
*) Die Bezeichnung der Reteform , die Apollonius vermied, roheint auf die oft ſpißfindige , ironiſche , ausführlich entwidelnde Methode , deren ſich Sokrates zu bedienen pflegte , zu zielen .
** ) Zntoin. Nach der ausfälyrlichen Sokratiſchen Weiſe, wie es fcheint, welche die Wahrheit nicht als etwas Gefundenes und Feſtſtehendes hinſtellt , ſondern ſie zu finden veranlaßt.
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!
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nier *) genannt werden . Er ſagte , es gejieme einem jungen Manne , fu reiſen , und ſich über die Grenze hinaus zu ers
heben. Auch hielt er die Bekanntſchaft der Magier , die in Babylon und Suſa wohnen 1, für einen Gewinn , um auf der Reiſe ihr Thun und Weſen zu erforſchen ; und er eröffnete ſeine Gedanken hierüber den Reben Jüngern , mit denen er Umgang pilog. Als Diefe nun verſuchten , ihm Anderes zu 1
rathen , ob er von dieſem Vorhaben abzubringen ren , ſagte 1
er : „ Ich habe mir die Götter zu Berathern genommen, und meinen Beſchluß ausgeſprochen . Euch aber habe ich prüfen wollen , ob ihr ſtark wäret zu dem , wozu ich Kraft fühle.
Da es Euch nun hieran gebricht , ſo gehabt Euch wohl und philoſophirt. Ich muß dahin gehen , wohin mich die Weiss heit und der Dämon führt." Nach dieſen Worten verließ er Antiochia mit zwei Die: nern aus dem väterlichen Hauſe, dem Einen zum ſchnell, dem Andern zum ſchön fchreibett.
19. Er gelangte zu dem alten Ninus , wo ein Bild nach Barbaren :Weiſe aufgeſtellt iſt. Es iſt das Bild der Jo , der
Zochter des Inachus, welcher Pleine Hörner aus den Schläs !
fen hervorbredien , wie im erſten Beginnen . Indem er nun
*) ' Yoxáviot iſt die Lesart aller Handſchriften und der Aułga ben, biß auf Olearius, welcher TepudVES ſchreibt , weil Keiner der Alten von Szyrkaniſmen Philoſophen weiß. Strabo
XV. p. 712 ( Vol. VI . p. 130) unterſcheidet zwei Gattuns
gen Indiſcher Philoſophen, Beaxuāvas und l aqua vas, wo die Lesart aber ebenfalls ſchwankt. N Boer zu Porphyr.
de Abstin. p. 358. will ‘ Yoßlou verbeſſern.
192 Philoſtr. Leben des Apollonius von Zyana. hier verweilte , und mehr von dem Bilde verſtand als die
Prieſter und Propheten, ſchloß fich Damis, der Ninioit , an ihn an , von dem ich oben geſagt habe , daß er ihn auf der
Reiſe begleitet, an ſeiner Philoſophie Antheil genommen, und vieles von dem Manne aufbewahrt habe. Von Ver:
wunderung erfült, und um ſeiner Reiſe willen ihn glücklich preiſend , ſagte er zu ihm : ,, £aß uns zuſammen gehen, Apollonius , du dem Gotte folgend , ich dir. Du wirſt mich auch nicht werthlos finden. Wenn ich auch nichts Anderes weiß , ſo kenne id) doch den Weg , der nach Babylon führt,
und die ſämmtliden Städte, da ich voc nicht langer Z : it von da zurückgekommen bin , und die Dörfer, die vieles Gute ent: halten ; endlich auch die Spradjen der Barbaren, fo viel ihrer . ſud. Eine andere aber iſt die Spradie der Urmenier, eine andere der Meder und Perſer, eine andere der Staduſier.
Ich verſtehe ſie alle." --- ,,Uuch ich, Freund,' ' erwiederte Upol: lonius , ,, verſtehe alle, ohne eine gelernt zu haben ." Da ſich nun der Ninivite wunderte , ſagte er : „ wundere dich nicht,
wenn ich alle Sprachen der Menſchen weiß ; weiß ich doch auch Ulles , was die Menſchen ſchweigen. " . Uis der Aſfyrier Dieß hörte, betete er ihn an , und betrachtete ihn wie einen
Gott , und war immer um ihn , und nahm zu an Weisheit, 1
und Fußte , was er vernahm , in ſeinem Gedächtniſſe auf.
Der Vortrag des Aſſyriers war mittelmäßig ; denn es mans gelte ihm die redneriſche Ausbildung als einem unter Bars baren erzogeneu Manne. Uhir die tägliden Beſchäftigungen und Unterhaltungen aufzuídyreiben , und was er hörte oder rah, darzuſtellen , ut Dentidriften darüber zu entwerfen, dazu war er vollkommen geſc;idt, und leiſtete Dieſ beſſer als ſonſt
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Femand. So war bei der die Spåre betitelten Schrift *) fein Zweck, nichts von Apollonius Thun unbemerkt zu laſſen , ſondern auch Dasjenige aufzuſchreiben, was er nur beiläufig geſprochen hatte. **) Hier muß ich audy erwähnen , was er einem Zadler dieſer Beſchäftigung zur Antwort gab. Da ihn
ein leichtſinniger und mißgünſtiger Menſch deshalb durchzog, und ſagte , es ſer ſchon ganz recht , die Meinungen und Lehs ren dieſes Mannes aufzuſdyreiben ; darin aber , daß er auch folche Kleinigkeiten zuſammenlere , ſtelle er ſich den Hunden
gleich , weldie die Abfäứe vom Tiſche fräßen ; erwiederte Das mis : „ wenn es Mahlzeiten der Götter ſind, und die Götter ( chmauſen , ſo werden ſie chne Zweifel auch Diener haben,
die dafür Sorge tragen 1, daß von dem Abfalle der Ambroſia Nidits umkommt."/
Vou folcher Urt war dieſer Freund und Berehrer des Apollonius , mit dem er einen großen Theil ſeines Lebens zue Şammen geweſen iſt.
20. Beim Eintritt in Meſopotamien führte ihn der bei Zeugma angeſtellte Zöllner zu der Zoltafel ,. und fragte ihu,
was ſie bei fid ) führten . Apollonius antwortete : „ Ich führe * ) 'Expatviouara. Eigentlich der Abfall bes Futters aus der Krippe , oder : was von dem Liſohe abfält.
**) Die gewölnliche Lesart : áll gï tl xci zapewféyčato Ñ cinev loheint unvollſtändig, wie Dr. G. J. Beder ( Spec. var. lectt. et obss. p. 62) bemerkt.
Dieſer Ges
lehrte vermuthet , daß zwiſchen ï und einev Etwas aus: gefallen ſey . Mir ſcheint es nicht unwahrſcheinlich, daß Philoftratus geſchrieben habe : dak eľ tt xai na ραφθεγξαμενος είπεν. Philoſtratus, 2$ Bodin .
194 Philoſtr. Leben des Apolonius von Tyana. Mäßigkeit, Gerechtigkeit , Tugend , Enthaltſamkeit , Manna haftigkeit und Duldſamkeit;“ und reihte auf dieſe Weiſe viele weibliche Namen an einander. Hierauf ragte der Zöllner,
der nur ſeinen Gewinn im Auge hatte , er habe ſonad, dieſe Mägde aufgeſchrieben .
Apolonius aber erwiederte : ,,Das
geht nicht ; denn nicht Mägde führe ich, ſondern Herriunen .“ Das Land Meſopotamien bildet der Tigris und der Eus phrat , die aus Armenien und von der Senkung des Taurus
herabſtrömen , und das Land einſchließen , in welchem einige I
Städte , meiſt aber Dörfer liegen. Die Bewohner dieſes Landes find Armeniſde und Arabiſche Völkerſchaften , von den Flüffen eingeſchloffen . Die meiſten find Nomaden. Sie hals
ten ſich für Inſulauer , und ſagen , fie ſtiegen zum Meere hinab , wenn ſie nach den Flüſſen gehen , und ſtellen fich die umkreiſenden Flüſſe als Grenzen der Erde vor. Denn nach : dem fle das erwähnte Land umfreist haben , ſtrömen fie dem
ſelben Meere zu. *) Einige behaupten nun , der Euphrat berliere fich größtentheils im Sumpfe , und verſtege in dem 1
Lande ; Andere folgen einer dreiſtern Sage, indem ſie behaups ten , er fließe unter der Erde weg , tomme in Aegypten wies der zum Vorſchein , und miſche ſich mit dem Nil. Um der Genauigkeit willen , und um Nichts von den Bes
merkungen des Damis zu übergehen , möchte ich wohl auch Dadjenige anführen , womit ſich Apollonius unter den Bars
baren beſchäftigt hat. Da uns aber die Erzählung zu größern * ) Dem Perfilden Meerbuſen . Ueber den Weg und Ausfluß des Euphrat’s. To wie über die abweichenden Angaben der Alten darüber , f. Manner t'$ Geogr. der Griechen und Römer V, 2. S. 350. ff.
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und bewundernswürdigern Dingen treibt , kann ich doch zwei 1
Dinge nidt mit Stil dyweigen übergehen , den Duth , mit dent er barbariſche und raubſüchtige Völker durchzog, die das mals den Römern noch nicht unterworfen waren , und den Verſtand ,1 mit dem er , nach der Weiſe der Araber , zu der Kenntniß der Thierſprache gelangte. Dieſes lernte er auf ſeiner Reiſe durch diejenigen Arabiſchen Völkerſchaften , welche dieſe Kenntniß am obukommenſten beſaßen und ausübten . Denn es iſt Dieß den Arabern eigen, die Stimmen der Vö:
gel *) zu verſtehen , die ihnen wie : Drakel weifſagen . Sie gelangen aber hierzu , und errathen die vernunftloſen Thiere
dadurch , daß fie das Herz , oder , wie Andere ragen , die Les .
1
ber der Drachen effen . **) 21 . Ueber Kteſiphon hinaus au den Grenzen von Bas bylon iſt ein Wachtpoſten des Königs, bei dem Niemand vors übergeht , ohne über ſeine Perſon , ſeine Stadt und die Abs
ficht ſeiner Reiſe Uustunft zu geben ; und ein Satrap iſt über dieſen Poſten geſetzt, der, glaube ids, einer von des Kö: nigs Augen *** ) ift. Denn der Meder, der vor Kurzem zur
* Die Rebatt : έστι γαρ των ' Αραβίων ήδη κοινών (κύκνων Euseb.) και το (των cod. Vrat.) ορνίθων à xovev. 5. Hamaker. Lectt. Philostr. p. 9 , welcher
XÚXvwv billigt, und öpvites von Sennen verſteht. Wenn Philoſtratus núxvwv xal tav óovitav ges ſchrieben hat, ſo müſſen bie Worte durch „ Schwäne und ans dere Vögel" erklärt werden . S. Schaefer, ad L. Bos.
p. 27. ed . Lips. **) Š . unten III, 9 .
***) Ueber dieſe Würøe im Perfiſchen Reiche gibt Briffon (de 4*
196 Philoftr. Leben des Apollonius von Tyana. Regierung gelangt war, *) geſtattete fich kein ſorgloſes Les ben , rondern , von wahren und erträumten Beſorgniſſen ges ängſtigt , verftel er in Furcht und Schreckoiffe. Apollonius und ſeine Begleiter wurden alſo zu dem Satrapen geführt. Diefer hatte ſich eben im Zelt auf den Wagen gelebt, und war im Begriff, ich weiß nicht wohin zu fahren. Da er nun cinen mit Staub bedecten **) Mann erblickte, ſchrie er auf, wie feige Weiber thun , und verhüllte rid ); und nachdem er endlich die Augen wieder auf ihn geriditet hatte , fragte er
ihn , wie einen Dämon : ,, woher biſt du uns geſendet wors den ?" Apollonius aber antwortete : ,, von mir ſeibſt , ob ich Euch vielleicht wider Euren Millen zu Männern machen möchte. " Hierauf fragte er weiter , Wer er denn rey , daß
er des Königes Land beſudie ? - „ Die ganze Erde iſt mein, antwortete Apollonius, ,,und es iſt mir geſtattet, ſie zu durchs wandern .“
· Als nun Jever ſagte : ,, Ich werde dich foltern
Taffen , wenn du did, nid )t erklärſt ;" antwortete er : „Doch mit deinen eigenen Händen , damit du ſelbſt die Qualen der Da ſtaunte Folter führeft, wenn du einen Mann anrührſt." -
der Eunuch ihn an , als er rah , daß er keinen Dolmetſcher brauche, ſondern leicht und mühelos antwortete, und ſagte mit
Regno Pers. I. 190. p . 264. ff.) Auskunft. Vergr. Stanlei 30 Aeschyl. Pers. 973. * ) Bardanes, von deſſen Kriegen mit Gotarze Laci . tu8 (Annal. XI, 8. 9.) uno mit einigen Abweichungen
Joſephus (Antiqq. XX, 2.) Nachricht ertheilen . Bergl. Tillemont Histoire des Empereurs Tom . I. Claude. Art. XVII. p. 95. Art. XXII. p. 99. **) AůXuo ū néwv, auch mit Beziehung auf die abſichtliche Bernaqlåßigung des Anzuges. S. oben Anm. 22 .
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verändertem Tone der Rede und bittweiſe : „ Um der Gotter
willen , Wer biſt du ? " .— Hierauf erwiederte Apollonius : ,, da du mit Mäßigung, und nicht auf eine rohe Weije fraait, ſo höre, Wer ich bin. Ich bin der Tyaneer Apollo ius. Mein Weg
führt mich zu dem Könige der Inder , um jenes land tenper zu lernen ; doch wünſche ic, auch mit deinem Köntge fuiama: men zu kommen .
Denn Die , welche mit ihm auſammen ges
weſen , ſagen, er ren kein ſchlechter Mann ; wenn er a : ders. der Bardanes iſt , der die ihm derlorene Beriſdiart i Bt wies der gewonnen hat. "
- ,, Derſelbe," antwortere der Satrap,
v göttlicher Upoưonius (denn ichon lange hörten wir von dir) ; er würde einem weiſen Manne wohl ſelbit den Thio eius räumen , und wird Euch nach Indien führen laſſen , Jeden auf einem Kamele. Ich aber macie dich zu meinem Gaſtrreunder 1
und geſtatte dir von dieſem Gelde er seigte dabei auf einen Vorrath von Gold vifo viel zu nehmen , als du Da nun willſt, und nicht Einmal , ſondern Zehrmal." Apollonius das Geld ablehnte , ſagte Jener : „ nun ſo nimm von dem babyloniſchen Weine , *) den der König unus sehu Sairapen mittheilt , einen Eimer an, und gebratene Viertel von Shweis nen und Gazellen , und Mehl und Brod , und was du fouft .
willſt .
Denn von hier geht der Weg viele Studien lang
durch Dörfer , die nicht vielen Unterhalt bieten ." Hier befann ſich der Eunuch eines Beſſern und ſagte : ,, Was mache ich denn ? Ich weiß ja, daß der Mann weder thieriſche Speiſe genießt , noch Wein trinkt ; und biete ihm auf eine unver : ſtändige und ungeſchickte Weiſe ſolche Lebensmittel an !" *) Babyloniſchen Wein , den man Nectar genannt , ermáint
S hárea $ bei Athen å us I. p. 32. B.
198 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. ,,Es feht in deiner Gewalt , verſette Apollonius , mich mit leidyter Soft zu bewirthen ,1 wenn du mir Brod und Obſt
,, Id werde dir , " antwortete Jener , geſäuerte
gibſt . "
Brode , und große glänzende Datteln geben , und Kohl von 1
aller Art, ſo viel der Tigris nährt.'' – ,, Süßer iſt mir," ant: wortete Apollonius, ,, Stohl, der wild und von ſelbſt wächst, ,,Süßer ? " , fragte als der erzwungene und erkünſtelte. " der Satrap ; ,, das Land nach Babylon bin, weldies voll von Wermuth iſt, erfengt einen bittern und widrigen Kohl." Apollonius nahm nun das Erbieten des Satrapen an,
und ſagte beim Abſchied : ,, Gedenke , Beſter , nicht blos gut jui endigen , ſondern auch gut zu beginnen ;" indein er ihn wegen der Drohung : „ Ich werde dich folteru laſien ,“ und
der unziemlichen Aufnahme zurecht wies. 22. Nadidem ſie zwanzig Stadien weiter gereist waren, fließen ſie auf eine Löwin , die auf der Jagd erlegt worden #ar . Es war ein großes Thier, dergleidsen fie noch nicht geſehen hatten ; und ſowohl das aus dem Dorfe zuſams mengeſtrömte Volt , als auch die Jäger ſelbst erhoben ein lautes Geſchrei , als über ein außerordeniliches Wunder . Uuch war es in der Zhat ein Wunder ;
denn die Lös
win hatte , als ſie aufgeſchnitten wurde , acht Junge bei fich . Das Gewöhnliche hierbei iſt Folgendes. Die Löwin geht ſechs Monate trächtig , und wirft dreimal. Die Zahl
Der Jungen beim erſten Wurf iſt drei ; beim zweiten, zwei ; wird fie aber zum drittenmale trächtig , fo wirft ſie ein ein : siges Junge von großem Schlage und von wilderer Urt als gewöhnlic ). Denn was Einige ſagen, daß die jungen Löwen bei der Geburt die Gebärmutter jertragen , darf man nicht
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für wahr halten . *) Denn es iſt ein Geſek der Natur, daß das Gebährende, und Das , was geboren wird , ſich gegen: ſeitig befreundet Teryzur Erhaltung der Urt. Apovonius heftete dun reine Augen auf das Thier ; und nachdem er längere Zeit dabei verweilt hatte , ſagte er : ,, die Zeit un ſerer Anweſenheit bei dem Könige , Damis , wird ein Fahr I
und acht Monate dauern.
Denn er wird uns nicht früher
entlaſſen ; und auch uns würde es nicht zuträglid reyn , vor
dieſer Zeit aufzubrechen. Man muß nämlich die Jungen auf die Monate 1, die Löwin auf das Jahr deuten.
Denn Voú
kommenes muß mit Vollkommenem verglichen werden . “ „ Was werden dann aber," ſagte Damis , ,,die acht Sper: linge bei Homer **) beſagen , die der Drache in Aulis vers
gehrte , und nach deren er die Mutter ergriff ? . Kalchas ver kündigte doch bei der Deutung dieſes Ereigniſſes , daß Troja neun Jahre werde bekriegt werden. Erwäge alſo , ob ſich
unſere Abweſenheit nicht nach Homer's und Kaldas Uusle: ,, Mit volem gung auf neun Jahre ausdehnen wird ?" Rechte , Damis ," erwiederte Apouvnius , ,,deutet Homer die Fungen auf Jahre; denn fie ſind ſdon geboren und leben; aber unvollendete Thiere, die noch nicht geboren ſind, vielleicht auch nie zur Welt gekommen wären, wie könnte ich dieſe auf Jahre deuten ? Denn Was gegen die Natur iſt, pflegt nicht geboren zu werden , oder wenn ja , ſo geht es ſchnell zu Grunde. Glaube alſo meinem Worte , und laß und gehen, -
1
und den Göttern für dieſe Zeichen danken ."
*) Ueber dieſe Faber , die ſich zuerſt bei Herodot findet, f. Gellius XIII, 7. und Aristot. Hist, An. VI, 28. **) Ilias II, 307. ff.
200 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. 23. U18 er ſich nun dem Ciffiſchen Lande näherte ,. und ſchon bei Babylon war , erſchien ihm ein Traumgeſicht, das
von der Gottheit , die es ihm zeigte , auf dieſe Weiſe anges 1
ordnet war. Fiſche, die von dem Meere ausgeworfen was ren , zappelten auf dem Lande , und beklagten mit menſchli chem Jammer das Mißgeſchick, außer ihrem Elemente zu
reyn ; uno da ein Delphin an dem Ufer vorüberſchwamm , filehe ten ſie ſeinen Beiſtand an , und gebehrdeten ſich ro kläglich ,
wie Menſchen , die in der Fremde jammern . Ohne nun über dieſen Traum betroffen zu ſeyn , überlegte er bei fid ), was 1
es damit für eine Beſchaffenheit habe ; um aber den Damis zu erſchreden , deſſen Beſorglichkeit er tannte , erzählte er ihm das Traumgeſicht mit einem Scheine von Furcht, als ob er dylimme Folgen erwarte. Damis ſchrie dabei auf , nicht
anders , als ob er ſelbſt das Aves mit Augen geſehen hätte, und wollte den ApoƯonius von der Fortſeßung der Reiſe abs halten. ,, Wir möchten ja ſonſt auch ," ſagte er 1, „ wie die Fiſche auſſerhalb unſeres Elementes umkommen I, und in dem fremden Lande viel Klägliches ragen , und auch in unſerer Hülfloſigkeit irgend einen Dynaften oder König anfleben müſs ſen , der uns dann wohl auch verſchmäht , wie Delphine die Fiſche. “ Apollonius ſagte hierauf mit Lachen : ,, Noch bift du kein Philoſoph , wenn du dieſe Dinge fürchteſt. Ich will
dir kund machen , wohin das Traumgeſicht zielt. In dies .
ſem Ciffiſchen Lande wohnen Eretrier , die vor fünfhundert Jahren von Darius aus Euböa weggeführt worden ſind, und,
wie in dem Traumbilde , das Schickſal der Fiſche erfahren Baben ; denn ſie wurden wie mit Stellneßen umgeben , und
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fämmtlid) eingefangen . *) Die Götter ſcheinen mir alſo zu befehlen, mid) zu ihnen zu begeben, und, ſo weit ich vermag, für ſie Sorge zu tragen. Vielleicht rufen mich auch die Sees len der Hellenen , denen dieſes Schidſal hier zugefallen iſt, zum Nußen des Landes herbei. Laßt uns alſo von dem Wege ausbeugen , und uur nach dem Brunnen fragen , an dem ſie wohnen . Dieſer Brunnen iſt , wie man ſagt, mit Aſphalt, Dehl und Waſſer gemiſcht; wenn man aber daraus ſchöpft und es ausgießt 1, ſo ſondern ſich dieſe Stoffe von einander 1
ab . " **)
Seine Reiſe nach Eiſfia erwähnt Apollonius ſelbſt in Dem , I.was er an den Klazomeniſchen Sophiſten ***) ſchreibt. Denn er war ſo gutmüthig und edel geſinnt, *) daß , als er die Eretrier rah , er fich des Sophiſten erinnerte , und ihm meldete , was er gefehen und für ſie gethan hatte , und ihn in dieſem ganzen Briefe aufforderte,1 Mitleiden mit den 1
*) (ZaynvevIñval .) Dieſen, vom Fiſchfang Hergenommenen, Ausdruck braucht Herodotus (VI, 31.),
wo er von der Ers
oberung von Chios , Lesbos und Tenedos ſpricht ; nicht aber von Eretria . Das Verfahren der Perſer hierbei lehrt Plato I
(de Legg. III, p .698.D.), welchein Andere folgen . Bergl. Valckenaer, ad Herodot. VI , 148. p. 273 .
**) Herodot. VI, 119.,welcher Aſphalt, Salz und Dehl als die Beſtandtheile dieſes Brunnens nennt.
***) Den Stopelianus. S. von ihm Vit. Sophist. I, 21. p. 514 ff.
+) In dieſem Sinne iſt diótillos zu nehmen. So III, 15. Dioixtiouwv , nach Szamarer's Bers p . 105 . beſſerung (Leclt. Philostr. p. 15. ff.) möchte zu poetiſch reyn. Ein anderer Gelehrte ( in der Leipz. Litt. Zeit. 1817.
Nr. 269. S. 2146) ſchlágt piłodnuos vor .
202 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. Eretriern zu zeigen, und, wenn er für ſie ſpräche, audi nicht zu weinen verſchmähen fuúte.
24. Hiermit ſtimmt auch Das überein , was Damis von den Eretriern aufgeſchrieben hat. Sie wohnen in dem Mes diſchen Lande , nid )t weit von Babylon , ſo weit etwa ein gu ter Läufer in einem Tage zurückgelegt. Das Land hat keine Städte ; denn ganz Ciſlia beſteht aus Dörfern . Uud, eine Art ovn Nomaden wohnt dort , die ſelten von ihren Pferden ſteigen . Der Wohnplaß der Eretrier liegt in der Mitte der Undern. Er iſt von dem Flußgraben umgeben, den ffe relbſt um ihr Dorf aufgeworfen haben ſollen , um ihnen als Schut wehr gegen die Barbaren in Eiſfia zu dienen. Das Erdreich daſelbſt iſt mit Aſphalt durchfeuchtet, und herbe für die Bez pflanzung. Uuch leben die Menſchen dort nur kurze Zeit ;
denn der mit Uſphalt geſchwängerte Trank greift ihre Eingea weide an. Ihre Nahrung haben ſie von einem Erdhügel an den Grenzen des Dorfes, der ſich über das untaugliche Erds
reich erhebt , und als Ackerland gebraucht und bepflanzt wird. Ihrer Erzählung nach hatten fie von den Einwohnern ges hört , daß ſlebenhundert und achtzig Eretrier gefangen wors den ,1 die aber nicht alle ſtreitbar waren. Denn es befanden
ſich auch Weiber unter ihnen und Greiſe , und ſelbſt Kinder, wie ich glaube. Denn ein großer Theil der Einwohner war nach dem Kaphereus Eretria’s und auf die hödyſten Uns
höhen von Euböa geflohen . *) Ubgeführt in das Innere von Medien] wurden gegen vierhundert Männer, und ungefähr *) Nach Herodot VI, C. 100 . Der Kap here us iſt eines
der größten Vorgebirge von Eubda Virgil. Aen. XI, 360 : Euboicae cautes uliorque Caphereus.
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zehn Frauen. Die Uebrigeu farben auf dem Wege von Jos nien und Lydien her.
Da ihnen der erwähnte Hügel einen
Steinbruch darbot, und Einige lid auf Bearbeitung der Steine verſtanden , bauten fie Helleniſche Tempel und einen Martt von hinreiciendem Umfange. Uuch Ultäre errichteten fie, dem
Darius *) zwei ,1 dem Xerres einen , und dem Daridäus **) mehrere. Bis zu Daridäus waren reit ihrer Gefangeuneha mung acht und adytzig Jahre verfloſſen , während welcher Zeit ſie fortfuhrea, nach der Weiſe der Hellenen zu fchreiben ; und auf ihren alten Gräbern fieht der Name des Verſtorbes
nen und ſeines Vaters. Die Buchſtaben ſind Helleniſch ; doch behaupten Jene, ***) nie ſolche Züge geſehen zu haben. Uudh waren auf den Steinen Schiffe + ) gebildet, je nachdem Einer in Euboa als Fährmann oder als Purpurfiſdier , als Sämann oder Färber gelebt hatte. Auf einem Grabmal von Fiſchern iſt auch eine Aufſchrift in elegiſchem Veremaße zu leſen : Uns , die ſonſt des Aegåiſaren Meers tiefſtrömende Fluthen Sd ;iffend gefura t , umhüllt jeßo Ekbatana's Flur. Szeil dir, treffliche Mutter , Eretria ! Szeil dir , Athena, Nachbarin Euvoa's ! Szeil dir , befreundetes Meer ! * ) Darius , obgleich auf die Eretrier , als Urheber der Feinds
ſeligkeiten , erzúrnt , nahm ſie doch mit Milde auf , und that .
.
ihnen nichts weiter zu Leide, S. Szerodot VI , E. vigo >
**) Wer dieſer Darid å u $ geweſen , welcher acht und achtzig Jahre nach der Schlacht bei Marathon gelebt haben ſou , iſt unbekannt. C. Stephanus im Diction . Histor. reßt ihn , mit Berufung auf unſere Stelle, unüberlegter Weiſe in die Zeit des Liberius uno Cajus, und Andere Toreiven es ihm nach). ***) Damis und Apollonius.
+ ) Nach der alten Lesart vaūs , dievon Olearius im ypages verändert worden.
904 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. Nach Damis Erzählung hat Apollonius die verfallenert
Sråber hergeſtellt und eingeſchloſſen ; auch an Trankopfern und andern Gaben brachte er ihnen alle Gebühr dar , nur
daß er kein Opferthier ſchlachtete. Aber mit Thränen und unter großer Bewegung habe er mitten unter ihnen ausge: rufen : ,, Eretrier , durch das Verhängniß hierher verſchlagen ,
ihr ſeyd, wenn auch fern von der Heimath , doch wenigſtens
begraben worden : Diejenigen aber, die Suct hierher geſchleus Gert haben , ſind um Eure Inſel her umgekommen , und ha: ben noch im zehnten Jahre nach Eurer Entführung unbeer: digt gelegen. Denn Was fie in den Schluchten von Euboa In dem Briefe an den So: erfuhren 1, zeigen die Götter. phiſten aber ragt Apolonius am Schluſſe : „Auch ict), Stope:
lianus, habe in meiner Jugend für deine Eretrier Sorge getra: gen, und ihnen Hülfe geleiſtet, ſo viel ich konnte, den Todten ſowohl, als den Lebenden."
Worin hat er nun für die
Lebenden geſorgt ? Die Barbaren , welche in der Nähe der Anhöhe wohnten , die von den Eretriern angebaut wurde, kas
men im Sommer und raubten die Ernte , und Jenen blieb nach aứer Arbeit nichts aló der Hunger. Als er nun zu dem
Könige tam , bewirkte er , daß fie den Hügel allein benutzeu durften .
25. Ueber den Aufenthalt des Mannes in Babylon, und
über Das , was von Babylon zu wiſſen nüblich iſt, habe ich
Folgendes gefunden. Babylon iſt in einem Umkreiſe von vier:
hundert und adytzig Stadien mit Mauern umgeben. *) Die *) Nach Herodot I, 178. wo Werfering nachzuſehen , und zu Diodor. II, 7. p. 120. ff.
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Höhe der Mauer beträgt drei halbe Prethren, *) die Breite weniger als ein Plethron . Sie wird von dem Euphrat durch ( dhnitten , mit Dehnlichkeit der Geſtalt. Unter dem Fluſie geht eine geheime Verbindung ( Brücke), welche unſichtbar die an dem Ufer liegenden Königsburgen vereinigt. **) Denn man ſagt , daß eine Mediſche Frau , die einſt dort herrſchte, den Fluß verbunden habe , wie nie ein Fluß verbunden ges weſen . Nachdem ſie Steine und Erf und Uithalt, und was ſonſt von den Menſchen zum Waſſerbau erfunden worden iſt, an den Ufern des Fluſſes aufgehäuft hatte , leitete ſie den
Strom in See'n ab. Das Bett des Fluſſes, das nun trocken war , grub fie bis zur Tiefe von zwei Kiaftern aus, und bila dete einen hohlen Gang , durch den ſie in die an den Ufern
liegenden Pauäſte wie aus der Erde herauf zu Tage kommen kounte ; und überdeckte ihr ſo 1, daß er dem Boden des Fluſo fes gleich war. Der Grund und die Wände des Ganges was
ren nun aufgeführt, und dann , da der Aſphalt des Waſſers bedarf, um feſt zu werden , und gleichſam zu verſteinern , der .
Euphrat über das feuchte Gewölbe zugelaſſen , und ro die Berbindung hergeſtellt. Die königlichen Paläſte ſind mit Erz Bededt , und verbreiten einen ſtrahlenden Glanz; die Zimmer aber und Säle und Hallen ſind, die einen mit Silber, die ans dern mit goldnen Geweben , andere mit wirklichem Bolde, wie mit Malereien , geldımůdt. Das Bildwerk der Teppiche
iſt aus Helleniſchen Sagen entlehnt , und ſtellt die Andromes *) Das Prethron beträgt hundert Fuß. **) Dieſen Durugang (dem Tunnel unter der Themſe vergleich bar) beſareibt unter andern Werfen der Semiramis , Dios dorus ll , g.
206 Philoftr. Leben des Apollonius von Tyana. da's, die Umymonen, und oft auch den Orpheus vor. Denn an Orpheus haben fie Freude , vielleicht aus Ehrfurcht ges gen ſeine Tiara und Unaryris ; *) gewiß nicht wegen ſeiner Mufit und der Gefänge, mit denen er bezauberte. Auch Das
tis iſt eingewebt, wie er Naros aus dem Meere 'reißt; **) und Urtaphernes , wie er Eretria umringt , und andere Bea gebenheiten ,1 in denen Xerres als Siegen geprieſen wird. Denn man ſieht hier Athen befekt, und Thermopylä erobert ;
und was noch mehr den Mediſchen Character ***) träyt , die der Erde entsogenen Ströme , die Brücke des Meeres , und der durchſchnittene Athos. Uudy erzählen ſie, einen Saal angetroffen zu haben, deſſen Dede fic) in Form einer Kuppel erhob, t) dem Himmel vergleichbar und mit Sapphir übers *) Mit der Tiara geſayınúďt, erſcheint Orpheus auf einem Gemilde des jüngern Philoſtratus (VI, p. 119.) und
auf einer von Ralliftratus ( VII. p. 153.) beſdhriebenen Bildſaule.
Die Anaryris iſt die alte Orientaliſche Bez
deckung der Schenkel. S. Perizon. ad Aelian . V. H. XU , 32 . Beide Kleidungsſtücke verbindet auch Xenophon Ciyrop . VIII , 3. 13.
**) Uebertreibender Ausdruck für die von den Perſern in Naxos vorgenominene Perrriſtung. Serodot. VI, 96. *** ) Den Character des Ueverinathes , der auch die Natur zu bes Herrſchen ineint. So wenigſtens werden die Unternehmunta gen der Perſer im zweiten Perfiſden Kriege von ſophiſtis
rohen Rednern , die ſich in einem Gegenſtande mehr ges fallen , bei jeder Gelegenheit voraeſtellt.
+) Greußer ( in einer Anı . zu Becer's Specimen p. 84.) bezieht dieſe Bauart auf die Neigung der Orientalen zu ſoms
boliſchen Darſtellungen. S. Porphyr. de antro Nymph. €. 6. Den gewölbten Perſijden Sålen war das von Aes
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wölbt. Denn dieſer Stein iſt dunkelblau nach der Farbe des Himmels . Hier ſtehen die Bilder der Götter , an die ſie
glauben , in der Höhe und von Gold , und zeigen ſich wie aus dem Uether hervortretend. Hier hält der König Ges richt. Von dem Gewölbe der Decke hängen vier goldene Jyn gen *) herab, die iha an die Adraſtea mahnen, und ſich nicht über dic Menſchen zu erheben . Dieſe Einridytung ſollen die Magier getroffen haben , die in der königlichen Burg eins und auégehen. Sie nennen ſie die 3 ungen der Götter. **) 26. Von den Magiern hat Appúonius genügend geſpros dhen : er habe Umgang mit ihnen gehabt , und Einiges ge: lernt, Anderes gelehrt. Damis aber weiß von Dem , was Apollonius zu den Magiern geſprochen , nichts ; denn er hatte ihm verboten , ihn zu begleiten , wenn er zu ihnen ging. Er Yian V. H. IX , 3. beſchriebene Prachtzelt Alexanders nach : 1
>
gebirdet . S. Böttiger's Andeut. S. 67.
Niach VI, u . S. 247. waren auch in einem Lemper Apollo's goldene Syngen aufgehangen , als Syınbore bezaubernder Res defertigkeit , und ſchwerlich verſmieden von den goldenen i es redonen , die , nuch Pindarus , von der Höhe der Wola
bung herab ſangen , und von denen Pauſanias X, 5, 5. ſagt, daß ſie den Szomeriſchen Sirenen nachgebildet waren .
S. Boch ad Pindari Fragm . 25. p. 568 ff. Wie dieſe Syngen geſtaltet geweſen , und welche andere Aehnlichkeit, als die der zauveriſajen Wirtſainteit. zwiſchen ihnen und dem berühmten Zauberfreuſel (S. Anim. ad Anth. Gr. Il ], 1 .
p. 350 ff .) obgewaltet habe , und in welcher Beziehung ſie mit der Adraſte a geſtanden, iſt fchwer zu ſagen . Was darüber vermuthec werden kann , ſ. in Creußer's Symbolie 1. Theil.
S. 500.
**) Ohne Zweifel in Beziehung aufdie unwiderſtehliche Ueberres dungskraft , der.en Symbo ! die Iyngen ſind.
208 Philoftr. Leben des Apollonius von Tyana . ſagt aber , Apolonius habe die Magier um Mittag und um Mitternacht beſucht. Einſtmals habe er ihn gefragt : ,,was ſind die Magier ?" und habe zur Antwort erhalten : ,, Weiſe zwar , aber nicht in Atem .“ Hievon nadyher. 27. Als er in Babylon angekommen war, und der Sa trap an der großen Pforte erfahren hatte , daß er aus Wiße
begierde käme , reichte er ihm ein goldenes Bild des Königes hin , ohne deſſen Verehrung Niemanden der Zutritt geſtat: tet iſt. Nur die Geſandten des Römiſchen Kaiſers ſind hierzu nicht genöthigt. Kommt aber einer von den Barba: ren , oder wil Einer das Land beſehen, und betet nicht das Bild an , ſo wird er für ehrlos erklärt. Solche geringfügige und alberne Dinge liegen dem Satrapen ob. Als nun Apol: lonius das Bild erblidte , fagte er : ,,Wer iſt Dieß ?" und da er hörte , es rey der König , ragte er : „ Wenn der Mann, den ihr hier anbetet , mir als ein edler und biederer Mann erſcheint, und als ein ſolcher geprieſen wird , ſo wird er Großes erlangen ;" und mit dieſen Worten ging er durch das Thor. Vou Verwunderung folgte der Satrap ihm nach, er griff ihn bei der Hand, und fragte ihn durd, den Dolmetſcher
nach ſeinem Namen , ſeiner Heimath , ſeinen Geſchäften und
der Abſicht ſeiner Syerkunft. Nachdem er Dieß auf einer Schreibtafel angemerkt, und zugleich ſeine Geſtalt und Klets dung , befahr er ihm , zu warten. 28. Er felbſt eilte nun zu den Männern ,1 die des Kö niges Ohren *) * heißen, und ſchilderte ihnen den Apollonius ,
und ſagte dabei , er verweigere die Anbetung , und gleiche *) S. oben Anm. 49.
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itberhaupt nicht einem gewöhnliden Menſchen ; worauf ihm
Jene befahlen , den Mann mit Aditung und ohne alle Bes leidigung herbeizuführen . Als er nun kam , fragte ihn der Pelteſte , was ihm eingefallen rey , daß er den König vera I
adite ? „Ich habe ihn noch nicht veradytet," antwortete Upol Ionius. Und da Jener wieder fragte : ,,würdeſt du ihn aber
verachten ?" antwortete er : „ ganz gewiß , wenn idy ihn im urs Apolos Umgange nicht edel und bieder finden ſollte." nius auf die Frage : ,, bringſt du ihm einige Gedente mit ?" * )
fagte : „ die Tapferkeit , die Gerechtigkeit und dergleichen ,". fr agte Jener weiter : ,,wohl, weil du meinſt , er habe ſte nid )t ?" „ Nein ," antwortete Apollonius , ſondern damit er ſie brauchen lerne , wenn er ſie hat." ,,Nun wohl,"
antwortete Jener, durch ihren Gebraud, hat er eben dieſes Kös nigreid ), das ihm verloren war, wieder erhalten, und ſein Haus nicht ohne Mühe und Anſtrengung wieder emporgebracht." ,,Wie viele Jahre ſind es her , daß er die Herrſchaft wieder gewonnen hat ? "
,,Bor zwei Monaten hat er das Dritte begonnen ." Hierauf fagte Apollonius , indem er , ſeiner Gewohnheit nad) , ſeinen Sat feſtſtellte : ,,Leibwächter , oder wie ich did ) fonſt neunen ſoll; Darius , des Cyrus und Urtarerres Va:
ter , der dieſen Pallaſt ſedyzig Jahre lang , dünkt mid ), bes wohnt hat , opferte , wie man erzählt, als er die Annäherung ſeines Todes ahnete , der Gerechtigkeit , und ſagte : 1.1,Sera *) Nach dem Gebrauche , nicht mit leeren Händen vor dem Ads nige zu erſcheinen , der von den Perſern auf die Parther
übergegangen war. Seneca Epist. XVII : Reges Parthos non potest quisquam salutare sine munere . Philoſtratus. 28 Bodn.
5
210 Philoſtr. Leben des Apolonius von Lyana. rin, Wer du auch biſt !"
als ob er lange nach der Ges
rechtigkeit geſtrebt, fle aber noch nicht habe erkennen , oder zu ihrem Beſite gelangen können. Dieſer König erzog ſeine Kina der to underſtandig , daß ſie die Waffen gegen einander er's
hoben, und der Eine verwundet , der Andere von ſeinem Bruder getödtet wurde: *) Und du willſt , daß der König, der vielleicht noch nicht einmal auf dem Throne zu ſitzen weiß, I
jugleich auch die Tugendent erfaßt habe , und nährſt dadurdy ſeinen Stolz ; da es doch dir , nicht mir , Nußen ſchafft, wenn er beſſer wird. "
Da blickte der Barbar auf ſeinen
Radibar , ind ſagte : ,,Ein Gott führt diefen Mann als 2. S Hers mäon **) hierher. Detin wenn er bei ſeiner Trefflichkeit mit .
dem Trefflichen Umgang pflegt , ſo wird er uns den König weit beffer machen und enthaltſamer und freundlicher. Denn Dieſes gibt fich an dem Matine kund." Sie liefen alſo hins ein , und meldeten Allen die frohe Botſchaft , daß ein Mann an der Pforte des Königes ſtehe , Wilder weiſe , ein Hellene und trefflicher Rathgeber wäre. 29.
Urs nun der König , welcher eben in Gegenwart
der Magier opferte
- Denn von Dieſen werden die Opfer bea
forgt – diefe Rachricht erhielt, rief er Einen derſelben her : 1
bei , und ſagte zu ihm: ,,Der Traum iſt ausgegangen , den ich dir heute erzählte , da du mich vor meinem Bette beſuch .
teft. Der König hatte nämlidi folgenden Traum gehabt : Es tam ihm vor , als ob er Artørerres wäre , des Ferres Sohn, und habe ſich ganz in die Geſtalt dieſes Königes vers * ) In der Schlacht bei Kunara . **) Eine zufällig gefundene Gabe.
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wandelt, fo daß er fürchtete, die Verwandlung ſeiner Geſtalt möchte auf eine ihm bevorſtehende große Veränderung deus teu . Us er aber von der Unkunft eines Hellenen und weis ſen Mannes "hörte , kam ihm der? Uthener Themiſtokles in die Gedanken , welcher einſt aus Heúas zu Urtarerres kam, und Umgang mit dieſem Könige prog , und ihn zu einem würdt gen Manne machte, *) wie er ſich audy felbſt erwies . Dans ſtredte er ſeine Rechte aus , und ſagte : „Rufe ihn ! Ermöge hier mit dem Schönſten beginnen , indem er mit opfert und betet. " 30. Apollonius trat alſo in zahlreicher Begleitung ein ; wodurch ſie ſich dem Könige gefällig zu maden glaubte# , da fle hörten , daß er ſich ſeiner Ankunft freue. Indem er aber
durch den : Pallaſt hinſdyritt, warf er keinen Blick auf die Gegenſtände der Bewunderung, ſondern ging wie ein Wans derer hindurch. Dann rief er den Damis zu ſich und ſagte : ,,Du fragteſt mich neulid ) nad) dem Namen der Pamphylis ſchen Frau , die mit der Sappho Umgang gehabt, und Soyms nen , die ſie der Pergäiſchen Urtemis **) zu Ehren ringen , nach der Weiſe der Veotier and Pamphylier gedichtet habe.“
„Ich fragte darnach ," antwortete Damis ; , aber den Namen haſt du mir nicht geſagt."
,,Nein ," verſeşte Apollonius ; aber ich erklärte dir die Namen der Hymnen und ihre Benennungen , und wie Jene * ) Daß hier die Wirkſamkeit des Themiſtortes in Perſien aus: geſchmückt iſt,erheut aus der Vergleichung mit Thucyd. 1, 137. 138. Flutarch . vit. Them . 27 — 29 . **j Perga in Pamphylien , wo ein alter Tempel der Artemis war, der wiederum in den vitis Sophist. II, 6. p .576 erwähnt wird. Abbildungen dieſes Tempels und des Bildes der Göttin finden ſich auf den Münzen von Perga. 5 *
212 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. die Weiſe der Aeolier in die höchſte und eigenthümliche Weiſe der Pamphylier übergetragen habe. Hierauf kamen wir auf andere Gegenſtände , und du fragteſt mid , nicht weiter nach dem Namen. Dieſe Dichterin heißt alſo Damophyle , und
man ſagt von ihr , ſie habe nach der Sitte der Sappho Jung : frauen zu Geſellſchafterinnen gehabt, und Gedichte verfertigt, theils erotiſche, theils Hymner . Der Hymnus auf die Artes mis iſt auch von ihr umgeſett, uud wird nach der Weiſe der
Sapphiſden geſungen ." *) Wie weit er alſo entfernt war , fidh durch den König und, den königlidien Prunk betäuben zu laſſen , gab er das durch zu erkennen , daß er jene Gegenſtände nicht einmal des Anſeheng werth achtete , ſondern über andere Dinge ſprad ), und diere gewiſſermaßen zu ſehen ber meinte. 31. Uls ihn nun der König von Fern kommen rah denn der Vorhof des Tempels hat eine bedeutende Länge fprach er Etwas zu den Naheſtehenden, als ob er den Mann .
erkennte ; und da er fdjon nah war, rief er mit lauter Stimme
aus : ,, Dieß iſt Apoữonius , den mein Bruder Megabates in Antiodyia von allen Rechtſchaffenen bewundert und verehrt *) Die Richtigkeit Sex Ueberſetzung der dunfern Worte des Lexa tes verbürgen wir nicht. Ueber die muſikaliſchen Ausdrücke der Stelle hat Olearius durch die Bemerkungen eines
Freundes Licht zu verbreiten geſiicht. Neue in Sapphonis
Mitylenaeae Fragmentis p. 10 erklárt naponta von Nachahmung einer Sapphiſden Obe.
Von
den
Geſells
ſchafterinnen der Sappho , sie den Spätern zil Tchándlis chen Verleumdungen Anlaß gegeben haben , T. Welker's
treffiidhe Schrift: Sappho von einem Herrſchenden Vorurtheile befreit.
S. 57 ff. Neue am a . 9. S. 7.
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geſehen hat. Er hat mir ihn damals ro beſchrieben , wie er hier kommt.“ Als er nun nahe getreten war , und ihn bes grüßt hatte , redete ihn der König in Helleniſcher Spradie ani , und befahl ihm, an ſeinem Opfer Theil zu nehmen. Er war nämlich im Begriffe, der Sonne eines der ächten Niſäi: rohen *) weißen Roffe zu opfern, das, wie zu einem feierlichen Umgange, mit blankenı Zeuge geſchmückt war. Upollonius aber erwiederte : ,, Opfere du, König, nady deiner Weiſe ; mir aber geſtatte, nach der meinigen zu opfern !“ – Er faßte dann init det Fingern den Weihraud ), und fagte : ,,Sende mic,1 Sonne, ſo weit auf der Erde, als es mir und dir gut dünft ; und mache,
daß ich tugendhafte Menſchen kennen lerne ; die Schlechten aber weder mich kennen , noch ich fle." Mit dieſen Worten warf er den Weihrauch in das Feuer ; und nachdem er ſorgfältig
beachtet hatte , wo es fidh theilte , und an welcher Stelle es trübe wurde , und mit wie vielen Spipea es aufſtieg , und wo, **) berührte er das Feuer an der Stelle, wo es Gutes Berkündend und rein brannte , und ſagte : ,, Opfere nun, Kö nig, nach dem Gebrauche deiner Väter ! Denn mein Gebraud,
iſt Dieß . " Und damit trat er von dem Opfer zurück , una keinen Theil an dem Blute zu nehmen. Pon einer weiten Ebene in Medien , Nirá on benannt , wo ,
die größten und ſchönſten Pferde gezogen wurden . S. Ses rodot VI, 40. Andere Stellen der Alten gibt Brisson , de
Regno Pers. I, 122. p . 175. ff.
**) Von der Beobachtung der Flamme bei'm Opfer (TTVpollav tela) thut zuerſt , wie es ſcheint, Aeſchylus (Prometh. 507.) Erwähnung. S. Valcken. ad Eurip . Phoen. 1261. Uusführlich wird ein ſolches Ignispicium beſchrieben bei Se neca Oedip, 307 – 323 , -
214 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. 32. Nach volbrachtem Opfer trat Apollonius wieder vor und ſagte: ,, Kennſt du , König , die Helleniſche Sprache in ihrem Unfange, oder nur Einiges davon , etwa ſo viel , als zum Verkehr dient , oder um nicht unfreundlich zu fcheinen , wenn ein Hellene hierher kommt? " - ,, Id, tenne fie ganz, ' antwortete der König , ofo gut wie die Sprache des Landes.
Sage alſo, was du willſt ; denn dieſerhalb fragſt du ja wohl." ,,Dieſerhalb ," antwortete Apolonius. ,,Der Zweck meiner Reiſe ſind die Inder. Ich habe aber auch an euch nicht vors beigehen wollen ,I weil ich hörte , daß du ein Mann reyſt, wie
ich ihn jeßt , gleichſam an der Klaue den Löwen , erkenne, und von eurer einheimiſchen Weisheit , dem Studium der
Magier , zu erfahren wünſte , ob fie von göttlichen Dingen 1
fo viel wiſſen , als man ſagt. Meine Weisheit iſt die des Pythagoras , des Samiers , der mich gelehrt hat , auf dieſe
Weiſe den Göttern zu dienen , und ſie zu verſtehen , ſichtbar 1
oder naſichtbar, und mit ihnen zu ſprechen, und mich in dies fes Erzeugniß der Erde zu kleiden . *) Denn dieſes Gewand iſt nicht von dem Rücken des Sdyafes geſchoren , ſondern wächst rein aus dem Reinen ,1 als ein Geſchent des Waſſers
und der Erde. Uuch ſelbſt dieſes freihängende Haar trage ichy nad, Pythagoras Gebrauch ; und die Enthaltung von thic: *) In der Vertheidigung der Pythagoriſchen Lehre gegen die
Negyptiſchen Weiſen (VI, 11. p . 243) Tagt Apollonius, die Philoſophie habe ihm verheißen , „ wenn er ſich rein erhalte, wolle fie ilyın die Gabe der Vorausſehung verleihen, und ihin die Augen mit einem ſolchen Lichte erfüllen , daß er den Gott erkenne und den Szeros (nach Ihas V , 127) , und die Schatten : Phantome vernichten könne.“
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riſcher Nahrung iſt mir von ſeiner Weisheit geboten. Eheils nehmer eines Trinkfeſtes alſo , oder der Muße und Ueppigs keit werde ich weder dir , noch irgend einem Andern rena ; wohl aber tann ich die Löſung dunkler oder ſchwer zu erklä render Probleme geben. Denn id weiß nicht bloß , was zu thun iſt , ſondern weiß es auch zum Voraus." So erzählt Damis das Geſpräch des Mannes . Upollo: nius aber hat es zum Gegenſtande eines Briefes gemacht ;
wie er denn auch vieles Andere, was er geſprächsweiſe ges ſagt, in Briefen aufgezeichnet hat. 33. Us nun der König ſagte , er wünſdie ſich zu ſeis der Ankunft Glück , und freue fich mehr darüber , als wenn er die Schäße der Perſer und Inder zu den einigen er : worben hätte , und mache ihn zu ſeinem Gaſtfreunde , und zum Genoſſen des königlichen Hauſes, antwortete Apollonius ; ..wenn du , König , in mein Vaterland Tyana kämeſt , und ich dir antrüge, in meinem Hauſe zu wohnen , würdeſt du es annehmen ?" - ,, Gewiß nicht, " antwortete der König, wen es nicht groß genug wäre , um meipe Trabanten und meine Leibwache und mich ſelbſt aufzunehmen ."' - „,,Run ," ſagte Apollonius, ,,das iſt auch mein Fall. Wenn ich über meis nem Stande wohne , werde ich ſchlecht wohnen ; denn der Heberfluß drückt den Weiſen mehr, als Euch der Mangel . Möge
mich alſo ein Privatmann aufnehmen , der ſo viel hat als
ich; mit dir aber will ich zuſammen ſeyn, ſo oft du begehrſt. “ Dieſes geftand ihm der König zu , um ihm picht zuwider zu ſeyn.
36. Und so wohnte er denn bei einem Babylonier , eis
nem redtfchaffenen , undauch außerdem wadern Manne. Wab:
216 Philoftr. Leben des Apollonius von Lyana. rend er hier bei Tiſche raß , trat ein Verſchnittener herein , Einer vou Denen , welche Botſchaften hin und her tragen, 1
redete ihn an , und ragte: ,,Der König gewährt dir zehn Gaben , und ſtellt es dir anheimi fie ſelbſt zu nennen. Er
bittet dich aber, nichts Geringes zu fordern. Denn er wünſcht, dir und uns ein Zeichen ſeiner Großmuth zu geben .“ Apol: lonius dankte für dieſe Meldung uud fragte : ,, wann ſoll ich meine Bitte thun ? ,,Morgen !“ antwortete der Verſchnit: tene ; und begab ſich ſogleich zu allen Freunden und Ver: wandten des Königs , und forderte ſie auf , ſich einzufinden , als Zeugen der Bitte und Beehrung des Mannes.
Damis ragt hier , er habe wohl gewußt , daß Apolonius 1
keine Bitte thun würde ; denn er habe ſeine Weiſe ſchon ge:
kannt 1, und gewußt , daß er zu den Göttern mit den Wor: ten bete : „11 verleiht mir , ihr Götter , Kleines zu haben, und Nichts zu bedürfen !" Da er ihn indeß nachdenkend geſe: hen habe , und als ob er Etwas bei ſich bedächte, habe er
body geglaubt, er werde um Etwas bitten , und erwäge jest eben , warum er bitten rolle. Gegen Abend aber ſagte er : vich erwäge bei mir , Damis , weshalb wohl die Barbaren die Verſdynitteiten für enthaltſam halten , und ihnen in das Gemad der Frauen Zutritt geſtatten." - Damis erwiederte :
,,Nun , Das weiß ja aud) ein Kind.
Nadidem ihnen der
Schnitt das Verlangen nadı dem Genuſſe benominen hat,
überlaſſen ſie ihnen das Gemad, der Frauen , ſelbſt wenn ſie bei ihnen ſchlafen wollten." ,,Du glaubſt alſo ," ſagte Apollonius , ,, daß ihnen durch den Schnitt auch die Liebe und das Verlangen, den Frauen beizuwohnen, benommen ſeyy şi -
,, Beides," antwort: t: Damis.
,,Denn wenn der Theil auss
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gerottet iſt , Ider zur Liebe ſtachelt , ſo kann auch das Lieben nicht mehr Statt finden .“ Nach einem kurzen Verweilen ſagte hierauf Upoữonius : ,, Morgen wirſt du erfahren , daß aud) Berſdynittene lieben, und daß die Begierde , die durch die Augen bei ihnen einzieht, nicht erlöſcht , ſondern daß ein Reſt von Glut und Brenys barkeit bei ihnen zurüdbleibt. Denn es muß fid ) Etwas jus tragen , was deine Behauptung widerlegt.
Soute es aber
auch eine menſchliche Kunſt geben , die tyranniſch und mädy: tig genug wäre , ſolche Gefühle aus dem Gemüthe zu vers bannen , ſo bin ich doch nicht der Meinung, daß man die Verſchnittenen 311 den Enthaltſamen zählen dürfe, da ſie zur Euthaltſamkeit gezwungen , und durch eine gewaltſame Kunſt genöthigt wurden, der Liebe zu entſagen. Denn Enthaltſam Feit beſteht darin , daß Einer , bei allem Antriebe und Ver langen , doch der finnlichen Luſt nicht unterliegt, ſondern ſich ihrer enthält, und dieſem Wahnſiune fid) überlegen beweist." Damis nahm hierauf das Wort, und ſagte : ,,Dieß, mein Apollonius, werden wir ein andermal überlegen. Seßt aber wär? es wohl ziemlid ), zu erwägen , was morgen auf die glänzenden Anerbietungen des Königes zu antworten iſt. Du 1
wirſt vietteidyt um Nidts bittert.
Nimm did indeß in Adht,
daß man nicht glaubt , du verſchinäheſ eitler Weiſe aus Hoch muth, Was dir der König gewährt. Dieſes erwäge, und vers meide es , da du wohl ſiehſt , wo wir ſind , und daß unſer Geſchick in den Händen des Königs liegt. Auch dem Vors
wurfe muß man zu entgehen ſuchen , als ob man aus Ueber muth handle , und bedenken , daß wir jebt zwar die Mittel haben , nach Indien zu geiangen ; für die Rüdkehr -von da
218 Philoftr. Leben des Apollonius von Tyana. aber dieſe nicht hinreichen , und andere nicht vorhanden ſegon dürften ."
Mit ſolcher Kuuſt ſuchte er ihn zu erwärmen , um das gemadyte Erbieten nid )t auszuſchlagen .
35. Hierauf ſagte Apollonius , als ob er ſeinen Grüns den aufhelfen wollte : „wirſt du, Damis , nicht an die Beis
Friele Anderer denken ? wie Uefchines , des Lyſanias Sohn, zu Dionyſius gingum Geldgewinn ? *) Plato aber um Sicis liſcher Schäße willen dreimal die Charybdis befuhr ? Und wie Ariſtippus, der Cyrender , und Helikon aus Cyzikus, ** ) und Phyton auf der Flucht aus Rhegium ***) rich ſo in die Schäße des Dionyſius verſenkten , daß ſie kaum wieder dars aus auftauchen konnten ? Ia, der Kinidier Eudorus kam einft mals , wie man ſagt ,1 uad Aegypten , *) wo er frei geſtand, daß er des Geldes wegen käme , und darüber mit dem Kos nige ſprach. Und um nicht nod) Mehrere anzuklagen , ſo ſagt man von Speuſippus ,1 dem Athener, er ren so geldluftig tt) geweſen , daß er nach Macedonien zur Hodyzeit des Kaſſander
*) Nach Diog. Laert. II, 61. ging Aeſchines, der Spuler des Sokrates, deſſen Vater Einige Charinus nennen , um ſeis ner Armuth abzuhelfen , nach Sicilien zu Dionyſius ,
damals auch Ariſtippus und Plato waren. S. daſelbſt Mies nage's Anmerkungen .
**) Dieſen Seriton erwähnt und empfiehlt Plato in einem ſeiner Briefe (Ep. XIII. p. 360 C.) an Dionyſius. ***) Pon Phyton und ſeinem Schicfale f. unten VII, 2. p . 280. +) S. von ihin Diogen. Laert. VIII, 86. Vergl. Strabo XVII, p. 806 (Tom . VI. p. 558.) #t) Den Geiz des Speuſippus růgt Dionyſius bei Ailená u 8 VII. p. 289. E. XII. p. 546. D.
Erſtes Buch.
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mit froftigen Gedichten gewallfahrtet fer , und dieſe für Gelb abgeſungen habe. Id ) glaube, Damis , daß ein weiſer Mann
mehrern Gefahren ausgeſeßt iſt , als Seefahrer und Kries
ger, Der Neid ſtellt ihm nach, wenn er fdyweigt, und wenn
?
er ſpricht; wenn er eilt , und wenn er zögert ; wenn er Eta was übergeht, oder aufſucht ; wenn er mit Einem fpricht, und wenn er nicht mit ihm ſpricht . Ein ſolcher Mann muß ſich alſo bewahren , und wohl bedenken, daß, wenn der Weiſe der Trägheit oder dem Zorne oder der Liebe oder dem Trunke unterliegt, oder Etwas zu raſch vor der Zeit thut, er dafür vielleidyt Nachſichter warten darf ; unterwirft er ſich aber dem Gelde , Tu darf er nicht auf Verzeihung hoffen , ſondern er wird gehaßt werden , als ob er alle Laſter in fich vereinigte. Denn er würde dem Gelde nicht unterliegen , wenn er nicht auch dem Bauche , der Kleiderpracht , dem Weine und den Hetären ergeben wäre. Vielleicht glaubſt du, daß ein in Bas bylon begangener Fehler geringer fey, als zu Athen, zu Diym. pia , zu Pytho ; *) ohne zu bedenken , daß für einen weiſen Mann überall Sellas iſt, und daß er kein Land für öde oder barbariſch halten wird , da er ja unter den Augen der Tugend lebt , die nur wenige Menſchen ihres Anblicks würdigt, Dieſe aber mit tauſend Augen beachtet ? Oder würdeſt du wohl, Damis , wenn du mit einem Athleten zuſammen wäreft, Ei nem von Denen , welche die Ringkunft und den Pankratiass 1
mus ** ) übent 1, bon Dieſem , wenn er in den Diympiſchen
*) An den Panathenåen , bei den Olympiſchen und Pythiſchen Spielen , wo Theilnehmer aus ganz Szeugs herbeiſhromten . **) Diejenige Art von Kampf, wo sas Ringen mit dem Fauſt: kampfe verbunden war.
220 Philoftr. Leben des Apollonius von Tyana. Spielen kämpfte , und in Arkadien auftråte , wackern Muth und Tüchtigkeit verlangen ; desgleichen aud ), daß er bei der Feier der Pythiſchen und Nemáiſchen Spiele für die Uebung
feines Leibes Sorge trüge , weil dieſe Kämpfe öffentlich ſind, und die Rennbahn von Hellas mit Eifer beſucht wird ; wenn aber Philippus zur Feier einer Eroberung olympiſche Feſte
anſtellt, oder Alerander , ſein Sohn , wegen ſeiner Siege Kämpfe anordnet, *) würdeſt du da von deinem Athleten ver langen , ſeinen Leib weniger zu üben ,1 und weniger Wetteifer
jul zeigen, weil er in Olynthus oder Macedonien oder Aegyp ten , nid )t aber unter Hellenen und auf Helleniſcher Renn bahn , kämpfen wird ? " Dieſe Reden , ſagt Damis, hätten einen ſolchen Eindruck auf ihn gemacht , daß er ſich ſeines Rathes geſchämt, und den Apollonius gebeten habe , ihm die Kühnheit zu verzeihen,
ihn, ohne ihn noch hinlänglich zu kennen , zu Etwas überreden zu wolen.
Apolonius aber ridtete ihn auf, und ſagte : ,,Sey
getroſt ! ich habe Dieß nicht geſagt, um dich zu ſchelten , ron : dern um dir meine Weiſe zu ſchildern." 36. Als nun der Verſchnittene kam , und ihn zu dem Könige rief , ſagte er : „Ich werde kommen , wenn id) mein Geſchäft mit den Göttern volbracht habe.“11 Da er nun ge opfert und gebetet hatte , ging er fort , und alle Augen wa: ren auf ihn gerichtet , und ſein Weſen wurde von Jedermann bewundert. Als er eingetreten war , ſagte der König : „ Ich
gebe dir zehn Geſchenke , weil ich did für einen Mann halte, *) Nach der Einnahine von Theben und der Beruhigung von
Szellas feierte Alexander Olympiſche Spiele zu Aegå . S. Arriani Exp. Alex. I, 11 .
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wie noch einer aus Hellas hierher gekommen iſt." Apolos nius erwiederte hierauf: ,, Nicht alle lehne ich ab ; um Eines rogar , das ich ſtatí vieler Dekaden wähle , bitte ich eifrigſt.“
Und zugleid) trug er die Sache der Eretrier von Datis an vor. „Ich bitte alſo , daß dieſen Unglüdlichen nicht der[Bea fit ihrer Grenzen und der Anhöhen verkümmert werde , ſon: dern daß ſie das ihnen von Darius jugetheilte Maß des Lan des wirklid) genießen. Denn es iſt ſchrecklid), wenn ſie nady der Vertreibung aus ihrer Heimath nid)t einmal Das haben ſollen ,. was ſie dafür haben.“ Der König vahın die Sache zu Herzen und ſagte : „ bis auf den geſtrigen Tag ſind die Eretrier meine und meiner Väter Feinde geweſen 1, weil ſie einſt die Waffen gegen und erhoben haben ; und man hat
keine Sorge für ſie getragen , damit ihr Gerihledyt erlöſchen möchte. Künftig aber ſollten ſie uns für Freunde gelten , und ein wackerer Mann ſoll als Satrap über ſie gelegt werden, der in dem Lande zu Gericht ſißen ſoll. Warum nimmſt du aber die übrigen neun Geſchenke nicht an ? "
,,Weil ich mir ," antwortete Apollonius , „ od) keine Freunde hier erworben habe." Und als der König fagte : ,, Bedarfſt du ſelbſt Nidts ?"
erwiederte er : ,,Allerdings , das Brod und die Früchte, die midj angenehm und herrlich nähren ." 37. Während ſie ſich mit einander unterredeten , ward ein Geſchrei aus dem Pallaſte vernommen von Verſchnittenen und Frauen . Es war nämlich ein Verſdynittener bei einer von des Königs Beiſdyläferinnen ergriffen worden , welcher bei ihr gelegen ., und nach der Weiſe der Ehebrecher gethan
hatte. Die Wächter des Harems ſchleppten iha bei den Haas
222 Philoſtr. Leben des Apollonius von Lyana. ren *) herbei , wie mit den Knechten des Königes gewöhnlich
iſt. Da nun der Welteſte der Verſchnittenen ſagte, er habe längſt bemerkt , daß er das Mädchen geliebt ,1 und ihn dess halb gewarnt I, mit ihr zu ſprechen , oder ihren Hals oder ihre Hand zu berühren , und ſie nicht allein von Auen zu
beforget ; und nun habe er ihn bei ihr liegend und uach Art der Männer handelnd gefunden ; fo blidte Apollonius den Damis an, indem nun eben Das - beſtätigt wurde, was er bes hauptet hatte, daß auch Verfdynittene lieben können . Der Kö nig abert ſagte zu den Umſtehenden : nes würde Unrecht ſeyn, wenn in Gegenwart des Apoữonius wir , und nicht er , ei :
nen Ausſpruch über die Enthaltſamkeit thun wollten . Welche Strafe ,1 Apollonius , erkennſt du ihm zu ?" ,, Welche andere, als das Leben ? " antwortete Apollonius gegen Aller Erwartung. Hierauf fagte der König erröthenb : „ Und verdient nicht
Einer , der ſich ſo in mein Bett einſdyreicht , einen vielfältis 1
gen Tod ? 11
,, Nicht, weil ich ihm ſein Verbredien verzeihe ," ants wortete Apolloniis , ,,habe ich dieſen Ausſpracy gethan, fons
dern um ihm eine Strafe aufzulegen, die ihm weh thun wird. Denn wenn er fortlebt mit einer ſolchen Leidenſchaft, und nach dem Unmöglichen verlangt , ſo wird ihn weder Speiſe
* ) Nach derLebart des cod. reg. 1696 : xai nyov aúrov yuvaixoviruv.. S. Boisson. ad Eunap. oi αμφί & loi την thv γυναικωνίτιν οι p. 325. Statt śrLOTĀVTES rñs xóuns möchte sa : marex S. 22 ans. Saóvns reſen , wozu Xenophou Anabas, I, 6, 10. Diodor. XVII, 30. Beranlaſſung gab.
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mod Prank , noch irgend einer der Gegenſtände erfreuen, der dir und den Deinigen Freude macht. Denn oft wird er mit
klopfendem Herzen aus dem Schlafe auffahren, was ganz vors fåglid , Liebenden begegnen foul. Wo gibt es eine Abzehrung, die ihn ſo ausfaugen , oder wo eine Peſt , die ſein Inneres po rdmelzen könnte ? Wenn er das Leben nicht übermäßig liebt ,' wird er, König , einſt ſelbſt kommen, und dich um den Zod bitten ; oder er wird ſich ſelbſt tödten, und den hentigen Tag verwünſchen , und daß er nicht ſogleid) geſtorben iſt. Von ſolcher Urt alfo , ſo mild und weiſe war das urs 10
6
theil des Apollonius ; worauf der König dem Verfdynittener die Todesſtrafe erließ.
38. Ars der Konig eines Tages auf die Jagd in den
Paradieſen * ) gehen wollte , wo die Barbaren Löwen , Bären und Panther aufbewahren , wollte er , daß ihu Apolonius begleiten möchte. Dieſer antwortete : ,,Syaft du vergeſſen , Kios tig, daß id ) nicht einmal bei deinen Opfern gegenwärtig bin ? Auch außerdem iſt es nicht angenehm , gequälten , und gegen ihre Natur unterjodyten Thieren nachzuſtellen ." Als der König ihn einſtmals fragte , wie er ſeine Herrs ſchaft befeſtigen und ſichern könnte,1 antwortete er : „ Wenn du Viele ehrſt, Wenigen vertrauſt." Einſtmals dichte der Statthalter vott Syrien Geſandte an ihn wegen zweier Dörfer , die zugädyſt an Zeugma gränga ten , und ließ ihm ſagen , diere è Dörfer hätten vor Zeiten dem Untiochus und Süleukus gehört , jeßt ſtänden ſie als Römis Dieſe Thiergarten werden im Perfiſchen Reiche nicht ſelten
erwähnt. S. Xenoph . Anab. I, 3, 7. II, 4 , 16 son . de Regn, Pers. II, 110. p. 440. ff.
Bris-'
224 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana . sches Eigenthum unter ihm . Die Araber und Urmenier be: feindeten dieſe Dörfer nicht ; er aber überſchreite ſeine Grän :
zen , und benuße die Dörfer , als ob ſie ihm, und nicht den 1
Röm1ern gehörten . Nadidem hierauf der König die Geſand
ten hatte abtreten laſſen , ſagte er : ,, Dieſe Dörfer , Apoữo : nius , haben die genannten Könige meinen Vorfahren als Erſaß für die Nahrung der Thiere überlaſſen , die bei uns gefangen werden , und durch den Euphrat in ihr Gebiet ge hen. Und iebt, als ob fie Das vergeſſen hätten , machen ſie neue und ungerechte Forderungen . Was bedünkt did, nun von der Abſicht dieſer Geſandtſchaft ?" - ,,Sie ſcheint mir ,'' ant wortete Apollonius , ,,mäßig und billig zu ſeyn, da ſie Das, was in ihrem Gebiete liegt , und wider deinen Willen von ihnen weggenommen werden könnte , lieber mit deiner Eins 1
willigung crwerben wollen ." Dann ſette er hinzu , er dürfe es wegen dieſer Dörfer, die vielleicht kleiner wären als mans
ches Privateigenthum , nid )t zu Zwiſtigkeiten mit den Rö: mern kommen laſſen , und aud) ſelbſt über größere keinen Krieg führen .
Als während ſeiner Unweſenheit der König krant wurde,
fprach er ro Vieles und Göttliches über die Seele , daß der König Uthem ſchöpfte, und zu den Umſtehenden ſagte : „Upola (onius benimmt mir die Sorge nid)t nur wegen des König reiches , ſondern auch wegen des Todes ."
39. Als ihm einſtmals der König den unterirdiſchen Weg unter dem Euphrat zeigte , und ihn fragte : „ Was dünft dir von dieſem Wunder ?" antwortete Upoúonius, den Worta
dunſt niederſchlagend : „ Es würde ein Wunder reyni , König, wenn ihr durd, dieſen tiefen und unwegſamen Strom zu Fuße
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gingt."" - Urs er ihin auch die Mauern von Ekbatana zeigte, und ſie eine Wohnung der Götter nannte , ſagte er : ,,Eine
Wohnung von Göttern ſind ſie gewiß nicht ; ob von Mäna nern , weiß ich nicht. Die Stadt der Lacedämonier, o König, iſt ohne Mauern. "
Als er einſtmals in den Dörfern über einen gewiſſen Handel Redt ſprac) , und ſich gegen Apollonius groß damit machte, daß er dieſer Sache ſein Ohr zwei Tage hindurch geliehen habe , ſagte Dieſer : Du haſt das Recht langſam gefunden . "
Uld einſtmals aus den unterworfenen Ländern Geld at: tam , öffnete der König die Schabtammer, und zeigte ihm das Geld , uni ihm Luſt darnach zu machen. Er aber bewuns derte nichts von Dem , was er rah , ſondern ſagte : „Dir,
König , ſind dieß Güter , mir Spreu." - ,, as muß ich alſo thur ," ſagte der König , ,,um ſie gut zu gebrauchen zur ,, Sie gebrauchen," antwortete Apollonius; ,, denn du biſt 1
König. "
40. Nachdem er Vieles dergleichen zum Könige geſagt, und ihn geneigt gefunden hatte , feinen Rath zu befolgen , und auch den Umgang mit den Magiern hinlänglich genoffen hatte , fagte er : „ Jeft; Damis , laß .uns zu den Indern
Die Seefahrer , die zu den Lotophagen kamen, *) wurden durch die Koſt von ihren Heimatlichen Sißen abges
gehen .
1
zogen ; wir aber ſiten hier 1, ohne Etwas genoffen zu haben, långer als ſich ziemt." ,, di 0 , " antwortete Damis, fdheint es auzu lang .' Dod) in Erwägung der Seit, die du *) Odyss. IX, 94 ff. Philoſtratus. 28 Bochn .
6
226 Philoftr. Leben des Ápollonius von Tyana. in der Löwin erkannt haſt, *) erwartete id) ihren Ablauf. Roch iſt. fle nid)t ganz verfloſſen . Ein Jahr iſt vorbei und. vier Monate : und würde es wohl glüdlich für uns regn , wenn wir jetzt aufbrächen ? ,, Der König," antwortete Apollonius, ,,wird uns nicht eher entlaſſen , als bis der achte Monat vollendet iſt. Denn du ſiehſt, ja , daß er gute Ges
ſinnungen hegt, und eines beſſern Looſes werth iſt,1 als über Barbaren zu herrſchen.“
41. Ald. Me nun dieſe Abreiſe,wirklich beſchloſſen hatten, und der König es ihnen geſtattete 1, erinnerte ſich Apollo nius der Geſdenke, die er aufgeſchoben hatte , bis er ſich Freunde erworben hätte ; und ſagte zu dem Könige : „ Ich
habe, beſter König , meinem Wirthe noch nichts Gates era zeigt, und bin aud) den Dagiern einen koht ſchuldig. Sorge
du alſo für ſie , und beweiſe dich an meiner Statt wohlges I
finnt gegen dieſe weiſen und die ſehr ergebenen Männer." Hierüber, freute ſich der König ſehr und ſagte : . Ich will file morgenden Tages beneibenswerth madjen , und ihnen Großes erweiſen . Da du ſelbſt aber Nidyts von dem Meinigen bes darfft, ſo geſtatte wenigſtens, daß dieſe Leute hier Geld von mir annehmen, und Was ſie ſonſt wollen ;" indem er auf Das mis und die Andern deutete. Da aber auch. Dieſe das Una .
erbieten ablehnten , ſagte Apollonius : ,, Du ſiehſt, König, meine 1. Uber Häude, wie zahlreich und einander gleich ſie ſind.“ einen Führer wenigſtens nimm mit , " ſagte der König, ,,und Stamele , um darauf zu reiten ; denn der Weg iſt zu lang,
um ihn ganz zu Fuß zu machen ." - ,, Dieß ," antwortete *) Nach Sap. 22.
Zweites Buch.
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Upolonius , „mag geſchehen ; denn ohne ein folches Mittel
iſt der Weg , wie man ſagt, wicht zu machen . Außerdem ift dieſes Thier leicht zu nähren , auch, wo es ſonſt an Futter fehlt. Uud Waſſer ,1 denk ich , muß man zu dieſer Keiſe
anſchaffen , und in Schiduchen mitführen , wie den Wein ." ,,Das Land," verfekte der König , wiſt in einer Strede VON drei Tagen waſſerlos ; - dann aber iſt kein Mangel an
Flüfen und Bächen ; man muß aber den Weg über den Kate kaſus nehmen ; denn hier ſind alle Bedürfniſſe reichlich zu
haben , und das Land iſt uns befreundet.“ U18 ihn der König fragte , Was er ihm von dort mits bringen würde , antwortete er : ,,Ein erfreuliches Geſchenk,,
König.
Denn wenn mid der Umgang mit den Männera
dort weiſer macht, ſo werde ich beſſer zu dir kommen, als ich ießt bin ." Nach dieſen Worten umarmte ihn der König, und ſagte : ,, Mögeſt du nur wiederkommen ; denn dieſes Gerdenk it
groß . "
Z we i te 8 Buch. 1. Von hier reisten fie um die Sommerzeit ab , bez ritten , wie ihre Führer. Uud hatten ſie einen Wärter
für die Kamele ; und für Áles , was fle bedurften, hatte der König reichlich geforgt. Das land , durch das ſie reisten, war in guter Beſchaffenheit, und die Dörfer nahmen ſie dienſt fertig auf. Denn das erſte Kamel des Zuges trug auf der 6 *
228 Philoftr. Leber: des Apollonius von Tyana. Stirn eine goldene Spange, *) woraus Jeder , der ihnen bes gegnete, erkennen konnte, daß der König Einen ſeiner Freunde rende.
Bei der Annäherung an den Kaukaſus (půrten Rie von 3. dem Lande einen beſondern Wohlgeruch. Dieſes Gebirg halten wir für den Anfang des Taurus, **) der ſich durch Armenien und Cilicien nach Pamphylien und Mykale hinzieht. Dieſes Vorgebirg, das in das Meer ausgeht, an welchem die Karier
wohnen, kann für das Ende des Kaukaſus gelten , nicht aber, wie Einige meinen ,1 für ſeinen Anfang. Denn die Höhe vou Mykale ***) iſt nicht ſehr bedeutend, während ſich die Gipfer des Kaukaſus ſo hoch erheben , daß ſich an ihnen die Sonne
ſcheidet. Er umfaßt aber mit einem andern Taurus +) auch das ganze; an das Indiſche Land grenzende , Senthien am Råotiſchen See und der linken Seite des Pontus , in einer
Pänge von ziemlid) zwanzigtauſend Stadien.
Denn eine fo
große Strecke Landes umfaßt der Urm des Kaukaſus. Was *) Bon dieſem Gebrauche roseint ſonſt teine Meldung zu geſche hen , wohl aber , daß die Pferde des Königes mit einem gols denen Zügel geſchmückt waren. Xenoph. Cyrop. I, 3, 3.
S. Brisson, de Rego. Pers. I, 148. p. 99. (208.) **) Ueber den Taurus und ſeine manuiafaltigen Verzweigungen
f. Strabo XI , 1, 8. 11. *** ) Das Vorgebirge Mytale liegt Sames gegenüber, und iſt der Endpunkt einer Gebirgtette , die ſich am Måander hinzicht. Strabo XIV , 1 , 12 , Mannert's Geogr. der Or. u . R.
6. Zh. 3. Abth. S. 291 . +) Ohne Zweifel die Gebirgtetten , die ſich von der Kaukaſiſden Landenge herab durch Syrtarien bis an den Paropamiſus und Imaus fortziehen .
Zweites Buch .
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man aber von unſerem Taurus ragt, und was lange nicht
geglaubt worden iſt , daß er über Armenien hinaus gehe, bes träftigen bereits die Panther , die , wie ich weiß , in dem ges
würzreidhen Pamphylien gefangen werden. Denn dieſe Thiere freuen ſich an Wohlgerüchen ;- und da ſie dieſelben in weiter Ferne wittern , gehen ſie aus Armenien durch die Gebirge den Thränen [dem Gummi) des Storar nach), wenn die Minde von dort her wehen, und die Bäume faftreich ſind. Uuch er: zählt mal ,I daß eiuſt in Pamphylien ein Panther gefangen worden , mit einem Halsbaude. Das Halsband war von Gold ,
und hatte in Urmeniſchen Buchſtaben die Inſchrift : König. Arrakes dem Ny riſchen Gotte.
Dieſer Arſakes war
damals König von Urmenieu, und hatte, wie ich glaube , den von ihm gefangenen Panther wegen der Größe des Thiers dem Dionyſus freigegeben . Denn Dionyſus wird wegen des Judiſchen Nora von den Indern und allen nach Aufgang hin
wohuenden Völkern Nyſlus *) genannt. Dieſes Thier bezeigte ſich eine zeitlang ganz unterwürfig, und ließ ſich mit der Hand angreifen und ſtreicheln ; als ihn aber der Frühling in Brunft fekte, wo auch Panther der Liebe unterliegen , entlief er aus
Berlangen nach einem Männchen mit rammt ſeinem Schmuce in das Gebirg : und von dem Wohlgeruchej der Spezereien ges: lodt , wurde er auf dem untern Taurus gefangen. 1
Der Kaukaſus ſcheidet das " Indiſche und Mediſche Land, und ſenkt ſich mit einem andern Arme bis zum rothen Meere hinab . * ) S. Creußer's Symbol. 4. TH. S. 237. Der Name eines Berges Ni yra findet ſich aber auch in Thrazien , wo der
Dienft des Dionyſus einheimiſo war. Jl. V ), 130. ff.
230 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana . 3. Bon dieſem Gebirg haben die Barbaren dieſelben Sagen , wie die Hellenten , daß Prometheus wegen ſeiner Renſdenliebe dort angeſchmiedet geweſen , und ein Herakles, aber nicht der Thebaniſche, *) Dieſes nicht geduldet , ſondern den Bogel erſdoffen habe , welden Prometheus mit ſeinen
Eingeweiden nährte.
Nach Einigen war er in einer Höhle
geféffelt, die man an dem Fuße des Berges zeigt ; und Da mais fagt , es wäreu an den Felſen Bande aufgehangen , deren Stoff ſich nicht beſtimmen laſſe ; nach Undern an dem Gipfel des Berges. Dieſer Gipfel hat zwei Spiten ; und an dicſett,
obgleich nicht weniger als ein Stadium von einander entfernt, folk er -mit den Händen angeſchloſſen geweſen ſegu ; denn ro groß war er. Den Bogel aber , den Adler, betrachten die Bewohner des Kaukaſus als einen Feind, ſo daß ſie die Ne ter , welche die Adler auf der Felſen bauen , mit feurigen Pfeiten beſdießen, und anzünden . Aud) Fallen ſtellen fie ihr
Ben , um , wie ſie ſagen , den Prometheus zu rächen. Solche Gewalt hat die Sage über lie. 4. Nach dem Uebergange über den Kaukaſus **) erblic
* ) Die Macedonier nannten den Paropamiſus Kaukaſus ; und eine Köhle jenes Gebirgs ſollte die feyn, in welcher Promes theus angeſchmiedet geweſen . Pon Serakles Anweſenheit in Indien wurden auch mancherlei Spuren nachgewieſen : „ Wem Dieſes glaublich iſt,“ ſagt Arrianus (Hist. Indic, c. 5. ), „Der darf hier nicht an den Thebaniſthen Szerakles denken , ſondern an den Lyriſchen oder Aegyptiſden , oder an einen andern
machtigen König aus der Naqbarſchaft Indiens.“ Vergl. Diod. Sic . XVII, 83. , wo der auf dem Paropamifuß auf bewahrten Ketten Erwähnung geſchieht. Den Paropamiſus. S. Diodor. Sic . a. a. 5.
231
Zweites Budy.
Yen ſie, wie ſie ſagen , Menſchen von vier Ellen Länge , die ſchon fichwärzlich waren , und nachdem ſie über den Judus 1
gelebt hatten , Andere von fünf Ellen.
Auf dem Wege bis
zu dieſem Fluſſe ſtießen ſie auf folgende Merkwürdigkeit. Da file nämlid , bei hellem Mond dyein reisten , kam ihnen das Trugbird der Empuſa * ) in den Weg , die bald Dieß wurde,
bald wieder Jenes , und dann Nichts . Apolonius ahnte, was es wäre, und rief ihr Schmähworte zu, und befahl ſeis 1
Hen Begleitern, Daſſelbe zu thun ; denn Dieß rey das Mittel gegen ihre Angriffe. Und ſo flob das Phantom , (dridend wie die Schatten der Todten. **) 5. Während fle den Gipfel des Berges überſtiegen , uud,
weil der Weg feil und abſchüſſig war, zu Fuß gingen, fragte Upotonius den Damis : ,,Sage mir, wo waren wir geſtern ? " D 1. In der Ebene,'' antwortete Damis. Aber wo heute ?"
,, Äuf dem Kaukaſus ," antwortete Jener, ,,wenn ich mich nidyt ſelbſt vergeffen habe. "
Wann waren wir alſo, " frug
er weiter, ,,tiefer unten ?" ,, Das iſt ja wohl keine Frage, 'berfeste Damis. ,,„ Geſtern gingen wir durd, vertieftes Land ; heute ſind wir dem Himmel nahe." - ,,Du ol glaubſt alſo, frug Apollonius weiter, ,,daß unſer geſtriger Weg unten , der Heutige oben iſt ? !" – ,,Gewiß," antwortete Jener , wenn ,, ma *) Vergl. IV, 24 .
**) Tetpłyós, wie geleſen werden muß. So entflieht ( II. XXIII, 100.) 'die Setre des Patroklus: xarà X9ovós, Ούτε καπνός , ώχετο τετριγυΐα . Οesgteidsen αλά (98. XXIV, 5.) die Seelen der Freier,föhrillend (Toigovoai), wie Fledermäuſe, die in den Liefen einer Höhle fliegen .
232 Philoſtr. Leben des Apollonius von Lyana. ich andere bei Sinnen bin ."
,, Was findeſt du nun für
einen Unterſchied zwiſchen dieſen beiden Wegen ? Oder was glaubſt du heute vor geſtern roraus zu haben ?" „ Geſtern ," erwiederte Damis , gingen wir , wo Biele , heute , wo nur 1
Wenige gehen .“ – „ Nun ," ſagte Upoxonius , ,, kann man denn nicht auch in der Stadt , wenn man die Hauptſtraßen vermeidet, unter Bevigen gehen ?" ,, Nicht Dieß hab ' icy .
geſagt," antwortete Damis : „ ſoudern daß wir geſtern durch
Dörfer und Menſchen wanderten , heute aber durch ein un: betretenes, göttliches Land ziehen. Denn du hörſt ja von dem Führer , daß die Barbaren es für die Wohnung der Göts ter halten ; " und zugleich ſah er nach dem Gipfel des Ber: ges hinauf. Apollonius aber führte ihn auf den Grund ſeis ner erſten Frage zurüc , und ſagte : ,,Kannſt du mir alſo angeben , Damid, was du jeßt , wo du dem Fimmel ſo nahe gehſt, von dem göttlichen Weſen begriffen haſt ?" – ,, Nidyte Nichts ,"" ,, Und doch ſollteſt du," fuhr Jener
antwortete Damis .
fort , wießt, da du auf einem ſo gewaltigen und ſo göttlichen Aufbau ſtehst, einen deutlichern Begriff von dem Himmel, von der Sonne und dem Monde haben , da du dem Himmel hier ſo nahe biſt , daß du vielleicht glauben kannſt , ihu mit dem Stabe zu berühren . " ,, Was id ," autwortete Damis , un geſtern von dem göttlichen Wefen erkannte , das erkenne ich auch heute davon, und es iſt mir keine neue Meinung darüber beigefallen ." - ,, Atro," verſeßte perfekte Apollonius, ,,biſt du noch immer unten, und haſt durch die Höhe 'Nichts gewonnen , und 11
biſt heute nod, ſo weit vom Himmel entfernt, als geſtero .
Was ich dich alſo vorhin fragte , war ganz recht ; und doch hielteſt du es für eine lächerliche Frage.“
Zweites Buch.
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„ Ullerdings , " ſagte Damið , vihoffe ich weiſer herabzus ſteigen , weil ich gehört hatte , daß der Klazomenier Anara goras von dem Joniſdyen Mimas *) die himmliſchen Erſcheis
nungen beobachtet habe ; und Thales ,1 der Mileſier, von dem benachbarten Myrale. Auch ragt man ja von Einigen , daß ihnen der Pangåus, ſo wie Underr der Athos, zum Phrontis ſterion **) gedient habe. Ich aber bin nun höher hinaufge ſtiegen , als irgend Einer , und werde dod, nidyt weifer hins abgehen , als ich früher war. ,,Uud Jene nicho, " ſagte Upollonius . ,, Dieſe Höhen zeigen zwar den Himmel blauer, und die Sterne größer, und die aus der Nacht hervortretende Sonne , was auch ſchon Schäfern und Ziegenhirten bekannt
iſt. Wie aber die Gottheit für das menſchliche Geſchlecht ſorgt, wie ſie ſich ſeiner Verehrung erfreut , Was die Zu. gend , und Was die Gerechtigkeit,1 und Was die Enthaltſam keit iſt , das wird weder der Uthoe Denen , die ihn beſteis gen , lehren , noch der von den Dichtern gefeierte Olymp, wenn es nicht die Seele erſdaut. Denn wenn Dieſe fich rein und unbefleckt hiermit beſchäftigt, ſo kann ich behaupten, daß ſie ſich weit höher erhebt , als der Kaukaſus hier ."
6. Uld ſie das Gebirg überſtiegen hatten , begegneten fie con Leuten , die auf Elephanten ritten.
Dieſe befinden
Eine Gebirgkette , sie auch mit dem Laurus zuſammenhängt, und in der Halbinſel ausgeht , welche die ſüdliche Küſte des Hermaiſchen Meerbuſens bildet. Anaxagoras , ein Zeitges noſle des Perikles , der auch für ſeinen Schüler gehalten wird, war durch ſeine Naturphiloſohie berühmt. S. Paldenaer's
Diatr. in Euripid. c. IV. ff. **) Das Studirzimmer.
234 Philoſtr. Leben des Apolonius von Zyana. fich zwiſchen dem Kaukaſus und dem Flufte Rophen. * ) Sie
ſind unbegütert, **) und Reiter dieſer Thiere. Einige ritten auch auf Kamelen , die von den Indern zum Schnelllauf ge: 1
braucht werden. Sie legen in einem Tage tauſend Stadien
zurück , ohne zu raſten . Auf einein ſolchen Kamel näherte fich Einer der Juder , und fragte den Führer , wo es hit ginge ; und als er die Abſicht der Reiſe vernahm, meldete er es den andern Nomaden. Dieſe erhuben ein Geſchrei , wie vor Freude, und ließen fle näher kommen ; und dá fie kamen, reichte man ihnen von dem Weine , den ſie aus Palmen be reiten , und Honig von demſelben Baume, und Stücke von Löwen und Panthern , denen eben die Felle abgezogen was ren. Sie nahmen Alles an , das Fleiſch ausgenommen , und
zogen durch die Inder hin , dem Uufgange zu. 7. Indem fle nun an einer Quelle frühſtüdten, ſchenkte Damis von dein Weine ein , den ſie von den Indern erhal:
ten hatten , und ſagte : ,,Dem rettenden Zeus ***) Dieß für *) Auch Rophe& genannt. S. Mannect's Geogr. der Gr. u. R. 5. Lh. S. 28.
**) "ABLÓL. Nomaden, wie jene Abier bei Homer SI. XIII, 6. (S. Philoſtr. Serdengeſchichten S. 56.) , was freilich auch Manche unter den Arten durch reichbegů tétt erklären .
Die nächſten Worte inrótas rñs dyćans taúrns tönnte man auch sa åter überſeßen , wie oben E. 1. itito
xóuos tãy xdunov, und bei Ariſtophane8 im Fries den v. 74. xavgapov innoxoueiv geſagt iſt. ****) Dem Zeus Soter bei'm Zrinken ein Opfer auszugießen,
zur Erinnerung , daß maßiger Genuß (gemiſchten ) Weines zur Wohlfahrt diene, (ou Amphittoon den Athenern geboten
Haben. Athendus II, 7. .p. 39. C.
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Zweites Buc.
did) , Apollonius , nach ſo langer Enthaltung vom Erinken . Denn dieſen Trank wirſt du doch nicht verfdjmähen , wie den von den Reben." Uud zugleich goß er Trankopfer aus, nach Erwähnung des Zeus . Lachend ſagte hierauf Apollonias : ,, Uller : ,, Enthalten wir uns nid ;t auch des Geldes ? bingo ," antwortete Damis , ,,wie du bei vielen Gelegenheis ,, Alſo gordener und ſilberner Dracha *teu gezeigt haſt." 'men ," fuhr Apollonius fort , „ enthalten wir uns , und laſs 1
-
Pen uns von ſolcher Urt Münze nicht beherrſden , wenn wir greich ſehen , daß nicht bloß Privaten , ſondern auch Kos 'nige darnach begehren ? Wenn man uns aber ehernes Geld
für filbernes , oder ein vergoldetes und verfälſchtes Stüc Anbietet, wollen wir Dieſes annehmen, weil es nicht Das iſt, Tornad) die Menge ſtrebt ? Die Faber haben aud) Geld bon Meſſing und ſchwarzem Erz , wofür Jeder , der in ihr Land kommt, Seglidyes kaufen muß. Wie nun ? wenn uns die gu " ten Nomaden Geld geboten , und ich dieſes Anerbieten aus: geſchlagen hatte , würdeſt du mich darin belehrt haben , daß Das , was die Römer prägen , oder der König der Meder, 'wohl Geld rey ; dieſes hier aber ein ganz anderer , von den Indern fünftlich bereiteter Stoff ? Und wenn ich mir Dieres hatte einreden laſſen , wofür würdeſt du mich halten ? Würde ich dir nicht felbft wie ein unächtes Goldſtück vorkommen , oder wie Einer , der die Weisheit gerade po bon fich gewors fen hatte , wie ſchlechte Soldaten ihren Schild ? Und doch kann für einen weggeworfenen Sdild der Wegwerfende, wie Archilochus *) meint , einen anderu 1, nicht ſchlechtern bekoms 1
*) Nach einem Epigramme, in welchem . er dieſen Unfall ent
236 Philoftr. Leben des Apollonius von Dyana. men ; die Weisheit aber wieder zu gewinnen , wenn man die einmal verſchmäht und von ſich geworfen hat, wie route Das
möglich reyn ? Jeßt verzeiht mir Dionyſus wohl , wenn ich mich gar keinem Weine ergebe ; wenn ich aber den Wein der Palme den Rebenweine vorziehen wollte, ſo würde er zuvers
Täſſig, gürnen , und mid) tadeln dürfen ,1 daß ſeine Gabe von mir verhöhnt werde.
Wir ſind aber nicht weit
ehr von
dem Gotte entfernt ; denn du haſt von dem Führer gehört, daß der Berg Nyra nah’ iſt, auf dem Dionyſus vieles Wuns derbare thut. Auch entſpringt, Damis , die Trunkenheit dea Menſchen nicht bloß aus den Trauben ; ſondern auch das aus Palmen bereitete Getränk hat eine berauſdjende Kraft. Bes
gegneten wir nicht ſchon vielen Indern , die von dieſem Ges tränke berauſcht waren ? Die Einen tanzen wankend und nie derfalkend, die Undern fingen im Halbfdylummer , gerade wie bei uns Die , welche Nachts und nicht zu rechter Zeit vom Trinkgelage weggehen. Daß du aber auch ſelbſt dieſes Ges träne für Wein hältſt , zeigſt du dadurch an ,1 daß du dem Zeus davon ſpendert ,1 und durch das beim Weine herkömma liche Gebet. Dieſes , Damis , habe ich dir zu meiner Rechtë ſchuldigt, der ihm in einer Schlacht mit den Saïern begegnet war .
S. Liebel's Archilochi Reliquiae p. 150. LVIII. ; nad Wes bers Ueberſ. (in den elegiſchen Dichtern der Hellenen S. 11.) : Ueber den Schild ſiegprangt ein Saïer, welchen im Strauch werk
Dort, die untadliche Wehr, ohne Berſchulden ich ließ. Aber ich ſelbſt entkam doch dem Zob ! Sinfahre der Schiro benn
Immer ; ein Soleshtrer vidt four barb mir bewaffnen Sen Arm :
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fertigung geſagt; dich aber will ich nicht abhalten zu trinken , und auch unſere Begleiter nicht. Auch von dem Fleiſche gie : ſtatte ich euch zu eſſen . Denn euch kann die Enthaltung das von keinen Nußen bringen , wohl aber mir , in Folge des von mir mit der Philoſophie von Kindheit an geſchloſſenen Bundes ."
Dieſe Worte nahm Damis und die andern Begleiter zu Herzen , und freuten ſich des Schmauſes; denn ſie glaubten,
leichter zu reiſen , wenn ſie ſich reichlicher beköſtigten. 8. Nadidem fie über den Fluß Kophen geſetzt hatten, tie Männer auf Schiffen , die Kamele durch das Waſſer ges befanden hend denn der Fluß iſt hier noch nicht groß ſte ſich im Königlichen Lande , wo ſich der Berg Nyra mit .
einem hohen Gipfel erhebt , wie der Tmolus in Eydien. Er ift zu beſteigen ; denn der Anbau hat ihn zugänglich gemacht. Nachdem ſie hinaufgeſtiegen waren , gelangten ſie , wie ſie fagen , zu einer heiligen Stelle des Dionyſus , welche Dios nyſus ſelbſt mit Lorbeerbäumen bepflanzt haben ſoll , die im Kreiſe umher ſo viel Raum einſchließen , als zu einem mä Bigen Tempel genügt. Dann habe er die Lorbeerbäume mit Epheu und Weinreben umpflanzt , und inwendig ſein Bild 1
I
aufgeſtellt , indem er zum Voraus geſehen, daß die Zeit dieſe Bäume vereinigen und ein Obdach aus ihnen bilden würde.
Und Dieſes iſt denn jetzt auch ro zuſammengewachſen , daß weder der Regen hineindringt , noch der Wind es durchweht.
Hier find dem Dionyſus Hippen geweiht, und Körbe, und Kera tern, und was zur Kelter gehört, wie einem Weinleſer, Ales
von Gold und Silber. Das Bild gleicht einem Indiſchen Jünglinge, und iſt aus weißem Steine gehauen. Wenn er die
238 Philoftr. Leben des Apollonia's von Tyana. Orgien feiert, und deu Nola erſchüttert, höreu ihn die Städte
am Fuße des Berges , und nehmen an der erhebenden Bes geiſterung Theil.
9. In Rüdſicht auf dieſen Dionyſus ſind die Bela lenen mit den Inderg , und die Inder ſelbſt unter einander nicht einig.
Wir behaupten , daß der Thebaniſche Dionyſus,
heerführend und im Bacchanal zu den Jndern gezogen ren , und führen den Beweis Biervon außer andern , auch durch das Weihgeſdent in Pytho , welches die dortigen Schaßkams mern aufbewahren. Diefes beſteht in einer Scheibe von In
diſchem Silber mit der Aufſchrift : ,, Dionyſos , der Sohn der Semele und des Zeus , dem Delphiſchen Apoớo von den Endern ." - Dagegen behaupten diejenigen Juder , die um den Kaukaſus und den Fluß Kophen wohnen , er ſey als ein Afiyriſcher, mit der Sadje des Thebaniſchen Dionyſus ber kannter Fremdling ju ihnen gekommen ; Diejenigen aber , die
zwiſchen dem Judus und Hydraotas wohnen, und weiter hin auf in dem Feſtlande , das an dem Ganges endigt , ſagen , Dionyſus ſey ein Sohn des Fluffes Judus geweſen ; mit Dieſem habe der aus Theben Umgang gehabt , den Thyrſus von ihm
angenommen , und Orgien gefeiert. Dieſer} nenne ſich denn auch einen Sohn des Zeus , in deſſen Hüfte er genährt worden ; und habe einen Berg Meros *) gefunden , an den der Nyia *) Die Hüfte. Als ein nicht unbedeutendes Zeichen von Bacchus Feldzug nach Indien führt Arrianus (Iudic. c. 5. ) die Stadt Nyſa an und den Berg Meros, und den Epheu , der auf dieſem Berge wachst; endlich auch die gefleckte Kleidung der Inder , und ihren Gebrauch , mit Trommeln und Eymbeln in den Krieg zu ziehen. Pergl. Arrian . Exp. Alex . V , . Strabo XV, 1. Tom. VI. p. 13.
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anſtoße ; und den Nyra habe er dem Dionyfos zu Ehren aus gebaut , indem er Fediſer des Weinſtods aus Theben dahin gebracht habe. Hier habe auch Ulerander die Drgien ge feiert, *) Die Bewohner des Nyſa Teugnen aber , daß Ule: rander den Berg beſtiegen Fabe. Sein Ehrgeiz zwar und ſeine Liebe zum Alterthume habe ihn dazu angetrieben ; aus Beforgniß aber, daß die Macedonier , wenn ſie zu den Wein: ſtöden kämen ,. die ſie lange nicht geſehen hatten , ſich nachy der Heimath rehnen , oder wieder Verlangen nach Wein füh len möchten , nachdem ſie fich an das Waſſer gewöhnt hatten, 1
Tey er an dem Nyſa vorübergezogen , und habe am Fuße des Berges zu dem Gotte gebetet , und ihm Opfer gebracht. Ich weiß zwar wohl , daß ich Dieſes Einigen nicht zu Dante fchreibe , da die Theilnehmer an den Feldzügen Aleranders auch hierin die Babrheit nicht geſchrieben haben. Meine Pricht aber iſt, die Wahrheit zu ſagen ; und wären Jene eben ſo geſinnt geweſen , ſo hätten ſie dem Ulerander dieſes Lob nicht entzogen. Denn was ſie von dem Beſteigen des Berges und den darauf gefeierten Orgien erzählen, ſteht, mei nes Bedünkens , weit dem Gedanken nach , ihu um der Más ßigkeit des Heeres willen nicht zu beſteigen. 10. Den Fels Hornos, welcher nicht weit von dem Nyſa entfernt liegt , hat Damis , wie er ſchreibt, nidyt geſehen ; denn er liege außer dem Wege ; und der Führer habe Be denken getragen , vou dem geraden Wege abzuweichen. Er
* ) Dieſe Feſtlichkeit erwähnt Arrian Exped. Alex. V , 3., und mit rhetoriſchem Pompe Curtius VIII, 10. Pergl. Saint Croix Exam . crit p. 389,
240 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana . habe aber gehört , daß er von Ulerander eingenommen wor: den , und dorto $ *) genannt ren , nicht wegen ſeiner Höhe von funfzehn Stadien ; denn die heiligen Vögel fliegen body höher ; ſondern weil auf dem Scheitel des Felſen , der Sage nach), ein Spalt rey , der die darüber fliegenden Vögel an ſich ziehe, wie man auch zu Athen in der Vorhalle des Par : thenon rehen könne, **) und an vielen Stellen des Phrygi : fchen und Lydiſchen Landes . Davon ren und heiße der Berg Hornos .
11. Uuf dem Wege nach dem Indus begegnete ihnen ein Kuabe von etwa dreizehn Jahren , der auf einem Ele : phanten ritt , und das Thier ſchlug ; und da ſte fich hierüber wunderten , ſagte Apolonius zu Damis : ,was iſt wohe Was kann es an das Geichäft eines guten Reiters ?" ders ſeyn ," antwortete Jener , vars feſt auf dem Pferde zu riben , es zu beherrſchen ,1 mit dem Züyel zu lenken , zu ſtra : fen , wenn es etwas verſieht , und Achtung zu haben , daß das Pferd nicht in eine Grube oder einen Graben oder Erda rohlund ſtürze , beſonders wenn es durch einen Sumpf oder durd Roth geht ?" - ,,Und ſonſt , " fragte Apollonius weis ter , ,,wollen wir von einem guten Reiter Nichts fordern ?" ,, Allerdings , " erwiederte Damis , rauch Dieß , daß er dem 1
-
1
*) Dieſen Namen leiteten Einige von õpvis, der Vogel, ab. Die Alten fabelten , Szerakles habe dieſen ſteilen Fels nicht erobern können ; dem Macedoniſchen Könige ſen es ohne große Mühe gelungen . Diodor. Sic. XVII, 85, Arrian IV, 28. u. A.
**) Auf eine ähnlide Erſcheinung macht Lucretius aufmerkſam VI, 749. , wo aber nur von einem Abſcheu der Piger vor einer Stelle in dem Temger der Pallas zu Athen die Rede iſt.
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Pferde , wenn es bergauf geht , den Zügel nachlafle , an Abs hängen aber ihn anziehe. Uuch daß er dem Pferde die Ohs ren ſtreichle oder die Mähnen , und nicht immer die Peitſche brauche , iſt von einem geſcheuten Reiter zu fordern ; und ich .
werde ihn loben müſſen , wenn er auf dieſe Art reitet.“ „ Uud dem Krieger, Was liegt Dieſem ob 3? ! - ,, Daſſelbe, " antwortete Damis , „ und außerdem noch , daß er wiſſe zu
( chießen , und fich zu fdjüßen ; angufprengen , und ſich zurüdt : zuziehen ; dem Feinde auszuweichen , und das Pferd zu ge 1
wöhnen nicht ſcheu zu werden , wenn ein Schild ertönt, oder die Helme bliben, oder der Päan angeſtimmt, und das Krieges gefdirei erhoben wird. Uuch Das , glaube ich, gehört zu der Kunſt des Reiters. "
„ Uud was wirſt du , " fuhr Apollonius fort, von dem Reiter hier auf dem Elephanteu fagen ?" - Daß er noch ,, viel bewundernswürdiger iſt," antwortete Damis. ,,„Denn daß ein folder Knabe ein ſolches Thier beherrſcht, und es mit dem Stabe (enkt , den er , wie du ſiehſt , wie einen Ans
ter in den Elephanten einſdylågt , und daß er weder den Au blic des Thieres fürchtet, noch ſeine Höhe, noch reine gewala tige Stärke , Das ſcheint mir außerordentlich : und , bei der
Athene , ich würde es nicht geglaubt haben, wenn ich es von einem Andern gehört hätte." ,,Wie nun ," ſagte Apoưonius , wenn man uns den Knaben verkaufen wollte, würdeſt du ihn kaufen , Damis ?!!
,,Gewiß ," antwortete Damis .
„Ich gåbe meine ganze
Habe darum. Denn daß er, wie von einer Burg herab, das größte Thier beherrſcht , das die Erde nährt , Das ſcheint mir ein Zeichen einer freien und herrlichen Natur zu ſeyu.“ Philoſtratus. 28 Bodyn .
242 Philoftr. Leben des Apollonius von Tyana. ,,Bozu aber , " fuhr Apollonic:s fort , ,, kannſt du den Knaben brauchen , wenn du nicht auch den Elephanten kaufſt ? "
„Ich werde ihn ," antwortete Damis , „ über mein Haus und mein Geſinde reben ; und er wird Dieß weit beſſer re gieren , als ich ." - ,,Bermagſt du es nicht ſelbſt zu regies -
1
ren ? " ſagte Apođonius.
-
„ Uuf die Weiſe wie du, Apollo
nius. Denn ich habe das Meinige verlaſſen , und ziehe um her wie du, um meine Wißbegierde zu befriedigen , und die I
Fremde kennen zu lernen ." ,, Wenn du nun den Knaben kaufteſt , und du hätteſt zwei Pferde , einen Renner und ein 1 Uur Streitroß , wirſt du ihn auf dieſe Pferde reßen ?" den Renner wohl, " erwiederte Damis , ,,wie ich auch An dere thun rehe ; das gerüſtete Streitroß aber , wie könnte er das reiten ? Denn er könnte den Schild nicht tragen, deffen
der Reiter bedarf, noch den Panzer oder den Helm. Und wie möchte er , der wahrſcheinlich noch ſtammelt , die ſchwere Lanze fdwingen , da er kaum den Schaft eines Wurfſpießes oder eines Pfeiles handhaben würde ?" ,, Das alſo ," fuhr Apollonius fort , „ was den Elephanten lenkt und treibt , iſt wohl etwas Anderes und nicht dieſer Führer , den du in dei: nem Erſtaunen faſt wie einen Gott verehrſt."
könnte Das reyn ?
C
,, Was
ſagte Damis. ,, Denn bei dem Thiere
rehe ich nichts anders , als dieſen Knaben." ,, Dieſes Thier , " antwortete Upollonius , viſt vor allen andern folgram ; und wenn es einmal gezwungen worden iſt, ſídy dem Willen des Menſchen zu fügen 1, duldet es von ihm Aưes , invid bemeißt ſeine Gewöhnung an ihn. Gern nimmt es die Nahrung aus ſeiner Hand , wie die kleinen Hunde ;
wenn er ſidy ihm nähert, ſchmeichelt es ihm mit dem Rüſſel,
Zweites Buch .
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läßt ſeinen Kopf in den Schlund ſtecken, *) , und öffnet feis nen Rachen , ſo lange es dem Menſchen beliebt , wie wir bei den Nomaden geſehen haben. Bei Nacht aber , ſagt mau,
bejammert es reine Knechtſchaft, nicht mit dem Laute , den man an ihm gewohnt iſt, ſondern mit einem kläglichen Jame. 1
.
Kommt aber ein Menſch dazu , ſo hält der Eles phant mit Klagen ein , gleichſam als ſchäme er fich . Er bes
mertone.
herrſcht ſich alſo ſelbſt , Damis, und die Fügſamkeit der Nas 1
tur lenkt ihn mehr , als der auf ihm flbende und regierende Führer .11
12. Un den Indus gelangt , rahen ſie eine Heerde vou
Elephanten durdy den Fluß gehen , und hörten Folgendes von dieſem Thiere. Einige von ihnen wohnen in Sümpfen , andere auf den Bergen ; eine dritte Gattung in den Ebenen : dieſe werden zum Kriegsgebrauche eingefangen. In der Schlacht
ſind ſie mit Thürmen gerüſtet, welche zehn bis fünfzehn Ins der faffen , von denen Dieſe wie von einem Bollwert herab mit Pfeilen und Wurffpießen ſchießen . Das Thier ſelbſt bes .
handelt ſeinen Rüſſel wie eine Hand , **) und bedient fich ſeiner "zum Schleudern. Um ſo viel aber der Libyſche Ele:
phant größer iſt, als ein Niſäiſches Pferd , ***) um ſo viel ſind die Indiſchen größer als die Libyſden .
Von dem Alter
des Thieres , und daß es ein ſehr langes Leben genießt, has ben Andere geſprochen. Aber auch unſere Reiſenden erzähs Ten , bei Tarila , der größten Indiſchen Stadt, einen Ele :
phanten angetroffen zu haben , den die Einwohner ſalbten *) S. Achilles Vat. IV, c. 4 .
**) Cicero de N. D. II, 47 : manus etiam data elephantis. ***y S. zu I, 31 .
7*
244 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. und mit Bändern ſchmückten. Denn er war einer von des nen , die für den Porus gegen Alerander getänıpft hatten ; und weil er ro tapfer geſtritten , hatte ihn Alerander der Sonne geweiht. *) Er trug auch goldene Spangen um die Zähne oder Hörner , wie man wil, und auf dieſen eine Hela feniſde Inſchrift: ,, Alerander , der Sohn des Zeus , den Ujas der Sonne.“ Dieſen Namen hatte er dem Elephanten gegeben , indem er Großes mit Großem **) verglich. Nun rechneten die Einwohner feit jener Sdhlacht breihundert und fünfzig Jahre , wobei ſie das Ulter , das er damals ſchon hatte , nicht mit in Auſchlag brachten. 13. Juba, welcher einſt über das Libyſche Vole herrſchs te , ***) erzählt , es hätten vor Zeiten Libyſche Reiter mit einander auf Elephanten gekämpft ; den einen wäre ein
Zhurm in die Zähne einge&pt geweſen ,1 den andern nichts . Während des Kampfes wäre die Nadyt eingefallen ; die bes geidyneten wären beſiegt worden , und hätten fid) in das Ses
birg des Atlas geflüdytet. Nach Verlauf von vierhundert Fahren habe er ſelbſt einen der entflohenen gefangen , und das Zeichen ſey vertieft, und von der Zeit nidit abgeriebet gea weſen . Dieſer Juba hält die Zähne der Elephanten für Hörs *) S. unten 6. 24 .
**) Ajas , der Sohn des Telamon , hieß vorzugsweiſe der Große.
S. Philoſtrat. Sersengeſch. S. 96. Einen Elephanten, Nas mens Ajas , erwinnt auch Plin. VIII, 5. S. 5 . ***) Juba , König von Numidien und Mauritanien , der wihrend
Teiner Gefangenſdaft zu Rom eine gelehrte Erziehung erhielt, hatte unter andern eine Beſchreibung von Afrifa und Xras
bien geſchrieben , woraus die Arten viele naturýiſtoriſche Bes obachtungen anführen.
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ner, *) weil fte ihren Urſprung da nahmen , wo die Schläfe, und mit feinem andern Zahne in Berbindung ſtehen ; danu auch : weil ſie bleiben , wie ſie einmal gewachſen ſind , und nicht wie die Zähne ausfallen , und dann wieder wachſen . Ich kann dieſem Grunde nicht beiſtimmen . Zwar fallen die Hörner nicht bei allen Thieren ab und wachſen wieder ,1 aber doch bei den Hirſchen ; die Zähne aber fallen freilich bei der Menſchen aus und wachſen alle wieder ; bei teinem andern
Thiere aber wird ein Sauzahn oder eiu Hundezahn von ſelbſt ausfallen , oder, wenn er ausgefallen iſt, wieder nachwachſen ; denn die Natur reßt ſie als Waffe in die Kinnbacken. Auch
bilden außerdem die Hörner in jedem Jahre gegen die Wurzel eineu Kreis , wie man an den Ziegen ſehen kann , und an
den Schafen und Rindern. Der Zahn aber wächst glatt hers aus, und behält, wenn ihn Nichts verſtümmelt, dieſe Beſchaf:
fenheit bei. Denn rein Stoff und Weſen iſt ſteinartig. Fers
ner tragen nur die Thiere mit geſpaltenen Hufen Hörner ; der Elephant aber hat fünf Zehen und ein fünffach geſpalte nes Fußgeſtellt,1 das bei der Verbindung der Zehen wie im Nafſen ſteht. Bei allen gehörnten Thieren hat die Natur
das Innere des Knochen löcherig gebildet, und es von Außen mit dem Horne überzogen ; bei dem Elephanten aber geſtaltet ſte es voll und durchaus gleich. Deffnet man es aber , ro zieht ſich durch die Mitte ein dünner Gang wie durch die Zähne. Die Zähne der Sumpfelephanten find breid on Farbe , von lockrer Subſtanz , und zur Bearbeitung untaug
*) Plin. VIII, S. 4 : Praedam ipsi in se expetendam sciunt solam esse in armis suis , quae Juba cornua appellat, Herodotus lanto antiquior et consuetudo melius dentes.
246 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. lid ). Denn häufig berbergen ſie im Innern hohle Gange ; oft treten auch harte Körner in ihnen vor , die der Kunſt im Wege ſtehen . Die Zähne der Bergbewohnenden ſind klei:
ner als dieſe, hinlänglich weiß , und frei von Fehlern , die die Arbeit erſchweren .
Die beſten aber ſind die Zähne der
Elephanten aus dem flachen Lande. Denn dieſe ſind von vors füglicher Größe und Weiße , angenehm zu bearbeiten und fügſam zu Alem ,! was die Hand will. Soll ich endlich auch
den Character der Elephanten ſchildern , ſo find,. nach dem Urtheile der Inder , die in den Sümpfen gefangenen unver ſtändig und ſtumpfſinnig ; die vom Gebirg boshaft und tückiſch, und, wenn ſie nicht Etwas bedürfen , im Dienſte der Mens
fchen nicht zuverläſſig . Die des flachen Landes hingegen gels ten für gutmüthig , folgſam und Liebhaber der Nachahmung . Sie ſchreiben *) und tanzen, **) und ſchaukeln ſich nach dem Zatte der Flöte , und ſpringen von der Erde auf. 14. Nachdem run Upollonius die Elephanten durch den Indus gehen rah (es mocyten ihrer etwa dreißig reyn ), und daß ſie die kleinſten von ihnen zu Führern hatten , die grö Bern aber ihre Jungen auf die Zähne gelegt , und ſie der Befeſtigung wegen mit den Rüſſeln umſchlungen hielten, ſagte er zu Damis : „ Das thun ſie ohne Geheiß, von ſelbſt, aus
eigener Einſicht und Klugheit. Du ſiehſt, wie ſie ganz nachy der Weiſe der Laftträger ihre Jungen aufgenommen haben, *) Plin . VIII , 3. S. 3 : Mucianus ter consul anctor est,
aliquem ex his et litterarum ductus graecarum didicisse . Gleiches erzählt als Augenzeuge Aelian H. A. II, 11. **) Eine ſehr lebendige Beſchreibung von einem durch Elephans
ten in Nom aufgeführten Tanje gibt Helian Hist. An. II, 11 .
247 Zweites Buch . ſehe," antwortete und ſie umſchlungen fortſchaffen . " - Ich „ Damis , „ wie verſtändig und klug,ſie das machen . Was will denn alſo die einfältige Frage necender Zweifelſucht , ob die Liebe zu den Kindern etwas Natürliches fen oder nicht ? Laut Derkündigen ja die Elephanten hier , daß fie Dieß von der Natur haben. Denn von den Menſchen haben es dieſe doch gewiß nicht gelernt , wie das Uebrige , da ſie nie mit Mens iden zuſammengelebt haben ; ſondern von der Natur mit Liebe zu ihren Jungen begabt , ſorgen ſie für ſie ,1 und ziehen fle auf."
,, Nicht bloß von den Elephanten ,“ Damis , „kanuſt du Dieſes fagen ; denn dieſem Thiere weiſe id in Rüdſidyt auf Verſtand und Klugheit die nächſte Stelle nach dem Mene ſchen an ; ſondern ich denke noch mehr an die Bären , wie dieſe bei ihrer großen Wildheit doch Aưes für ihre Jungen thun ; und an die Wölfe, wie bei der raſtloſen Raubgier dies ſes Thieres dennod , das Weibchen ſeine Brut bewacht , das Männden ihr aber zur Erhaltung der Jungen Nahrung jus
führt. Dann , auf gleiche Weiſe an die Panther , die ſich ia Folge ihrer hitigen Natur Mütter zu werden freuen; deyn dann wollen die über die Männchen herrſchen und das
Haus regiecen ; und dieſe dulden dues von ihnen, aus Liebe zur Brut. Uuch geht eine Sage von den Löwinnen 1, daß fie fich im flachen Lande mit den Panthera begatten , und dieſe in das Bett des Löwen zulaſſen. Kommt dann ihre Zeit, ſo fliehen ſie in die Berge und zu den Wohnungen der Parts
ther , wo ſie geflecte Jungen werfen , die ſie deshalb verbers . 1
gen , und in entlegenem Didicht ſäugen, unter dem Scheine,
der Jagd wegen abweſend zu ſeyn . Denn wenn der Löwe
248 Philoftr. Leben des Apollonius von Tyana. die Sache gewahr wird, zerreißt er die Jungen , und jeta A
fleiſcht ſie als unächte Brut. Ohne Zweifel biſt du auch wohl auf einen der Homeriſchen Löwen geſtoßen ,1 wie er für ſeine
Fungen ſchrecklich umherſchaut, und ſich zum Kampfe ſpornt. *) Audy von dem Tiger , dem ſchrecklichſten Raubthier , fagt man , daß er in dieſen Gegenden und am rothen Meere zu den Schiffen komme , und ſeine Jungen zurücfordere , uud
wenn er ſie wieder bekomme , freudig davon gehe ; würden fte ihm aber entführt, ſo heule er ihnen am Ufer nady, und ſterbe bisweilen. Und Wer kennt nicht die Weiſe der Vögel ? wie Adler und Störche nie ein Neſt bauen werden , ohne ihm , jener den Adlerſtein , dieſer den Earfun fel einzus fügen , theils um des Brütens willen , theils um die Schlans
gen abzuwehren . **) Wenn wir aber die Thiere des Meeres betrachten, ſo werden wir uns freilich über die Delphine nicht wundern , daß fie, bei ihrer natürlichen Gutmüthigkeit, audy ihre Jungen lieben ; aber die Walle und Phoken und die ans dern lebendig gebährenden Schaaren, wie ſollten wir fe nicht
bewundern ? So hab ich in Aegå eine Phoka geſehen, die zur Thierhebe eingefangen war , und den Tod ' eines Junget, I
das fie in ihrem Kerter geworfen hatte , ſo betrauterte , daß fle drei Tage lang keine Nahrung zu ſich nahm, ob Rle gleich eines der gefräßigſten Thiere ift.
Der Wauf di Berbirgt
feine Jungen in den Höhlen ſeines Schlundes , wenn er vor einem größeren Feinde flieht. Auchy eine Natter hat man * ) Il. XVII, 131. ff. in der Vertheidigung des Leichnams von Patroklus.
**) Dieſelbe Fabel erwähnt nebft andern &hnlichen Aelian Hist. An, I, 35. 37.
249 Zweites Buch. gefehen , welche die von ihr geworfenen Schlangen beledtte, und ihnen mit der Zunge ſchmeichelte.
Denn auf keine Beife
wollen wir die ungereimte Sage annehmen , daß die Nattern ohne Mutter * ), zur Welt kämen ; was weder die Natur, noch die Erfahrung geſtattet ."
Du gibſt alſo ," erwieberte Damis , bem Euripides deinen Beifall wegen des Verres , den er der Undromache ** ) in den Mund legt : Den Menſohen allen ſind Die Kinder ihre Seele ?“
,,Allerdings geb' ich ihm Beifall ; denn es iſt weiſe und göttlich geſprochen ; nody weiſer und wahrer aber wäres, wenn es von allen Thieren geſagt würde.“ ,, Demnac ), Apollonius, " ſagte Damis, vifcheinſt du den Vers ſo umzuändern , daß wir ſagen ſollen : Den Lebenden allen ſind Die Kinder ihre Seele ;
und ich ſtimme dir bei. Denn ſo iſt es beffer." 15. ,, Aber fage mir dod, Dieß : Haben wir nidyt im Anfange behauptet, es rey Beidheit in dem Elephanten , und Perſtand in Dem , was fte thun ? " ,,Und mit Recht, Damis , ſagten wir ſo. Denn wenn nicht verſtand dieſes Thier lenkte , ſo würde es weder ſelbst beſtehen können , noch die Völker , unter denen es lebt." ,,Was iſt denn alſo , fragte Damis weiter, der Grund, daß fie auf eine ſo unverſtändige Weiſe , und nidyt zu ihrem Ruben durch den Fluß gehen ? Denn , wie du fierft, macht * ) Aelian . Hist. An. XV, 16. Bergl. Herodot, III, 108. **) Euripid. Androm . 419.
250 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. der kleinſte den Führer , und ihm folgt einer , der ein wes nig größer iſt; dann ein anderer , der dieſen übertrifft, und die größten insgeſammt zuleft. Sie ſollten ja vielmehr in
umgekehrter Ordnung gehen , und die größten zur Schubwehr und Vormauer machen ." ,,Sie ſcheinen aber ," antwortete Apolonius , ,, für's
Erſte auf der Fincht vor Menſchen zu ſeyn , denen wir audy /
wohl noch begegnen werden ., und die ihren Spuren folgen.
Gegen Dieſe mußten ſie vor allen Dingen den Rücken decken, wie im Kriege , worin ſich eben der taktiſche Sinn des Thie res ganz vorzüglich zeigt. Ferner , das Durchgehen ſelbſt – wenn die größten vorausgingen , würden ſie nicht wiſſen , ob alle durch das Waſſer gehen könnten. Denn jene haben einen leichten Uebergang, da ſie ſo hoch ſind; den andern aber würde er ſchwer und gefährlich ſeyn, wenn ſie nicht über den Strom emporragen. Iſt aber der kleinſte hindurch gegangen, ſo
zeigt er auch den übrigen an , daß keine Gefahr dabei iſt. Ueberdieß würden die größern , wenn ſie vorausgingen , den Fluß für die kleinen auzu tief austreten. Denn nothwendig muß ſich bei der Schwere des Thieres und ſeinen diden Fü: ßen der Schlamm in Gruben zuſammenſeßen. Die kleinen aber werden den größern den Durchgang nicht erſchweren, da ſie den Grund weniger austreten ." *)
16. ,, In den Schriften des Juba habe ich gefunden, daß ſie einander auf der Jagd beiſtehen , ſich vor den ents * ) Plin. VIII, 5. S. 5 : Elephanti gregatim semper ingre diuntur . Ducit agmen maximus nalu , cogit aetate pro ximus. Amnem transituriminimos praemittunt, ne ma
jorum ingressu atterente alveum crescat gurgitis altitudo.
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kräfteten ſtellen , und wenn ſie ihn herausgezogen haben , * ) die Wunden mit dem Safte der Aloe beſtreichen , und ihn dabei 1, wie Aerzte , umringen ." So ſprachen ſie über Vieles unter einander, je nachdem ihnen beadstungswerthe Gegenſtande dazu Beranlaſſung, gaben.
17. Was Neardyus und Python **) von dem
Fluſſe
Aceſinus ſagen , daß er ſich in dea Indus ergieße, und Schlans
gen von ſiebzig Fuß Länge nähre , beſtätigen ſie. Das Wei tere mag bis zu der Beſdireibung der Drachen aufgeſchoben bleiben , deren Jagd Damis erzählt. Als ſie an den Indus kamen ,I und nun über den Fluß
*) Dieſes iſt der Sinn , den sie Worte des Textes "xàv ¿ES λονται αυτόν geben. Die Vergleichung mit Aelian aber (VII, 45.) und mit Plutarch ( Tom . II. p . 974. D.) macht wahrſcheinlich, daß Philoſtratus von Geſchoſſen habe ſprechen wollen , welche die hůlfreichen Elephanten ihren Kampfgenoſſen ausziehen. Ein Wort , wie à xóvtia oder
Bean dabei zu verſtehen , iſt unſtatthaft ; worl aber kann man mit geringer Veränderung Tahreiben : xův égé avtal
ξυστόν. μίutard, a. . 2.: ου μην αλλά και χει ρουργία χρήσθαι τους ελέφαντας ιστορούσι.
Και γαρ ξυστά και λόγχας και τοξεύματα πα ριστάμενοι τοίς τετρωμένοις
εξέλκουσιν. **) Beide Begleiter Alexander's auf dem Zuge nach Indien . Der Erſtere befehligte die Flotte, die den Indiſden Ocean zu uns terſuchen ausgeſendet war , und von der Arrian in den In
dicis das wichtige Tagebuch aufbewahrt hat. Er nennt das ſelbſt (C. XV, 10.) den Python neben Nearch , wo er er záhlt, daß der Erſtere eine Schlange von 16 Ellen Länge
gefangen habe. Er gehörte zu Alexander's Leibwadhe.
252 Philoſtr. Leben des Apollonius von Lyana. Teben ſollten ,1 fragten fie den Babylonier , ob er mit dem Flufſe bekannt ren ,I um etwas von der Ueberfahrt zu erfahs ren. Er antwortete, er habe ihn noch nie bereist, und wife nicht, von wo man ihn befahre. ,, Warum alſo ," ſagten Meil der Fühs fie , haſt du feinen Führer gedungen ?"" - ,, rer ſchon ſo bereit iſt,“ antwortete er. Und zugleich zeigte er ihnen einen Brief, der Dieſes bewirken ſollte ; wobei fie denn Urſache hatten , die außerordentliche Gefälligkeit und Für : forge des Barbanes zu bewundern. Denn er hatte dieſen Brief an den Satrapen des Indus geſchrieben , ob Dieſer gleid) ſeiner Herrſchaft nicht unterworfen war , und ihn dars in an empfangene Wohithaten erinnert , mit dem Zuſaße, daß er feinen Dank dafür von ihm fordere ; denn es ſer nicht ſeine Urt , Bergeltung zu verlangen ; wenn er aber den Apol: lonius gut aufnehme, und ihn weiter fördere , wo er hin wollte, werde er ihm verpflichtet ſeyn . Auch hatte er dem Führer Gold mitgegeben , um , wenn er bemerkte, daß Upol lonius defſen bedürfte , es ihm zu geben , damit er nicht nös
thig hätte , auf fremde Hände zu ſehen. Als nun der Inder diefen Brief erhielt , antwortete er , er achte ſich ſehr geehrt
dadurch , und werde fich für den Mann nicht weniger be eifern, als wenn der König der Inder ſelbſt ihn empfoh len hätte. Hierauf ließ er ihn in das Fahrzeng des Satra :
pen einſchiffen , und gab ihm noch andere Schiffe , um die Kamele überzuſehen 1, und einen Führer durch das ganze Ges
biet , das der Hydraotes begränzt. Un ſeinen König aber ( chrieb er , er möchte dem Manne , der ein Hellene und götts licher Urt ſen , nicht weniger Huld als Bardanes beweiſen . 18. So rehten ſie alſo über den Indus in einer Breite
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von ziemlich vierzig Stadien ; denn ſo viel beträgt ſeine Fahrs breite. Von dieſem Fluſſe ſchreiben ſie Folgendes : der Ina dus entſpringe auf dem Kautaſus, *) und fer gleich bei einem Urſprunge größer als irgend ein Fluß Aftens. Weiterhin nehme er viele ſchiffbare Ströme in fidy auf. So wie der Nil ergieße er ſich auch über das Indiſche Land , und führe Land
dem Lande zu, und fördere den Indern den Unbau der Früchte nad der Legypter Weiſe. **) Dem Sdnee der Aethiopier und der Katadupiſchen Gebirge wil id, um Deren Willen , welche die Sadje behaupten , nicht widerſprechen ; doch kann ich auch nicht beiſtimmen , wenn ich bedenke , daß der Indus
dieſelben Erſcheinungen bewirkt wie der Nil, ohne daß es in dem oberhalb gelegenen Lande ſchneit, und da ich außerdem weiß, daß der Gott dethiopien und Indien zu Grenzhörnern ***) der geſammten Erde gemacht,1 und die Bewohner dieſer Län der , Fene am Uufgang , Dieſe am Niedergang der Sonne, ſchwarz gefärbt hat. Wie könnte nun Das bei den Menſchen Statt gefunden haben , wenn ſie nicht auch den Winter hins durd) gebrannt würden ? Wärmt aber die Sonne das Land
das ganze Jahr hindurch,1 wie ſoll man glauben, daß es dort *) S. oben Anm . 7 .
**) Strabo XV, 1 , 25. (Vol. VI, 51. ff.) Cic. de N. D. II, 52 : Aegyptum Nilus irrigat Indus vero, qui est omnium :
fluminum maximus , non aqua solum agros laetificat et mitigat , sed eos etiam conserit. Ueber die Meinungen der älten von dem periodiſchen Anſchwellen dieſer Flüſſe To vornåmlich Ufert's Geogr. 8. Gr. u . R. 2. Th. 1. Abth. 6. 16. f. ***) Nach der Vorſtellung der Arten bildet Nethiopien den ganzen weſtlichen Theil der ſüdlichen Erdſcheibe , Indien den öſtlichen .
254 Philoftr. Leben des Apollonius von Tyana. ſchneie ? und daß durch den Schnee jene Flüſſe ihr Maß übers
ſteigen ? Wenn aber auch Schnee in ro ſonnigen Ländern fallen ſollte , wie möchte er ſich zu einem ſo mächtigen Meere ausbreiten ? und wie möchte er hinreichen für einen Strom, der ganz Aegypten überſdywemmt ?
19. Bei der Ueberfahrt durch den Indus ſtießen ſie auf viele Flußpferde und viele Krokodile, eben wie die Nilfahrer. Auch erzählen ſie , der Indus erzeuge eben ſolche Blumen
wie der Nilz und die Lüfte, *) die im Indiſchen Lande we hen , wären im Winter warm , im Sommer ſtickend heiß. Dagegen habe nun die Gottheit ein treffliches Mittel bereis tet ,1 indem das Land reichlich beregnet wird. Die Inder era zählten ihnen , der König komme an dieſen Fluß , wenn ihn die Jahreszeit angeſchwelt hätte, und opfere ihm Stiere und idywarze Roſſe. Denn die Jader halten die weiße Farbe we
niger in Ehren als die ſchwarze,1 weil ihnen, glaube ich, ihre eigene Farbe die achtungswerthere ſcheint. Nach volbrach tem Opfer wirft der König ein goldenes Maß in den Fluß, denen gleich, womit man Getreide mißt. Weshalb der Kö: nig Dieß thut, wiſſen die Inder nicht ; unſere Reiſenden ſelbſt aber vermutheten , dieſes Maß werde verſenkt , entweder in Beziehung auf den Ueberfluß der Früchte , welche die Lands leute ausmeſſen , oder auf das Maß des Stroms, daß er ſich nicht zu reichlich ergieße und das Land verſchwemme.
20. Nachdem ſie über den Fluß geſeßt hatten , geleitete fte der Führer des Satrapen geraden Wegs nach Tarila , der Hauptſtadt der Inder, Die Bewohner des Landes jenſeits
*) Aüpag nach Boiſſonade's Berbeſſerung , nicht @pas.
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des Indus tragen , ihrer Erzählung nad), zur Bekleidung
einheimiſches Linnen , an den Füßen Baſt ,1 und , wenn es reguet , eine lederne Kappe auf dem Kopfe; die Angeſehen : ſten aber hätten Byffus *) getragen. Der Byſſus wachſe auf einem Baume 1, deſſen Stamm der Pappel gleiche , das Laub
der Sahlweide; und Apollonius freute fich, wie er ſagt, an dem Byſſus, weil er der dunkeln Kleidung (der Philoſopher ) gleiche. Aud) gehe der Byffus aus Indien in viele Tempel nad, Aegypten . Von Zarila ragen ſie , es tomme an Umfang der Stadt
Ninive gleich ; es ſeyy mit mäßigen Mauern umgeben , wie die Helleniſchen Städte , und die Reſidenz eines Mannes , der die Herrſchaft des vormaligen Porus beſaß. Por der Mauer. fahen ſie einen Tempel von nicht viel weniger als hundert Fußen von Muſchelſteinen . In dieſem war das Heiligthum ,
kleiner zwar , als nach dem Maße des Tempels , der ſo groß und mit Säulen umgeben iſt, aber doch der Bewunderung werth . Denn in jede Wand find eherne Tafeln mit Bilds werk eingelaſſen ; und die Thaten des Porus und Alerander fiud vorgeſtellt mit Meſſing und Silber und Gold und ſchwar:
zem Erge : Elephanten, Pferde, Krieger, Helme und Schilde, Lanzen und Pfeile und Schwerter , Ulles von Eiſen .
Und
wie es die Beſchaffenheit eines guten Gemäldes mit ſich bringt, wie es etwa ein Zeuris verfertigt , oder Polygnotus 1, oder
Euphranor , die das Dunkle , das Lebendige und Beſeelte, das Hervor - und Zurüdtretende wohl zu behandeln verſtan * ) Von dem Byſſus der Arten F. Poß im Intell -Blatt der Jen. 4. Litt.-Zeit. 1822. Nr. 26. S. 202. ff.
256 Philoſtr. Leben des Apollonius von Dyana. den ; po zeigte ſich die Kunſt auch hier ; und die verſchiedenen Stoffe waren wie Farben in einander verſchmolzen. Audy die Geſinnung, welche dieſen Darſtellungen zum Grunde liegt, iſt erfreulich.
Denn Porus ſtellte ſie nach dem Tode des
Macedoniers auf : und der Macedonier fiegt darauf , und ges winnt den verwundeten Porus für ſich, und ſchenkt ihm das
Indiſche Land , das ſchon ſein geworden war. Auch erzählt man , Porus habe den Tod Uleranders betrauert , undi ibu als einen edeln und gütigen König beklagt ; und ſo lange Alerander lebte, habe er felbſt nach dem Abzuge Deſſelben aus Indien keinen Ausſprud ) als König gethan , ohnerachtet Ulerans
der es ihm geſtattete, noch den fadern in ſeinem Namen einen Befehl ertheilt, ſoudern ſich ganz wie ein Satrap höchſt bes rdheiden benommen , und in allen Dingen blog ihm zu Ge fallen gelebt.
21. Ich kann mir nicht geſtatten , hier , was man von dieſem Porus ſchreibt , mit Stillſchweigen zu übergehen . 416 der Macedoniſche König im Begriff war , über die Grenze des Landes zu gehen , und Einige dem Porus riethen , die Völker jenſeits des Hyphaſis und Ganges zu Hülfe zu neh men , (denn nie werde Jener der ganzen Jadiſchen Geſammt: heit I, wenn ſie Eines Sinnes gegen ihn ſer , die Spite bie ten können ) antwortete er :
,,w enn meine Unterth as
nen von der Art ſind , daß ſie ſich ohne Gehülfen nicht retten können , ſo iſt es beſſer für mich, nicht zu berrſchen ."
Uis er die Nachricht erhielt , Alexander habe den König
Darius gefangen genommen , ſagte er : „ einen König, nicht aber einen Mann ."
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Da ihm der Elephant, auf dem er in die Schlacht reis ten ſollte ,, von ſeinem Warter ſchön geſihmüdt mit den Wors
ten zugeführt wurde : der, König , wird dich führen ,'' *) antwortete er : ,,vielmehr ich ihn ,. wenn ich anders als ein Mani mir gleich bleibe."
Auf den ihm gemachten Vorſchlag, den Fluß durch dars gebrachte Opfer zu bewegen, die Schiffe der Macedonier nicht
aufzunehmen, und dem Uterander ſeine Gunſt nicht zizuten : den , ſagte er : „ Wer Waffen hat, dem kommen Verwüns chungen nicht zu." Uis nad der Schlacht, wo er - anch dem Alexander wie ein Gott und übermenſchlich erſchien , einer ſeiner Verwand ten zu ihm ſagte: „hätteſt du dich bei'm Eindringen Uterun ders vor ihm gedemüthigt , ſo wäreſt du nicht in der Schladit
beſiegt worden , und es wären nicht ſo viele Juder umgekom. men , und du ſelbſt wäreſt nidſt verwundet;' antwortete er : ,,da ich von Aleranders Ruhmbegierde förte ,1 Fab' ich ein , daß , wenn ich mich vor ihm demüthigte ,1 er mid, für einen Sclaven , wenn ich aber die Waffen gegen ihn erhöbe , für einen König achten , und mehr der Bewunderung, als des
Mitleidens werth halten würde. Auch hab ich mich nicht
getäuſcht. Denn dadurch , daß ich mich unter ſeinen Augen To benahm ,I wie ich that , habe ich an Einem Tage Alles vers Toren und Alles gewonnen ."
So wird uns dieſer Fuder dargeſtellt. Er war aber, wie man erzählt , der Schönfte der Inder , und von einer
*) Oser : tragen (oïoel).
Die Rede iſt dunkel , und das
Wort vielleicht verſchrieben . Philoſtratus. 2$ Bdon.
8
258 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. Statur , wie nach den Helden des Trojaniſchen Krieges fein andrer Menſch . Auch war er noch ſehr jung , als er mit Ulerander Krieg führte. 23 .
Während ſie in dem Tempel verweilten , was ziem :
lich lange dauerte , bis dem Könige die Unkunft der Fremden gemeldet wurde , fragte Upollonius deu Damis : „ Ist dena die Malerkunſt Etwas ?" „ Wenn anders die Wahrheit Etwas ist ," antwortete Jener. ,, Was thut aber dieſe Stunt ?" ,, Sie miſcht," antwortete Damis , ,,alle Arten der Farben ; das Blaue mit dem Grünen , das Weiße mit ..In dem Stwarzen , das Feuerrohe mit dem Biaſſen ."
welcher Abildt, " frug Urolonius weiter , ,,miſdt ſie diere ? Doch nicht blos um der Buntheit willen , wie die geicimint ten Weiber ? " ,, Der Natiahmung wegen ," antwortete
Damis , ,,ind um einen Hund darzuſtellen , und ein Pfert, und einen Menſden , und ein Sdliff, und Ulles , was die Sonne
ſieht. Ja , die Sonne ſelbſt ſtellt ſie tar , bald auf vier Roſa ren , wie ſie hier erſcheinen ſoll , dann auch wieder den Hima mel durch ſtrahlend , wenn ſie den Uether und den Wohnſiß der Götter malt. "
,,Eine Nachahmung alſo iſt die Malerei ?" ,, Was derin anders ? " erwiederte Damie . ,,Denn wenn
Dieß niid't ihr Zwecť iſt , ſo iſt es lädyerlic) , Farben ohne .
Verſtand und Sinn zu verſchwe:Iden ."
,, Aber Das," fuhr Apodanius fort, ,,Was man am Him . mel erblickt , wenn ſich die Wolten von eiaander theilen , die Centaureil, die Bodhırſdie , ju die Wolie un
rolle , *) wirſt
du ſie aud Werte der Nachahmung nennen ?" *) Bielleicht Anſpielung auf die Wolken des Ariſtophanes v. 345 ff.
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,,So ſcheint es ," antwortete Damis. „ Gott iſt alſo ein Maler ; und vou dem beſügelten Was gen herabgeſtiegen , auf dem er Göttliches und Menſchlidyes
waltend einherfährt , *) fiat er gleidiſam ſpielend und zeich nend , wie im Sande die Kinder .“ 418 Damis rah , daß ſeine Rede zu einer ſo ronderbarer Folgerung zu führen (dien , erröthete er. Dod) ließ ihn
Apoữonius nicht in dieſer Verlegenheit ( denu er war nie herbe im Streit) , ſondern ragte : „ Du willſt wohl ſo viel fagen : dieſe Gegenſtände zeigen ſich in Beziehung auf Gott bedeutungslos und zufällig am Himmel ; wir aber , denen von Natur das Nachahmen eigen iſt , bilden und geſtalten ſie.' So wollen wir uns die Sache vorſtellen ," erwiederte Damis ; denn ſo iſt es wahrſcheinlicher und um Vieles , beſſer ."
,,Es gibt alſo wohl eine doppelte Nadjahmungekunft Die eine vermag mit der Hand und dem Geiſte nachzuahmen (und dieß iſt die Malerei) ; die andere bildet nur durch den Geiſt . "
,, Nicht eine doppelte," antwortete Damis : „ſondern die eine müßen wir für die vollkommnere halten , welches die Malerei iſt, die zugleich mit der Hand und dem Geiſte nach: bilden kann ; die andere aber für einen Theil von dieſer, indem Einer zwar auffaßt und mit dem Griſte nachahmt, aud, wenn er fein Maler iſt , der Hand aber ſich zu ihrer Darſtellung nicht bedient. " Nach Piato's Phadrus (S. 246. e. ) , wo olingefähr dieſelben Worte gebraucht werden . Die ſpátern Sophiſten bedienen Tich dieſes Bildes oft. 8*
260 Philoftr. Leben des Apollonius von Tyana. ,,Wohl darum ," ſagte Apollonius , ,,weil er des Ge. Srandes der Hand durch einen Schlag oder eine Krankheit 1
beraubt iſt ? "
* Mit nichten ," antwortete Damis , fondern weil er Zeinen Griffel oder ein anderes Werkzeug oder Farben zur Hand genommen hat , uud des Malens urkundig iſt." ,, Wir ſtimmen alſo ," fuhr Apollonius fort , ,, Beide bars in überein , daß die Nachahmung dem Menſchen von Natur zukommt, die Malerei aber von der Kunſt. Daſſelbe wird fich auch bei der Plafit zeigen. Denn für Malerei hältſt du , wie es mir ſcheint, nicht blos die Kunſt , die mit den Farben arbeitet (denn den ältern Malern genügte hierzu Eine Fabe; und erſt die fortſchreitende Kunſt gebrauchte deren pier und dann mehrere) *) , ſondern auch die Linearjeidinung, bei der keine Farten angewendet werden , ſondern blos Licht und Schatten, darf man Malerei nennen. Denn auch hier zeigt
Ad Aehnlidikeit, Geſtalt und Geiſt , Sittſamkeit und Kühn : 1
Beit. Und doch ermangeln dieſe Darſtellungen der Farbe , und zeigen nichts von dem Blute oder der Färbung der Haare and des Bartes ; ſondern gleichen in ihrer einfadyen Zuſam : wenſeßung dem bräunlichen und dem weißen Menſchen. Gleich : bohl wird auch der Juder , wenn wir Einen von ihnen mit weißen Linien zeichnen , dennoch ſchwarz ſcheinen. Denn die gedrücte Naſe , die emporſtehenden Saare , die hervortretena hen Wangen , und eine gewiſſe Art von Staunen um die hogen , verleiht dem Gegenſtande die ſchwarze Färbung , und 1
* S. Stiegliß über die Malerfarben der Griechen und Romer. Leipzig. 1817. Bergl. Böttigers Aráologie. ver Malerei. S. 31. f. 33. f.
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ftetit Jedem ,1 der nicht gedantenlos hinſchaut, einen Inder dar. Daher mödte id) ſagen ,1 daß auch Die , welche Werte
der Malerei beſchauen , die Kunſt der Nachahmung nörhig haben. Denn Niemard kann ein gemaltes Pferd oder einers Stier gut finden, der ſich das Thier, dem es nachgebildet ift , nicht in Gedanken vorſtellt. Uud wird Niemand den Vjax
des Timomadyus * ) . bewundern , den dieſer Künſtler raſend dars geſtellt hat , wenn er nidit in ſeinem Gemüthe ein Bild des Ajar auffaßt , wie er wahrſcheinlicher Weiſe nach Ermordung der Heerden in Troja ermattet gerefſen , und den Entſetytu gefaßt hat , ich ſelbſt zu tödten. Dieſe Kunſtwerte des Pos rus aber , o Damis , wollen wir nicht bloß als Werte der
Stulptur betrachyten (denn ſie gleichen Gemälden) ,, nods. auch der Malerei (denn fle ſind in Erz gearbeitet) , ſonderte als Werke , die Ein Mann , der ſowohl Zeichner, als Erzs gießer war , erſonnen und gebildet hat , nach der Wriſe , wie bei Homer die Kunſt des Hephaiſtos bei Berfertigung des Schildes von Achilles erſcheint. Denn auch dieſe hier find mit
Tödtenden und Sterbenden angefüllt ; und die Erde , obgleich von Erz , wirſt du mit Blute befleckt glauben.“ 23. Während Upollonius auf dieſe Weiſe philoſophire
traten von dem Könige Boten mit einem Dolmetſcher zu ihny mit der Dieldung , daß ihn der König auf drei Tage zu reis.
nem Gastfreunde madhe; denn ein längered Verweilen in der Stadt erlaube der Gebrauch den Fremden nicht. Hier auf führten ſie ihn in die Hauptſtadt. *) Dieſes Bild des Byzantiner's Timomachus wird in eisetas Griechiſchen Epigramme der Anthol. Planud . (Anth. Pala
T. ll. p. 648, nr. 83.) gerühmt. S. Plin. XXXV, 10, 5.10
262 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. Wie die Mauer der Stadt beſchaffen war , hab' ich
ſchon oben geſagt. Die Straßen , erzählen ſie, liefen recht Uttiſch *), ohne Ordnung. Die Häuſer, wenn man ſie von Außen
betrachtet, haben nur Ein Stocwerk ; tritt man aber hinein, so ſieht man , daß ſie in die Tiefe hinabgehen , und daß Das,
was unter der Erde liegt , dem obern Theile gleich kommt. 24. Sie erzählen feruer von einem Tempel der Sonne , den ſie geſehen haben. Dieſem war der Elephant Ujar ge weiht , und goldene Bilder Uterander's , und andere von Pos
rus; die leßtern waren von ſchwarzem Erze. Un den Wän den des Heiligthums glänzt auf rothem Geſteine Gold , und jtrahlt ein ſonnerähnliches Licht aus. Das Bildniß ſelbst iſt aus Perlen zuſammengeſett , nach der ſymboliſchen Weiſe,
deren fidy alle Barbareu bei heiligen Dingen bedienen. 25. Un den Gebäuden der Hauptſtadt ſelbſt fahen rie teinen Prunt; auch keine Trabanten und Pachen , ſondern wie in den Häuſern vornehmer Bürger, eine kleine Anzahl von Dienern , und etwa drei oder vier Menſchen , die den
König zu ſprachen begehrten ; und ſie bewunderten dieſen Schmuck mehr , als den Glanz von Babylon. Noch mehr aber , als ſie hineingetreten waren. Denn in den Sålen,
den Hallen und dem ganzen Hoſe herrſchte die beſcheidenſte Einfad heit.
26. Hieraus rahloß Upollonius , daß der Inder ein Phis loroph ren , und mit dem Dolmetſcher zur Seite fagte er :
*) 'Aráxtos te xai'Artixãsgeſegt , nichtwie Olearius nach ſeis Athen war eine hat. ner Vermuthung in den Text
ſehr unregelmäßig gebaute Stadt , wie Ditáarch ausdrüdlich fagt.
S. Müller in Erſch u. Gr. Encyclop. 6. 21. S. 340.
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„Ich freue mich, König, in dir einen Philoſophen zu ſehu." ,,Und ic ), " erwiederte der König , „ freue mich noch mehr 1, daß du ſo von mir denkſt." ,, Iſt Dieſes ," frug Upolos nius weiter , ,, ſo gereßlich bei Euch , oder haſt du der Herrs .
fichaft dieſe beſtreitene Geſtalt gegeben ?" - ,, Die geſeßmås bige Beſchränkung," antwortete Jener , „ habe id) noch mehr beſchränkt. Joh beribe mehr als Jemand unter den Menſchen, bedarf aber nur Weniges . Denn dieſen großen Bellt rehe ich als das Eigenthum meiner Freunde an.“ ,,Wie relig
biſt du bei einem ſolchen Schage," ſagte Upollonius , ,,,, wenn du deine Freunde mit Gold und.Silber denen dir vieles Treffliche erwächst !" den ," perrepte der Konig , ,,theile ich von mit. Dena die anwohnenden Barbaren , Land immer befeindeten , und in meine
*) aufwiegít ,I aus „ Uuct, den Feina meinem Reichthum die rormals dieſes Grenzen einfielen ,
unterjoche ich mit dieſen Gütern ,1 und ſie dienen meinem Lande
zur Warte ; und weit entfernt, mein Eigenthum heim zuſuchen , halten ſie auch die angrenzenden läſigen Barbaren ab.
U18
ihn hierauf Apollonius fragte, ob auch Porus dieſen Völkern Geld gegeben habe ? antwortete er : „ Porus liebte den Krieg, id den Frieden ." Durch dieſe Reden gewann der fiönig Apollonius ganzes Gemüth, und fößte ihm eine ſoiche Uchtung
ein , daß er einſt zu Euphrates ragte, indem er ihn wegen ſeines unphiloſophiſchen Betragens ſchalt : „ wir wollen uns 1
doch vor dem Inder Phraotes (cheuen." der
Denn dieſes war
ne des Königs .
[Wie hochi aber der König ſelbſt den Apollonius achtete , erhelt aus Folgendem . ] U18 eiu Satrap , welcher hoher *) Nam Xheogniß o. 77. (555. cd. Welck . )
264 Philoſtr. Leben des Apolonius von Lyana. Dinge von ihm gewürdigt worden war , ihm eine goldne, mis buntem Geſtein verzierte Mitra umlegen wollte , fagte der König : wenn idi auch wirklich nach ſolchen Dingen trach tete , ro würde idy ſie doch jeßt zurüd weiſen , und mir vom
Haupte reißen , da Upollonius bei mir iſt. Wie route idy mich jeßt eines Sdmuctes erfreuen , den ich nie vorher be: gehit habe , ale ob ich meinen Gaſt berkennte , und mid ſelbſt Bergaße ? "
Auch über ſeine Lebensart fragte ihn Apolonius. Er antwoitete : „ von Wein verbrauche ich ro viel , als ich, der Sonne opfre.
Was ich auf der Jagd fange , das verzehreut
Undre ; mir genügt ſchon die Uebung. Meine Koſt iſt Kohl und das Mart der Palmen und ihre Frucht, und Alles , was der Fluß mir wäffarnd nährt.
Auch an den Bäumeti wächst
mir Bieles , was dieſe Hände pflegen." Dieſer Rede erfreute fich Apollonius gar ſehr , und rah dabei oft nach Damis hill.
37. Nadidem fie lidt, auch über die Reiſe zu den Brach .
manen hinlänglich beſprochen hatten, befahl er, den Führer des babyloniſchen Königs gaſtlich zu bewirthen , wie es bei Denen, die von Babylon kommen , die Gewohnheit mit ſich bringt ; den andern Führer aber von dem Satrapen ließ er nach em :
pfangener Zehrung abreiſen. Er ſelber aber faßte den Upola lonius bei der Hand , und ſagte zu ihm , nachdem er den Dul: metſcher weggeſchidt hatte : ,,nähmeſt du miihh wohl zum Gas ſte ?" Dieſe Frage that er in Helleniſcher Sprache. Da ſich nun Apotonius hierüber wunderte , und den König fragte, warum er nicht vom Anfang an ſo geſprochen habe ? ants
wortete er : „Ich fürdytete, ju tühn zu erſcheinen !, wenn
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ich mich ſelbſt verkenute , oder vergåße, daß es dem Glücke beliebt hat , mich, zum Barbaren zu machen . Da du mich aber ganz dir zil eigen gemacht haſt , und da id, rehe , daß du audy an mir Freude haſt , habe ich mich nicht zurüchalten können ; und ich werde dir viele Beweiſe geben , daß ich, die Sprache der Hellenen gang in mich aufgenommen habe." ,, Barum aber ," ſagte Apollonius , ,, haft du mich nicht zum Mahle eingeladen, ſondern befiehlſt mir, dich zu meinem Gaſte Weil ich Dich) ," antwortete der König , zu machen ?" für beſſer halte , als mich ſelbst; denn die Weisheit hat eis zugleich führte er ihn , nebſt nen königlideren Rang. " ſeinen Begleitern , an die Stelle , wo er ſich zu baden pflegte. Das Bad aber war ein . Paradies von der Länge eines Sta diums ., in deſſen Mitte ein Beđen gegraben iſt, welches Quellen trinkbaren und falten Waſſers in fich aufnimmt. Auf beiden Seiten waren Rennbahnen , auf denen er fich nach Helleni(d )er Weiſe mit dem Wurfſpieße und dem Diecus übte. Denn wie es feiu Ulter mit ſich brachte (er war ſieben und zwanzig Jahre alt) , und den Uebungen gemäß 1, die er ans ſtellte , war er körperlich ſtart. Wenn er deſſen gebug hatte, ſprang er in das Waſſer ,1 und übte ſich im Schwimmen . Nach dem Bade betränzten ſie ſich , und gingen zum Mahle. Dean so bringt . es der Gebraud, der Inder mit ſich, wenn ſie in dem Grmache des Königes trinken. 28. Hier darf ich nun die Weiſe des Mahles nicht übers gehn , die von Damis ſehr deutlich beſchrieben iſt. Der Kö: nig liegt dabei auf einem Polſter , wie auch fünf ſeiner nächs I
ſten Verwaudten ; die Uhrigen fißen insgeſammt auf Ståh .
len. Der Tiſch iſt in der Mitte wie ein Altar erhöht , po
266 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. hoch wie das Sinie eines Mannes , und hat für einen Kreis pon dreißig Männern Plaz. Uuf iha Rind Lorbern ausge: ſtreut, und andre, deu Morten ähnliche , Zweige , die den Indern Salbe geben. Hier werden nun Fiſche und Bögel aufgeſept ; auch ganze Löwen werden aufgeregt und Gazellen, und Schweine und die Keulen von Tigern ; denn von dem
übrigen Körper dieſes Thieres enthalten fie fich , weil es , wie le ſager , bei ſeiner Geburt die Vorderfüße zu der auf: gehenden Sonne erhebt. Der Gaſt fieht dann auf , begibt rich zu dem beſeften Tiſche, nimmt Einiges davon , und ( ohneidet Underes av , und kehrt dann an ſeinen Plat zurück, wo er ſich mit dieſen Speiſen und mit reichlichem Brode fät tigt. Wenn ſie hievon zur Genüge haben , werden goldne und ſilberne Micheffel hereingebracht , jeder für jehen Gäſte hitireichend; übür dieſe büden ſie ſic ), und trinken daraus , wie Thiere , weldie getränkt werden. Während des Trinkens
werden Spiele aufgeführt , die nicht ohne Ernſt und Gefahr 1
ſind. Eiu Knabe , wie die finaben der Orcheſtra , warf flich
mit Behendigkeit in die Höhe , indem zugleich ein Pfeil auf: wärts abgeſchoſſen wurde. War nun der Knabe weit genug von der Erde entfernt, ſo überſchlug er fid), indem er ſich über den Pfeil erhob ; ſo daß , wenn er es bei'm Ueberſit lagen ver:
rah , er in Gefahr gerieth , verwundet zu werden . *) Denn I
ehe der Bogenſchüt den Preil abſchoß , ging er bei den Tiſch : gevoſſen unher, und zeigte ihnen die Spiße , und ließ ſie
ſelbſt ſeine Sdjärfe prüfen. Auch durch den Ring zu ſchie : *) Aehnliche gefährliche Gaukeleien beſchreibt Xenophen in dein Gaſtmahl E. II , u . ff. Vergl. Böttiger's Andeutun : gen 6, 155.
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Ben , und auf ein Haar zu treffen , und den eignen , an ein Brett gelehnten Sohn mit Pfeilen zu umzeichnen , *) Nues das ſind Uebungen , die ſie bei'm Trunte vornehmen , und die ihnen auch im Rauſche gelingen. 29. Damis und ſeine Gefährten ſtaunten dieſe Geſchichts lichkeit an , und bewunderten die Genauigkeit der Bogeukunft ; Apollonius aber , der mit dem Könige ſpeidte , welcher gleide Kort mit ihm genoß , achtete weniger darauf . „ Ertläre mir, " ſagte er zu dem Könige, woher du dieſe Kenntniß der Helles niſchen Sprache haſt , und wie tu hier zu deiner Philoſophie gelangt biſt. Denn ich glaube nicht, daß du Dieſes einem Lehcer verbanéſt , da es nid)t wahrſcheinlid iſt, daß es Leh. rer dieſer Art bei den Indern gebe." Hierauf antwortete der König lächelnd : „ Die Ulten pflegten die Seefahrer zu fragen , ob ſie Räuber wären ; **) für ſo allgemein hielten Mie das Geſchäft, 10 ( dhlimm es auch war. Ihr aber ſcheint Die, mit denen ihr zuſammentrefft , zu fragen , ob ſie Philoſophen find , weil ihr glaubt, daß dieſe Gabe , obgleid, das Gött: lichste unter den Menſchen , Uuen und Jeden zukomme. Auch weiß ich, daß es bei euch eben Daſſelbe, wie mit dem Rauben it. Einen Mann ., wie sich , fageu lie, treffe man nidit weis ter an ; die große Menge aber bekleide ſich mit der Philoſoa phie , wie mit einer fremdeu Beute , umhülle ſich ungeſchidt damit , und ſtolziere mit dem fremdartigen Schleppkleide eit: her. Und ſo wie Seeräuber ſchwelgen , weil ſie wiſſen , daß 1
1
*) So daß die in dem Brete befeſtigten Pfeile den Umriß ſeiner Geſtalt geben.
**) Macy Thucyd. I , 5.
Eine ſolche Frage thut Neſtor an Tea
lemachus 06. III, 71. ff., und Polyphem 08. IX , 252. ff.
268 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. die Strafe über ihrem Haupte ſchwebt, *) ſo geben ſich auch Jene , wie man ſagt ,1 dem Bauche, der Venus und weid lis dher Kleideipracht hin. Die Urſache davon iſt dieſe : Ihr habt , ſo viel ich weiß , ein Gerek , das Dem 1, der die Münze Derfälſcht, oder ein Kind unterſchiebt, oder ſonſt , ich weiß nicht was dieſer Urt thut , mit dem Tode droht ; gegen Die: jenigen aber , welche die Philoſophie verfälſchen , oder ihr Ets 1
1
was unterſchieben , gilt kein Gefeß bei eud ), und keine Ob rigkeit iſt gegen ſie angeſtellt." 30. „ Bei uns , " fuhr ter König fort , ,,beſchäftigen fid uur Wenige mit Philoſophie ; Dieſe aber werden auf folgende Weiſe geprüft. Wenu ein Jüngling das adytzehnte Jahr er: reicht hat , was auch , wenn ich nicht irre , bei Euch der Un: fang des Jünglingsalters iit , ſo muß er ſich über den Fluß Hnphaſis zu den Männern begeben , zu denen auch dich dein Sinn treibt , vorher aber öffentlich bekannt machen , daß er fich der Philoſophie widmen will , um ihn , im Fall er nicht rein wäre , davon abzuhalten. Rein aber denne ich Einen , wenn ihin erftlich in Rückſicht auf Vater und Mutter feit
Schandfleden anhängt ; dann auch , wenn unter den Eltern von Dieſen und bis in das dritte Glied hinauf , kein Fredler, tein Sdwelger , fein ungerechter Wucherer ift.
Wenn fidy
nun in dieſer Beziehung feine Narbe **) zeigt , und durchaus *) Daß ihnen alſo kein langer Genuß der Güter des Lebens geſtattet iſt.
** ) Walırſcheinlich auf das von Plato (Gorg . p. 524 E. ) ges brauchte , und nacher Väufig nachgeahmte Bild von Narben, Fleđen und Schwielen , welche die Seele durch Laſter und
Sünden betoınınt. S. Wyllenb, ad Plutarch, de S, N. V. P. 110. f.
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tein Frectent,1 fo kommt die Prüfung an den Jüngling felbft : erftlid ), ob er Gedächtniß hat ; ferner ob er ſittſam iſt von Natur, oder ſich nur ſo felt ; ob er nicht dem Truste oder der Maſcherei ergeben , kein Prahler , tein Poffenreifſer , nidyt fredy oder ein fåſterer iſt ; ob er gehorſam iſt gegen Bater
und Mutter , gegen Lehrer und Erzieher ; *) endlid), ob er von feiner Jugendblüthe feinen ſchlechten Gebrauch gemacht
hat ? Ja Rückſicht auf ſeine Eltern und Vorfahren wird die Unterſuchung durch Zeugen und öffentlich niedergelegte Sdirif:
ten geführt. Denn wenn ein Inder ſtirbt , ſo begibt ſich eine obrigkeitliche Perſon in ſein Haus , die durch das Gefeß er:
mächtigt iſt, aufzuzeichnet , wie er gelebt hat. Wenn Dieſe 1
fügt , oder ſich belügen läßt , ſo wird ffe dadurch beſtraft, daß fie , als Verfälſdyer des Lebens, kein obrigkeitliches Umt mehr verwalten darf. Die Eigenſchaften der Jünglinge aber lernt man aus ihnen ſelbſt. Vieles von dem Innern des
Menſdien ſprechen die Augen aus ; Bieles liegt aud) in den Uugbraunen und Wangen , woraus wiſe und der Natur tundige Männer den Sinn und Geiſt eines Menſchen , wie die Geſtalten im Spiegel , erkennen. Denn da die Philoſos phie hier in großem Anſehen fteht, und Ehre bei den Intern genießt 1, ſo iſt es von großer Wichtigkeit, daß Die , fo fich
ihr widmen wollen , ſorgfältig geprüft und auf tauſend Pro: ben geſtellt werden . Wie wir Dieſes nun bei den Lehrern
thun, und wie das Philofophiren bei uns der Prüfung unters liegt , hab' id nun deutlich geſagt .“ * ) Dieſer ganze Satz muß mit der Rehdigeriſchen Szandſchr. To
gelefen werban : ει πατρός υπήκοος, ει μητρός, ει διδασκάλων ,> ει παιδευτών .
270 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. 31. ,,Was mid ſelbſt betrifft, " fuhr der Körig fort ,
„ſo bin ich der Enkel eines Königes , der mit mir gleichen Na 1
men führte ,1 und Sohn eines Privatmannes. Denn da mein Bater in früher Jugend zur Waiſe geworden war , wurden ihm nady den Gereben der Inder zwei ſeiner Verwandten zu Vormündern beſtellt. Dieſe beſorgten die königlichen Geſchäfre, aber keineswegs auf eine rechtichaffene und billige Weiſe , ſondern zum Drude der Unterthanen , ro daß ihre Herrſchaft in übeln Ruf kam. Da verbanden ſich Einige der Mächtigen gegen ſie , überfielen ſie bei einem Frite , und raubten ihnen das Leben , als ſie dem Judus opferten ; bemad )tigten fich aber der Herrſchaft ſelbſt , und regierteu das Land. Da wurs 1
den die Verwandten meines Vaters , der noch nicht rechzehen Juhre alt war , beſorgt für ihn , und ichidien ihn über den
Hophajio zu dem dortigen Könige , der über ein größeres Pole herrſcht, als ich , und ein viel reidheres Land beſikt. Dieſer König wolte ihn an Kindesſtatt anuehmen ; aber er Tehnte es ab , indem er ſagte: er wolle nid) t mit dem Glüde
hadern , das ihm die Herrſchaft entzogen habe : bat aber das gegen um die Erlaubniß , fid) zu den Weiſen zu begeben , und ſich der Philoſophie ju widmen ; denn so werde er auch ſein hiusliches Unglück leichter ertragen. Und da der König die Abſidit äußerte, ihn in ſein väterliches Reich zurüdzuführen , Weyn du findeſt, daß ich nach der dazten Weiſe ragte er : philofophire , ro führe mich zurück , wo nicht, ſo laß midy bleiben , wie id ) bin .''11 Der Konig begab ſich nun ſelbſt zu den Weiſen , und ſagte , er werde ich ihnen rehr verpflichtet 1
glauben , wenn ſie rich des ſchon von Natur edeln Knaben
annähmen. Da Dieſe nun etwas Ausgezeidynetes an ihm bes
Zweites Buch. 271 merkten , freuten fie fich, ihm ihre Weisheit mitzutheilen , und unterrichteten ihn mit Eiſer , während er ſelbſt dem ler:
nen eifrig oblag. Als nuu der König nach ſieben Jahren in eine Krankheit verfiel,1 an der er auch ſtarb , ließ er den
Jüngling zu fid) rufen , gab ihn ſeinem Sohne zum Mitre: genten , und verlobte ihm ſeine Tochter, die im heirathsfähi .
1
gen Alter ſtand. " Mein Vater rah nun bald , daß fich der Sohn des Kö: nigs den Schmeichlern , dem Weine und andern ſolchen Uebeln hingab , und gegen ihn ſelbſt vol Mißtrauens war ; da raste er zu ihm : ,,,, Behalte du Dieß , und ſättige dich mit der ganzen Herrſhaft. Denn es iſt Thorheit 1, wenn man das eigene Reid, nicht hat gewinuen können , eine Macht mit Kedheit behaupten zu wollen , auf die man bein Recht hat.
Mir aber gib deine Schweſter ; Dieß iſt alles , was ich von Nach Vollziehung tem Deinigen zu haben wünſche. " der Ehe lehte er in der Nacıbarſchaft der Weiſen in Rieben
reichen Dorfitaften , die der König ſeiner Sd )weſter zur Mor: gengabe geſchenkt hatte. Aus dieſer Ehe bin id, ent proffen . Mein Vater lief midi in Helleniſdier Wiſſenschaft unterricha ten , und führte mich zu den Weiſen ,1 vielleicht vor dem ge
hörigen Uiter (denn ich hatte damals erſt zwölf Jahre) ; fie aber hielten mich wie ihren eig.en Sohn .
Denn wenn sie
einen Schüler belommen , der die Sprache der Hilleven weiß, so lieben ſie ihn deshalb mehr , weil er ihnen ſchon an Sinn und Sitte verwandt iſt."
32. ,, Nachdem meine E'tern furt nad) einander geſtor : ben waren , rendeten * ) mich meie Lehrer zu den Dörfern ,
*) Statt BadioavteS Émiris xouas fdyeint der Sinn zu
272 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. um für das Meinige zu ſorgen , da id) nun neurtzehn Jahre alt wäre .
Uber dieſe Dörfer hatte mir mein wackrer Oheim
ſchon weggenommen ; und nicht einmal die kleinen Landgüter blieben mir , die mein Vater erworben hatte.
Denn dieſes
Alles , fagte er , gehöre zu feiner Herrſchaft , und ich wäre ihm ſdon Dant genug rahuldig , wenn er mich leben ließe. Ich nahm alſo eine Beiſteuer von den Freigelaſſenen meiner Mutter an , und behalf mich mit vier Dienern ."
,,Eines Tages , als id, das Trauerſpiel der Heracliden *) tas , trat ein Mann dieſes Landes zu mir , mit einem Briefe von einem Freunde meines Vaters . Dieſer forderte mich zu
einer Reiſe über den Fiuß Hydraotes auf , um midi mit ihm 1
wegen der Herrſchaft hier zu beſprechen ; denn es rey große Hoffnung, daß id) ſie wieder erlangen könnte , wenn ich nicht zauderte. Da war es mir nun , als ob mir ein Gott jenes Trauerſpiel in den Sinn gerufen hätte , und ich folgte der
mündliden Vorbedeutung. Nachdem ich nun über den Fluß gegangen war , vernahm ich , daß der Eine von Denen , die ſidy in die Regierung eingedrängt hatten , geſtorben war , der Andere aber hier in der Hauptſtadt belagert werde. Ich machte midy alſo eiligſt auf den Weg 1, und rief den Bewoh:
nern der Dörfer , durch die ich kam , zu , ich ſey der Sohn ihres redytmäßigen Königes, und kehre in mein Reid) zurüd..
forbern: αυτοί με βαδίσαντα επί τας κώμας *)
έκέλευσαν επιμεληθήναι των κωμων. Von Euripides. Der Inhalt des Stückes iſt die
Rettung der
Kinder des Herakles von den Verfolgungen des Euryſtheus, und die Zuſicherung ihrer einſtigen Rüctehr in das Was terland.
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Dieſe Leute, die zwiſden mir und meinem Großvater eine Uehnlig )fcit fanden , nahnien mich mit Freude auf , und bes gleiteten mid, mit Dorchen und Bogen bewaffnet ; und unſere Zahl wudis von Tag zu Tag . Us id nun an das Thor kain , nahmen mic ; die Einwohner der Stadt ro wilig auf,
daß fie Fadeln an dem Urtare der Sonne anzüudeten , mir vor der Stadt entgegen kamen , und mich unter lautem Preiſe meines Baters und Großvaters hierher führten. Den Throns räuber im Innern aber ſchleppten Re *) um die Mauer , ſo ſehr id) mid, auch bemühte , einen fold )en Tod von ihm abs fuivehren. 33. Hierauf nahm Apollonius das Wort und ſagte :
wohl eigenilld haſt du hier die Rüctehr der Heraklidea erzählt ; und Dank verdient der Wille der Götter , daß fle einen edeln Maun , der nach dem Seluigen ſteuerte , zu feis. ner Rüdkehr halfen. Aber von den Weiſen rage mir , .ob -
ſe auch eininal dem Ulerander unterworfen geweſen , und vou ihm entführt , über den Himmel mit ihm philoſophirt has
ben ? **)" - ,, Dief , " antwortete der König , ,,waren die Drydraten. ***) Dieſes Vore behauptet die Freiheit, und iſt immer zum Kriege gerüſtet; auch behaupten ſie ſich der Weis:
feit bemächtigt zu haben , ob ſie ſchon nichts Taugliches wiſs *) Nach Pierſon's Berbefferung ein Eav , ftatt des finnleeren ειρζαν. **) Unterredungen init den Gymnoſophiſten führt Arrian im Anfange des ſiebenten Buches feiner Anabaſis an , ***) Die Oxydraten und Mäller erwähnt Strabo XV, 1 , 33., als große Völferſchaften und Verwandte des Dionyſus. Bon
ſeinen Kämpfen mit ihnen erzählt Diodor, Sic. XVII, 98. ff. Philoſtratus. 3 $ 'Bodu .
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274 Philoſtr. Leben des Apollonius von Zyana. fen . Die wahrhaften Weifen aber wohaen zwifchen dem Hus phaffs und Ganges ; und dieſes Laud hat Alerander nie be: treten , nicht aus Fnrdyt , ſondern weil ihm , wie ich glaube, die Opfer nicht zuſagten . Hätte er aber auch den Hyphaſis rüberſdritten , und das fie umgebende Land erobern können ,I ro würde er doch die Beſte, die ſie bewohnen , nie überwäl. tigt haben , wenn er auch zehen tauſend Achille und dreißig tauſend Hjar bei ſich gehast hätte. Denn ſie kämpfen nicht in Sorachten gegen aprüdende Feinde , ſondern treiben ſie als heilige und von Gott geliebte Männer durch Lufterſchei: tungen und Blißſtrahlen ab. So erzählt man, daß der Aegyp tiſche Herakles und Dionyſus , als ſie bewaffnet das Volt der Inder durdyogen , aud) gegen die Weiſen ausrüdten , und Kriegsmaſdinen anwendeten , und den Plaß zu erobern ver: ſuchten. Jene thaten nichts dagegen , ſondern hielten fid ), 1
wie es den Angreifern vorkam , ganz ruhig. Da fie aber an. rüdten , wurden ſie von Ortaneti zurüdgetrieben , und Blige wurden gefdſteudert, und fielet: auf die Waffen . Hier foli
pun Perakles ſeinen goldenen Schild von fid geworfen haben ; und die Beiſen haben ihn zu einem Weihgeſchenke gemacht,
ſowohl wegen Herakles Ruhm , als wegen des Birtwerks dars auf. Denn Herakles felbſt iſt darauf abgebildet , wie er Gas dira umgrenzt , und Berge zu Säulen macht, und den Ocean 1
nach Außen zieht. Woraus denn erhelt, daß nicht der Thes baniſche Herakles , ſondern der Aegyptiſche nach Gadira ge: tommen , und die Grenzen der Erde feſtgeſtellt habe."
34. Indem fte ſo mit einander ſprachen , erhub'ich ein Homnus mit Flötenbegleitung. Uis nun Üpollonius den Ko:
nig fragte , was dieſer Reigen bedeute, antwortete er : ,,die
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Inder ingen dem Könige Ermahnungen zu , eh' er fich chlas fen legt , damit er gute Träume habe , und gut und heilbrius; gend für ſeine Unterthanen erwache." ,, Und was iſt deine Stimmung hierbei ?" ſagte Apollonius ; ,,denn dir gilt dieſes Flötenſpiel." ,, Id peradite es nicht," aatwortete der König. „ Denn um des Gerebes willen muß man es gerdye hen laſſen , übrigens aber die Ermahnungen nicht nöthig has 11
ben.
Denn was der König Gutes und Verſtändiges thut,
damit vüßt er ja wohl ſich ſelbſt mehr als feinen Untertha: nen." - Nad) dieſer Unterredung begabru fle fich zur Ruhe . 35. 418 der Tag anbrad ) , kam der König ſelbſt in das .
Gemad ), in welchem Apollonius mit ſeinen Gefährten ( lief,
faßte das Lager mit der Hand , und fragte den Apollonius , worüber er nachdädyte .
,, Denn ſchlafen thuſt du doch nicht,"
ſagte er , da du als ein Verächter des Weines nur Waſſer trintit." - ,, Glaubſt du denn , " antwortete Apollonius , „ daß die Waſſertrinker nicht ſchlafen ? ! " ,, Sie ſchlafen wohl, " erwiederte der König , aber einen leiſen Schlaf, von dem wir ſagen mübril , daß er nur auf den Augen , nicht in der Seele ruht." „ Uuf beiden ," antwortete Apolonius ; ,,und vielleicht allf der Seele noch mehr. Denn wenn die Seele nicht ruht , ſo nehmen auch die Augen den Schlaf nicht auf. Daher können die Wahnſinnigen nicht ſchlafen wegen .
1
der ſpriøgenden Bewegung des Geiſtes ; und weil ſie mit ihren Gedanken bald auf dieſen , bald auf jenen Gegenſtand abſchweifen , lehen ſie tropig und frech umher , wie die falafa loſen Drachen . Da nun ( fuhr er ort) , o König , das Ges
ſchäft des Salafes , und was dadurch den Menſchen tund gegeben wird , deutlich ausgeſprochen iſ , fo laß nne fehen , 9
2-6 . Philoftr. Leben des Apollonius von Tyana. worin der Schlaf des Waſſertrinkere dem Schlafe des Trun : kenen nad ſtehe ?" ,, Steine ſophiſtiſche Zäuſdung !" ſagte der König. Ein Trunkner freilich wird nicht ſchlafen ; denn der berauſchte
Geiſt wird ihn umhertreiben , und mit Verwirrung erfüllen . Denn Wer im Rauſche zu rdrafen verſucht, wird glauben, bald bis an die Decke geworfen zu werden , bald wieder unter der Erde zu ſeyn , und , wie man von Irion erzählt , don eigen Wirbel umhergetrieben zu werden . Daher verlange ich zu wiſſen , nicht , wie der Zrunkene, ſondern wie Der , welder Wein getrunken hat , aber nüchtern iſt, ſchlafen wird ; und behaupte, daß er weit beffer (draft , als der Waſſertrinter ." 36. Pipotionius rief hierauf dem Damis zu , und ſagte : ,,wir haben mit einem tüchtigen , im Wortgerechte wohlgeüb : tein Manne zu thun ." - wIdi rehe das wohl," antwortete Sener ; „ und hier gilt vielleicht das Sprichwort: auf den Melam p 1 g 08 ſtoße17. *) Ich gebe Dem , was er ſagt, Beifall. Es iſt alſo wohl Zeit zu erivadhen und ihm Genüge zu thun.'' Apolloniuè erhob ſich jeht , und ſagte : „ So will ich denn zeigen , um wie viel mehr Unſpruch wir Waſſertrin :
ker auf einen füßen Sdilaf haben , indem ich mich genau an deine Gründe halte. Du haſt geſagt , daß der Geiſt des *). Ein Sprichwort von dunklem Urſprung , aber gemeinein und niedrigen Gebrauche, und in ſo fern der untergeordneten Rolle
bes 2annis engtime(jen: Μελαμπύγων μη
τύχης.
Nach der Erklärung, die Michael Apoſtolius' davon gibt (XI), 60. ), route znan glauben , daß es eher to ū daov 2
npáxtov in tuxys hátte lanten müſſen .
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Trunkenen in Berwirrung geräth , und daß fie fich offenbar , in einer Art von Wahnſinn befinden . Denn wir rehen , daß die Trunkenen doppelte Monde zu erblicken glauben und dop pelte Sonnen. *) Diejenigen aber , die weniger getrunken haben ; hegen , wenn ſie ganz bei Sinnen ſind, roldhen Wahn nicht, ſind aber voll Fröhlichkeit und Luft , und zwar oft , ohne daß fie eine Urſache haben , ſich wohl zu fühlen. In dieſem Zuſtande führen ſie Rechtshändel , ohne je vor einem Richter geſprochen zu haben ; und wähnen reid) zu feyu , ohne eine Dracyme zu beſiben . Dieß , König , iſt eine wahnſinnige Stimmung. Denn fdjon die Freude erſchüttert das Gemüth ; und ich kenne Biele , die darum , weil ſie fich für redyt glüd lich hielten , nicht ſchlafen konnten , sondern aus dem Salafe anffuhren. Hierdurch beſtätigt fich , was man ſagt, daß auchy das Gute Sorgen ſchafft. Es gibt aber auch gewiſſe Urzuei. mittel , die den Schlaf bewirten , ſo daß , wenn die Men'chen davon getrunken haben , oder damit geraibt worden ſind , ffe ſich wie todt ausſtrecken , und in Schlaf verfallen. Daher ſtehen ſie mit einer gewiſſen Bergeſſenheit auf , und ſind ganz wo anders , als wo ſie wähnen zu feyn . Daß alſo Das , was man trinkt , oder vielmehr , womit man die Seele und den Leib überſchüttet , keinen wahren und natürlichen Schlaf her : beiführt , ſondern entweder einen tiefen und dem Tode ähnlt: chen , oder einen kurzen , und von judringenden , wenn auch 1
Mit Anſpierung auf die Worte des Pentheus in den Bacchana tinnen des Euripides v. 16. , den auch Birgir ( Aen. IV, 468. )
vor Augen hat: Eumenidum veluti demens videt agmina Pentheus , Et solem geminum et duplices se ostendere Thebas ,
278 Philoſtr. Leben des Apollonius von Tyana. angenehmen Borſtellungen zerriffenen Schlaf, das wirſt du zugeben , wenn dir nicht mehr am Streit als an der Wahr :
heit liegt. Meine Genoſſen , die Waffertrinker, hingegen ſehen Das , was iſt , wie es iſt, utid Das , was nid )t iſt, 1
ſtellen ſie ſich nicht als wirklich vor. Nie erſcheinen ſie leichta fertig , nie in ſtumpfſlunige Prägheit verſanten ; aud) nicht fröhlidyer als ſich ziemt ; ſondern ihr Wefen iſt gelebt und
beſonnen , und ſie ſind ſich gleich am Abend ſo gut als am Mors gen. Denn nie ſchlummern ſie ein , wenn ſie ſich auc, bis tief in die Nadit ernſthaſt beſdäftigen. Der Schlaf wirft fie
nicht nieder , oder belaſtet wie ein Tyrann den vom Weine gebeugten Nacken ; ſondern ſie erſcheinen aufrecht und frei. 1
Wenn ſie fid, aber zur Ruhe begeben , nehmen ſie den Schlaf mit reiner Seele auf , ohne daß ſie das Glück erhebt , oder das Unglück ſie aufſcheucht. Denn Beides erträgt die nücha terne Seele mit Gleichmuth , und weder das Eine, noch das Andere beſtegt ſie. Daher ſchluinmert ſie füß und ſchmerzlos, ohne in der Ruhe geſtört zu werden ." 37. ,,Ia auch die in den Träumen liegende , weifſagende Kraft , die von allen menſchlichen Dingen für das Göttlichſte gilt , faßt ſie leichter auf , wenn ſie nicht vom Beine verdü ſtert iſt , ſondern ungetrübt jene Weiſagungen in fich aufs
nimmt uns beſchaut. Daher pflegen auch die Traumdeuter, *) wie ſie bei den Dichtern heißen, Keinein ein Traumbild aus. zulegen , chne vorher nach der Zeit zu fragen , in der es ihm erſchienen iſt. Wenn es ſid, bei'm Unbruch des Tages, in dem
Schlummer der Morgendämmerung zeigte , ro legen flees
*) Όνειροπόλοι .
279 Zweites Buch. aus , weil dann die Seele , nad Berbannung der Weindünste,
in voller Geſundheit weifſagt. *).
Hat es fich) hingegen wähs
rend des erſten Schlafes oder um Mitternacht gezeigt , wenn die Seele noch in Wein verſenkt und umdüſtert iſt , ſo berſa .
gen ſie aus guten Gründen die Auslegung. Und daß audy die Götter ebent po ' urtheileu , und ganz offenbar die weiffa gende Kraft in die nüchterne Seele legen , will ich ebenfalls
darthun. Es lebte vormals, König , bei den Hellenen ein Seber , Umphiaraus genannt." Ich kenne ihu," ſagte der Königi ,, denn du meinſt doch den Sohn des Difles , den bei der Rüdkehr von Theben die Erde lebendig verſdlang " " **)
,, Dieferſelbe," antwortete Apocoaius , ,,weifſagt jest in Attita durd, räume , die er den Fragenden erſcheinen läßt ; und die Prieſter empfangen den Befrageuden ,1 und verbieten ihm einen Tag lang zu eſſen, und drei Tage lang Wein zu trinken , damit er die weifſagende Rede mit heller Seele in
ſich einſauge. Wäre nun der Wein ein gutes Mittel für den
Schlaf, ſo würde der weiſe Umphiaraus reine Verehrer auf die entgegengefeste Beiſe borbereiten , und ſie mit Wein , wie Schlaudie angefüllt, in ſein Heiligthum einführen laſſen . Auch könnte id) viele berühmte Orakel nennen bei den Helle: sen und den Barbaren ,1 wo der Prieſter nicht Wein , ſondern
Wafler trinkt , ehe er vom Dreifuß Orakel ertheilt. Uudy mich , König , und alle Waffertrinter , kannſt du als Leute *) 6. Moschus II, 1 5. Vergl. Artemidor, Onirocr. ), 8. **) Pon ihm und ſeiner Traumdeuterei T. vornåmlich Pau san . I, 34 .
280 Philoſtr. Leben des Apollonius von Zyana. anfehen , die von einem Gotte ergriffen ſind ; denn wir ſind Bacchauten der Nüchternheit." * ) ,, Wirſt du wohl," ſagte der König , auch mich zu ei: nem ſolchen Bacchanten macheu ? ' '
„ Wenn du ," antwortete Apolonius , ,,deinen Untertha : nen dadurch keinen Unſtoß gibt. Denn bei einem königlichen Manne bewirkt eine gemäßigte und milde Philoſophie eine bewundernswürdige Temperatur, wie ſich bei dir zeigt. Udzu ſtreng aber und überſpannt wird ſie leicht anſtößig , und er: cheint der Stelle , auf welcher ihr ſteht , nicht angemeſſen ; 1
ja Mißgünſtige ſehen Dünkel darin.11 Nachdem ſie rich ſo mit einander unterredet harten , und
der Tag nun angebrochen war , verließen ſie das Gemadı.
38. Da Apolloniús erfuhr, daß der König beſchäftigt er: ,, Verrichte du , König , die Geſchäfte deines Umtes ; rets, frenden Geſandten Gehör zu geben , und Dergleichen, ragte
mich aber überlaß während dieſer Zeit der Sonne ; denn ich maß das gewohnte Gebet verrichten ."
,,Möge fle ," antwortete der König , ,, dein Gebet erhöz'
ren ; denn dadurd, wird lle Alle erfreuen, die deine Weisheit (ieben. Ich werde deine Rückkehr erwarten . Ich habe audi einige Rechtshändel zu ſchlichten, bei denen mir deine Gegens wart hödiſt nüblid, ſeyn wird. “
39. Der Tag war fdyou etwas vorgerückt, als Upoco: nius žıı dem Könige zurüctehrte, und ihn fragte , worüber er zu Gerichte geſeſſen hätte.
5. Idi habe heute nicht zu
Gerichte gereffen ," antwortete er ; denn die Opfer geſtatte: ten es nid)t. " ,, Urſo auch hierbei ," ſagte Upollonius,
ozieht ihr die Opfer zu Rathe, wie bei einer Reiſe oder ei: ,, uem Feldjuge ?" - Allerdings , " erwiederte der König; ipdenn auch hier läuft der Richtende Gefahr , fich von dem geraden Weg : jul verirren ."
* ) Nngółnitor mit der Rhedigeriſchen Handſchrift , ein wohr Hur für die Verbindung , in der es hier ſteht , gebildetes
Wort, ſtatt 1' Vllpółnntov, welches die Herrſchende Leſart iſt.
281
Zweites Buch .
Apolonius fand Dieß gut und wohl geſprochen, und fragte darauf weiter , was für einen Rechtsſtreit er zu ſchlichten habe ? ,, Denn ich ſehe ," ragte er ,1 daß du unſdylüſſig und niat mit dir einig biſt , wie du ſtimmen fouſt. "
„ Ich ge:
ſtehe ,'' antwortete er, daß ich unſchlüſſig bin ; daher will id didi zu meinem Berather nehmen. Es hat jemand einem Andern ein Grundſtück verkauft , in welchem ein unbekannter
Schaß lag. Nadı Verlauf einiger Zeit öffnete ſich die Erde, und enthüllte einen Vorrath don Gold , von dem der Ver:
käufer behauptet , daß er ihm gehöre ; denn er würde das Grundſtück nicht verkauft haben , wenn er gewußt hätte , daß er davon leben könnte. Der Käufer hingegen behauptet das Eigenthumsrecht auf Alles, was das ihm gehörige Land ent: halte. Beide haben Recht; es würde aber einfältig von mir ſeyn, wenn ich Ihnen beföhle , das Gold ju theilen. Denn ſo könnte auch ein altes Weib entſdieiten."
Hierauf verſette Apollonius : ,, daß die Streitenden keine Philoſophen find , zeigt ihr Prozeß über das Gold. Mir aber ſcheint es, daß dich folgende Betrachtung auf den Weg
der rid:tigen Entſcheidung führen wird.
Die Götter ſorgen
zuerſt für Diejenigen , welche Philoſophie mit Tugend verbin den ; dann für Die, melche fich frei ron Fehlern erhalten,und
rich nie einer Ungerechtigkeit ſchuldig gemacht haben . Dem Philoſophirenden verleihen fie 1, Göttlides und Menſchliches wohl zu unterſcheiden ; Denen aber, die ohne Philoſophie brad und redtfchaffen ſind , gehen ſie hinlängliches Vermögen, da: mit ſie nicht aus Mangel am Nothwendinen ingerecht wers den . Es ſcheint mir alſo , daß man die beiden Gegner wie
auf einer Wage gegen einander abwiegen , und ihr Leieu pril fen müſſe. Denn es kommt mir nicht wahridsinlid, vor,
daß die Götter dem Einen das Land genommen haben ſollten, wenn er nicht ſchlecht wäre ; cder daß fie dem andern auch Das, was unter der Erde lag , gegeben hätten, wenn er niet beſſer wäre als der Verkäufer ."
Den folgenden Tag kamen Beide ,um ihren Gand:! ; !! ſchlichter
Da zeigte ſich,! daß der Sverf &ufer ein Frerior
282. Philoftr. Leben des Apollonius von Tyana . war , und die Opfer , die er den Göttern jenes Landeigen. thums hätte darbringen ſollen , unterlaſſen hatte ; Jener aber wies lid, als ein rechtſchaffener Mann aus , der die Götter
auf das Frömmſte verehrte . So bewährte ſich alſo die Mei nung des Apoüonius ; und der rechtſchaffene Mann ging mit
reinem Funde als einem Geſcherike der Himmliſchen hinweg. 40. Nachdem der Rechtshandel auf dieſe Weiſe geſchlich . tet war, ſagte Upoúonius zu dem Inder: , heute iſt der dritte wag, ſeitdem du mich zu deinen Gaſtfreunde gemacht haſt ! und ſo muß id) alſo dem Gereße gemäß morgen abreiſen ."
,,Das Gerez , " antwortete der König , uſpricht noch nicht 1
zu dir ; denn da du erft am Mittag angekommen biſt, ſo darfſt du morgen noch hier bleiben ." „Ich freue mich deiner Gastfreiheit ,“ erwiederte Apoữonius ; ,,denn es ſcheint , daß ou um meinetwillen das Geſetz uingehen willſt .: -1,,Mödyte
id es doch ," antwortete der Könige vam deinetwegen gang aufheben können . Aber rage mir , Apollonius : die Kamere, auf deneu ihr hierher gekommen ſend, haben ſie end, nicht von Babylon gebracht ? ,, Auerdings ," antwortete er : ,, Bar: danes gab fie une. " ,,Werden ſie euch noch weiter bringen können , du ſie ſchon den weiten Weg von Babylon gemacht haben ? " Apollonius ſchwieg. Damis aber nahm das Wort und ſagte : ,,der Mann verſteht ſich nicht auf das
Reiſen , und kennt die Völker nicht , durch die wir kommen
werden , ſondern hält es für ein Spiel, zu den Indern zu gelangen , als ob wir überall einen Mann , wie dich , oder Bardānes , finden müßten . Wie es mit unſern Kazielen aus : ſieht, geſteht er dir nicht ein. Sie ſind in einem ro (dlech 1
ten Zuſtande , daß wir ſie würden tragen müſſen ; und wir
haben andere nöthig . Denn wenn ſie in der Indiſchen Wüſte wo zuſammenfallen , ſo werden wir uns dazu leben müſſen , um die Gener und Wölfe von ihnen abzuwehren ; von uns
aber wird Niemand ſie abwehren : und wir werden zuverläſſig umtommen ."
Da nahm der König das Wort und ſagte : ,,dieſem Ues bel will id) ashelfen ; ich will eud, andere geben. Ihr braucht,
283 Zweites Bud. dent ich , deren vier. Der Satrap von Indien 'ſo!! vier an : 1
dere nach Babylon ſchicken. Ich habe am Fudus eine ganze Heerde von weißen Kamelen." ,, Wirſt du uns aber, " ſagte Damis , „ nicht auch einen Führer geben ? „Und auch 1
ein Kamel, " antworteteder König,,,,werde ich dem Führer geben , und Zehrung. Auch werde ich an Jarchas , den Uel: teſten der Weiſen , ichreiben , den Apollonius nicht schlechter, als mich ſelbst aufzunehmen , Euch aber als Freunde und Begleiter eines göttliden Mannes ." Hierauf gab ihnen der inder Gold, Edelſteine und Klei 1
ter , und tauſenderlei andere ſolche Dinge. Upollonius aber
ſagte, Gold habe er hinlänglich ; dieß habe Bardanes dem Führer ohne ſein Wiſſen gegeben . Die Kleider aber nehme
er an ,weil ſie ganz der alten , acht Attiſchen Stutte *) gli: den. Dann nahm er einen der Edelſteine in die Hand, bez trachtete ihm und ſagte : „ Finde ich dich doch hier recht zur
guten Stunde durch göttliche Fügung ( indem er ohne Zweifel eine geheime und göttliche Kraft darin erkannte) !" — Das Geld nahin Damis und ſeine Begleiter audi nicht an ; bei
den Edelſteinen aber griffen fle zi , in der Abſicht, ſie nach 1
!
der Rücksehr in ifré Heimath den Göttern zu widmen. 41. Nachdem ſie audynodi den folgenden Tag geblieben was ren (denn der fuder entließ fie nicht) , gab er ihnen den Brief an Jarchas , der auf folgende Weiſe abgefaßt war : Der König Phraotes grüßt ſeinen Lehrer Jarchas und
die Weiſen bei ihm . Apottonins, der weiſefte Mann , hålt Eud fürweiſer, als fich Telbſt, und kommt, um von Euch zu Vernen. Entlaßt ihn alſo nicht ohne Kenntniß alles Deſſen ,
was Ihr ſelbſt wißt. Denn ſo wird nichts von Eurer Wiſſens. ſchaft verloren gehen ; denn Niemand ſpricht beſſer als er, oder hat ein treueres Gedächtniß. Laß thn auch den Thron ſehen auf dem ich fuß , als du , Bater Jardjas , mir das Königthum gabſt. Seine Begleiter verdienen ebenfalls Lob,
*) Dem Teißwv, wie die Philoſophen trugen .
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284 Philoftr. Leben des Apollonius von Tyana. daß ſie einem ſolchen Maane anhängen. Sey glüdlich ! Seyb insgeſammt glücklich !" 42. Nachdem ſie nun Tarila verlaſſen , und zwei Tage: reiſen zurückgelegt hatten , kamen ſie auf das Feld,1 wo Po:
rus mit dem Hlerander gekämpft haben ſoll, und ſahen hier, wie ſie erzählen , Thore , die Nidits verſchließen , ſondern als Trophäen aufgerichtet ſind. Oben darauf ſtehe Ålerander auf einem vierſpännigen Wagen , so wie er nach dem Siege über des Darius Satrapen bei Iiiug ſteht. Es ſollen aber nicht weit von einander zwei Thore erbaut reyn , auf deren einem Porus , auf dem andern Alerander ſteht, ſo wie ſie , glaube id , nach der Schlacht zuſammenkaniei. Denn der Eine gleicht einem Empfangenden , der Undere einem ehrerbietig Grüßenden .
43. Nachdem lle über den Fluß Hydraotes geſeßt,1 und mehrere Böller durchzogen hatten , gelangten lie zu dem
Fluſie Hyphaſis. Dreißig Stadien weiterhin ftießen ſie auf Últäre, welche die Fuſchrift führten : ,, Dem Vater Ammon und dem Bruder Herakles, und der Athene Pronoa, und dem Olympiſchen Zeus , und den Samothraciſchen Kabiren , und dem Indiſden Helios , und dem Bruder Apollo." Uuch von
einer ehernen Säule erzählen ſie , mit der Inſchrift: ,,Hier machte Ulerander Halt." Die Ultäre müſſen wir für ein Werk Aleranders halten , der dadurch die Grenzen ſeiner Herrſchaft ehrenvou bezeichnete. Die Säule jenſeit des Hys phaſis aber halte ich für ein Wert der Inder, welche Rolf darauf waren, daß Ülerander nid)t weiter vorgedrungen ist. }