Franz Hartmann, Redakteur - Lotusblüten, Band XIII., 1899

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HARVARD

COLLEGE

LIBRARY


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Iiotusbliiffien.

6

Ein monatlich erscheinendes Journal

enthaltend

Originalartikel und ausgewählte Übersetzungen

Lotußblütnen.

aus der orientalischen Litteratur

in Bezug auf die Grundlage der Religionen des Ostens

und der THEOSOPHIE.

Herausgegeben von

FRANZ HARTAANN. A. D.

fit

Mitglied der Theos. Gesellsch. in Amerika.

Jahrgang 1899. I. Semester.

(Heft LXXVI —LXXXI.)

LEIPZIG.

Ein monatlich erscheinendes Journal

Verlag von Wilhelm Friedrich.

enthaltend

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Originalartikel und ausgewählte Übersetzungen aus der orientalischen Litteratur in Bezug auf die Grundlage der Religionen des Ostens und der THEOSOPHIE. lIerausgegeben von

FRANZ HARTJY\ANN. JY\. D. Mitglied der Theol. Gesellsch. in Amerika.

Jahrgang 1899. I. Semester. (Heft LXXVI - LXXXI.)

LEIPZIG.

Verlag von Wilhelm Friedrich.

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Inhaltsverzeichnis.

Seite

Populäre Vorträge I, II, III I, 153, 369

Die Bhagavad Gita oder Das Hobe Lied

48, 81, 190, 231, 311, 407

Die Lehren des Philippus Theophrastus Bombast von Hohen-

heim gen. Paracelsus. II. Teil. Medizin. 55, 103, 200, 235

Manuskripte fur Freimaurer. Von Kerning . 89, 275, 322, 414

Hastamalakstrotra 225

Michael de Molinos 297

Briefkasten 77, 148, 220, 292, 363, 436

Inhaltsverzeichnis. Seile Generated for John Patrick Deveney (University of Chicago) on 2014-11-22 18:37 GMT / http://hdl.handle.net/2027/hvd.hnue9b Public Domain in the United States, Google-digitized / http://www.hathitrust.org/access_use#pd-us-google

Populäre Vorträge I, 11,

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153, 36 9

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Die Bhagavad Gita oder Das Hohe Lied

48,81, 19°,231,311,4°7 Die Lehren des Philipp1ll TheophrastlUl Bombast yon Hohenheim gen. Parace1s1ll. ll. Teil. Medizin. Manuskripte für Freimaurer. Von Keming. Hastamalabtrotra • Michael de Molinos Briefkuten •

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55, 103,

200,

89, 275, 3 22 , 414

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LOTUSBLÜTHEN

Ein monatlich erscheinendes Journal,

LOTUSBLÜTHEN.

enthaltend

Originalartikel und ausgewählte Übersetzungen

aus der orientalischen Litteratur

in Bezug

auf die Grundlage der Religionen des Ostens

Ein monatlich erscheinendes ]oumal,

und der

THEOSOFH1E.

enthaltend

Herausgegeben von

FRANZ HARTMANN, M. D.

Mitglied der internationalen Theos. Geseilten.

LEIPZIG.

Verlag von Wilhelm Friedrich.

Originalartikel und ausgewählte Übersetzungen aus der orientalischen Litteratur in Bezug

Inhalt von Heft LXXVI Januar 1899): ^

Populäre Vorträge. De Profnndis. Ein Vortrag über die

praktische Theosophie I

Die Bhagavad Gita oder das Hohe Lied (Fortsetzung) . 48

auf die Grundlage der Religionen des Ostens und der

Die Lehren des Paracelsas (Fortsetzung) 55

Briefkasten 77

THEOSOPHIE.

Preis per Jahrgang Mark 10,—, einzelne Hefte Mark I,—.

Semester-Einbanddecken a Mark I,—.

Inserate: Die 2gespaltene Nonpareille-Zeile 40 Pf.

Herausgegeben von

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Die halbe Seite Mk. 24,—. Die Seite Mk.45.—.

FRANZ HARTMANN, M. D.

Beilagen nach Übereinkommen.

Mitelied der iDtematioDalen Theos. G..elbch.

LEIPZIG. Ver 1a g von W i I hel m Fr i e d r ich.

. -.

Inhalt von Heft LXXVI Oanuar 18gg): Popaläre Vorträge. De Profundis. Ein Vortrag ttber die praktische Theosophie • . . . . . • • . Die Bhagavad Gita oder das Hohe Lied (Fortsetzung) . Die Lehren des Paracelsus (Fortsetzung). . . . . • Briefkasten. . . . . . • . . . . . . . • .

S.ite I

48

SS 77

Prell per Jahrgang Mark 10,-, einzelne Hefte Mark 1,-. Semester- Elnbanddeoken Mark 1,-. Inserate: Die 2 gespaltene Nonpareille-Zeile 40 Pf. Die halbe Seite Mk. 24,-. Die Seite Mk.45.-. Beilagen nach Übereinkommen.

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Verlag der Theosophischen Buchhandlung,

Leipzig, Inselstrasse 25.

Verlag der Theosophischen Buchhandlung,

Theosophischer Wegweiser

zur Erlangung der göttlichen Selbsterkentnis.

Leipzig, Inselstrasse 25.

Zeitschrift zur Verbreitung einer höheren Weltanschauung

und zur Verwirklichung der Idee einer allgemeinen Menschen-

Theosophischer Wegweiser

verbrüderung auf Grundlage der Erkenntnis der wahren

Menschennatur.

Organ der Theosophischen Gesellschaft.

zur Erlangung der göttlichen Selbsterkentnis.

Enthaltend Berichte aus dem Gebiete der Theosophie, occulten Pilosophie,

Methaphysik, Spiritualismus, der höhereu Naturwissenschalten etc.

Zeitschrift zur Verbreitung einer höheren Weltanschauung

Herausgegeben von: Arthur Weber, Leipzig.

Erscheint Mitte jeden Monats im Umfange von minde-

und zur Verwirklichung der Idee einer allgemeinen Menschenverbrüderung auf Grundlage der Erkenntnis der wahren Menschennatur.

stens 8 Seiten. Preis Mk. 2.40 jährlich (pränumerando), für

das Ausland Mk. 2.80 bei direkter portofreier Zusendung.

Zu beziehen durch die Theosophische Buchhandlung

(Anton Hartmann), Leipzig; durch den Buchhandel von

Organ der Theosophischen Oesellschaft.

Wilhelm Friedrich, Leipzig.

Verlag von Wilhelm Friedrich in Leipzig.

Enthaltend Berichte aus dem Gebiete der Theosophie, occulten Pilosophie, Methaphysik, Spiritualismus, der höheren Naturwissenschalten etc.

Soeben erschien:

Giordano Bruno's Eroici furori

Herausgegeben von: Änlaur Weber, Lftptrig.

oder

Zwiegespräche vom Helden und Schwärmer.

Erscheint Mitte jeden Monats im Umfange von mindestens 8 Seiten. Preis Mk. 2.40 jährlich (pränumerando)1 für das Ausland Mk. 2.80 bei direkter portofreier Zusendung. Zu beziehen durch die Theosophische Buchhandlung (Anton Hartmann), Leipzig; durch den Buchhandel von Wilhelm Friedrich, Leipzig.

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Übersetzt und erläutert von Dr. Ludwig Kuhlenbeck.

— Preis Mk. 6.—. —

Wohl das bedeutendste Werk des grossen Philosophen,

welcher 1600 als Ketzer zu Rom verbrannt wurde. Eroici

furori ist eine der interessantesten Schriften aus der Zeit

des 16. Jahrhunderts und die Gestalt Giordano Bruno's,

des Begründers der pantheistischen Philosophie ragt hervor

aus dem Kreise der Philosophen der Übergangszeit von

Verlag von Wilhelm Friedrich m Leipzig.

der älteren zur neueren Philosophie.

Druck von Oscar Brandstetter in Leipzig. 18272

Soeben erschien:

Oiordano Bruno's Eroici furori oder

Zwiegespräche vom Helden und Schwärmer. Übersetzt und erläutert von Dr. Ludwig Kuhlenbeck. Preis Mk. 8.-. Wohl das bedeutendste Werk des grossen Philosophen, welcher 1600 als Ketzer zu Rom verbrannt wurde. Eroici furori ist eine der interessantesten Schrifteh aus der Zeit des 16. Jahrhunderts und die Gestalt Giordano Bruno's, des Begründers der pantheistischen Philosophie ragt hervor aus dem Kreise der Philosophen der Übergangszeit von der älteren zur neueren Philosophie. Druok von Oscar Bmn<lstetter in l.eipzig. 18272

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Populäre Vorträge.

De Profundis.

Ein Vortrag über die praktische Theosophie.

Motto: „Die wahre Weisheit kommt von Gott,

ruht in Gott und führt zu Gott."

Es ist eine uralte Regel, dass, wer nach

einem hohen Ziele strebt, sich auf dem Wege

nicht umsehen soll. Der Schütze, der während

des Zielens nach anderen Dingen schaut, wird

den Mittelpunkt schwerlich treffen. Wer nach

Vollkommenheit ringt, der muss das Höchste

im Auge behalten. Wird es erreicht, so richtet

sich das Unvollkommene von selbst. Auch

bringt es wenig Nutzen, die Welt auf ihre

Populäre Vorträge.

Fehler aufmerksam zu machen, solange man

ihr nichts Besseres bieten kann. Durch blosses

Schelten wird nichts erreicht, sondern nur noch

der Widerstand des Übels erregt. Diejenigen,

De Profundis.

in denen diese Übel verkörpert sind, erkennen

sie nicht als Übel an, und jedes Ding wächst

Lotuiblüthen LXXVI. I

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Ein Vortrag über die praktische Theosophie. Motto: "Die wahre Weisheit kommt vOn ruht in Gott und führt zu Gott"

Gott~

Es ist eine uralte Regel, dass, wer nach einem hohen Ziele strebt, sich auf dem Wege nicht umsehen soll. Der Schütze, der während des Zielens nach anderen Dingen schaut, wird den Mittelpunkt schwerlich treffen. Wer nach Vollk<?mmenheit ringt, det: muss das Höchste im Auge behalten. Wird es erreicht, so richtet sich das Unvollkommene von selbst. Auch bringt es wenig Nutzen, die Welt auf ihre Fehler aufmerksam zu machen, solange man ihr nichts Besseres bieten kann. Durch blasses Schelten wird nichts erreicht, sondern nur noch der Widersb~.nd des Übels erregt. Diejenigen, in denen diese Übel verkörpert sind, erkennen sie nicht als Übel an, und jed~s Ding wächst Lotuablüthen LXXVI.

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durch den Widerstand, der ihm geboten wird.

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Thatsächliche Besserung eines Übels tritt erst

durch den Widerstand, der ihm geboten wird. Thatsächliche Besserung eines Übels tritt erst dann ein, wenn man selber zur Einsicht kommt, dass ein Übel ein Übel ist, und zu dieser eigenen Einsicht gelangt man durch die Erkenntnis des Guten. Man entsagt dem Schlechteren, wenn man das Bessere erkennt. Die eigene Einsicht und Selbsterkenntnis des höchsten Guten, und deren Bethätigung und Verwirklichung im Leben, ist die praktische Theosophie oder Gottesweisheit, die nicht in leblosen Theorien, müssiger Beschaulichkeit, fruchtlosen Betrachtungen, utopischen Ideen, idealen Schwärmereien u. s. w. besteht, sondern nur durch den thatsächlichen Fortschritt der Menschheit auf dem Wege zur höchsten Vollkommenheit erlangt werden kann. Wenn wir nun einen Augenblick stille stehen und uns unsere jetzige Umgebung betrachten, so geschieht dies nicht zu dem Zwecke, die jetzigen Verhältnisse einer nutzlosen Kritik zu unterwerfen, sondern um zu sehen, welche Fortschritte die Menschheit in den letzten Jahren auf dem Wege zur göttlichen Vollkommenheit gemacht hat, und vielleicht etwas dabei zu lernen. Blicken wir deshalb hinab in die Tiefe, und werfen einen Blick auf die grosse Tragi-

dann ein, wenn man selber zur Einsicht kommt,

dass ein Übel ein Übel ist, und zu dieser

eigenen Einsicht gelangt man durch die Er-

kenntnis des Guten. Man entsagt dem Schlech-

teren, wenn man das Bessere erkennt. Die

eigene Einsicht und Selbsterkenntnis des höch-

sten Guten, und deren Bethätigung und Ver-

wirklichung im Leben, ist die praktische Theo-

sophie oder Gottesweisheit, die nicht in leblosen

Theorien, müssiger Beschaulichkeit, fruchtlosen

Betrachtungen, utopischen Ideen, idealen Schwär-

mereien u. s. w. besteht, sondern nur durch

den thatsächlichen Fortschritt der Menschheit

auf dem Wege zur höchsten Vollkommenheit

erlangt werden kann.

Wenn wir nun einen Augenblick stille stehen

und uns unsere jetzige Umgebung betrachten,

so geschieht dies nicht zu dem Zwecke, die

jetzigen Verhältnisse einer nutzlosen Kritik zu

unterwerfen, sondern um zu sehen, welche Fort-

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schritte die Menschheit in den letzten Jahren

auf dem Wege zur göttlichen Vollkommenheit

gemacht hat, und vielleicht etwas dabei zu

lernen. Blicken wir deshalb hinab in die Tiefe,

und werfen einen Blick auf die grosse Tragi-

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komödie, in welcher wir als erdgeborene Men-

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schen wohl oder übel mitzuspielen gezwungen

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sind.

Manches hat sich in den letzten Jahren

komödie, in welcher wir als erdgeborene Menschen wohl oder übel mitzuspielen gezwungen sind. Manches hat sich in den letzten Jahren zum Besseren gewendet; aber auch manche alte Übel sind gewachsen und neue aufgekeimt. Noch immer tobt der Kampf ums Dasein unter den stets wechselnden Formen; persönliche und Parteiinteressen streiten um die Herrschaft, und das Prinzip der Gerechtigheit steht wie ein Schatten im Hintergrunde. Täglich werden Menschen geboren, die sich geradeso wie ihre V orfahren das Leben gegenseitig sauer machen werden, bis auch sie wieder vom Schauplatz des Lebens verschwinden. Hohe Ideale leuchten noch immer, wie Sterne am Himmel, vor den Augen der Menschheit; aber sie sind geradeso unerreichbar wie sonst. Der Ruf nach Einheit und Frieden durchdringt die Welt, und jeder ist bereit, darauf zu hören, vorausgesetzt, dass seine eigenen Interessen dabei keinen Schaden erleiden. Jeder möchte sich gerne mit den andern vereinigen, vorausgesetzt, dass die andem ihm folgen und seinen Willen thun. In der Politik geht noch immer Gewalt vor Recht, und der Eigennutz der 'parteien diktiert die Gesetze. Gerechtigkeit und Recht stehen

zum Besseren gewendet; aber auch manche

alte Übel sind gewachsen und neue aufgekeimt.

Noch immer tobt der Kampf ums Dasein unter

den stets wechselnden Formen; persönliche

und Parteiinteressen streiten um die Herrschaft,

und das Prinzip der Gerechtigheit steht wie ein

Schatten im Hintergrunde. Täglich werden

Menschen geboren, die sich geradeso wie ihre

Vorfahren das Leben gegenseitig sauer machen

werden, bis auch sie wieder vom Schauplatz

des Lebens verschwinden. Hohe Ideale leuchten

noch immer, wie Steine am Himmel, vor den

Augen der Menschheit; aber sie sind geradeso

unerreichbar wie sonst. Der Ruf nach Einheit

und Frieden durchdringt die Welt, und jeder

ist bereit, darauf zu hören, vorausgesetzt, dass

seine eigenen Interessen dabei keinen Schaden

erleiden. Jeder möchte sich gerne mit den

andern vereinigen, vorausgesetzt, dass die andern

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ihm folgen und seinen Willen thun.

In der Politik geht noch immer Gewalt vor

Recht, und der Eigennutz der Parteien diktiert

die Gesetze. Gerechtigkeit und Recht stehen

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sich feindlich gegenüber. Kirchliche Interessen

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sind im Streite mit den Interessen der Religion.

sich feindlich gegenüber. Kirchliche Interessen sind im Streite mit den Interessen der Religion. Militär und Civilgewalt stehen sich in manchen Orten feindlich gegenüber; an andern blüht das Denunziantentum. Im Norden rüstet man sich zum Kriege, und von den Schlachtfeldern des Südens tönt das Geschrei der Verwundeten. Überall rüstet man sich zum Streit, und die Steuerpresse arbeitet mit vermehrtem Druck. Gefängnisse sind überfüllt, und der Anarchismus unter der Maske der Philanthropie lauert im Hintergrunde. Dunkel ist es in den Bethäusern, und der Mondschein leuchtet in den Sälen der Akademien. Aus den Folterkammern der wissenschaftlichen Inquisition erschallt das Geheul ihrer Opfer; die Spitäler sind voll, und die von Leichen strotzenden Kirchhöfe verkündigen die Errungenschaften der Medizin. Habsucht, Selbstsucht, Neid, Eigendünkel, Herrschsucht, Grössenwahn und Grausamkeit dringen in alle Gemächer ein, obgleich die Thüren verschlossen sind. Noch immer hungert die Bescheidenheit, während die Frechheit prasst. Kapital und Arbeit bekämpfen sich; der Reiche bestiehlt den Armen und der Arme betrügt den Reichen. Die Nationalitäten liegen sich gegenseitig in den Haaren. Die Wahrheit

Militär und Civilgewalt stehen sich in manchen

Orten feindlich gegenüber; an andern blüht

das Denunziantentum. Im Norden rüstet man

sich zum Kriege, und von den Schlachtfeldern

des Südens tönt das Geschrei der Verwundeten.

Überall rüstet man sich zum Streit, und die

Steuerpresse arbeitet mit vermehrtem Druck.

Gefängnisse sind überfüllt, und der Anarchismus

unter der Maske der Philanthropie lauert im

Hintergrunde. Dunkel ist es in den Bethäusern,

und der Mondschein leuchtet in den Sälen der

Akademien. Aus den Folterkammern der wissen-

schaftlichen Inquisition erschallt das Geheul

ihrer Opfer; die Spitäler sind voll, und die von

Leichen strotzenden Kirchhöfe verkündigen die

Errungenschaften der Medizin.

Habsucht, Selbstsucht, Neid, Eigendünkel,

Herrschsucht, Grössenwahn und Grausamkeit

dringen in alle Gemächer ein, obgleich die

Thüren verschlossen sind. Noch immer hungert

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die Bescheidenheit, während die Frechheit

prasst. Kapital und Arbeit bekämpfen sich;

der Reiche bestiehlt den Armen und der Arme

betrügt den Reichen. Die Nationalitäten liegen

sich gegenseitig in den Haaren. Die Wahrheit

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wird verfolgt, und der Lüge werden Monumente

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errichtet. So sieht es im allgemeinen in der

Welt aus.

Wohl wäre da Veranlassung vorhanden, ein

wird verfolgt, und der Lüge werden Monumente errichtet. So sieht es im allgemeinen in der Welt aus. WohI wäre da Veranlassung vorhanden, ein De Profundis anzustimmen und auszurufen: "Wie lange, 0 Herr, wird dieser Zustand dauern! Wann wird der neue Erlöser erscheinen? Wann wird es auf Erden vollkommen sein?" - Aber die Erde ist bereits vollkommen genug; die Menschen selbst machen sich dieselbe gegenseitig zur Hölle. Dafür giebt es kein anderes Mittel zur Erlösung, als dass sie aufhören dies zu thun. Hierzu fehlt UDS nichts anderes, als die Erkenntnis des Wahren und Guten, und diese Erkenntnis bezeichnen wir mit dem Namen "Theosophie". In der That hat unsere gepriesene Civilisation bereits einen Schritt zum Bessern gethan. Man ist höflicher geworden, als man es früher war. Man schlägt sich jetzt in der Regel nicht mehr mit groben Knüppeln tot, sondern benützt hierzu weittragende Geschütze und rauchloses Pulver. Man schindet und verbrennt keine Ketzer mehr, sondern entzieht ihnen ihre SteIlung und Protektion. Keine geharnischten Raubritter durchziehen mehr das Land, um von reisenden Kaufleuten gewaltsam Zoll und Tribut

De Profundis anzustimmen und auszurufen:

„Wie lange, o Herr, wird dieser Zustand dauern!

Wann wird der neue Erlöser erscheinen? Wann

wird es auf Erden vollkommen sein?" — Aber

die Erde ist bereits vollkommen genug; die

Menschen selbst machen sich dieselbe gegen-

seitig zur Hölle. Dafür giebt es kein anderes

Mittel zur Erlösung, als dass sie aufhören dies

zu thun. Hierzu fehlt uns nichts anderes, als

die Erkenntnis des Wahren und Guten, und

diese Erkenntnis bezeichnen wir mit dem Namen

„Theosophie".

In der That hat unsere gepriesene Civilisa-

tion bereits einen Schritt zum Bessern gethan.

Man ist höflicher geworden, als man es früher

war. Man schlägt sich jetzt in der Regel nicht

mehr mit groben Knüppeln tot, sondern benützt

hierzu weittragende Geschütze und rauchloses

Pulver. Man schindet und verbrennt keine

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Ketzer mehr, sondern entzieht ihnen ihre Stel-

lung und Protektion. Keine geharnischten

Raubritter durchziehen mehr das Land, um von

reisenden Kaufleuten gewaltsam Zoll und Tribut

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zu erheben; man bedient sich hierzu einer

schmerzlosen Operation. Kein päpstliches In-

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-

quisitionsgericht beansprucht mehr die Herr-

zu erheben; man bedient sich hierzu einer schmerzlosen Operation. Kein päpstliches Inquisitionsgericht beansprucht mehr die Herrschaft über die Seelen; wohl aber ist ein medizinisches Kardinalskollegium im Entstehen, welches nach der Herrschaft über die Körper strebt und es dem Menschen verwehren wird, selbst Herr über seine Gesundheit zu sein. Der Geist wird nicht mehr gewaltsam mit kirchlichen Dogmen gestopft; dagegen der Leib mit ekelhaften Krankheitsstoffen durchseucht; das Denken ist nicht mehr verboten, aber es wird überflüssig gemacht. Die Welt ist höflicher, erfinderischer und scharfsinniger geworden; ob sie aber auch weiser und besser geworden ist, diese Frage wagen wir nicht zu bejahen. Vielleicht hat es im groben Mittelalter mehr selbständige, kräftige, edle und aufopferungsfähige Menschen gegeben als in unserer jetzigen schwächlichen Generation. Wo sind diejenigen hingekommen, . die, gleich Bruno und Savonarola, für ein hohes und edles Prinzip ihr Leben opferten, und denen dieses Prinzip ihre geistige Grösse verlieh? Wohl giebt es auch in unserem Zeitalter manche Märtyrer rür eine gute Sache; aber, wenn man sie genau betrachtet, so haben viele derselben

schaft über die Seelen; wohl aber ist ein me-

dizinisches Kardinalskollegium im Entstehen,

welches nach der Herrschaft über die Körper

strebt und es dem Menschen verwehren wird,

selbst Herr über seine Gesundheit zu sein. Der

Geist wird nicht mehr gewaltsam mit kirchlichen

Dogmen gestopft; dagegen der Leib mit ekel-

haften Krankheitsstoffen durchseucht; das Den-

ken ist nicht mehr verboten, aber es wird

überflüssig gemacht.

Die Welt ist höflicher, erfinderischer und

scharfsinniger geworden; ob sie aber auch

weiser und besser geworden ist, diese Frage

wagen wir nicht zu bejahen. Vielleicht hat es

im groben Mittelalter mehr selbständige, kräf-

tige, edle und aufopferungsfähige Menschen

gegeben als in unserer jetzigen schwächlichen

Generation. Wo sind diejenigen hingekommen,

die, gleich Bruno und Savonarola, für ein hohes

und edles Prinzip ihr Leben opferten, und denen

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dieses Prinzip ihre geistige Grösse verlieh?

Wohl giebt es auch in unserem Zeitalter manche

Märtyrer für eine gute Sache; aber, wenn man

sie genau betrachtet, so haben viele derselben

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einen übeln Geruch. Ehrgeiz und Eitelkeit

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haben auch ihre Opferpriester, und man kann

auch für eine grosse Dummheit sterben. Ruhm-

einen übeln Geruch. Ehrgeiz und Eitelkeit haben auch ihre Opferpriester, und man kann auch für eine grosse Dummheit sterben. Ruhmsucht und aufopfernde selbstlose Liebe sind zwei verschiedene Dinge. Auch mangelt es nicht an Doktoren, welche gar künatlich zusammengesetzte Mittel erfunden haben, um die Welt zu kurieren; aber diese Mittel dienen höchstens dazu, eiternde Geschwüre zu verdecken und sie der heilsamen Einwirkung von Luft und Licht zu entziehen. Unter der schützenden Decke frisst das Geschwür weiter fort, bis dass der ganze Organismus vergiftet wird. Keine Krankheit kann gründlich geheilt werden, wenn nicht ihre Ursache entfernt wird; mit der äusserlichen Unterdrückung der Symptome ist wenig gedient. Der Grund und die Ursache aller Übel, der geistigen sowohl als der materiellen, ist, wie schon Buddha gelehrt hat, der Unverstand, d. h. die Nichterkenntnis der höheren Menschennatur, welche über dem Reiche der Erscheinungen steht und dem Unvergänglichen angehört. Gegen diesen Unverstand giebt es kein anderes Mittel, als die Erkenntnis. Dies ist das Universalheilmittel, welches alle Übel vertreibt. Die Erkenntnis

sucht und aufopfernde selbstlose Liebe sind

zwei verschiedene Dinge. Auch mangelt es

nicht an Doktoren, welche gar künstlich zu-

sammengesetzte Mittel erfunden haben, um die

Welt zu kurieren; aber diese Mittel dienen

höchstens dazu, eiternde Geschwüre zu ver-

decken und sie der heilsamen Einwirkung

von Luft und Licht zu entziehen. Unter der

schützenden Decke frisst das Geschwür weiter

fort, bis dass der ganze Organismus vergiftet

wird.

Keine Krankheit kann gründlich geheilt

werden, wenn nicht ihre Ursache entfernt

wird; mit der äusserlichen Unterdrückung der

Symptome ist wenig gedient. Der Grund und

die Ursache aller Übel, der geistigen sowohl als

der materiellen, ist, wie schon Buddha gelehrt

hat, der Unverstand, d. h. die Nichterkenntnis

der höheren Menschennatur, welche über dem

Reiche der Erscheinungen steht und dem

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Unvergänglichen angehört. Gegen diesen Un-

verstand giebt es kein anderes Mittel, als die

Erkenntnis. Dies ist das Universalheilmittel,

welches alle Übel vertreibt. Die Erkenntnis

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des Wahren ist der Endzweck aller Erziehung,

-

aller Religion und Wissenschaft. Sie ist das

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höchste Ziel des menschlichen Daseins auf

Erden; sie und nichts anderes ist die „Theo-

des Wahren ist der Endzweck aller Erziehung, aller Religion und Wissenschaft. Sie ist das höchste Ziel des menschlichen Daseins auf Erden; sie und nichts anderes ist die "Theosophie". Welche Mittel wendet die Menschheit an, um zu dieser Erkenntnis und Erlösung zu gelangen? Die Natur zeigt es uns in Beispielen an: Eine Fliege fällt ins Wasser und macht verzweifelte Anstrengungen, sich zu retten; aber ihre Schwimmbewegungen fUhren sie weiter vom Ufer fort, anstatt sie demselben näher zu bringen. Schon hat sie beinahe einen vorüberschwimmenden Zweig erreicht; da kehrt sie dummerweise wieder um und ertrinkt. Eine Ameise, die eine schwere Last mit sich schleppt, findet einen Grashalm in ihrem Weg. Aber anstatt das Hindernis zu umgehen, klettert sie mit ihrer Last bis zur Spitze hinauf, und auf der andern Seite wieder hinunter. Dann ist sie ungefähr dort, wo sie vorher war. So war es schon vor Tausenden von Jahren, und so ist es auch heute noch; nicht nur mit Fliegen und Ameisen, sondern auch mit dem Menschen. Der ins irdische Leben gefallene Menschengeist ist in einem seiner höheren Natur fremden Elemente und hat sich in der Vielheit

sophie".

Welche Mittel wendet die Menschheit an,

um zu dieser Erkenntnis und Erlösung zu ge-

langen? Die Natur zeigt es uns in Beispielen an:

Eine Fliege fällt ins Wasser und macht ver-

zweifelte Anstrengungen, sich zu retten; aber

ihre Schwimmbewegungen führen sie weiter

vom Ufer fort, anstatt sie demselben näher zu

bringen. Schon hat sie beinahe einen vorüber-

schwimmenden Zweig erreicht; da kehrt sie

dummerweise wieder um und ertrinkt.

Eine Ameise, die eine schwere Last mit

sich schleppt, findet einen Grashalm in ihrem

Weg. Aber anstatt das Hindernis zu umgehen,

klettert sie mit ihrer Last bis zur Spitze hinauf,

und auf der andern Seite wieder hinunter. Dann

ist sie ungefähr dort, wo sie vorher war.

So war es schon vor Tausenden von Jahren,

und so ist es auch heute noch; nicht nur mit

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Fliegen und Ameisen, sondern auch mit dem

Menschen. Der ins irdische Leben gefallene

Menschengeist ist in einem seiner höheren Natur

fremden Elemente und hat sich in der Vielheit

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der Erscheinungen verirrt. Er sucht mit Eifer

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nach der Wahrheit; aber er sucht sie dort,

der Erscheinungen verirrt. Er sucht mit Eifer nach der Wahrheit; aber er sucht sie dort, wo sie nicht zu finden ist. Er forscht auf grossen Umwegen nach dem, was er nur in sich selbst finden kann, und statt den geraden Weg zu gehen, dreht er sich beständig im Kreise herum. Dieser Kreis ist das sich ewig drehende Rad der Täuschungen, welches der Buddhist als "Samsara " bezeichnet; es ist das Reich des immerwährenden Wechsels der Erscheinungen, die immerwährende Aufeinanderfolge von Geburt und Tod. In uns selbst ist der Mittelpunkt, das Nirwana, in welchem der Geist sein wahres Selbstbewusstsein, seine Ruhe und die Verwirklichung seines göttlichen Daseins findet. Dies ist nicht die Lehre irgend einer herrschsüchtigen Theokratie, welche will, dass die Menschen ihren Bedarf an Weisheit nicht aus Gott schöpfen, sondern von der Kanzel holen sollen, damit sie dadurch zu Macht, Reichtum und Ansehen gelangt. Auch wurden wegen dieser Lehre schon viele erleuchtete Menschen, wie Molinos und H. P. Blavatsky, verfolgt, oder wie Servetus verbrannt. Es ist dies nicht nur die Lehre von Buddha, Plato, Sokrates und Pythagoras, sondern auch die des

wo sie nicht zu finden ist. Er forscht auf

grossen Umwegen nach dem, was er nur in

sich selbst finden kann, und statt den geraden

Weg zu gehen, dreht er sich beständig im

Kreise herum. Dieser Kreis ist das sich ewig

drehende Rad der Täuschungen, welches der

Buddhist als „Samsara" bezeichnet; es ist

das Reich des immerwährenden Wechsels der

Erscheinungen, die immerwährende Aufeinander-

folge von Geburt und Tod. In uns selbst ist

der Mittelpunkt, das Nirwana, in welchem der

Geist sein wahres Selbstbewusstsein, seine Ruhe

und die Verwirklichung seines göttlichen Da-

seins findet.

Dies ist nicht die Lehre irgend einer

herrschsüchtigen Theokratie, welche will, dass

die Menschen ihren Bedarf an Weisheit nicht

aus Gott schöpfen, sondern von der Kanzel

holen sollen, damit sie dadurch zu Macht,

Reichtum und Ansehen gelangt. Auch wurden

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wegen dieser Lehre schon viele erleuchtete

Menschen, wie Molinos und H. P. Blavatsky,

verfolgt, oder wie Servetus verbrannt. Es ist

dies nicht nur die Lehre von Buddha, Plato,

Sokrates und Pythagoras, sondern auch die des

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Christentums, wenn dasselbe richtig aufgefasst

wird. Diese Lehre ist die Grundlage einer

Christentums, wenn dasselbe richtig aufgefasst wird. Diese Lehre ist die Grundlage einer j eden auf Wahrheit beruhenden Religion. Sie wird in der ganzen Bibel gelehrt und findet sich auch in christlichen Kirchen symbolisch dargestellt, wenn auch nicht jedermann den Sinn dieser Symbole erkennt. So ist z. B. im Dome zu Mailand, in der Nähe des Hochaltars, eine steinerne Tafel mit folgender Zeichnung und Inschrift:

jeden auf Wahrheit beruhenden Religion. Sie

wird in der ganzen Bibel gelehrt und findet

sich auch in christlichen Kirchen symbolisch

dargestellt, wenn auch nicht jedermann den

Sinn dieser Symbole erkennt. So ist z. B. im

Dome zu Mailand, in der Nähe des Hochaltars,

eine steinerne Tafel mit folgender Zeichnung

und Inschrift:

CIRULUS HIC SUMMI CONTINET NOMINA REGIS, QUEM

SINE PRINCIPIO ET SINE FINE VIDES. PRINCIPIUM CUM

FINE TIBI DENOTAT A Q.

[Dieser Kreis enthält die Summe der Namen (Offenbarungen)

des Königs, welchen da ohne Anfang und ohne Ende

erblickst. Den Anfang mit dem Ende bezeichnet dir das

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Alpha und Omega.]

CIRULUS HIC SUMMI CONTINET NOMINA REGIS, QUEM SINE PRINCIPIO ET SINE FINE VIDES. PRINCIPIUM CUM FINE TI81 DENOTAT A {J. [Dieser Kreia enthält die Summe der Namen (Offenbarungen) des Königs, welchen du ohne Anfang und ohne Ende erblickst. Den Anfang mit dem Ende bezeichnet dir das Alpha und Omega.]

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Dies ist das sich ewig drehende Rad der

Zeit; die missverstandene „Gebetmühle" der-

Buddhisten, das Swastica der Indier. Das

Dies ist das sich ewig drehende Rad der Zeit; die missverstandene "Gebetmühle" der· Buddhisten, das Swastica der Indier. Das A und D ist die Ewigkeit, im Geistigen das absolute Bewusstsein, im Materiellen der allgegenwärtige Raum. Die Radien bedeuten die göttlichen Kräfte in der Natur, welche sich uns im Kreise als das Reich der Erscheinungen offenbaren; das P deutet die Drehung des Rades an, welche durch die Abweichung von der geraden Linie nach dem Centrum (im Herzen) verursacht ist. Acht Speichen sind es, weil Acht die Zahl des "Hauses", d. h. des Materiellen, ist; der Mittelpunkt ist die unnahbare Gottheit, in welcher volle Erkenntnis und völlige Ruhe ist. Von der Richtigkeit dieser Darstellung kann sich jedermann überzeugen, wenn er in sich selbst den Mittelpunkt seines Daseins, d. h. Gott findet, in welchem die unerschütterliche Ruhe ist. Aber da wir unruhige Geister sind, so ist es für uns viel bequemer, in äusserlichen Dingen nach Gott und Wahrheit zu suchen, als den Ruhepunkt im Grunde des eigenen Daseins zu erreichen. Noch immer stehen die Juden an der Klagemauer in )erusalem und beweinen die Zerstörung des Tempels von Salomon. Sie

A und Q ist die Ewigkeit, im Geistigen das

absolute Bewusstsein, im Materiellen der all-

gegenwärtige Raum. Die Radien bedeuten die

göttlichen Kräfte in der Natur, welche sich uns

im Kreise als das Reich der Erscheinungen

offenbaren; das P deutet die Drehung des

Rades an, welche durch die Abweichung von der

geraden Linie nach dem Centrum (im Herzen)

verursacht ist. Acht Speichen sind es, weil

Acht die Zahl des „Hauses", d. h. des Mate-

riellen, ist; der Mittelpunkt ist die unnahbare

Gottheit, in welcher volle Erkenntnis und völlige

Ruhe ist. Von der Richtigkeit dieser Dar-

stellung kann sich jedermann überzeugen, wenn

er in sich selbst den Mittelpunkt seines Daseins,

d. h. Gott findet, in welchem die unerschütter-

liehe Ruhe ist.

Aber da wir unruhige Geister sind, so ist es

für uns viel bequemer, in äusserlichen Dingen

nach Gott und Wahrheit zu suchen, als den

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Ruhepunkt im Grunde des eigenen Daseins zu

erreichen. Noch immer stehen die Juden an

der Klagemauer in Jerusalem und beweinen die

Zerstörung des Tempels von Salomon. Sie

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benetzen den Stein mit ihren Thränen, ohne

zu wissen, dass der äussere Tempel nur ein

Sinnbild des wahren Tempels der Weisheit im

benetzen den Stein mit ihren Thränen, ohne zu wissen, dass der äussere Tempel nur ein Sinnbild des wahren Tempels der Weisheit im Innern des Menschen ist; dass sie diesen Tempel selbst zerstört haben, und dass es in jedem Augenblicke in ihrer Macht steht, denselben wieder neu aufzubauen, ohne Geld, und herrlicher als der vorige war. Auch mancher frommgläubige Christ sehnt sich darnach, nach dem gelobten Lande zu pilgern, und kann den Gedanken nicht fassen, dass das wahre, heilige und gelobte Land nur eines einzigen Schrittes bedarf, um dahin zu gelangen, dass die "Stadt Jerusalem" und "Mekka" Sinnbilder sind für die heilige Stätte im Innern, woselbst der Christ das Grab des Erlösers und der Mohammedaner den Sarg des Propheten erblicken kann, wenn er mit geistigem Blick in seine Seele schaut. Wenigen gelingt es, nach diesem Jerusalem zu kommen, weil sie lieber in ihrem geliebten Babyion verweilen und es beständig mit sich herumtragen. Noch immer sucht der Wundergläubige mit dem theologischen Fernrohre nach einem Gott, der über den Sternen wohnt, und kann ihn nicht finden, weil er von dem Gott in seinem Herzen, welcher spricht: "Ich bin die Wahrheit!"

Innern des Menschen ist; dass sie diesen Tempel

selbst zerstört haben, und dass es in jedem

Augenblicke in ihrer Macht steht, denselben

wieder neu aufzubauen, ohne Geld, und herr-

licher als der vorige war. Auch mancher

frommgläubige Christ sehnt sich darnach, nach

dem gelobten Lande zu pilgern, und kann den

Gedanken nicht fassen, dass das wahre, heilige

und gelobte Land nur eines einzigen Schrittes

bedarf, um dahin zu gelangen, dass die „Stadt

Jerusalem" und „Mekka" Sinnbilder sind für

die heilige Stätte im Innern, woselbst der Christ

das Grab des Erlösers und der Mohammedaner

den Sarg des Propheten erblicken kann, wenn

er mit geistigem Blick in seine Seele schaut.

Wenigen gelingt es, nach diesem Jerusalem zu

kommen, weil sie lieber in ihrem geliebten

Babylon verweilen und es beständig mit sich

herumtragen.

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Noch immer sucht der Wundergläubige mit

dem theologischen Fernrohre nach einem Gott,

der über den Sternen wohnt, und kann ihn

nicht finden, weil er von dem Gott in seinem

Herzen, welcher spricht: „Ich bin die Wahrheit!"

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nichts wissen will. Wohl hat er schon vielleicht

hundert Male in der Bibel gelesen, worin es

nichts wissen will. Wohl hat er schon vielleicht hundert Male in der Bibel gelesen, worin es heisst: "Wisset ihr nicht, dass ihr Tempel Gottes seid, und dass der Geist Gottes in euch wohnet; der seid ihr." Da er in seinem Herzen Gott nicht erkennt, kann er ihn auch mit dem Kopfe nicht finden. WohI sagt ihm die Bibel, dass Christus in uns unsere Hoffnung und das Geheimnis unserer Erlösung sei j aber diese Worte haben für ihn keinen Sinn. Er sieht in Christus nichts als eine äusserliche historische Erscheinung; er erke~t sein Wesen als die Gottheit in der ganzen Menschheit nicht, und deshalb bleiben ihm auch dessen Worte ein unbegreifliches Geheimnis. Mancher zerbricht sich den Kopf darüber, wie es zu machen sei, dass er in den Himmel komme, Wtd begreift nicht, dass der Himmel (wie es auch die Bibel lehrt) in ihm selbst ist j dass er aber nur deshalb nicht hineingeht, weil ihm der Aufenthalt in dem Tempel der Venus besser behagt. Er will zum Vater kommen, der über den Sternen wohnt, und doch von den Sternen nicht lassen, die aus seinen irdischen Wünschen und sinnlichen Begierden entstanden sind. So zappelt er denn im trüben Wasser des Irrtums herum. Die Stimme seiner Vernnnft ist der rettende

heisst: „Wisset ihr nicht, dass ihr Tempel

Gottes seid, und dass der Geist Gottes in euch

wohnet; der seid ihr." Da er in seinem Herzen

Gott nicht erkennt, kann er ihn auch mit dem

Kopfe nicht finden. Wohl sagt ihm die Bibel,

dass Christus in uns unsere Hoffnung und das

Geheimnis unserer Erlösung sei; aber diese

Worte haben für ihn keinen Sinn. Er sieht in

Christus nichts als eine äusserliche historische

Erscheinung; er erkennt sein Wesen als die

Gottheit in der ganzen Menschheit nicht, und

deshalb bleiben ihm auch dessen Worte ein

unbegreifliches Geheimnis. Mancher zerbricht

sich den Kopf darüber, wie es zu machen sei,

dass er in den Himmel komme, und begreift

nicht, dass der Himmel (wie es auch die Bibel

lehrt) in ihm selbst ist; dass er aber nur des-

halb nicht hineingeht, weil ihm der Aufenthalt

in dem Tempel der Venus besser behagt. Er

will zum Vater kommen, der über den Sternen

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wohnt, und doch von den Sternen nicht lassen,

die aus seinen irdischen Wünschen und sinn-

lichen Begierden entstanden sind. So zappelt

er denn im trüben Wasser des Irrtums herum.

Die Stimme seiner Vernunft ist der rettende

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Zweig, der ihn ans sichere Ufer bringen könnte;

aber er wendet sich von ihm ab und sucht

Zweig, der ihn ans sichere Ufer bringen könnte; aber er wendet sich von ihm ab und sucht nach einem äusserlichen Verkünder der. Weisheit, oder einem Vermittler zwischen sich und dem in ihm schlummernden Gottesbewusstsein, und da ihm niemand die Weisheit beweisen kann, und es keinen solchen Vermittler giebt, so begnügt er sich mit Hirngespinsten und Phantasien und geht dabei zu Grunde. Dies ist die Fliege, welche im Wasser ertrinkt. Betrachten wir nun die Wissenschaft und ihre Errungenschaften. Ein grosser Haufen Spreu wurde von den Ameisen zusammengeschleppt, und ist auch für sie von wirklichem Wert, weil sie nichts Besseres als Ameisen sind. Lasst uns hoffen, dass nicht sobald ein Wirbelwind den Haufen Spreu auseinanderfegt. Grosse Erfindungen wurden gemacht. Wir haben Eisenbahnen, Dampfschiffe, Kanonen und unzählige andere Dinge, die zu den Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten des vergänglichen Lebens gehören, und wenn der ganze Zweck des menschlichen Daseins auf Erden die Befriedigung seiner Genusssucht wäre, so bliebe uns nur zu bedauern, dass mit diesen Verbesserungen auch die Bedürfnisse gewachsen sind, und die Beschaffung derselben bei vielen

nach einem äusserlichen Verkünder der Weis-

heit, oder einem Vermittler zwischen sich und

dem in ihm schlummernden Gottesbewusstsein,

und da ihm niemand die Weisheit beweisen

kann, und es keinen solchen Vermittler giebt,

so begnügt er sich mit Hirngespinsten und

Phantasien und geht dabei zu Grunde. Dies

ist die Fliege, welche im Wasser ertrinkt.

Betrachten wir nun die Wissenschaft und

ihre Errungenschaften. Ein grosser Haufen

Spreu wurde von den Ameisen zusammen-

geschleppt, und ist auch für sie von wirklichem

Wert, weil sie nichts Besseres als Ameisen

sind. Lasst uns hoffen, dass nicht sobald ein

Wirbelwind den Haufen Spreu auseinanderfegt.

Grosse Erfindungen wurden gemacht. Wir

haben Eisenbahnen, Dampfschiffe, Kanonen und

unzählige andere Dinge, die zu den Bequem-

lichkeiten und Annehmlichkeiten des vergäng-

lichen Lebens gehören, und wenn der ganze

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Zweck des menschlichen Daseins auf Erden

die Befriedigung seiner Genusssucht wäre, so

bliebe uns nur zu bedauern, dass mit diesen

Verbesserungen auch die Bedürfnisse gewachsen

sind, und die Beschaffung derselben bei vielen

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Menschen alle Zeit und alle Kräfte in Anspruch

nimmt, so dass man keine Zeit und Kraft mehr

übrig hat, um zur Ruhe zu kommen. Die

Nebensache ist zur Hauptsache geworden; man

besitzt und kennt alles Mögliche, nur nicht sein

eigenes wahres Selbst. Der Körper jagt seinen

künstlich übertriebenen Bedürfnissen nach; die

Sinne werden belustigt, der Geist schwelgt im

Reiche der Phantasie, die kostbare Zeit wird

vertrieben, das Gehirn wird gemästet, und die

Seele verhungert dabei. Dann kommt das

Ende, man stirbt, ohne sich seines wahren

Daseins bewusst geworden zu sein, und wird

es auch nach dem Tode nicht werden.

Auch ist nicht alles Nahrung, was in den

Ameisenhaufen hineingetragen wird; es befinden

sich darunter auch vieje giftige Samen. Solange

wir es mit äusserlichen Naturkräften, deren

Wirkungen uns bekannt sind, zu thun haben,

können wir uns dieselben nützlich machen;

aber wenn wir mit innerlichen Kräften experi-

mentieren, von deren Natur wir nichts wissen,

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und wozu vor allem die Willenskraft, die Vor-

stellungskraft, das Denken und die Lebenskraft

des Menschen gehören, laufen wir Gefahr un-

ersetzbaren Schaden anzurichten, wie es auch

in der That täglich geschieht. Da giebt es

Menschen alle Zeit und alle Kräfte in Anspruch nimmt, so dass man keine Zeit und Kraft mehr übrig hat, um zur Ruhe zu kommen. Die Nebensache ist zur Hauptsache geworden; man besitzt und kennt alles Mögliche, nur nicht sein eigenes wahres Selbst. Der Körper jagt seinen künstlich übertriebenen Bedürfnissen nach; die Sinne werden belustigt, der Geist schwelgt im Reiche der Phantasie, die kostbare Zeit wird vertrieben, das Gehirn wird gemästet, und die Seele verhungert dabei. Dann kommt das Ende, man stirbt, obne sich seines wahren Daseins bewusst geworden zu sein, und wird es auch nach dem Tode nicht werden. Auch ist nicht alles Nahrung, was in den Ameisenhaufen hineingetragen wird; es befinden sich darunter auch viele giftige Samen. Solange wir es mit äusserlichen Naturkräften, deren Wirkungen uns bekannt sind, zu thun haben, können wir uns dieselben nützlich machen; aber wenn wir mit innerlichen Kräften experimentieren, von deren Natur wir nichts wissen, und wozu vor allem die Willenskraft, die Vorstellungskraft, das Denken und die Lebenskraft des Menschen gehören, laufen wir Gefahr unersetzbaren Schaden anzurichten, wie es auch in der That täglich geschieht. Da giebt es

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nun eine Menge wissensdurstiger Leute, die

angeben und sich vielleicht auch einbilden,

nun eine Menge wissensdurstiger Leute, die angeben und sich vielleicht auch einbilden, den Menschen durch neue Entdeckungen nützen zu wollen, denen es aber im Grunde genommen nur um die Befriedigung ihres Ehrgeizes zu thun ist Hingerissen vom Grössenwahn, haben manche das Gefühl für die Heiligkeit des Lebens. verloren; sie betrachten es als eine Funktion des. Körpers und erfassen es nicht als einen Ausfluss der Gottheit. Von Eigendünkel besessen, kennen sie die Liebe nicht, und wissen daher auch nichts von jenem Geiste, der die Lebensquelle in allen Geschöpfen ist; sie treiben mit dem Leben der Menschen und Tiere ihr Spiel, rauben den Menschen die Freiheit des Willens, füllen die Welt mit Idioten und gehen dabei selbst moralisch und geistig zu Grunde. Liebe ohne Verstand gebiert Leidenschaft, aber Verstand ohne Liebe führt zur Grausamkeit, Gemeinheit, Vertiertheit und Schurkerei. Ein verliebter Mensch ohne Verstand ist ein Narr, aber ein Gelehrter ohne Menschlichkeit ist ein Teufel in Menschengestalt, wie es thatsächlich viele giebt, die vor keiner Ruchlosigkeit zu angeblich wissenschaftlichen Zwecken zurückschre~ken, solange sie dabei vor dem. Staatsanwalt sicJ:1er oder durch ihr,e· Diplome

den Menschen durch neue Entdeckungen nützen

zu wollen, denen es aber im Grunde genommen

nur um die Befriedigung ihres Ehrgeizes zu

thun ist. Hingerissen vom Grössenwahn, haben

manche das Gefühl für die Heiligkeit des Lebens

verloren; sie betrachten es als eine Funktion

des Körpers und erfassen es nicht als einen

Ausfluss der Gottheit. Von Eigendünkel be-

sessen, kennen sie die Liebe nicht, und wissen

daher auch nichts von jenem Geiste, der die

Lebensquelle in allen Geschöpfen ist; sie treiben

mit dem Leben der Menschen und Tiere ihr

Spiel, rauben den Menschen die Freiheit des

Willens, füllen die Welt mit Idioten und gehen

dabei selbst moralisch und geistig zu Grunde.

Liebe ohne Verstand gebiert Leidenschaft, aber

Verstand ohne Liebe führt zur Grausamkeit,

Gemeinheit, Vertiertheit und Schurkerei. Ein

verliebter Mensch ohne Verstand ist ein Narr,

aber ein Gelehrter ohne Menschlichkeit ist

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ein Teufel in Menschengestalt, wie es that-

sächlich viele giebt, die vor keiner Ruchlosig-

keit zu angeblich wissenschaftlichen Zwecken

zurückschrecken, solange sie dabei vor dem

Staatsanwalt sicher oder durch ihre Diplome

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17

beschützt sind. Durch ihre Versuche und

Beobachtungen, denen es aber an der

geistigen Erkenntnis fehlt, gelangen sie zu

beschützt sind. Durch ihre Versuche und Beobachtungen, denen es aber an der geistigen Erkenntnis fehlt, gelangen sie zu Trugschlüssen, und führen dann ihre Theorien zum grossen Nachteile der menschlichen Ge· sundheit ins praktische Leben ein. Da gilt es einen Namen, eine Professur, einen Orden zu erhaschen, und hierzu muss eine Aufsehen erregende Theorie in die Welt gesetzt werden, wenn sie auch noch so sehr auf Irrtum beruht. Je mehr es dann derselben an der innerlichen überzeugenden Kraft der Wahrheit und Lebens· fähigkeit fehlt, um so mehr muss sie gehätschelt werden. Je mehr ihr das Schicksal droht, in sich selbst zu zerfallen, um so mehr bedarf sie des Schutzes der Staatsgewalt, um sie künstlich am Leben zu erhalten und einzubürgern. So gehen denn jährlich Tausende an diesen neuen Errungenschaften der Nichtwisserei zu Grunde, und Hunderttausende schleppen als Resultat einen kranken Körper durchs Leben. Noch immer herrscht der Unverstand als Grossmacht in der Medizin, weil die "Wissenschaft" den Ursprung des Lebens in Gott und dessen göttliche Gesetze nicht kennt. Sie sucht diesen Ursprung im breiten Strome und nicht an der Quelle. Phantastische Träume treten

Trugschlüssen, und führen dann ihre Theorien

zum grossen Nachteile der menschlichen Ge-

sundheit ins praktische Leben ein. Da gilt es

einen Namen, eine Professur, einen Orden zu

erhaschen, und hierzu muss eine Aufsehen

erregende Theorie in die Welt gesetzt werden,

wenn sie auch noch so sehr auf Irrtum beruht.

Je mehr es dann derselben an der innerlichen

überzeugenden Kraft der Wahrheit und Lebens-

fähigkeit fehlt, um so mehr muss sie gehätschelt

werden. Je mehr ihr das Schicksal droht, in

sich selbst zu zerfallen, um so mehr bedarf sie

des Schutzes der Staatsgewalt, um sie künstlich

am Leben zu erhalten und einzubürgern. So

gehen denn jährlich Tausende an diesen neuen

Errungenschaften der Nichtwisserei zu Grunde,

und Hunderttausende schleppen als Resultat

einen kranken Körper durchs Leben.

Noch immer herrscht der Unverstand als

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Grossmacht in der Medizin, weil die „Wissen-

schaft" den Ursprung des Lebens in Gott und

dessen göttliche Gesetze nicht kennt. Sie sucht

diesen Ursprung im breiten Strome und nicht

an der Quelle. Phantastische Träume treten

Lotusblüthen LXXVI. i

Lotusblüthcn LXXVI.

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auf, um glücklicherweise bald wieder zu ver-

schwinden. So bewähren sich beständig die

Worte von Theophrastus Paracelsus, welcher

auf, um glücklicherweise bald wieder zu verschwinden. So bewähren sich beständig die Worte von Theophrastus Paracelsus, welcher sagt: "Das was in dem einen Jahrhundert als der Gipfelpunkt alles Wissens betrachtet wird, gilt in dem folgenden als Unsinn, und was in diesem Jahrhundert rur Aberglaube gehalten .wird, kann vielleicht schon im nächsten der Glanzpunkt aller Wissenschaft sein." So steigt das menschliche Wissen über alle Berge und ist am Ende dort, wo es am Anfange war. Dies ist die Ameise, die mit ihrer Last mühselig nutzlose Wege macht. Aber es ist zwecklos über Dinge zu schelten, die man nicht ändern kann, und es wäre grausam, diese Irrwege der Vertreter der Wissenschaft zu verdammen, wenn es keinen besseren und geraden Weg gäbe, um zu einem höheren Wissen zu gelangen. Diesen Weg zeigt uns die Vernunft, und wo ihre Stimme gehört wird, da bedarf es keiner weiteren Argumente und Beweise. Sie sagt uns, dass es keine wahre Religion geben kann, ohne die wahre Gotteserkenntnis, welche nur im Heiligtume des eigenen Innern erlangt werden kann, und sie sagt uns auch, dass es keine wahre Wissenschaft geben kann ohne Vemunft, und

sagt: „Das was in dem einen Jahrhundert als

der Gipfelpunkt alles Wissens betrachtet wird,

gilt in dem folgenden als Unsinn, und was in

diesem Jahrhundert für Aberglaube gehalten

wird, kann vielleicht schon im nächsten der

Glanzpunkt aller Wissenschaft sein." So steigt

das menschliche Wissen über alle Berge und

ist am Ende dort, wo es am Anfange war.

Dies ist die Ameise, die mit ihrer Last müh-

selig nutzlose Wege macht.

Aber es ist zwecklos über Dinge zu schelten,

die man nicht ändern kann, und es wäre

grausam, diese Irrwege der Vertreter der

Wissenschaft zu verdammen, wenn es keinen

besseren und geraden Weg gäbe, um zu einem

höheren Wissen zu gelangen. Diesen Weg

zeigt uns die Vernunft, und wo ihre Stimme

gehört wird, da bedarf es keiner weiteren Ar-

gumente und Beweise. Sie sagt uns, dass es

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keine wahre Religion geben kann, ohne die

wahre Gotteserkenntnis, welche nur im Heilig-

tume des eigenen Innern erlangt werden kann,

und sie sagt uns auch, dass es keine wahre

Wissenschaft geben kann ohne Vernunft, und

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— 19 —

kein vollkommenes Wissen, dem nicht die

innerliche Erkenntnis der Ursache des eigenen

Daseins und des Wesens des Menschen zu

kein vollkommenes Wissen, dem nicht die innerliche Erkenntnis der Ursache des eigenen Daseins und des Wesens des Menschen zu Grunde liegt. Diese Erkenntnis ist die Erkenntnis der Wahrheit, und sie ist identisch mit der Gotteserkenntnis , da Gott die Wahrheit, die Quelle alles Daseins und des Wesens in allen Erscheinungen ist. Die göttliche Liebe hat ihren Sitz im Herzen, der Verstand im Kopfe. Liebe und Verstand sollten sich gegenseitig ergänzen, die Liebe zum Göttlichen in allen Geschöpfen das Gemüt erheben, und der vom Geiste der Erkenntnis durchdrungene Verstand dasselbe erleuchten; dann würde die Wahrheit im Menschen offenbar werden. Eine Wissenschaft ohne edle Empfindung ist leblos und ohne den göttlichen Geist; einem gottlosen Gelehrten wird die Lebenskraft trotz aller äusserlichen Forschungen und grausamer Vivisektionen für immer ein unauflösbares Rätsel, und sein Wissen ein Fluch für ihn selbst und die Menschheit sein. Es versteht sich von selbst, dass die Naturwissenschaft erst dann vollkommen sein kann, wenn sie den Grund der Natur erkennt. Die alten Weisen lehren, und die eigene Einsicht kann es bestätigen, dass die Grundlage der

Grunde liegt. Diese Erkenntnis ist die Er-

kenntnis der Wahrheit, und sie ist identisch mit

der Gotteserkenntnis, da Gott die Wahrheit,

die Quelle alles Daseins und des Wesens in

allen Erscheinungen ist. Die göttliche Liebe hat

ihren Sitz im Herzen, der Verstand im Kopfe.

Liebe und Verstand sollten sich gegenseitig

ergänzen, die Liebe zum Göttlichen in allen

Geschöpfen das Gemüt erheben, und der vom

Geiste der Erkenntnis durchdrungene Verstand

dasselbe erleuchten; dann würde die Wahrheit

im Menschen offenbar werden. Eine Wissen-

schaft ohne edle Empfindung ist leblos und

ohne den göttlichen Geist; einem gottlosen

Gelehrten wird die Lebenskraft trotz aller

äusserlichen Forschungen und grausamer Vivi-

sektionen für immer ein unauflösbares Rätsel,

und sein Wissen ein Fluch für ihn selbst und

die Menschheit sein.

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Es versteht sich von selbst, dass die Natur-

wissenschaft erst dann vollkommen sein kann,

wenn sie den Grund der Natur erkennt. Die

alten Weisen lehren, und die eigene Einsicht

kann es bestätigen, dass die Grundlage der

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Natur eine Einheit ist, für die wir keinen Namen

haben, die sich uns aber als eine untrennbare

Dreieinigkeit von was wir „Stoff", „Kraft" und

Natur eine Einheit ist, für die wir keinen Namen haben, die sich uns aber als eine untrennbare Dreieinigkeit von was wir "Stoff", "Kraft" und "Bewusstsein" nennen, zu erkennen giebt. Keines von diesen dreien existiert ohne das andere, wenn auch das eine oder das andere nicht offenbar ist. Wie auch das kälteste Ding gebundene Wärme enthält, so ist auch in jedem Dinge ein Abglanz der ewigen Wesenheit enthalten, aus der alle Dinge hervorgegangen sind. Wo aber könnten wir zu diesem Wesen, d. h. zur Erkenntnis der Allgegenwart des einen göttlichen Geistes im Weltall kommen, als in unserem Herzen, welches gross genug ist, um die unendliche Liebe zu fassen? Wenn wir so zum Empfinden der Urkraft gelangen, aus der die ganze Natur mit allen ihren Kräften hervorgegangen ist, so wird ihr Geist sich uns offenbaren und auch das Buch der Natur kein Geheimnis mehr rür uns haben. Dann werden wir Meister über noch unentdeckte und selbstbewusste Naturkräfte sein; dann wird die Wissenschaft die schöpferische Willenskraft an ihren Triumphwagen fesseln; dann wird die Zeit grosser Erfindungen kommen, und ihre bisherigen Errungenschaften ein unnützes und vergessenes Kinderspielzeug sein.

„Bewusstsein" nennen, zu erkennen giebt.

Keines von diesen dreien existiert ohne das

andere, wenn auch das eine oder das andere

nicht offenbar ist. Wie auch das kälteste Ding

gebundene Wärme enthält, so ist auch in jedem

Dinge ein Abglanz der ewigen Wesenheit ent-

halten, aus der alle Dinge hervorgegangen

sind. Wo aber könnten wir zu diesem Wesen,

d. h. zur Erkenntnis der Allgegenwart des einen

göttlichen Geistes im Weltall kommen, als in

unserem Herzen, welches gross genug ist, um

die unendliche Liebe zu fassen? Wenn wir so

zum Empfinden der Urkraft gelangen, aus der

die ganze Natur mit allen ihren Kräften hervor-

gegangen ist, so wird ihr Geist sich uns offen-

baren und auch das Buch der Natur kein

Geheimnis mehr für uns haben. Dann werden

wir Meister über noch unentdeckte und selbst-

bewusste Naturkräfte sein; dann wird die Wissen-

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schaft die schöpferische Willenskraft an ihren

Triumphwagen fesseln; dann wird die Zeit

grosser Erfindungen kommen, und ihre bis-

herigen Errungenschaften ein unnützes und ver-

gessenes Kinderspielzeug sein.

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Es versteht sich von selbst, dass eine

Wissenschaft in Bezug auf den Menschen nicht

Es versteht sich von selbst, dass eme Wissenschaft in Bezug auf den Menschen nicht vollkommen und irrtumsfrei sein kann J wenn sie nicht auf einer wahren Erkenntnis des eigentlichen Wesens des Menschen beruht. Die okkulte Wissenschaft lehrt uns, und unsere eigene Einsicht und Empfindung kann es bestätigen, dass der Leib, den wir auf der Erde mit uns herumschleppen, nicht unser wirkliches Ich ist. Es ist nicht wir selbst, sondern nur das Haus, welches wir während der Zeit unseres Erdenlebens bewohnen. Es ist das Kleid, welches der Mensch trägt, und er steckt nicht einmal gänzlich darin, sondern seine Seele ist, wie schon Plato gelehrt hat, in ihm und über ihm. Sein Geist benützt den Körper als ein Werkzeug, solange er hierzu tauglich ist, und verlässt ihn, wenn er unbrauchbar geworden ist. Der sichtbare Körper wird von den alten Weisen gar nicht als zu der Konstitution des wirklichen Menschen gehörig betrachtet, und gehört thatsächlich ebensowenig zum Menschen, als der Erdboden, in dem eine Pflanze wurzelt, und aus dem sie ihre Nahrung zieht, zum Wesen der Pflanze gehört. Seine Kräfte gehören nicht ihm, sondern er ist nur ein Werkzeug, in welchem die Naturkräfte wirken, und wenn der

vollkommen und irrtumsfrei sein kann, wenn

sie nicht auf einer wahren Erkenntnis des eigent-

lichen Wesens des Menschen beruht. Die

okkulte Wissenschaft lehrt uns, und unsere

eigene Einsicht und Empfindung kann es be-

stätigen, dass der Leib, den wir auf der Erde

mit uns herumschleppen, nicht unser wirkliches

Ich ist. Es ist nicht wir selbst, sondern nur

das Haus, welches wir während der Zeit unseres

Erdenlebens bewohnen. Es ist das Kleid, wel-

ches der Mensch trägt, und er steckt nicht

einmal gänzlich darin, sondern seine Seele ist,

wie schon Plato gelehrt hat, in ihm und über

ihm. Sein Geist benützt den Körper als ein

Werkzeug, solange er hierzu tauglich ist, und

verlässt ihn, wenn er unbrauchbar geworden

ist. Der sichtbare Körper wird von den alten

Weisen gar nicht als zu der Konstitution des

wirklichen Menschen gehörig betrachtet, und

gehört thatsächlich ebensowenig zum Menschen,

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als der Erdboden, in dem eine Pflanze wurzelt,

und aus dem sie ihre Nahrung zieht, zum Wesen

der Pflanze gehört. Seine Kräfte gehören nicht

ihm, sondern er ist nur ein Werkzeug, in

welchem die Naturkräfte wirken, und wenn der

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unsichtbare Mensch den sichtbaren Körper ver-

lässt, so hört ihre einheitliche Thätigkeit auf.

Diese Kräfte gehören teilweise dem grossen

unsichtbare Mensch den sichtbaren Körper verlässt, so hört ihre einheitliche Thätigkeit auf. Diese Kräfte gehören teilweise dem grossen Organismus der Natur, teilweise dem göttlichen Menschen an. Dennoch ist dieses Haus das einzige, was die offizielle Wissenschaft wenigstens oberflächlich kennt, denn im Grunde genommen kennt sie selbst das Wesen des materiellen Körpers nicht, weil sie überhaupt nicht weiss, was "Materie" ist. Sie kennt die Zusammensetzung seiner sichtbaren Teile, und die sinnlich wahrnehmbaren Funktionen seiner Organe. Sie hat in der That schon Grosses darin geleistet, doch kennt sie weder den " geistigen" Menschen, noch auch die nur "geistig" wahrnehmbaren Organe, durch welche der unsichtbare Mensch mit dem sichtbaren Körper verbunden ist, und deren Kräfte die Thätigkeit der sichtbaren Organe bedingen. Der menschliche Kadaver ist der Gott, vor dem der Rationalismus auf den Knieen liegt, und dessen Wohlbefinden sein Höchstes ist.. Deshalb kann sie den wahren Menschen nicht erkennen. Sie hat die Nebensache zur Hauptsache gemacht, und die Hauptsache darüber vergessen. Wie aber könnte ein Mensch das wahre

Organismus der Natur, teilweise dem göttlichen

Menschen an.

Dennoch ist dieses Haus das einzige, was

die offizielle Wissenschaft wenigstens oberfläch-

lich kennt, denn im Grunde genommen kennt

sie selbst das Wesen des materiellen Körpers

nicht, weil sie überhaupt nicht weiss, was

„Materie" ist. Sie kennt die Zusammensetzung

seiner sichtbaren Teile, und die sinnlich wahr-

nehmbaren Funktionen seiner Organe. Sie hat

in der That schon Grosses darin geleistet, doch

kennt sie weder den „geistigen" Menschen,

noch auch die nur „geistig" wahrnehmbaren

Organe, durch welche der unsichtbare Mensch

mit dem sichtbaren Körper verbunden ist, und

deren Kräfte die Thätigkeit der sichtbaren

Organe bedingen. Der menschliche Kadaver

ist der Gott, vor dem der Rationalismus auf

den Knieen liegt, und dessen Wohlbefinden

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sein Höchstes ist. Deshalb kann sie den wahren

Menschen nicht erkennen. Sie hat die Neben-

sache zur Hauptsache gemacht, und die Haupt-

sache darüber vergessen.

Wie aber könnte ein Mensch das wahre

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Wesen des Menschen erkennen, als dadurch,

dass er in sich selbst sein wahres Wesen er-

Wesen des Menschen erkennen, als dadurch, dass er in sich selbst sein wahres Wesen erkennt und sich seines wahren Daseins bewusst wird. Die Kenntnis äusserlicher Erscheinungen wird durch die Beobachtung solcher Erscheinungen erlangt; sie ist eine Kenntnis des Scheines und der Wahrscheinlichkeit, und deshalb eine Scheinwissenschaft. Die wahre Erkenntnis wird nur durch Selbsterkenntnis erlangt. Somit sehen wir, dass auch die Wissenschaft vergeblich sich abmüht, in äusseren Dingen nach dem zu suchen, was man nur in sich selbst finden kann. Sie sucht die Wahr· heit auf grossen Umwegen und kann sie nicht finden, weil der Mensch das wahre Wesen der Dinge nicht erkennen kann, wenn er nicht sein eigenes wahres Wesen, das Wesen der Gottheit, gefunden hat, denn nur in diesem ist die Erkenntnis der Wahrheit enthalten. Davon wird nichts auf den Universitäten gelehrt. Da sitzt der Autoritätenglaube auf dem Katheder, und die Vernunft wird aus dem Hörsale hinausgejagt. Eigene Einsicht gilt in der Regel nichts; e~ handelt sich nur darum, zu wissen, was in den beglaubigten Büchern steht. Wenn man weiss, was dieser und jener Autor gesagt oder gemeint hat, dann ist der

kennt und sich seines wahren Daseins bewusst

wird. Die Kenntnis äusserlicher Erscheinungen

wird durch die Beobachtung solcher Erschei-

nungen erlangt; sie ist eine Kenntnis des

Scheines und der Wahrscheinlichkeit, und des-

halb eine Scheinwissenschaft. Die wahre Er-

kenntnis wird nur durch Selbsterkenntnis er-

langt. Somit sehen wir, dass auch die Wissen-

schaft vergeblich sich abmüht, in äusseren

Dingen nach dem zu suchen, was man nur in

sich selbst finden kann. Sie sucht die Wahr-

heit auf grossen Umwegen und kann sie nicht

finden, weil der Mensch das wahre Wesen der

Dinge nicht erkennen kann, wenn er nicht sein

eigenes wahres Wesen, das Wesen der Gottheit,

gefunden hat, denn nur in diesem ist die Er-

kenntnis der Wahrheit enthalten.

Davon wird nichts auf den Universitäten

gelehrt. Da sitzt der Autoritätenglaube auf

dem Katheder, und die Vernunft wird aus dem

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Hörsale hinausgejagt. Eigene Einsicht gilt in

der Regel nichts; es handelt sich nur darum,

zu wissen, was in den beglaubigten Büchern

steht. Wenn man weiss, was dieser und jener

Autor gesagt oder gemeint hat, dann ist der

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Herr Examinator zufrieden. So häuft sich im

Kopfe des Studierenden ein Berg von Mei-

Herr Examinator zufrieden. So häuft sich im Kopfe des Studierenden ein Berg von Meinungen anderer an. Er selber glaubt nur, was andere behaupten, d. h. der Schein erfasst den Schein; die Lichter, welche andere angezündet haben, spiegeln sich in seinem Gehirne wieder; er selber weiss in Wahrheit nichts, und kann nichts wissen; denn solange er nicht zum wirk· lichen Selbstbewusstsein gekommen ist, ist in ihm überhaupt noch keine wirkliche Individua· lität erwacht, und er kann sei b s t nichts wissen; er ist wie ein Beutel, welcher viele klingende Münzen zusammenhält, aber selbst keinen Wert hat. Der innerliche Wert und Gehalt eines Menschen besteht nicht in seinem Reichtume an Theorien, sondern in dem, was er selbst durch seine eigene Erfahrung geworden ist. Ist sein Gemüt roh, so kann er Rohheiten zum Vor· schein bringen; ist es vertiert, so ist er ein Tier und kann nur das Tierische schätzen. Ist sein Gemüt veredelt, so ist er edel und kann Edles empfinden. Ist das Göttliche in ihm zur Offenbarung gekommen, so ist sein Wesen göttlich und er kann göttlich denken, göttlich empfinden, wollen und handeln. Nicht durch geistloses Grübeln, sondern durch den Licht-

nungen anderer an. Er selber glaubt nur, was

andere behaupten, d. h. der Schein erfasst den

Schein; die Lichter, welche andere angezündet

haben, spiegeln sich in seinem Gehirne wieder;

er selber weiss in Wahrheit nichts, und kann

nichts wissen; denn solange er nicht zum wirk-

lichen Selbstbewusstsein gekommen ist, ist in

ihm überhaupt noch keine wirkliche Individua-

lität erwacht, und er kann selbst nichts wissen;

er ist wie ein Beutel, welcher viele klingende

Münzen zusammenhält, aber selbst keinen

Wert hat.

Der innerliche Wert und Gehalt eines Men-

schen besteht nicht in seinem Reichtume an

Theorien, sondern in dem, was er selbst durch

seine eigene Erfahrung geworden ist. Ist sein

Gemüt roh, so kann er Rohheiten zum Vor-

schein bringen; ist es vertiert, so ist er ein

Tier und kann nur das Tierische schätzen. Ist

sein Gemüt veredelt, so ist er edel und kann

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Edles empfinden. Ist das Göttliche in ihm zur

Offenbarung gekommen, so ist sein Wesen

göttlich und er kann göttlich denken, göttlich

empfinden, wollen und handeln. Nicht durch

geistloses Grübeln, sondern durch den Licht-

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— 25 —

strahl der Gotteserkenntnis, der in die Seele

des Menschen dringt, werden dem Menschen

die Geheimnisse Gottes klar. Sie sind die

strahl der Gotteserkenntnis , der in die Seele des Menschen dringt, werden dem Menschen die Geheimnisse Gottes klar. Sie sind die Schlüssel zur Erkenntnis der Geheimnisse der Natur, während diese nur Hinweise auf die Geheimnisse des Gottmenschen sind. Dies ist nun nicht so zu verstehen, als ob der Glaube an Autoritäten und Lehren für niemanden einen Wert besässe. Nicht jeder Mensch ist fähig selbständig zu denken. Der Anarchismus auf geistigem Gebiete ist ebenso verwerflich als die geistige Tyrannei. Um uns auf dem Wege zur Erlangung der Selbsterkenntnis behilflich zu sein, dazu soll eine Bekanntschaft mit den Erfahrungen andereI dienen, nicht aber das eigene Wissen verhindern. Lehrsätze u. dergl. sind Mittel zum Zweck, nicht aber der Zweck selbst. Sie sind Wegweiser zum Ziel, nicht aber das Ziel selbst. Wer das hohe Ziel der Selbsterkenntnis, welche die Gotteserkenntnis und die Erkenntnis der Wahrheit ist, erreichen will, der muss auf seinem Wege dieses Ziel im Auge behalten, d. h. er muss Gott in seinem Herzen tragen, und die Wahrheit ehren, damit durch Gottes Kraft sein Gemüt veredelt und das Wahre in ihm offenbar werden kann. Dies wird wohl nur von wenigen

Schlüssel zur Erkenntnis der Geheimnisse der

Natur, während diese nur Hinweise auf die

Geheimnisse des Gottmenschen sind.

Dies ist nun nicht so zu verstehen, als ob

der Glaube an Autoritäten und Lehren für

niemanden einen Wert besässe. Nicht jeder

Mensch ist fähig selbständig zu denken. Der

Anarchismus auf geistigem Gebiete ist ebenso

verwerflich als die geistige Tyrannei. Um

uns auf dem Wege zur Erlangung der Selbst-

erkenntnis behilflich zu sein, dazu soll eine

Bekanntschaft mit den Erfahrungen anderer

dienen, nicht aber das eigene Wissen ver-

hindern. Lehrsätze u. dergl. sind Mittel zum

Zweck, nicht aber der Zweck selbst. Sie sind

Wegweiser zum Ziel, nicht aber das Ziel selbst.

Wer das hohe Ziel der Selbsterkenntnis, welche

die Gotteserkenntnis und die Erkenntnis der

Wahrheit ist, erreichen will, der muss auf seinem

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Wege dieses Ziel im Auge behalten, d. h. er

muss Gott in seinem Herzen tragen, und die

Wahrheit ehren, damit durch Gottes Kraft sein

Gemüt veredelt und das Wahre in ihm offenbar

werden kann. Dies wird wohl nur von wenigen

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bezweifelt werden, aber auch nur wenige be-

achten es; die meisten jagen nur nach Autori-

bezweifelt werden, aber auch nur wenige beachten es; die meisten jagen nur nach Autoritäten und Glaubensartikeln; sie machen die Nebensache zur Hauptsache, und die Hauptsache bleibt ihnen unbekannt. Die wahre Religion sollte der Wissenschaft zu Hilfe kommen und eine wahre Erkenntnis die religiösen Lehren durchdringen; dann würde Herz und Kopf, Geist und Gemüt sich gegenseitig ergänzen, und der Weg zur Vollkommenheit würde offen sein. Aber unter der "wahren Religion" verstehen wir nicht ein Kirchenwesen, welches nur die äussere Schale kennt und mit toten Formen und Buchstaben Handel treibt, sondern diejenige Religion, welche als ihren Kern jene göttliche Kraft besitzt, welche den Menschen mit Gott verbindet, nämlich die göttliche Liebe. Millionen von Menschen haben ihr Leben verloren, indem sie, anstatt selbst nach der Wahrheit zu greifen, sich darüber stritten, ob dieses oder jenes Reiigionssystem das bessere sei; ob man diese oder jene Theorien und Glaubensartikel annehmen solle, und noch immer klammern sich die Menschen an äusserliche Formen an, die doch beständig sich ändern, und sie erkennen nicht den über allem

täten und Glaubensartikeln; sie machen die

Nebensache zur Hauptsache, und die Haupt-

sache bleibt ihnen unbekannt. Die wahre

Religion sollte der Wissenschaft zu Hilfe kom-

men und eine wahre Erkenntnis die religiösen

Lehren durchdringen; dann würde Herz und

Kopf, Geist und Gemüt sich gegenseitig er-

gänzen, und der Weg zur Vollkommenheit

würde offen sein. Aber unter der „wahren

Religion" verstehen wir nicht ein Kirchenwesen,

welches nur die äussere Schale kennt und mit

toten Formen und Buchstaben Handel treibt,

sondern diejenige Religion, welche als ihren

Kern jene göttliche Kraft besitzt, welche den

Menschen mit Gott verbindet, nämlich die

göttliche Liebe.

Millionen von Menschen haben ihr Leben

verloren, indem sie, anstatt selbst nach der

Wahrheit zu greifen, sich darüber stritten, ob

dieses oder jenes Religionssystem das bessere

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sei; ob man diese oder jene Theorien und

Glaubensartikel annehmen solle, und noch

immer klammern sich die Menschen an äusser-

liche Formen an, die doch beständig sich än-

dern, und sie erkennen nicht den über allem

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Formenwesen erhabenen Geist. Das beste

System und die bestgegründete Theorie ist aber

noch keine Wahrheit, sondern nur eine Form,

Formenwesen erhabenen Geist. Das beste System und die bestgegründete Theorie ist aber noch keine Wahrheit, sondern nur eine Form, um die Wahrheit erkennbar zu machen. Sie ist nicht der Wein, sondern nur das Gefäss. Besser ist es Weisheit zu besitzen, als zu glauben, dass sie im Besitze von diesem oder jenem sei. Besser ist es, in sich selbst die Gegenwart der Dreieinigkeit zu erkennen, als eine Theorie darüber zu haben, was die Dreieinigkeit sei. Andererseits giebt es eine gewisse Klasse von Menschen, welche alle Formen verwerfen, weil sie den darin enthaltenen Geist nicht erke~en. Man setzt ihnen guten Wein vor aber sie sehen nur die ungeniessbare Flasche und werfen sie fort. Sie bilden sich ein, Freidenker zu sein, und verachten die Lehren derjenigen, welche mehr Erfahrung und Freiheit besitzen. Sie verwerfen alle Autorität, bilden sich ein, dass dasjenige, was sie für wahr halten, auch wirklich absolute Wahrheit sei; sie liegen auf den Knieen vor dem Götzen, den sie sich in ihrer eigenen Phantasie geschaffen haben, und beten ihn an. Ihre eigene Unwissenheit ist ihre höchste Autorität. Sie gleichen denjenigen, welche Perlen in den Kot treten, weil

um die Wahrheit erkennbar zu machen. Sie

ist nicht der Wein, sondern nur das Gefäss.

Besser ist es Weisheit zu besitzen, als zu glau-

ben, dass sie im Besitze von diesem oder jenem

sei. Besser ist es, in sich selbst die Gegen-

wart der Dreieinigkeit zu erkennen, als eine

Theorie darüber zu haben, was die Dreieinig-

keit sei.

Andererseits giebt es eine gewisse Klasse

von Menschen, welche alle Formen verwerfen,

weil sie den darin enthaltenen Geist nicht er-

kennen. Man setzt ihnen guten Wein vor,

aber sie sehen nur die ungeniessbare Flasche

und werfen sie fort. Sie bilden sich ein, Frei-

denker zu sein, und verachten die Lehren der-

jenigen, welche mehr Erfahrung und Freiheit

besitzen. Sie verwerfen alle Autorität, bilden

sich ein, dass dasjenige, was sie für wahr halten,

auch wirklich absolute Wahrheit sei; sie liegen

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auf den Knieen vor dem Götzen, den sie sich

in ihrer eigenen Phantasie geschaffen haben,

und beten ihn an. Ihre eigene Unwissenheit

ist ihre höchste Autorität. Sie gleichen den-

jenigen, welche Perlen in den Kot treten, weil

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sie deren Wert nicht erkennen. Besonders die

religiösen Symbole sind ihnen ein Dorn im

Sie deren Wert nicht erkennen. Besonders die religiösen Symbole sind ihnen ein Dom im Auge, weil sie deren Sinn nicht begreifen. Sie sehen in einem Gemälde nicht dasjenige, was es darstellt, sondern nur den Rahmen und em bemaltes Papier. Ein wirklicher Freidenker ist ein ganz anderes Ding. Niemand kann frei denken, solange er von Vorurteilen und Irrtum befangen ist. Nur die Erkenntnis der Wahrheit macht das Denken frei. Die Kraft des geistigen Glaubens, der selbstlosen Hoffnung und der allumfassenden Liebe führen zu ihr. Ein wirklicher Freidenker ist ein Heiliger, ein Erhabener, ein Erleuchteter, der die Formen weder verwirft, noch ihnen unterworfen ist, sondern in ihnen den Geist der Wahrheit erkennt. Er selbst braucht sie nicht mehr. Ein solcher Mensch ist nur selten zu finden. Frei von Selbstsucht, Eigendünkel, Eitelkeit, Habsucht und Eigennutz erkennt er das Wahre sowohl in den Formen, in denen es sich darstellt, als auch im Nichtoffenbaren. Er ist an sich selbst, als Form oder Person betrachtet, ein Nichts; dagegen ist es das Licht der Wahrheit, welches in ihm leuchtet und ihm seine geistige Grösse verleiht. Der eingebildete Freidenker hält sein vergängliches Ich für einen

Auge, weil sie deren Sinn nicht begreifen. Sie

sehen in einem Gemälde nicht dasjenige, was

es darstellt, sondern nur den Rahmen und ein

bemaltes Papier.

Ein wirklicher Freidenker ist ein ganz an-

deres Ding. Niemand kann frei denken, solange

er von Vorurteilen und Irrtum befangen ist.

Nur die Erkenntnis der Wahrheit macht das

Denken frei. Die Kraft des geistigen Glaubens,

der selbstlosen Hoffnung und der allumfassenden

Liebe führen zu ihr. Ein wirklicher Freidenker

ist ein Heiliger, ein Erhabener, ein Erleuchteter,

der die Formen weder verwirft, noch ihnen

unterworfen ist, sondern in ihnen den Geist der

Wahrheit erkennt. Er selbst braucht sie nicht

mehr. Ein solcher Mensch ist nur selten zu

finden. Frei von Selbstsucht, Eigendünkel,

Eitelkeit, Habsucht und Eigennutz erkennt er

das Wahre sowohl in den Formen, in denen

es sich darstellt, als auch im Nichtoffenbaren.

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Er ist an sich selbst, als Form oder Person

betrachtet, ein Nichts; dagegen ist es das Licht

der Wahrheit, welches in ihm leuchtet und ihm

seine geistige Grösse verleiht. Der eingebildete

Freidenker hält sein vergängliches Ich für einen

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— 29 —

Gott, sein eigenes Irrlicht für das Licht der

Wahrheit, und er glaubt die Wahrheit als sein

persönliches Eigentum zu besitzen und über

Gott, seIn eigenes Irrlicht für das Licht der Wahrheit, und er glaubt die Wahrheit als sein persönliches Eigentum zu besitzen und über sie verfügen zu können. Er stellt sich selbst höher als die Wahrheit, und lebt doch nur im Lichte der Täuschung und führt andere zum Irrtum. Solche Menschen zerstören wohl, aber sie bauen nicht auf. Sie zerstören die Formen, und mit der Form verschwindet der Geist. Wohl bedarf der den Formen entwachsene und zur Selbsterkenntnis gekommene Geist der Formen nicht mehr, aber das Formenlose ist schwer zu erkennen. Niemand kann über ein Ding hinauswachsen, ehe er nicht demselben gewachsen ist. Das Hühnchen bedarf des Eies zu seiner Entwicklung; ist es aber zum Huhn geworden, so bedarf es der Schale nicht mehr. Die Schale ist Nebensache, der Vogel die Hauptsache. Der Lahme bedarf der Krücken, solange er nicht auf eigenen Füssen stehen kann; ist er aber geheilt, so sind ihm die Krücken ein Hindernis. In den Formen lernen wir den Geist kennen. Betrachten wir aber nur die Form allein, so hindert sie uns den Geist zu erblicken. Ein buchstäbliches Fürwahrhalten von Märchen hindert uns, deren Sinn zu begreifen. Eine äusserliche Auslegung religiöser

sie verfügen zu können. Er stellt sich selbst

höher als die Wahrheit, und lebt doch nur im

Lichte der Täuschung und führt andere zum

Irrtum. Solche Menschen zerstören wohl, aber

sie bauen nicht auf. Sie zerstören die Formen,

und mit der Form verschwindet der Geist.

Wohl bedarf der den Formen entwachsene

und zur Selbsterkenntnis gekommene Geist der

Formen nicht mehr, aber das Formenlose ist

schwer zu erkennen. Niemand kann über ein

Ding hinauswachsen, ehe er nicht demselben

gewachsen ist. Das Hühnchen bedarf des Eies

zu seiner Entwicklung; ist es aber zum Huhn

geworden, so bedarf es der Schale nicht mehr.

Die Schale ist Nebensache, der Vogel die

Hauptsache. Der Lahme bedarf der Krücken,

solange er nicht auf eigenen Füssen stehen

kann; ist er aber geheilt, so sind ihm die

Krücken ein Hindernis. In den Formen lernen

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wir den Geist kennen. Betrachten wir aber

nur die Form allein, so hindert sie uns den

Geist zu erblicken. Ein buchstäbliches Fürwahr-

halten von Märchen hindert uns, deren Sinn zu

begreifen. Eine äusserliche Auslegung religiöser

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— 3° —

Allegorien eröffnet den Weg zu den grössten

Verirrungen des menschlichen Geistes. Es ist,

Allegorien eröffnet den Weg zu den grössten Verirrungen des menschlichen Geistes. Es ist, als ob man den Geist eines Menschen aus der Maske, welche der Mensch trägt, beurteilen wol1~e. Je mehr an der Form festgehalten wird, um so mehr verschwindet das Prinzip. Je mehr wir uns um die Persönlichkeit eines Welterlösers bekümmern, um so mehr verschwindet das hohe Ideal vor unsern Blicken, welches in seiner Person verwirklicht ist. Die Persönlichkeit ist die Maske, die Individualität ist der Mensch. Viele Masken werden geboren, leben und sterben, ohne dass in ihnen eine Individualität zum Vorschein kommt. Die Weisheit vieler besteht darin, dass sie glauben sich das eigene Denken ersparen, und sich ruhig schlafen legen zu können, in der sichern· Überzeugung, dass diese oder jene Theorie richtig sei. Dies mag auch in alltäglichen Erscheinungen und bekannten Dingen anwendbar sein. Wir glauben an die Existenz von Ländern, die wir selbst nicht gesehen haben, und an die Einrichtung mancher Maschinen, die wir nicht untersucht haben; aber ein Fürwahrhalten ist noch keine Selbsterkenntnis. Was nützt es mir, die Richtigkeit gewisser Meinungen und

als ob man den Geist eines Menschen aus der

Maske, welche der Mensch trägt, beurteilen

wollte. Je mehr an der Form festgehalten

wird, um so mehr verschwindet das Prinzip.

Je mehr wir uns um die Persönlichkeit eines

Welterlösers bekümmern, um so mehr ver-

schwindet das hohe Ideal vor unsern Blicken,

welches in seiner Person verwirklicht ist. Die

Persönlichkeit ist die Maske, die Individualität

ist der Mensch. Viele Masken werden geboren,

leben und sterben, ohne dass in ihnen eine

Individualität zum Vorschein kommt. Die Weis-

heit vieler besteht darin, dass sie glauben sich

das eigene Denken ersparen, und sich ruhig

schlafen legen zu können, in der sichern

Überzeugung, dass diese oder jene Theorie

richtig sei.

Dies mag auch in alltäglichen Erscheinungen

und bekannten Dingen anwendbar sein. Wir

glauben an die Existenz von Ländern, die wir

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selbst nicht gesehen haben, und an die Ein-

richtung mancher Maschinen, die wir nicht

untersucht haben; aber ein Fürwahrhalten ist

noch keine Selbsterkenntnis. Was nützt es

mir, die Richtigkeit gewisser Meinungen und

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— 3i —

Theorien der Philosophen über die Unsterblich-

keit zu glauben, solange das Bewusstsein der

Unsterblichkeit nicht in mir selber erwacht ist.

Theorien der Philosophen über die Unsterblichkeit zu glauben, solange das Bewusstsein der Unsterblichkeit nicht in mir selber erwacht ist. Der Glaube an die Richtigkeit einer Theorie über die Unsterblichkeit, ist noch kein Glaube in die Unsterblichkeit selbst. Der Glaube an die Wahrhaftigkeit der biblischen Erzählung in Bezug auf Jesus von Nazareth ist noch kein Glaube in Christus selbst. Der Glaube an eine Erzählung kann uns nicht erlösen; die Erzählung soll dazu dienen, uns durch die F arm zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen. Ein Bild ist nicht der Gegenstand, den es darstellt; es dient nur dazu, ein Zeugnis zu geben von dem, was wirklich vorhanden sein kann. Einem Toten nützen die besten Theorien über das Leben nichts, weil er selber kein Leben hat, und die schönsten Träume, so "wirklich" sie auch dem Schlafenden erscheinen, sind rür den Wachenden keine Wirklichkeit. Bilder sind nichts weiter als Darstellungen. So sind auch die religiösen Symbole und Allegorien nichts anderes als äusserliche Zeichen innerlicher Wahrheiten, welche jeder in sich selbst finden kann, wenn er dazu nicht zu träge ist. Diese Symbole sollten nicht verworfen werden, weil man ihre Bedeutung nicht schon im Handumdrehen

Der Glaube an die Richtigkeit einer Theorie

über die Unsterblichkeit, ist noch kein Glaube

in die Unsterblichkeit selbst. Der Glaube an

die Wahrhaftigkeit der biblischen Erzählung

in Bezug auf Jesus von Nazareth ist noch kein

Glaube in Christus selbst. Der Glaube an eine

Erzählung kann uns nicht erlösen; die Erzählung

soll dazu dienen, uns durch die Form zur

Erkenntnis der Wahrheit zu führen. Ein Bild

ist nicht der Gegenstand, den es darstellt; es

dient nur dazu, ein Zeugnis zu geben von dem,

was wirklich vorhanden sein kann. Einem Toten

nützen die besten Theorien über das Leben

nichts, weil er selber kein Leben hat, und die

schönsten Träume, so „wirklich" sie auch dem

Schlafenden erscheinen, sind für den Wachenden

keine Wirklichkeit. Bilder sind nichts weiter

als Darstellungen. So sind auch die religiösen

Symbole und Allegorien nichts anderes als

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äusserliche Zeichen innerlicher Wahrheiten,

welche jeder in sich selbst finden kann, wenn

er dazu nicht zu träge ist. Diese Symbole

sollten nicht verworfen werden, weil man ihre

Bedeutung nicht schon im Handumdrehen

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erkennt; noch sollte man es sich mit einer

geistlosen Betrachtung derselben und einem

erkennt; noch sollte man es sich mit einer geistlosen Betrachtung derselben und einem Glauben an die Darstellung genügen lassen. Dadurch, dass wir selbst das in ihnen verborgene Geheimnis finden, wird dieses in uns selber erweckt. Wir selber sollten zu lebendigen Zeugnissen des Göttlichen werden. Es giebt kein anderes Mittel zur Erkenntnis der Wahrheit, als die Offenbarung der Wahrheit in uns selbst Diese Offenbarung ist nicht mit einer sogenannten "Offenbarung" durch andere zu verwechseln. Kein Mensch kann einem an~ dern die Wahrheit offenbaren; denn da müsste er ja höher als die Wahrheit sein. Was ein Mensch dem andern offenbaren kann, ist nichts mehr als Wahrscheinlichkeit, denn alles Äussere ist nur Schein. Die Lehren eines andern können dazu dienen, die Hindernisse hinwegzuräumen, die in uns selbst unserer eigenen Erkenntnis im Wege stehen, aber unsere Erkenntnis tritt erst dann ein, wenn die Wahrheit in uns selbst offenbar wird. Sie lässt sich nicht durch ein Aussersichsein oder Verzückung erlangen. Kein Bitten oder Drohen bringt sie zu uns herab. Klare Einsicht und Verstand lassen sich auch , nicht eintrichtern oder künstlich erzeugen. Wer selber verkehrt ist, der sieht alles verkehrt,

Glauben an die Darstellung genügen lassen.

Dadurch, dass wir selbst das in ihnen verborgene

Geheimnis finden, wird dieses in uns selber

erweckt. Wir selber sollten zu lebendigen

Zeugnissen des Göttlichen werden.

Es giebt kein anderes Mittel zur Erkenntnis

der Wahrheit, als die Offenbarung der Wahrheit

in uns selbst Diese Offenbarung ist nicht mit

einer sogenannten „Offenbarung" durch andere

zu verwechseln. Kein Mensch kann einem an-

dern die Wahrheit offenbaren; denn da müsste

er ja höher als die Wahrheit sein. Was ein

Mensch dem andern offenbaren kann, ist nichts

mehr als Wahrscheinlichkeit, denn alles Äussere

ist nur Schein. Die Lehren eines andern können

dazu dienen, die Hindernisse hinwegzuräumen,

die in uns selbst unserer eigenen Erkenntnis

im Wege stehen, aber unsere Erkenntnis tritt

erst dann ein, wenn die Wahrheit in uns selbst

offenbar wird. Sie lässt sich nicht durch ein

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Aussersichsein oder Verzückung erlangen. Kein

Bitten oder Drohen bringt sie zu uns herab.

Klare Einsicht und Verstand lassen sich auch

nicht eintrichtern oder künstlich erzeugen. Wer

selber verkehrt ist, der sieht alles verkehrt,

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aber wer die Wahrheit um ihrer selbst willen

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liebt und den Irrtum vermeidet, dem enthüllt

sie ihr Angesicht.

Viele glauben die Wahrheit zu lieben, und

aber wer die Wahrheit um ihrer selbst willen liebt und den Irrtum vermeidet, dem enthüllt sie ihr Angesicht. Viele glauben die Wahrheit zu lieben, und lieben dabei doch nur sich selbst. Sie verlangen die Wahrheit, um sich selbst damit zu verherrlichen, sie lieben nicht die Wahrheit, sondern die Vorteile, die sie bringt. Aber die Wahrheit ist eine eifersüchtige Frau, sie duldet keine Nebenbuhlerinnen neben sich; sie offenbart sich nur dort, wo sie als Königin allein herrschen kann; sie ergiebt sich nur dem, der sich ihr gänzlich und ohne Hintergedanken ergiebt. Niemand ist Herr über sie, und deshalb kann sie auch niemand aussprechen, man kann nur auf sie hinweisen; sie spricht sich selber im Herzen des Menschen aus. Niemand kann sie beweisen, sie beweist sich selbst durch ihr Dasein, und wo sie nicht erkannt wird, da giebt es für ihr Vorhandensein keinen Beweis; denn auch der beste Beweis ist wertlos, wenn die in ihm enthaltene Wahrheit nicht erk~nnt wird. Jeder Beweis ist nutzlos und kein Beweis, wenn er nicht auf einer Wahrheit beruht, die selbstverständlich ist und keines Beweises bedarf. . Beweise sind für die Blinden und Unwissenden; sie sind Mittel, womit man

lieben dabei doch nur sich selbst. Sie ver-

langen die Wahrheit, um sich selbst damit zu

verherrlichen, sie lieben nicht die Wahrheit,

sondern die Vorteile, die sie bringt. Aber die

Wahrheit ist eine eifersüchtige Frau, sie duldet

keine Nebenbuhlerinnen neben sich; sie offen-

bart sich nur dort, wo sie als Königin allein

herrschen kann; sie ergiebt sich nur dem, der

sich ihr gänzlich und ohne Hintergedanken

ergiebt. Niemand ist Herr über sie, und des-

halb kann sie auch niemand aussprechen, man

kann nur auf sie hinweisen; sie spricht sich

selber im Herzen des Menschen aus. Niemand

kann sie beweisen, sie beweist sich selbst

durch ihr Dasein, und wo sie nicht erkannt

wird, da giebt es für ihr Vorhandensein keinen

Beweis; denn auch der beste Beweis ist wert-

los, wenn die in ihm enthaltene Wahrheit nicht

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erkannt wird. Jeder Beweis ist nutzlos und

kein Beweis, Wenn er nicht auf einer Wahrheit

beruht, die selbstverständlich ist und keines

Beweises bedarf. Beweise sind für die Blinden

und Unwissenden; sie sind Mittel, womit man

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auf das Vorhandensein der Wahrheit, die man

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nicht sehen kann, Schlüsse zieht; wer sieht,

empfindet und erkennt, der bedarf keinen wei-

auf das Vorhandensein der Wahrheit, die man nicht sehen kann, Schlüsse zieht; wer sieht, empfindet und erkennt, der bedarf keinen weitem Beweis. Die Wahrheit versteht sich immer von selbst. Dasjenige im Menschen, was keine Wahrheit in sich hat, kann keine Wahrheit erkennen. Die Wahrheit erkennt sich selbst in ihm, wie in einem Spiegel, und auf diese Art allein wird er mit der Wahrheit bekannt. Argumente und Lehren dienen nur dazu, den Staub vom Spiegel der Seele hinwegzuwischen; jede Theorie und jedes Dogma erhält erst dann einen Wert, wenn die Wahrheit selbst erscheint und sich offenbart. Ohne diese Bestätigung ist alles Kirchenturn und alle Vielwisserei nur eine Scheinreligion und Scheinwissenschaft. Die Offenbarung der Wahrheit im Innern ist die einzige wahre Initiation, die durch keinerlei Hokus -Pokus ersetzt werden kann. Sie flösst dem Menschen, durch ihre Gnade, den wirklichen Adel ein, der keiner künstlichen Abzeichen bedarf. Durch ihre Offenbarung stempelt sie den Menschen zu einem lebendigen Zeugnisse ihrer selbst. Sie ist die Braut, die keiner Ausschmückung bedarf, und die sich nicht mit der Lüge verbinden kann. Sie ist die Seele der Seelen in allen Dingen, die alles

tern Beweis. Die Wahrheit versteht sich immer

von selbst. Dasjenige im Menschen, was keine

Wahrheit in sich hat, kann keine Wahrheit

erkennen. Die Wahrheit erkennt sich selbst

in ihm, wie in einem Spiegel, und auf diese

Art allein wird er mit der Wahrheit bekannt.

Argumente und Lehren dienen nur dazu, den

Staub vom Spiegel der Seele hinwegzuwischen;

jede Theorie und jedes Dogma erhält erst dann

einen Wert, wenn die Wahrheit selbst erscheint

und sich offenbart. Ohne diese Bestätigung ist

alles Kirchentum und alle Vielwisserei nur eine

Scheinreligion und Scheinwissenschaft.

Die Offenbarung der Wahrheit im Innern

ist die einzige wahre Initiation, die durch

keinerlei Hokus-Pokus ersetzt werden kann.

Sie flösst dem Menschen, durch ihre Gnade,

den wirklichen Adel ein, der keiner künstlichen

Abzeichen bedarf. Durch ihre Offenbarung

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stempelt sie den Menschen zu einem lebendigen

Zeugnisse ihrer selbst. Sie ist die Braut, die

keiner Ausschmückung bedarf, und die sich

nicht mit der Lüge verbinden kann. Sie ist

die Seele der Seelen in allen Dingen, die alles

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durchdringt, die Wirklichkeit und das Wesen

von allem. Wenn alles entfernt wird, was nicht

wahr ist, so bleibt nur das Wahre zurück.

durchdringt, die Wirklichkeit und das Wesen von allem. Wenn alles entfernt wird, was nicht wahr ist, so bleibt nur das Wahre zurück. Die Wahrheit ist geduldig und wächst in der Stille fort; die Lüge ist herrschsüchtig und macht viel Geschrei. Aus der Lüge entspringt der Wahn der Eigenheit, die Selbstsucht und Eitelkeit mit ihrem Gefolge von Habsucht und Wissbegier, Herrschsucht, Unduldsamkeit und Grausamkeit. Das Wahre in der Religion und Wissenschaft bedarf keiner Verteidigung, es siegt, sobald es erscheint; der Irrtum und die Täuschung sind stets besorgt um ihr Leben und kämpfen um ihr Dasein. Die Wahrheit ist das Wesen, die Form eine Illusion. Wo eine Form geboren wird, da beginnt ihr Kampf um ihre Existenz; da treten ihre Selbstinteressen auf und werden zu Feinden der Wahrheit. Die Wahrheit hat keine eigenen Interessen; sie verlangt nicht zu nehmen, sondern sie giebt. Sie strebt nach nichts als nach der Offenbarung ihrer selbst; aber die Formen, Kirchen und Systeme haben ihre eigenen Interessen, und diese sind von der Wahrheit ebenso verschieden, als die Schale des Eies vom Ei, obgleich nicht jedermann zwischen den beiden zu unterscheiden versteht. In jedem Religionssysteme

Die Wahrheit ist geduldig und wächst in

der Stille fort; die Lüge ist herrschsüchtig und

macht viel Geschrei. Aus der Lüge entspringt

der Wahn der Eigenheit, die Selbstsucht und

Eitelkeit mit ihrem Gefolge von Habsucht und

Wissbegier, Herrschsucht, Unduldsamkeit und

Grausamkeit. Das Wahre in der Religion und

Wissenschaft bedarf keiner Verteidigung, es

siegt, sobald es erscheint; der Irrtum und die

Täuschung sind stets besorgt um ihr Leben

und kämpfen um ihr Dasein. Die Wahrheit

ist das Wesen, die Form eine Illusion. Wo

eine Form geboren wird, da beginnt ihr Kampf

um ihre Existenz; da treten ihre Selbstinteressen

auf und werden zu Feinden der Wahrheit. Die

Wahrheit hat keine eigenen Interessen; sie ver-

langt nicht zu nehmen, sondern sie giebt. Sie

strebt nach nichts als nach der Offenbarung

ihrer selbst; aber die Formen, Kirchen und

Systeme haben ihre eigenen Interessen, und

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diese sind von der Wahrheit ebenso verschie-

den, als die Schale des Eies vom Ei, obgleich

nicht jedermann zwischen den beiden zu unter-

scheiden versteht. In jedem Religionssysteme

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kann Wahrheit enthalten sein; es handelt sich

nur darum, sie zu finden. Es ist deshalb nicht

nötig, dass sich irgend jemand von seiner

kann Wahrheit enthalten sein; es handelt sich nur darum, sie zu finden. Es ist deshalb nicht nötig, dass sich u-gend jemand von seiner Religion zu einem anderen Systeme bekehrt, vorausgesetzt, dass er die Wahrheit in seinem eigenen Systeme entdecken kann. Aus alle diesem geht .zur Genüge hervor, dass die Erlangung der Selbsterkenntnis der Wahrheit, die wahre Gottesweisheit oder Theosophie, keine leichte Sache ist, weil es sich dabei weniger um das Erlernen von Theorien, sondern 'vielmehr um das geistige Wachstum und die Veredlung des Gemütes handelt. Das geistlg'e Wachstum bedarf zu seinem Gedeihen einer 'anderen Nahrung als der Theorien und Meinungen, des Dünkens, FürWahrhalten und Wähnens. So wie di'e Pflanze des Sonnenlichtes bedarf, so bedarf die Seele des Lichtes der W eisheit, den heiligen Geist der Erkenntnis, von dessen Dasein die Wissenschaft nichts wiss'en kann, weil er ehenso unendlich und allgegenwärtig als das Licht 'der Sonne im, Weltenraum, die Wissenschaft aber beschränkt ist. "Die Wahrheit macht euch frei," sagt der Bibelsp'ruch. "In der Erkenntnis der Wahrheit liegt die Freiheit; aber 'sie ist eine Frucht, die ho'ch am Baume des Lebens reift, und nicht

Religion zu einem anderen Systeme bekehrt,

vorausgesetzt, dass er die Wahrheit in seinem

eigenen Systeme entdecken kann.

Aus alle diesem geht zur Genüge hervor,

dass die Erlangung der Selbsterkenntnis der

Wahrheit, die wahre Gottesweisheit oder Theo-

sophie, keine leichte Sache ist, weil es sich

dabei weniger um das Erlernen von Theorien,

sondern vielmehr um das geistige Wachstum

und die Veredlung des Gemütes handelt. Das

geistige Wachstum bedarf zu seinem Gedeihen

einer anderen Nahrung als der Theorien und

Meinungen, des Dünkens, Fürwahrhalten und

Wähnens. So wie die Pflanze des Sonnen-

lichtes bedarf, so bedarf die Seele des Lichtes

der Weisheit, den heiligen Geist der Erkenntnis,

von dessen Dasein die Wissenschaft nichts

wissen kann, weil er ebenso unendlich und

allgegenwärtig als das Licht der Sonne im

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Weltenraum, die Wissenschaft aber beschränkt

ist. „Die Wahrheit macht euch frei," sagt der

Bibelspruch. „In der Erkenntnis der Wahrheit

liegt die Freiheit; aber sie ist eine Frucht, die

hoch am Baume des Lebens reift, und nicht

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jeder ist gross genug, um sie zu erlangen.

Äusserliche wissenschaftliche Errungenschaften,

so wertvoll sie sonst sein mögen, nützen uns

jeder ist gross genug, um sie zu erlangen. Äusserliche wissenschaftliche Errungenschaften, so wertvoll sie sonst sein mögen, nützen uns dabei nicht viel, und ebensowenig eine aus Eigendünkel entspringende Moral. Grosse Gelehrtheit ist nicht immer frei von grosser Gemeinheit, Rohheit, Lieblosigkeit und Schurkerei, und unter den grössten Verbrechern kann man oft viel Scharfsinn und Kenntnisse finden. Was aber die Moral betritn, so sagt die Bibel, dass niemand gut ist, ~ls Gott. Wer Gott in seinem Herzen erkennt, in dem wird Gottes (::iüte offenbar; wer ohne Gott gut zu sein glaubt, der irrt. Es ist da von keinem intellektuellen Erkennen eines äusserlichen Gottes die Rede, sondern von derjenigen Gotteserkenntnis, welche die Liebe ist, und ohne die es auch keine Güte giebt. Auch der gottloseste Mensch kann ein Gelehrter werden; aber in der Weisheit Gottes ist das Erkennen durch das Werden bedingt. Man kann sich nicht in Wahrheit selbst als etwas erken~en, was man nicht wirklich selber ist. Jede pas~insstufe hat ihren eigenen 13ewusstseinszustand , ihre eigenen Empfindungen und yY ahrnelunungen. Für einen Ochsen ist nur das SinH-liche. vorhanden, das Reich des Intellek-

dabei nicht viel, und ebensowenig eine aus

Eigendünkel entspringende Moral. Grosse

Gelehrtheit ist nicht immer frei von grosser

Gemeinheit, Rohheit, Lieblosigkeit und Schur-

kerei, und unter den grössten Verbrechern

kann man oft viel Scharfsinn und Kenntnisse

finden. Was aber die Moral betrifft, so sagt

die Bibel, dass niemand gut ist, als Gott. Wer

Gott in seinem Herzen erkennt, in dem wird

Gottes Güte offenbar; wer ohne Gott gut zu

sein glaubt, der irrt. Es ist da von keinem in-

tellektuellen Erkennen eines äusserlichen Gottes

die Rede, sondern von derjenigen Gottes-

erkenntnis, welche die Liebe ist, und ohne die

es auch keine Güte giebt. Auch der gott-

loseste Mensch kann ein Gelehrter werden;

aber in der Weisheit Gottes ist das Erkennen

durch das Werden bedingt. Man kann sich

nicht in Wahrheit selbst als etwas erkennen,

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was man nicht wirklich selber ist.

Jede Daseinsstufe hat ihren eigenen Bewusst-

seinszustand, ihre eigenen Empfindungen und

Wahrnehmungen. Für einen Ochsen ist nur

das Sinnliche vorhanden, das Reich des Intellek-

"

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tuellen hat für ihn keine Existenz. Für einen

Menschen, der nur in seinem Gehirne lebt,

giebt es nichts Höheres als die Logik; vom

tuellen hat für ihn keine Existenz. Für einen Menschen, der nur in seinem Gehirne lebt, giebt es nichts Höheres als die Logik; vom Reiche der Erkenntnis, welche das Reich Gottes ist, weiss er nichts. Der Maulwurf lebt in der Erde und weiss nichts von den Sternen; der Adler schwärmt in der .Luft; er sieht die Sterne über sich und unter sich die Erde; der zur Gotteserkenntnis gelangte Mensch erkennt Himmel und Erde in sich selbst, als einen Teil seines Wesens; sein Dasein umfasst das All. Dem Rationalismus ist diese göttliche Selbsterkenntnis ein unbekanntes Ding, weil das Begrenzte das Grenzenlose nicht fassen, und er sich nicht über das Reich der objektiven Forschung erheben kann. Die Theologie behauptet, dass niemand als Gott die göttlichen Geheimnisse ergründen könne, und dieselben daher für den Menschen unerforschlich seien, und sie stellt sich dabei Gott als ein vom Menschen getrenntes göttliches Wesen vor. Sie hätte wohl recht, wenn der Mensch nichts Höheres an sich hätte, als seinen erdgeborenen Forschungsgeist, und Gott ein vom Menschen geschiedenes und ihm fernliegendes Wesen wäre. Da aber im Menschen die göttliche Natur mit der irdischen Natur verbunden ist,

Reiche der Erkenntnis, welche das Reich Gottes

ist, weiss er nichts. Der Maulwurf lebt in der

Erde und weiss nichts von den Sternen; der

Adler schwärmt in der Luft; er sieht die Sterne

über sich und unter sich die Erde; der zur

Gotteserkenntnis gelangte Mensch erkennt

Himmel und Erde in sich selbst, als einen Teil

seines Wesens; sein Dasein umfasst das All.

Dem Rationalismus ist diese göttliche Selbst-

erkenntnis ein unbekanntes Ding, weil das

Begrenzte das Grenzenlose nicht fassen, und

er sich nicht über das Reich der objektiven

Forschung erheben kann. Die Theologie be-

hauptet, dass niemand als Gott die göttlichen

Geheimnisse ergründen könne, und dieselben

daher für den Menschen unerforschlich seien,

und sie stellt sich dabei Gott als ein vom Men-

schen getrenntes göttliches Wesen vor. Sie hätte

wohl recht, wenn der Mensch nichts Höheres

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an sich hätte, als seinen erdgeborenen For-

schungsgeist, und Gott ein vom Menschen

geschiedenes und ihm fernliegendes Wesen

wäre. Da aber im Menschen die göttliche

Natur mit der irdischen Natur verbunden ist,

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so kann diese höhere Gottesnatur im Menschen

offenbar werden, und hierdurch gelangt der

Mensch zu jener Kraft der Erkenntnis, vermit-

telst welcher er selbst ein geistiger Teilnehmer

am göttlichen Leben wird und die Geheim-

nisse der Gottesnatur im Weltall in sich selber

(in Gott) erlebt. Diese Kraft der höheren gött-

lichen Erkenntnis wird in der Sprache der

Christenheit als „Glauben" bezeichnet, ein

Wort, das so häufig missverstanden wird, weil

niemand den wahren geistigen Glauben be-

greifen kann, wenn er diese Kraft nicht in sich

selber besitzt.

Dieser Glaube in die Kraft der Weisheit ist

alles, was die Menschheit zu ihrer Rettung aus

der Tiefe der Unwissenheit und der Hölle des

Irrtums bedarf. Er hat nichts mit Anhängen

an äusserliche Formen und dem leeren Für-

wahrhalten von Dogmen zu thun; er ist die

uns erhebende Kraft der höheren Erkenntnis

selbst, durch die wir auf eine höhere Daseins-

stufe gelangen, auf welcher diese Erkenntnis

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von selbst stattfindet; er ist, wie uns auch die

Bibel lehrt, das göttliche Leben in uns selbst.

Wie kann der Mensch zum ewigen Leben

und zur Gotteserkenntnis gelangen? Die christ-

liche Religion, wenn sie richtig verstanden wird,

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so kann diese höhere Gottesnatur im Menschen offenbar werden, und hierdurch gelangt der Mensch zu jener Kraft der Erkenntnis, vermit~ telst welcher er selbst ein geistiger Teilnehmer am göttlichen Leben wird und die Geheimnisse der Gottesnatur im Weltall in sich selber (in Gott) erlebt. Diese Kraft der höheren göttlichen Erkenntnis wird in der Sprache der Christenheit als "Glauben" bezeichnet, em Wort, das so häufig missverstanden wird, weil niemand den wahren geistigen Glauben begreifen kann, wenn er diese Kraft nicht in sich selber besitzt. Dieser Glaube in die Kraft der Weisheit ist alles, was die Menschheit zu ihrer Rettung aus der Tiefe der Unwissenheit und der Hölle des Irrtums bedarf. Er hat nichts mit Anhängen an äusserliche Formen und dem leeren Für· wahrhalten von Dogmen zu thun; er ist die uns erhebende Kraft der höheren Erkenntnis selbst, durch die wir auf eine höhere Daseinsstufe gelangen, auf welcher diese Erkenntnis von selbst stattfindet; er ist, wie uns auch die Bibel lehrt, das göttliche Leben in uns selbst. Wie kann der Mensch zum ewigen Leben und zur Gotteserkenntnis gelangen? Die christliche Religion, wenn sie richtig verstanden wird,

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giebt die Anweisung dazu. Wir wollen uns

aber nicht dem Verdachte aussetzen, als ob

giebt die Anweisung daz~. Wir wollen uns aber nicht dem V ~rdachte aussetzen, als ob . wir den christlichen Seelsorgern ins Handwerk pfuschen wollten. Diejenigen, welche die Wahrheit in den christlichen Systemen finden, bedürfen keiner weitern Belehrung. Diejenigen, welchen ihre Lehren nicht genügen, finden vielleicht bessern Erfolg in dem Studium der ~hagavad Gita und in der Betrachtung der Lehre von den sieben Prinzipien in der Konstitution des Menschen, wie sie durch H. P. Blavatsky klar und deutlich beschrieben ist. Wenn wir uns über die Beziehungen des Menschen zum göttlichen Dasein und seinen höher~n Fähigkeiten verständigen wollen, so müssen wir vor allem feststellen, was wir unter der Bezeichnung "Mensch" verstehen, und ob wir damit den göttlichen, schauenden und selbsterkennenden, innerlichen, oder den sterblichen, persönlichen, forschenden, suchenden, begehrenden, intellektuellen und tierischen Teil des Menschen meinen, denn die Fähigkeiten des . ~öttlichen Menschen sind von denen der Persönlichkeiten, w~lche er überschattet, höchst • verschieden, und was der eine bereits selbst ist und hat, das ist für den andem unerreichbar. Der Grund der meisten Missverständnisse liegt

wir den christlichen Seelsorgern ins Handwerk

pfuschen wollten. Diejenigen, welche die Wahr-

heit in den christlichen Systemen finden, be-

dürfen keiner weitern Belehrung. Diejenigen,

welchen ihre Lehren nicht genügen, finden

vielleicht bessern Erfolg in dem Studium der

Bhagavad Gita und in der Betrachtung der

Lehre von den sieben Prinzipien in der Kon-

stitution des Menschen, wie sie durch H. P. Bla-

vatsky klar und deutlich beschrieben ist.

Wenn wir uns über die Beziehungen des

Menschen zum göttlichen Dasein und seinen

höheren Fähigkeiten verständigen wollen, so

müssen wir vor allem feststellen, was wir unter

der Bezeichnung „Mensch" verstehen, und ob

wir damit den göttlichen, schauenden und

selbsterkennenden, innerlichen, oder den sterb-

lichen, persönlichen, forschenden, suchenden,

begehrenden, intellektuellen und tierischen Teil

des Menschen meinen, denn die Fähigkeiten

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des göttlichen Menschen sind von denen der

Persönlichkeiten, welche er überschattet, höchst

verschieden, und was der eine bereits selbst

ist und hat, das ist für den andern unerreichbar.

Der Grund der meisten Missverständnisse liegt

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darin, dass die Menschen sich von einem und

demselben Dinge verschiedene Begriffe machen,

wobei dann jeder dasjenige, was er von seinem

darin, dass die Menschen sich von einem und demselben Dinge verschiedene Begriffe machen, wobei dann jeder dasjenige, was er von seiqem Standpunkte sieht, auch von diesem aus beurteilt. Der Mensch ist ein zusammengesetztes Geschöpf. Die Betrachtung eines Teiles seines Wesens gieht uns noch keine Einsicht in das Ganze. Er kann als ein Ganzes erst dann betrachtet werden, wenn er ein Ganzes geworden, d. h. wenn der persönliche Mensch von der Natur des göttlichen Menschen durchdrungen, mit ihm in völlige Übereinstimmung gekommen und dadurch Eins mit ihm geworden ist. Der Einzelne mag dies vielleicht jetzt schon erreichen; für die grosse Menge hat es noch lange Zeit. Für jeden aber steht es frei, den Anfang dazu zu machen. Die erste Bedingung zur absoluten Erkenntnis des Wahren ist der Besitz der Fähigkeit, zwischen dem Ewigen und ~em Vergänglichen zu unterscheiden. Dies hat der Weise Sankaracharya schon mehr als vor zweitausend Jahren gelehrt. Der Gottmensch wohnt im Liphte der Erkenntnis, der tierische Mensch im Dunkel der Unwissenheit; der Gottmensch lebt in qer Wahrheit, und das Wahre ist er selbst. Der Mensch der Erde wohnt im Reiche

Standpunkte sieht, auch von diesem aus be-

urteilt. Der Mensch ist ein zusammengesetztes

Geschöpf. Die Betrachtung eines Teiles seines

Wesens giebt uns noch keine Einsicht in das

Ganze. Er kann als ein Ganzes erst dann be-

trachtet werden, wenn er ein Ganzes geworden,

d. h. wenn der persönliche Mensch von der

Natur des göttlichen Menschen durchdrungen,

mit ihm in völlige Übereinstimmung gekommen

und dadurch Eins mit ihm geworden ist. Der

Einzelne mag dies vielleicht jetzt schon er-

reichen; für die grosse Menge hat es noch

lange Zeit. Für jeden aber steht es frei, den

Anfang dazu zu machen.

Die erste Bedingung zur absoluten Er-

kenntnis des Wahren ist der Besitz der Fähig-

keit, zwischen dem Ewigen und dem Vergäng-

lichen zu unterscheiden. Dies hat der Weise

Sankaracharya schon mehr als vor zwei-

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tausend Jahren gelehrt. Der Gottmensch wohnt

im Lichte der Erkenntnis, der tierische Mensch

im Dunkel der Unwissenheit; der Gottmensch

lebt in der Wahrheit, und das Wahre ist er

selbst. Der Mensch der Erde wohnt im Reiche

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der Sinne, Vorstellungen und Träume. Dem

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vergänglichen Menschen gehören die vergäng-

lichen Errungenschaften dieser vergänglichen

der Sinne, Vorstellungen und Träume. Dem vergänglichen Menschen gehören die vergänglichen Errungenschaften dieser vergänglichen Welt. Gott im Menschen hat nichts mit den tierischen Empfindungen, politischen Interessen, Kirchenangelegenheiten und Wissenschaften zu thun, solange die Menschen der ihnen innewohnenden Gottesnatur fremd bleiben und nicht zum wahren Bewusstsein erwachen wollen, und der Mensch kann keine göttlichen Kräfte in Bewegung setzen, solange dieselben nicht in ihm selbst zum Bewusstsein gekommen sind. Wer Gott nicht in· sich hat, wird ihn niemals erkennen. Gott ist die Einheit, und in nichts anderem als in der Gotteserkenntnis, d. h. in der Erkenntnis der Wahrheit können die Menschen ihre dauernde Vereinigung finden. In der Erkenntnis der höheren Menschennatur in uns selbst und in allem liegt die Beendigung alles Streites und die Glückseligkeit im Himmel und auf Erden. "Ekam sat virapa bahudha vedanti" sagt der indische Weise, d. h.: "Dasjenige, welches wirklich existiert, ist Ein es; die Weisen haben verschiedene Namen dafür," und die christlichen Mystiker lehren uns: "Wer Gott, den Einen, erkennt, der erkennt alles. Wer

Welt. Gott im Menschen hat nichts mit den

tierischen Empfindungen, politischen Inter-

essen, Kirchenangelegenheiten und Wissen-

schaften zu thun, solange die Menschen der

ihnen innewohnenden Gottesnatur fremd bleiben

und nicht zum wahren Bewusstsein erwachen

wollen, und der Mensch kann keine göttlichen

Kräfte in Bewegung setzen, solange dieselben

nicht in ihm selbst zum Bewusstsein gekommen

sind. Wer Gott nicht in sich hat, wird ihn

niemals erkennen. Gott ist die Einheit, und

in nichts anderem als in der Gotteserkenntnis,

d. h. in der Erkenntnis der Wahrheit können

die Menschen ihre dauernde Vereinigung finden.

In der Erkenntnis der höheren Menschennatur

in uns selbst und in allem liegt die Beendigung

alles Streites und die Glückseligkeit im Himmel

und auf Erden.

„Ekam sat virapa bahudhä vedanti"

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sagt der indische Weise, d. h.: „Dasjenige,

welches wirklich existiert, ist Eines; die Weisen

haben verschiedene Namen dafür," und die

christlichen Mystiker lehren uns: „Wer Gott,

den Einen, erkennt, der erkennt alles. Wer

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vielerlei Dinge zu kennen meint, der kennt in

Wirklichkeit nichts." Damit ist gesagt, dass

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im wahren Selbstbewusstsein alle Dinge offenbar

vielerlei Dinge zu kennen meint, der kennt in Wirklichkeit nichts." Damit ist gesagt, dass im wahren Selbstbewusstsein alle Dinge offenbar werden, weil Gott das wahre Selbst aller Dinge und der Ursprung von allem ist, während die Dinge an sich und ohne das ihnen zu Grunde liegende göttliche Wesen betrachtet, nichts als täuschende Erscheinungen sind. Das Einzige, was den Menschen zum wahren Selbstbewusstsein erwecken kann, ist der göttliche Geist der Weisheit. Wer diesen heiligen Geist erfassen will, welcher weder durch Grübeln und Forschen, noch durch Träumen und • Schwärmen, noch durch den blinden Glauben an Autoritäten und Dogmen erlangt werden kann, der muss dem Eigendünkel und der Selbstsucht entsagen, weil diese Eigenschaften Kräfte sind, die den Einfluss des Geistes der Selbsterkenntnis verhindern .und der geistigen Entwicklung im Wege stehen. Er muss seine niedere Natur durch die höhere beherrschen lernen, sich seine kleinliche Ichheit unterwerfen, damit das wahre Selbst in ihm offenbar werden kann. Der Geist Gottes im Weltall ist nur ein einziger und unteilbar. In diesem Geiste wird der Mensch eins mit der Kraft, welche die ganze Welt durchdringt, und erkennt das Ganze,

werden, weil Gott das wahre Selbst aller Dinge

und der Ursprung von allem ist, während die

Dinge an sich und ohne das ihnen zu Grunde

liegende göttliche Wesen betrachtet, nichts als

täuschende Erscheinungen sind.

Das Einzige, was den Menschen zum wahren

Selbstbewusstsein erwecken kann, ist der gött-

liche Geist der Weisheit. Wer diesen heiligen

Geist erfassen will, welcher weder durch Grü-

beln und Forschen, noch durch Träumen und

Schwärmen, noch durch den blinden Glauben

an Autoritäten und Dogmen erlangt werden

kann, der muss dem Eigendünkel und der

Selbstsucht entsagen, weil diese Eigenschaften

Kräfte sind, die den Einfluss des Geistes der

Selbsterkenntnis verhindern und der geistigen

Entwicklung im Wege stehen. Er muss seine

niedere Natur durch die höhere beherrschen

lernen, sich seine kleinliche Ichheit unterwerfen,

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damit das wahre Selbst in ihm offenbar werden

kann. Der Geist Gottes im Weltall ist nur ein

einziger und unteilbar. In diesem Geiste wird

der Mensch eins mit der Kraft, welche die

ganze Welt durchdringt, und erkennt das Ganze,

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-

nicht als ein Mensch nach irdischen Begriffen,

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sondern in Gott.

Ich glaube an das Gesetz der Gravi-

nicht als ~in Mensch nach irpischen Begriffen, sondern in ~ott. Ich glaube an das Gesetz der Gravita tion. Obgleich mir die grössten wissenschaftlicb:en Autoritäten noch keine zufriedenstellep.de Auskunft über das eigentliche Wesen derselben erteilt haben, obgleich sie nicht isoliert und im Museupl ausgestell~, und noch von niemanden gesehen worden ist, so bin ich doch von ihre~ Vorhandensein überzeugt. Ich erkenne ßie in ihren Wirkungen an ä~sserlichen Dingen und fühle sie in dem ~ewicht meines Körpers. Ich glaube ohne Argumente oder Beweise, dass sie es ist, die meinen K~rper an die ~rde fesselt. Es existiert kein wissenschaftlicher Beweis dafür, dass sie nicht eines Tages aufhören könnte zu wirl<:en, in, welchem Falle . . ~ir ~lle iJl die unendliche Tiefe des Weltalls hinausgeschleudert w4rden; dennoch ers~hrecke ich nicht beim Anblicke des bodenlosen Abgrundes, der sich über uns erstreckt. Von der Schwerkraft hängt die Sicherheit unseres Lebens ab, und wir alle nehmen, auch ohne weiter darüber nachzudenken, unsere Zuflucht im ßesetze der Gravitation. Was die Schwerkraft im Materiellen ist, das ist die Kraft des Geistes Gottes im Weltall für

tation. Obgleich mir die grössten wissen-

schaftlichen Autoritäten noch keine zufrieden-

stellende Auskunft über das eigentliche Wesen

derselben erteilt haben, obgleich sie nicht iso-

liert und im Museum ausgestellt, und noch von

niemanden gesehen worden ist, so bin ich doch

von ihrem Vorhandensein überzeugt. Ich er-

kenne sie in ihren Wirkungen an äusserlichen

Dingen und fühle sie in dem Gewicht meines

Körpers. Ich glaube ohne Argumente oder

Beweise, dass sie es ist, die meinen Körper an

die Erde fesselt. Es existiert kein wissenschaft-

licher Beweis dafür, dass sie nicht eines Tages

aufhören könnte zu wirken, in welchem Falle

wir alle in die unendliche Tiefe des Weltalls

hinausgeschleudert würden; dennoch erschrecke

ich nicht beim Anblicke des bodenlosen Ab-

grundes, der sich über uns erstreckt. Von der

Schwerkraft hängt die Sicherheit unseres Lebens

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ab, und wir alle nehmen, auch ohne weiter

darüber nachzudenken, unsere Zuflucht im

Gesetze der Gravitation.

Was die Schwerkraft im Materiellen ist, das

ist die Kraft des Geistes Gottes im Weltall für

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die Seele. Diese Kraft ist die Liebe, die alle

Welten zusammenhält, und ich betrachte die

Schwerkraft als die äusserliche Wirkung der-

die Seele. Diese Kraft ist die Liebe, die alle Welten zusammenhält, und ich betrachte die Schwerkraft als die äusserliche Wirkung derselben im Materiellen. Noch hat kein Akademiker uns das Wesen der Liebe wissenschaftlich und augenscheinlich demonstriert. Sie ist noch nie isoliert worden, denn sie durchdringt alles; dennoch erkennen wir ihr Dasein an ihren Wirkungen, und wer fahig ist sie zu empfinden, der empfindet sie in sich selbst. Sie ist es, welche die Seele zum höheren Dasein erhebt, • sie zu ihrem göttlichen Ursprung anzieht und sie mit diesem vereinigt. In dieser Rückkehr zu ihrem Ursprunge, welcher die Liebe ist, findet die Seele ihre Ruhe. So wie der Körper nach der Erde angezogen wird und in ihr seine Ruhe findet, so findet die Seele, schon während ihres Daseins im Körper, ihre Ruhe in Gottes Geist. Sie wird zur Gottheit emporgezogen, weil sie aus dem göttlichen Willen geboren, und der göttliche Wille der Grund ihres eigenen Wesens ist. Der göttliche Wille ist die alles vereinigende göttliche Liebe, die nicht göttlich sein könnte, wenn sie nicht unendlich wäre und alle Geschöpfe umfassen würde. Sie 'ist das erwachende Selbsthewusstsein Gottes im Men-

selben im Materiellen. Noch hat kein Akade-

miker uns das Wesen der Liebe wissenschaftlich

und augenscheinlich demonstriert. Sie ist noch

nie isoliert worden, denn sie durchdringt alles;

dennoch erkennen wir ihr Dasein an ihren Wir-

kungen, und wer fähig ist sie zu empfinden,

der empfindet sie in sich selbst. Sie ist es,

welche die Seele zum höheren Dasein erhebt,

sie zu ihrem göttlichen Ursprung anzieht und

sie mit diesem vereinigt. In dieser Rückkehr

zu ihrem Ursprunge, welcher die Liebe ist,

findet die Seele ihre Ruhe. So wie der Körper

nach der Erde angezogen wird und in ihr seine

Ruhe findet, so findet die Seele, schon während

ihres Daseins im Körper, ihre Ruhe in Gottes

Geist. Sie wird zur Gottheit emporgezogen,

weil sie aus dem göttlichen Willen geboren,

und der göttliche Wille der Grund ihres eigenen

Wesens ist. Der göttliche Wille ist die alles

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vereinigende göttliche Liebe, die nicht göttlich

sein könnte, wenn sie nicht unendlich wäre und

alle Geschöpfe umfassen würde. Sie ist das

erwachende Selbstbewusstsein Gottes im Men-

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sehen, aus welchem die wahre Gotteserkenntnis

und die innerliche Ruhe entspringen.

sehen, aus welchem die wahre Gotteserkenntnis und die innerliche Ruhe entspringen. Die selbstlose Liebe vereinigt alles. Das auf sich selbst bedachte Wissen ftihrt zu Irrtum und Streit, und in diesem Streite wird nur durch die Kraft der Liebe der Sieg, ~. h. die Überwindung des Irrtums und die Erkenntnis der Wahrheit erlangt. In dem innerlichen Erwachen der Seele zum Bewusstsein ihrer wahren göttlichen Natur ist alles enthalten, alles Äusserliche ist nur ein Mittel zur Erreichung dieses Zweckes. Alles was über diese Dinge gesprochen oder geschrieben wird, hat nur dann einen V\7 ert, wenn es dazu dient, uns anzuregen, den Geist der Liebe und Weisheit in uns aufzunehmen, und uns dieses Erwachens fähig zu machen. So wie das Licht der Sonne in alle offenen Räume dringt, so dringt das Licht der Erkenntnis und die Wärme der Liebe in alle Herzen ein, die sich diesem Einflusse öffnen. Durch dieses Licht erlangen wir die Fähigkeit, das Prinzip von der Form, den Geist von der Materie, das Wahre von der Täuschung, das Unvergängliche vom Vergänglichen, das Dauernde vom Nichtdauernden zu unterscheiden. In diesem Lichte erkennen wir, dass die Übel, welche die Welt bedrücken, nur vorübergehende, durch uns

Die selbstlose Liebe vereinigt alles. Das

auf sich selbst bedachte Wissen führt zu Irrtum

und Streit, und in diesem Streite wird nur durch

die Kraft der Liebe der Sieg, d. h. die Über-

windung des Irrtums und die Erkenntnis der

Wahrheit erlangt. In dem innerlichen Erwachen

der Seele zum Bewusstsein ihrer wahren gött-

lichen Natur ist alles enthalten, alles Äusserliche

ist nur ein Mittel zur Erreichung dieses Zweckes.

Alles was über diese Dinge gesprochen oder

geschrieben wird, hat nur dann einen Wert,

wenn es dazu dient, uns anzuregen, den Geist

der Liebe und Weisheit in uns aufzunehmen,

und uns dieses Erwachens fähig zu machen.

So wie das Licht der Sonne in alle offenen

Räume dringt, so dringt das Licht der Erkenntnis

und die Wärme der Liebe in alle Herzen ein,

die sich diesem Einflusse öffnen. Durch dieses

Licht erlangen wir die Fähigkeit, das Prinzip

von der Form, den Geist von der Materie, das

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Wahre von der Täuschung, das Unvergängliche

vom Vergänglichen, das Dauernde vom Nicht-

dauernden zu unterscheiden. In diesem Lichte

erkennen wir, dass die Übel, welche die Welt

bedrücken, nur vorübergehende, durch uns

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selbst hervorgebrachte Erscheinungen sind,

dass die ganze sogenannte Wirklichkeit eine

Täuschung, und das wahre Leben nur in der

selbst hervorgebrachte Erscheinungen sind, dass die ganze sogenannte Wirklichkeit eine Täuschung, und das wahre Leben nur in der Erkenntnis Gottes im Menschen zu finden ist. In diesem Lichte nehmen wir unsere Zuflucht, damit es die Nebel des Irrtums zerstöre, und wir, noch ehe wir von diesem Leben Abschied nehmen, durch dieses Licht zur wahren Erkenntnis des höheren Daseins 1m Lichte gelangen.

Erkenntnis Gottes im Menschen zu finden ist.

In diesem Lichte nehmen wir unsere Zuflucht,

damit es die Nebel des Irrtums zerstöre, und

wir, noch ehe wir von diesem Leben Abschied

nehmen, durch dieses Licht zur wahren Er-

kenntnis des höheren Daseins im Lichte

gelangen.

'Nicht möcht' ich jene Liebe von dir heischen,

Die trügerisch auf uns'rem Wege harrt,

Als Last and Schmerz sich wieder einzafleischen,

Und dann als Gorgo uns entgegenstarrt.

Nein! Jene Liebe, die alz wahres Leben,

Und endlos sich nur aus sich selber zeugt,

Vor der im andachtsstillen Beben

Sich jedes selbstbewusste Wesen beugt.

*

Drei Sterne strahlen aus der Nacht — ein Zeichen

Von dem, was selber uns noch nicht bewusst;

Wir können's mit den Sinnen nicht erreichen —

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Es wohnt geheimnisvoll in uns'rer Brost.

M s.

(ME

Nicht möcht' ich jene Liebe von dir heischen, Die trUgerilch auf uns'rem Wege harrt, Als Lust und Schmerz sich wieder einlu8eischen, Und dann als Gorgo uns entgegenstarrt.

Nein! Jene Liebe, die als wahres Leben, Und endlos sich nur aus .ich selber zeugt, Vor der im andachtutillen Beben Sich jedes selbstbewusste Weaen beugt.

.

Drei Sterne strahlen aus der Nacht - ein Zeichen Von dem, wu selber UI1I noch nicht bewusst; Wir können', mit den Sinnen nicht erreichen Es wohnt geheimnisvoll in uns'rer Brust. M ••••. s.

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Die Bhagavad Gita

oder

Das Hohe Lied.

(Fortsetzung.)

IX.

Rädschavidyäradschaguhya Yög.

DAS BUCH VON DER INNERLICHEN HEILIGUNG

DURCH DAS HOHE WISSEN UND DIE OFFEN-

BARUNG DES GROSSEN GEHEIMNISSES.

1 Dir, dessen Herz der Geist des Widerspruchs

Nicht mehr gefangen hält, erklär' ich nun

Das höchste Wissen, die geheime Kraft

Der Selbsterkenntnis, welche grösser ist,

Als was der Himmel und die Erde fassen.

Die l3hagavad Gita

Begreifst du es, so bist du frei von Schuld.

2 Tief ist die Lehre, das Geheimnis hoch,

In dessen Licht die Menschenseele rein

oder

Von allen Sünden wird, doch kann ein jeder,

Der sie im Herzen trägt, sie leicht erkennen;

Das Hohe Lied.

Leicht folgt man ihr und sie wird nie erschöpft.

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(Fortsetzung.)

IX.

RadschavidyaralJschaguhya Yög. DAS BUCH VON DER INNERLICHEN HEILIGUNG DURCH DAS HOHE WISSEN UND DIE OFFENBARUNG DES GROSSEN GEHEIMNISSES.

Dir, dessen Herz der Geist des Widerspruchs Nicht mehr gefangen hält, erklär' ich nun Das höchste Wissen, die geheime Kraft Der Selbsterkenntnis, welche grösser ist, Als was der Himmel und die Erde fassen. Begreifst du es, so bist du frei von Schuld. 2 Tief ist die Lehre, das Geheimnis hoch, In dessen Licht die Menschenseele rein Von allen Sünden wird, doch kann ein jeder, Der sie im Herzen trägt, sie leicht erkennen; Leicht folgt man ihr und sie wird nie erschöpft. I

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49

3 Doch wem die Kraft des Glaubens fehlt und wer

Die Wahrheit dieser Lehre nicht erkennt,

Der kehrt zurück zu dieser Welt des Todes,

3 Doch

wem die Kraft des Glaubens Die Wahrheit dieser Lehre nicht Der kehrt zurück zu dieser Welt In den verworr'nen Kreislauf der

In den verworr'nen Kreislauf der Natur.

4 Durch Mich ist dieses grosse All entfaltet:

Doch bin ich nicht für jeden offenbar.

Die Dinge sind in meiner Kraft gestaltet;

Sie sind in Mir, der ewig ist und war.

5 Doch sind sie nicht in meinem ltöchsten Wesen;

Frag' nur dich selbst, was dies Geheimnis sei.

fehlt und wer erkennt, des Todes, Natur.

Mein Geist schafft alles, was ich auserlesen,

Und dennoch bin ich stets von allein frei.

4

6 Wie sich die Lüfte frei im Raum bewegen,

Und doch der Raum beständig stille steht,

So kreist das Weltenheer dem Licht entgegen,

Doch bin ich nicht der Weltkreis, der sich dreht.

7 Stets, wenn der Kreislauf eines Kaipas endet,

Geht die Natur in ihren Ursprung ein;

Durch Mich ist dieses grosse All entfaltet: Doch bin ich nicht für jeden offenbar. Die Dinge sind in meiner Kraft gestaltet:· Sie sind in Mir, der ewig ist und war.

Wenn meine Macht das Schopfungswort entsendet,

Tritt die Erscheinungswelt ins neue Sein.

5 Doch sind sie nicht in meinem hlJchsten JVesen;

8 Und meine Kraft, die im Geheimen waltet,

Frag' nur dich selbst, was dies Geheimnis sei. Mein Geist schafft alles, was ich auserlesen, Und dennoch bin ich stets von allem frei.

Giebt der Natur1) von neuem ihren Lauf;

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Durch meinen Willen wird das All entfaltet,

Und neue Daseinsformen treten auf.

*) Prakriti, die stoffliche Natur,

rische Energie.

Lotusblüthen LXXVI.

In ihr ist die schöpfe-

4

b

Wie sich die Litfte frei im Baum bewegen, Und doch der Baum beständig stille steht, So kreist das Weltenheer dem Licht entgegen, Doch bin ich nicht der Weltkreis, der sich. dreht.

7 Stets,

wenn der Kreislauf eines Kalpas endet, Geht die Natur in ihren Ursprung ein; Wenn meine Macht das SchiJpfungswort entsendet, Tritt die Erscheinungswelt ins neue Sein.

S

Und meine Krall, die im Geheimen waltet, Giebt der Natur 1) von neuem ihren Lauf; Durch meinen Willen wird das All entfalwt, Und neue Daseinsformen treten auf. 1) Prakri ti, die stoffliche Natur.

In ihr ist die schöpfe-

Tische Energie. Lotusblüthen LXXVI.

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— 50 —

q Doch bin ich nicht durch dieses Werk gebunden,

Und frei von allem Wünschen oder Thun;

Wohl schafft mein Geist das Werk zu allen Stunden,

q

Mich hindert nichts, stets in mir selbst zu ruhn.

10 Mein Geist1) ist das Gesetz, durch dessen Stärke

Ein jedes Ding verschwindet und entsteht.

So schafft in der Natur mein Geist die Werke;

Dies ist der Grund, weshalb die Welt sich dreht.

11 Vom Schleier der Materie verhüllt,

Dock bin ich nicht durch dieses Werk gebunden, Und frei von allem Wün.~chen oder Thun; Wohl schafft mein Geist das Werk zu allen Stunden, Mich hindert nichts, stets in mir selbst zu ruhn.

Wird mein verborgenes Wesen schwer erkannt.

Die Thoren sehen die Erscheinungen,

10

Doch nicht des hohen Geistes Gegenwart,

Wenn ich in menschlicher Gestalt erscheine.

12 Im Hoffen eitel, eitel auch im Thun,

Verkehrt im Wissen und verblendet stets

Durch Sinnestäuschung, nehmen sie das Wesen

Von Tieren, Teufeln und Dämonen an.

Mein Geist 1 ) ist da.fl Gesetz, durch dessen Stärke Ein jedes Ding verschwindet und entsteht. So schafft in der Natur mein Geist die Werke; Dies ist der Grund, weshalb die Welt sich dreht.

13 Doch die Erleuchteten, die grossen Seelen.')

Voll Zuversicht den Weg des Lichtes wandelnd,

Vom Schleier der Materie verhüllt, Wird mein verborg'nes Wesen schwer erkannt. Die Thoren sehen die Erscheinungen, Doch nicht des hohen Geistes Gegenwart, Wenn ich in menschlicher Gestalt erscheine. 12 Im Hoffen eitel, eitel auch im Thun, Verkehrt im Wissen und verblendet stets Durch Sinnestäuschung, nehmen sie das Wesen Von Tieren, Teufeln und Dämonen an. 13 Doch die Erleuchteten, die grossen Seelen. '1) Voll Zuversicht den Weg des Lichtes wandelnd, Mit vollem Herzen hängen sie an Mir. Sie sehnen sich nach keinen andem Göttern, Und nehmen teil an meiner Wesenheit. 14 Sie sind's, in denen Ich verherrlicht bin, Weil immerdar sie ernstlich nach Mir streben; Sie sind Mir treu und glaubensvoll ergeben,

11

Mit vollem Herzen hängen sie an Mir.

Sie sehnen sich nach keinen andern Göttern,

Und nehmen teil an meiner Wesenheit.

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14 Sie sind's, in denen Ich verherrlicht bin,

Weil immerdar sie ernstlich nach Mir streben;

Sie sind Mir treu und glaubensvoll ergeben,

*1 Bewusstsein.

2) Mahatmas.

1) Bewusstsein.

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2) Mahatmas.

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51

— 5i —

Im Geist in Mich versenkt, sind sie in Mir.

15 Und mancher, der Mich als den Einen kennt,

Im Geist in Mich versenkt, sind sie in Mir. 15 Und mancher, der Mich als den Einen kennt, Der Ich in allen Dingen gegenwärtig, Und über allem und unteilbar bin, Bringt mir das Opfer der Erkenntnis dar. 16 Ich selbst bin dieses Opfer, das Gebet, Die Opfergabe und des Opfers Segen, Ich bin die Opferhandlung und der Balsam, Und auch das Feuer auf dem Hochaltar. 17 Ich bin der Vater und die Mutter aller; Ich bin das was erzeugt und was erhält, Das Ziel der Weisheit und die Reinigung, Die heil'ge Sylbe OM, das Wort, die Rig-, Die Sama- und die Yadshur-Veda. 18 Sieh! Ich bin der Weg, der Herr und der Ernährer, Richter und Zeuge auch, das Haus, die Wohnung, Die Zufluchtstätte und der Freund, die Quelle Des Lebens und des Lebens Meer. Ich bin Der Anfang und das Ende, die Schatzkammer Und auch der Schatz darin, der Sämann und Der Same, der beständig Früchte bringt. 19 Durch Mich erhält die Sonne Licht und Wärme, Ich gebe Regen und versage ihn. Ich bin das Leben der Unsterblichkeit Und auch der Tod. Ich bin, Ardschuna, Sat (Das Sein) und Asat (das Nichtoffenb~e).

Der Ich in allen Dingen gegenwärtig,

Und über allem und unteilbar bin,

Bringt mir das Opfer der Erkenntnis dar.

16 Ich selbst bin dieses Opfer, das Gebet,

Die Opfergabe und des Opfers Segen,

Ich bin die Opferhandlung und der Balsam,

Und auch das Feuer auf dem Hochaltar.

17 Ich bin der Vater und die Mutter aller;

Ich bin das was erzeugt und was erhält,

Das Ziel der Weisheit und die Reinigung,

Die heil'ge Sylbe OM, das Wort, die Rig-,

Die Sama- und die Yadshur-Veda.

18 Sieh!

Ich bin der Weg, der Herr und der Ernährer,

Richter und Zeuge auch, das Haus, die Wohnung,

Die Zufluchtstätte und der Freund, die Quelle

Des Lebens und des Lebens Meer. Ich bin

Der Anfang und das Ende, die Schatzkammer

Und auch der Schatz darin, der Sämann und

Der Same, der beständig Früchte bringt.

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19 Durch Mich erhält die Sonne Licht und Wärme,

Ich gebe Regen und versage ihn.

Ich bin das Leben der Unsterblichkeit

Und auch der Tod. Ich bin, Ardschuna, Sat

(Das Sein) und Asat (das Nichtoffenbare).

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S2

— 52 —

20 Wer nach der Vorschrift der drei Veden lebt,

Den Somatrank getrunken hat1) und rein

Wer nach der Vorschrift der drei Veden lebt, Den Somatrank getrunken hat 1) und rein Von Sünden ist, den führ' ich, wenn er stirbt, Zum Himmel Indra's ein, und er erlangt Der Götter Nahrung in dem Götterreich.. 21 Nachdem er lange dort des Himmels Freuden, So, wie er sie verdient, genossen hat, Kehrt er zurück zu dieser Welt des Todes, Zum wechselvollen Kreislauf der Natur. Da er der Veden Vorschrift treu befolgte, Ward ihm der Lohn, den er gesucht, zu teil. Wer das Vergängliche erstrebt, der findet Vergängliches. Vergänglich ist sein Lohn. u Doch dem Erleuchteten, der Mich allein Verehrt, und nicht nach andern Dingen strebend, In mir, dem Einen, seine Zuflucht findet, Erlangt des Daseins Seligkeit in mir.

Von Sünden ist, den führ' ich, wenn er stirbt,

20 Zum Himmel Indra's ein, und er erlangt

Der Götter Nahrung in dem Götterreich.

21 Nachdem er lange dort des Himmels Freuden,

So, wie er sie verdient, genossen hat,

Kehrt er zurück zu dieser Welt des Todes,

Zum wechselvollen Kreislauf der Natur.

Da er der Veden Vorschrift treu befolgte,

Ward ihm der Lohn, den er gesucht, zu teil.

Wer das Vergängliche erstrebt, der findet

Vergängliches. Vergänglich ist sein Lohn.

22 Doch dem Erleuchteten, der Mich allein

Verehrt, und nicht nach andern Dingen strebend,

In mir, dem Einen, seine Zuflucht findet,

Erlangt des Daseins Seligkeit in mir.

23 Auch wer in Einfalt andern Göttern opfert,

Weil er nicht mich, den Ewigen erkennt,

Der opfert mir. Es dringt des Opfers Duft

Zu meinem Throne, und ich nehm' ihn an.

24 Ich bin der Herr des Opfers und Empfänger

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Von allen Opfergaben. Aber wer

*) Der Somatrank ist das Symbol des geheimen Wissens,

d. h. der Gotteserkenntnis, vor welcher alles Irdische ver-

schwindet.

Auch wer in Einfalt andern Göttern opfert, Weil er nicht mich, den Ewigen erkennt, Der opfert mir. Es dringt des Opfers Duft Zu meinem Throne, und ich nehm' ihn an. 24 Ich bin der Herr des Opfers und Empfänger Von allen Opfergaben. Aber wer

23

1) Der Somatrank ist das Symbol des geheimen Wissens, d. h. der Gotteserkenntnis , vor welcher alles Irdische verschwindet.

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— 53 -

53

Mich nicht erkennt, der kann mich nicht erlangen.

(Was wäre ein Besitz, den man nicht kennt?;

25 Wer sich den Göttern weiht, der geht zu ihnen,

Mich nicht erkennt, der kann mich nicht erlangen. (Was wäre ein Besitz, den man nicht kennt?) 25 Wer sich den Göttern weiht, der geht zu ihnen, Und zu den Pitris 1) wandert, wer sie sucht. Wer sich Dämonen opfert, geht zu diesen; Wer Mich allein verehrt, der kommt zu 1.1ir.

Und zu den Pitris1) wandert, wer sie sucht.

Wer sich Dämonen opfert, geht zu diesen;

Wer Mich allein verehrt, der kommt zu Mir.

26 Wer Mir in Treu und Liebe das Geringste

Zum Opfer bringt, und wär's nur eine Blume,

Ein Blatt, ein Grashalm, ja ein Tropfen Wasser,

Von seinen Händen nehm' ich's gerne an.

27 Was du auch thust, o Prinz, ob du geniessest,

Geschenke spendest, fastest oder betest.

Denk* stets an Mich, und bring' in allem Mir

Dein glaubensvolles Herz zum Opfer dar.

28 So wirst du frei von jener Kette werden.

Die dich an dieses nied're Dasein bindet,

Wo Glück und Unglück aufeinanderfolgen.

Wer Mir in Treu und Liebe das Geringste Zum Opfer bringt, und wär's nur eine Blume, Ein Blatt, ein Grashalm, ja ein Tropfen Wasser, Von seinen Händen nehm' ich's gerne an. 27 Was du auch thust, 0 Prinz, ob du geniessest, Geschenke spendest, fastest oder betest. Denk' stets an Mich, und bring' in allem !\fir Dein glaubensvolles Herz zum Opfer dar. 28 So wirst du frei von jener Kette werden! Die dich an dieses nied're Dasein bindet, Wo Glück und Unglück aufeinanderfolgen. Durch die Entsagung gehst du in Mich ein. 26

Durch die Entsagung gehst du in Mich ein.

29 Ich bin für alle gleich. Ich hasse keinen

Und neig' mich keinem zu. Das All ist Mein.

Doch die mich wahrhaft lieben, lieb' ich wieder;

Sie sind in Mir, o Prinz, und Ich in ihnen.

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30 Selbst wenn ein Mensch ein grosser Sünder war,

*) Die Seelen früherer Menschengeschlechter.

Ich bin für alle gleich. Ich hasse keinen Und neig' mich keinem zu. Das All ist Mein. Doch die mich wahrhaft lieben, lieb' ich wieder; Sie sind in Mir, 0 Prinz, und Ich in ihnen. 30 Selbst wenn ein Mensch ein grosser Sünder war, 29

1) Die Seelen früherer Menschengeschlechter.

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— 54 —

54 -

Und sich zu Mir von ganzer Seele wendet,

So ist er zweifellos für gut zu achten,

Weil er die Wahrheit hoch und heilig hält.

Und sich zu Mir von ganzer Seele wendet, So ist er zweifellos für gut zu achten, Weil er die Wahrheit hoch und heilig hält. 3 I Auch wird er bald zum rechten Weg gelangen Und seinen höchsten Frieden in Mir finden; Denn wer in meinem Herzen Zuflucht nimmt, Den werd' ich, wahrlich, nimmermehr verlassen. 32 Und wär' er auch von niedriger Geburt, Der Sünde Kind; denn wer zu Mir sich wendet, Weib oder Mann, ob Bauer oder Knecht, Der wandelt auf dem höchsten Weg zu Mir. 33 Um wieviel mehr denn heilige Brahminen Und fromme Weise voller Seelenadel ! Da du in diese trügerische Welt Gekommen bist, so glaube fest an Mich. 34 Lass dein Gemüt auf Mich gerichtet sein, Und wende ganz mir deinen Willen zu. Erkenne Mich als deines Strebens Ziel, Als deines Daseins höchste Seligkeit; So wirst auch du, vereint mit deinem Selbst In meinem Dasein deine Ruhe finden.

31 Auch wird er bald zum rechten Weg gelangen

Und seinen höchsten Frieden in Mir finden;

Denn wer in meinem Herzen Zuflucht nimmt,

Den werd' ich, wahrlich, nimmermehr verlassen.

32 Und war' er auch von niedriger Geburt,

Der Sünde Kind; denn wer zu Mir sich wendet,

Weib oder Mann, ob Bauer oder Knecht,

Der wandelt auf dem höchsten Weg zu Mir.

33 Um wieviel mehr denn heilige Brahminen

Und fromme Weise voller Seelenadel!

Da du in diese trügerische Welt

Gekommen bist, so glaube fest an Mich.

34 Lass dein Gemüt auf Mich gerichtet sein,

Und wende ganz mir deinen Willen zu.

Erkenne Mich als deines Strebens Ziel,

Als deines Daseins höchste Seligkeit;

So wirst auch du, vereint mit deinem Selbst

In meinem Dasein deine Ruhe finden.

(Fortsetzung folgt.)

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m

(Fortsetzung folgt.)

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Die Lehren

.

des

~':" ""'~'

Philippus Theophrastus Bombast von

~"".

Hohenheim genannt Paracelsus.

Zweiter Teil.

Medizin.

(Fortsetzung.)

"""". ""

11"

"

„So ich begehrend bin eines vollkommenen

Willens, einem andern zu schaden, so ist dieser

Wille ein Geschöpf von mir im Geist, dass

mein Geist demnach handle nach meinem Ge-

fallen, gegen den Geist des andern und nicht

gegen seinen Leib. Schädigt aber mein Geist

den Geist des andern, so wird es dieser im

Leibe empfinden. So entsteht ein Kampf zwi-

Die Lehren

schen den zwei Geistern; derjenige, welcher

den andern überwindet, trägt den Sieg davon.

Wenn mein Widersacher unterliegt, so ist die

des

Ursache, dass sein Gemüt nicht so inbrünstig

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Philippus Theophrastus Bombast von Hohenheim genannt Paracelsus. Zweiter Teil.

M e cl i z i n. (Fortsetzung.)

"So ich begehrend bin eines vollkommenen Willens, einem andem zu schaden, so ist dieser Wille ein Geschöpf von mir im Geist, dass mein Geist demnach handle nach meinem Gefallen, gegen den Geist cl es andern und nicht gegen seinen Leib. Schädigt aber mein Geist den Geist des andern, so wird es dieser im Leibe empfinden. So entsteht ein Kampf zwischen den zwei Geistern; derj enige , welcher den andern überwindet, trägt den Sieg davon. Wenn mein Widersacher unterliegt, so ist die Ursache, dass sein Gemüt nicht so inbrünstig

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gegen mich ist, als ich gegen ihn. Ist sein

Geist aber mehr entzündet, so unterliege ich.

So werden die Leibeskrankheiten durch die

gegen mich ist, als ich gegen ihn. Ist sein Geist aber mehr entzündet, so unterliege ich. So werden die Leibeskrankheiten durch die Geister geboren." 1) "Wenn ein Mensch durch den bösen Willen eines andern beschädigt wird, so ist es nicht der Leib, der diese Beschädigung (direkt) erfährt, sondern der Geist (Astralkörper) empfängt sie, und überträgt sie auf den Leib. " In solchen Fällen ist dann die Beschädigung des Astralkörpers die Ursache der Krankheit, und darnach richtet sich die Behandlung. Es ist eine bekannte Thatsache, dass die Menschen durch ihre Gedanken beständig aufeinander einwirken, auch ohne es zu WIssen oder zu wollen. Unsere Gedanken und Ideen sind wie Vögel, wir wissen nicht, woher sie kommen, noch wohin sie gehen und wo sie nisten werden. Ein in dem Kopfe eines Romanschriftstellers ausgeheckter Plan zu einem Verbrechen, kann durch einen andern, ob er schon nichts davon weiss, zum Gedanken und zur That werden. Aber der blosse Gedanke, ohne

Geister geboren."1)

„Wenn ein Mensch durch den bösen Willen

eines andern beschädigt wird, so ist es nicht

der Leib, der diese Beschädigung (direkt) er-

fährt, sondern der Geist (Astralkörper) empfängt

sie, und überträgt sie auf den Leib." In solchen

Fällen ist dann die Beschädigung des Astral-

körpers die Ursache der Krankheit, und dar-

nach richtet sich die Behandlung.

Es ist eine bekannte Thatsache, dass die

Menschen durch ihre Gedanken beständig auf-

einander einwirken, auch ohne es zu wissen

oder zu wollen. Unsere Gedanken und Ideen

sind wie Vögel, wir wissen nicht, woher sie

kommen, noch wohin sie gehen und wo sie

nisten werden. Ein in dem Kopfe eines Roman-

schriftstellers ausgeheckter Plan zu einem Ver-

brechen, kann durch einen andern, ob er schon

nichts davon weiss, zum Gedanken und zur

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That werden. Aber der blosse Gedanke, ohne

1) Es ist bekannt, dass wenn jemand schwarze Magie

gegen einen andern Menschen ausübt und dabei unterliegt,

die von ihm ausgesandte böse Kraft auf ihn selbst zurück-

prallt, und ihn krank macht oder tötet.

1) Es ist bekannt, dass wenn jemand schwarze Magie gegen einen andem Menschen ausübt und dabei unterliegt, die von ibm ausgesandte böse Kraft auf ihn selbst zurückprallt, und ihn krank macht oder tötet.

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den Willen zur Ausführung, ist wie ein Schatten,

ohne die treibende und belebende Kraft. Der

bewusste und ungeteilte Wille dagegen erschafft

den Willen zur Ausführung, ist wie ein Schatten, ohne die treibende und belebende Kraft. Der bewusste und ungeteilte WiIlc dagegen erscham einen Geist, der von dem Gemüte eines andern Menschen Besitz ergreifen kann , ihn seiner Individualität, seines freien Willens und der eigenen Vemunft beraubt, und ihn zum willenlosen Werkzeuge des "schwarzen Magiers" macht. Was man heutzutage "Hypnotismus" nennt, ist nichts anderes, als der Anfang der schwarzen Magie. 1) Da es nicht unsere Absicht ist, Unterricht in der schwarzen Magie zu geben, so übergehen wir die Mittel, welche Paracelsus beschreibt, und welche teuflische Personen anwenden, um ihren bösen Willen und ihre Einbildung zu stärken. Das beste Mittel gegen böse Einflüsse ist die eigene Reinhcit der Seele und die alles besiegende Kraft des Glaubens an das Gute und Heilige in uns selbst. Der Astralkörper des Menschen ist das genaue Ebenbild des physischen Körpers, und

einen Geist, der von dem Gemüte eines andern

Menschen Besitz ergreifen kann, ihn seiner

Individualität, seines freien Willens und der

eigenen Vernunft beraubt, und ihn zum willen-

losen Werkzeuge des „schwarzen Magiers"

macht. Was man heutzutage „Hypnotismus"

nennt, ist nichts anderes, als der Anfang der

schwarzen Magie.1)

Da es nicht unsere Absicht ist, Unterricht

in der schwarzen Magie zu geben, so über-

gehen wir die Mittel, welche Paracelsus be-

schreibt, und welche teuflische Personen an-

wenden, um ihren bösen Willen und ihre Ein-

bildung zu stärken. Das beste Mittel gegen

böse Einflüsse ist die eigene Reinheit der Seele

und die alles besiegende Kraft des Glaubens

an das Gute und Heilige in uns selbst.

Der Astralkörper des Menschen ist das

genaue Ebenbild des physischen Körpers, und

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') Allerdings kann ein böser Wille nur in demjenigen

Gemüte Wurzel fassen, wo schon eine wenn auch schlum-

mernde böse Neigung vorhanden ist, aber eine Person, in

welcher keine solchen Neigungen vorhanden sind, wäre

wohl unter Erwachsenen schwer zu finden.

1} Allerdings kann ein böser Wille nur in demjenigen Gemüte Wurzel fassen, wo schon eine wenn auch schlummernde böse Neigung vorbanden ist, aber eine Person, in welcher keine solchen Neigungen vorbanden 5ind, wäre wobl anter Erwachsenen schwer IU finden.

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die Beschädigungen des ersteren teilen sich

dem letzteren mit. „Also ist es möglich, dass

mein Geist ohne meines Leibes Hilfe durch

die Beschädigungen des ersteren teilen sich dem letzteren mit. "Also ist es möglich, dass mein Geist ohne meines Leibes Hilfe durch mein Schwert einen andern ersteche oder verwunde, durch mein inbrünstig Begehren. Die Einwirkung des Willens ist ein grosser Punkt in der Arzneikunde. Einer, der sich selbst nichts Gutes gönnt und sich selbst hasst, dem kann es geschehen, dass ihn sein eigener Fluch trifft. Das Fluchen kommt aus der Verhängung (Besessenheit) des Geistes, und es können daraus Fieber, Epilepsie, Schlagfluss u. s. w. entspringen. Und lasset euch dies kein Scherz sein, ihr Ärzte; denn ihr wisset noch nicht das Geringste von der Kraft des Willens. Der Wille scham solche Geister, mit denen die Vernunft (der Intellekt) nichts zu schaffen hat. Eine solche Einwirkung kann auch auf Tiere stattfinden, und noch leichter als im Menschen; denn der Geist des Menschen wehret sich mehr dagegen, als der Geist des Tieres." "So kann der Geist eines Menschen den Geist (Astralkörper) eines andern bezwingen, und was der Geist des Besessenen thut, das muss der Leib ausführen; denn was durch die Geister geschehen soll, das muss in der Gestalt oder Form geschehen, in welcher der Geist

mein Schwert einen andern ersteche oder ver-

wunde, durch mein inbrünstig Begehren. Die

Einwirkung des Willens ist ein grosser Punkt

in der Arzneikunde. Einer, der sich selbst

nichts Gutes gönnt und sich selbst hasst, dem

kann es geschehen, dass ihn sein eigener Fluch

trifft. Das Fluchen kommt aus der Verhängung

(Besessenheit) des Geistes, und es können daraus

Fieber, Epilepsie, Schlagfluss u. s. w. entspringen.

Und lasset euch dies kein Scherz sein, ihr Ärzte;

denn ihr wisset noch nicht das Geringste von

der Kraft des Willens. Der Wille schafft solche

Geister, mit denen die Vernunft (der Intellekt)

nichts zu schaffen hat. Eine solche Einwirkung

kann auch auf Tiere stattfinden, und noch

leichter als im Menschen; denn der Geist des

Menschen wehret sich mehr dagegen, als der

Geist des Tieres."

„So kann der Geist eines Menschen den

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Geist (Astralkörper) eines andern bezwingen,

und was der Geist des Besessenen thut, das

muss der Leib ausführen; denn was durch die

Geister geschehen soll, das muss in der Gestalt

oder Form geschehen, in welcher der Geist

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liegt oder verkörpert ist, sei es eine Figur oder

ein Bild. Das Subjekt, darin der menschliche

Geist ist, ist der Mensch selbst."

liegt oder verkörpert ist, sei es eine Figur oder ein Bild. Das Subjekt, darin der menschliche Geist ist, ist der Mensch selbst." Wo aber eine Kraft vorhanden ist, kann sie auch zu guten Zwecken verwendet werden. "Durch das Ens spirituale können dem Menschen viele Krankheiten zugefügt werden. Da sollt ihr nun nicht auf natürliche, sondern auf diese Krankheiten kurieren, und den Geist behandeln, der da erkrankt ist." Auch durch das Medium des Schlafes und des Traumes werden sowohl Krankheiten als auch Heilungen auf magische Weise verursacht. "Also dass dein Geist den Geist des andem im Schlaf zu dir bringt, und dann im Schlaf unwissend, als im Traum, denselbigen durch dich selbst verletzest, durch das Medium deines Wortes, das dir im Schlaf ausgeht, ohne dein Wissen." - "Der Glaube hat nichts dabei zu thun, sondern der Wille. Nicht der Glaube, sondern der Wille handelt dabei. Vom Glauben (Meinen) hierbei zu reden, ist mehr närrisch als weise. Durch den Glauben schlagen sich zwei Männer nicht, sondern durch die That. " 1)

Wo aber eine Kraft vorhanden ist, kann

sie auch zu guten Zwecken verwendet werden.

„Durch das Ens spirituale können dem Men-

schen viele Krankheiten zugefügt werden. Da

sollt ihr nun nicht auf natürliche, sondern auf

diese Krankheiten kurieren, und den Geist

behandeln, der da erkrankt ist."

Auch durch das Medium des Schlafes und

des Traumes werden sowohl Krankheiten als

auch Heilungen auf magische Weise verursacht.

„Also dass dein Geist den Geist des andern

im Schlaf zu dir bringt, und dann im Schlaf

unwissend, als im Traum, denselbigen durch

dich selbst verletzest, durch das Medium deines

Wortes, das dir im Schlaf ausgeht, ohne dein

Wissen." — »Der Glaube hat nichts dabei zu

thun, sondern der Wille. Nicht der Glaube,

sondern der Wille handelt dabei. Vom Glauben

(Meinen) hierbei zu reden, ist mehr närrisch

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als weise. Durch den Glauben schlagen sich

zwei Männer nicht, sondern durch die That." *)

*) Da, wie es Schopenhauer beschreibt, alles aus Wille

und Vorstellung entspringt, so kann auch aus dieser Einheit von

Wille und Vorstellung alles, Gutes und Böses, erzeugt werden.

1) Da, wie es Scbopenhauer beschreibt, alles aus Wille und Vorstellung entspringt, so kann auch aus dieser Einheit von Wille und Vorstellung alles, Gutes und Böses, erzeugt werden.

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5. Ens Dei.

Alles in der Natur hat seinen Grund in Gott

und geschieht durch die Natur. Damit ist nicht

5. Ens Dei. AJIes in der Natur hat seinen Grund in Gott und geschieht durch die Natur. Damit ist nicht gemeint, dass Gott die Menschen ohne Ursache und nach seinem Belieben krank oder gesund mache, sondern dass es durch das Gesetz des Geistes in der Natur bestimmt ist, dass dasjenige, was gesät ist, sei es gut oder böse, entsprechende Früchte trägt und geerntet werden muss. Dies ist das Gesetz vom Karma, demgemäss auch unsere Handlungen in früheren Inkarnationen Folgen haben können, die sich auf dieses Leben verpflanzen, und hieraus entspringen Zustände, die sich nicht beseitigen lassen, solange die durch das Karma geschaffenen Ursachen nicht erschöpft sind. Es wäre jedoch irrig, zu glauben, dass man nicht gegen irgend ein Übel einschreiten dürfe, wenn dasselbe eine Folge von Karma ist; denn wenn der Kranke einen Arzt findet, der ihm helfen kann, so ist es eben auch sein Karma, dass ihm geholfen werden soll. Von Gott, und nicht vom Menschen, kommt alle Gesundheit und Krankheit, und wenn wir richtige Christen wären und den rechten Glauben hätten, so hätten wir auch kein anderes Heilmittel nötig, als dasjenige, welches wir durch

gemeint, dass Gott die Menschen ohne Ursache

und nach seinem Belieben krank oder gesund

mache, sondern dass es durch das Gesetz des

Geistes in der Natur bestimmt ist, dass das-

jenige, was gesät ist, sei es gut oder böse,

entsprechende Früchte trägt und geerntet

werden muss. Dies ist das Gesetz vom Karma,

demgemäss auch unsere Handlungen in früheren

Inkarnationen Folgen haben können, die sich

auf dieses Leben verpflanzen, und hieraus ent-

springen Zustände, die sich nicht beseitigen

lassen, solange die durch das Karma geschaffe-

nen Ursachen nicht erschöpft sind.

Es wäre jedoch irrig, zu glauben, dass man

nicht gegen irgend ein Übel einschreiten dürfe,

wenn dasselbe eine Folge von Karma ist; denn

wenn der Kranke einen Arzt findet, der ihm

helfen kann, so ist es eben auch sein Karma,

dass ihm geholfen werden soll.

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Von Gott, und nicht vom Menschen, kommt

alle Gesundheit und Krankheit, und wenn wir

richtige Christen wären und den rechten Glauben

hätten, so hätten wir auch kein anderes Heil-

mittel nötig, als dasjenige, welches wir durch

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unsern Glauben in Gott finden können. Obwohl

die Krankheiten aus der Natur entspringen, so

unsern Glauben in Gott finden können. Obwohl die Krankheiten aus der Natur entspringen, so sollten wir als Christen die Heilung derselben im Glauben und nicht in der Natur suchen. 1) Gott hat j eden in seiner Hand. Jede Krankheit ist ein Fegefeuer, und kein Arzt kann jemanden gesund machen, es sei denn, dass dieses Fegefeuer von Gott aus zu Ende gehe. Ist die Zeit der Vorherbestimmung (Karma) nicht gekommen, so macht keine Arznei den Kranken gesund; kommt euch aber ein Kranker zu, den Gott zu euch gesandt hat, so ist für ihn die Stunde der Erlösung gekommen. Die unwissenden Ärzte aber sind Fegefeuer- Teufel, von Gott dem Kranken zur Strafe gesandt. Gott hat den Arzt sowohl als die Arznei geschaffen, und wenn der Arzt etwas Gutes bewirkt, so geschieht es von Gott durch ihn." 2)

sollten wir als Christen die Heilung derselben

im Glauben und nicht in der Natur suchen.1)

Gott hat jeden in seiner Hand. Jede Krankheit

ist ein Fegefeuer, und kein Arzt kann jemanden

gesund machen, es sei denn, dass dieses Fege-

feuer von Gott aus zu Ende gehe. Ist die Zeit

der Vorherbestimmung (Karma) nicht gekom-

men, so macht keine Arznei den Kranken ge-

sund; kommt euch aber ein Kranker zu, den

Gott zu euch gesandt hat, so ist für ihn die

Stunde der Erlösung gekommen. Die un-

wissenden Ärzte aber sind Fegefeuer-Teufel,

von Gott dem Kranken zur Strafe gesandt.

Gott hat den Arzt sowohl als die Arznei ge-

schaffen, und wenn der Arzt etwas Gutes be-

wirkt, so geschieht es von Gott durch ihn."2)

J) Paramirum Trat. V.

*) Alles Gute kommt von Gott, wobei der Mensch als

ein Werkzeug dient. Das Werkzeug kann aus sich selbst

nichts Gutes vollbringen. Auch die gottlosen Ärzte können,

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ohne dass sie es wissen, zu Werkzeugen Gottes dienen,

und je mehr sie Geschicklichkeit besitzen, um so tauglicher

sind sie hierzu. Aber sie schreiben alles Gute sich selbst

und ihrer Geschicklichkeit zu und leugnen die Quelle alles

Guten, die sie nicht kennen. So kommt es, dass sie auch

ihrer Kunst nicht sicher sind, und dass ihre Resultate oft

ganz andere sind, als sie beabsichtigen oder erwarten. So

1) Paramirum Trat. V. I) Alles Gute kommt von Gott, wobei der Mensch als ein Werkzeug dient. Das WHkzeug kann aus sich selbst nichts Gutes vollbringen. Auch die gottlosen Ärzte können, ohne dass sie es wissen, zu Werkzeugen Gottes dienen, und je mehr sie Geschicklichkeit besitzen, um so tauglicher sind sie hierzu. Aber sie schreiben alles Gute sich selbst und ihrer Geschicklichkeit zU und leugnen die Quelle alles Guten, die sie nicht kennen. So kommt es, dass sie auch ihrer Kunst nicht sicher $ind, und dass ihre Resultate oft ganz andere sind, als sie beabsichtigen oder erwarten. So

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„Gut" und „böse" sind relative Begriffe,

und was uns unangenehm ist, kann dennoch

"Gut" und "böse" sind relative Begriffe, und was uns unangenehm ist, kann dennoch zu unserem Nutzen sein. "Dass Gott dasjenige geschaffen hat, was uns widerwärtig ist, hat seinen Grund darin, dass es uns von Nutzen ist, wenn wir den Zweck auch nicht einsehen. .Auch thut Gott nichts ohne den Menschen. Wenn er Wunder wirken will, so thut er es durch den Menschen und auf natürliche Weise; also auch durch den Arzt. Wo der Glaube vorhanden ist, da werden durch denselben allein Wunder gewirkt; ist aber der Glaube nicht stark genug, und doch die Stunde des Fegefeuers vorüber, so vollbringt der Arzt das Wunder, welches Gott wunderbarlich thun würde, wenn der Glaube im Kranken wäre." Jede Sünde ist ein Verstoss gegen das Gesetz der Ordnung und bringt ihre Strafe,

zu unserem Nutzen sein. „Dass Gott dasjenige

geschaffen hat, was uns widerwärtig ist, hat

seinen Grund darin, dass es uns von Nutzen ist,

wenn wir den Zweck auch nicht einsehen.

Auch thut Gott nichts ohne den Menschen.

Wenn er Wunder wirken will, so thut er es

durch den Menschen und auf natürliche Weise;

also auch durch den Arzt. Wo der Glaube

vorhanden ist, da werden durch denselben allein

Wunder gewirkt; ist aber der Glaube nicht

stark genug, und doch die Stunde des Fege-

feuers vorüber, so vollbringt der Arzt das

Wunder, welches Gott wunderbarlich thun

würde, wenn der Glaube im Kranken wäre."

Jede Sünde ist ein Verstoss gegen das

Gesetz der Ordnung und bringt ihre Strafe,

ist z. B. ein Fall bekannt, dass ein Tauber plötzlich geheilt

wurde, als ihm der Arzt zum Zwecke der Messung der

Temperatur ein Thermometer unter die Zunge steckte.

Dies wird als eine Wirkung der „Suggestion" erklärt, da

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der Kranke sich einbildete, dass dies ein therapeutisches

Mittel sei. Aber in hundert andern Fällen hätte die Sug-

gestion nichts genützt, und dass sie in diesem Falle half,

beweist, dass das Fegefeuer (Karmai des Kranken zu Ende

war. Eine solche Kur kann von Gott ebensogut durch ein

altes Weib vollbracht werden, wenn im Patienten der dazu

nötige Glaube vorhanden ist.

ist z. B. ein Fall bekannt, dass ein Tauber plötzlich geheilt wurde, als ihm der Arzt zum Zwecke der Messung der Temperatur ein Thermometer unter die Zunge steckte. Dies wird als eine Wirkung der "Suggestion" erklärt, da der Kranke sich einbildete, dass dies ein therapeutisches Mittel sei. Aber in hundert andern Fällen hätte die Suggestion nichts genützt, und dass sie in diesem Falle half, beweist, dass das Fegefeuer (Karma) des Kranken zu Ende war. Eine solche Kur kann von Gott ebensogut durch ein .altes Weib vollbracht werden, wenn im Patienten der dazu nötige Glaube vorhanden ist.

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d. h. ihre Folgen mit sich. Jede Krankheit ist,

so betrachtet, die Strafe für Sünde. In alten

d. h. ihre Folgen mit sich. Jede Krankheit ist, 80 betrachtet, die Strafe für Sünde. In alten Zeiten, als die Menschen weniger sündhaft: waren, gab es auch nur wenige Krankheiten oder Leiden, und zwar nur solche, welche aus ganz naturgemässen Ursachen, der Entwicklung, dem Nahrungsbedürfnisse und dem Zerfall im Alter entsprangen. Jetzt sind aus den ursprünglichen drei Krankheitsursachen neunundachtzig geworden. "Zur Zeit des Hippokrates waren die Fegefeuer klein; aber jetzt, da das Übel zunimmt, giebt es der Plagen viele." Auch ist es nicht die Arznei, welche hilft, 80ndern Gott hilft durch die Arznei. "Der Kranke, der seine Hoffnung 'in die Arznei setzt, ist kein Christ; aber wer seine Hoffnung in Gott setzt, der ist ein Christ, und Gott kann ihn gesund machen, sei es durch die eigene Kunst, durch den Arzt oder durch alte Weiber. Das sollt ihr Christen merken, dass für euch Gott der höchste und erste Arzt sein soll, der gewaltigste, ohne den nichts geschieht. Die Ungläubigen schreien zu den Menschen um Hilfe, aber der wahre Christ glaubt an Gott, der ihm, wenn es zu seinem Besten ist, den Arzt zusenden wird, der ihn kuriert." 1)

Zeiten, als die Menschen weniger sündhaft

waren, gab es auch nur wenige Krankheiten

oder Leiden, und zwar nur solche, welche aus

ganz naturgemässen Ursachen, der Entwicklung,

dem Nahrungsbedürfnisse und dem Zerfall im

Alter entsprangen. Jetzt sind aus den ursprüng-

lichen drei Krankheitsursachen neunundachtzig

geworden. „Zur Zeit des Hippokrates waren

die Fegefeuer klein; aber jetzt, da das Übel

zunimmt, giebt es der Plagen viele." Auch ist

es nicht die Arznei, welche hilft, sondern Gott

hilft durch die Arznei. „Der Kranke, der seine

Hoffnung in die Arznei setzt, ist kein Christ;

aber wer seine Hoffnung in Gott setzt, der ist

ein Christ, und Gott kann ihn gesund machen,

sei es durch die eigene Kunst, durch den Arzt

oder durch alte Weiber. Das sollt ihr Christen

merken, dass für euch Gott der höchste und

erste Arzt sein soll, der gewaltigste, ohne den

nichts geschieht. Die Ungläubigen schreien zu

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den Menschen um Hilfe, aber der wahre Christ

glaubt an Gott, der ihm, wenn es zu seinem Besten

ist, den Arzt zusenden wird, der ihn kuriert."1)

*) Dies ist nicht dahin zu verstehen, dass der Mensch

nichts thun und alles einem äusserlichen Gott überlassen

1) Dies ist nicht dahin zu verstehen, dasa der Mensch nichts thun und alles einem äusserlichen Gott überlassen

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„Die Menschen und alle Geschöpfe auf

Erden sind Gott unterworfen, und es giebt

"Die Menschen und alle Geschöpfe auf Erden sind Gott unterworfen, und es giebt zweierlei Leiden, die aus den Folgen der Sünde entspringen; nämlich diejenigen, welche in diesem Leben, und die, welche im Tode eintreten. I ) Von denen, die nach diesem Leben kommen, wollen wir jetzt nicht reden. Im irdischen Leben aber straft Gott diejenigen, welche nicht der Partei des Widersachers (dem Bösen) anhängen, nicht deshalb, weil sie gefehlt haben, sondern zu einem Zeichen, auf dass diejenigen erkannt werden, welche sein sind. Dieselben sind keinem Arzte unterworfen, denn Gott will sie als die Seinen gekennzeichnet haben; die andern aber sind diejenigen, welche Gott in Strafe annimmt, aus ihrem rechten Glauben und Begehren. Diese sind dem Arzte unterworfen. "2)

zweierlei Leiden, die aus den Folgen der Sünde

entspringen; nämlich diejenigen, welche in

diesem Leben, und die, welche im Tode ein-

treten.1) Von denen, die nach diesem Leben

kommen, wollen wir jetzt nicht reden. Im

irdischen Leben aber straft Gott diejenigen,

welche nicht der Partei des Widersachers (dem

Bösen) anhängen, nicht deshalb, weil sie gefehlt

haben, sondern zu einem Zeichen, auf dass

diejenigen erkannt werden, welche sein sind.

Dieselben sind keinem Arzte unterworfen, denn

Gott will sie als die Seinen gekennzeichnet haben;

die andern aber sind diejenigen, welche Gott in

Strafe annimmt, aus ihrem rechten Glauben und

Begehren. Diese sind dem Arzte unterworfen."2)

solle; denn wer die Mittel, die ihm Gott zur Herstellung

seiner Gesundheit giebt, nicht anwendet, dem kann Gott

nicht helfen.

') Vergl. Sankaracharya „Tattwa Bodha" S. 49.

2) Es giebt gewisse Krankheiten, welche darin ihre

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Ursache haben, dass sich im Menschen, der den Weg der

Heiligung betreten hat, das göttliche Leben regt, und infolge

dessen das in ihm früher angesammelte böse Karma rasch

entfaltet und erschöpft. Er gleicht dann jemandem, der

seine Schulden auf einmal abbezahlt und dann frei davon

ist, während die andern dieselben nach und nach abtragen

und immer wieder neue dazwischen machen.

solle; denn wer die Mittel, die ihm Gott zur Herstellung seiner Gesundheit giebt, nicht anwendet, dem kann GOlt nicht helfen. 1) Vergl. Sankaracharya "Tattwa Bodha" S.49. i) Es giebt gewisse Krankheiten, welche darin ihre Ursache haben, dass sich im Menschen, der den Weg der Heiligung betreten hat, das göttliche Leben regt, und infolge dessen das in ihm früher angesammelte böse Karm a rasch entfaltet und erschöpft. Er gleicht dann jemandem, der seine Schulden auf einmal abbezahlt und dann frei davon ist, während die andern dieselben nach und nach abtragen und immer wieder neue dazwischen machen.

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„Gott (das Gesetz) schafft die Krankheit,

den Arzt und die Arznei. Aus sich selbst macht

"Gott (das Gesetz) schafft die Krankheit, den Arzt und die Arznei. Aus sich selbst macht weder ein Arzt noch eine Arznei den Kranken gesund. Wie kann da jemand behaupten, dass er (ohne Gott) ein Arzt sei? Ist er doch nur ein Knecht der Natur, und Gott der Herr der Natur. Folglich kann der Arzt niemanden gesund machen, es sei denn, dass Gott in ihm an seiner Statt. Die Kunst eines rechten Arztes kommt von Gott, wie auch die Arznei und die Praxis und der Anfang. Der Kranke wird ihm, und er dem Kranken zugeschickt. Welche Stadt einen guten Arzt hat, der viele gesund macht, die darf sich rühmen glückselig zu sein, und die einen bösen Arzt haben, sind zu bedauern. " Um dies alles richtig zu verstehen, müssen wir an der geistigen Erkenntnis festhalten, dass Gott nicht ein ausserhalb der Welt stehendes und vom Menschen getrenntes Individuum ist, der die Welt von aussen her regiert, sondern dass er allgegenwärtig ist und in uns selbst durch seine Kraft und Weisheit wirkt und scham, insofern als diese göttliche Kraft in unserm eigenen Selbstwissen und Wollen keinen unüberwindlichen Widerstand findet. Wenn ein Arzt wahre Weisheit besitzt, so kommt dieselbe

weder ein Arzt noch eine Arznei den Kranken

gesund. Wie kann da jemand behaupten, dass

er (ohne Gott) ein Arzt sei? Ist er doch nur

ein Knecht der Natur, und Gott der Herr der

Natur. Folglich kann der Arzt niemanden

gesund machen, es sei denn, dass Gott in ihm

an seiner Statt. Die Kunst eines rechten Arztes

kommt von Gott, wie auch die Arznei und die

Praxis und der Anfang. Der Kranke wird ihm,

und er dem Kranken zugeschickt. Welche

Stadt einen guten Arzt hat, der viele gesund

macht, die darf sich rühmen glückselig zu sein,

und die einen bösen Arzt haben, sind zu be-

dauern."

Um dies alles richtig zu verstehen, müssen

wir an der geistigen Erkenntnis festhalten, dass

Gott nicht ein ausserhalb der Welt stehendes

und vom Menschen getrenntes Individuum ist,

der die Welt von aussen her regiert, sondern

dass er allgegenwärtig ist und in uns selbst

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durch seine Kraft und Weisheit wirkt und schafft,

insofern als diese göttliche Kraft in unserm

eigenen Selbstwissen und Wollen keinen un-

überwindlichen Widerstand findet. Wenn ein

Arzt wahre Weisheit besitzt, so kommt dieselbe

Lotusblütheii LXXVI. 5

Lotu.~blüthel1

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aus Gott; hat er sich aber auf gottlose Weise

Kenntnisse erworben, so richtet er damit am

aus Gott; hat er sich aber auf gottlose Weise Kenntnisse erworben, so richtet er damit am Ende mehr Schaden als Nutzen an, weil ihm der Grund alles Wissens, die Erkenntnis der ewigen Wahrheit, fehlt. "Dass Gott aber nicht direkt und ohne menschliche Werkzeuge, sondern durch den Arzt und die Arznei wirkt und hilft, dient dazu, dass der Kranke Gottes Hilfe nicht allein in seinen Wunderwerken, in Gott selbst als Gott suche, sondern Gott auch in seinen Geschöpfen, als Gottes Werkzeuge erkenne und liebe. Der Arzt sollte sich aber nicht einbilden, aus eigener (gottloser) Kraft etwas Nützliches vollbringen zu können, sondern stets auf das E n s Dei·, den Willen Gottes in allen Dingen achten. Ein Arzt, der kein wahrer Christ (in seinem Herzen) ist, der achtet des Willens Gottes nicht. Wenn ein solcher dennoch einen Kranken gesund macht, so hat dies darin seinen Grund, dass er, ohne es zu wissen, den Willen Gottes vollbringt, denn wenn ein Ding aufhören oder geschehen muss, so muss es vollbracht werden durch diejenigen, welche es können und vorhanden sind. Der Unterschied ist nur, dass der Ungläubige sich einbildet, gegen die Natur wirken zu können, gleichsam als wäre er selbst

Ende mehr Schaden als Nutzen an, weil ihm

der Grund alles Wissens, die Erkenntnis der

ewigen Wahrheit, fehlt.

„Dass Gott aber nicht direkt und ohne

menschliche Werkzeuge, sondern durch den

Arzt und die Arznei wirkt und hilft, dient dazu,

dass der Kranke Gottes Hilfe nicht allein in

seinen Wunderwerken, in Gott selbst als Gott

suche, sondern Gott auch in seinen Geschöpfen,

als Gottes Werkzeuge erkenne und liebe. Der

Arzt sollte sich aber nicht einbilden, aus eigener

(gottloser) Kraft etwas Nützliches vollbringen

zu können, sondern stets auf das Ens Dei,

den Willen Gottes in allen Dingen achten. Ein

Arzt, der kein wahrer Christ (in seinem Herzen)

ist, der achtet des Willens Gottes nicht. Wenn

ein solcher dennoch einen Kranken gesund

macht, so hat dies darin seinen Grund, dass

er, ohne es zu wissen, den Willen Gottes voll-

bringt, denn wenn ein Ding aufhören oder

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geschehen muss, so muss es vollbracht werden

durch diejenigen, welche es können und vor-

handen sind. Der Unterschied ist nur, dass

der Ungläubige sich einbildet, gegen die Natur

wirken zu können, gleichsam als wäre er selbst

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ein Gott; der weise Arzt aber ist ein bewusstes

Werkzeug des göttlichen Willens und handelt

in und mit Gott durch die Natur."

Fünferlei Heilmethoden.

Den obigen fünf Krankheitsanfängen ent-

sprechend werden nun fünferlei Heilmethoden

oder fünf Arten von Ärzten unterschieden,

nämlich:

1. Naturales. Diejenigen, welche sich nur

ein Gott; der weise Arzt aber ist ein bewusstes Werkzeug des göttlichen Willens und handelt in und mit Gott durch die Natur."

nach den äusserlichen Krankheitserscheinungen

richten und Gegensätzliches anwenden. „Sie

Fünferlei Heilmethoden.

behandeln Kälte durch Wärme, Feuchtigkeit

mit Trockenem, Völle durch Ausleerung u. s. w.

nach dem Grundsatze contraria contraribus

curantur." Hierher gehören die Allopathie,

Hydrotherapie und die verschiedenen Arten der

Naturheilkunde.

2. Specifici. Diejenigen, welche bestimmte

Mittel anwenden, von denen sie aus Erfahrung

wissen, dass sie in ähnlichen Fällen geholfen

haben. Hierher gehören die Empiriker aller

Art, Homöopathie u. s. w.

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3. Characterales. Diejenigen, welche

durch ihren persönlichen Einfluss wirken. „In

solcher Kraft, als wenn einer einem andern

gebietet zu laufen, und er läuft. Das geschieht

5*

Den obigen fünf Krankheitsanfangen entsprechend werden nun runferlei Heilmethoden oder fünf Arten von Ärzten unterschieden, nämlich: 1. Naturales. Diejenigen, welche sich nur nach den äusserlichen Krankheitserscheinungen richten und Gegensätzliches anwenden. "Sie behandeln Kälte durch Wärme, Feuchtigkeit mit Trockenem, Völle durch Ausleerung u. s. w. nach dem Grundsatze contraria contraribus curantur." Hierher gehören die Allopathie, Hydrotherapie und die verschiedenen Arten der Naturheilkunde. 2. Specifici. Diejenigen, welche bestimmte Mittel anwenden, von denen sie aus Erfahrung wissen, dass sie in ähnlichen Fällen geholfen haben. Hierher gehören die Empiriker aller Art, Homöopathie u. s. w. 3. Characterales. Diejenigen, welche durch ihren persönlichen Einfluss wirken. "In solcher Kraft, als wenn einer einem andem gebietet zu laufen, und er läuft Das geschieht 5*

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68

mit dem Wort." Hierher dürfte zu rechnen

sein der „Heilmagnetismus" oder die Über-

tragung von Lebenskraft, psychologische Ein-

mit dem Wort." Hierher dürfte zu rechnen sein der "Heilmagnetismus" oder die Über~ tragung von Lebenskraft, psychologische Einwirkungen auf das Gemüt, Umstimmungen durch Erregung der Willensenergie und Gedankenübertragung etc. 4. Spiri tu al es. Diejenigen, welche sich geistiger oder magischer Mittel bedienen. Hypnotismus, Suggestion, Übertragung von Krankheiten auf Tiere oder Pflanzen, Teufelskunst, Hexerei, geistige Fernwirkung. "Als wenn ein Richter einen Menschen in den Stock sperrt, so ist er allein sein Arzt. Auch wissen solche, wie die gebundenen Krankheiten durch den Geist der Kräuter erlöst werden, so dass der Geist der Krankheit dadurch verzehrt wird .•: 5. Fideles. Diejenigen, welche durch die Kraft des Glaubens],heilen, wie es Christus und seine Jünger thaten. "Wer da in Wahrheit glaubt, der wird gesund." Alle diese fünf Klassen von Ärzten sollten die Krankheiten und ihre Ursprünge erkennen. Die Erkenntnis ist nur eine einzige, aber die Behandlungsweise verschieden. Es giebt keine "alleinseligmachende" Behandlungsweise, denn durch jede dieser fünf Methoden können alle heilbaren Krankheiten geheilt werden j aber wer

wirkungen auf das Gemüt, Umstimmungen durch

Erregung der Willensenergie und Gedanken-

übertragung etc.

4. Spirituales. Diejenigen, welche sich

geistiger oder magischer Mittel bedienen.

Hypnotismus, Suggestion, Übertragung von

Krankheiten auf Tiere oder Pflanzen, Teufels-

kunst, Hexerei, geistige Fernwirkung. „Als

wenn ein Richter einen Menschen in den Stock

sperrt, so ist er allein sein Arzt. Auch wissen

solche, wie die gebundenen Krankheiten durch

den Geist der Kräuter erlöst werden, so dass

der Geist der Krankheit dadurch verzehrt wird."

5. Fidel es. Diejenigen, welche durch die

Kraft des Glaubens; heilen, wie es Christus und

seine Jünger thaten. „Wer da in Wahrheit

glaubt, der wird gesund."

Alle diese fünf Klassen von Ärzten sollten

die Krankheiten und ihre Ursprünge erkennen.

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Die Erkenntnis ist nur eine einzige, aber die

Behandlungsweise verschieden. Es giebt keine

„alleinseligmachende" Behandlungsweise, denn

durch jede dieser fünf Methoden können alle

heilbaren Krankheiten geheilt werden; aber wer

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eine derselben gewählt hat, der soll in ihr wohl-

begründet, erfahren und nicht zweifelhaft sein.

IV.

eine derselben gewählt hat, der soll in ihr wohlbegründet, erfahren und nicht zweifelhaft sem.

Von den geheimen Kräften in der Natur.

1. Die drei Substanzen.

Wie bereits oben besprochen wurde, besteht

jedes Ding aus den drei Grundeigenschaften:

Materia. 0 Salz, d. h. das Prinzip der

Materialität, Stofflichkeit (Tamas, Dunkelheit,

IV.

Bewusstlosigkeit).

Anima. 4 Schwefel, das Prinzip der

Energie, Kraft (Radschas, Feuer oder Leiden-

Von den geheimen Kräften in der Natur.

schaft, Instinkt).

Spiritus. 0 Quecksilber, das Prinzip

der Intelligenz, Geist (Sattwa, Wesenheit,

I.

Licht, Bewusstsein).

Aus der Zusammensetzung dieser drei

Wie bereits oben besprochen wurde, besteht jedes Ding aus den drei Grundeigenschaften : ~1 ateria. Salz, d. h. das Prinzip der ~raterialität, Stofflichkeit (Tamas, Dunkelheit, Bewusstlosigkeit). Anima. ~ Sch w efel, das Prinzip der Energie, Kraft (Radschas, Feuer oder Leidenschaft, Instinkt). Spiritus. ~ Quecksilber, das Prinzip der Intelligenz, Geist ( S a t t wa, VvT esenheit, Licht, Bewusstsein). Aus der Zusammensetzung dieser drei unsichtbaren "Grundelemente" entstehen die sichtbaren Körper, und jeder Körper ist in seinem Wesen nichts anderes als eine Zusammensetzung dieser drei Prinzipien, wobei entweder das eine oder das andere vorherrschend ist. Somit ist auch jedes Ding dem andern innig verwandt, und nur durch die Form und Art der Bewegung von andem verschieden.

unsichtbaren „Grundelemente" entstehen die

sichtbaren Körper, und jeder Körper ist in

seinem Wesen nichts anderes als eine Zu-

e

sammensetzung dieser drei Prinzipien, wobei

entweder das eine oder das andere vorherr-

schend ist. Somit ist auch jedes Ding dem

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Die drei Substanzen.

andern innig verwandt, und nur durch die Form

und Art der Bewegung von andern verschieden.

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Alle Dinge sind dem Wesen nach eins, nur

befinden sie sich auf verschiedenen Stufen der

Alle Dinge sind dem Wesen nach eins, nur befinden sie sich auf verschiedenen Stufen der Entwicklung. Je mehr in einem Dinge das materielle oder zusammenziehende, bittere Prinzip vorherrscht, um so mehr ist es dicht und materiell, sinnlos, dumm, unbewusst, erkenntnislos, passiv, träge. Je mehr das Prinzip der Energie vorherrscht, um so mehr ist es feuriger Natur, egoistisch, leidenschaftlich, strebend, aktiv, erhitzend, scharf, sauer, anziehend und abstossend, begehrlich u. s. w. Je mehr der Merkur vorherrscht, um so mehr ist es bewusst, intelligent, licht, emporstrebend, leicht, ätherisch, geistig, lieblich, ruhig, kräftig und gut. l ) " Wo diese drei Substanzen durch die Kraft des Lebens innig miteinander verbunden sind, da steht es um die Gesundheit gut; aber wo sie sich in Abziehung des Lehens trennen, da fault das eine, das andere brennt u. s. w. Dies sind die Anfange der Krankheiten." "Aus dem Schwefel wächst der Körper/' d. h. aus der Begierde nach Dasein, die jedem Dinge zu eigen ist, sei es sich nun dessen bewusst oder unbewusst, bildet sich der Wille zu einem "Selbst", und aus dem Salz kommt die

Entwicklung. Je mehr in einem Dinge das

materielle oder zusammenziehende, bittere

Prinzip vorherrscht, um so mehr ist es dicht

und materiell, sinnlos, dumm, unbewusst, er-

kenntnislos, passiv, träge. Je mehr das Prinzip

der Energie vorherrscht, um so mehr ist es

feuriger Natur, egoistisch, leidenschaftlich, stre-

bend, aktiv, erhitzend, scharf, sauer, anziehend

und abstossend, begehrlich u. s. w. Je mehr

der Merkur vorherrscht, um so mehr ist es

bewusst, intelligent, licht, emporstrebend, leicht,

ätherisch, geistig, lieblich, ruhig, kräftig und

gut.1) „Wo diese drei Substanzen durch die

Kraft des Lebens innig miteinander verbunden

sind, da steht es um die Gesundheit gut; aber

wo sie sich in Abziehung des Lebens trennen,

da fault das eine, das andere brennt u. s. w.

Dies sind die Anfange der Krankheiten." „Aus

dem Schwefel wächst der Körper," d. h. aus

der Begierde nach Dasein, die jedem Dinge

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zu eigen ist, sei es sich nun dessen bewusst

oder unbewusst, bildet sich der Wille zu einem

„Selbst", und aus dem Salz kommt die

*) Vergl. „Bhagavad Gita" Kap. XIV.

1) Vergl. "Bhagavad Gita" Kap. XIV.

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„Koagulation" oder Materialität. Dieses giebt

dem Diamanten seine Härte, dem Blei seine

Weichheit, den Knochen ihre Stärke u. s. w.

Der Merkur aber mildert die Dichtigkeit der

"Koagulation" oder Materialität. Dieses giebt dem Diamanten seine Härte, dem Blei seine Weichheit, den Knochen ihre Stärke u. s. w. Der Merkur aber mildert die Dichtigkeit der Materie und mässigt das Feuer der Leidenschaft. 1) Aus der Erkenntnis der drei Grundeigenschaften in den Krankheiten aber ergiebt es sich, ob der Körper zu deren Heilung beruhigender oder reizender Mittel bedarf. "Wie das Feuer alle Dinge verzehrt, so soll auch die Arznei sein. Nicht achten, wo kalt, wo warm, sondern hinwegnehmen. Dies ist der Arkanen Art und Eigenschaft." Nicht nur in der äussern Welt, sondern auch im Menschen selbst sind alle Kräfte enthalten. "In ihm selbst ist seine Gesundheit, sein Aqua vitae, sein Lapis Philosophorum, sein Arcanum, sein Aurum potabile und dergleichen; er selbst ist Mum ia, und seine eigene Natur ist sein Arzt, der seine Krankheiten heilt. Der äussere Arzt kann nichts dabei thun, als die Natur gegen schädliche Einwirkungen verteidigen und ihr dasjenige verschaffen, was sie nötig hat, und da der Mensch aus dem Limbus gemacht ist und in

Materie und mässigt das Feuer der Leiden-

schaft.1) Aus der Erkenntnis der drei Grund-

eigenschaften in den Krankheiten aber ergiebt

es sich, ob der Körper zu deren Heilung

beruhigender oder reizender Mittel bedarf.

„Wie das Feuer alle Dinge verzehrt, so soll

auch die Arznei sein. Nicht achten, wo kalt,

wo warm, sondern hinwegnehmen. Dies ist

der Arkanen Art und Eigenschaft."

Nicht nur in der äussern Welt, sondern

auch im Menschen selbst sind alle Kräfte ent-

halten. „In ihm selbst ist seine Gesundheit,

sein Aqua vitae, sein Lapis Philosopho-

rum, sein Arcanum, sein Aurum potabile

und dergleichen; er selbst ist Mumia, und

seine eigene Natur ist sein Arzt, der seine

Krankheiten heilt. Der äussere Arzt kann nichts

dabei thun, als die Natur gegen schädliche

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Einwirkungen verteidigen und ihr dasjenige

verschaffen, was sie nötig hat, und da der

Mensch aus dem Limbus gemacht ist und in

*) l'aramirum Lib. II.

1) l'aramirum Lib. 11.

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ihm alle Dinge enthalten sind, wie in der

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grossen Welt, und jedes Ding sich seines

Gleichen annimmt, so ist auch die ganze Welt

mit allen ihren sichtbaren und unsichtbaren

ihm alle Dinge enthalten sind, wIe in der grossen Welt, und jedes Ding sich seines Gleichen annimmt, so ist auch die ganze Welt mit allen ihren sichtbaren und unsichtbaren Einflüssen seine Apotheke. Was der Mensch in sich aufnimmt, das ist er selbst. So nimmt der Leib des Menschen den Leib der Welt an, wie ein Sohn das Blut vom Vater. Beide sind ein Blut und ein Leib, geschieden allein durch die Seele (Individualität), in der Erkenntnis aber ungeschieden. " "Himmel und Erde, Luft und Wasser, ist alles zusammen ein Mensch, und der (einzelne) Mensch ist eine Welt mit Himmel und Erde, Luft und Wasser. Somit nimmt der Saturn des Mikrokosmus den Saturn des Himmels, die Melissa der Erde die Melissa des Mikrokosmos an u. s. w. So wie die Seele mit allen ihren Kräften gegen den Teufel kämpfen und Gott zu Hilfe nehmen muss, von ganzem Herzen und Gemüt, so nimmt auch die Natur alles was ihr Gott gegeben hat, und alle irdischen und himmlischen Kräfte, um den Tod zu vermeiden, der für sie schrecklich ist." "Also ist das grosse Co m pos itu m : das ist, die rechte Arznei kommt aus Himmel und Erde und aus allen Elementen und ihren Kräften.

Einflüssen seine Apotheke. Was der Mensch

in sich aufnimmt, das ist er selbst. So nimmt

der Leib des Menschen den Leib der Welt an,

wie ein Sohn das Blut vom Vater. Beide sind

ein Blut und ein Leib, geschieden allein durch

die Seele (Individualität), in der Erkenntnis aber

ungeschieden."

„Himmel und Erde, Luft und Wasser, ist

alles zusammen ein Mensch, und der (einzelne)

Mensch ist eine Welt mit Himmel und Erde,

Luft und Wasser. Somit nimmt der Saturn

des Mikrokosmus den Saturn des Himmels,

die Melissa der Erde die Melissa des Mikro-

kosmos an u. s. w. So wie die Seele mit allen

ihren Kräften gegen den Teufel kämpfen und

Gott zu Hilfe nehmen muss, von ganzem Herzen

und Gemüt, so nimmt auch die Natur alles

was ihr Gott gegeben hat, und alle irdischen

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und himmlischen Kräfte, um den Tod zu ver-

meiden, der für sie schrecklich ist."

„Also ist das grosse Compositum: das

ist, die rechte Arznei kommt aus Himmel und

Erde und aus allen Elementen und ihren Kräften.

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Das ist das Compositum, darinnen der Arzt

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lernen soll. Das ist das Recipe. Das sind

die Simplicia. So der äussere Mensch bei-

sammen ist, so sind bei einander alle Remedia,

Das ist das Compositum, darinnen der Arzt lernen soll. Das ist das Recipe. Das sind die Simplicia. So der äussere Mensch beisammen ist, so sind bei einander alle Remedia, Medicamenta und Arcana. Da liegen alle die Kräfte, die den Krankheiten widerstehen. 1) In diesem grossen Composito steht die ganze Welt mit allen Kräften im Himmel und Erde, und in ihm der ganze Mikrokosmos des Menschen, der in ihr wie ein Tropfen im Meere ist, und der Mensch nimmt aus dem Lim bus, aus dem er geboren ist, das was er bedarf und vereinigt es mit sich selbst. Der Arzt aber sollte die Natur erkennen, und lernen das Licht vom Dunkel, das Reine vom Unreinen zu scheiden; denn also hat Gott ihn beschaffen." Aus diesen drei Substanzen entstehen die verschiedenen Zustände, die man als "Krankheiten" bezeichnet, sowohl im Menschen als auch in der grossen Natur, wo sie als Naturerscheinungen, Regen, Stürme, l\feteore, Donner

Medicamenta und Arcana. Da liefen alle

die Kräfte, die den Krankheiten widerstehen.1)

In diesem grossen Composito steht die ganze

Welt mit allen Kräften im Himmel und Erde,

und in ihm der ganze Mikrokosmos des Men-

schen, der in ihr wie ein Tropfen im Meere

ist, und der Mensch nimmt aus dem Limbus,

aus dem er geboren ist, das was er bedarf und

vereinigt es mit sich selbst. Der Arzt aber

sollte die Natur erkennen, und lernen das Licht

vom Dunkel, das Reine vom Unreinen zu

scheiden; denn also hat Gott ihn beschaffen."

Aus diesen drei Substanzen entstehen die

verschiedenen Zustände, die man als „Krank-

heiten" bezeichnet, sowohl im Menschen als

auch in der grossen Natur, wo sie als Natur-

erscheinungen, Regen, Stürme, Meteore, Donner

*) Diese Kräfte sind sowohl geistige als materielle:

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Der wahre Glaube und Gottvertrauen, fester Wille und

Zuversicht, Energie und Ausdauer, Gewissensfreiheit, Er-

kenntnisklarheit, Gemütsruhe, Geduld, reine Luft, Sonnen-

licht, frisches Wasser, gesunde Nahrung, Massigkeit und

Enthaltsamkeit u. s. w.

1) Diese Krifte sind sowohl geistige als materielle: Der wahre Glaube und Gottvertrauen, fester Wille und Zuversicht, Energie und Ausdauer, Gewissensfreiheit, Erkenntnisklarheit , Gemütsruhe, Geduld, reine Luft, Sonnenlicht, frisches Wasser, gesunde Nahrung, Mässigkeit und Enthaltsamkeit u. s. w.

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und Blitz, Überschwemmungen, Dürre, Erd-

beben, Epidemien u. s. w. auftreten. Auch ist

diese Erklärung, so sonderbar sie auch dem

und Blitz, Überschwemmungen, Dürre, Erdbeben, Epidemien u. s. w. auftreten. Auch ist diese Erklärung, so sonderbar sie auch dem Nichteingeweihten erscheinen mag, für jeden, der sie begreift, von selbst verständlich; denn der Mensch ist thatsächlich eine Welt im Kleinen und seinem Wesen nach identisch mit der grossen Welt. In beiden sind dieselben Kräfte enthalten, und deren Wirkungen wesentlich dieselben, wenn sie auch in der Form ihres Auftretens voneinander verschieden sind. 1) Da dieses Werk nicht dazu bestimmt ist, die Werke des Parace1sus zu ersetzen, sondern nur dazu dienen soll, das Studium derselben zu erleichtern, so würde es uns zu weit führen, wenn wir ihm in seinen Ausführungen über die verschiedenartigen Beteiligungen der drei Substanzen m den verschiedenen Krankheitszuständen folgen wollten. Wer aber die Natur dieser drei Prinzipien richtig erfasst, dem wird es nicht schwer werden, ihre Wirkungen zu erkennen. So spricht Paracelsus z. B. von einer

Nichteingeweihten erscheinen mag, für jeden,

der sie begreift, von selbst verständlich; denn

der Mensch ist thatsächlich eine Welt im Kleinen

und seinem Wesen nach identisch mit der

grossen Welt. In beiden sind dieselben Kräfte

enthalten, und deren Wirkungen wesentlich

dieselben, wenn sie auch in der Form ihres

Auftretens voneinander verschieden sind.1)

Da dieses Werk nicht dazu bestimmt ist,

die Werke des Paracelsus zu ersetzen, sondern

nur dazu dienen soll, das Studium derselben

zu erleichtern, so würde es uns zu weit führen,

wenn wir ihm in seinen Ausführungen über die

verschiedenartigen Beteiligungen der drei Sub-

stanzen in den verschiedenen Krankheits-

zuständen folgen wollten. Wer aber die Natur

dieser drei Prinzipien richtig erfasst, dem wird

es nicht schwer werden, ihre Wirkungen zu

erkennen. So spricht Paracelsus z. B. von einer

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*) Da die ganze Natur aas den „drei Substanzen" oder

„Grundeigenschaften" (Guna's) besteht, so können auch

alle darin herrschenden Zustände in nichts anderem ihren

Ursprung haben. Dies hat schon der indische Weise San-

karacharya vor zweitausend Jahren erklärt, und die Lehre

1) Da die ganze Natur aus den "drei Substanzen" oder "Grundeigenschaften" (G u n a ' 5) besteht, 50 können auch alle darin herrschenden Zustände in nichts anderem ihren Ursprung haben. Dies hat schon der indische Weise Sankaracbarya vor zweitausend Jabren erklärt, und die Lehre

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7S

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Destillation, Sublimation und Präcipita-

tion des Mercurius 9 im Menschen (was

Destillation, Sublimation und Präcipitation des Mercurius t) im Menschen (was natürlich nichts mit dem materiellen Quecksilber und dessen Präparaten zu thun hat), wodurch Gehirnkrankheiten , Schlagflüsse u. s. w. entstehen. Aus den Veränderungen des materiellen Elementes e entspringen Haut- und Krebskrankheiten , Geschwüre, "Tartarische Krankheiten", Rheumatismus u. dgl. Aus den

natürlich nichts mit dem materiellen Quecksilber

und dessen Präparaten zu thun hat), wodurch

Gehirnkrankheiten, Schlagflüsse u. s. w. ent-

stehen. Aus den Veränderungen des mate-

riellen Elementes 0 entspringen Haut- und

Krebskrankheiten, Geschwüre, „Tartarische

Krankheiten", Rheumatismus u. dgl. Aus den

des Paracelsus stimmt damit uberein. Beifolgende Figur

versinnbildlicht den Ursprung der fünf Bewusstseinszustände,

der fünf materiellen Kräfte und der fünf Daseinszustände

(Tattwa's) in der materiellen Welt. Für weitere Aus-

einandersetzungen s. Sankaracharya „Tattwa Bodha".

Tamas.

Sprachkraft. /

\ Erde. Wasser. Feuer. Luft. Äther.

Materielle Welt.

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(Corpus.) ...'''''

des Paraceuus stimmt dnmit überein. Beifolgende Figur versinnbildlicht den Ursprung der fünf Bewusueinszustinde, der rünf materiellen Krlfte und der flinf Daseinszustände (Tattwa's) in der materiellen Welt. Für weitere Auseinandersetzungen s. Sankaracharya "Tattwa Bodha".

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Veränderungen des 4 kommen nicht nur Hitze

*

und Kälte, Regen und Schnee in der grossen

Natur, sondern auch Fieber und Frost, Wasser-

Veränderungen des kommen nicht nur Hitze und Kälte, Regen und Schnee in der grossen Natur, sondern auch Fieber und Frost, Wassersucht und Entzündungen aller Art. Somit ist der sterbliche Mensch in die drei Grundeigenschaften der Natur gesetzt, deren Wesenheit der Arzt geistig zu erfassen bestrebt sein soll, wenn er nicht bloss die Krankheitserscheinungen, sondern das Wesen der Krankheiten und auch das Wesen aller materiellen Dinge erkennen will.

sucht und Entzündungen aller Art.

Somit ist der sterbliche Mensch in die drei

Grundeigenschaften der Natur gesetzt, deren

Wesenheit der Arzt geistig zu erfassen bestrebt

sein soll, wenn er nicht bloss die Krankheits-

erscheinungen, sondern das Wesen der Krank-

heiten und auch das Wesen aller materiellen

Dinge erkennen will.

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(Fortsetzung folgt.)

(Fortsetzung folgt.)

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Briefkasten.

Briefkasten.

Fragen von Abonnenten, welche nicht rein personlicher Natur, son-

dern von allgemeinem Interesse sind, werden durch den Verfasser

Fragen von Abonnenten, welche nicht rein persönlicher Natur, sondern von allgemeinem Interesse sind, werden durch den Verfasser der .Lotusblüthen· im Briefkasten besprochen.

der „Lorusblüthen* im Briefkasten besprochen.

A. F. in N. — Die betreffende Bibelstelle ist mir

nicht bekannt; aber der Sinn des Citates ist augenscheinlich

folgender: Wer (in sicli selbst) eine Leidenschaft tötet, der

A. F. in N. - Die betreffende Bibelstelle ist mir nicht bekannt; aber der Sinn dea Citates ist augenscheinlich folgender: Wer (in sich selbst) eine Leidenschaft tötet, der bringt einen "Mann", d. h. ein falsches Schein - Ich, eine Form des Eigenwillens, die symbolisch als ein "Ochse" dargestellt ist, um. Das "Lamm" dagegen ist das Symbol der kindlichen Ergebenheit in das Gute, der Sanftmut und Geduld. Wer zornig und herrschsüchtig wird, der "tötet dieses Lamm" und "bricht diesem Kinde den Hals". E. C. in B. - Die Bibel sagt: "Es ist niemand gut als Gott." - Es ist daher auch eine vergebliche Mühe, wenn wir uns abquälen, gut zu sein, ohne an Gott zu glauben. Es handelt sich nicht darum, dass wir ohne Gott gut werden, sondern es soll vielmehr der Geist Gottes in uns lebendig und offenbar werden und zu unserm Bewusstsein kommen; dann stellt sich die Güte Gottes in uns von selber ein, und macht den innern Menschen gut. Aus dieser innerlichen Güte entspringt dann die Güte des äussern Menschen und dessen gute Handlungen, während alles "Gutsein" ohne diesen Geist nur Selbstverherrlichung, Selbsttäuschung, Scheinheiligkeit und Sell;stbetrug ist. G. W. in H. - Nach meiner Ansicht ist die" alte" Theosophische Gesellschaft diejenige, welche weder "indisch" noch "englisch", noch "amerikanisch", noch "deutsch" oder "böhmisch", sondern allgemein ist, und keiner Partei, Kirche oder Schule angehört, obgleich jedes einzelne Mitglied das Recht hat, denjenigen Weg zu gehen, der ihm am meisten zusagt. Die von H. P. Blavatsky gegründete T. G. hat keine andere Vorschrift, als die gegenseitige Toleranz; sie ist ebensowenig einer der darin bestehenden Richtungen unterworfen, als das ganze Christentum dem Jesuitentum ausschliesslich angehört. Nicht in der Verschiedenheit der Autoritäten und Meinungen, sondern in der Erkenntnis Gottes im Herzen finden sich alle "Theosophen" zusammen.

bringt einen „Mann", d. h. ein falsches Schein-Ich, eine

Form des Eigenwillens, die symbolisch als ein „Ochse"

dargestellt ist, um. Das „Lamm" dagegen ist das Symbol

der kindlichen Ergebenheit in das Gute, der Sanftmut und

Geduld. Wer zornig und herrschsüchtig wird, der „tötet

dieses Lamm" und „bricht diesem Kinde den Hals".

E. C. in B. — Die Bibel sagt: „Es ist niemand gut

als Gott." — Es ist daher auch eine vergebliche Mühe,

wenn wir uns abquälen, gut zu sein, ohne an Gott zu

glauben. Es handelt sich nicht darum, dass wir ohne Gott

gut werden, sondern es soll vielmehr der Geist Gottes in

uns lebendig und offenbar werden und zu unserin Bewusst-

sein kommen; dann stellt sich die Güte Gottes in uns von

selber ein, und macht den innern Menschen gut. Aus dieser

innerlichen Güte entspringt dann die Güte des äussern

Menschen und dessen gute Handlungen, während alles

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„Gutsein" ohne diesen Geist nur Selbstverherrlichung, Selbst-

täuschung, Scheinheiligkeit und Selbstbetrug ist.

G. 'W. in H. — Nach meiner Ansicht ist die „alte"

Theosophische Gesellschaft diejenige, welche weder „indisch"

noch „englisch", noch „amerikanisch", noch „deutsch" oder

„böhmisch", sondern allgemein ist, und keiner Partei,

Kirche oder Schule angehört, obgleich jedes einzelne Mit-

glied das Recht hat, denjenigen Weg zu gehen, der ihm

am meisten zusagt. Die von H.P. Blavatsky gegründete T. G.

hat keine andere Vorschrift, als die gegenseitige Toleranz;

sie ist ebensowenig einer der darin bestehenden Richtungen

unterworfen, als das ganze Christentum dem Jesuitentum aus-

schliesslich angehört. Nicht in der Verschiedenheit der

Autoritäten und Meinungen, sondern in der Erkenntnis

Gottes im Heizen finden sich alle „Theosophen„ zusammen.

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— ;8 —

R. S. in K. — Das Buch von Landor mit seinen

angeblichen Abenteuern in Tibet trägt das Zeichen der

Aufschneiderei und Grosssprecherei an der Stirne und ist

R. S. in K. -

Das Buch von Landor mit seinen angeblichen Abenteuern in Tibet trägt das Zeichen der Aufschneiderei und Grosssprecherei an der Stirne . und ist des Lesens nicht wert. Dagegen empfehlen wir Ihnen die "Reisen in Tibet" von Ab b ~ H u c. J. F. in P. - Wir glauben, dass es viel besser wäre, wenn Sie sich bestreben würden, ein Theosoph zu sein, als sich abzumühen, intellektuell zu begreifen, was man unter "Theosophie" versteht. Die Theosophie ist das geistiggöttliche Leben im Menschen selbst, und wir können dazu auf keine andere Weise gelangen, als dass es in uns selber erwacht. Die Theosophie stellt keine Behauptungen auf, streitet sich mit niemandem, stützt sich auf keine Beweise oder Autoritäten, sondern sie ist das Licht der Erkenntnis selbst, das den Verstand des Menschen erleuchtet, vorausgesetzt, dass er dieser Erleuchtung zugänglich ist. Sie ist die eigene Erkenntnis des Wahren, die man niemandem beibringen kann, wenn sie nicht in ihm selber offenbar wird. Sie ist weder dem Spiritismus, noch irgend einem andern Systeme entgegengesetzt: sondern in jedem Systeme ist ein Kern von Wahrheit enthalten, und wer die Wahrheit in seinem eigenen Systeme erkennt, der ist der richtige Theosoph. Die theosophischen Lehren sind keine Dogmen und fordern keinen blinden Glauben. Sie sind wie Ansichtskarten, die man von einer Reise mitbringt. Es giebt dabei nichts zu beweisen. Ob die Darstellung richtig ist oder nicht, findet nur derjenige aus, der selber die Reise macht. M. S. in B. - Die "Blavatsky Loge" der Theo·sophischen Gesellschaft in Deutschland ist kein öffentlicher Verein, sondern eine von dem Verfasser der "Lotusblüthen" gebildete Privatgesellschaft , in welcher nur diejenigen aufgenommen werden können, welche hierzu tauglich' sind. Eine wirkliche "esoterische" Schule kann nur dann gedeihen, wenn zwischen den Mitgliedern geistige Wahlverwandtschaft, Sympathie und Hlirmonie existiert. Sobald eine solche Vereini. gung exoterisch auftritt, hört sie auf esoterisch zu sein.

des Lesens nicht wert. Dagegen empfehlen wir Ihnen die

„Reisen in Tibet" von Abb6 Huc.

J. F. in P. — Wir glauben, dass es viel besser wäre,

wenn Sie sich bestreben würden, ein Theosoph zu sein, als

sich abzumühen, intellektuell zu begreifen, was man unter

„Theosophie" versteht. Die Theosophie ist das geistig-

göttliche Leben im Menschen selbst, und wir können dazu

auf keine andere Weise gelangen, als dass es in uns selber

erwacht. Die Theosophie stellt keine Behauptungen auf,

streitet sich mit niemandem, stützt sich auf keine Beweise

oder Autoritäten, sondern sie ist das Licht der Erkenntnis

selbst, das den Verstand des Menschen erleuchtet, voraus-

gesetzt, dass er dieser Erleuchtung zugänglich ist. Sie ist

die eigene Erkenntnis des Wahren, die man niemandem

beibringen kann, wenn sie nicht in ihm selber offenbar wird.

Sie ist weder dem Spiritismus, noch irgend einem andern

Systeme entgegengesetzt, sondern in jedem Systeme ist ein

Kern von Wahrheit enthalten, und wer die Wahrheit in seinem

eigenen Systeme erkennt, der ist der richtige Theosoph.

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Die theosophischen Lehren sind keine Dogmen und

fordern keinen blinden Glauben. Sie sind wie Ansichts-

karten, die man von einer Reise mitbringt. Es giebt dabei

nichts zu beweisen. Ob die Darstellung richtig ist oder

nicht, findet nur derjenige aus, der selber die Reise macht.

M. S. in B. — Die „Blavatsky Loge" der Theo-

sophischen Gesellschaft in Deutschland ist kein öffentlicher

Verein, sondern eine von dem Verfasser der „Lotusblüthen"

gebildete Privatgesellschaft, in welcher nur diejenigen auf-

genommen werden können, welche hierzu tauglich' sind.

Eine wirkliche „esoterische" Schule kann nur dann gedeihen,

wenn zwischen den Mitgliedern geistige Wahlverwandtschaft,

Sympathie und Harmonie existiert. Sobald eine solche Vereini-

gung exoterisch auftritt, hört sie auf esoterisch zu sein.

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Die Bhagavad Gita

oder

Das Hohe Lied.

(Fortsetzung.)

X.

Vibhuti Yög.

VON DER BETRACHTUNG DER GÖTTLICHEN

VOLLKOMMENHEIT.

1 Vernimm noch weiter, edler I leid, die Lehre,

Die ich dir biete, weil sie dich erfreut,

Und ich den rechten Weg dich führen will.

In ihr sei deine Zuflucht und dein Heil.

2 Die Götter kennen meinen Ursprung nicht,

Und auch die Weisen nicht des Daseins Quelle.

Die Bhagavad Gita

Aus meiner Allmacht kam der Götter Schar;

Ich selber bin der Ursprung aller Weisen.

3 Wer mich den mächt'gen Herrn der Welt erkennt,

oder

Den Ungebor'nen, der ohn' Anfang ist,

Der wandelt sündlos unter Sterblichen,

Das Hohe Lied.

Von Irrtum frei im hohen Glaubenslicht.

Lotusblüthen LXXVII. 6

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(Fortsetzung.)

X. Vibhuti Vog. VON DER BETRACHTU G DER GÖTTLI HE VOLLKOMMENHEIT.

Vernimm noch weiter, edler Held die L hre, Die ich dir biete, weil sie dich erfreut, Und ich den rechten Weg dich führen will. In ihr sei deine Zuflucht und d in Heil. 2 Die Götter kennen meinen Ursprung nicht, Und auch die Weisen nicht de Daseins Quelle. Aus meiner Allmacht kam der Götter Schar; Ich selber bin der Ursprung aller Weisen. 3 Wer mich den mächt'gen Herrn der Welt erkennt, Den Ungebor'nen, der ohn' Anfang ist, Der wandelt sündlos unter Sterblichen, Von Irrtum frei im hohen Glaubenslicht. I

Lotusblüthen LXXVII.

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82

— 82 —

4 Verstand, Erkenntnis, Irrtumslosigkeit,

Geduld und Wahrheit, Selbstbeherrschung, Lust

4 Veffltand, Erkenntnis,

Und Schmerz und Ruhe, Furcht und Mut,

Geburt und Tod, Entstehen und Vergeh'n,

Bescheidenheit und Gleichmut, Güte, Ruhm;

Was immer dem Geschöpf zu eigen ist

Und es erfüllt, das alles stammt aus mir.

6 Die sieben Weisen, die vier Patriarchen,

Und auch die Manus, die mein Wesen trugen,

Der Menschheit Stammeseltern; alle gingen

Aus meines Geistes hoher Kraft hervor.

7 Wer meine Geistesgrösse in sich trägt

Und meine schöpferische Kraft erkennt,

Der ist auch Eins mit mir, in seinem Wesen

Mit mir vereinigt; daran zweifle nicht.

8 Mein Urgedanke schuf das Sternenheer,

Der Götter Himmel und das Reich der Erde;

Der Weise, welcher meine Allmacht kennt,

Ist Eins mit mir und mir in allem gleich.

9 Sein Dasein geht in meinem Dasein auf,

Und ich im seinen; er verherrlicht mich,

Und wird durch mich verklärt. So lebt er frei

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Irrtulll81osigkeit,

Geduld und Wahrheit, Selbstbeherrschung, Lust Und Schmerz und Ruhe, Furcht und Mut, Geburt und Tod, Entstehen und Vergeh'n, 5 Unschuld, Entsagung und Zufriedenheit, Bescheidenheit und Gleichmut" Güte, Ruhm; Was immer dem Geschöpf zu eigen ist Und es erfüllt, das alles stammt aus mir. 6 Die sieben Weisen, die vier Patriarchen, Und auch die Manus, die mein Wesen trugen, Der Menschheit Stammeseltern ; alle gingen Aus meines Geistes hoher Kraft hervor. 7 Wer meine. Geistesgrösse in sich trägt Und meine schöpferische Kraft erkennt, Der ist auch Eins mit mir, in seinem Wesen Mit mir vereinigt; daran zweifle nicht. 8 Mein Urgedanke schuf das Sternenheer, Der Götter Himmel und das Reich der Erde; Der Weise, welcher meine Allmacht kennt, Ist Eins mit mir und mir in allem gleich. 9 Sein Dasein geht in meinem Dasein auf, Und ich im seinen; er verherrlicht mich, Und wird durch mich verklärt. So lebt er frei Von Täuschung in der hohen Wahrheit Licht. 10 Wer mir in Liebe treu ergeben ist, Und mich in Wahrheit ehrfurchtsvoll verehrt, Dem geb' ich gerne meiner Weisheit Kraft,

5 Unschuld, Entsagung und Zufriedenheit,

Von Täuschung in der hohen Wahrheit Licht.

ioWer mir in Liebe treu ergeben ist,

Und mich in Wahrheit ehrfurchtsvoll verehrt,

Dem geb' ich gerne meiner Weisheit Kraft,

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-

— 83 -

Und meine Gnade leitet ihn zu mir.

83

-

ii In seinem Herzen wohnend, bin ich selbst

Und meine Gnade leitet ihn zu mir. 11 In seinem Herzen wohnend, bin ich selbst Der Wahrheit Licht, das daaa seiD eigen ist, Und dessen Kraft die Dunkelheit zerstört, Die aus der Nichterkenntnis Nacht entaprang.

Der Wahrheit Licht, das dann sein eigen ist,

Und dessen Kraft die Dunkelheit zerstört,

Die aus der Nichterkenntnis Nacht entsprang.

Ardschuna.

iz Ja, du bist Parabrahm, das höchste Sein,

Die Zuflucht aller und die Läuterung,

Des Weltalls Geist, der unermesslich ist,

Der Götter Ursprung und der Herr des Himmels.

13 Dies sagen alle Seher, auch Narada,

Vyasa, Asita und Devalas;

Sie alle lehrten es; du lehrst es selbst,

Und was du selber lehrst, muss Wahrheit sein.

Ardschuna.

14 Und dennoch können Götter nicht und Geister,

Noch auch die Engel dein Geheimnis fassen,

Ja, du bist Parabrahm, das höchste Sein, Die Zuflucht aller und die Läuterung, Des Weltalls Geist, der unermesslich ist, Der Götter Ursprung und der Herr des Himmels. 13 Dies sagen alle Seher, auch Naracla, Vyasa, Asita und Devalas; Sie alle lehrten es; du lehrst es selbst, Und was du selber lehrst, muss Wahrheit sein. 14 Und dennoch können Götter ni~ht und Geister, Noch auch die Engel dein Geheimnis fassen, Dein göttlich' Wesen, deine Majestät, Wenn du in eigner Form dich offenbarst. IS Nur du allein erkennst es; du allein, o Gott der Götter, Schöpfer aller Wesen, Des Daseins Ursprung, Quelle alles Lebens Und Herr des Weltalls! Du erkennst dich selbst. 16 Nur du kannst deine Herrlichkeiten künden, Womit du liebevoll das All erfüllst, Die alle Welten durch ihr Dasein preisen, Und ohne welche nkhts vollkommen ist.

Dein göttlich' Wesen, deine Majestät,

J2

Wenn du in eigner Form dich offenbarst.

15Nur du allein erkennst es; du allein,

O Gott der Götter, Schöpfer aller Wesen,

Des Daseins Ursprung, Quelle alles Lebens

Und Herr des Weltalls! Du erkennst dich selbst.

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16 Nur du kannst deine Herrlichkeiten künden,

Womit du liebevoll das All erfüllst,

Die alle Welten durch ihr Dasein preisen,

Und ohne welche nichts vollkommen ist.

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- 84 -

17 Doch wie, o Herr, soll ich dein Selbst erkennen?

In welcher von den ungezählten Formen,

Doch wie, 0 Herr, soll ich dein Selbst erkennen ~ In welcher von den ungezählten Formen, Die Erd' und Himmel und den Weltkreis füllen, Erscheinst du selbst, vollkommen offenbar? 18 Vergebens sinn' ich nach. 0 lehre mir Nun klar und deutlich deine Herrlichkeit Und die Vollkommenheit von deinem Wesen; Denn deiner Weisheit werd' ich niemals satt.

Die Erd' und Himmel und den Weltkreis füllen,

17

Erscheinst du selbst, vollkommen offenbar?

18 Vergebens sinn' ich nach. O lehre mir

Nun klar und deutlich deine Herrlichkeit

Und die Vollkommenheit von deinem Wesen;

Denn deiner Weisheit werd' ich niemals satt.

Krischna.

19 Wohlan! Ich will sie deutlich dir beschreiben;

Doch nenn' ich dir die höchsten Zeichen nur;

Denn meine Fülle ist unendlich gross;

Kein endlich Wesen kann mich ganz erkennen.

20 Ich bin der Geist, der in der Seele Tiefe,

In jedem Wesen unergründlich, wohnt;

Der Dinge Anfang, Mitte und ihr Ende,

Ihr Ursprung, Dasein und ihr Untergang.

21 Ich bin das Wirkende im Reich der Kräfte,1)

Der Sonnenglanz im Himmelssonnenchor,

Krischna. 19 Wohlan! Ich will sie deutlich dir beschreiben j Doch nenn' ich dir die höchsten Zeichen nur; Denn meine Fülle ist unendlich gross; Kein endlich Wesen kann mich ganz erkennen. .20 Ich bin der Geist, der in der Seele Tiefe, In jedem Wesen unergründlich, wohnt; Der Dinge Anfang, Mitte und ihr Ende, Ihr Ursprung, Dasein und ihr Untergang. 21 Ich bin das Wirkende im Reich der Kräfte, 1) Der Sonnenglanz im Himmelssonnenchor, Der Sturmgott, wenn im Raum die Winde brausen, Der helle Mond im nächt'gen Stemenheer. 22 Ich bin das Buch der Lieder in den Veden, In Indra's Himmel bin ich Vasava. 2) Von allen Sinnen bin ich die Empfindung, Und unter Geisteskräften der Verstand.

Der Sturmgott, wenn im Raum die Winde brausen,

Der helle Mond im nächt'gen Sternenheer.

22 Ich bin das Buch der Lieder in den Veden,

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In Indra's Himmel bin ich Vasava.2)

Von allen Sinnen bin ich die Empfindung,

Und unter Geisteskräften der Verstand.

) Logos. Dargestellt durch Vischnu.

') Ein Beiname Indras.

1) Logos. 2,

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Dargestellt durch Vilchnu. Ein Beiname Indras..

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- 85 -

8S

ii Ich bin Shankara1) unter den Zerstörern,

Der Riesen Grösse und der Geister Geist,

Das Feuer unter allem, was da läutert,

Ich bin Shankara 1) unter den Zerstörern, Der Riesen Grösse und der Geister Geist, Das Feuer unter allem, was da läutert, Und unter Bergesgipfeln der Meru.') 24 Bei Priestern bin ich stets der Hohepriester; Von den im Weltall ringenden Gewalten Der Oberfeldherr ; unter den Gewässern Der Ocean, der alle Fluten trinkt. 2S WO Weise sind, bin ich der Sitz der Weisheit, In jedem andachtsvollen Laut das OM, I) Der Himalaya unter den Gebirgen, Und die Erhebung im Gebet der Frommen. 26 Der Baum des Lebens unter allen Bäumen, Und unter den Erleuchteten das Licht, Die Harmonie im Rundgesang der Sphären Und unter Heiligen die Heiligung. 27 Bin Uttschaihsrava unter edlen Rossen, Das Flügelpferd der hohen Poesie; Airavata als Elefantenkönig, ') Und unter Männern höchster Potentat. 28 Ich bin der Blitz in feurigen Geschossen, Und unter "fetten Kühen" die Natur, 5) 23

Und unter Bergesgipfeln der Merü.2)

24 Bei Priestern bin ich stets der Hohepriester;

Von den im Weltall ringenden Gewalten

Der Oberfeldherr; unter den Gewässern

Der Ocean, der alle Fluten trinkt.

25 Wo Weise sind, bin ich der Sitz der Weisheit,

In jedem andachtsvollen Laut das OM, *)

Der Himalaya unter den Gebirgen,

Und die Erhebung im Gebet der Frommen.

26 Der Baum des Lebens unter allen Bäumen,

Und unter den Erleuchteten das Licht,

Die Harmonie im Rundgesang der Sphären

Und unter Heiligen die Heiligung.

27 Bin Uttschaihsrava unter edlen Rossen,

Das Flügelpferd der hohen Poesie;

Airävata als Elefantenkönig,4)

Und unter Männern höchster Potentat.

28 Ich bin der Blitz in feurigen Geschossen,

Und unter „fetten Kühen" die Natur,')

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*) Siva (das Umbildende).

*) Symbol des hohen Glanbens.

») Siehe „Lotusblüthen" Bd. VII, S. 7.

*) Der Elefant ist das Symbol der Weisheit und Grösse.

6) Die Kuh das Symbol der Fruchtbarkeit.

1) Siva (du Umbildende). I) Symbol des hohen Glaubens. I) Siehe "Lotusblüthen" Bei. VII, S. 7. ') Der Elefant ist das Symbol der Weisheit und GrölSe. &) Die Kuh das Symbol der Fruchtbarkeit.

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— 86 —

-

Als Zeugungskraft der holde Liebesgott

86

-

Und unter klugen „Schlangen" Wissbegier.1)

«9 Der Drachenkönig bin ich unter Drachen,

Als Zeugungslaaft der holde Liebesgott Und unter klugen "Schlangen" Wissbegier. 1) 29 Der Drachenkönig bin ich unter Drachen, Als Wassergott der Schöpfer aller Welten, I) Von Stammesältesten der Menschheit Stamm. Und Yama ' ) unter denen, die da richten, 30 In aller Zeitenmessung Ewigkeit, Und unter Zauberkünstlern die Magie, .. Der Löwe unter beutelust'gen Tieren, Der Adler unter allem was das fliegt. 31 Die Freiheit bin ich in dem Reich der Lüfte, Als Gott des Kriegs bin ich das Kriegesglück, Als Wassertiersymbol das Krokodil,~) Und unter Flüssen stellt mich Ganges dar. 6) ]2 Ich bin der Anfang, Mitte und das Ende Der ganzen Welt, ihr Schein sowohl als Sein, Der Weisen Weisheit und der Augen Licht, Das Seh'n der Sehenden, der Sprache Wort. 33 Das A im Alphabet, der Rede Sinn, Das Leben aller Lebenden, die Liebe Der Liebenden, die keine Grenzen hat;

Als Wassergott der Schöpfer aller Welten,1)

Von Stammesältesten der Menschheit Stamm.

Und Yama8) unter denen, die da richten,

30 In aller Zeitenmessung Ewigkeit,

Und unter Zauberkünstlern die Magie,

Der Löwe unter beutelust'gen Tieren,

Der Adler unter allem was das fliegt.

31 Die Freiheit bin ich in dem Reich der Lüfte,

Als Gott des Kriegs bin ich das Kriegesglück,

Als Wassertiersymbol das Krokodil,4)

Und unter Flüssen stellt mich Ganges dar.6)

32 Ich bin der Anfang, Mitte und das Ende

Der ganzen Welt, ihr Schein sowohl als Sein,

Der Weisen Weisheit und der Augen Licht,

Das Seh'n der Sehenden, der Sprache Wort.

33 Das A im Alphabet, der Rede Sinn,

Das Leben aller Lebenden, die Liebe

Der Liebenden, die keine Grenzen hat;

*) Die Schlange Symbol des Wissens.

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*) Das Wasser Symbol des Weltgedankens.

*) Der Richter der Lebendigen und Toten. Symbol der

ewigen Gerechtigkeit.

*) Symbol der Zerstörung und Wiedererneuerung.

*) Symbol des ewigen Lebensstromes und der Unsterb-

lichkeit.

1) Die Schlange Symbol dei Wissens. ') Das Wasser Symbol des Weltgedankens. I) Der Richter der Lebendigen und Toten. Symbol der ewigen Gerechtigkeit. ') Symbol der Zerstörung und Wiederemeuerung. I) Symbol des ewigen Lebenlltromes und der Unslerb. lic:hkeit.

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- 87 -

-

Der Allerschaffer und der Allernährer;

87

-

34 Kein Ding und doch der Ursprung aller Dinge,

Und auch der Tod, das Ende jedes Dings.

Der Allerschaffer und der Allemährer; 34 Kein Ding und doch der Ursprung aller Dinge, Und auch der Tod, das Ende jedes Dings. Als Tugend bin ich die Zufriedenheit, Bescheidenheit, Beredsamkeit, Geduld. 3S Als Hymne bin ich selbst das Hohelied, Als Weihgebet das heil'ge Gayatri, I) Von Monaten der Mond des neuen Lebens, Und holder Frühling in den Jahreszeiten. 36 In des Betrügers Hand das Würfelspiel, Der Glanz in allen Dingen, welche glänzen, Die Güte in den guten Menschenherzen, Der Grossen Grösse und der Sieg der Sieger. 37 Als Vasudeva bin ich Herr des Alls, Und unter Menschen du, Ardschuna, selbst; Als Büsser stellt verkörpert mich Vyasa, Als Dichterfürst der Held Usana dar. 3 8 Ich bin in allem Gott, der Starken Stärke, Der Schönen Schönheit und der Schlauen List, Das Wissen im Verstand der Wissenden, Die Stille, wo das Gottgeheimnis wohnt. 39 In jedem Ding bin ich des Dinges Same, In jeder Kraft die Urkraft aller Kräfte, In jedem Sein der Ursprung alles Seins; Denn ich bin alles; ohne mich ist nichts.

Als Tugend bin ich die Zufriedenheit,

Bescheidenheit, Beredsamkeit, Geduld.

35 Als Hymne bin ich selbst das Hohelied,

Als Weihgebet das heil'ge Gayatri,1)

Von Monaten der Mond des neuen Lebens,

Und holder Frühling in den Jahreszeiten.

36 In des Betrügers Hand das Würfelspiel,

Der Glanz in allen Dingen, welche glänzen,

Die Güte in den guten Menschenherzen,

Der Grossen Grösse und der Sieg der Sieger.

37 Als Vasudeva bin ich Herr des Alls,

Und unter Menschen du, Ardschuna, selbst;

Als Büsser stellt verkörpert mich Vyasa,

Als Dichterfürst der Held Usana dar.

38 Ich bin in allem Gott, der Starken Stärke,

Der Schönen Schönheit und der Schlauen List,

Das Wissen im Verstand der Wissenden,

Die Stille, wo das Gottgeheimnis wohnt.

39 In jedem Ding bin ich des Dinges Same,

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In jeder Kraft die Urkraft aller Kräfte,

In jedem Sein der Ursprung alles Seins;

Denn ich bin alles; ohne mich ist nichts.

*) Siehe „Lotusbliithen" Bd. VII, S. 7.

1) Siebe "Lotusblüthen" Bd. VII, S. 7.

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88

— 88 —

40 Nichts, was da lebt, lebt anders als durch mich,

Und meines Daseins Fülle hat kein Ende.

Unendlich gross ist meine Herrlichkeit;

Doch nur ein Teil davon ist hier erwähnt.

41 Und wo ein Ding in seinen Eigenschaften

Dir herrlich scheint, da bin ich selbst in ihm.

Das, was es herrlich scheinen lässt, ist nur

Der Wiederschein von meiner Herrlichkeit.

42 Allein wozu, Ardschuna, weit'res Forschen?

Ich bin in allen Dingen nur ich selbst,

Doch ging aus meinem Selbst das ganze All

Als Offenbarung meiner Selbst hervor.

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(Fortsetzung folgt.)

40 Nichts,

was da lebt, lebt anders als durch mich, Und meines Daseins Fülle hat kein Ende. Unendlich gross ist meine Herrlichkeit; Doch nur ein Teil davon ist hier erwähnt. 4 1 Und wo ein Ding in seinen Eigenschaften Dir herrlich scheint, da bin ich selbst in ihm. Das, was es herrlich scheinen lässt, ist nur Der Wiederschein von meiner Herrlichkeit. 4 2 Allein wozu, Ardschuna, weit'res Forschen? .Ich bin in allen Dingen nur ich selbst, Doch ging aus meinem Selbst das ganze All Als Offenbarung meiner Selbst hervor. (Fortsetzung folgt.)

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Manuskripte für Freimaurer.

Von Kerning.

(Fortsetzung.)

Johannes.

In der Weltgeschichte bist du. Dort sucht

dich die Welt und findet dich in einem Kleide

von Kamelhaaren. Wo suchen wir dich, oder

wo sollten wir dich suchen?

Zu einem Musiker kam einst ein Mann und

sprach: „Deine Sache hat keinen guten Grund,

denn Apollo, dein Patron, dein Gott, hat keine

geschichtliche Wahrheit. Du kannst mir zwar

einwenden, das kümmere dich nicht, weil Apollo

Manuskripte für Freimaurer.

seinen Wohnsitz im Olymp habe, und über der

Weltgeschichte dem Reiche der Unsterblich-

lichkeit angehöre. Allein diese Einwendung

Von Keming.

macht deine Sache um nichts besser, weil der

Olymp samt seinen Göttern schon längst ver-

schwunden ist."

(Fortseuung.)

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Johannes. In der Weltgeschichte bist du. Dort sucht dich die Welt und findet dich in einem Kleide von Kamelhaaren. Wo suchen wir dich, oder wo sollten wir dich suchen? Zu einem Musiker kam einst ein Mann und sprach: "Deine Sache hat keinen guten Grund, denn Apollo, dein Patron, dein Gott, hat keine geschichtliche Wahrheit. Du kannst mir zwar einwenden, das kümmere dich nicht, weil Apollo seinen Wohnsitz im Olymp habe, und über der Weltgeschichte dem Reiche der Unsterblichlichkeit angehöre. Allein diese Einwendung macht deine Sache um nichts besser, weil der Olymp samt seinen Göttern schon längst verschwunden ist."

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— po —

Der Musiker, durch diese Anrede nichts

weniger als erschreckt, erwiederte: „Wenn

Apollo keine geschichtliche Person ist, so hat

Der Musiker, durch diese Anrede nichts weniger als erschreckt, erwiederte: "Wenn Apollo keine geschichtliche Person ist, so hat das nichts auf sich. Ebensowenig, dass der Olymp verschwunden ist. Mag die Geschichte fehlen, mögen die mythischen Personen untergehen, Apollo bleibt doch in seiner vollen ungetrübten Schönheit. Du zweifelst? Wohl, so höre den T on dieser Flöte." Er ergriff seine Flöte und blies darauf. "Diese Tonkraft," fuhr er fort, "diese Fülle, diese Harmonie, diese Tonreihen, dieser Zauber und diese Bewegung, all dies zusammen ist Apollo! Was kümmert mich der Olymp, was die Geschichte, wenn ich den Gott der Töne in meinem Instrumente habe, der, solange ich meinem Beruf mit Fleiss und Sorgfalt obliege, mir immer neue Wohlthaten gewähren wird." Der Mann konnte über den Gott in der Flöte nicht klug werden und verliess den Musiker als einen unverbesserlichen Menschen, welchem die Sache mehr am Herzen liegt, als Geschichte und Mythe. Wenn nun einer zu uns käme und spräche: "Johannes hat keinen geschichtlichen Wert, und von einem Himmel, wo er wohnte, kann keine Rede sein, weil seine Existenz ja nicht

das nichts auf sich. Ebensowenig, dass der

Olymp verschwunden ist. Mag die Geschichte

fehlen, mögen die mythischen Personen unter-

gehen, Apollo bleibt doch in seiner vollen

ungetrübten Schönheit. Du zweifelst? Wohl,

so höre den Ton dieser Flöte." Er ergriff

seine Flöte und blies darauf. „Diese Tonkraft,"

fuhr er fort, „diese Fülle, diese Harmonie, diese

Tonreihen, dieser Zauber und diese Bewegung,

all dies zusammen ist Apollo! Was kümmert

mich der Olymp, was die Geschichte, wenn ich

den Gott der Töne in meinem Instrumente

habe, der, solange ich meinem Beruf mit Fleiss

und Sorgfalt obliege, mir immer neue Wohl-

thaten gewähren wird."

Der Mann konnte über den Gott in der

Flöte nicht klug werden und verliess den Mu-

siker als einen unverbesserlichen Menschen,

welchem die Sache mehr am Herzen liegt, als

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Geschichte und Mythe.

Wenn nun einer zu uns käme und spräche:

„Johannes hat keinen geschichtlichen Wert,

und von einem Himmel, wo er wohnte, kann

keine Rede sein, weil seine Existenz ja nicht

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— gi —

-

einmal recht klar ist, warum feiert ihr nun ein

Fest, dem alle Bedeutung und aller Grund

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fehlt? Was würden wir einem solchen Frager

einmal recht klar ist, warum feiert ihr nun ein Fest, dem alle Bedeutung und aller Grund fehlt? Was würden wir einem solchen Frager antworten? Wie? Wo? Auf welchem Instrumente würden wir ihm unsern Johannes zeigen, der da ist und bleibt, wenn auch die Geschichte untergeht und der Himmel seinen Schein verliert?" Ewige Wahrheit! Komm und hilf mir einiges sagen, das die Finsternis besiege und die Herzen mit einem Strahl deines Lichtes erleuchte! Es ist etwas, das gefunden werden kann, wenn wir ernstlich suchen, ein neues Reich, ein inneres Licht, das wir mit offenen Augen suchen. Ein Wahrzeichen des Menschen in seinem Innern, das sich dem Tiermenschen verschliesst, das der Aussenwelt fremd ist, das keine Gelehrsamkeit ergründet, keine Scholastik lehren kann. Dieses Licht, dieses Reich, dieses Wahrzeichen ist Johannes. Unsere deutsche Sprache ist Ursprache, von keiner andern abstammend, aus des Menschen Innerstem entquollen; sie spricht es deutlich aus, was wahres Erkennen und was auswendig Gelerntes ist. Auswendig lernen ist malen auf die Haut des Menschen. Die Zeit

antworten? Wie? Wo? Auf welchem Instru-

mente würden wir ihm unsern Johannes zeigen,

der da ist und bleibt, wenn auch die Geschichte

untergeht und der Himmel seinen Schein

verliert?"

Ewige Wahrheit! Komm und hilf mir einiges

sagen, das die Finsternis besiege und die

Herzen mit einem Strahl deines Lichtes er-

leuchte!

Es ist etwas, das gefunden werden kann,

wenn wir ernstlich suchen, ein neues Reich,

ein inneres Licht, das wir mit offenen Augen

suchen. Ein Wahrzeichen des Menschen in

seinem Innern, das sich dem Tiermenschen

verschliesst, das der Aussenwelt fremd ist, das

keine Gelehrsamkeit ergründet, keine Scholastik

lehren kann. Dieses Licht, dieses Reich, dieses

Wahrzeichen ist Johannes.

Unsere deutsche Sprache ist Ursprache,

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von keiner andern abstammend, aus des Men-

schen Innerstem entquollen; sie spricht es

deutlich aus, was wahres Erkennen und was

auswendig Gelerntes ist. Auswendig lernen ist

malen auf die Haut des Menschen. Die Zeit

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streift aber die Haut ab, giebt eine andere,

und das auf die Haut hin Gelernte ist ver-

gessen.

streift aber die Haut ab, giebt eine andere, und das auf die Haut hin Gelernte ist vergessen. Abschreiben, auswendiglemen, auf sich hinmalen, an sich hinkleben ist das Bestreben dessen, der seinen Begierden, Leidenschaften und Trieben lebt; sogar die Gefühle der Freundschaft, der Liebe, der Geselligkeit sind an äussere Formen hingeheftet. Wir sehen deshalb nirgends Selbständigkeit und Treue; die Gefühle wechseln wie die Jahreszeiten, und Versprechen und Schwüre befestigen natürliche Bündnisse nicht mehr. Auswendig lernt der Mensch alles, sich selbst sogar zuletzt, und wem es vergönnt wäre, einen solchen auswendig gelernten Menschen zu sehen, in allen seinen Gebilden, wie die Gewürme des Neides, des Hasses, des Ehrgeizes, der Ruhmsucht, der Furcht, der Unbeständigkeit u. s. w., vermischt mit der Liebe des Lebens, mit dem Wunsche nach Tugend und Wahrheit, mit allen seinen guten und bösen Eigenschaften, auf seiner Haut herumlaiechen und sich jetzt in das Leben des Menschen einbohren , dann wieder sich nach aussen kehren, dem wäre das Bild von Sais nicht mehr fremd, und .er würde sich nicht wundem, dass der Beschauer desselben halb

Abschreiben, auswendiglernen, auf sich hin-

malen, an sich hinkleben ist das Bestreben

dessen, der seinen Begierden, Leidenschaften

und Trieben lebt; sogar die Gefühle der Freund-

schaft, der Liebe, der Geselligkeit sind an

äussere Formen hingeheftet. Wir sehen des-

halb nirgends Selbständigkeit und Treue; die

Gefühle wechseln wie die Jahreszeiten, und Ver-

sprechen und Schwüre befestigen natürliche

Bündnisse nicht mehr. Auswendig lernt der

Mensch alles, sich selbst sogar zuletzt, und

wem es vergönnt wäre, einen solchen auswendig

gelernten Menschen zu sehen, in allen seinen

Gebilden, wie die Gewürme des Neides, des

Hasses, des Ehrgeizes, der Ruhmsucht, der

Furcht, der Unbeständigkeit u. s. w., vermischt

mit der Liebe des Lebens, mit dem Wunsche

nach Tugend und Wahrheit, mit allen seinen

guten und bösen Eigenschaften, auf seiner

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Haut herumkriechen und sich jetzt in das Leben

des Menschen einbohren, dann wieder sich

nach aussen kehren, dem wäre das Bild von

Sais nicht mehr fremd, und er würde sich nicht

wundern, dass der Beschauer desselben halb

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vernichtet vor ihm lag und nachher keine

fröhliche Stunde mehr hatte.

Herrliche Gestalt des Menschen, die sich

v.ernichtet vor ihm lag und nachher keine fröhliche Stunde mehr hatte. Herrliche Gestalt des Menschen, die sich von aussen schon in so manchen Kräften entwickeln und solche sich aneignen kann; erhabener Tempel t dessen Ringmauern schon weit über das Tierwesen hinausreichen, wie wird es erst in deinem Innern sein! Im Innem der Flöte giebt Apollo sich zu erkennen. Der Mensch ist ein lebendiges Instrument, in dessen Innem die Kräfte des Lebens, die Eigenschaften Johannis zu erkennen sind. Oder sollte wohl der Mensch, weil er das vollkommenste Geschöpf ist, eine Ausnahme bilden, .er ailein an seiner Haut kleben, während alle andern Gefässe, alle Steine und Pflanzen, sogar im Innersten ihr Wesen bewahren? Wer lehrt den Hund bellen und wachen und seinen Herrn begleiten? Etwa die Schule anderer Hunde? Nein; sein Inneres. In ihm tönt das Gebell und tritt, sein Organ sich bildend nach aussen. Von wem hat die Nachtigall ihren Gesang, der Löwe sein Brüllen, und die Blume auf dem Felde ihre Farbe? Aus dem Innern kommt alles, ans dem Samen, aus dem Kern. Sollte der Mensch hierin verkürzt sein und nichts Ursprüngliches haben?

von aussen schon in so manchen Kräften ent-

wickeln und solche sich aneignen kann; er-

habener Tempel, dessen Ringmauern schon

weit über das Tierwesen hinausreichen, wie

wird es erst in deinem Innern sein!

Im Innern der Flöte giebt Apollo sich zu

erkennen. Der Mensch ist ein lebendiges In-

strument, in dessen Innern die Kräfte des Lebens,

die Eigenschaften Johannis zu erkennen sind.

Oder sollte wohl der Mensch, weil er das

vollkommenste Geschöpf ist, eine Ausnahme,

bilden, .er allein an seiner Haut kleben, während

alle andern Gefässe, alle Steine und Pflanzen,

sogar im Innersten ihr Wesen bewahren?

Wer lehrt den Hund bellen und wachen und

seinen Herrn begleiten? Etwa die Schule an-

derer Hunde? Nein, sein Inneres. In ihm tönt

das Gebell und tritt, sein Organ sich bildend,

nach aussen. Von wem hat die Nachtigall ihren

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Gesang, der Löwe sein Brüllen, und die Blume

auf dem Felde ihre Farbe? Aus dem Innern

kommt alles, aus dem Samen, aus dem Kern.

Sollte der Mensch hierin verkürzt sein und

nichts Ursprüngliches haben?

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Wenn wir die gesellschaftliche Ordnung

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um uns her betrachten, so könnte man wirklich

Wenn wir die gesellschaftliche Ordnung um uns her betrachten, so könnte man wirklich in Versuchung kommen, zu denken, es müsse der Mensch wirklich zu kurz gekommen sein. Wohl uns, dass es nicht also ist! Johannes, dieser Sohn der Wüste, unangefochten von den Lehrsystemen seiner Zeit, unverdorbenen Gefühls und Denkens, unberührt von dem schändlichen Gift der Konvenienz, hat die Natur empfinden lernen, sein Inneres bereitet für höhere Eindrücke, es zum Leben gebracht, den Geist des Schöpfers empfangen,. ihn in sich wachsen und reifen lassen, und so tritt er auf als Repräsentant seiner errungenen Kraft, ruft die Sünder zur Busse, verkündet das neue Reich, und wird Symbol und Sache zugleich, indem seine Stimme in der Wüste ertönt, von wenigen vernommen und von noch wenigeren erkannt. Was würden wir nach diesem dem obigen Frager antworten? Nichts anderes als: Johannes ist die Stimme' in der Wüste. Wir wollen die Wüste urbar machen, und ihm, wie der Flötenspieler den Apollo in der Flöte, den Johannes in den Früchten unseres Geistes zeigen. Ziel des Menschen, und so nahe, und doch so seIten gefunden!

in Versuchung kommen, zu denken, es müsse

der Mensch wirklich zu kurz gekommen sein.

Wohl uns, dass es nicht also ist! Johannes,

dieser Sohn der Wüste, unangefochten von den

Lehrsystemen seiner Zeit, unverdorbenen Ge-

fühls und Denkens, unberührt von dem schänd-

lichen Gift der Konvenienz, hat die Natur

empfinden lernen, sein Inneres bereitet für

höhere Eindrücke, es zum Leben gebracht,

den Geist des Schöpfers empfangen, ihn in sich

wachsen und reifen lassen, und so tritt er auf

als Repräsentant seiner errungenen Kraft, ruft

die Sünder zur Busse, verkündet das neue

Reich, und wird Symbol und Sache zugleich,

indem seine Stimme in der Wüste ertönt, von

wenigen vernommen und von noch wenigeren

erkannt.

Was würden wir nach diesem dem obigen

Frager antworten? Nichts anderes als: Johannes

ist die Stimme in der Wüste. Wir wollen die

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Wüste urbar machen, und ihm, wie der Flöten-

spieler den Apollo in der Flöte, den Johannes

in den Früchten unseres Geistes zeigen.

Ziel des Menschen, und so nahe, und doch

so selten gefunden!

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Warum? Weil das Innere um auswendig

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Gelerntes verkauft, und gleichsam der Himmel

Warum? Weil das Innere um auswendig Gelerntes verkauft, und gleichsam der Himmel um vergänglichen Tand verschachert wird. Den Geist empfangen, getauft werden mit dem Geist, mit innerem Wasser, mit Lebenskraft, ist angebomes Ziel, ist Bestimmung des Menschen, ist seine Reife, sein Leben. Wenn der Apfel nicht reif wird, so ist er zu allem untauglich. Aus der reifen Traube nur kann Wein gewonnen werden. In der Reife jeden Dinges offenbart sich sein Geist. Der Geist des Menschen kann nur im Licht der Wahrheit reifen und sich offenbaren. Der Mensch hat einen äusseren und einen inneren Geist. Der äussere lernt auswendig, der innere denkt eigene Gedanken. Der Mensch hat eine äUl'sere und eine innere Stimme. Die äussere verhallt in der Luft, die innere ist ewig im Reiche des Lebens. Der Mensch hat äussere und innere Sinne. Die äusseren horchen und schauen nach aussen, im Reiche der Verwandlung; die inneren suchen Töne und Lichter des Lebens. Der Mensch hat äussere und innere Gefühle. Nach aussen fühlt er den Druck der Elemente, die Anmassungen des rohen Sinnenmenschen; innen fühlt er die Berührungen des Ewigen

um vergänglichen Tand verschachert wird.

Den Geist empfangen, getauft werden mit

dem Geist, mit innerem Wasser, mit Lebens-

kraft, ist angebornes Ziel, ist Bestimmung des

Menschen, ist seine Reife, sein Leben.

Wenn der Apfel nicht reif wird, so ist er

zu allem untauglich. Aus der reifen Traube

nur kann Wein gewonnen werden. In der

Reife jeden Dinges offenbart sich sein Geist.

Der Geist des Menschen kann nur im Licht

der Wahrheit reifen und sich offenbaren.

Der Mensch hat einen äusseren und einen

inneren Geist. Der äussere lernt auswendig,

der innere denkt eigene Gedanken.

Der Mensch hat eine äussere und eine

innere Stimme. Die äussere verhallt in der

Luft, die innere ist ewig im Reiche des Lebens.

Der Mensch hat äussere und innere Sinne.

Die äusseren horchen und schauen nach aussen,

im Reiche der Verwandlung; die inneren suchen

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Töne und Lichter des Lebens.

Der Mensch hat äussere und innere Gefühle.

Nach aussen fühlt er den Druck der Elemente,

die Anmassungen des rohen Sinnenmenschen;

innen fühlt er die Berührungen des Ewigen

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und macht sich wieder neu durch die Ein-

wirkung der Unschuld und Liebe.

Nicht das Gefäss, der Wein hat den Wert;

und macht sich wieder neu durch die Einwirkung der Unschuld und Liebe. Nicht das Gefass, der Wein hat den Wert; nicht die Masse des Weines erquickt uns, sondern der Geist, welcher in der Masse ist. Drei haben wir bei der alltäglichen Erscheinung des Lebens: Gefass, Masse und Geist. Das Gefass kann uns nichts nützen; auch die Masse nicht, wenn der Geist nicht gqt ist. Sei das Gefass auch noch so schön, der Wein wird um nichts besser. Hinein dringt alles, was gut ist; nach aussen strebt der Tod. Weil er kein bleibendes Leben hat, sucht er die Momente zu benützen. Das wahre Leben braucht keine Momente, weil es sich selbst hat und aus ihm die Formen für Raum und Zeit hervorgehen. Unendliches ist ewig; Kleines hat Mass und Gewicht; man kann es noch zählen und wägen. Das Wissen, welches noch klassifiziert werden kann, ist Anfangsbuchstabe, ist Eintritt nur in die Wissenswelt. Wo kein eigenes Wissen ist, da ist Strohfeuer, welches keine Dauer hat. Das Wissen ist das Leben des Menschen. Wenn das Gefühl sich zur Erkenntnis erhebt, dann leuchtet das Licht des Himmels.

nicht die Masse des Weines erquickt uns, son-

dern der Geist, welcher in der Masse ist.

Drei haben wir bei der alltäglichen Er-

scheinung des Lebens: Gefäss, Masse und Geist.

Das Gefäss kann uns nichts nützen; auch

die Masse nicht, wenn der Geist nicht gut ist.

Sei das Gefäss auch noch so schön, der

Wein wird um nichts besser.

Hinein dringt alles, was gut ist; nach aussen

strebt der Tod. Weil er kein bleibendes Leben

hat, sucht er die Momente zu benützen.

Das wahre Leben braucht keine Momente,

weil es sich selbst hat und aus ihm die Formen

für Raum und Zeit hervorgehen.

Unendliches ist ewig; Kleines hat Mass und

Gewicht; man kann es noch zählen und wägen.

Das Wissen, welches noch klassifiziert werden

kann, ist Anfangsbuchstabe, ist Eintritt nur in

die Wissenswelt.

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Wo kein eigenes Wissen ist, da ist Stroh-

feuer, welches keine Dauer hat. Das Wissen

ist das Leben des Menschen. Wenn das Ge-

fühl sich zur Erkenntnis erhebt, dann leuchtet

das Licht des Himmels.

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Nicht das Wissen, womit wir einige Gefühle

benennen, und dadurch zu erkennen wähnen,

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ist das geistige Wissen. Nein, das Gefühl muss

Nicht das Wissen, womit wir einige Geftihle benennen, und dadurch zu erkennen wähnen, ist das geistige Wissen. Nein, das Gefühl musa in sich selbst die Sprache erschaffen, und sich erkenntlich machen. Erst wenn die Gefühle sich nicht mehr verwirren und jedes im reinen Bewusstsein strahlt, 1st Freiheit des Lebens. Goldene Freiheit, komm! Gieb uns den Sinn des Lebens! Erhabener Sinn, Erkenntnis des Lebens, erwache in uns! Der 'Geist ist das ewige Gesetz. Unter dem Gesetz muss alles stehen, was ist und atmet. In .der Erkenntnis ist das siegende Leben. Johannes, du bist! Du bist das Reich des innem Schauens, Fühlens, Hörens und Wissens! Lehre uns den Anfang machen in deiner erhabenen königlichen Kunst! Lasse uns deine Töne vernehmen, aus welchen das Leben quillt! Deine Laute sind die wahre Taufe; sie sind die Vorbereitung zur höheren Meisterschaft, sie bereiten dem Herrn den Weg. Urkraft! Urkräfte! Erkennen, Lieben und Wollen, werdet wach in uns, damit wir in den Tempel gelangen.

in sich selbst die Sprache erschaffen, und sich

erkenntlich machen.

Erst wenn die Gefühle sich nicht mehr ver-

wirren und jedes im reinen Bewusstsein strahlt,

ist Freiheit des Lebens.

Goldene Freiheit, komm! Gieb uns den

Sinn des Lebens!

Erhabener Sinn, Erkenntnis des Lebens,

erwache in uns!

Der Geist ist das ewige Gesetz. Unter dem

Gesetz muss alles stehen, was ist und atmet.

In der Erkenntnis ist das siegende Leben.

Johannes, du bist! Du bist das Reich des

innern Schauens, Fühlens, Hörens und Wissens!

Lehre uns den Anfang machen in deiner

erhabenen königlichen Kunst! Lasse uns deine

Töne vernehmen, aus welchen das Leben quillt!

Deine Laute sind die wahre Taufe; sie sind

die Vorbereitung zur höheren Meisterschaft, sie

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bereiten dem Herrn den Weg.

Urkraft! Urkräfte! Erkennen, Lieben und

Wollen, werdet wach in uns, damit wir in den

Tempel gelangen.

Lotusblüthen LXXVII.

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Lotuablilthcu LXXVII.

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Ein neues Reich ist aufgegangen, das Reich

des Lebens.

Ein neues Reich ist aufgegangen, das Reich des Lebens. Nicht einerlei ist es, das Leben an sich tragen, oder das Leben haben. Der trägt das Leben, dem es von aussen zufliegt, wie Wärme oder Kälte, oder wie das Licht, dessen Docht zu Ende gehen kann. Der hat das Leben, der in sich es wollen kann und überall und unter allen Umständen Docht und Brennstoff für sein Leben findet. Es ist ein Insichziehen und ein Vonsichstossen in dem Reich der Schöpfung. Das Insichziehen hat innere Kraft; das Vonsichstossen ist zwar auch durch Kraft nur möglich, aber diese schwächt sich selbst und wird ihr eigener Mörder. Nicht alles, was sich bewegt, hat das Leben schon in sich; es trägt dasselbe nur und dient ihm zum Sammeln. Durch Sammeln gewinnen wir. Wer das Rechte sammelt, der hat es auch. Denn darin, dass das Gesammelte tüchtig ist, wird viel gethan. Wer nun noch die Kraft zu behalten sucht, stets zu sammeln lernt, der hat den Sieg. Im Glück ist Lebensstoff, sowie im Unglück. Überall ist Reibung, .um das Leben zu reizen, es in Thätigkeit zu bringen, um es zu stärken.

Nicht einerlei ist es, das Leben an sich

tragen, oder das Leben haben. Der trägt das

Leben, dem es von aussen zufliegt, wie Wärme

oder Kälte, oder wie das Licht, dessen Docht

zu Ende gehen kann. Der hat das Leben,

der in sich es wollen kann und überall und

unter allen Umständen Docht und Brennstoff

für sein Leben findet.

Es ist ein Insichziehen und ein Vonsich-

stossen in dem Reich der Schöpfung. Das

Insichziehen hat innere Kraft; das Vonsich-

stossen ist zwar auch durch Kraft nur möglich,

aber diese schwächt sich selbst und wird ihr

eigener Mörder.

Nicht alles, was sich bewegt, hat das Leben

schon in sich; es trägt dasselbe nur und dient

ihm zum Sammeln.

Durch Sammeln gewinnen wir. Wer das

Rechte sammelt, der hat es auch. Denn darin,

dass das Gesammelte tüchtig ist, wird viel gethan.

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Wer nun noch die Kraft zu behalten sucht,

stets zu sammeln lernt, der hat den Sieg.

Im Glück ist Lebensstoff, sowie im Unglück.

Überall ist Reibung, um das Leben zu reizen,

es in Thätigkeit zu bringen, um es zu stärken.

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Wer im Glück sich überhebt und meint,

er habe schon genug, dessen Docht brennt

aus, oft ehe er's sich versieht.

Wer im Glück den Geist noch sucht und

zu Johannes in die Wüste wandelt, dem wird

das Glück zur Lehre.

Wer im Unglück standhaft bleibt, und der

inneren Kraft, der Kraft Johannis traut, der

übt sich in höherem Vertrauen, er entzieht

sich dem Staub, und übergiebt sich dem, der

alle Sprachen kennt, der alle Zungen spricht,

vor dem kein Geheimnis ist, der, wenn es uns

zum Nutzen ist, mit Hilfe naht.

Der reine Geist ist Herr der Materie, die

Materie ist nie Herr des Geistes.

Der Geist wirkt immerdar. Für uns aber

wirkt er nur dann, wenn wir seine Wirksamkeit

suchen, sie fühlen und erkennen lernen.

Wer den Geist und seine Kräfte glaubt, hat

etwas; wer den Geist in deutlicher Berührung

empfindet, der hat noch mehr; wer ihn er-

kennt und hört, der hat das Allerhöchste.

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Reich Johannis, es ist in dir ein neues Leben,

das in allen Beziehungen thätig sein kann! —

Warum suchen dich so wenige? Sogar deine

Jünger verschwatzen deinen Himmel und gehen

in der Welt umher um nichtige Dinge. Sie

r*

Wer im Glück sich überhebt und meint, er habe schon genug, dessen Docht brennt aus, oft ehe er's sich versieht. Wer im Glück den Geist noch sucht und zu Johannes in die Wüste wandelt, dem wird das Glück zur Lehre. Wer im Unglück standhaft bleibt, und der inneren Kraft, der Kraft Johannis traut, der übt sich in höherem Vertrauen, er entzieht sich dem Staub, und übergiebt sich dem, der alle Sprachen kennt, der alle Zungen spricht, vor dem kein Geheimnis ist, der, wenn es uns zum Nutzen ist, mit Hilfe naht. Der reine Geist ist Herr der Materie, die Materie ist nie Herr des Geistes. Der Geist wirkt immerdar. Für uns aber wirkt er nur dann, wenn wir seine Wirksamkeit suchen, sie fühlen und erkennen lernen. Wer den Geist und seine Kräfte glaubt, hat etwas; wer den Geist in deutlicher Berührung empfindet, der hat noch mehr; wer ihn erkennt und hört, der hat das Allerhöchste. Reich Johannis, es ist in dir ein neues Leben, das in allen Beziehungen thätig sein kann! Warum suchen dich so wenige? Sogar deine Jünger verschwatzen deinen Himmel und gehen in der Welt umher um nichtige Dinge. Sie ".

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helfen allen, nur sich selbst nicht; sie lehren

alle, nur sich selbst nicht; sie bessern alle, nur

helfen allen, nur sich selbst nicht; sie lehren alle, nur sich selbst nicht; sie bessern alle, nur sich selbst nicht; sie kennen die Fehler aller Stände, aller Nationen, aller Menschen, nur die eigenen nicht. Sie rufen "Finsterling" ganz .altklug um sich her, und sind doch selbst im Finstern. Sie lehren Religion, und üben sie selten aus. Sie sprechen viel darüber und wissen nicht, woher sie stammt. - Die Religionsstifter sind ihnen noch wie den anderen tief verschlossene Rätsel. Sie tadeln jeden Prunk und jede Form in Glaubenslehren; in ihrem Tempel stehen und sitzen, essen und trinken, horchen und sprechen sie im gegebenen Ceremoniel. Sie sind im Widerspruch. Sie tadeln an an1eren, was sie selbst thun; sie kritisieren an anderen, was sie in ihren eigenen Angelegenheiten nicht wissen. Sie kennen deine Zeichen, deine Worte, deine Formen nicht, und richten andere, die sie, gleich ihnen, nicht kennen. Ein geübter Rechner steht unter einem Haufen Unwissender und spricht mit ihnen von den Mysterien der Rechnungskunst. Was kann das frommen? Sie sperren Mund und Nase auf; was aber Rechnen sei, wissen sie doch nicht; sie sollen rechnen lernen, dann brauchen sie keine Erklärung.

sich selbst nicht; sie kennen die Fehler aller

Stände, aller Nationen, aller Menschen, nur die

eigenen nicht. Sie rufen „Finsterling" ganz

altklug um sich her, und sind doch selbst im

Finstern. Sie lehren Religion, und üben sie

selten aus. Sie sprechen viel darüber und

wissen nicht, woher sie stammt. — Die Reli-

gionsstifter sind ihnen noch wie den anderen

tief verschlossene Rätsel. Sie tadeln jeden

Prunk und jede Form in Glaubenslehren; in

ihrem Tempel stehen und sitzen, essen und

trinken, horchen und sprechen sie im gegebenen

Ceremoniel. Sie sind im Widerspruch. Sie

tadeln an anderen, was sie selbst thun; sie

kritisieren an anderen, was sie in ihren eigenen

Angelegenheiten nicht wissen. Sie kennen deine

Zeichen, deine Worte, deine Formen nicht, und

richten andere, die sie, gleich ihnen, nicht kennen.

Ein geübter Rechner steht unter einem

Haufen Unwissender und spricht mit ihnen von

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den Mysterien der Rechnungskunst. Was kann

das frommen? Sie sperren Mund und Nase auf;

was aber Rechnen sei, wissen sie doch nicht;

sie sollen rechnen lernen, dann brauchen sie

keine Erklärung.

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— IOI —

Das Reich Johannis mufs gefunden werden,

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dann lehrt sich Maurerei von selbst, dann spricht

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man davon, was man ferner zu leisten noch im

stande sein werde; so wie der Künstler nicht

Das Reich Johannis murs gefunden werden, dann lehrt sich Maurerei von selbst, dann spricht man davon, was man ferner zu leisten noch im stande sein werde; so wie der Künstler nicht zu fragen braucht, worin seine Kunst bestehe, er untersucht nur noch, wie weit seine Fähigkeit darin reiche und wie hoch er es treiben könne. Reich Johannis, du musst uns werden, sonst bleibt das Leben uns verschlossen, wie dem Tauben das Reich der Töne. Königskunst, dich müssen wir erkennen, wenn uns nicht alles fehlen soll. Dich müssen wir ausüben lernen. Denn zu wissen, dass es Töne giebt in reiner Atmosphäre, macht den Musiker nicht aus, und ebensowenig reicht es hin, wenn wir bloss wissen, dass es ein Reich des Lebens giebt, wenn wir nicht darin wohnen. Reich des Lebens, schliesse dich uns auf, damit wir aus deinen Strömen trinken können und in deiner Sonne wandeln! Innerste Kraft der Natur, komm uns zu Hilfe und sprenge die Schale, die eitle Weltklugheit um uns gewunden! Innerste Sehkraft, öffne dich, dringe hervor, zerreisse die Bande, die Schlangenlist und rohe

zu fragen braucht, worin seine Kunst bestehe,

er untersucht nur noch, wie weit seine Fähig-

keit darin reiche und wie hoch er es treiben

könne.

Reich Johannis, du musst uns werden, sonst

bleibt das Leben uns verschlossen, wie dem

Tauben das Reich der Töne.

Königskunst, dich müssen wir erkennen,

wenn uns nicht alles fehlen soll. Dich müssen

wir ausüben lernen. Denn zu wissen, dass es

Töne giebt in reiner Atmosphäre, macht den

Musiker nicht aus, und ebensowenig reicht es

hin, wenn wir bloss wissen, dass es ein Reich

des Lebens giebt, wenn wir nicht darin

wohnen.

Reich des Lebens, schliesse dich uns auf,

damit wir aus deinen Strömen trinken können

und in deiner Sonne wandeln!

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Innerste Kraft der Natur, komm uns zu Hilfe

und sprenge die Schale, die eitle Weltklugheit

um uns gewunden!

Innerste Sehkraft, öffne dich, dringe hervor,

zerreisse die Bande, die Schlangenlist und rohe

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— 102 —

Sinnlichkeit um dich geschlungen, damit wir

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die Herrlichkeit des Lebens schauen lernen!

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Öffne die Thüre des Lebens, des heiligsten

Sinnlichkeit um dich geschlungen, damit Wll" die Herrlichkeit des Lebens schauen lernen! Öffne die Thüre des Lebens, des heiligsten Tempels! Lasse uns vQr deinem leuchtenden Altar den Bund der Treue beschwören für Zeit und Ewigkeit. Amen!

Tempels! Lasse uns vor deinem leuchtenden

Altar den Bund der Treue beschwören für

Zeit und Ewigkeit. Amen!

(Fortsetzung folgt.)

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(Fortsetzung folgt.)

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Die Lehren

des

Philippus Theophrastus Bombast von

Hohenheim genannt Paracelsus.

Zweiter Teil.

Medizin.

(Fortsetzung.)

„Ab er über diesem allen ist ein unsicht-

~ I'···:" ., . llllrLH'

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barer Leib im Menschen, der ist nicht in die

drei Substanzen gesetzt, und ist dem Arzte

nicht unterworfen. Dieser (himmlische) Mensch

hat seinen Ursprung aus dem Einhauchen (der

Seele) von Gott, und wie ein Hauch in unsern

Händen ein Nichts ist, so ist auch dieser himm-

lische Leib für uns nicht sinnlich erkennbar.

Die Lehren

Der Arzt aber sollte die beiden Leiber im

Menschen erkennen, den natürlichen und jenen,

der aus dem Worte Gottes gemacht ist und

des

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nicht aus dem Gestirn, damit der Mensch

Philippus Theophrastus Bombast von Hohenheim genannt Paracelsus. Zweiter Teil.

M e d i z i n. (Fortsetzung.)

"Aber über diesem allen ist ein unsichtbarer Leib im Menschen, der ist nicht in die drei Substanzen gesetzt, und ist dem Arzte nicht unterworfen. Dieser (himmlische) Mensch hat seinen Ursprung aus dem Einhauchen (der Seele) von Gott, und wie ein Hauch in unsern Händen ein Nichts ist, so ist auch dieser himmlische Leib für uns nicht sinnlich erkennbar. Der Arzt aber sollte die heiden Leiber im Menschen erkennen, den natürlichen und jenen, der aus dem Worte Gottes gemacht ist und nicht aus dem Gestirn, damit der Mensch

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— ich —

bewährt werde in Ja und Nein, im Guten und

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-

Bösen und erkenne, wie lieblich ihm Gott sei,

bewährt werde in Ja und Nein, im Guten und Bösen und erkenne, wie lieblich ihm Gott sei, und wie er sich an ihn halten soll. Diese beiden Leiber sind auf Erden miteinander verbunden wie durch einen Ehebund, und der unbegreifliche Leib hat versprochen, den natürlichen nicht (mit VeWiuchungen) zu überladen oder über sein Mass zu treiben. Mehr davon hier anzuzeigen gebührt mir nicht." 1).

und wie er sich an ihn halten soll. Diese

beiden Leiber sind auf Erden miteinander ver-

bunden wie durch einen Ehebund, und der

unbegreifliche Leib hat versprochen, den natür-

lichen nicht (mit Versuchungen) zu überladen

oder über sein Mass zu treiben. Mehr davon

hier anzuzeigen gebührt mir nicht."1)

2. Vom Lebensprinzip (Archaeus).

Der kurzsichtige und oberflächliche Beob-

achter sieht die Bewegungen und Lebens-

erscheinungen der Geschöpfe, und er bezeichnet

diese Thätigkeit, deren Ursache er nicht kennt,

als das „Leben". Der Eingeweihte sieht und

erkennt, dass diese Thätigkeit nicht das Leben

selbst, sondern nur die Äusserung eines ver-

borgenen Lebensprinzips ist. Der Okkultist geht

noch weiter, und er erkennt das ganze Leben

in der Natur als eine Wiederspiegelung des

Geistes Gottes im Weltall.

Dieses Lebensprinzip ist in allen Dingen

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enthalten und ist der Archaeus oder die

2.

*) De Tribus primis Snbstantiis. Paramir

Vom Lebensprinzip (Archaeus).

Lib. II, p. 139.

Der kurzsichtige und oberflächliche Beobachter sieht die Bewegungen und Lebenserscheinungen der Geschöpfe, und er bezeichnet diese Thätigkeit, deren Ursache er nicht kennt, als das "Leben". Der Eingeweihte sieht und erkennt, dass diese Thätigkeit nicht das Leben selbst, sondern nur die Äusserung eines veroorgenen Lebensprinzips ist. Der Okkultist geht noch weiter, und er erkennt das ganze Leben in der Natur als eine Wiederspiegelung des Geistes Gottes im Weltall. Dieses Lebensprinzip ist in allen Dingen enthalten und ist der Archaeus oder die 1) De Tribus primis Sabstantiis. Lib. n, p. 139.

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Paramir

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organisierende Kraft in der Natur und in jedem

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einzelnen Organismus.1) Paracelsus sagt:

„Der Spiritus vitae (Lebensgeist) ist ein

organisierende Kraft in der Natur und in jedem einzelnen Organismus. 1) Paracelsus sagt: "Der Spiritus vitae (Lebensgeist) ist ein Geist, der da liegt in allen Teilen des Körpers, wie sie auch genannt Jerden, und ist in allen gleich der eine Geist, die eine Kraft, in einem wie im andern, und das höchste Kom des Lebens, aus dem alle Glieder leben. Im Herzen bewegt er das Herz, in der Leber giebt er der Leber die Stärke u. s. w. In allen Organen ist der Spiritus vitae dasjenige, was den Organen ihre Lebensfähigkeit giebt." ')

Geist, der da liegt in allen Teilen des Körpers,

wie sie auch genannt werden, und ist in allen

gleich der eine Geist, die eine Kraft, in einem

wie im andern, und das höchste Korn des

Lebens, aus dem alle Glieder leben. Im Herzen

bewegt er das Herz, in der Leber giebt er der

Leber die Stärke u. s. w. In allen Organen ist

der Spiritus vitae dasjenige, was den Organen

ihre Lebensfähigkeit giebt."2)

1) Die indische Philosophie bezeichnet das geistige

Leben als „Jiva" und dessen Wiederspiel in der Natur

ab „Prana". Von letzterem beschreibt sie fünf Modifika-

tionen, nämlich:

Prana, das vorwärtsstrebende Leben.

Udäna, das aufsteigende Leben.

Samäna, das bindende Leben.

Vyana, das austeilende Leben.

Apäna, das abwärtsstrebende Leben.

Siehe Sankaracharya „Tattwa Bodha".

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2) Dies wird von denjenigen nicht begriffen, welche

infolge ihrer verkehrten Weltanschauung sich einbilden,

dass das Leben ein Produkt der Formen sei, während doch

die Vernunft uns lehrt, dass alle Formen in der Natur Pro-

dukte der formenbildenden Kraft in der Natur sind. Darin

aber unterscheidet sich die höhere Wissenschaft von der

1) Die indische Philosophie bezeichnet das geistige

niederen, dass die erstere den Geist und die letztere nur

die Erscheinungen kennt.

Leben als "Jiva " und dessen Wiederspiel in der Natur ab "Prana CI. Von letzterem beschreibt sie fdnf Modifika. tionen, nämlich: Pr an a, das vorwärtsstrebende Leben. Ud An a, das aufsteigende Leben. Sam Ana, das bindende Leben. Vy a n a, das austeilende Leben. A p ä n a, das abwärtsstrebende Leben. Siehe Sankaracharya "Tattwa Bodha".

I) Dies wird von denjenigen nicht begriffen, welche infolge ihrer verkehrten Weltanschauung sich einbilden, dus das Leben ein Produkt der Formen sei, während doch die Vernunft uns lehrt, dass alle Formen in der Natar Produkte der formenbildenden Kraft in der Natur sind. Darin aber unterscheidet sich die höhere Wissenschaft von der niederen, dass die erstere den Geist und die letztere Dar die Erscheinungen kennt.

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Das Centrum und die Quelle der Lebens-

kraft in unserm Sonnensystem ist die Sonne;

die Centraiwerkstätte der Lebenskraft im tieri-

Das Centrum und die Quelle der Lebenskraft in unserm Sonnensystem ist die Sonne; die Centralwerkstätte der Lebenskraft im tierischen Körper ist das Herz. 1) Der von der Sonne ausstrahlende Lebensgeist dringt auf verschiedenen. Wegen, insbesondere durch die Lunge, in den menschlichen Körper ein. "Er ist im Gehirn sowohl als im Fleische, und geht darin aus und ein, durch die pia und dura mater, er ist im Leeren sowohl als im Vollen. Der Spiritus Vitae ist den Einflüssen von oben unterworfen, und so wie sich der Leib von der Erde nährt, so nährt er sich vom Einflusse der Sonne, und wenn in einem Organe die Lebensthätigkeit gehemmt wird, so folgt Krankheit und Tod." Er giebt allen Organen ihre Stärke, und wo seiner Tbätigkeit kein Hindernis im Wege ist, da erfolgt diese Stärkung von selbst. "Das Herz begehrt nichts anderes, als seine Stärkung, d. h. dass ihm dasienige weggenommen wird, womit es beladen ist. Und ein jeder Arzt soll mehr auf das äussere Herz bedacht sein, als auf das innere.

schen Körper ist das Herz.1) Der von der

Sonne ausstrahlende Lebensgeist dringt auf

verschiedenen Wegen, insbesondere durch die

Lunge, in den menschlichen Körper ein. „Er

ist im Gehirn sowohl als im Fleische, und geht

darin aus und ein, durch die pia und dura

mater, er ist im Leeren sowohl als im Vollen.

Der Spiritus Vitae ist den Einflüssen von

oben unterworfen, und so wie sich der Leib

von der Erde nährt, so nährt er sich vom Ein-

flusse der Sonne, und wenn in einem Organe

die Lebensthätigkeit gehemmt wird, so folgt

Krankheit und Tod." Er giebt allen Organen

ihre Stärke, und wo seiner Thätigkeit kein

Hindernis im Wege ist, da erfolgt diese Stär-

kung von selbst. „Das Herz begehrt nichts

anderes, als seine Stärkung, d. h. dass ihm das-

jenige weggenommen wird, womit es beladen

ist. Und ein jeder Arzt soll mehr auf das

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äussere Herz bedacht sein, als auf das innere.

*) Die Sonne ist das Herz unseres Planetensystems und

hat eine dem menschlichen Herzen ähnliche Pulsation. Ein

Pulsschlag der Sonne dauert ungefähr n Jahre. Siehe

H. P. Blavatsky, „Geheimlehre" I, 591.

1) Die Sonne ist das Herz unseres Planetensystems und hat eine dem menschlichen Herzen ähnliche Pulsation. Ein Pulsschlag der Sonne dauert ungefahr I 1 Jahre. Siehe H. P. Blavatsky, "Geheimlehre" I, 591.

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Das innere ist dem Arzt nicht unterworfen." ')

„Also sind auch zwei Gehirne, ein äusseres

und ein inneres. Dem innern sein Wesen ist

Das innere ist dem Arzt nicht unterworfen." I) "Also sind auch zwei Gehirne, ein äusseres und ein inneres. Dem innem sein Wesen ist nicht zu ändern; so es aber überfallen wird mit dem, das ihm nicht zugehört, so soll dasselbe durch das Hirn, welches Gott in die Kreatur gegeben hat, ausgetrieben werden. So begehret auch die innerliche Leber die äussere Leber zu ihrer Not. Die Leber an sich ist wie ein Geist; das fleischliche Organ im Körper, welches diesen Namen trägt, ist nur ein Glied des Leibes, an dem (abgesehen von dem Geiste, der dieselbe belebt) nichts liegt." So verhält es sich auch mit den übrigen Organen.

nicht zu ändern; so es aber überfallen wird

mit dem, das ihm nicht zugehört, so soll das-

selbe durch das Hirn, welches Gott in die

Kreatur gegeben hat, ausgetrieben werden.

So begehret auch die innerliche Leber die

äussere Leber zu ihrer Not. Die Leber an sich

ist wie ein Geist; das fleischliche Organ im

Körper, welches diesen Namen trägt, ist nur

ein Glied des Leibes, an dem (abgesehen von

dem Geiste, der dieselbe belebt) nichts liegt."

So verhält es sich auch mit den übrigen

Organen.

') Dies, wie vieles andere, deutet darauf hin, dass

Paracelsus bedacht war, durch den Geist auf das Gemüt und

den Körper heilend einzuwirken. Dies bezeugen auch seine

alchemischen Rezepte, wie z. B. folgendes:

Recipe: Den besten Crocum, cohabiers im besten

Aqua Vitae, das den Boden nicht berührt, in

panno molli, cum sigillo Hermetis; das auf 12 Male,

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so wird aus dem Crocus ein Öl, gar eines mächtigen

Geschmacks. Davon gieb einen Tropfen in Vino Vitae

das ist des Herzens summa laetitia (höchste Seligkeit),

den alten und Kranken, Melancholischen und Schwer-

mütigen." („De Viribus Membrorum" p. 6.) Es ist

hier schwerlich von gewöhnlichem Safran und Branntwein

die Rede.

1) Dies, wie vieles andere, deutet darauf hin, dass Paracelsus bedacht war, durch den Geist auf das Gemüt und den Körper heilend einzuwirken. Dies bezeugen auch seine alchemischen Rezepte, wie z. B. folgendes: Recipe: Den besten Crocum, cohabien im besten Aqua Vitae, das den Boden nicht berUhrt, in panno molli, cum sigillo Hermetis; das auf 12 Male, 10 wird aus dem Crocus ein 01, gar eines mächtigen Geschmacks. Davon gieb einen Tropfen in Vi n 0 Vi t a e das ist des Herzens summa laetitia (höchste Seligkeit), den alten und Kranken, Melancholischen und Schwermütigen." ("De Viribus Membrorum" p.6.) Es ist hier schwerlich von gewöhnlichem Safran und Branntwein die Rede.

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Das Leben selbst und der Vorgang der

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-

Lebensthätigkeit sind zwei verschiedene Dinge.

Das eine ist ein Prinzip, das andere dessen

Das Leben selbst und der Vorgang der Lebensthätigkeit sind zwei verschiedene Dinge. Das eine ist ein Prinzip, das andere des'sen Offenbarung. Das Leben ist etwas Himmlisches, an sich selbst ewig und unvergänglich, und ein Ausfluss der Gottheit; das Lebendigsein eines Dinges ist durch die Gegenwart des Lebensprinzips in diesem Dinge bedingt, und während das Leben selbst untödlich ist, sind die Formen, in denen es seine Thätigkeit äussert, beständigen Veränderungen unterworfen. Das Leben ist der Baumeister (Archaeus), der die drei Substanzen miteinander verbindet und die Materie organisiert; die drei Substanzen sind das Material, aus denen das Gebäude gebildet wird. Es wird schwerlich jemand so thöricht sein, zu glauben, dass Paracelsus die Chemie in der Medizin verwerfen wolle, da er doch selbst der erste war, der eine rationelle Anwendung derselben darin eingeführt hat; aber auch unter den scheinbar leblosen chemischen Substanzen würden keine Reaktionen eintreten, wenn nicht das Lebensprinzip in ihnen enthalten wäre. Durch das Vorhandensein dieses Prinzipes ist jedes Ding mit einer geistigen (dem Hellsehenden sichtbaren) Sphäre oder Au r a umgeben, und durch diese wirken sowohl die

Offenbarung. Das Leben ist etwas Himmlisches,

an sich selbst ewig und unvergänglich, und ein

Ausfluss der Gottheit; das Lebendigsein eines

Dinges ist durch die Gegenwart des Lebens-

prinzips in diesem Dinge bedingt, und während

das Leben selbst untödlich ist, sind die Formen,

in denen es seine Thätigkeit äussert, beständi-

gen Veränderungen unterworfen. Das Leben

ist der Baumeister (Archaeus), der die drei

Substanzen miteinander verbindet und die Ma-

terie organisiert; die drei Substanzen sind das

Material, aus denen das Gebäude gebildet wird.

Es wird schwerlich jemand so thöricht sein,

zu glauben, dass Paracelsus die Chemie in der

Medizin verwerfen wolle, da er doch selbst der

erste war, der eine rationelle Anwendung der-

selben darin eingeführt hat; aber auch unter

den scheinbar leblosen chemischen Substanzen

würden keine Reaktionen eintreten, wenn nicht

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das Lebensprinzip in ihnen enthalten wäre.

Durch das Vorhandensein dieses Prinzipes ist

jedes Ding mit einer geistigen (dem Hell-

sehenden sichtbaren) Sphäre oder Aura um-

geben, und durch diese wirken sowohl die

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log

Atome der chemischen Substanzen, als auch

Pflanzen, Tiere, Menschen und geistige Wesen

aufeinander ein.1)

Atome der chemischen Substanzen t als auch Pflanzen, Tiere, Menschen und geistige Wesen aufeinander ein. t ) Der Lebensgeist ist aber nicht eine nur mechanisch wirkende, sondern eine geistige Kraft, in welcher, wie schon von Plato beschrieben wurde, die Ideen aller Dinge enthalten sind, und in diesem Sinne wird sie der "Archaeus" oder die organisierende Kraft der Natur im Makrokosmos und Mikrokosmos genannt, und was der Chemie ohne die Einwirkung der Lebenskraft nicht möglich ist, nämlich das Aufbauen eines neuen Organismus, das geschieht durch diesen Archaeus. "Der ist gleich dem Menschen, und ist die Kraft in den vier Elementen, und macht aus dem Samen einen Baum und richtet ihn auf." ') Wenn die Natur der Menschen sich so veredeln und vergeistigen würde, dass sie mit klarem Verstand in das Innere der Natur sehen, oder, wie Paracelsus sagt, "im Lichte der Natur

Der Lebensgeist ist aber nicht eine nur

mechanisch wirkende, sondern eine geistige

Kraft, in welcher, wie schon von Plato be-

schrieben wurde, die Ideen aller Dinge ent-

halten sind, und in diesem Sinne wird sie der

„Archaeus" oder die organisierende Kraft der

Natur im Makrokosmos und Mikrokosmos ge-

nannt, und was der Chemie ohne die Einwirkung

der Lebenskraft nicht möglich ist, nämlich das

Aufbauen eines neuen Organismus, das geschieht

durch diesen Archaeus. „Der ist gleich dem

Menschen, und ist die Kraft in den vier Ele-

menten, und macht aus dem Samen einen Baum

und richtet ihn auf."2)

Wenn die Natur der Menschen sich so ver-

edeln und vergeistigen würde, dass sie mit

klarem Verstand in das Innere der Natur sehen,

oder, wie Paracelsus sagt, „im Lichte der Natur

*) Die neuesten Forschungen ergaben, dass bei sehr

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hohen Kältegraden alle chemischen Reaktionen aufhören;

dies ist durch das Verschwinden der Aura infolge der sich

nach dem Innern zuruckziehenden Ausstrahlungen zu er-

klären.

') Vol. III p. 22.

1) Die neuesten Forschungen ergaben, dass bei sehr hohen Kältegraden alle chemischen Reaktionen aafhöreni dies ist durch das Verschwinden der Aura infolge der sich nach dem Innern zarUcbiehenden Aaastrahlangcn zu erkllren. ') Vol m p. 22.

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— HO —

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sehen lernen" würden, so würden sie auch nicht

mehr bloss die Erscheinungen des Stoffes und

sehen lernen" würden, so würden sie auch nicht mehr bloss die Erscheinungen des Stoffes und dessen Veränderungen, aus welchen sie auf die darin wirkenden Kräfte Schlüsse ziehen, sondern das in den Formen wirkende Leben selbst erkennen. Auf diese innerliche Erkenntnis, die allerdings nicht jedermanns Sache ist, ist die medizinische Kunst des Paracelsus gegründet, und geht folglich, wie er selbst sagt, nicht aus der Spekulation, sondern aus der Offenbarung der Wahrheit im Innern des Menschen hervor. "Aber wir sind von Christus (der Gotteserkenntnis) gefallen, und laufen den Körpern nach," und anstatt nach der Weisheit Gottes zu suchen, die unsern Verstand erleuchten kann, bilden wir uns ein, dass wir mit unserm eigenen Wissen alles vermögen, und Gott in uns nichts weiss. So erscheint uns denn, solange wir selbst wie tot und gottlos sind, auch die Welt als ein gottloses und geistloses Ding, bis dass, wenn in uns selbst das geistige göttliche Leben erwacht, wir durch dessen Geist auch das geistige Leben und Gott in allen Dingen erkennen. I)

dessen Veränderungen, aus welchen sie auf die

darin wirkenden Kräfte Schlüsse ziehen, sondern

das in den Formen wirkende Leben selbst er-

kennen. Auf diese innerliche Erkenntnis, die

allerdings nicht jedermanns Sache ist, ist die

medizinische Kunst des Paracelsus gegründet,

und geht folglich, wie er selbst sagt, nicht aus

der Spekulation, sondern aus der Offen-

barung der Wahrheit im Innern des Men-

schen hervor. „Aber wir sind von Christus

(der Gotteserkenntnis) gefallen, und laufen den

Körpern nach," und anstatt nach der Weisheit

Gottes zu suchen, die unsern Verstand erleuchten

kann, bilden wir uns ein, dass wir mit unserm

eigenen Wissen alles vermögen, und Gott in

uns nichts weiss. So erscheint uns denn, so-

lange wir selbst wie tot und gottlos sind, auch

die Welt als ein gottloses und geistloses Ding,

bis dass, wenn in uns selbst das geistige gött-

liche Leben erwacht, wir durch dessen Geist

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auch das geistige Leben und Gott in allen

Dingen erkennen.1)

*) „De morbis in visibilibus." — Dies ist nicht

so aufzufassen, als ob wir das menschliche Wissen und

Forschen verachten und uns, was allerdings sehr bequem

-----_.

1) "De morbis invisibilibul." -

Dies ist nicht so aufzufassen, als ob wir das menschliche Wissen und Forschen verachten und uns, was allerdings sehr bequem

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— III —

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„Die Natur lehret alle Dinge, und was sie

nicht kann, das erwirbt sie vom heiligen Geist,

"Die Natur lehret alle Dinge, und was sie nicht kann, das erwirbt sie vom heiligen Geist, der sie lehrt, und die Natur und der heilige Geist sind eins, d. h. täglich ist die Natur ein Licht aus dem heiligen Geist und lernet von ihm, und also kommt die Erkenntnis dem Menschen gleich einem, der vom Schlafe erwacht." 1) "W er den Sohn Gottes hat, der hat das Leben, wer ihn nicht hat, der hat das Leben nicht. " ') Wer den Geist der Erkenntnis in sich hat, der wird auch das Leben· des Geistes in der Natur erkennen; wer ihn nicht hat, und sich daher nicht über das Reich des Sinnlichen zur wahren Erkenntnis emporschwingen kann, der ist für die Erkenntnis des Geistes nicht reif, und wir haben ihm nichts zu beweisen.

der sie lehrt, und die Natur und der heilige

Geist sind eins, d. h. täglich ist die Natur ein

Licht aus dem heiligen Geist und lernet von

ihm, und also kommt die Erkenntnis dem Men-

schen gleich einem, der vom Schlafe erwacht."1)

„Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben,

wer ihn nicht hat, der hat das Leben nicht."2)

Wer den Geist der Erkenntnis in sich hat, der

wird auch das Leben des Geistes in der Natur

erkennen; wer ihn nicht hat, und sich daher

nicht über das Reich des Sinnlichen zur wahren

Erkenntnis emporschwingen kann, der ist für

die Erkenntnis des Geistes nicht reif, und wir

haben ihm nichts zu beweisen.

3. Der Astralkörper.

Der Träger der Lebenskraft während des

irdischen Lebens ist der Astralkörper. In ihm

wäre, der Träumerei, Schwärmerei und stillen Beschaulich-

keit hingeben sollten. Das Ringen nach wahrer Erkenntnis

und die Hingebung an mystische Schwärmerei sind zwei

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entgegengesetzte Dinge. Das eine führt uns zum Lichte,

die andere in das Dunkel des Aberglaubens und in das

Reich der Täuschung und Phantasie.

*) De Fundamente- Sapientiae. Fragm.

*) I. Johannes V, 12.

3. Der Astralkörper. Der Träger der Lebenskraft während des irdischen Lebens ist der Astralkörper. In ihm wäre, der Träumerei, Schwärmerei und stillen Beschaulichkeit hingeben sollten. Das Ringen nach wahrer Erkenntnis und die Hingebung an mystische Schwärmerei sind zwei entgegengesetzte Dinge. Das eine führt uns zum Lichte, die andere in das Dunkel des Aberglaubens und in du Reich der Täuschung und Phantasie. 1) De Fundamento Sapientiae. Fragm. ') I. Johannea V, 12.

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— 112 —

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sind alle Organe, wie im physischen Körper

vorhanden, und durch diese wird die Lebens-

thätigkeit der fleischlichen Organe vermittelt.

sind alle Organe, wie im physischen Körper vorhanden, und durch diese wird die Lebensthätigkeit der fleischlichen Organe vermittelt. Während nun die modeme Medizin nur die grobmateriellen Organe kennt, und deshalb auch derselben nur mit grobmateriellen, chemisch oder mechanisch wirkenden Mitteln beizukommen sucht, ist die Heilmethode des Paracelsus darauf gerichtet, durch den Geist der Pflanzen u. s. w. auf die Astralmaterie, und durch diese auf die physischen Organe einzuwirken. "Denn im Spiritus liegt die Arznei, und nicht im Leib, denn Leib und Spiritus sind zweierlei." 1) "Der Mensch ist in zwei Teile gesetzt; sichtbar und unsichtbar. Was der sichtbare Körper thut, das sieht man; aber dies ist nur die halbe Arbeit; die andere halbe sieht man nicht; diese vollbringt der unsichtbare Körper. So baut auch ein Zimmermann ein Haus aus zwei Körpern auf; erst unsichtbar als Bild (in seiner Vorstellung) und dann mit sichtbarem Material, augenscheinlich; und wie der Zimmermann kein sichtbares Haus bauen kann, wenn er kein sichtbares Material dazu hat, so bedarf

Während nun die moderne Medizin nur die

grobmateriellen Organe kennt, und deshalb

auch derselben nur mit grobmateriellen, che-

misch oder mechanisch wirkenden Mitteln bei-

zukommen sucht, ist die Heilmethode des

Paracelsus darauf gerichtet, durch den Geist

der Pflanzen u. s. w. auf die Astralmaterie, und

durch diese auf die physischen Organe ein-

zuwirken. „Denn im Spiritus liegt die Arznei,

und nicht im Leib, denn Leib und Spiritus

sind zweierlei."1)

„Der Mensch ist in zwei Teile gesetzt;

sichtbar und unsichtbar. Was der sichtbare

Körper thut, das sieht man; aber dies ist nur

die halbe Arbeit; die andere halbe sieht man

nicht; diese vollbringt der unsichtbare Körper.

So baut auch ein Zimmermann ein Haus aus

zwei Körpern auf; erst unsichtbar als Bild (in

seiner Vorstellung) und dann mit sichtbarem

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Material, augenscheinlich; und wie der Zimmer-

mann kein sichtbares Haus bauen kann, wenn

er kein sichtbares Material dazu hat, so bedarf

') „Labyrinthns Medicorum" p. 231.

1) "Labyrinthus Medicorum" p.

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-

auch der unsichtbare Körper der groben Materie,

113

um einen sichtbaren Körper zu bauen."1)

„In jeder Beziehung ist der unsichtbare Leib

auch der unsichtbare Körper der groben Materie, um einen sichtbaren Körper zu bauen." 1) "In jeder Beziehung ist der unsichtbare Leib so wie der sichtbare beschaffen, und jeder der beiden kommt aus dem Limbus. Der eine ist irdisch, der andere himmlisch, und jeder wirkt auf seine Art Dem irdischen ist Befehl gegeben zu bauen und die Hände zu gebrauchen; was aber der unsichtbare Leib vollbringt, ist wie der Schatten vom Leib; beide aber sind zusammen ein Mensch." I) Von einem andem Standpunkte betrachtet, ist der innerliche Mensch der wirkliche Leib, und der äusserIiche Körper sein Schatten; die Künste, welche der innerliche Mensch versteht, führt der äusserlicbe materielle Mensch, insoweit es seine Beschaffenheit zulässt, körperlich aus. "Er ist gleichsam ein verborgener Mensch, den der sichtbare Körper verbirgt. Er ist der inwendige Schatten, aber er hat Substanz, Greiflichkeil und Empfindlichkeit, und des ganzen Leibes Glieder Einbildung, Wesen und Natur, und ist das Edelste im ganzen Leib und im Menschen, wiewohl er die Seele nicht hat und sein Leben

so wie der sichtbare beschaffen, und jeder der

beiden kommt aus dem Limbus. Der eine

ist irdisch, der andere himmlisch, und jeder

wirkt auf seine Art. Dem irdischen ist Befehl

gegeben zu bauen und die Hände zu ge-

brauchen; was aber der unsichtbare Leib voll-

bringt, ist wie der Schatten vom Leib; beide

aber sind zusammen ein Mensch."2) Von einem

andern Standpunkte betrachtet, ist der inner-

liche Mensch der wirkliche Leib, und der äusser-

liche Körper sein Schatten; die Künste, welche

der innerliche Mensch versteht, führt der äusser-

liche materielle Mensch, insoweit es seine Be-

schaffenheit zulässt, körperlich aus. „Er ist

gleichsam ein verborgener Mensch, den der

sichtbare Körper verbirgt. Er ist der inwendige

Schatten, aber er hat Substanz, Greiflichkeit

und Empfindlichkeit, und des ganzen Leibes

Glieder Einbildung, Wesen und Natur, und ist

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das Edelste im ganzen Leib und im Menschen,

wiewohl er die Seele nicht hat und sein Leben

*) „De Morbis Invisibilis" p. 271.

») Ibid. p. 281.

Lotusblüthen LXXVII. I

1) "De Morbis Invisibilis" P.27 1 . ') Ibid. p. 28 I. Lotusblüthell LXXVU.

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— H4 —

114

vom Leib erhält und nichts von ihm selbst.

Er ist wie jemand, der sich im Spiegel sieht."

vom Leib erhält und nichts von ihm selbst. Er ist wie jemand, der sich im Spiegel sieht." 1) Während nun der physische Körper äusserlichen, mechanisch und chemisch wirkenden Einflüssen unterworfen ist, empfängt der Astral.. körper geistige Einflüsse und die Eindrücke des Gemütes, und die in ihm hervorgerufenen Zustände übertragen sich auf den materiellen Leib. So rufen z. B. Zorn, Furcht, Begierde und andere Gemütserregungen gewisse Strömungen in den Lebensäth~rn des Astralkörpers hervor. Diese verursachen Nervenerregungen, diese Blutwallungen, Kongestionen, Entzündungen u. s. w.') Der persönliche Mensch ist eine Erscheinung, welche gewisse Eigenschaften besitzt. Wenn sich diese Eigenschaften ändern, so ändert sich damit auch die Persönlichkeit; eine Eigenschaft, die ihn beherrscht, ist in ihm personifiziert. So kann man z. B. einen von Zorn besessenen Menschen als ein Wesen betrachten, in dem der Geist des Zornes persoQ1-

Während nun der physische Körper äusser-

lichen, mechanisch und chemisch wirkenden

Einflüssen unterworfen ist, empfängt der Astral-

körper geistige Einflüsse und die Eindrücke des

Gemütes, und die in ihm hervorgerufenen

Zustände übertragen sich auf den materiellen

Leib. So rufen z. B. Zorn, Furcht, Begierde

und andere Gemütserregungen gewisse Strö-

mungen in den Lebensäthern des Astralkörpers

hervor. Diese verursachen Nervenerregungen,

diese Blutwallungen, Kongestionen, Entzün-

dungen u. s. w.2) Der persönliche Mensch ist

eine Erscheinung, welche gewisse Eigenschaften

besitzt. Wenn sich diese Eigenschaften ändern,

so ändert sich damit auch die Persönlichkeit;

eine Eigenschaft, die ihn beherrscht, ist in ihm

personifiziert. So kann man z. B. einen von

Zorn besessenen Menschen als ein Wesen be-

trachten, in dem der Geist des Zornes personi-

*) „Von der Gebärung des Menschen" S. 344. —

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Diese Beschreibung entspricht derjenigen des „Lebens-

körpers" (Pranamaya Koscha) von Sankaracharya. —

„Tattwa Bodha" S. 28.

*) „Über die Physiologie des Astralkörpers"

siehe „Lotusblüthen" Bd. II, S. 797.

I} "Von der Gebärung des Menschen" S.344. Diele Beschreibung entspricht derjenigen des "Lebenskörpers" (Pranamaya Koscha) Ton Sankaracharya. "Tattwa Bodha" S. 28. ') "üb er die Physi ologie des Astralkörpers " siehe "LotusbUlthen" Bd. ll, S. 797.

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fiziert ist; einen mit Kleptomanie behafteten

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als einen Menschen, in dem die Stehlsucht zu

fiziert ist; einen mit Kleptomanie behafteten als einen Menschen, in dem die 5tehlsucht zu seinem Wesen geworden, und der dadurch in einen Dieb verwandelt wurde. Ähnlich verhält es sich mit konstitutionellen Krankheiten, von denen jede als ein Zustand, der im Menschen Gestalt angenommen hat, betrachtet werden kann. "Weil der Mensch zweifach ist, ein Teil (der materielle) der Erde und des Wassers, der andere (der Astralkörper) des Feuers und der Luft, so folgt daraus, dass die übernatürliche Krankheit in dem einen Teil, dass ist im Geiste, an sich nehme die Ursprünge und nicht in dem andern. So wisset, dass eine jegliche Lust, Begierde, Wille, Verhängnis des Menschen, wenn dies in seinem Gedächtnisse, Phantasie oder Imagination geschieht, ein Corpus in ihm macht, gleichwie ihr beim Zorn seht; der macht einen Leib, d. i. er wächst in einem Leib, und so auch eine jede andere Willensform im Menschen, Hass, Lüge, Fluchen, Betrug, Geiz u. s. w. Dies sind alles Dinge, die der halbe Mensch macht, und die aus dem halben kommen, ihm anhängen und in ihm liegen, seien sie gut oder böse; und ein jedes so geborene Corpus behält seine Krankheit (Zustand) und will von

seinem Wesen geworden, und der dadurch in

einen Dieb verwandelt wurde. Ähnlich verhält

es sich mit konstitutionellen Krankheiten, von

denen jede als ein Zustand, der im Menschen

Gestalt angenommen hat, betrachtet werden

kann.

„Weil der Mensch zweifach ist, ein Teil

(der materielle) der Erde und des Wassers,

der andere (der Astralkörper) des Feuers und

der Luft, so folgt daraus, dass die übernatür-

liche Krankheit in dem einen Teil, dass ist im

Geiste, an sich nehme die Ursprünge und nicht

in dem andern. So wisset, dass eine jegliche

Lust, Begierde, Wille, Verhängnis des Menschen,

wenn dies in seinem Gedächtnisse, Phantasie

oder Imagination geschieht, ein Corpus in ihm

macht, gleichwie ihr beim Zorn seht; der macht

einen Leib, d. i. er wächst in einem Leib, und

so auch eine jede andere Willensform im Men-

schen, Hass, Lüge, Fluchen, Betrug, Geiz u. s. w.

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Dies sind alles Dinge, die der halbe Mensch

macht, und die aus dem halben kommen, ihm

anhängen und in ihm liegen, seien sie gut oder

böse; und ein jedes so geborene Corpus be-

hält seine Krankheit (Zustand) und will von

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ihm nicht lassen. So werden die geistigen

Kräfte leiblich, wachsen und vergiften den

Leib."1) So ist dann die so personifizierte

ihm nicht lassen. So werden die geistigen Kräfte leiblich, wachsen und vergiften den Leib." 1) So ist dann die so personifizierte Eigenschaft gleichsam ein "Ich" im Menschen, dessen Wesen der betreffende Zustand ist, und das davon nicht lassen will, da dies die Vernichtung dieses Ich's wäre, und jedem "Ich" der Wille zum Dasein innewohnt." ') Aber der Mensch, welcher die Kraft der Weisheit besitzt, ist diesen Einflüssen nicht unterworfen. "Diese Weisheit, die der Mensch haben soll, ist nicht von der Erde, noch von der oberen Hemisphäre (der Spekulation), sondern aus dem fünften Wesen (dem Selbstbewusstsein). So der Mensch in dieser Weisheit lebt, so ist derselbe ein Meister des Gestirns und aller Planeten. Ein solcher wird ein Magus genannt und kann dem 1), ~, ?> U.s. w. gebieten. Ist er aber nicht Herr seiner selbst, so meistert ihn das Gestirn und macht aus ihm was es will. Er ist dann gleich einem Narren,

Eigenschaft gleichsam ein „Ich" im Menschen,

dessen Wesen der betreffende Zustand ist, und

das davon nicht lassen will, da dies die Ver-

nichtung dieses Ich's wäre, und jedem „Ich"

der Wille zum Dasein innewohnt."*)

Aber der Mensch, welcher die Kraft der

Weisheit besitzt, ist diesen Einflüssen nicht

unterworfen. „Diese Weisheit, die der Mensch

haben soll, ist nicht von der Erde, noch von

der oberen Hemisphäre (der Spekulation), son-

dern aus dem fünften Wesen (dem Selbst-

bewusstsein). So der Mensch in dieser Weis-

heit lebt, so ist derselbe ein Meister des

Gestirns und aller Planeten. Ein solcher wird

ein Magus genannt und kann dem t>, ?, Ou.s.w.

gebieten. Ist er aber nicht Herr seiner selbst,

so meistert ihn das Gestirn und macht aus ihm

was es will. Er ist dann gleich einem Narren,

*) Vol. in „De Peste" p. 178.

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a) Dies ist auch in Bezug auf eingefleischte Meinungen

und Theorien der Fall, und es giebt Menschen, die lieber

ihr Leben lassen, als eine Theorie, der sie anhängen, und

wäre sie auch noch so falsch, aufgeben wollen, weil sie

eben von derselben ganz eingenommen sind, und sie ihr

„Ich" ist, dessen innerstes Wesen in dieser Meinung besteht.

1) Vol. m "De Peste" p. 178.

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') Dies ist auch in Bezug auf eingefleischte Meinungen und Theorien der Fall, und es giebt Menschen, die lieber ihr Leben lassen, als eine Theorie, der sie anhingen, und wäre sie auch noch so falsch, anfieben wollen, weil sie eben von derselben ganz eingenommen sind, und sie ihr "Ich" ist, dessen innerstes Wesen in dieser Meinung besteht.

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der sein Ross nicht meistern kann, und dessen

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Meister dann das Ross ist, das mit ihm hingeht,

wohin es will." Wie der Wille krank macht,

der sein Ross nicht meistern kann, und dessen Meister dann das Ross ist, das mit ihm hingeht, wohin es will." Wie der Wille krank macht, so kann auch der Wille gesund machen. "Mit solchen Gnaden hat uns Gott auf Erden begabt, dass wir zwei Arzneien haben, eine sichtbare und eine unsichtbare. Die sichtbare ist die geschaffene, und die unsichtbare ist das Wort Gottes. " 1)

so kann auch der Wille gesund machen. „Mit

solchen Gnaden hat uns Gott auf Erden begabt,

dass wir zwei Arzneien haben, eine sichtbare

und eine unsichtbare. Die sichtbare ist die

geschaffene, und die unsichtbare ist das Wort

Gottes."1)

4. Vom Tode.

Die Einheit ist unteilbar, die Vielheit ist

zusammengesetzt und zersetzbar. Der irdische

Leib des Menschen ist ein zusammengesetztes

Ding und sterblich. Christus sagt: „Ein jedes

Reich, das in sich selbst zerteilt wird, vergeht;"

aber das Reich Christi (die Gotteserkenntnis)

bleibt. Im Menschen werden vielerlei Kräfte

geboren und bekämpfen sich gegenseitig, und

es naht sich der Tod in vielerlei Gestalt Der

himmlische Leib in uns hält den irdischen Leib

zusammen, und wenn dieser Leib der Gnade

nicht wäre, so stürbe der irdische Leib in der

4. Vom Tode.

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ersten Stunde seines Daseins. Wir verzehren

und erneuern uns selbst fortwährend; unser

*) „De Peste" p. 193.

Die Einheit ist unteilbar, die Vielheit ist zusammengesetzt und zersetzbar. Der irdische Leib des Menschen ist ein zusammengesetztes Ding und sterblich. Christus sagt: "Ein jedes Reich, das in sich selbst zerteilt wird, vergeht;" aber das Reich Christi (die Gotteserkenntnis) • bleibt. Im Menschen werden vielerlei Kräfte gebaren und bekämpfen sich gegenseitig, und es naht sich der Tod in vielerlei Gestalt. Der himmlische Leib in uns hält den irdischen Leib zusammen, und wenn dieser Leib der Gnade nicht wäre, so stürbe der irdische Leib in der ersten Stunde seines Daseins. Wir verzehren und erneuern uns selbst fortwährend; unser 1) "De Peste" P.193.

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Leben ist eine beständige Umwandlung. Ob-

wohl der Mensch aus dem Mutterleibe kommt,

ist er deshalb doch nicht der Mutter Sohn,

Leben ist eme beständige Umwandlung. Ob· wohl der Mensch aus dem Mutterleibe kommt, ist er deshalb doch nicht der Mutter Sohn, noch des Vaters; sondern der Sohn dessen, der ihm Nahrung giebt. Darum ist unser Vater im Himmel unser Vater, nicht allein nach seiner Gerechtigkeit, sondern auch in leiblicher Beziehung. " "Alle Dinge haben ihre bestimmte Zeit des Daseins, sei es zum Guten oder zum Bösen; sogar die Heiligen (Adepten) haben ihre Zeit, in der sie aufhören müssen, auf Erden zu leben. Sei einer auch noch so fromm und gerecht und dem Volke nützlich, sobald seine Zeit kommt, muss er dennoch fort. So fährt der Geist zum Herrn, der Leib zur Erde; denn die Erde ist kein G(ffängnis des' Geistes, sondern nur für den Leib. Also bleiben sie, ein jegliches an seiner Stätte, bis sie wieder zusammen· kommen; so werden die drei Substanzen wiederum sein in ihrem Wesen. 1) Was aber

noch des Vaters; sondern der Sohn dessen,

der ihm Nahrung giebt. Darum ist unser Vater

im Himmel unser Vater, nicht allein nach seiner

Gerechtigkeit, sondern auch in leiblicher Be-

ziehung."

„Alle Dinge haben ihre bestimmte Zeit des

Daseins, sei es zum Guten oder zum Bösen;

sogar die Heiligen (Adepten) haben ihre Zeit,

in der sie aufhören müssen, auf Erden zu leben.

Sei einer auch noch so fromm und gerecht

und dem Volke nützlich, sobald seine Zeit

kommt, muss er dennoch fort. So fährt der

Geist zum Herrn, der Leib zur Erde; denn die

Erde ist kein Gefängnis des Geistes, sondern

nur für den Leib. Also bleiben sie, ein jeg-

liches an seiner Stätte, bis sie wieder zusammen-

kommen; so werden die drei Substanzen

wiederum sein in ihrem Wesen.1) Was aber

') Dies ist auch die Lehre der Reinkarnation, der

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gemäss sich der himmlische Mensch, „der Leib und Seele

gemacht hat", nach einer Zeit der Ruhe ans den drei Sub-

stanzen wieder einen neuen Körper baut, und denselben

überschattet und bewohnt. Auf diese Art wird die geistige

Individualität des Menschen immer wieder aufs neue als

1) Dies ist auch die Lehre der Re'inkarnation, der gemäss sich der himmlische Mensch, "der Leib und Seele gemacht hat", nach einer Zeit der Ruhe aas den drei Sabstanzen wieder einen neuen Körper baut, und denselben überschattet und bewohnt. Auf diese Art wird die geistige Individualität des Menschen immer wieder aufs neue als

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weiter daraus wird, das steht bei dem, der Leib

-

und Seele gemacht hat, verborgen allen

Menschen."

weiter daraus wird, das steht bei dem, der Leib und Seele gemacht hat, verborgen allen Menschen." "Die Scheidung des Mikrokosmos geht erst im Tode an. Da scheiden sich zwei Leiber voneinander, der himmlische und der irdische, d. h. der sakramentalische und der e1ementalische. Der eine führt über sich, wie die Adler, der andere fällt unter sich zur Erde, wie Blei. Der e1ementalische verweset, wird unter die Erde vergraben und nicht mehr gesehen; der sakramentalische , d. h. der himmlische und siderische verwest nicht und wird nicht begraben. Nach dieser Scheidung scheiden sich auch im Tode des Menschen die drei Substanzen voneinander, nämlich Leib, Seele und Geist; ein jegliches an seinen Ort, daraus es ursprünglich kam. Der Leib e in die Erde, zur prima materia Elementorum; die Seele 4 zu der prima materia Sacramentorumj der Geist tJ zu der prima materia des luftigen Chaos." 1)

„Die Scheidung des Mikrokosmos geht erst

im Tode an. Da scheiden sich zwei Leiber

voneinander, der himmlische und der irdische,

d. h. der sakramentalische und der elementa-

lische. Der eine fuhrt über sich, wie die Adler,

der andere fällt unter sich zur Erde, wie Blei.

Der elementalische verweset, wird unter die

Erde vergraben und nicht mehr gesehen; der

sakramentalische, d. h. der himmlische und

siderische verwest nicht und wird nicht be-

graben. Nach dieser Scheidung scheiden sich

auch im Tode des Menschen die drei Sub-

stanzen voneinander, nämlich Leib, Seele und

Geist; ein jegliches an seinen Ort, daraus es

ursprünglich kam. Der Leib 0 in die Erde,

zur prima materiaElementorum; dieSeele4

zu der prima materia Sacramentorum; der

Geist $ zu der prima materia des luftigen

Chaos."1)

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eine neue Persönlichkeit ins irdische Dasein geboren, bis

sie zur vollkommenen Selbsterkenntnis gekommen ist. Siehe

Bhagavad Gita II, 19 u. f.

*) „De Separatione Rernm" p. 315. — Vergl.

I. Korinth. XV, 53 u. f.

eine neue Persönlichkeit ins irdische Dasein geboren, bis sie zur vollkommenen Selbsterkenntnis gekommen ist. Siehe Bhagavad Gita 11, 19 u. f. 1) "De Separatione Rerum" p. 315. - Vergl J. Korinth. XV, 53 u. f.

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Leben ist Bewusstsein, Tod ist Bewusst-

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losigkeit. Das Dasein des Menschen ist ein

Leben ist Bewusstsein, Tod ist Bewusstlosigkeit. Das Dasein des Menschen ist ein beständiger Wechsel zwischen Leben und Sterben; denn er lebt nur in Bezug auf dasjenige, dessen er sich gerade bewusst ist. Da der Mensch aus verschiedenen Prinzipien zusammengesetzt ist, so giebt es für ihn verschiedene Arten von Tod. Der Tod des Körpers ist die Trennung seiner Elemente; der Tod des Intellektes ist die Unwissenheit; der Tod der Seele die Gefühllosigkeit; der Tod des Geistes die Glaubenslosigkeit und der ewige Tod der Verlust der höheren Individualität. "Wer nicht glaubt, der ist schon gerichtet." 1)

beständiger Wechsel zwischen Leben und

Sterben; denn er lebt nur in Bezug auf das-

jenige, dessen er sich gerade bewusst ist. Da

der Mensch aus verschiedenen Prinzipien zu-

sammengesetzt ist, so giebt es für ihn ver-

schiedene Arten von Tod. Der Tod des Kör-

pers ist die Trennung seiner Elemente; der

Tod des Intellektes ist die Unwissenheit; der

Tod der Seele die Gefühllosigkeit; der Tod

des Geistes die Glaubenslosigkeit und der ewige

Tod der Verlust der höheren Individualität.

„Wer nicht glaubt, der ist schon gerichtet."1)

5. Vom Glauben.

Der Glaube, von dem Paracelsus spricht,

hat nichts mit dem, was man gewöhnlich

„glauben" nennt, und was in dem phantasti-

schen Fürwahrhalten von Meinungen, Theorien,

Erzählungen u. s. w. besteht, zu schaffen, son-

dern er ist eine geistige Kraft und das geistige

Leben, Empfindung und Bewusstsein im Men-

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schen selbst. Nicht aus dem Wissen durch

Hörensagen, logische Schlussfolgerung u. s. w.,

') Johannes III, 18.

5. Vom Glauben. Der Glaube, von dem Paracelsus spricht, hat nichts mit dem, was man gewöhnlich "glauben" nennt, und was in dem phantastischen Fürwahrhalten von Meinungen, Theorien, Erzählungen u. s. w. besteht, zu schaffen, son· dern er ist eine geistige Kraft und das geistige Leben, Empfindung und Bewusstsein im Menschen selbst. Nicht aus dem Wissen durch Hörensagen, logische Schlussfolgerung u. 8. W., 1) Johannes

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sondern aus dem eigenen Wahrnehmen, Em-

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pfinden und Begreifen entspringt die wahre

Erkenntnis, und was die sinnliche Wahrnehmung

sondern aus dem eigenen Wahrnehmen, Empfinden und Begreifen entspringt die wahre Erkenntnis, und was die sinnliche Wahrnehmung in Bezug auf sinnliche Dinge ist, das ist der Glaube in Bezug auf das Geistige. Durch ihn wird das Unsichtbare sichtbar. Wir würden wenig von einer Welt wissen, von der wir nur vom Hörensagen, oder durch logische Schlussfolgerung uns einen Begriff machen könnten. Eine solche Welt bestände für uns nur in unserer Phantasie und hätte ftir uns keine Wirklichkeit, selbst wenn sie thatsächlich deo Be. griffen entspräche, die wir uns von ihr machen. So ist auch alles angelernte Wissen in Bezug auf geistige Dinge keine wahre Erkenntnis, sondern nur Theorie, aber in der Kraft des Glaubens liegt die Kraft der Offenbarung und Verwirklichung. "Wir Menschen auf Erden, was haben wir ohne das Licht der Natur in der Erkenntnis aller natürlichen Dinge? Dieses Licht erstreckt sich von dem Sichtbaren in das Unsichtbare; geradeso wunderbar in diesem als in jenem. So wie der äussere Mensch mit seinen körperlichen Augen in der Sinneswelt die Dinge wahrnimmt, so erkennt der zum höheren Leben erwachte innere geistige Mensch die Natur der

in Bezug auf sinnliche Dinge ist, das ist der

Glaube in Bezug auf das Geistige. Durch ihn

wird das Unsichtbare sichtbar. Wir würden

wenig von einer Welt wissen, von der wir nur

vom Hörensagen, oder durch logische Schluss-

folgerung uns einen Begriff machen könnten.

Eine solche Welt bestände für uns nur in un-

serer Phantasie und hätte für uns keine Wirk-

lichkeit, selbst wenn sie thatsächlich den Be-

griffen entspräche, die wir uns von ihr machen.

So ist auch alles angelernte Wissen in Bezug

auf geistige Dinge keine wahre Erkenntnis,

sondern nur Theorie, aber in der Kraft des

Glaubens liegt die Kraft der Offenbarung und

Verwirklichung.

„Wir Menschen auf Erden, was haben wir

ohne das Licht der Natur in der Erkenntnis

aller natürlichen Dinge? Dieses Licht erstreckt

sich von dem Sichtbaren in das Unsichtbare;

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geradeso wunderbar in diesem als in jenem.

So wie der äussere Mensch mit seinen körper-

lichen Augen in der Sinneswelt die Dinge

wahrnimmt, so erkennt der zum höheren Leben

erwachte innere geistige Mensch die Natur der

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Dinge in der übersinnlichen Welt. Grob und

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ungebildet sind diejenigen, welche nur das

sinnlich Wahrnehmbare sehen; denn so hoch

Dinge in der übersinnlichen Welt. Grob und ungebildet sind diejenigen, welche nur das sinnlich Wahrnehmbare sehen; denn so hoch und erhaben sind die Kreaturen von Gott geschaffen, dass sie im Lichte der Natur ebenso hoch erfahren sein können, in dem was Gott unsichtbar gemacht hat, als in dem, was sie sichtbar haben. Der Mond ist ein Licht; dennoch giebt er die Farben der Dinge nicht zu erkennen; so aber die Sonne aufsteigt, wird alles deutlich und klar; und wie das Licht der Sonne das Licht des Mondes übertrifft, so scheint das Licht der Natur über alle Kräfte der Augen. In dem Lichte der Erkenntnis werden die unsichtbaren Dinge sichtbar, und dass dieses Licht alles andere Licht überscheint, dessen lasset euch eingedenk sein." 1) "Wir glauben den Wirkungen, und müssen ihnen glauben (weil es keine Wirkungen ohne Ursachen giebt); gleichwie wir in der finstern Nacht eine Glocke hören; dann wissen wir, dass eine Glocke vorhanden ist. Wollen wir aber die Glocke sehen, dann müssen wir Licht haben. Der Mond (die Phantasie) ist ein dunkles Licht, die Sonne (die Weisheit) aber erleuchtet

und erhaben sind die Kreaturen von Gott ge-

schaffen, dass sie im Lichte der Natur ebenso

hoch erfahren sein können, in dem was Gott

unsichtbar gemacht hat, als in dem, was sie

sichtbar haben. Der Mond ist ein Licht;

dennoch giebt er die Farben der Dinge nicht

zu erkennen; so aber die Sonne aufsteigt, wird

alles deutlich und klar; und wie das Licht der

Sonne das Licht des Mondes übertrifft, so

scheint das Licht der Natur über alle Kräfte

der Augen. In dem Lichte der Erkenntnis

werden die unsichtbaren Dinge sichtbar, und

dass dieses Licht alles andere Licht überscheint,

dessen lasset euch eingedenk sein."1)

„Wir glauben den Wirkungen, und müssen

ihnen glauben (weil es keine Wirkungen ohne

Ursachen giebt); gleichwie wir in der finstern

Nacht eine Glocke hören; dann wissen wir,

dass eine Glocke vorhanden ist. Wollen wir

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aber die Glocke sehen, dann müssen wir Licht

haben. Der Mond (die Phantasie) ist ein dunkles

Licht, die Sonne (die Weisheit) aber erleuchtet

*) „De Morbis Invisibilibnsu p. 239.

1) "De Morbis Invisibilibus" P.239.

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alles am gründlichsten. Ein jedes Ding hat

sein Licht, in dem es erkannt werden kann.

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Glauben wir aber an die Werke, so glauben

alles am gründlichsten. Ein jedes Ding hat sein Licht, in dem es erkannt ·werden kann. Glauben wir aber an die Werke, so glauben wir auch an den Meister (die Ursache); denn das ist ein toter Glaube, der nur die Wirkungen sieht, und nicht den Meister erkennt. Jedes Ding hat sein Licht, und wer bei dem höchsten Licht nicht sehen will, dem sind die unsichtbaren Dinge vor den Augen gleich wie ein grosser Berg in einer finsteren Nacht. Dieses Licht der Natur aber macht uns dasjenige sichtbar, was Sonne und Mond nicht sichtbar zu machen vermag. So wir dieses Licht finden, so zeigt es uns, dass nicht allein Fleisch und Blut der Mensch ist, sondern dass dahinter noch ein anderer Leib ist, der zu klar ist, um von den groben Augen gesehen zu werden, und in welchem die unsichtbaren Ursachen liegen. " "So wir den Meister der Werke ergründen, so ist er uns auch sichtbar. In den ewigen Dingen macht der Glaube alle Werke sichtbar, in den leiblichen unsichtbaren Dingen macht diese sichtbar das Licht der Natur (der Verstand). Für die menschliche Vernunft, die aus dem Menschen der Erde kommt, sind die ewigen Dinge unergründlich. Er kann die

wir auch an den Meister (die Ursache); denn

das ist ein toter Glaube, der nur die Wirkungen

sieht, und nicht den Meister erkennt. Jedes

Ding hat sein Licht, und wer bei dem höchsten

Licht nicht sehen will, dem sind die unsicht-

baren Dinge vor den Augen gleich wie ein

grosser Berg in einer finsteren Nacht. Dieses

Licht der Natur aber macht uns dasjenige

sichtbar, was Sonne und Mond nicht sichtbar

zu machen vermag. So wir dieses Licht finden,

so zeigt es uns, dass nicht allein Fleisch und

Blut der Mensch ist, sondern dass dahinter

noch ein anderer Leib ist, der zu klar ist, um

von den groben Augen gesehen zu werden,

und in welchem die unsichtbaren Ursachen

liegen."

„So wir den Meister der Werke ergründen,

so ist er uns auch sichtbar. In den ewigen

Dingen macht der Glaube alle Werke sichtbar,

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in den leiblichen unsichtbaren Dingen macht

diese sichtbar das Licht der Natur (der Ver-

stand). Für die menschliche Vernunft, die aus

dem Menschen der Erde kommt, sind die

ewigen Dinge unergründlich. Er kann die

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Kräfte des Glaubens nicht ergründen; deshalb

müssen sie auf die Lehre Christi gegründet

werden.1) Unsere Stärke liegt im Glauben,

Kräfte des Glaubens nicht ergründen; deshalb müssen sie auf die Lehre Christi gegründet w«den. 1) Unsere Stärke liegt im Glauben, und nicht in der Phantasie. Viele meinen den Glauben zu haben, aber es heisst: "Die Zeichen derer, die da glauben, sind die: In meinem Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden, und so sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden. Auf die Kranken werden sie die Hände legen, und es wird besser mit ihnen werden." 2) Der Glaube ist ein Geist, der alle andern Geister überwindet. Er wirkt auf zweierlei Art; in den guten Menschen zu guten Dingen und in den bösen zum Bösen. Selbst der Teufel (im Menschen) hat seine Stärke aus dem Glauben, den er zu bösen Zwecken missbraucht. Wir sollen aber niemals den Glauben zu etwas gebrauchen, wozu er uns nicht gegeben ist." "Der Glaube kann sowohl krank machen, als auch gesund. Wir schaffen durch ihn einen Geist, der ohne Hände und Füsse dasjenige

und nicht in der Phantasie. Viele meinen den

Glauben zu haben, aber es heisst: „Die Zeichen

derer, die da glauben, sind die: In meinem

Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen

Zungen reden, und so sie etwas Tödliches trin-

ken, wird es ihnen nicht schaden. Auf die

Kranken werden sie die Hände legen, und es

wird besser mit ihnen werden."2) Der Glaube

ist ein Geist, der alle andern Geister überwindet.

Er wirkt auf zweierlei Art; in den guten Men-

schen zu guten Dingen und in den bösen zum

Bösen. Selbst der Teufel (im Menschen) hat

seine Stärke aus dem Glauben, den er zu bösen

Zwecken missbraucht. Wir sollen aber niemals

den Glauben zu etwas gebrauchen, wozu er

uns nicht gegeben ist."

„Der Glaube kann sowohl krank machen,

als auch gesund. Wir schaffen durch ihn einen

Geist, der ohne Hände und Füsse dasjenige

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*) Was uns aus biblischen Erzählungen aus der Bibel

von der Lehre Christi erzählt wird, ist noch lange keine

Selbsterkenntnis. Die richtige Lehre Christi geschieht durch

die Offenbarung von Christus (der Wahrheit) in uns.

s) Markus XVI, 17 u. 18.

1) Was uns aus biblischen Erzählungen aus der Bibel Ton der Lehre Christi erzählt wird, ist noch lange keine Selbsterkenntnis. Die richtige Lehre Christi geschieht durch die Offenbarung Ton Christus (der Wahrheit) in UDS. I) Markus XVI, 17' u. 18.

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thun kann, was ein Mensch thut, und ein jedes

Ding, das in der Natur wächst, das kann auch

durch die Stärke des Glaubens hervorgebracht

thun kann, was ein Mensch thut, und ein jedes Ding, das in der Natur wächst, das kann auch durch die Stärke des Glaubens hervorgebracht werden. Durch den Glauben werden wir gleich den Geistern, denen es möglich ist, alles unsichtbar zu thun, was der Leib sichtbar thut. " 1) Der Glaube ist aber wohl von dem Aberglauben zu unterscheiden. "Der wahre angeborene Glaube kommt aus Gott und geht in Gott zurück. Nicht wir wirken durch den Glauben, sondern Gott wirkt durch den Glauben in uns. Durch unsern selbstgemachten Glauben können wir keine Wunder wirken, aber durch die Barmherzigkeit Gottes (in uns) ereignet es sich, dass dies geschieht. So wir aber aus Eigendünkel handeln, und achten uns selbst für Götter, so vergessen wir hierin Gottes und seiner Barmherzigkeit und leben in unserm eigenen Hochmut und Trotz, die uns in Verzweiflung führen. Aus dem Missbrauche des Glaubens entsteht Aberglattbe und Zauberei. Wir sollen im Glauben leben, aber ihn nicht anwenden zu dem Zwecke, dass dieses oder jenes nach unserm

werden. Durch den Glauben werden wir gleich

den Geistern, denen es möglich ist, alles un-

sichtbar zu thun, was der Leib sichtbar thut."')

Der Glaube ist aber wohl von dem Aber-

glauben zu unterscheiden. „Der wahre an-

geborene Glaube kommt aus Gott und geht in

Gott zurück. Nicht wir wirken durch den

Glauben, sondern Gott wirkt durch den Glauben

in uns. Durch unsern selbstgemachten Glauben

können wir keine Wunder wirken, aber durch

die Barmherzigkeit Gottes (in uns) ereignet es

sich, dass dies geschieht. So wir aber aus

Eigendünkel handeln, und achten uns selbst für

Götter, so vergessen wir hierin Gottes und seiner

Barmherzigkeit und leben in unserm eigenen

Hochmut und Trotz, die uns in Verzweiflung

führen. Aus dem Missbrauche des Glaubens

entsteht Aberglaube und Zauberei. Wir sollen

im Glauben leben, aber ihn nicht anwenden zu

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dem Zwecke, dass dieses oder jenes nach unserm

*) Der Missbrauch des Glaubens ist „schwane Magie",

und ist schlimmer als gewöhnliche Verbrechen, weil dabei

göttliche Kräfte entweiht und zu niedrigen Zwecken ver-

wendet werden.

1) Der Missbrauch des Glaubens ist nschwane Magie", und ist schlimmer als gewöhnliche Verbrechen, weil dabei göttliche Kräfte entweiht und zQ niedrigen Zwecken Terwendet werden.

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Willen geschehe,1) denn dies hiesse Gott ver-

suchen. Diejenigen Zeichen aber sollen wir

Willen geschehe, 1) denn dies hiesse Gott versuchen. Diejenigen Zeichen aber sollen wir begehren, die aus der Barmherzigkeit Gottes und der Liebe uns erreichen." "Alles Gute, das aus dem Glauben geschieht, entspringt aus Gottes Barmherzigkeit. Die Gesundheit fliesst aus dem Heilmittel, und das Heilmittel aus Gottes Barmherzigkeit. So hat auch das, was aus dem Sohn Gottes entspringt, seinen Ursprung in seiner Barmherzigkeit und erlangt seine Kraft durch den Glauben. Christus sagt: "Wer an mich glaubt, wird auch die Werke thun, die ich thue, ja noch grässere

begehren, die aus der Barmherzigkeit Gottes

und der Liebe uns erreichen."

„Alles Gute, das aus dem Glauben geschieht,

entspringt aus Gottes Barmherzigkeit. Die Ge-

sundheit fliesst aus dem Heilmittel, und das

Heilmittel aus Gottes Barmherzigkeit. So hat

auch das, was aus dem Sohn Gottes entspringt,

seinen Ursprung in seiner Barmherzigkeit und

erlangt seine Kraft durch den Glauben. Christus

sagt: „Wer an mich glaubt, wird auch die

Werke thun, die ich thue, ja noch grössere

*) Dies ist einer der Punkte, die am schwersten zu

fassen sind. Die göttlichen Kräfte gehören Gott und nicht

dem Menschen an. Wenn der Mensch sie ans eigenem

Willen zur Erfüllung irgend eines Wunsches anwendet, so

unterordnet er dieselben seinen persönlichen Begierden und

erhebt seinen menschlichen Willen über den Willen Gottes.

Dies ist der Weg zur schwarzen Magie. Andererseits ist

die Unterlassung von Werken der Nächstenliebe verwerflich,

und wir sollen die Kräfte, die wir besitzen, zum Guten

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benützen. Gut ist aber in Wirklichkeit nur dasjenige, was

Gott durch den Menschen vollbringt. Wir sollen deshalb

die göttlichen Kräfte nicht aus eigenem Willen in Anwen-

dung bringen, sondern nur aus Liebe und als Werkzeuge

Gottes, ohne irgend welche eigene Absicht, handeln. Dies

kann aber nur derjenige begreifen, der durch die Kraft des

Glaubens zur selbstlosen Liebe gekommen ist. Vergl.

„Bhagavad Gita" Kap. V u. VI.

1) Dies ist, einer der Punkte, die am schwersten' zu fassen sind. Die göttlichen Kräfte gehören Gott und nicht dem Menschen an. Wenn der Mensch sie aus eigenem Willen zur ErfLillung irgend eines Wunsches anwendet, so unterordnet er dieselben seinen persönlichen Begierden und erheb,t seinen menschlichen Willen über den Willen Gottes. Dies ist der Weg zur schwarzen Magie. Andererseits ist die Unterlassung von Werken der Nächstenliebe verwerflich, und wir sollen die Kräfte, die wir besitzen, zum Guten benützen. Gut ist aber in Wirklichkeit nur dasjenige, was Gott durch den Menschen vollbringt. Wir sollen deshalb die göttlichen Kräfte nicht aus eigenem Willen in Anwendung bringen, sondern nur aus Liebe und als Werkzeuge Gottes, ohne irgf'nd welche eigene Absicht, handeln. Dies kann aber nur derjenige begreifen, der durch die Kraft des Glaubens zur selbstlosen Liebe gekommen ist Vergl. '" Bhagavad Gita" Kap. V u. VI.

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wird er thun, denn ich gehe zu meinem Vater." ')

Der Glaube aber, welcher nicht aus der Barm-

wird er thun, denn ich gehe zu meinem Vater. " 1) Der Glaube aber, welcher nicht aus der Barmherzigkeit Gottes geschöpft ist, ist der Glaube des Teufels, d. h. er ist verunreinigt durch den Eigendünkel und die Selbstsucht. Der Teufel (die Bosheit) achtet solcher Zeichen nicht; er lässt uns aus uns selbst Arges und Böses thun und den Glauben missbrauchen. Sein Ziel ist, dass er uns zweifeln mache an der Barmherzigkeit Christi, und mit dem Glauben in Christus Hoffnung und Liebe zerstöre. Was aber durch diesen Missbrauch des Glaubens geschieht, ist, wie wenn ein grober Bauer neben einem Goldschmied stünde, und was der Goldschmied aus Gold macht, das bildet der Bauer aus Dreck." 2)

herzigkeit Gottes geschöpft ist, ist der Glaube

des Teufels, d. h. er ist verunreinigt durch den

Eigendünkel und die Selbstsucht. Der Teufel

(die Bosheit) achtet solcher Zeichen nicht; er

lässt uns aus uns selbst Arges und Böses thun

und den Glauben missbrauchen. Sein Ziel ist,

dass er uns zweifeln mache an der Barmherzig-

keit Christi, und mit dem Glauben in Christus

Hoffnung und Liebe zerstöre. Was aber durch

diesen Missbrauch des Glaubens geschieht, ist,

wie wenn ein grober Bauer neben einem Gold-

schmied stünde, und was der Goldschmied aus

Gold macht, das bildet der Bauer aus Dreck."2)

*) Der Glaube, um den es sich handelt, ist nicht das

Fürwahrhalten der biblischen Erzählung von Jesus Christus,

sondern der Glaube an, oder vielmehr in Christus selbst.

Christus ist das Licht der Weisheit im Makrokosmos und

Mikrokosmos, und wer in diesem Lichte der göttlichen

Selbsterkenntnis handelt (vorausgesetzt, dass er es in sich

hat), der glaubt an Christus und wirkt in seiner Kraft.

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Wenn nun ein Mensch noch eine grössere Erkenntnis der

Naturgesetze, als der Mensch Jesus von Nazareth (Jeho-

schua?) besass, und dabei denselben Glauben aus Christus

hätte, so könnte er noch grössere Werke thun.

a) Die Wissenschaft im Bunde mit der Liebe fuhrt zur

Weisheit, und ist der Welt zum Heil, die Wissenschaft,

welche dem Egoismus entspringt und sich über Gott (die

1) Der Glaube, um den es sich handelt, ist nicht das Fürwahrhalten der biblischen Erzählung von Jesus Christus, sondern der Glaube an, oder vielmehr in Christus selbst. Christus ist das Licht der Weisheit im Makrokosmos und Mikrokosmos, und wer in diesem Lichte der göttlichen Selbsterkenntnis handelt (vorausgesetzt, dass er es in sich hat), der glaubt an Christus und wirkt in seiner Kraft. Wenn nun ein Mensch noch eine grössere Erkenntnis der Naturgesetze, als der Mensch Jesus von Nazareth (J e ho· schua?) besass, und dabei denselben Glauben aus Christus hätte, so könnte er noch grössere Werke thun. ') Die Wissenschaft im Bunde mit der Liebe führt zur Weisheit, und ist der Welt zum Heil, die Wissenschaft, welche de.m Egoismus entspringt und sich über Gott (die

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-

Der Glaube an vorgeschriebene Glaubens-

128

artikel ist noch lange kein Glauben an die

Der Glaube an vorgeschriebene Glaubensartikel ist noch lange kein Glauben an die Wahrheit selbst; ebensowenig als ein Fürwahrhalten wissenschaftlicher Theorien ein wirkliches Wissen ist. Aus einer äusserlich angenommenen Meinung entspringt noch keine innerliche Kraft~ Theorien sind nur Anleitungen zum Erkennen. aber nicht die Erkenntnis selbst. Nicht dass wir die Dogmen verwerfen sollen; aber durch die Annahme einer Hypothese oder das Für· wahrhalten einer Erzählung ist noch niemand selig geworden, und hat noch niemand die Kunst Wunder zu wirken erlangt. "Von wegen der Glaubensartikel allein würden die Menschen nicht gerettet werden; nicht der Artikel, sondern der Glaube an Gott, giebt dem Märtyrer die Kraft, den Tod zu überwinden. Würden die Menschen arbeiten und das Brot ihrer Arbeit essen, und ebenso beflissen sein zu geben, als zu nehmen, und die sechs Stücke der Barm· herzigkeit vollbringen, so würde es anders um ihren Glauben stehen. Sterben von wegen des Glaubens ist ein selig Ding; aber wegen der Artikel sterben ist ein Tod, der aus dem Aberglauben entspringt. Wir sollen den Glauben

Wahrheit selbst; ebensowenig als ein Fürwahr-

halten wissenschaftlicher Theorien ein wirkliches

Wissen ist. Aus einer äusserlich angenommenen

Meinung entspringt noch keine innerliche Kraft.

Theorien sind nur Anleitungen zum Erkennen,

aber nicht die Erkenntnis selbst. Nicht dass

wir die Dogmen verwerfen sollen; aber durch

die Annahme einer Hypothese oder das Für-

wahrhalten einer Erzählung ist noch niemand

selig geworden, und hat noch niemand die

Kunst Wunder zu wirken erlangt. „Von wegen

der Glaubensartikel allein würden die Menschen

nicht gerettet werden; nicht der Artikel, son-

dern der Glaube an Gott, giebt dem Märtyrer

die Kraft, den Tod zu überwinden. Würden

die Menschen arbeiten und das Brot ihrer Arbeit

essen, und ebenso beflissen sein zu geben, als

zu nehmen, und die sechs Stücke der Barm-

herzigkeit vollbringen, so würde es anders um

ihren Glauben stehen. Sterben von wegen des

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Glaubens ist ein selig Ding; aber wegen der

Artikel sterben ist ein Tod, der aus dem Aber-

glauben entspringt. Wir sollen den Glauben

Liebe) zu erheben strebt, geht mit Riesenschritten der

Teufelskunst entgegen, die zum Verderben führt.

Liebe) zu erheben strebt, geht mit Riesenschritten der Teufelskunst entgegen, die zum Verderben führt.

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direkt zu Gott (in uns) haben, und zu keinen

fremden Götzen. Wenn wir alle wären wie die

Frömmlinge, die nur auf ihren eigenen Vorteil

direkt zu Gott (in uns) haben, und zu keinen fremden Götzen. Wenn wir alle wären wie die Frömmlinge, die nur auf ihren eigenen Vorteil (im Himmel) sehen, so würde kein Hungriger gespeist, kein Nackter bekleidet, kein Kranker gesund gemacht, kein Fremder beherbergt. Sie wollen faulenzen und schmarotzen, und je eher sie von der Welt kommen, um so nützlicher ist es für die Welt." "Dann kommen die Wundergläubigen und Traumdeuter, Kartenschläger und diejenigen, welche hölzerne Heilige, Bilder und Abzeichen verehren. Sie machen sich selbst irgend eine Vorstellung. in welche sie ihren Glauben setzen, und sie meinen, sie sähen die Heiligen und wunderbare Dinge. Was sie glauben, davon schafft ihnen der Glaube ein Bild, sei es im Schlafe oder im Wachen. So bewegt denn auch dieser Glaube die Wünschelrute, löscht die Kerzen aus, treibt den Schlüssel, die Scheere und das Sieb um u. s. w.,!) und es ist mit solchen Dingen wie mit den Träumen, die einmal wahr und zehnmal erlogen sind; denn es ist mit ihrem Glauben wie mit einem

(im Himmel) sehen, so würde kein Hungriger

gespeist, kein Nackter bekleidet, kein Kranker

gesund gemacht, kein Fremder beherbergt.

Sie wollen faulenzen und schmarotzen, und je

eher sie von der Welt kommen, um so nütz-

licher ist es für die Welt."

„Dann kommen die Wundergläubigen und

Traumdeuter, Kartenschläger und diejenigen,

welche hölzerne Heilige, Bilder und Abzeichen

verehren. Sie machen sich selbst irgend eine

Vorstellung, in welche sie ihren Glauben setzen,

und sie meinen, sie sähen die Heiligen und

wunderbare Dinge. Was sie glauben, davon

schafft ihnen der Glaube ein Bild, sei es im

Schlafe oder im Wachen. So bewegt denn

auch dieser Glaube die Wünschelrute, löscht

die Kerzen aus, treibt den Schlüssel, die

Scheere und das Sieb um u. s. w.,1) und es ist

mit solchen Dingen wie mit den Träumen, die

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einmal wahr und zehnmal erlogen sind; denn

es ist mit ihrem Glauben wie mit einem

*) Hierher gehört auch das „Tischrücken" und der-

gleichen spiritistische Phänomene, die im Kapitel über

„Hexerei" näher besprochen werden.

Lotmblüthen LXXVII. 9

1) Hierher gehört auch das "Tischrücken" und dergleichen spiritistische Phänomene, die im Kapitel über "Hexerei" näber besprochen werden. LotuablüthOD LXXVII.

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13°

— 13° —

Alchemisten, der nichts versteht. Gerät es ihm

einmal durch Zufall, so misslingt es ihm zwanzig-

Alchemisten, der nichts versteht. Gerät es ihm einmal durch Zufall, so misslingt es ihm zwanzigmal. So ist es auch mit dem Glauben. So du ein Ding nicht kennst, so kennt es auch dein Glaube nicht. Obwohl der Geist alles weiss, ist doch nicht alles dem Leib offenbar. Der Glaube ist nur dann vollkommen, wenn er von der Erkenntnis durchdrungen ist."

mal. So ist es auch mit dem Glauben. So

du ein Ding nicht kennst, so kennt es auch

dein Glaube nicht. Obwohl der Geist alles

weiss, ist doch nicht alles dem Leib offenbar.

Der Glaube ist nur dann vollkommen, wenn er

von der Erkenntnis durchdrungen ist."

. 6. Von der Einbildung (Imaginatio).

Unter „Einbildung" versteht Paracelsus die

Gestaltung eines Bildes im Gemüte. Dasjenige,

was der Geist sich vorstellt, bildet sich im

Gemüte ein und kann durch die Kraft des

Glaubens zu einem „eingefleischten Gedanken",

„fixen Idee", d. h. zu einem individuellen Wesen

im Menschen werden, das schliesslich das ganze

Wesen des Menschen beherrscht. Dass Ge-

danken substantielle Dinge sind, wird jeder

vernünftige Mensch schon deshalb einsehen,

weil es keine Bewegung ohne etwas, das sich

6. Von der Einbildung (Imaginatio).

dabei bewegt, geben kann.1) Auch wäre ohne

diese Substanz keine Übertragung des Ge-

Unter "Einbildung" versteht Paracelsus die Gestaltung eines Bildes im Gemüte. Dasjenige, was der Geist sich vorstellt, bildet sich im Gemüte ein und kann durch die Kraft des Glaubens zu einem "eingefleischten Gedanken", "fixen Idee", d. h. zu einem individuellen Wesen im Menschen werden, das schliesslich das ganze Wesen des Menschen beherrscht. Dass Gedanken substantielle Dinge sind, wird jeder vernünftige Mensch schon deshalb einsehen, weil es keine Bewegung ohne etwas, das sich dabei bewegt, geben kann. l ) Auch wäre ohne diese Substanz keine Übertragung des Gedankens auf einen andern Menschen und keine

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dankens auf einen andern Menschen und keine

*) Den Unvernünftigen ist dieser Beweis durch die

Photographie von Gedankenbildern erbracht.

1) Den Unvernünftigen ist dieser Beweis durch die Photographie von Gedankenbildern erbracht.

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— I3i —

Beeinflussung ohne mechanische Mittel mög-

lich.1) Thatsächlich ist es mit dem Wachstume

Beeinflussung ohne mechanische Mittel möglieh. 1) Thatsächlich ist es mit dem Wachstume einer Einbildung, wie mit andern natürlichen Dingen. Der Geist fasst eine Idee; aus dieser entspringt der Keim zu einem Gedanken, dieser wächst zur Vorstellung, diese erhält Leben durch den Willen und drückt sich schliesslich aus durch die That. "Ein Maler, der ein Bild malen will, muss eine irdische Wand haben, ein Steinmetz, der bauen will, muss einen irdischen Boden haben." Damit ist soviel gesagt, als dass der Wille ohne eine substantielle Grundlage kein Bild (in der Vorstellung) schaffen könnte. "Die Imagination ist der Werkmeister in sich selbst und hat die Kunst und das Werkzeug, alles zu machen, wenn es auch der sichtbare Leib nicht kann. So scharf und sinnreich ist diese Kunst, dass sie eine Fliege, die sie an der Wand sieht, auf . den Boden, den sie hat, abmalen kann, so scharf als sie die Augen sehen. 2) Von allem, was die Sinne wahrnehmen, empfängt der unsichtbare Leib einen Eindruck, und hat dann diese Dinge alle unsichtbar in sich. Der un-

einer Einbildung, wie mit andern natürlichen

Dingen. Der Geist fasst eine Idee; aus dieser

entspringt der Keim zu einem Gedanken, dieser

wächst zur Vorstellung, diese erhält Leben

durch den Willen und drückt sich schliesslich

aus durch die That.

„Ein Maler, der ein Bild malen will, muss

eine irdische Wand haben, ein Steinmetz, der

bauen will, muss einen irdischen Boden haben."

Damit ist soviel gesagt, als dass der Wille ohne

eine substantielle Grundlage kein Bild (in der

Vorstellung) schaffen könnte. „Die Imagination

ist der Werkmeister in sich selbst und hat die

Kunst und das Werkzeug, alles zu machen,

wenn es auch der sichtbare Leib nicht kann.

So scharf und sinnreich ist diese Kunst, dass

sie eine Fliege, die sie an der Wand sieht, auf

den Boden, den sie hat, abmalen kann, so

scharf als sie die Augen sehen.2) Von allem,

was die Sinne wahrnehmen, empfängt der un-

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sichtbare Leib einen Eindruck, und hat dann

diese Dinge alle unsichtbar in sich. Der un-

') Wie wir diese „Gedankensubstanz" nennen, thut

nichts zur Sache.

a) „De Morbis Invisibilib. p. 272.

9*

1) Wie wir diese "Gedankensubstanz" nennen, thut nichts zur Sache. I) .De Morbia Inviaibilib. p.272.

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— 132 —

13 2

sichtbare Leib kann (in seiner Einbildung) essen

und trinken, sprechen, gehen, fliegen, Häuser

bauen u. s. w. ohne den sichtbaren Leib, aber

sichtbare Leib kann (in seiner Einbildung) essen und trinken, sprechen, gehen, Biegen, Häuser bauen u. s. w. ohne den sichtbaren Leib, aber der sichtbare kann nichts ohne den unsichtbaren, und gleichwie man an dem sichtbaren Körper ein Glied abnehmen kann, so kann man auch die Auswüchse der Einbildung (durch die Kraft der Vernunft) entfernen." "Die Kraft der Einbildung (sei es bewusst oder unbewusst) ist besonders wirksam während der Schwangerschaft, und die Natur des Kindes ist zum grossen Teile abhängig von den Eindrücken, welche die Mutter während dieser Periode empfängt. Derjenige, welcher es aufgebracht hat, dass, wenn die Mütter sich einen grossen gelehrten Mann oder Künstler sich einbilden, die Kinder dann solche werden müssten, muss von einem grossen Narren besessen gewesen sein; wohl aber kann die Impression, wenn die Frau z. B. einen Künstler' hört, der geistigen Richtung des Kindes einen Anstoss geben, der später im Leben zu einer ähnlichen Ausbildung des Talentes des Kindes führt. " Die Imagination wirkt aber nicht nur auf den eigenen Körper ein, sondern sie kann auch auf andere übertragen werden. " Gleichwie wenn einer durch seine Augen einen andern,

der sichtbare kann nichts ohne den unsicht-

baren, und gleichwie man an dem sichtbaren

Körper ein Glied abnehmen kann, so kann man

auch die Auswüchse der Einbildung (durch die

Kraft der Vernunft) entfernen."

„Die Kraft der Einbildung (sei es bewusst

oder unbewusst) ist besonders wirksam während

der Schwangerschaft, und die Natur des Kindes

ist zum grossen Teile abhängig von den Ein-

drücken, welche die Mutter während dieser

Periode empfängt. Derjenige, welcher es auf-

gebracht hat, dass, wenn die Mütter sich einen

grossen gelehrten Mann oder Künstler sich

einbilden, die Kinder dann solche werden

müssten, muss von einem grossen Narren be-

sessen gewesen sein; wohl aber kann die Im-

pression, wenn die Frau z. B. einen Künstler

hört, der geistigen Richtung des Kindes einen

Anstoss geben, der später im Leben zu einer ähn-

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lichen Ausbildung des Talentes des Kindes führt."

Die Imagination wirkt aber nicht nur auf

den eigenen Körper ein, sondern sie kann auch

auf andere übertragen werden. „Gleichwie

wenn einer durch seine Augen einen andern,

.

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133

— 133 —

der vor ihm steht, ansieht, und der andere

flieht davon; oder einer heisst den andern

der vor ihm steht, ansieht, und der andere flieht davon; oder einer heisst den andern etwas thun, und der andere thut's. So zwingt auch die Imagination des einen den andern. 1) Diese Dinge thut der olympische Geist, der von allen Werken des Leibes den Schatten zeichnet. Auch entstehen aus dieser Kraft allerlei "Geister", Incu bi, Succu bi, Nachtgespenster und viele andere Dinge, deren Beschreibung in ein anderes Kapitel gehört." Die vom Geiste des Glaubens durchdrungene Einbildung (y orstellung) ist eine Kraft, welche erstaunliche Wirkungen hervorbringen kann. Sie spielt besonders bei der Zeugung eine hervorragende Rolle, und es lässt sich durch sie auch das Geschlecht des Kindes im voraus bestimmen. Was Paracelsus den "Samen" nennt, ist nicht materieller Natur, sondern eine geistige, oder vielmehr "halbmaterielle" Ausstrahlung beider Geschlechter, ein "Geist", dem der materielle Same als Träger dient, wie ja z. B. im Erdboden auch kein Baum enthalten ist, aber der darin gesäete Same die Elemente enthält, welche dasjenige anziehen, woraus ein Baum sich bilden kann. Somit unterscheidet

etwas thun, und der andere thut's. So zwingt

auch die Imagination des einen den andern.1)

Diese Dinge thut der olympische Geist, der

von allen Werken des Leibes den Schatten

zeichnet. Auch entstehen aus dieser Kraft

allerlei „Geister", Incubi, Succubi, Nacht-

gespenster und viele andere Dinge, deren Be-

schreibung in ein anderes Kapitel gehört."

Die vom Geiste des Glaubens durchdrungene

Einbildung (Vorstellung) ist eine Kraft, welche

erstaunliche Wirkungen hervorbringen kann.

Sie spielt besonders bei der Zeugung eine

hervorragende Rolle, und es lässt sich durch

sie auch das Geschlecht des Kindes im voraus

bestimmen. Was Paracelsus den „Samen"

nennt, ist nicht materieller Natur, sondern eine

geistige, oder vielmehr „halbmaterielle" Aus-

strahlung beider Geschlechter, ein „Geist", dem

der materielle Same als Träger dient, wie ja

z. B. im Erdboden auch kein Baum enthalten

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ist, aber der darin gesäete Same die Elemente

enthält, welche dasjenige anziehen, woraus ein

Baum sich bilden kann. Somit unterscheidet

*) Diese Wirkung der Imagination ist heutzutage unter

dem Namen „Suggestion" bekannt.

1) Diese Wirkung der Imagination ist heutzutage unter dem Namen "Suggestion" bekaJint.

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— 134 —

134 -

Paracelsus zweierlei Samen, den männlichen

und den weiblichen, aus deren Vereinigung

Kinder geboren werden, und wenn in dem

Paracelsus zweierlei Samen, den männlichen und den weiblichen, aus deren Vereinigung Kinder geboren werden, und wenn in dem Samen des Mannes bei der Zeugung die Einbildung, die ihm das weibliche Wesen vorstellt, vorherrscht, so wird das Kind weiblich; herrscht aber die Einbildung des Weibes vor, in welcher das männliche Ideal wohnt, so wird das Kind männlichen Geschlechts. 1) "Der Samen ') des Menschen entsteht aus seiner Phantasie. Ein samentragender Mensch (ein Verliebter) gebraucht keine Vernunft und lebt auch in keiner- Vernunft, sondern allein in seinen Lüsten und Phantasien. Ursprünglich hat Gott den Menschen nur in das Licht der Natur gesetzt, frei und ledig zu sein (von dem Zwange der Natur, welcher die Tiere beherrscht); aber zur Wahrung der Geschlechter hat er ihnen den freien Willen gegeben, zu zeugen, und den Samen in ihre Phantasie gesetzt, gründlich, materialisch und mit allem seinem Wesen. Will der Mann, so macht ihm seine Vorstellung eine Begierde, und die

Samen des Mannes bei der Zeugung die Ein-

bildung, die ihm das weibliche Wesen vorstellt,

vorherrscht, so wird das Kind weiblich; herrscht

aber die Einbildung des Weibes vor, in welcher

das männliche Ideal wohnt, so wird das Kind

männlichen Geschlechts.1)

„Der Samen2) des Menschen entsteht aus

seiner Phantasie. Ein samentragender Mensch

(ein Verliebter) gebraucht keine Vernunft und

lebt auch in keiner Vernunft, sondern allein in

seinen Lüsten und Phantasien. Ursprünglich

hat Gott den Menschen nur in das Licht der

Natur gesetzt, frei und ledig zu sein (von dem

Zwange der Natur, welcher die Tiere be-

herrscht); aber zur Wahrung der Geschlechter

hat er ihnen den freien Willen gegeben, zu

zeugen, und den Samen in ihre Phantasie ge-

setzt, gründlich, materialisch und mit allem

seinem Wesen. Will der Mann, so macht ihm

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seine Vorstellung eine Begierde, und die

*) Dieses Gesetz ist den Viehzüchtern in England und

Amerika längst bekannt, and wird von denselben bei der

Viehzucht praktisch angewandt.

*) Kama.

1) Dieses Gesetz ist den Viehzüchtern in England und Amerika längst bekannt, und wird Ton denselben bei der Viehzucht praktisch aogewaodt. I) Kama.

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Origillal fram

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— 135 —

135

Begierde den Samen. Aber er hat ihm zugleich

die Vernunft gegeben, durch welche er seine

Begierde beherrschen kann. So hat auch die

Begierde den Samen. Aber er hat ihm zugleich die Vernunft gegeben, durch welche er seine Begierde beherrschen kann. So hat auch die Frau es in ihrer Macht, sich begierlich zu machen oder nicht. Also ist die Gebärung des Samens, den kein Mensch sieht oder sehen kann, und es liegt im Willen des Menschen, denselben durch seine Phantasie zu erzeugen. 1) "In der Phantasie des Mannes ist die Frau, und in der Frau der Mann der Gegenstand der Spekulation. So entzündet sich denn der Li· q u 0 r Vi t a e von der Spekulation und wird zu einem Samen eines andem Menschen, in welchem dann alle Natur, Eigenschaft, Wesen und Art der Organe und Glieder, Hände und Füsse, Herz und Hirn u. s. w. unsichtbar enthalten sind; denn der Liquor Vitae liegt in allen Teilen des Vaters und der Mutter, und der (geistige) Same wird aus allen Teilen, aus dem ganzen Menschen geboren. Dass aber das sichtbare Sperma, das aus den Vasis Spermaticis kommt, ohne diesen geistigen Samen einen Menschen erzeugen könne, das ist eine der grössten Lügen, welche die Ärzte je erfunden haben.') Der geistige Same, von dem der

Frau es in ihrer Macht, sich begierlich zu

machen oder nicht. Also ist die Gebärung des

Samens, den kein Mensch sieht oder sehen

kann, und es liegt im Willen des Menschen,

denselben durch seine Phantasie zu erzeugen.1)

„In der Phantasie des Mannes ist die Frau,

und in der Frau der Mann der Gegenstand der

Spekulation. So entzündet sich denn der Li-

quor Vitae von der Spekulation und wird zu

einem Samen eines andern Menschen, in welchem

dann alle Natur, Eigenschaft, Wesen und Art

der Organe und Glieder, Hände und Füsse,

Herz und Hirn u. s. w. unsichtbar enthalten sind;

denn der Liquor Vitae liegt in allen Teilen

des Vaters und der Mutter, und der (geistige)

Same wird aus allen Teilen, aus dem ganzen

Menschen geboren. Dass aber das sichtbare

Sperma, das aus den Vasis Spermaticis

kommt, ohne diesen geistigen Samen einen

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Menschen erzeugen könne, das ist eine der

grössten Lügen, welche die Arzte je erfunden

haben.2) Der geistige Same, von dem der

*) De Generatione Hominis p.344. *) Ibid.p.345.

1) Oe

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Generati~ne Hominis

gl

P.344.

') Ibid. p. 345.

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- 136 -

Mensch wächst, bleibt im Liquor Vitae und

kommt nicht in das Sperma; aus dem letztern

Mensch wächst, bleibt im Liquor Vitae und kommt nicht in das Sperma; aus dem letztem gestaltet sich in der Matrix nur der materielle Körper des Menschen, während der (sich inkarnierende) geistige (astralische) Mensch bereits vollständig im Samen enthalten ist. Dieser geistige Same kommt von allen Teilen des Vaters und der Mutter ~ und ist doch nur ein einziger Same, wenn diese beiden .zusammenkommen. Die Matrix der Mutter aber zieht diesen geistigen Samen an, und dadurch entwickelt sich die materielle Form des künftigen Menschen. 1) Da ist denn alles beisammen, was zu einem Menschen gehört, und es fehlt nur noch das Leben und die Seele." "Wäre der ganze Samen in einem Menschen (im Manne oder im Weibe) enthalten, so wäre der Charakter des Kindes diesem Samen in allem gleich, wie z. B. der Same eines Nussbaumes nichts anderes als einen Nussbaum

gestaltet sich in der Matrix nur der materielle

Körper des Menschen, während der (sich in-

karnierende) geistige (astralische) Mensch be-

reits vollständig im Samen enthalten ist. Dieser

geistige Same kommt von allen Teilen des

Vaters und der Mutter, und ist doch nur ein

einziger Same, wenn diese beiden zusammen-

kommen. Die Matrix der Mutter aber zieht

diesen geistigen Samen an, und dadurch ent-

wickelt sich die materielle Form des künftigen

Menschen.1) Da ist denn alles beisammen, was

zu einem Menschen gehört, und es fehlt nur

noch das Leben und die Seele."

„Wäre der ganze Samen in einem Menschen

(im Manne oder im Weibe) enthalten, so wäre

der Charakter des Kindes diesem Samen in

allem gleich, wie z. B. der Same eines Nuss-

baumes nichts anderes als einen Nussbaum

*) Diese Auseinandersetzung giebt uns einen Einblick

in den Vorgang bei der Re'inkarnation, und stimmt mit den

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Lehren der „Geheimlehre" überein, der zufolge sich erst

der Astralkörper bildet, der den physischen Körper aufbaut

und mit welchem er sich, je nach seinen Eigenschaften,

zur neuen Fleischwerdung verbindet. Ohne diese Inkarna-

tion findet auch keine Erzeugung eines Menschen statt.

1) Diese Auseinandersetzung giebt uns einen Einblick in den Vorgang bei der Relnkarnation, und stimmt mit den Lehren der "Geheimlehre" überein , der zufo1ge sich erst der Astralkörper bildet, der den physischen Körper aufbaut und mit welchem er sich, je nach seinen Eigenschaften, zur neuen Fleischwerdung verbindet. Ohne diese Inkarnation findet auch keine Erzeugung eines Menschen statt.

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giebt; aber die Vermischung der beiden Samen

giebt Anlass zu unzähligen Verschiedenheiten,

so dass kein Mensch ganz gleich dem andern

giebt; aber die Vermischung der beiden Samen giebt Anlass zu unzähligen Verschiedenheiten, so dass kein Mensch ganz gleich dem andern ist, und derjenige Same, welcher von beiden der kräftigste ist, giebt dem andern sein Bild, d. h. die Natur bildet den Körper nach ihm. Auf diese Art übertragen sich auch erbliche Krankheiten. " "Aber was die Geburt eines Knäbleins oder Mägdleins betrim, so ist die Sache folgendermassen : Die beiden Samen ziehen sich gegenseitig an, und der eine tingiert den andem und überwindet ihn. Diese Überwindung geschieht nicht aus der Kraft des Samens selbst, sondern aus der Kraft der Natur der beiden Eltern. Derjenige Samen, den die Matrix am ersten an sich bringt, der giebt dem Kinde das Geschlecht. Kommt ihr Same eher als der seine, so wirds ein Mägdlein. Kommt der seine eher t so wird ein Knäblein daraus. i ) Wenn aber die Matrix diesen (geistigen) Samen

ist, und derjenige Same, welcher von beiden

der kräftigste ist, giebt dem andern sein Bild,

d. h. die Natur bildet den Körper nach ihm.

Auf diese Art übertragen sich auch erbliche

Krankheiten."

„Aber was die Geburt eines Knäbleins oder

Mägdleins betrifft, so ist die Sache folgender-

massen: Die beiden Samen ziehen sich gegen-

seitig an, und der eine tingiert den andern

und überwindet ihn. Diese Überwindung ge-

schieht nicht aus der Kraft des Samens selbst,

sondern aus der Kraft der Natur der beiden

Eltern. Derjenige Samen, den die Matrix am

ersten an sich bringt, der giebt dem Kinde

das Geschlecht. Kommt ihr Same eher als

der seine, so wirds ein Mägdlein. Kommt der

seine eher, so wird ein Knäblein daraus.1)

Wenn aber die Matrix diesen (geistigen) Samen

*) Wie wir hieraus ersehen, ist die Geschlechtsbestim-

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mung abhängig von der Kraft der Anziehung, welche in

dem einen oder dem andern vorherrscht, und diese ent-

springt aus dem (unbewussten) Willen und der Vorstellung.

Die aus der körperlichen Ernährung gewonnene Kraft spielt

dabei nur eine untergeordnete Rolle.

1) Wie wir hieraus ersehen, ist die Geschlechtsbestimmung abhängig ~on der Kraft der Anziehung, welche in dem einen oder dem andern vorherrscht, und diese entspringt aus dem (unbewussten) Willen und der Vorstellung. Die aas der körperlichen Ernährung gewonnene Kraft spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.

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nicht anzieht, so findet keine Schwangerschaft

statt."1)

„Ist die (geistige) Vereinigung und Em-

nicht anzieht, so findet keine Schwangerschaft statt. U 1) "Ist die (geistige) Vereinigung und Empfängnis geschehen, dann tritt die materielle Natur in ihre Rechte und es entwickelt sich der materielle Körper des Menschen, und schliesslich wird ihm durch die Gnade Gottes gegeben der Geist, die Seele , Vernunft und Verstand und alles was zur Seele gehört. So wird der (geistige) Same in Fleisch und Blut verwandelt, und die Seele nimmt Besitz davon und bleibt nicht im Mutterschoss, sondern eilt heraus, wenn die Zeit dazu gekommen ist. U "Wenn dem Kinde die Seele gegeben wird, so wird ihm damit auch alles gegeben, was zu einem vollkommenen Menschen gehört; die Kraft zum Sehen, zum Hören, Empfinden u. s. w. sowie die geistigen Eigenschaften; ist aber der Körper nicht vollkommen, so können diese Eigenschaften und Kräfte nicht zum richtigen Ausdruck und Offenbarung gelangen. Ein

pfängnis geschehen, dann tritt die materielle

Natur in ihre Rechte und es entwickelt sich

der materielle Körper des Menschen, und

schliesslich wird ihm durch die Gnade Gottes

gegeben der Geist, die Seele, Vernunft und

Verstand und alles was zur Seele gehört. So

wird der (geistige) Same in Fleisch und Blut

verwandelt, und die Seele nimmt Besitz davon

und bleibt nicht im Mutterschoss, sondern eilt

heraus, wenn die Zeit dazu gekommen ist."

„Wenn dem Kinde die Seele gegeben wird,

so wird ihm damit auch alles gegeben, was zu

einem vollkommenen Menschen gehört; die

Kraft zum Sehen, zum Hören, Empfinden u. s. w.

sowie die geistigen Eigenschaften; ist aber der

Körper nicht vollkommen, so können diese

Eigenschaften und Kräfte nicht zum richtigen

Ausdruck und Offenbarung gelangen. Ein

*) Die Geburt von Zwillingen wird durch eine solche

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wiederholte Anziehung erklärt, und die Geburt von Kindern

mit fehlenden Gliedern, oder von Monstrositäten, gewissen

Mängeln, die diesen geistigen Samen anhaften, zugeschrieben.

Eine weitläufige Behandlung dieses Gegenstandes wurde

über den Rahmen dieses Werkes hinausgehen.

1) Die Geburt von Zwillingen wird durch eine solche wiederholte Anziehung erklärt, und die Gebart von Kindern mit fehlenden Gliedern, oder von Monstrositäten, gewissen MAngeln, die diesen geistigen Samen anhaften, zugeschrieben. Eine weitläufige Behandlung dieses Gegenstandes würde über den Rahmen dieses Werkes hinausgehen.

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Mensch, in welchem der Liquor Vitae ver-

dorben ist, kann keinen guten Samen geben,

und wenn die Werkzeuge des Organismus un-

Mensch, in welchem der Liquor Vitae verdorben ist, kann keinen guten Samen geben, und wenn die Werkzeuge des Organismus unvollkommen sind, so kann auch der Geist nicht vollkommen darin wirken. Keinem Menschen ist Vemunft und Weisheit entzogen, und wenn er Mangel daran zu haben scheint, so liegt die Ursache in der Unvollkommenheit von deren W erkzeugen. Was aber das lächerliche Geschreibsel derjenigen Astronomen (Mediziner) betrifft, welche behaupten, dass das Gestirn (die Natur) den Menschen mache, so lassen wir dies als eine Fabel gelten, und als einen zur Kurzweil beliebten Schwank. Der Narren sind viele und oft schwer zu erkennen." Der Mensch ist sowohl in das Ewige, als auch in das Vergängliche gestellt. Das Leibliche ist der Aufenthaltsort des Ewigen, das Ewige ist bei diesem zu Gast, und dazu kommt noch die Gnade von Gott, das Leben, als wie wenn ein Herr jemanden, dem er nichts schuldig ist, ein Haus giebt, damit er darin wohnen kann. Das Haus, welches der Mensch bewohnt, wird von der Natur aufgebaut und ist ihr unterworfen; aber der Mensch selbst ist als Geschöpf vollkommen und das Gestirn hat ihm nichts zu geben und kann ihm nichts anhaben. Hitze

vollkommen sind, so kann auch der Geist nicht

vollkommen darin wirken. Keinem Menschen

ist Vernunft und Weisheit entzogen, und wenn

er Mangel daran zu haben scheint, so liegt die

Ursache in der Unvollkommenheit von deren

Werkzeugen. Was aber das lächerliche Ge-

schreibsel derjenigen Astronomen (Mediziner)

betrifft, welche behaupten, dass das Gestirn

(die Natur) den Menschen mache, so lassen wir

dies als eine Fabel gelten, und als einen zur

Kurzweil beliebten Schwank. Der Narren sind

viele und oft schwer zu erkennen."

Der Mensch ist sowohl in das Ewige, als

auch in das Vergängliche gestellt. Das Leib-

liche ist der Aufenthaltsort des Ewigen, das

Ewige ist bei diesem zu Gast, und dazu kommt

noch die Gnade von Gott, das Leben, als wie

wenn ein Herr jemanden, dem er nichts schuldig

ist, ein Haus giebt, damit er darin wohnen

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kann. Das Haus, welches der Mensch bewohnt,

wird von der Natur aufgebaut und ist ihr unter-

worfen; aber der Mensch selbst ist als Geschöpf

vollkommen und das Gestirn hat ihm nichts zu

geben und kann ihm nichts anhaben. Hitze

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und Kälte betreffen nur den äusserlichen Men-

schen, und ohne seinen Willen geht in den

und Kälte betreffen nur den äusserlichen Mensehen, und ohne seinen Willen geht in den innerlichen Menschen nichts Böses ein. Der ewige Mensch wohnt in sich selbst, und erblickt in seiner Persönlichkeit mit allen ihren Eigenschaften nur ein Spiel der Naturkräfte; er ist über alle Sterne und Planeten erhaben. I) Die irdischen Geister bewegen sich in seiner vergänglichen Erscheinung, und geben dieser ihre guten und bösen Eigenschaften; .aber der ewige Geist Gottes im Menschen wohnt in sich selbst. Deshalb liegt die höchste geistige Kraft des Menschen darin, dass er in sich selbst das Ewige und den Geist Gottes erkennt und demselben gemäss lebt. Dann kann er durch den Geist des Ewigen sein Wollen und Denken beherrschen, und damit auch Herr über seme Natur und deren Eigenschaften sein. i)

innerlichen Menschen nichts Böses ein. Der

ewige Mensch wohnt in sich selbst, und erblickt

in seiner Persönlichkeit mit allen ihren Eigen-

schaften nur ein Spiel der Naturkräfte; er ist

über alle Sterne und Planeten erhaben.1) Die

irdischen Geister bewegen sich in seiner ver-

gänglichen Erscheinung, und geben dieser ihre

guten und bösen Eigenschaften; aber der ewige

Geist Gottes im Menschen wohnt in sich selbst.

Deshalb liegt die höchste geistige Kraft des

Menschen darin, dass er in sich selbst das

Ewige und den Geist Gottes erkennt und dem-

selben gemäss lebt. Dann kann er durch den

Geist des Ewigen sein Wollen und Denken

beherrschen, und damit auch Herr über seine

Natur und deren Eigenschaften sein.2)

7. Von der „Mumia".

Unter der „Mumia" des Paracelsus ist

das ätherische Vehikel der Lebenskraft eines

Dinges, oder dasjenige, was man heutzutage als

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„Magnetismus" bezeichnet, zu verstehen.

M Vergl. Bhagavad Gita Kap. XIII.

2) „De Statu Humano" p. 366.

7. Von der "Mumia". Unter der "Mumia« des Paracelsus ist das ätherische Vehikel der Lebenskraft eines Dinges, oder dasjenige, was man heutzutage als "Magnetismus" bezeichnet, zu verstehen. 1) Vergl. Bhagavad Gita Kap. XIII.

2) "De 5tatu Rumano" P.366.

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Jedes Ding hat seine unsichtbare Mumia, und

selbst, wenn die Seele den Körper verlassen

hat, bleibt noch dessen immaterielle Mumia

(Linga Sharira) zurück, welcher gewisse

okkulte Eigenschaften anhängen.

„Mumia ist der Mensch selbst, und der

Balsam, die heilende Kraft der Natur. Der

sichtbare Leib, so er eine Mumia ist, hat noch

bei sich den unsichtbaren Leib, weshalb er

noch wunderbarliche Dinge zu wirken vermag,

gleichsam als wenn er noch lebte."1)

„Die Mumia ist gleichsam ein Magnet, und

so wie der gewöhnliche Magnet das Eisen an-

zieht, so ist auch der Mensch ein Magnet und

zieht Menschen an. Wenn sich z. B. der Glaube

*) „De Morbis Invisibilib." p. 292. — In neuerer

Zeit scheint die solange von der „Wissenschaft" verachtete

Mumia wieder zum Ansehen zu gelangen; denn es werden

immer mehr tierische Präparate, „Heilserum", „Tuberkulin",

Hammelsschilddrüsen und allerlei Inokulationsmethoden zum

angeblichen Schutze gegen ansteckende Krankheiten und

zur „Durchseuchung" des menschlichen Körpers in der

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Medizin eingeführt. Unter afrikanischen Stämmen ist das

Verzehren eines Stückes der rohen Leber des wutkranken

Hundes als ein unfehlbares Mittel gegen den Ausbruch der

Wutkrankheit bei dem gebissenen Menschen bekannt; ge-

wisse „Steine" machen den Schlangenbiss unschädlich, indem

sie das Gift aus der Wunde an sich ziehen u. s. w. Es

stehen uns auf diesem Felde viele neue Entdeckungen alt-

bekannter aber vergessener Thatsachen bevor.

Jedes Ding hat seine unsichtbare Mumia, und selbst, wenn die Seele den Körper verlassen hat, bleibt noch dessen immaterielle Mumia (Linga Sharira) zurück, welcher gewisse okkulte Eigenschaften anhängen. nMumia ist der Mensch selbst, und der Balsam, die heilende Kraft der Natur. Der sichtbare Leib, so er eine Mumia ist, hat noch bei sich den unsichtbaren Leib, weshalb er noch wunderbarliche Dinge zu wirken vermag, gleichsam als wenn er noch lebte." 1) "Die Mu m ia ist gleichsam ein Magnet, und so wie der gewöhnliche Magnet das Eisen anzieht, so ist auch der Mensch ein Magnet und zieht Menschen an. Wenn sich z. B. der Glaube 1) "De Morbis InvisibiHb." P.292. -

In neuerer Zeit scheint die solange von der "Wissenschaft" verachtete M u m i a wieder zum Ansehen zu gelangen; denn es werden immer mehr tierische Präparate, "Heilserum", "Tuberkulin", Hammelsschilddrüsen und allerlei Inokulationsmethoden zum angeblichen Schutze gegen ansteckende Krankheiten und zur "Durchseuchung" des menschlichen Körpers in der Medizin eingeführt. Unter afrikanischen Stämmen ist das Verzehren eines Stückes der rohen Leber des wutkranken Hundes als ein unfehlbares Mittel gegen den Ausbrach der Wutkrankheit bei dem gebissenen Menschen bekannt; gewisse "Steine" machen den Schlangenbiss unschädlich, indem sie das Gift aus der Wunde an sich ziehen u. 8. w. Es stehen uns auf diesem Felde viele neue Entdeckungen altbekannter aber vergessener Thatsachen bevor.

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verbreitet, dass an einem Orte ein Wunder

geschehen sei, so laufen die Menschen hinzu,

verbreitet, dass an einem Orte ein Wunder geschehen sei, so laufen die Menschen hinzu, und es bestärkt einer den andern in seinem Aberglauben, und hierdurch wird ein unsichtbares Kräftecentrum (Magnet) geschaffen. Da geschehen dann wirkliche I-Ieilungen durch die Kraft des (missbrauchten) Glaubens und der Imagination, und die Leute schreiben dies der Bemühung irgend eines Heiligen ZU,1) ohne zu beachten, wie hoch die Werke der Heiligen (Adepten) über solchen Werken sind; denn keinem Heiligen wird nachgelaufen, sie kommen zu dir, wenn es Gott so will. Du brauchst nichts zu versprechen, schenken oder gebett. Christus wurde auch nicht für seine Werke bezahlt." "So haben die Christen die Götter der Heiden übernommen und ihnen neue Namen gegeben, und da die Menschen nicht verstanden, dass diese Dinge natürlich sind, 80 hat sie der Satan für Werke der Heiligen ausgegeben und Priester dazu gesetzt, und warum er dies gethan, das sieht man an ihren Stiften und Klöstern. Die Bauern sind leicht zu überreden."

und es bestärkt einer den andern in seinem

Aberglauben, und hierdurch wird ein unsicht-

bares Kräftecentrum (Magnet) geschaffen. Da

geschehen dann wirkliche Heilungen durch die

Kraft des (missbrauchten) Glaubens und der

Imagination, und die Leute schreiben dies der

Bemühung irgend eines Heiligen zu,1) ohne zu

beachten, wie hoch die Werke der Heiligen

(Adepten) über solchen Werken sind; denn

keinem Heiligen wird nachgelaufen, sie kommen

zu dir, wenn es Gott so will. Du brauchst nichts

zu versprechen, schenken oder geben. Christus

wurde auch nicht für seine Werke bezahlt."

„So haben die Christen die Götter der

Heiden übernommen und ihnen neue Namen

gegeben, und da die Menschen nicht verstanden,

dass diese Dinge natürlich sind, so hat sie der

Satan für Werke der Heiligen ausgegeben und

Priester dazu gesetzt, und warum er dies gethan,

das sieht man an ihren Stiften und Klöstern.

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Die Bauern sind leicht zu überreden."

*) In St. G . .. geschahen viele wunderbare Heilangen

durch die Verehrung eines Knochens des heiligen Fran-

ciscus Xaverius, bis dass es sich zweifellos herausstellte,

dass die betreffende Reliquie ein Kalbsknochen war.

1) In St. G . .. geschahen viele wunderbare Heilungen durch die Verehrung eines Knochens des heiligen Franeiscus Xaverius, bis dass es sich zweifellos herausstellte, dass die betreffende Reliquie ein Kalbsknochen war.

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„Die Heiligen im Himmel haben nichts mit

diesen Dingen zu thun; wohl aber sind in allen

"Die Heiligen im Himmel haben nichts mit diesen Dingen zu thun; wohl aber sind in allen Dingen, in Pflanzen, Kräutern und Steinen, Tier- und Menschenkörpern verborgene magnetische Kräfte enthalten; denn Gott hat die natürlichen Werke wunderbar beschaffen; darum sollen wir an seine Weisheit für und für denken, wie sie so gar nicht zu ergründen ist, und dass wir in uns selbst so viele natürliche Kräfte haben, als Himmel und Erde vermögen. Wenn ein Magnet, der doch ein totes Ding zu sein scheint, Eisen anziehen kann, so kann auch ein toter Körper auf den lebenden Menschen einen Einfluss tusüben. 1) Der Körper selbst kann das nicht, wohl aber die Kräfte, die von ihm ausgehen. So wie die Sonne an ihrem Orte bleibt und doch auf der Erde durch ein Glas scheinen kann, so kann auch der Leib still

Dingen, in Pflanzen, Kräutern und Steinen,

Tier- und Menschenkörpern verborgene magne-

tische Kräfte enthalten; denn Gott hat die natür-

lichen Werke wunderbar beschaffen; darum

sollen wir an seine Weisheit für und für denken,

wie sie so gar nicht zu ergründen ist, und

dass wir in uns selbst so viele natürliche Kräfte

haben, als Himmel und Erde vermögen. Wenn

ein Magnet, der doch ein totes Ding zu sein

scheint, Eisen anziehen kann, so kann auch ein

toter Körper auf den lebenden Menschen einen

Einfluss ausüben.1) Der Körper selbst kann

das nicht, wohl aber die Kräfte, die von ihm

ausgehen. So wie die Sonne an ihrem Orte

bleibt und doch auf der Erde durch ein Glas

scheinen kann, so kann auch der Leib still

*) Auf diesem noch wenig bekannten Naturgesetze

beruhen viele magnetische und Sympathiekuren, die Trans-

plantation von Krankheiten u. dergl. Aus der magnetischen

Verbindung, die zwischen dem lebenden Körper und einem

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von ihm getrennten Gliede, oder einer Absonderung be-

steht, erklärt es sich z. B., dass, wenn ein von einer Wunde

abgenommener, mit Blut oder Eiter befleckter Verband

sogleich ins Feuer geworfen wird, dadurch leicht Ent-

zündungen der Wunde entstehen. Die Metaphysik weiss

viel von dergleichen erstaunlichen Fernwirkungen zu er-

zählen, deren Betrachtung uns aber zu weit führen würde.

1) Auf diesem noch wenig bekannten Naturgesetze beruhen viele magnetische und Sympathiekuren, die Trans. plantation von Krankheiten u. dergl. Aus der magnetischen Verbindung, die zwischen dem lebenden Körper und einem von ihm getrennten Gliede, oder einer Absonderung be· steht, erklärt es sich z. B., dass, wenn ein von einer Wunde abgenommener, mit Blut oder Eiter beßeckter Verband sogleich ins Feuer geworfen wird, dadurch leicht Ent· sündungen der Wunde entstehen. Die Metaphysik weiss viel 'Yon dergleichen erstaunlichen Fernwirkungen zu er· sihlen, deren Betrachtung UDS aber za. weit fUbren würde.

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liegen und dennoch seine Kräfte in die Weite

senden, gleich dem Geruche von Moschus,

dessen Körper sich dabei auch nicht bewegt."

liegen und dennoch seine Kräfte in die Weite senden, gleich dem Geruche von Moschus, dessen Körper sich dabei auch nicht bewegt." "Aus diesem Grunde sind viele Experimente mit der Mum ia erfunden worden. Es sind grosse Geheimnisse darin, die aber besser verschwiegen bleiben, wegen des Missbrauches der damit getrieben werden kann. Die Unwissenden glauben, dass dies Zauberei, Hexerei, Aberglauben u. s. w. sei, aber jedes Werk, das uns zum Heile dient, kommt aus Gott; denn er ist es der unserm Leib das Leben giebt. Alle natürlichen Kräfte kommen aus der Natur, die Gott geschaffen hat, und wir irdische \Ienschen besitzen in uns selbst alle die Kräfte der Natur. Werden wir aber (im Geiste) wiedergeboren, so bewegen wir uns auch mit den himmlischen (magischen) Kräften. Wer aber dies nicht begreifen kann, der erforsche die heilige Schrift, damit er lerne jedes Ding in seinem Grunde zu erkennen. Um das richtige Wissen zu erlangen, sollten alle Dinge in Gott, ihrem ersten Ursprunge, aus dem sie fliessen, gesucht werden, und wenn gleich etwas Gutes durch den Teufel geschähe, so käme es doch aus Gott, der es zulässt. Wenn wir jemandens Not lindern können, so sollen wir es thun ohne Furcht,

„Aus diesem Grunde sind viele Experimente

mit der Mumia erfunden worden. Es sind

grosse Geheimnisse darin, die aber besser ver-

schwiegen bleiben, wegen des Missbrauches der

damit getrieben werden kann. Die Unwissenden

glauben, dass dies Zauberei, Hexerei, Aber-

glauben u. s. w. sei, aber jedes Werk, das uns

zum Heile dient, kommt aus Gott; denn er ist

es, der unserm Leib das Leben giebt. Alle

natürlichen Kräfte kommen aus der Natur, die

Gott geschaffen hat, und wir irdische Renschen

besitzen in uns selbst alle die Kräfte der Natur.

Werden wir aber (im Geiste) wiedergeboren,

so bewegen wir uns auch mit den himmlischen

(magischen) Kräften. Wer aber dies nicht be-

greifen kann, der erforsche die heilige Schrift,

damit er lerne jedes Ding in seinem Grunde

zu erkennen. Um das richtige Wissen zu er-

langen, sollten alle Dinge in Gott, ihrem ersten

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Ursprunge, aus dem sie fliessen, gesucht wer-

den, und wenn gleich etwas Gutes durch den

Teufel geschähe, so käme es doch aus Gott,

I

der es zulässt. Wenn wir jemandens Not lin-

dern können, so sollen wir es thun ohne Furcht,

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und die Mittel anwenden, die uns am nächsten

liegen, ob es auch Geister oder Teufel seien;

aber wir sollen nicht uns selbst, sondern Gott

und die Mittel anwenden, die uns am nächsten liegen, ob es auch Geister oder Teufel seien; aber wir sollen nicht uns selbst, sondern Gott die Ehre dafür geben." Aber etwas ganz anderes ist es, wenn man den Dämonen befiehlt, als wenn man ihnen gehorcht, oder einen Bund mit ihnen schliesst, oder sie durch Ceremonien anzieht und verehrt. "Wenn der Teufel jemanden dahin bringt, dass er ein Bündnis mit ihm macht, so macht sich der Mensch zum Knechte, da er doch ein Herr geblieben sein könnte; denn es gebührt einem Gläubigen, dass ihm der Teufel (die • Elementarwesen und Dämonen) gehorche. 1) Es ist nicht gegen Gottes Gebot, jemanden zu helfen; aber Abgötterei zu treiben ist gegen sein Gebot. So sollen wir denn die Erde durchwandern, und vieles erfahren, das was gut. ist behalten, und das Böse lassen, und wer

die Ehre dafür geben."

Aber etwas ganz anderes ist es, wenn man

den Dämonen befiehlt, als wenn man ihnen

gehorcht, oder einen Bund mit ihnen schliesst,

oder sie durch Ceremonien anzieht und verehrt.

„Wenn der Teufel jemanden dahin bringt,

dass er ein Bündnis mit ihm macht, so macht

sich der Mensch zum Knechte, da er doch ein

Herr geblieben sein könnte; denn es gebührt

einem Gläubigen, dass ihm der Teufel (die

Elementarwesen und Dämonen) gehorche.1)

Es ist nicht gegen Gottes Gebot, jemanden zu

helfen; aber Abgötterei zu treiben ist gegen

sein Gebot. So sollen wir denn die Erde

durchwandern, und vieles erfahren, das was gut

ist behalten, und das Böse lassen, und wer

*) Das Bündnis mit den Dämonen and Geistern findet

dadurch statt, dass der Mensch diese Geister in sich selbst

aufnimmt. Dadurch nimmt dieser Geist (der teuflische

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Wille) in ihm selbst Gestalt an und wird zu seinem eigenen

Wesen, und da am Ende jedes Ding zu seinem Ursprung,

aus dem es gekommen ist, zurückkehrt, so hat die Legende

ganz recht, welche sagt, dass wer mit dem Teufel ein

Bündnis schliesst, am Ende vom Teufel geholt wird. Vergl.

Bhagavad Gita VIII, 6 und IX, 25.

Lotusbliithen LXXVII. . ,0

/

1) Das Bündnis mit den Dämonen und Geistern findet dadurch statt, dass der Mensch diese Geister in sich selbst aufnimmt. Dadurch nimmt dieser Geist (der teuflische Wille) in ihm selbst Gestalt an und wird zu seinem eigenen Wesen, und da am Ende jedes Ding zu seinem Ursprung, aus dem es gekommen ist, zurückkehrt, so hat die Legende ganz recht, welche sagt, dass wer mit dem Teufel dn Bündnis schliesst, am Ende vom Teufel geholt wird. Vergl. Bhagavad Gita VIII, 6 und IX, 25. Lotusblüthen LXX VII.

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weniger weiss als ein anderer, der soll von dem-

jenigen lernen, welcher mehr Erfahrung besitzt.

8. Von den Worten, Ceremonien

weniger weiss als ein anderer, der soll von demjenigen lernen, welcher mehr Erfahrung besitzt.

und Symbolen.

„Auch sollen wir die Worte, Zeichen und

Symbole nicht gering schätzen; denn es sind

in ihnen grosse Kräfte verborgen. Das Wesent-

liche dabei ist jedoch nicht das Symbol, son-

8. Von den Worten, Ceremonien und Symbolen.

dern die Erkenntnis der darin dargestellten

geistigen Kraft. „Gras und Heu an sich hat

keinen Wert, wohl aber der Nutzen, den es

bringt. So nun etwas Gutes geschieht durch

die Charakteres, so lasset euch's eben sein

"Auch sollen wir die Worte, Zeichen und Symbole nicht gering schätzen; denn es sind in ihnen grosse Kräfte verborgen. Das Wesentliehe dabei ist jedoch nicht das Symbol, sondern die Erkenntnis der darin dargestellten geistigen Kraft. "Gras und Heu an sich hat keinen Wert, wohl aber der Nutzen, den es bringt. So nun etwas Gutes geschit:ht durch die Charakteres, so lasset euch's eben sein wie Gras und Heu," d. h. wir sollen nicht die äusserlichen Zeichen und Bilder verehren, sondern dasjenige, was sie darstellen, in Betracht ziehen. "Unsere Sprache und alles kommt aus Gott, und deshalb sind in der Sprache, sowie in allem göttliche Kräfte enthalten. So wir aber von diesen Dingen nichts wissen, so wissen wir auch nichts von Gott. Wo aber ist Aberglauben, Hoffahrt und Thorheit zu Hause, als bei denen, die nichts wissen und nichts von Gottes Weisheit ergründen." 1)

wie Gras und Heu," d. h. wir sollen nicht die

äusserlichen Zeichen und Bilder verehren, son-

dern dasjenige, was sie darstellen, in Betracht

ziehen. „Unsere Sprache und alles kommt aus

Gott, und deshalb sind in der Sprache, sowie

in allem göttliche Kräfte enthalten. So wir

aber von diesen Dingen nichts wissen, so wissen

wir auch nichts von Gott. Wo aber ist Aber-

glauben, Hoffahrt und Thorheit zu Hause, als

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bei denen, die nichts wissen und nichts von

Gottes Weisheit ergründen."1)

*) Die indische Philosophie, welche in jeder Beziehung

riel „exakter" ist, als die moderne Wissenschaft, »nter-

1) Die indische Philosophie, welche in jeder Beziehung yiel "exakter" ist, als die moderne Wissenschaft, anter-

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„So wir nun lernen wollen, so ist unser

erster Grund in Gott; denn er ist es, der uns

lehrt und dasjenige zuschickt, dessen wir be-

,,50 wir nun lernen wollen, so ist unser

dürfen, und wenn wir alles wohl betrachten,

so finden wir, dass wir die Weisheit und Kunst

erster Grund in Gott; denn er ist es, der uns lehrt und dasjenige zuschickt, dessen wir bedürfen, und wenn wir alles wohl betrachten, so finden wir, dass wir die Weisheit und Kunst nicht von uns selbst haben, sondern dass sie uns auf unsichtbare Weise durch den Geist mitgeteilt wird, und ohne diesen geistigen Einfluss könnten wir nichts ergründen, wie sehr wir auch unsere Phantasie anstrengen würden. In diesen Dingen sollte uns stets M a r i a ein Beispiel sein, als eine Seele, die voller Gnaden war." "Gott will allein das Herz, und nicht die Ceremonie, und er will auch, dass wir das, was unser Herz von ihm erlangt, im Herzen wieder austeilen sollen. 1) Wenn wir es mit Ceremonien beflecken, so treten wir in die Hoffart ein."

nicht von uns selbst haben, sondern dass sie

uns auf unsichtbare Weise durch den Geist

mitgeteilt wird, und ohne diesen geistigen Ein-

fluss könnten wir nichts ergründen, wie sehr

wir auch unsere Phantasie anstrengen würden.

In diesen Dingen sollte uns stets Maria ein Bei-

spiel sein, als eine Seele, die voller Gnaden war."

„Gott will allein das Herz, und nicht die

Ceremonie, und er will auch, dass wir das, was

unser Herz von ihm erlangt, im Herzen wieder

austeilen sollen.1) Wenn wir es mit Ceremonien

beflecken, so treten wir in die Hoffart ein."

scheidet im Worte oder der Sprache (Vach) vier Formen

oder Zustände, welche mit den vier Daseinsstufen im Weltall

korrespondieren, nämlich: Para-Vach, das in Gott ruhende

Wort, Pasyanti-Vach, das geoffenbarte Wort (Logos),

Madhyama-Vach, das innerlich ausgesprochene und

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Voikhari-Vach, das äusserlich ausgesprochene Wort.

Siehe Subba Row, „Vorträge", Lotusblüthen Bd. I.

') Vergl. „Bhagavad Gita" IV, 31.

(Fortsetzung folgt.)

10*

scheidet im Worte oder der Sprache (Va c h) vier Formen oder ZlUitände, welche mit den vier Daseinsstufen im Weltall korrespondieren, nämlich: Para-Vach, das in Gott ruhende Wort, Pasyanti-Vach, das geoffenbarte Wort (LogoI), Madhyama-Vach, das innerlich alUigesprochene und V 0 i k h a ri -Va c h, das äusserlich ausgesprochene W o~. Siebe Subba Row, "Vorträge", Lotusblüthen Bd.1. J) Vergl. "Bhagavad Gila" IV, 31. (Fortsetzung folgt.)

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Briefkasten.

Fragen von Abonnenten, welche nicht rein persönlicher Natur, son-

Briefkasten.

dern von allgemeinem Interesse sind, werden durch den Verfasser

der „Lotusblüthen" im Briefkasten besprochen.

Fragen von AboDDonten, welche nicht rein persönlicher Natur, IODdem von allgemeinem Interesse sind, werden durch den Verfasser der .Lotu.,blüthen" im Briefkasten besprochen.

A. R. in W. — Wenn man „okkulte" Dinge, die

deshalb „okkult" genannt werden, weil sie geistige Kräfte

betreffen, die erst in uns selbst zum Bewusstsein kommen

A. R. in W. -

Wenn man " okkulte" Dinge, dit: deshalb "okkult" gena~mt werden, weil sie geistige Kräfte betreffen, die erst in uns selbst zum Bewusstsein kommen müssen, ehe man sie begreifen kann, denjenigen intellektoel1 begreiflich machen könnte, welche dieselben nicht empfinden, so wären diese Dinge auch nicht "okkult". Dies ist auch mit den Schriften von Kerning der Fall, und es gilt auch hier Goethes Ausspruch: "Wenn ihrs nicht fuhlt, ihr werde~s nicht begreifen." Es ist somit auch nicht möglich, auf Ihre Fragen Erklärungen zu geben, die fiir jedermann verständlich sind, sondern wir müssen uns mit Andeutungen begnügen. I. Das "Vaterunser" kann als dne Sammlung von Mantrams oder "okku.1ten Übongen" betrachtet werden, deren fortwährendes gedankenloses "Beten" ganz nutzlos ist. Wem es aber gelingt, in den Geist der einzelnen " Bitten« einzodringen, dem öffnet sich deren Verständnis von selbst. Näheres darüber wurde bereits früher in den "LotosbI." gesagt. 2. "Sich von Christus die Füsse waschen wsen" bedeutet das Feststehen im geistigen Gehorsam gegen das Gesetz, d. h. in der Liebe. 3. Die Hände "werden lebendig" dorch die That. Wer das Gote nur wünscht, ohne es zu vollbringen, der wirkt auch nur im Mondscheine seiner Phantasie. Die innerliche Abgeschiedenheit ist die Hauptsache, die äusserliche Nebensache. Vielleicht hilft Ihnt:n Obiges auf die Spur. J. W. u. A. - Da es mir selbst mit Aufopferung aller mir zur Verfügung stehenden Zeit physisch unmöglich wäre, alle von meinen Freunden eingelaufenen freundlichen Zuschriften in kurzer Zeit zu beantworten, so bitte ich um ein wenig Geduld. "Theosophische Verbrüderung." - Die richtige "Verbrüderung aller Menschen" entspringt aus der Er-

müssen, ehe man sie begreifen kann, denjenigen intellektuell

begreiflich machen könnte, welche dieselben nicht empfin-

den, so wären diese Dinge auch nicht „okkult". Dies ist

auch mit den Schriften von Kerning der Fall, und es gilt

auch hier Goethes Ausspruch:

„Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdefs nicht begreifen."

Es ist somit auch nicht möglich, auf Ihre Fragen Er-

klärungen zu geben, die für jedermann verständlich sind,

sondern wir müssen uns mit Andeutungen begnügen.

1. Das „Vaterunser" kann als eine Sammlung von

Mantrams oder „okkulten Übungen" betrachtet werden,

deren fortwährendes gedankenloses „Beten" ganz nutzlos ist.

Wem es aber gelingt, in den Geist der einzelnen „Bitten"

einzudringen, dem öffnet sich deren Verständnis von selbst.

Näheres darüber wurde bereits früher in den „Lotusbl." gesagt.

2. „Sich von Christus die Fttsse waschen lassen" be-

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deutet das Feststehen im geistigen Gehorsam gegen das

Gesetz, d. h. in der Liebe.

3. Die Hände „werden lebendig" durch die That.

Wer das Gute nur wünscht, ohne es zu vollbringen, der

wirkt auch nur im Mondscheine seiner Phantasie.

Die innerliche Abgeschiedenheit ist die Hauptsache, die

äusserliche Nebensache.

Vielleicht hilft Ihnen Obiges auf die Spur.

J. W. u. A. — Da es mir selbst mit Aufopferung

aller mir zur Verfügung stehenden Zeit physisch unmöglich

wäre, alle von meinen Freunden eingelaufenen freundlichen

Zuschriften in kurzer Zeit zu beantworten, so bitte ich um

ein wenig Geduld.

„Theosophische Verbrüderung." — Die rich-

tige „Verbrüderung aller Menschen" entspringt aus der Er-

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kenntnis ihrer geistigen göttlichen Identität, d. h. aus der

Realisierung der Einheit des allen Menschen zu Grunde

liegenden göttlichen Wesens. Diese auf innerliche Er-

kenntnis ihrer geistigen· göttlichen Identität, d. b. aus der Realisierung der Einheit des allen Menschen zu Grunde liegenden göttlichen Wesens. Diese auf innerliche Erfahrung beruhende Erkenntnis ist die " T h e 0 8 0 phi e ", und ohne diese hat alle "Brüderschaft" keinen innerlichen Gehalt, keine lange Dauer und keinen bleibenden Wert. N. N. in 14. - Ein Buch, aus dem man keine innerliche geistige Kraft schöpfen kann, hat für uns keinen Wert. Schönrednerei ohne Geist ist wie eine leergehende Windmühle, und salbungsvolle Redensarten kann jeder Komödiant machen. Was die von Ihnen erwähnten phantastischen Abenteuer in der Traumwelt betrifft, so könnten dieselben, selbst wenn sie wahr wären, nur zur Belustigung und zum Zeitvertreib dienen. Zu einer Besprechung solcher Schriften haben wir weder Zeit noch Raum. C. R. in G. - Die Theosophie ist das eigene Geistesleben im Menschen selbst, wodurch der Mensch auf dem Wege zur Vollkommenheit fortschreitet. Alle Belehrung und Erziehung, alle Schulen und Kirchen, ja das ganze menschliche Leben auf Erden mit allen seinen Erfahrungen, haben den einen Endzweck, den Menschen zur Theosophie, d. h. lur Selbsterkenntnis des Wahren, Edlen, Guten und Schönen zu führen. Wenn somit jemand sagt, dass er nichts von der Theosophie wissen wolle, so weiss er entweder nicht, was er ~agt, oder er spricht sicb selber das Urteil. Wenn er aber meint, dass er nichts von dem Aberglauben, Autoritätenglauben, Schwärmereien und Träumen wissen wolle, die oftmals für "Theosophie" ausgegeben werden, aber keine Weisheit sind und keine Weisheit enthalten, so stimmen wir völlig damit überein. F. D. in W. - Ob man durch Gebete den Seelen der Verstorbenen Hilfe leisten kann? - Die Antwort hierauf finden Sie ausführlich in den Schriften von ]acob Böhme. In kurzem sagt uns die Vernunft, dass, solange ein Wesen, sei es auf der Erde •oder in Kam a 10 ca, noch mit den höheren Prinzipien (Atma-Buddhi-Manas) in Verbindung steht,

fahrung beruhende Erkenntnis ist die „Theosophie", und ,

ohne diese hat alle „Bruderschaft" keinen innerlichen Ge-

halt, keine lange Dauer und keinen bleibenden Wert.

N. N. in M. — Ein Buch, aus dem man keine inner-

liche geistige Kraft schöpfen kann, hat für uns keinen Wert.

Schönrednerei ohne Geist ist wie eine leergehende Wind-

mühle, und salbungsvolle Redensarten kann jeder Komödiant

machen. Was die von Ihnen erwähnten phantastischen

Abenteuer in der Traumwelt betrifft, so könnten dieselben,

selbst wenn sie wahr wären, nur zur Belustigung und zum

Zeitvertreib dienen. Zu einer Besprechung solcher Schriften

haben wir weder Zeit noch Raum.

C. R. in G. — Die Theosophie ist das eigene Geistes-

leben im Menschen selbst, wodurch der Mensch auf dem

Wege zur Vollkommenheit fortschreitet. Alle Belehrung

und Erziehung, alle Schulen und Kirchen, ja das ganze

menschliche Leben auf Erden mit allen seinen Erfahrungen,

haben den einen Endzweck, den Menschen zur Theosophie,

d. h. zur Selbsterkenntnis des Wahr en, Edlen, Guten und

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Schönen zu führen. Wenn somit jemand sagt, dass er

nichts von der Theosophie wissen wolle, so weiss er ent-

weder nicht, was er sagt, oder er spricht sich selber das

Urteil. Wenn er aber meint, dass er nichts von dem Aber-

glauben, Autoritätenglauben, Schwärmereien und Träumen

wissen wolle, die oftmals für „Theosophie" ausgegeben

werden, aber keine Weisheit sind und keine Weisheit ent-

halten, so stimmen wir völlig damit überein.

F. D. in W. — Ob man durch Gebete den Seelen

der Verstorbenen Hilfe leisten kann? — Die Antwort hierauf

finden Sie ausführlich in den Schriften von Jacob Böhme.

In kurzem sagt uns die Vernunft, dass, solange ein Wesen,

sei es auf der Erde oder in Kama loca, noch mit den

höheren Prinzipien (Atma-Bnddhi-Manas) in Verbindung steht,

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man ihm zwar nicht durch geistlose Gebete, wohl aber

durch erhabene, edle und liebevolle Empfindungen und Ge-

danken, seien dieselben nun in Worten ausgedrückt oder

man ihm ~war nicht durch geistlose Gebete, wohl aber durch erhabene, edle und liebevolle Empfindungen und Gedanken, seien dieselben nun in Worten ausgedrückt oder auch nicht. nützlich sein kann, da man dadurch die in ihm selbst enthaltenen gleichen Gefühle in Mitschwingung versetzt und erhebend auf ihn einwirkt. Ist aber bei einem Lebenden oder Verstorbenen der Faden zerrissen, der die höheren Prinzipien mit den sterblichen Teilen verbindet, so bleibt nur eine geistlose Larve zurück, ein Gebilde der Phantasie, das niemand in den Himmel hineinbeten kann. W. F. in R. - Es war auch mein Wunsch, die Lehre vom Gesetze des Kar m a auf der Bühne, auf eine leicht begreifliche Weise dargestellt zu sehen. Dieser Wunsch ist nun, wie es scheint, seiner Erfüllung nahe; denn das neueste Drama von Karl Bleibtreu , betitelt "Karma" führt uns klar vor Augen, wie die Eigenschaften, welche wir durch unsere Handlungen in einem früheren Dasein erworben haben, unserm jetzigen Charakter ~u Grunde liegen und unsere Handlungsweise in diesem Leben bestimmen. Es ist zu wünschen, dass dieses Torzügliche Drama -auf den deutschen Bühnen bald Eingang findet. L. L. in W. - Wenn wir alle den haarsträubenden Blödsinn, der über H. P. Blavatsky in Zeitungen und Büchern gedruckt wird, berichtigen oder auch nur davon Notiz nehmen wollten, so kämen wir damit niemals zu Ende. Wir kümmern uns auch nichts darum, sondern stehen dort, wo uns weder das Geschrei der Dummheit, noch das Gelächter der Narren berührt. "Theosophie" heisst innerliche Selbsterkenntnis und hat nichts mit äusserlichen Dingen der Personen zu thun. Wenn daher ein gewisser "Gelehrter" in seinem Buche schreibt, dass die "okkulten Phänomene" als Spiegelfechtereien entlarvt worden wären, und dass es somit mit der Theosophie zu Ende sei, so giebt er sieb selbst ein böses Zeugnis; denn er sqgt damit, dass seine laDse "Gottesweisheit" Dur in dem Glauben an "okkulte Phänomene" bestand.

auch nicht, nützlich sein kann, da man dadurch die in ihm

selbst enthaltenen gleichen Gefühle in Mitschwingung ver-

setzt und erhebend auf ihn einwirkt. Ist aber bei einem

Lebenden oder Verstorbenen der Faden zerrissen, der die

höheren Prinzipien mit den sterblichen Teilen verbindet, so

bleibt nur eine geistlose Larve zurück, ein Gebilde der

Phantasie, das niemand in den Himmel hineinbeten kann.

^AT. F. in R. — Es war auch mein Wunsch, die

Lehre vom Gesetze des Karma auf der Bühne, auf eine

leicht begreifliche Weise dargestellt zu sehen. Dieser

Wunsch ist nun, wie es scheint, seiner Erfüllung nahe;

denn das neueste Drama von Karl Bleibtreu, betitelt

„Karma" führt uns klar vor Augen, wie Hie Eigenschaften,

welche wir durch unsere Handlungen in einem früheren

Dasein erworben haben, unserm jetzigen Charakter zu

Grunde liegen und unsere Handlungsweise in diesem Leben

bestimmen. Es ist zu wünschen, dass dieses vorzügliche

Drama-auf den deutschen Bühnen bald Eingang findet.

L. L. in W. — Wenn wir alle den haarsträubenden

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Blödsinn, der über H. P. Blavatsky in Zeitungen und Bü-

chern gedruckt wird, berichtigen oder auch nur davon Notiz

nehmen wollten, so kämen wir damit niemals zu Ende.

Wir kümmern uns auch nichts darum, sondern stehen dort,

wo uns weder das Geschrei der Dummheit, noch das Ge-

lächter der Narren berührt. „Theosophie" heisst innerliche

Selbsterkenntnis und hat nichts mit äusserlichen Dingen der

Personen zu thun. Wenn daher ein gewisser „Gelehrter"

in seinem Buche schreibt, dass die „okkulten Phänomene"

als Spiegelfechtereien entlarvt worden wären, und dass es

somit mit der Theosophie zu Ende sei, so giebt er sich

selbst ein böses Zeugnis; denn er sagt damit, dass seine

ganze „Gottesweisheit" nur in dem Glauben an „okkulte

Phänomene" bestand.

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Populäre Vorträge.

IL

Tod, Re-inkaraation und Seelen-

Wanderung.1)

Unter der Reinkarnation oder Wieder-

verkörperung der Menschenseele versteht man

das Wiederauftreten auf der Bühne des Lebens,

der geistigen Individualität des Menschen in

einer neuen körperlichen und persönlichen Er-

scheinung auf dieser Erde oder einem andern

Planeten, nachdem der vorhergehende mensch-

liche Organismus, welchen die Seele bewohnt

hat, unbrauchbar für ihre Zwecke geworden ist.

Es herrschen über die Lehre von der Wieder-

verkörperung die verkehrtesten Ansichten, weil

Populäre Vorträge.

*) Ein Vortrag vom Verfasser der „Lotusblüthen", ge-

halten in Wien am 6. Dezember 1898 im Saale des Ingenieur-

und Architekten-Vereines auf Veranlassung des „Theosophi-

schen Vereines". (Ans dem „Wiener Journal".)

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Lotusblüthen LXXVIII. 11

II.

Tod, ReInkarnation und Seelenwanderung. 1) Unter der ReInkarnation oder Wiederverkörperung der Menschenseele versteht man das Wiederauftreten auf der Bühne des Lebens, der geistigen Individualität des Menschen in einer neuen körperlichen und persönlichen Erscheinung auf dieser Erde oder einem andern Planeten, nachdem der vorhergehende menschliche Organismus, welchen die Seele bewohnt hat, unbrauchbar für ihre Zwecke geworden ist. Es herrschen über die Lehre von der Wiederverkörperung die verkehrtesten Ansichten, weil 1) Ein Vortrag vom Verfasser der "Lotusblütben", gebalten in Wien am 6. Dezember 1898 im Saale des Ingenieurund Arcbitekten-Vereines auf Veranlassung dei"Theosophischen Vereines". (Ans dem 71 Wiener Journal".) Lotusblüthcn LXXVUI.

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manche unserer modernen Gelehrten und Orien-

talisten, die über dieselbe schreiben, dieselbe

ganz verkehrt auffassen, und sie mit der so-

manche unserer modernen Gelehrten und Orientalisten, die über dieselbe schreiben, dieselbe ganz verkehrt auffassen, und sie mit der sogenannten " Seelenwanderung" verwechseln, wobei sie sich vorstellen, dass die Seele eines Menschen (und der Himmel weiss, was sie sich darunter denken) in einen anderen Menschen oder ein Tier hineinfahre. Dies wäre allenfalls "Besessenheit" aber nicht ReInkarnation zu nennen. Wenn wir die Wiederverkörperung des Menschen begreifen wollen, so müssen wir vor allem erst erkennen, aus was für Dingen der Organismus des Menschen zusammengesetzt ist; denn wenn auch der Mensch ein einheitliches Wesen ist, so ist doch sein physischer und psychischer Organismus ein zusammengesetztes Ding, in welchem verschiedene Elemente, zwar nicht örtlich voneinander getrennt, aber als Einheiten in einer Einheit bestehen. Fragen wir den Chemiker, so sagt er uns, dass der menschliche Körper hauptsächlich aus Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Kohlenstoff bestehe. Von diesen sind die ersten drei im normalen Zustande gasförmiger Natur, und wir können daher den Menschen, so wie WIr ihn sehen, als ein Wesen betrachten, das aus

genannten „Seelenwanderung" verwechseln,

wobei sie sich vorstellen, dass die Seele eines

Menschen (und der Himmel weiss, was sie sich

darunter denken) in einen anderen Menschen

oder ein Tier hineinfahre. Dies wäre allenfalls

„Besessenheit" aber nicht Reinkarnation zu

nennen.

Wenn wir die Wiederverkörperung des

Menschen begreifen wollen, so müssen wir vor

allem erst erkennen, aus was für Dingen der

Organismus des Menschen zusammengesetzt

ist; denn wenn auch der Mensch ein einheit-

liches Wesen ist, so ist doch sein physischer

und psychischer Organismus ein zusammen-

gesetztes Ding, in welchem verschiedene Ele-

mente, zwar nicht örtlich voneinander getrennt,

aber als Einheiten in einer Einheit bestehen.

Fragen wir den Chemiker, so sagt er uns, dass

der menschliche Körper hauptsächlich aus

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Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Kohlen-

stoff bestehe. Von diesen sind die ersten drei

im normalen Zustande gasförmiger Natur, und

wir können daher den Menschen, so wie wir

ihn sehen, als ein Wesen betrachten, das aus

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— iss —

Gasen besteht, die in ihm verdichtet oder ver-

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körpert sind. Der Anatom betrachtet den

Gasen besteht, die in ihm verdichtet oder verkörpert sind. Der Anatom betrachtet den Menschen als ein aus Knochen, Muskeln, Sehnen, Blutgefässen, Nerven und verschiedenen anderen Organen zusammengesetztes Ding. Keines derselben ist an sich selbst ein Mensch, aber alle zusammen machen den menschlichen Organismus aus, und es ist keines von allen entbehrlich. Der Okkultist steht auf einem höheren Standpunkte, er sieht den Menschen nicht nur als ein materielles, sondern als ein geistiges Wesen, und er unterscheidet in ihm folgende Elemente: 1. Die materielle Natur oder den sichtbaren Körper, der aus sinnlich wahrnehmbaren Stoffen gebildet ist. . Er entspricht dem Reiche des Materiellen in der sichtbaren Welt. 2. Die Lebensenergie, welche sich als Lebensthätigkeit in den verschiedenen Organen äussert. 3. Den ätherischen oder unsichtbaren "Astralkörper" des Menschen, welcher die Grundlage des sichtbaren Körpers ist. In jedem Dinge ist eine solche unsichtbare Grundlage enthalten.

Menschen als ein aus Knochen, Muskeln, Seh-

nen, Blutgefässen, Nerven und verschiedenen

anderen Organen zusammengesetztes Ding.

Keines derselben ist an sich selbst ein Mensch,

aber alle zusammen machen den menschlichen

Organismus aus, und es ist keines von allen

entbehrlich.

Der Okkultist steht auf einem höheren

Standpunkte, er sieht den Menschen nicht nur

als ein materielles, sondern als ein geistiges

Wesen, und er unterscheidet in ihm folgende

Elemente:

1. Die materielle Natur oder den sichtbaren

Körper, der aus sinnlich wahrnehmbaren

Stoffen gebildet ist. Er entspricht dem

Reiche des Materiellen in der sichtbaren

Welt.

2. Die Lebensenergie, welche sich als

Lebensthätigkeit in den verschiedenen Or-

ganen äussert.

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3. Den ätherischen oder unsichtbaren

„Astralkörper" des Menschen, welcher

die Grundlage des sichtbaren Körpers ist.

In jedem Dinge ist eine solche unsichtbare

Grundlage enthalten.

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4. Die menschliche Tiernatur, aus der die

15 6 -

Instinkte, Begierden und Leidenschaften ent-

4. Die menschliche Tiernatur, aus der die Instinkte, Begierden und Leidenschaften entspringen. Dies ist die "tierische Seele". 5. Die intellektuelle Natur, der Sitz der Verstandesthätigkeit, der Spekulation, F orschung und Phantasie. Dies ist die "menschliche Seele". 6. Die m e n s c h li c h - g ö t t1 ich e N at ur, welche der Sitz der Intuition, der direkten Erkenntnis der Wahrheit und der höheren Erleuchtung ist. Dies ist die "himmlische Seele" . 7. Den göttlichen Geist, d. h. das wahre· Selbstbewusstsein, welches keinen Egoismus kennt und in selbstloser Liebe die ganze Welt und alle Geschöpfe umfasst. Ob diese Einteilung richtig ist, davon kann sich jeder selbst überzeugen, wenn er sich selber erforscht und erkennt, womit ich aber nicht sagen will, dass es für jeden ein Leichtes ist, die in ihm schlummemde Gottesnatur zu erwecken und zu erkennen, denn sonst hiesse es auch nicht in der Bibel: "Wisset ihr nicht, dass ihr Tempel Gottes seid, und dass der Geist Gottes in euch wohnet. Der seid ihr." Die vier ersten Prinzipien gehören der sterblichen Natur des Menschen, mit andern Worten

springen. Dies ist die „tierische Seele".

5. Die intellektuelle Natur, der Sitz der

Verstandesthätigkeit, der Spekulation, For-

schung und Phantasie. Dies ist die „mensch-

liche Seele".

6. Die menschlich-göttliche Natur,

welche der Sitz der Intuition, der direkten

Erkenntnis der Wahrheit und der höheren

Erleuchtung ist. Dies ist die „himmlische

Seele".

7. Den göttlichen Geist, d. h. das wahre

Selbstbewusstsein, welches keinen Egoismus

kennt und in selbstloser Liebe die ganze

Welt und alle Geschöpfe umfasst.

Ob diese Einteilung richtig ist, davon kann

sich jeder selbst überzeugen, wenn er sich

selber erforscht und erkennt, womit ich aber

nicht sagen will, dass es für jeden ein Leichtes

ist, die in ihm schlummernde Gottesnatur zu

erwecken und zu erkennen, denn sonst hiesse

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es auch nicht in der Bibel: „Wisset ihr nicht,

dass ihr Tempel Gottes seid, und dass der

Geist Gottes in euch wohnet. Der seid ihr."

Die vier ersten Prinzipien gehören der sterb-

lichen Natur des Menschen, mit andern Worten

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dem „Fleische", die zwei höchsten dem gött-

lichen Leben, dem Geiste an. Durch das

fünfte, welches im Indischen Manas (Gemüt)

dem "Fleische", die zwei höchsten dem göttlichen Leben, dem Geiste an. Durch das fünfte, welches im Indischen Manas (Gemüt) genannt wird, ist das Unsterbliche mit dem Sterblichen verbunden, d. h. es existieren in der Menschenseele höhere und niedere Seelenkräfte; es sind im Gemüte wahre Erkenntnis des Ewigen und vergängliches Träumen und Forschen miteinander verbunden. Goethe drückt dies in seinem Faust in den bekannten Versen aus:

genannt wird, ist das Unsterbliche mit dem

Sterblichen verbunden, d. h. es existieren in

der Menschenseele höhere und niedere Seelen-

kräfte; es sind im Gemüte wahre Erkenntnis

des Ewigen und vergängliches Träumen und

Forschen miteinander verbunden. Goethe drückt

dies in seinem Faust in den bekannten Versen

aus:

„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,

Die eine will sich von der andern trennen." u.». w.

Sie sind gleichsam die zwei Pole der Seele,

von denen jeder nach seinem Ursprunge gra-

vitiert; das Himmlische nach dem Ewigen, das

Vergängliche nach der Vernichtung. Jedes

Ding strebt nach Ruhe und findet sie in der

Quelle, woraus es geflossen ist; der göttliche

Geist in Gott, das Irdische und Vergängliche

im Materiellen und in der Vergänglichkeit.

Die Neigungen, Talente, Begierden, Cha-

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raktereigenschaften u. s. w., welche zum sterb-

lichen Wesen des Menschen gehören, werden

von den Buddhisten Skandha's, von den

"Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, Die eine will lieh von der andern trennen." u. I. W.

christlichen Mystikern „das Fleisch" genannt.

Wenn der Christ in seinem Glaubensbekennt-

Sie sind gleichsam die zwei Pole der Seele, von denen jeder nach seinem Ursprunge gravitiert; das Himmlische nach dem Ewigen, das Vergängliche nach der Vernichtung. Jedes Ding strebt nach Ruhe und findet sie in der Quelle woraus es geflossen ist; der göttliche Geist in Gott, das Irdische und Vergängliche im Materiellen und in der Vergänglichkeit. Die Neigungen, Talente, Begierden, Charaktereigenschaften u. s. w., welche zum sterblichen Wesen des Menschen gehören, werden von den Buddhisten S k a nd h a 's, von den christlichen Mystikern "das Fleisch" genannt. Wenn der Christ in seinem GlaubensbekenntI

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nisse sagt: „Ich glaube an die Auferstehung

des Fleisches," so drückt er, vorausgesetzt,

dass er den Sinn dieser Worte richtig versteht,

nisse sagt: "Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches," so drückt er, vorausgesetzt, dass er den Sinn dieser Worte richtig versteht, seinen Glauben an die Wiederverkörperung gerade so aus, wie der Buddhist, welcher sagt: "Ich glaube an ein Wiederzusammentreten der S k an d h a' s; denn es ist nicht der physische oder psychische Organismus des Menschen, welcher in einen neugebornen Körper hineinwandert, sondern die geistigen Elemente, welche die frühere Persönlichkeit des Menschen als individuellen Charakter darstellten, bauen sich auf ganz natürlichem Wege eine neue Persönlichkeit auf, ein neues Haus, welches sie wieder bewohnen. Somit treten der Geist und die Seelenkräfte des Menschen in einer neuen Erscheinung auf, gleichsam wie ein Schauspieler, der immer derselbe Mensch ist, wenn er auch an verschiedenen Abenden unter verschiedenen Masken auf der Bühne auftritt und verschiedene Rollen nacheinander spielt. Um uns von dem Vorgange bei der Wiederverkörperung eine richtige Vorstellung zu machen, müssen wir fähig sein, zwischen den allgemeinen unsichtbaren Prinzipien oder Kräften, und den Formen, in welchen dieselben offenbar werden, zu unterscheiden. Jede

seinen Glauben an die Wiederverkörperung

gerade so aus, wie der Buddhist, welcher sagt:

„Ich glaube an ein Wiederzusammentreten der

Skandha's; denn es ist nicht der physische

oder psychische Organismus des Menschen,

welcher in einen neugebornen Körper hinein-

wandert, sondern die geistigen Elemente, welche

die frühere Persönlichkeit des Menschen als

individuellen Charakter darstellten, bauen sich

auf ganz natürlichem Wege eine neue Persön-

lichkeit auf, ein neues Haus, welches sie wieder

bewohnen. Somit treten der Geist und die

Seelenkräfte des Menschen in einer neuen Er-

scheinung auf, gleichsam wie ein Schauspieler,

der immer derselbe Mensch ist, wenn er auch

an verschiedenen Abenden unter verschiedenen

Masken auf der Bühne auftritt und verschiedene

Rollen nacheinander spielt.

Um uns von dem Vorgange bei der Wieder-

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verkörperung eine richtige Vorstellung zu

machen, müssen wir fähig sein, zwischen den

allgemeinen unsichtbaren Prinzipien oder Kräf-

ten, und den Formen, in welchen dieselben

offenbar werden, zu unterscheiden. Jede

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Entwicklung einer Form ist eine Wiederverkör-

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perung freigewordener Kräfte. Ein Eisklotz

Entwicklung einer Form ist eine Wiederverkörperung freigewordener Kräfte. Ein Eisklatz schmilzt und wird zu Wasser, das Wasser verdunstet und wird unsichtbar; der Wasserdampf in der Luft wird wieder zu Nebel, der Nebel zieht sich in Wolken zusammen, bildet Regen, feillt zur Erde, läuft in Pfützen zusammen und gefriert wieder zu Eis. Ähnlich verhält es sich auch mit den höheren Prinzipien, Kräften oder Substanzen, die wir "immateriell" nennen, weil sie für unsere äusserlichen materiellen Sinne nicht sichtbar und greifbar sind. Gerade so, wie das Wasser in einem Eisklotz nicht von dem Eisklatz erschaffen wurde, so wird auch das Leben in einer lebendigen Form nicht von dieser Form erschaffen, sondern die im ganzen Weltall verbreitete, einheitliche Lebensenergie oder Lebenskraft offenbart sich in einem dazu geeigneten Organismus, den sie sich selbst erbaut, als dessen Lebensthätigkeit und macht ihn dadurch lebendig. So ist es auch mit den höheren Prinzipien der Fall. Die Materie wird vom Reiche der materiellen Elemente in der Natur aufgebaut; mit anderen Worten, das Reich der Materie verkörpert sich in einer sich entwickelnden Form, die durch das Materielle in der Natur ernährt wird; der Äther ernährt das

schmilzt und wird zu Wasser, das Wasser ver-

dunstet und wird unsichtbar; der Wasserdampf

in der Luft wird wieder zu Nebel, der Nebel

zieht sich in Wolken zusammen, bildet Regen,

fällt zur Erde, läuft in Pfützen zusammen und

gefriert wieder zu Eis. Ahnlich verhält es sich

auch mit den höheren Prinzipien, Kräften oder

Substanzen, die wir „immateriell" nennen, weil

sie für unsere äusserlichen materiellen Sinne

nicht sichtbar und greifbar sind. Gerade so,

wie das Wasser in einem Eisklotz nicht von

dem Eisklotz erschaffen wurde, so wird auch

das Leben in einer lebendigen Form nicht von

dieser Form erschaffen, sondern die im ganzen

Weltall verbreitete, einheitliche Lebensenergie

oder Lebenskraft offenbart sich in einem dazu

geeigneten Organismus, den sie sich selbst

erbaut, als dessen Lebensthätigkeit und macht

ihn dadurch lebendig. So ist es auch mit den

höheren Prinzipien der Fall. Die Materie wird

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vom Reiche der materiellen Elemente in der

Natur aufgebaut; mit anderen Worten, das Reich

der Materie verkörpert sich in einer sich ent-

wickelnden Form, die durch das Materielle in

der Natur ernährt wird; der Äther ernährt das

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— i6o —

Ätherische, die Lebenskraft in der Natur ernährt

-

das Lebendige; die Kräfte, welche Instinkte

Ätherische, die Lebenskraft in der Natur ernährt das Lebendige; die Kräfte, welche Instinkte und Leidenschaften darstellen und als "Elementals" bezeichnet werden, ziehen in das Gemüt des Menschen und der Tiere ein und ernähren und vermehren die Begierden und Leidenschaften derselben; der Intellekt des Menschen sammelt seine Gedanken aus dem Reiche der Ideen und wird dadurch ernährt; grosse und kleine Ideen werden dadurch in ihm verkörpert oder "reinkarniert". Ebenso ernährt sich seine unsterbliche Seele durch die Erkenntnis der Wahrheit, sein göttlicher Geist durch den heiligen Geist der Weisheit in der ganzen Gottesnatur. Wir brauchen nicht blindlings an die Wiederverkörperung zu glauben, noch uns nach "Autoritäten" umzusehen, welche dieselbe behaupteten; wir brauchen nur die Augen aufzumac~en und zu betrachten, was zu jeder Stunde um uns und in uns selbst vorgeht, und wir haben dann alle denkbaren Beweise vor uns. Nur müssen wir uns von dem Wahne losmachen, dass eine tote Form aus sich selbst lebendige Kräfte erzeugen könne. Wir müssen uns auf den Standpunkt des grossen Weisen Sankaracharya stellen, welcher schon vor mehr als

und Leidenschaften darstellen und als „Elemen-

tais" bezeichnet werden, ziehen in das Gemüt

des Menschen und der Tiere ein und ernähren

und vermehren die Begierden und Leiden-

schaften derselben; der Intellekt des Menschen

sammelt seine Gedanken aus dem Reiche der

Ideen und wird dadurch ernährt; grosse und

kleine Ideen werden dadurch in ihm verkörpert

oder „reinkarniert". Ebenso ernährt sich seine

unsterbliche Seele durch die Erkenntnis der

Wahrheit, sein göttlicher Geist durch den hei-

ligen Geist der Weisheit in der ganzen Gottes-

natur.

Wir brauchen nicht blindlings an die Wieder-

verkörperung zu glauben, noch uns nach „Auto-

ritäten" umzusehen, welche dieselbe behaupte-

ten; wir brauchen nur die Augen aufzumachen

und zu betrachten, was zu jeder Stunde um

uns und in uns selbst vorgeht, und wir haben

dann alle denkbaren Beweise vor uns. Nur

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müssen wir uns von dem Wahne losmachen,

dass eine tote Form aus sich selbst lebendige

Kräfte erzeugen könne. Wir müssen uns auf

den Standpunkt des grossen Weisen Sankara-

charya stellen, welcher schon vor mehr als

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161

zweitausend Jahren lehrte, dass die erste Be-

dingung zur Erkenntnis der Wahrheit der Besitz

der Fähigkeit sei, das Dauernde von dem Nicht-

zweitausend Jahren lehrte, dass die erste Bedingung zur Erkenntnis der Wahrheit der Besitz der Fähigkeit sei, das Dauernde von dem Nichtdauernden, d. h. die unsichtbare Kraft oder das Prinzip von der vergänglichen Form, in der es sich offenbart oder verkörpert, zu unterscheiden. Wir müssen uns auf den entgegengesetzten Standpunkt der Anschauung jener modernen Nichtswisserei stellen, welche sich einbildet, dass der Körper des Menschen Leben, Intelligenz und Geist erschaffe, und einsehen lernen, dass es der Geist ist, welcher den Körper des Menschen scham, in welchem Leben, Bewusstsein, Intelligenz und Erkenntnis offenbar werden. Um Missverständnisse zu vermeiden, müssen wir bemerken, dass, wenn wir von "Stoff" t "Kraft" und "Geist" oder "Bewusstsein" sprechen wir darunter nicht die voneinander getrennten und für sich selbst bestehenden Dinge bezeichnen wollen, sondern diese drei Namen sind nur Bezeichnungen für drei Vorstellungsformen oder Anschauungen, welche wir uns von der ewigen Einheit machen, für welche es keinen Namen giebt und die das Wesen von allen Dingen ist. Man könnte diese alles umfassende und alldurchdringende Einheit vielleicht als "Gott" bezeichnen; aber auch diese

dauernden, d. h. die unsichtbare Kraft oder das

Prinzip von der vergänglichen Form, in der es

sich offenbart oder verkörpert, zu unterscheiden.

Wir müssen uns auf den entgegengesetzten

Standpunkt der Anschauung jener modernen

Nichtswisserei stellen, welche sich einbildet,

dass der Körper des Menschen Leben, Intelli-

genz und Geist erschaffe, und einsehen lernen,

dass es der Geist ist, welcher den Körper des

Menschen schafft, in welchem Leben, Bewusst-

sein, Intelligenz und Erkenntnis offenbar werden.

Um Missverständnisse zu vermeiden, müssen

wir bemerken, dass, wenn wir von „Stoff",

„Kraft" und „Geist" oder „Bewusstsein" spre-

chen, wir darunter nicht die voneinander ge-

trennten und für sich selbst bestehenden Dinge

bezeichnen wollen, sondern diese drei Namen

sind nur Bezeichnungen für drei Vorstellungs-

formen oder Anschauungen, welche wir uns

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von der ewigen Einheit machen, für welche es

keinen Namen giebt und die das Wesen von

allen Dingen ist. Man könnte diese alles um-

fassende und alldurchdringende Einheit viel-

leicht als „Gott" bezeichnen; aber auch diese

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Bezeichnung ist unvollkommen; denn abgesehen

davon, dass es für „Gott" keinen menschlichen

Bezeichnung ist unvollkommen; denn abgesehen davon, dass es für "Gott" keinen menschlichen Begriff giebt, weil der beschränkte Intellekt das Grenzenlose nicht fassen kann, und ein Gott, den ein Mensch begreifen könnte, niedriger stünde als ein sterblicher Mensch, ist auch eine Einheit von Stoff, Kraft und latentem Bewusstsein noch kein Gott, ebensowenig als der Raum an sich eine Gottheit ist. Nur dasjenige Wesen kann einen Gott darstellen, in welchem das Gottesbewusstsein lebendig geworden ist. Die moderne, materielle Wissenschaft ist zu der Einsicht einer Wahrheit gekommen, welche die Weisen schon vor vielen tausenden von Jahren gepredigt haben, nämlich, dass es keinen Stoff ohne Energie und keine Kraft ohne Stoff gäbe. Die okkulte Wissenschaft, welche die Weisen lehren, sagt uns aber auch, dass es weder Kraft noch Stoff ohne Bewusstsein (Geist) und kein Bewusstsein ohne Kraft und Stoff gäbe. So wie sogar in einem Eisklotz latente Wärme und in einem Wassertropfen Dampfkraft enthalten sind und darin entwickelt werden können, so ist auch in jedem Dinge Bewusstsein enthalten und wird dadurch offenbar, dass es erweckt wird.

Begriff giebt, weil der beschränkte Intellekt

das Grenzenlose nicht fassen kann, und ein

Gott, den ein Mensch begreifen könnte, nie-

driger stünde als ein sterblicher Mensch, ist

auch eine Einheit von Stoff, Kraft und latentem

Bewusstsein noch kein Gott, ebensowenig als der

Raum an sich eine Gottheit ist. Nur das-

jenige Wesen kann einen Gott darstellen, in

welchem das Gottesbewusstsein lebendig ge-

worden ist.

Die moderne, materielle Wissenschaft ist

zu der Einsicht einer Wahrheit gekommen,

welche die Weisen schon vor vielen tausenden

von Jahren gepredigt haben, nämlich, dass es

keinen Stoff ohne Energie und keine Kraft ohne

Stoff gäbe. Die okkulte Wissenschaft, welche

die Weisen lehren, sagt uns aber auch, dass

es weder Kraft noch Stoff ohne Bewusstsein

(Geist) und kein Bewusstsein ohne Kraft und

Stoff gäbe. So wie sogar in einem Eisklotz

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latente Wärme und in einem Wassertropfen

Dampfkraft enthalten sind und darin entwickelt

werden können, so ist auch in jedem Dinge

Bewusstsein enthalten und wird dadurch offenbar,

dass es erweckt wird.

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So ist auch in jedem Menschenherzen ein

Funke des Gottesbewusstseins enthalten und

wird dadurch im Menschen offenbar, dass es

So ist auch in jedem Menschenherzen em Funke des Gottesbewusstseins enthalten und wird dadurch im Menschen offenbar, dass es erweckt wird. Wäre dies nicht der Fall, so könnte die Gottheit sich nicht in ihm verkörpern; der Geist Gottes könnte ihn nicht ernähren und er könnte nicht das Ebenbild Gottes oder ein Symbol der Gottheit werden, was doch der höchste Zweck seines Daseins auf Erden ist. Betrachten wir nun den Vorgang der Wiederverkörperung des Menschen, wie er sich im alltäglichen Leben vor uns abspielt: 1. Das materielle Prinzip. Wenn die Empfangnis im mütterlichen Organismus stattgefunden hat, so ist damit ein Mittelpunkt der Anziehung fur materielle Kräfte geschaffen. Die Lebenselemente der Natur wirken durch den Organismus der Mutter darauf ein, ernähren und entwickeln den Kern, und es verkörpert sich in ihm die materielle Natur, indem sie eine neue menschliche Form bildet. Die Eltern des Kindes sind die Vermittler dieser Wiederverkörperung , und von ihrem Gesundheitszustande hängt es ab, ob das Kind einen gesunden oder kranken Körper mit auf die Welt bringt. Mit dem Geiste des Kindes hat

erweckt wird. Wäre dies nicht der Fall, so

könnte die Gottheit sich nicht in ihm ver-

körpern; der Geist Gottes könnte ihn nicht

ernähren und er könnte nicht das Ebenbild

Gottes oder ein Symbol der Gottheit werden,

was doch der höchste Zweck seines Daseins

auf Erden ist.

Betrachten wir nun den Vorgang der Wieder-

verkörperung des Menschen, wie er sich im

alltäglichen Leben vor uns abspielt:

1. Das materielle Prinzip. Wenn die

Empfängnis im mütterlichen Organismus statt-

gefunden hat, so ist damit ein Mittelpunkt der

Anziehung für materielle Kräfte geschaffen.

Die Lebenselemente der Natur wirken durch

den Organismus der Mutter darauf ein, er-

nähren und entwickeln den Kern, und es ver-

körpert sich in ihm die materielle Natur, indem

sie eine neue menschliche Form bildet. Die

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Eltern des Kindes sind die Vermittler dieser

Wiederverkörperung, und von ihrem Gesund-

heitszustande hängt es ab, ob das Kind einen

gesunden oder kranken Körper mit auf die

Welt bringt. Mit dem Geiste des Kindes hat

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dieser Vorgang nichts zu thun. Wenn Kinder

-

Charaktereigenschaften entwickeln, die denen

der Eltern ähnlich sind, so ist die Ursache

dieser Vorgang nichts zu thun. Wenn Kinder Charaktereigenschaften entwickeln, die denen der Eltern ähnlich sind, so ist die Ursache davon, wie wir in Folgendem sehen werden, in einem ganz anderen Grunde zu suchen. 2. Die Lebenskraft. Solange das Kind im Mutterleibe enthalten ist oder durch die Nabelschnur von dem mütterlichen Körper ernährt wird, bat es gewissermassen noch kein eigenes Leben; sobald es aber zu atmen anfangt, fangt es auch für sich selbst zu leben an, d. h. die durch die ganze Natur verbreitete einheitliche Lebenskraft wird von ihm teilweise aufgenommen und offenbart sich in ihm als die ihm eigene Lebenskraft und Lebensthätigkeit. Wäre im Organismus des Kindes kein Anziehungspunkt für die Lebenskraft enthalten, so könnte es auch nicht Leben in sich aufnehmen. Dieser Anziehungspunkt oder Lebenskeim ist aber der Geist des Lebens selbst, der aus der Quelle alles Lebens entspringt. Der Geist Gottes im Weltall oder die geistige Lebenskraft wird von den Indiern als n]iva" bezeichnet; das materielle Leben ist dessen Abspiegelung oder Wiederschein und wird n Prana " genannt. Dadurch, dass ein Funke von n]iva" vorhanden ist, tritt "p r an a" in Thätigkeit, und

davon, wie wir in Folgendem sehen werden,

in einem ganz anderen Grunde zu suchen.

2. Die Lebenskraft. Solange das Kind

im Mutterleibe enthalten ist oder durch die

Nabelschnur von dem mütterlichen Körper er-

nährt wird, hat es gewissermassen noch kein

eigenes Leben; sobald es aber zu atmen an-

fängt, fängt es auch für sich selbst zu leben

an, d. h. die durch die ganze Natur verbreitete

einheitliche Lebenskraft wird von ihm teilweise

aufgenommen und offenbart sich in ihm als

die ihm eigene Lebenskraft und Lebensthätig-

keit. Wäre im Organismus des Kindes kein

Anziehungspunkt für die Lebenskraft enthalten,

so könnte es auch nicht Leben in sich auf-

nehmen. Dieser Anziehungspunkt oder Lebens-

keim ist aber der Geist des Lebens selbst, der

aus der Quelle alles Lebens entspringt. Der

Geist Gottes im Weltall oder die geistige Lebens-

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kraft wird von den Indiern als „Jiva" bezeich-

net; das materielle Leben ist dessen Abspiege-

lung oder Wiederschein und wird „Prana"

genannt. Dadurch, dass ein Funke von „Jiva"

vorhanden ist, tritt „Prana" in Thätigkeit, und

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- i65 -

es offenbart sich Leben und Bewusstsein im

Menschen. In diesem, wenn auch noch schlum-

es offenbart sich Leben und Bewusstsein im Menschen. In diesem, wenn auch noch schlummernden geistig- göttlichen Lebensfunken besteht des Menschen geistige Individualität. Auch ist dieses geistige Leben in allen Dingen enthalten; denn alle Dinge sind aus dem Worte Gottes gebildet (I. Joh. I, I); aber nicht jeder Organismus ist dazu geeignet, dass der Geist Gottes in ihm offenbar werden kann. 3. Der ätherische Körper. Zugleich mit der Entwicklung des materiellen, sichtbaren Körpers bildet sich der ätherische aus; denn ohne den letzteren wäre der erstere nicht vorhanden, weil der sichtbare Körper nichts anderes als die materielle Erscheinung oder Larve des ätherischen Körpers ist. Es findet somit eine unsichtbare Verkörperung von Ätheratomen zugleich mit der Fleischwerdung der materiellen Atome statt. Es ist hier nicht der geeignete Ort näher auf die Eigenschaften dieses sogenannten "ätherischen" Körpers oder "Doppelgängers" einzugehen. Die Indier nennen ihn Linga sharira und er spielt eine grosse Rolle in den Phänomenen der Spiritisten. Da dieser Ätherleib unter gewissen Umständen aus dem materiellen Körper heraustreten und objektiv erscheinen, ja sogar äusserlich sichtbar und

mernden geistig-göttlichen Lebensfunken be-

steht des Menschen geistige Individualität.

Auch ist dieses geistige Leben in allen Dingen

enthalten; denn alle Dinge sind aus dem Worte

Gottes gebildet (1. Joh. I, i); aber nicht jeder

Organismus ist dazu geeignet, dass der Geist

Gottes in ihm offenbar werden kann.

3. Der ätherische Körper. Zugleich

mit der Entwicklung des materiellen, sichtbaren

Körpers bildet sich der ätherische aus; denn

ohne den letzteren wäre der erstere nicht vor-

handen, weil der sichtbare Körper nichts an-

deres als die materielle Erscheinung oder Larve

des ätherischen Körpers ist. Es findet somit

eine unsichtbare Verkörperung von Ätheratomen

zugleich mit der Fleischwerdung der materiellen

Atome statt. Es ist hier nicht der geeignete

Ort näher auf die Eigenschaften dieses so-

genannten „ätherischen" Körpers oder „Doppel-

gängers" einzugehen. Die Indier nennen ihn

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Linga sharira und er spielt eine grosse Rolle

in den Phänomenen der Spiritisten. Da dieser

Atherleib unter gewissen Umständen aus dem

materiellen Körper heraustreten und objektiv

erscheinen, ja sogar äusserlich sichtbar und

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— 166 —

greifbar werden kann, so glaubt mancher es

mit Gespenstern oder „Geistern" von Verstor-

greifbar werden kann, so glaubt mancher es mit Gespenstern oder "Geistern" von Verstorbenen zu thun zu haben, während doch nur sein eigenes ätherisches Spiegelbild die Ursache von solchen Erscheinungen ist. 4. Die Tiernatur. Kaum hat das Leben und mit ihm Empfindung und Wahrnehmung seinen Einzug im Körper des neugeborenen Kindes gehalten, so verkörpert sich und wächst in ihm auch die Tiernatur. Hunger und Durst und die Begierde nach glänzenden Dingen stellen sich ein; das Tier im Menschen verlangt nach diesem und jenem; der Kampf ums Dasein und um Genuss beginnt, und nimmt mit dem Alter zu. Jede erwachende Leidenschaft ernährt sich durch die ihr gleichartigen Elemente, und diese werden durch die Handlungen der Menschen zu seinem eigenen Wesen; sie verkörpern sich in ihm und bilden die vielen, stets veränderlichen "Ichheiten" oder Formen des falschen Selbstbewusstseins, aus denen der egoistische und tierische Mensch zusammengesetzt ist. Manches menschenähnliche Geschöpf führt ein tierisches oder ein viehisches Dasein, wird geboren, heiratet, zeugt Kinder und stirbt, ohne dass jemals die eigentliche Menschenseele in ihm zur Verkörperung gelangt.

benen zu thun zu haben, während doch nur

sein eigenes ätherisches Spiegelbild die Ursache

von solchen Erscheinungen ist.

4. Die Tiernatur. Kaum hat das Leben

und mit ihm Empfindung und Wahrnehmung

seinen Einzug im Körper des neugeborenen

Kindes gehalten, so verkörpert sich und wächst

in ihm auch die Tiernatur. Hunger und Durst

und die Begierde nach glänzenden Dingen

stellen sich ein; das Tier im Menschen verlangt

nach diesem und jenem; der Kampf ums Da-

sein und um Genuss beginnt, und nimmt mit

dem Alter zu. Jede erwachende Leidenschaft

ernährt sich durch die ihr gleichartigen Ele-

mente, und diese werden durch die Handlungen

der Menschen zu seinem eigenen Wesen; sie

verkörpern sich in ihm und bilden die vielen,

stets veränderlichen „Ichheiten" oder Formen

des falschen Selbstbewusstseins, aus denen der

egoistische und tierische Mensch zusammen-

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gesetzt ist. Manches menschenähnliche Ge-

schöpf führt ein tierisches oder ein viehisches

Dasein, wird geboren, heiratet, zeugt Kinder

und stirbt, ohne dass jemals die eigentliche

Menschenseele in ihm zur Verkörperung gelangt.

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— 167 —

Solche Idioten sind selbst unter den „Gebil-

deten" keine Seltenheit.

5. Die rationelle Natur. Wenn der

Solche Idioten sind selbst unter den "Gebildeten" keine Seltenheit. S. Die rationelle Natur. Wenn der Mensch eine gewisse Reife erlangt hat, so fängt das intellektuelle Prinzip, von den Indiem "Manas" genannt, an, sich in ihm zu entwickeln und zu verkörpern. Es ist dies dasjenige Pri~zip, welches ihn befähigt, vermittelst seines Gehirnes zu denken, Ideen zu sammeln, sie miteinander zu verbinden, sie zu analysieren und im Gedächtnisse aufzubewahren. Diesem Prinzip wohnt an sich noch keine wahre Erkenntnisfähigkeit inne; denn diese ist eine Kraft, welche dem nächst höheren Prinzip, "Buddhi" genannt, angehört und Eigentum des inneren, unsterblichen Menschen, der göttlichen Seele ist. Es giebt viele Menschen, in denen das rationelle Prinzip hoch entwickelt ist und die doch keinen Geist haben. Die rationelle Natur ist in ihnen überfüttert, gemästet und krankhaft, wie eine Gansleber hypertrophiert, während ihre Seele verhungert. So findet man nicht selten seel enlose Gelehrte, mit wenig Vernunft, aber vielen Hirngespinnsten, Theorien und Meinungen. Ihre Köpfe sind voll gelehrten Krames, aber die Herzen leer. Aus solchen entwickeln sich Teufel in Menschengestalt, die kein Mitleid

Mensch eine gewisse Reife erlangt hat, so fängt

das intellektuelle Prinzip, von den Indiern

„Manas" genannt, an, sich in ihm zu ent-

wickeln und zu verkörpern. Es ist dies das-

jenige Prinzip, welches ihn befähigt, vermittelst

seines Gehirnes zu denken, Ideen zu sammeln,

sie miteinander zu verbinden, sie zu analysieren

und im Gedächtnisse aufzubewahren. Diesem

Prinzip wohnt an sich noch keine wahre Er-

kenntnisfähigkeit inne; denn diese ist eine Kraft,

welche dem nächst höheren Prinzip, „Buddhi"

genannt, angehört und Eigentum des inneren,

unsterblichen Menschen, der göttlichen Seele

ist. Es giebt viele Menschen, in denen das

rationelle Prinzip hoch entwickelt ist und die

doch keinen Geist haben. Die rationelle Natur

ist in ihnen überfüttert, gemästet und krankhaft,

wie eine Gansleber hypertrophiert, während

ihre Seele verhungert. So findet man nicht

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selten seelenlose Gelehrte, mit wenig Vernunft,

aber vielen Hirngespinnsten, Theorien und Mei-

nungen. Ihre Köpfe sind voll gelehrten Krames,

aber die Herzen leer. Aus solchen entwickeln

sich Teufel in Menschengestalt, die kein Mitleid

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168

— 168 —

oder Erbarmen und keine wahre Liebe kennen.

Sie würden die ganze Welt zu Grunde richten,

oder Erbarmen und keine wahre Liebe kennen. Sie würden die ganze Welt zu Grunde richten, wenn sie es könnten, nur um damit ihre wissenschaftliche Neugierde zu befriedigen. Solche Menschen werden geboren, leben und sterben, ohne dass in ihnen jemals das Prinzip der wahren Menschennatur zur Wiederverkörperung kommt. 6. Die göttliche Natur. Dieses Prinzip, "Buddhi" genannt, von "Atm a - Bodh" (Atma = Geist, Bodh = das Licht) bedeutet das geistige Licht der Wahrheit; es ist das "Christus-Prinzip" im Menschen, welches Manas erleuchtet und von welchem es in der Bibel heisst: "Das Licht scheint ewig in die Dunkelheit, und die Dunkelheit (der umnachtete, irdische Menschenverstand) kann es nicht begreifen. Wäre dieses Prinzip bereits in uns völlig wiederverkörpert, so wie es angeblich in Jesus von Nazareth verkörpert war, so wären wir vollkommen und im Geiste wiedergebome Menschen. Deshalb wird auch ein Mensch, in welchem dieses göttliche Licht Eingang gefunden hat, und der von ihm erleuchtet ist, ein Buddha, d. h. ein Erleuchteter genannt. Dieses geistige Licht gehört der oberen Dreiheit im Weltall, Atma-Buddhi-Manas,

wenn sie es könnten, nur um damit ihre wissen-

schaftliche Neugierde zu befriedigen. Solche

Menschen werden geboren, leben und sterben,

ohne dass in ihnen jemals das Prinzip der

wahren Menschennatur zur Wiederverkörperung

kommt.

6. Die göttliche Natur. Dieses Prinzip,

„Buddhi" genannt, von „Atma-Bodh"

(Atma = Geist, Bodh = das Licht) bedeutet

das geistige Licht der Wahrheit; es ist das

„Christus-Prinzip" im Menschen, welches Manas.

erleuchtet und von welchem es in der Bibel

heisst: „Das Licht scheint ewig in die Dunkel-

heit, und die Dunkelheit (der umnachtete,

irdische Menschenverstand) kann es nicht be-

greifen. Wäre dieses Prinzip bereits in uns

völlig wiederverkörpert, so wie es angeblich in

Jesus von Nazareth verkörpert war, so wären

wir vollkommen und im Geiste wiedergeborne

Menschen. Deshalb wird auch ein Mensch, in

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welchem dieses göttliche Licht Eingang ge-

funden hat, und der von ihm erleuchtet ist, ein

Buddha, d. h. ein Erleuchteter genannt.

Dieses geistige Licht gehört der oberen

Dreiheit im Weltall, Atma-Buddhi-Manas,

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— 16g —

-

d. h. dem unteilbaren Allgeiste, dessen Licht

169 -

und Substanz, mit anderen Worten, der heiligen

Dreieinigkeit, an. Es kann den Menschen er-

d. h. dem unteilbaren Allgeiste , dessen Licht und Substanz, mit anderen Worten, der heiligen Dreieinigkeit, an. Es kann den Menschen er.. leuchten, aber nicht von der Gottheit losgetrennt werden. Wenn dieses göttliche Licht der Gotteserkenntnis im" Menschen aufgehen soll, so muss der· Mensch selbst den Wahn seiner Selbstheit verlassen; seine von diesem Lichte erfüllte Seele geht in diesem Lichte auf und nimmt teil an dessen Allbewusstsein , Allgegenwart und Allwissenheit. Dies ist der Zustand der Erleuchtung t welche von den Buddhisten "Samadhi" genannt wird. Wir sehen somit, dass das fünfte Prinzip, Manas, teilweise dem unteilbaren Ewigen und Unendlichen, teilweise dem Zeitlichen und Ver.. gänglichen angehört, d. h. die unteren Seelen.. kräfte des Gemütes streben nach dem Irdischen und dessen Verheissungen und Errungenschaften, während die höheren Seelenkräfte, wo solche in Thätigkeit sind, nach dem Gött.. lichen streben, im Göttlichen wurzeln, und darin ihre Ruhe finden. Der Mensch ist vergleichbar mit einem Lichtstrahl, der von der göttlichen Lebenssonne der Weisheit, der Quelle alles Daseins kommt. Die persönliche

leuchten, aber nicht von der Gottheit los-

getrennt werden. Wenn dieses göttliche Licht

der Gotteserkenntnis im Menschen aufgehen

soll, so muss der Mensch selbst den Wahn

seiner Selbstheit verlassen; seine von diesem

Lichte erfüllte Seele geht in diesem Lichte

auf und nimmt teil an dessen Allbewusst-

sein, Allgegenwart und Allwissenheit. Dies

ist der Zustand der Erleuchtung, welche

von den Buddhisten „Samädhi" genannt

wird.

Wir sehen somit, dass das fünfte Prinzip,

Manas, teilweise dem unteilbaren Ewigen und

Unendlichen, teilweise dem Zeitlichen und Ver-

gänglichen angehört, d. h. die unteren Seelen-

kräfte des Gemütes streben nach dem Irdischen

und dessen Verheissungen und Errungen-

schaften, während die höheren Seelenkräfte,

wo solche in Thätigkeit sind, nach dem Gött-

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lichen streben, im Göttlichen wurzeln, und

darin ihre Ruhe finden. Der Mensch ist ver-

gleichbar mit einem Lichtstrahl, der von der

göttlichen Lebenssonne der Weisheit, der

Quelle alles Daseins kommt. Die persönliche

Lotuiblüthan LXXVIH. a

Loablüthu LXXVllI.

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-

Erscheinung des Menschen auf Erden, mit ihrem

17° -

Fühlen und Denken, ist das Dunkel, in welches

dieser Lichtstrahl scheint. Die Sonne wird

Erscheinung des Menschen auf Erden, mit ihrem Fühlen und Denken, ist das Dunkel, in welches dieser Lichtstrahl scheint. Die Sonne wird niebt im Menschen verkörpert; das Beschränkte kann das Unendliche nicht in sich aufnehmen; aber die Form wird vom Lichte der Sonne erleuchtet, und diese Sonne. ist das göttlich~ Wesen des Menschen selbst. Je mehr sich der Mensch der göttlichen Sonne, welche die Quelle seines Daseins ist, nähert, um so mehr wird er von ihrem Lichte erleuchtet; je mehr dieses Licht in ihm leuchtet, um so mehr geht die Sonne der Weisheit in ihm auf, um so mehr nähert sich ihm die Gottheit und bringt ihn näher zu sich. Je mehr er sich von dieser Quelle des geistigen Lebens entfernt, sich in seine Eigenheit vermauert und sich von seiner Phantasie und Sinnlichkeit gefangen nehmen lässt, um so mehr entfernt er sich von seinem göttlichen Dasein und Bewusstsein, verliert sich im . Dunkel der Nichterkenntnis des Wahren und im Nebel der Täuschung, und verliert seine Freiheit, denn nur die Erkenntnis des Wahren macht uns in Wahrheit frei vom Irrtum und von den Banden des Selbstwahns und Egoismus mit den daraus entspringenden Begierden und Leidenschaften.

nicht im Menschen verkörpert; das Beschränkte

kann das Unendliche nicht in sich aufnehmen;

aber die Form wird vom Lichte der Sonne

erleuchtet, und diese Sonne ist das göttliche

Wesen des Menschen selbst. Je mehr sich

der Mensch der göttlichen Sonne, welche die

Quelle seines Daseins ist, nähert, um so mehr

wird er von ihrem Lichte erleuchtet; je mehr

dieses Licht in ihm leuchtet, um so mehr geht

die Sonne der Weisheit in ihm auf, um so mehr

nähert sich ihm die Gottheit und bringt ihn

näher zu sich. Je mehr er sich von dieser

Quelle des geistigen Lebens entfernt, sich in

seine Eigenheit vermauert und sich von seiner

Phantasie und Sinnlichkeit gefangen nehmen

lässt, um so mehr entfernt er sich von seinem

göttlichen Dasein und Bewusstsein, verliert sich

im Dunkel der Nichterkenntnis des Wahren

und im Nebel der Täuschung, und verliert seine

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Freiheit, denn nur die Erkenntnis des Wahren

macht uns in Wahrheit frei vom Irrtum und

von den Banden des Selbstwahns und Egoismus

mit den daraus entspringenden Begierden und

Leidenschaften.

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Alles, was nun bisher gesagt wurde, hat

keinen Zweck, wenn nicht dadurch klar ge-

Alles, was nun bisher gesagt wurde, hat keinen Zweck, wenn nicht dadurch klar geworden ist, dass der innere geistige Mensch ein Gott, und in seinem innersten Wesen die Gottheit selber ist; wenn er auch persönlich nichts davon weiss; während die Persönlichkeit des Menschen mit allen ihren Errungenschaften nur eine Summe von zu einem Organismus vereinigten Kräften ist, welche dem göttlichen Menschen, der sowohl in uns als ausser uns. und über uns ist, als Werkzeug und auch teilweise als Wohnort oder Tempel dient. So wurzelt auch ein Baum im Erdboden wie der himmlische Mensch im Materiellen, aber die Wurzel ist nicht der Baum, der sich über dem Boden erhebt und dessen Zweige und Blätter die Lu(t und das Licht geniessen. Ein christlicher Mystiker, Erzbischof Ekhart von Köln sagt: "Es ist viel richtiger zu sagen, der Mensch sei in der Seele, als dass die .Seele im Menschen sei. " Der Mensch selber ist Seele; die Persönlichkeit nur ein Schatten, eine Maske oder Larve. Die Seele eines wirklichen Menschen ist viel grösser als seine Persönlichkeit, aber es giebt auch menschenähnliche Larven, die sehr klug sind und immer Recht haben wollen, in denen aber keine Seele zu finden ist.

worden ist, dass der innere geistige Mensch

ein Gott, und in seinem innersten Wesen die

Gottheit selber ist; wenn er auch persönlich

nichts davon weiss; während die Persönlichkeit

des Menschen mit allen ihren Errungenschaften

nur eine Summe von zu einem Organismus

vereinigten Kräften ist, welche dem göttlichen

Menschen, der sowohl in uns als ausser uns

und über uns ist, als Werkzeug und auch teil-

weise als Wohnort oder Tempel dient. So

wurzelt auch ein Baum im Erdboden wie der

himmlische Mensch im Materiellen, aber die

Wurzel ist nicht der Baum, der sich über dem

Boden erhebt und dessen Zweige und Blätter

die Luft und das Licht geniessen. Ein christ-

licher Mystiker, Erzbischof Ekhart von Köln

sagt: „Es ist viel richtiger zu sagen, der Mensch

sei in der Seele, als dass die.Seele im Menschen

sei." Der Mensch selber ist Seele; die Per-

sönlichkeit nur ein Schatten, eine Maske oder

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Larve. Die Seele eines wirklichen Menschen

ist viel grösser als seine Persönlichkeit, aber

es giebt auch menschenähnliche Larven, die

sehr klug sind und immer Recht haben wollen,

in denen aber keine Seele zu finden ist.

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— 172 —

Wer sich davon überzeugen will, dass der

physische Körper nur eine Erscheinung ist, der

Wer sich davon überzeugen will, dass der physische Körper nur eine Erscheinung ist, der bedarf dazu keines äusserlichen Beweises. Er braucht nur den geistigen Blick nach Innen zu wenden und in sich selbst hineinzuschauen, und er findet die Unendlichkeit in sich selbst. Gerade so, wie er, wenn er zum Himmel emporblickt, keine Grenze finden kann, wo der unendliche Raum ein Ende nimmt, so findet er auch in der Tiefe seines Gemütes keinen Grund, und wie der Raum ohne das Licht dunkel und wesenlos erscheint, so ist die Seele in unserem Innern leer ohne das Licht der Erkenntnis. Gott ist die unendliche Einheit, die Erkenntnis Gottes das Licht. Der Mensch ist das Nichts oder die Null. Erst wenn die Eins zur Null tritt, erlangt die Null als Zehn ihrel\ Wert. Der himmlische Mensch ist aus dem Lichte geboren, der irdische Mensch aus dem Dunkel. Das Dunkel kann sich mit dem Lichte nicht verbinden; aber wenn es vom Lichte durchdrungen wird, so verschwindet die Dunkelheit. Wird der Mensch vom Gottesbewusstsein durchdrungen, so erkennt er seine eigene wahre Gottesnatur. Dann ist er aber auch nicht mehr dasjenige , was die rationelle n Wissenschaft" unter dem Worte "Mensch" versteht, sondern

bedarf dazu keines äusserlichen Beweises. Er

braucht nur den geistigen Blick nach Innen zu

wenden und in sich selbst hineinzuschauen,

und er findet die Unendlichkeit in sich selbst.

Gerade so, wie er, wenn er zum Himmel empor-

blickt, keine Grenze finden kann, wo der un-

endliche Raum ein Ende nimmt, so findet er

auch in der Tiefe seines Gemütes keinen Grund,

und wie der Raum ohne das Licht dunkel und

wesenlos erscheint, so ist die Seele in unserem

Innern leer ohne das Licht der Erkenntnis.

Gott ist die unendliche Einheit, die Erkenntnis

Gottes das Licht. Der Mensch ist das Nichts

oder die Null. Erst wenn die Eins zur Null

tritt, erlangt die Null als Zehn ihren Wert.

Der himmlische Mensch ist aus dem Lichte

geboren, der irdische Mensch aus dem Dunkel.

Das Dunkel kann sich mit dem Lichte nicht

verbinden; aber wenn es vom Lichte durch-

drungen wird, so verschwindet die Dunkelheit.

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Wird der Mensch vom Gottesbewusstsein durch-

drungen, so erkennt er seine eigene wahre

Gottesnatur. Dann ist er aber auch nicht mehr

dasjenige, was die rationelle „Wissenschaft"

unter dem Worte „Mensch" versteht, sondern

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— 173 —

-

ein über jene Zustände, welche man „Tod"

und „Leben" nennt, erhabenes Wesen.

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Nicht nur die göttliche Seele des Menschen,

ein über jene Zustände, welche man "Tod" und "Leben" nennt, erhabenes Wesen. Nicht nur die göttliche Seele des Menschen, sondern auch sein Geist oder Intellekt (Manas) ist viel grösser als sein Körper; denn auch der Geist ist nicht im Schädel eingeschlossen, sondern benützt das Gehirn als ein Werkzeug zum Denken. Kein Mensch ist sich in einem einzigen Augenblicke alles dessen bewusst, was er gelernt hat und weiss. Aus der Schatzkammer des Geistes ftiessen die gesammelten Ideen und werden vermittelst des Gehirns zu Gedanken und Vorstellungen geformt. Auch geht dabei das Wissen nicht verloren, sondern dasjenige, was im Denken offenbar geworden ist, tritt wieder in das Nichtoffenbare zurück. Das Nichtoffenbare wird von manchen das "Unbewusste" genannt. Dies ist dahin zu verstehen, dass es der Persönlichkeit unbewusst ist; dem Geiste ist es nicht unbewusst; denn der Geist ist das Bewusstsein selbst. Unser Wissen roht in unserm geistigen Bewusstsein; aber es kommt nur ein Stück nach dem andern zum Bewusstsein unserer Persönlichkeit. Wird das Gehirn gelähmt, so hört das Bewusstsein der Persönlichkeit auf, aber der Geist und was zu seinem Wesen gehört, wird dadurch

sondern auch sein Geist oder Intellekt (Manas)

ist viel grösser als sein Körper; denn auch der

Geist ist nicht im Schädel eingeschlossen, son-

dern benützt das Gehirn als ein Werkzeug zum

Denken. Kein Mensch ist sich in einem ein-

zigen Augenblicke alles dessen bewusst, was

er gelernt hat und weiss. Aus der Schatz-

kammer des Geistes fliessen die gesammelten

Ideen und werden vermittelst des Gehirns zu

Gedanken und Vorstellungen geformt. Auch

geht dabei das Wissen nicht verloren, sondern

dasjenige, was im Denken offenbar geworden

ist, tritt wieder in das Nichtoffenbare zurück.

Das Nichtoffenbare wird von manchen das

„Unbewusste" genannt. Dies ist dahin zu ver-

stehen, dass es der Persönlichkeit unbewusst

ist; dem Geiste ist es nicht unbewusst; denn

der Geist ist das Bewusstsein selbst. Unser

Wissen ruht in unserm geistigen Bewusstsein;

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aber es kommt nur ein Stück nach dem an-

dern zum Bewusstsein unserer Persönlichkeit.

Wird das Gehirn gelähmt, so hört das Bewusst-

sein der Persönlichkeit auf, aber der Geist und

was zu seinem Wesen gehört, wird dadurch

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— 174 —

-

nicht vernichtet. Tritt der Geist dann im Ver-

laufe der Wiederverkörperung in einer andern

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Persönlichkeit auf, so kann er sein Wissen

nicht vernichtet. Tritt der Geist dann im Verlaufe de~ Wiederverkörperung in einer andem Persönlichkeit auf, so kann er sein Wissen wieder zum Bewusstsein dieser Persönlichkeit bringen. So ßiesst das innere Wissen auf dem Wege der Intuition dem äusseren Wissen zu; wir werden durch unseren eigenen Geist unterrichtet, und je mehr die Persönlichkeit des Menschen sich mit dem ihr innewohnenden höheren Geiste vereinigt, um so mehr nimmt sie an dessen Wissen teil. Dadurch lernt der Mensch als Persönlichkeit wieder dasjenige, was er in einem früheren Leben als eine andere Persönlichkeit erfahren und gelernt hat. Wer dies begreift, dem beantwortet sich von selbst die Frage, weshalb wir uns als Personen unserer früheren Daseinsformen auf Erden nicht erinnern können. Die Person, welche ich jetzt vorstelle, war früher nicht da und kann sich deshalb auch an kein früheres Dasein erinnern. Mein Geist, der schon zur Zeit der Erschaffung der Welt zugegnn war, kann sich an alle Daseinsformen oder Erscheinungen, unter denen er auf dieser Erde oder auf andern Planeten aufgetreten ist, erinnem, und wenn das Bewusstsein meines Geistes in meiner jetzigen Persönlichkeit völlig offenbar würde'

wieder zum Bewusstsein dieser Persönlichkeit

bringen. So fliesst das innere Wissen auf dem

Wege der Intuition dem äusseren Wissen zu;

wir werden durch unseren eigenen Geist unter-

richtet, und je mehr die Persönlichkeit des

Menschen sich mit dem ihr innewohnenden

höheren Geiste vereinigt, um so mehr nimmt

sie an dessen Wissen teil. Dadurch lernt der

Mensch als Persönlichkeit wieder dasjenige, was

er in einem früheren Leben als eine andere

Persönlichkeit erfahren und gelernt hat.

Wer dies begreift, dem beantwortet sich

von selbst die Frage, weshalb wir uns als Per-

sonen unserer früheren Daseinsformen auf Erden

nicht erinnern können. Die Person, welche

ich jetzt vorstelle, war früher nicht da und kann

sich deshalb auch an kein früheres Dasein

erinnern. Mein Geist, der schon zur Zeit der

Erschaffung der Welt zugegnn war, kann sich

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an alle Daseinsformen oder Erscheinungen,

unter denen er auf dieser Erde oder auf an-

dern Planeten aufgetreten ist, erinnern, und

wenn das Bewusstsein meines Geistes in meiner

jetzigen Persönlichkeit völlig offenbar würde'

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— 175 —

-

so würde meine Person an dieser Erinnerung

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teilnehmen. Wenn ein Haus denken könnte,

so würde es sich nicht erinnern, was für ein

so würde meine Person an dieser Erinnerung teilnehmen. Wenn ein Haus denken könnte,so würde es sich nicht erinnern, was fiir ein Haus es war, als es noch kein Haus war; wohl aber würde der Baumeister wissen, was für Häuser er schon früher gebaut und bewohnt hat. In der That giebt es Menschen, die hinreichend von dem höheren geistigen Bewusstsein durchdrungen sind, um zu wissen, was für Leiber sie in früheren Inkarnationen bewohnt, und was für Erfahrungen sie darin gemacht haben. So sagt z. B. - Gautama Buddha folgendes: "Als das Licht der Erkenntnis in mir aufging und sich das Geistesauge eröffnete, da wusste ich, wer ich in meinem früheren Leben war. Ich sah zurück auf eine, auf zehn, auf hunderte und tausende meiner Daseinsformen.. Da war ich dieser oder jener, hatte diesen und jenen Namen, lebte und starb und wurde wiedergeboren. Ich sah zurück auf Weltenentstehungen und Weltenvergehungen" u. s. w. Das Ewige im Menschen ist ewig und unvergänglich. Welten und Formen kommen und gehen, das Ewige wird nie geboren und vergeh.t nicht. Wohl giebt es manche, die sich in ihrer Eitelkeit- eiDbilden, in einem früheren Leben diese oder jene grosse Persönlichkeit gewesen

Haus es war, als es noch kein Haus war; wohl

aber würde der Baumeister wissen, was für

Häuser er schon früher gebaut und bewohnt hat.

In der That giebt es Menschen, die hin-

reichend von dem höheren geistigen Bewusst-

sein durchdrungen sind, um zu wissen, was für

Leiber sie in früheren Inkarnationen bewohnt,

und was für Erfahrungen sie darin gemacht

haben. So sagt z. B. Gautama Buddha fol-

gendes: „Als das Licht der Erkenntnis in mir

aufging und sich das Geistesauge eröffnete, da

wusste ich, wer ich in meinem früheren Leben

war. Ich sah zurück auf eine, auf zehn, auf

hunderte und tausende meiner Daseinsformen.

Da war ich dieser oder jener, hatte diesen und

jenen Namen, lebte und starb und wurde wieder-

geboren. Ich sah zurück auf Weltenentstehungen

und Weltenvergehungen" u. s. w. Das Ewige

im Menschen ist ewig und unvergänglich.

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Welten und Formen kommen und gehen, das

Ewige wird nie geboren und vergeht nicht.

Wohl giebt es manche, die sich in ihrer

Eitelkeit' einbilden, in einem früheren Leben

diese oder jene grosse Persönlichkeit gewesen

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— 176 —

zu sein; aber mit solchen Spielen der Phan-

tasie haben wir nichts zu thun. Dagegen findet

man oft in Kindern, deren Gemüt noch nicht

zu sein; aber mit solchen Spielen der Phantasie haben wir nichts zu thun. Dagegen findet man oft in Kindern, deren Gemüt noch nicht durch Irrlehren und Dogmatik verdunkelt ist, eine Abstrahlung jenes höheren Bewusstseins, welches Erinnerungen an ein früheres Dasein enthält. An dem Lichte, welches dem unsterblichen Geiste des Menschen angehört, entzündet sich infolge der ihm innewohnenden Begierde nach individuellem Dasein, ein neues Licht, das Bewusstsein des neuerscheinenden persönlichen Menschen, gleichsam eine Wiederspiegelung des ersteren auf der Ebene des sinnlichen Daseins. Es ist somit von keiner "Seelenwanderung" die Rede, sondern von einem Wiederzusammentreten der psychischen Elemente, welche diejenige Summe von Kräften darstellten, die der vorhergehenden Erscheinung angehörten. Um ~esen Vorgang besser zu begreifen, wird .es nützlich sein, diese Elemente in ihrer Auflösung nach dem Tode des Körpers zu betrachten und ihren Weg zu verfolgen: Wenn der Geist und das Leben den Körper verlassen hat, so gehen die Elemente des Leichnams wieder zu der Quelle, -aus der sie gekommen sind, zurück; einerlei, ob dies auf dem

durch Irrlehren und Dogmatik verdunkelt ist,

eine Abstrahlung jenes höheren Bewusstseins,

welches Erinnerungen an ein früheres Dasein

enthält. An dem Lichte, welches dem unsterb-

lichen Geiste des Menschen angehört, entzündet

sich infolge der ihm innewohnenden Begierde

nach individuellem Dasein, ein neues Licht,

das Bewusstsein des neuerscheinenden persön-

lichen Menschen, gleichsam eine Wiederspiege-

lung des ersteren auf der Ebene des sinnlichen

Daseins.

Es ist somit von keiner „Seelenwanderung"

die Rede, sondern von einem Wiederzusammen-

treten der psychischen Elemente, welche die-

jenige Summe von Kräften darstellten, die der

vorhergehenden Erscheinung angehörten. Um

diesen Vorgang besser zu begreifen, wird es

nützlich sein, diese Elemente in ihrer Auflösung

nach dem Tode des Körpers zu betrachten

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und ihren Weg zu verfolgen:

Wenn der Geist und das Leben den Körper

verlassen hat, so gehen die Elemente des Leich-

nams wieder zu der Quelle, aus der sie ge-

kommen sind, zurück; einerlei, ob dies auf dem

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— 177 —

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langsamen Wege der Fäulnis oder dem schnellen

der Verbrennung geschieht, der Körper löst

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sich wieder in seine chemischen Elemente, die

langsamen Wege der Fäulnis oder dem schnellen . der Verbrennung geschieht, der Körper löst 'Sich wieder in seine chemischen Elemente, die zum grössten Teile aus Gasen bestehen, auf. Dieselben kehren in die grosse Vorratskammer der Natur zurück und aus dieser werden neue Organismen und neue menschliche Körper gebildet. Es ist fraglich, ob es auf unserer Erde ein Atom von Pflanzenstoffen giebt, das nicht schon einmal durch einen menschlichen oder tierischen Körper gewandert ist. Das Leben als einheitlich wirkende Kraft verlässt den sterbenden Körper und belebt dafür andere neu erscheinende Organismen, gerade so wie die Luft, die wir ausgeatmet haben, wieder andern Organismen zur Atmung dient. Der ätherische Körper löst sich in seine ätherischen Bestandteile auf, und aus diesen entstehen neue Verbindungen, die sich im alchemistischen Laboratorium der Natur zu sichtbaren materiellen Organismen verdichten. Die Instinkte und Leidenschaften, welche der tierischen Seele des Menschen zu eigen waren, hängen derselben auch nach dem Tode des Körpers noch an, und werden nicht mehr durch die Vernunft beherrscht, da diese mit dem Geiste vom Schauplatze verschwunden ist, aber auch ihre Thätig-

zum grössten Teile aus Gasen bestehen, auf.

Dieselben kehren in die grosse Vorratskammer

der Natur zurück und aus dieser werden neue

Organismen und neue menschliche Körper ge-

bildet. Es ist fraglich, ob es auf unserer Erde

ein Atom von Pflanzenstoffen giebt, das nicht

schon einmal durch einen menschlichen oder

tierischen Körper gewandert ist. Das Leben

als einheitlich wirkende Kraft verlässt den ster-

benden Körper und belebt dafür andere neu

erscheinende Organismen, gerade so wie die

Luft, die wir ausgeatmet haben, wieder andern

Organismen zur Atmung dient. Der ätherische

Körper löst sich in seine ätherischen Bestand-

teile auf, und aus diesen entstehen neue Ver-

bindungen, die sich im alchemistischen Labora-

torium der Natur zu sichtbaren materiellen

Organismen verdichten. Die Instinkte und

Leidenschaften, welche der tierischen Seele des

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Menschen zu eigen waren, hängen derselben

auch nach dem Tode des Körpers noch an,

und werden nicht mehr durch die Vernunft

beherrscht, da diese mit dem Geiste vom Schau-

platze verschwunden ist, aber auch ihre Thätig-

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- i78 -

keit erschöpft sich, weil sie dort keine Nahrung

mehr finden. Sie sind die Kräfte, welche in-

stinktiv zu ihresgleichen angezogen werden, um

keit erschöpft sich, weil sie dort keine Nahrung mehr finden. Sie sind die Kräfte, welche instinktiv zu ihresgleichen angezogen werden, um in anderen Organismen zu wirken und zu erstarken. Die intellektuellen Errungenschaften des Menschen, d. h. seine angesammelten Theorien und Meinungen, gehören auch zu den Schätzen, von denen es in der Bibel heisst, dass der Rost sie auffrisst und die Motten sie verzehren. Sie gehören nicht dem Wesen des Menschen, sondern der Gedankenwelt, dem Reiche der Phantasie an. Zum Wesen des Menschen gehören nicht angesammelte fremde Meinungen, sondern nur das, was er in seine Seele aufgenommen, d. h. was er selber innerlich erfahren und erkannt hat. Wäre das nicht der Fall, 80 würden wir uns noch in unserer nächsten Inkarnation damit abquälen müssen, alle die Irrtümer los zu werden, die wir in diesem Leben, in den Schulen uns äusserlich anzueignen gezwungen sind. Was dem Wesen des Menschen zu eigen ist, besteht nicht in angesammeltem Gelehrtenkram, sondern in dem, was in ihm in "Fleisch. und Blut" übergegangen und zu seinem eigenen Wesen geworden ist. So bleibt z. B. der Musiker ein Musiker, selbst wenn alle Musik

in anderen Organismen zu wirken und zu er-

starken. Die intellektuellen Errungenschaften

des Menschen, d. h. seine angesammelten

Theorien und Meinungen, gehören auch zu den

Schätzen, von denen es in der Bibel heisst,

dass der Rost sie auffrisst und die Motten sie

verzehren. Sie gehören nicht dem Wesen des

Menschen, sondern der Gedankenwelt, dem

Reiche der Phantasie an. Zum Wesen des

Menschen gehören nicht angesammelte fremde

Meinungen, sondern nur das, was er in seine

Seele aufgenommen, d. h. was er selber inner-

lich erfahren und erkannt hat. Wäre das nicht

der Fall, so würden wir uns noch in unserer

nächsten Inkarnation damit abquälen müssen,

alle die Irrtümer los zu werden, die wir in

diesem Leben, in den Schulen uns äusserlich

anzueignen gezwungen sind.

Was dem Wesen des Menschen zu eigen

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ist, besteht nicht in angesammeltem Gelehrten-

kram, sondern in dem, was in ihm in „Fleisch

und Blut" übergegangen und zu seinem eigenen

Wesen geworden ist. So bleibt z. B. der

Musiker ein Musiker, selbst wenn alle Musik

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verklungen ist, und der Dieb ein Dieb, auch

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wenn es nichts mehr zu stehlen giebt. In den

Eigenschaften des Menschen, die zu seinem

verklungen ist, und der Dieb ein Dieb, auch wenn es nichts mehr zu stehlen giebt. In den Eigenschaften des Menschen, die zu seinem eigenen Wesen geworden sind, besteht die Individualität des Menschen, die auch nach dem Tode des Körpers fortbesteht, und wenn diese Individualität in einem neuen Leben als neue Persönlichkeit auftritt, so kommen auch diese Eigenschaften wieder zum Vorschein. Aus diesem Grunde erklärt es sich, dass Kinder oft mit Talenten geboren werden, von denen in den Eltern keine Spur zu finden ist. Es giebt musikalische Wunderkinder oder mathematische Genies, deren Eltern keine Anlage zu Musik oder Mathematik haben. Wenn es aber vorkommt, dass Kinder und deren Eltern dieselben Anlagen und Neigungen haben, so ist dies kein Beweis dafür, dass die Kinder dieselben von ihren Eltern geerbt haben, sondern es liegt die Ursache vielmehr darin, dass die sich wieder verkörpernde Individualität zu einer Familie angezogen wird, in welcher sich ähnliche Neigungen vorfinden, insoferne nicht andere Anziehungen dies anders bestimmen; denn überall in der Natur herrscht das Gesetz, dass Gleiches das Gleiche liebt, es anzieht und sich mit Gleichem verbindet. Wenn wir ein

eigenen Wesen geworden sind, besteht die

Individualität des Menschen, die auch nach

dem Tode des Körpers fortbesteht, und wenn

diese Individualität in einem neuen Leben als

neue Persönlichkeit auftritt, so kommen auch

diese Eigenschaften wieder zum Vorschein.

Aus diesem Grunde erklärt es sich, dass Kinder

oft mit Talenten geboren werden, von denen

in den Eltern keine Spur zu finden ist. Es giebt

musikalische Wunderkinder oder mathematische

Genies, deren Eltern keine Anlage zu Musik

oder Mathematik haben. Wenn es aber vor-

kommt, dass Kinder und deren Eltern dieselben

Anlagen und Neigungen haben, so ist dies

kein Beweis dafür, dass die Kinder dieselben

von ihren Eltern geerbt haben, sondern es

liegt die Ursache vielmehr darin, dass die sich

wieder verkörpernde Individualität zu einer

Familie angezogen wird, in welcher sich ähn-

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liche Neigungen vorfinden, insoferne nicht

andere Anziehungen dies anders bestimmen;

denn überall in der Natur herrscht das Gesetz,

dass Gleiches das Gleiche liebt, es anzieht und

sich mit Gleichem verbindet. Wenn wir ein

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grosses Gefäss mit Wasser nehmen und giessen

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einen Tropfen Kochsalzlösung hinein, und an

einer anderen Stelle einen Tropfen einer Lösung

grosses Gefass mit Wasser nehmen und giessen einen Tropfen Kochsalzlösung hinein, und an einer anderen Stelle einen Tropfen einer Lösung von salpetersaurem Silber, so findet das Chlor des Kochsalzes das Silber und verbindet sich damit So ist es auch im Geistigen; denn das Materielle ist nur der äusserliche Ausdruck des Geistigen; jedem materiellen Vorgange liegt eine geistig bewegende Kraft, ein Bewusstsein, zu Grunde. Die materiellen Bestandteile des Menschenkörpers bleiben im Materiellen, die leidenschaftlichen Elemente des Tiermenschen auf der Astralebene , die intellektuellen Vorstellungen in der Götterwelt (Devachan) zurück. Wenn die Seele alles abgestreift hat, was nicht zu ihrem wahren Wesen gehört, so tritt sie wieder in die Gottheit ein, um, wenn die Begierde nach persönlichem Dasein sich wieder in ihr regt, aufs neue ins Meer des Lebens einzutauchen, wobei sie dann wieder diejenigen Elemente anzieht, zu denen sie sich durch ihr eigenes Wesen angezogen ftihlt. Dieser Vorgang könnte mit der Bildung einer Wolke verglichen werden. Die Sonne ist der Geist; ein Sonnenstrahl die Individualität. Durch die anziehende Kniet des Sonnenstrahles entsteht ein

von salpetersaurem Silber, so findet das Chlor

des Kochsalzes das Silber und verbindet sich

damit. So ist es auch im Geistigen; denn das

Materielle ist nur der äusserliche Ausdruck des

Geistigen; jedem materiellen Vorgange liegt

eine geistig bewegende Kraft, ein Bewusstsein,

zu Grunde.

Die materiellen Bestandteile des Menschen-

körpers bleiben im Materiellen, die leidenschaft-

lichen Elemente des Tiermenschen auf der

Astralebene, die intellektuellen Vorstellungen

in der Götterwelt (Devachan) zurück. Wenn

die Seele alles abgestreift hat, was nicht zu

ihrem wahren Wesen gehört, so tritt sie wieder

in die Gottheit ein, um, wenn die Begierde

nach persönlichem Dasein sich wieder in ihr

regt, aufs neue ins Meer des Lebens ein-

zutauchen, wobei sie dann wieder diejenigen

Elemente anzieht, zu denen sie sich durch ihr

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eigenes Wesen angezogen fühlt. Dieser Vor-

gang könnte mit der Bildung einer Wolke ver-

glichen werden. Die Sonne ist der Geist; ein

Sonnenstrahl die Individualität. Durch die an-

ziehende Kraft des Sonnenstrahles entsteht ein

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— 181 —

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Dunst in der vorhin klaren Atmosphäre. Es

bildet sich ein Nebel, der sich zu Wolken zu-

sammenballt, die immer dichter werden, bis sie

Blitze und Donner entsenden. Der Regen fallt

hernieder, und, gemengt mit dem Rauch und

Staub der Luft, bildet er trübes Wasser, das

im Winter zu Eis gefriert. Dies wird durch

die Wärme wieder zu seinem Ursprung zurück-

geführt. So findet fortwährend der stete Kreis-

lauf statt; aber der Lichtstrahl, welcher von

der Sonne kommt, verändert sich nicht; er

bleibt stets derselbe und wird nicht verunreinigt.

In dem geistigen Lichtstrahl, der in unsere

Seele scheint, finden wir unsere geistige Indivi-

dualität, und in der Sonne, aus welcher er

stammt, unser unendliches, unteilbares, gött-

liches Selbst; die Gottheit in allem.

Nicht nur beim Tode und Wiedergeboren-

. werden, sondern schon bei jedem Einschlafen

und Erwachen findet ein solcher Eingang in

Gott und Ausgang, gleichsam eine Wieder-

verkörperung statt; denn auch beim Einschlafen

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zieht sich der Geist in sich selbst zurück; Ver-

nunft und Vorstellung schwinden, kehren aber

beim Erwachen wieder zurück. Die „Brhad

Aranyaka Upanischad" sagt hierüber Fol-

gendes:

Dunst in der vorhin klaren Atmosphäre. Es bildet sich ein Nebel, der sich zu Wolken zusammenballt, die immer dichter werden, bis sie Blitze und Donner entsenden. Der Regen fällt hernieder, und, gemengt mit dem Rauch und Staub der Luft, bildet er trübes Wasser, das im Winter zu Eis gefriert. Dies wird durch die Wärme wieder zu seinem Ursprung zurückgeführt. So findet fortwährend der stete Kreislauf statt; aber der Lichtstrahl, welcher von der Sonne kommt, verändert sich nicht; er bleibt stets derselbe und wird nicht verunreinigt. In dem geistigen Lichtstrahl, der in unsere Seele scheint, finden wir unsere geistige Individualität, und in der Sonne, aus welcher er stammt, unser unendliches, unteilbares, göttliches Selbst; die Gottheit in allem. Nicht nur beim Tode und Wiedergeboren• werden, sondern schon bei jedem Einschlafen und Erwachen findet ein solcher Eingang in Gott und Ausgang, gleichsam eine Wiederverkörperung statt; denn auch beim Einschlafen zieht sich der Geist in sich selbst zurück; Vernunft und Vorstellung schwinden, kehren aber beim Erwachen wieder zurück. Die "Brhad Aranyaka Upanischad " sagt hierüber Folgendes:

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„Was ist die Seele? Sie ist das Bewusst-

sein unter den Kräften des Lebens. Sie ist

"Was ist die Seele? Sie ist das Bewusstsein unter den Kräften des Lebens. Sie ist im Herzen das innerliche Licht; und dieser Geist bewegt sich von einer Welt zur andern, bleibt aber in sich selbst dabei ohne Veränderung. Er scheint nur Vorstellungen zu haben; er tritt nur scheinbar in Zustände der Freude und des Entzückens ein. "Und wenn der Schlaf eintritt, so erhebt sich dieser Geist über diese Welt und über die vergänglichen Formen. Wenn der Geist zum Geborenwerden herabsteigt und in einen Körper einzieht, so findet er sich inmitten von Übeln verschiedener Art; aber wenn er beim Tode sich wieder erhebt, so scham er das Böse fort. "Der Geist des Menschen hat zwei Wohnungen; diese Welt und die andere (himmlische), und die dritte ist das dazwischen liegende Land, das Land der Träume und der Phantasie. Solange der Geist auf der Grenze der heiden Welten verweilt, sieht er die heiden Welten, sowohl diese als auch die andere. Er ruht in derjenigen Kraft, welche er in der andern Welt angesammelt hat, und schaut sowohl das Herrliche .als auch das Schreckliche. "Und wenn er wieder in den Schlaf. versinkt, wobei er dasjenige mit sich nimmt, was

im Herzen das innerliche Licht; und dieser

Geist bewegt sich von einer Welt zur andern,

bleibt aber in sich selbst dabei ohne Verände-

rung. Er scheint nur Vorstellungen zu haben;

er tritt nur scheinbar in Zustände der Freude

und des Entzückens ein.

„Und wenn der Schlaf eintritt, so erhebt

sich dieser Geist über diese Welt und über die

vergänglichen Formen. Wenn der Geist zum

Geborenwerden herabsteigt und in einen Körper

einzieht, so findet er sich inmitten von Übeln

verschiedener Art; aber wenn er beim Tode

sich wieder erhebt, so schafft er das Böse fort.

„Der Geist des Menschen hat zwei Woh-

nungen; diese Welt und die andere (himm-

lische), und die dritte ist das dazwischen liegende

Land, das Land der Träume und der Phantasie.

Solange der Geist auf der Grenze der beiden

Welten verweilt, sieht er die beiden Welten,

sowohl diese als auch die andere. Er ruht in

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derjenigen Kraft, welche er in der andern Welt

angesammelt hat, und schaut sowohl das Herr-

liche als auch das Schreckliche.

„Und wenn er wieder in den Schlaf ver-

sinkt, wobei er dasjenige mit sich nimmt, was

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er von dieser Welt, die alles enthält, gesammelt

hat, wobei er selbst das Bauholz fällt und sich

er von dieser Welt, die alles enthält, gesammelt hat, wobei er selbst das Bauholz fällt und sich 8elbst seine Wohnung erbaut, so träumt er. Die Seele ist dabei seine Klarheit, sein Licht. Somit ist die Seele des Menschen Licht. "Er weiss nun, dass die Nichterkenntnis (des eigenen wahren Wesens) die Ursache aller der Schrecken war, die er in der Welt des Wachens gesehen hat; und gleich einem Gotte erkennt er: Ich bin das All, dies ist die höchste Welt. "Dies ist die höchste Seligkeit. Er ist in Furchtlosigkeit gekleidet und hat das Dunkel zerstört. So wie einer, der in den Armen der Geliebten ruht, an nichts mehr denkt, was in ihm oder ausser ihm ist, so ist der von der grossen Seele umfangene und durchdrungene Menschengeist ; er kümmert sich um nichts, was in ihm oder ausser ihm ist, denn er hat sein Ziel erreicht. Er ist jenseits der Grenze des Leidens angelangt. "Umfangen von der grossen Seele, ist der Vater kein Vater mehr, die Mutter keine Mutter, noch die Welt eine Welt. Dort sind die Götter keine Götter mehr, der Mörder kein Mörder, noch der Dieb ein Dieb. Da existiert der Verworfene nicht mehr als ein Verworfener, noch der Barbar als Barbar, noch der Priester als

selbst seine Wohnung erbaut, so träumt er.

Die Seele ist dabei seine Klarheit, sein Licht.

Somit ist die Seele des Menschen Licht.

„Er weiss nun, dass die Nichterkenntnis (des

eigenen wahren Wesens) die Ursache aller der

Schrecken war, die er in der Welt des Wachens

gesehen hat-, und gleich einem Gotte erkennt

er: Ich bin das All, dies ist die höchste Welt.

„Dies ist die höchste Seligkeit. Er ist in

Furchtlosigkeit gekleidet und hat das Dunkel

zerstört. So wie einer, der in den Armen der

Geliebten ruht, an nichts mehr denkt, was in

ihm oder ausser ihm ist, so ist der von der

grossen Seele umfangene und durchdrungene

Menschengeist; er kümmert sich um nichts,

was in ihm oder ausser ihm ist, denn er hat

sein Ziel erreicht. Er ist jenseits der Grenze

des Leidens angelangt.

„Umfangen von der grossen Seele, ist der

Vater kein Vater mehr, die Mutter keine Mutter,

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noch die Welt eine Welt. Dort sind die Götter

keine Götter mehr, der Mörder kein Mörder,

noch der Dieb ein Dieb. Da existiert der Ver-

worfene nicht mehr als ein Verworfener, noch

der Barbar als Barbar, noch der Priester als

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Priester oder der Heilige als ein Heiliger. Weder

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die guten noch die schlechten Werke folgen

Priester oder der Heilige als ein Heiliger. Weder die guten noch die schlechten Werke folgen ihnen dorthin nach; der Geist ist über alle' Herzenssorgen erhaben. "Dies ist die Welt des Ewigen. Dies ist der höchste Weg. Dies ist der edelste Schatz und die höchste Lust. Alle Geschöpfe leben nur von der Wesenheit dieser Seligkeit." Dies ist der Zustand der Seele, wenn sie nach dem Tode des Körpers alles Materielle und Sinnliche abgestreift, in der Mittelregion (K a mal 0 ca) ihre tierischen Instinkte und Leidenschaften zurückgelassen und auch in der Götterwelt (Devachan) ihre geistigen Kräfte erschöpft hat, vermitteIs welcher sie sich durch Wille und Vorstellungslaaft die sie umgebende ideale Welt er~chuf. Und hier ist zu bemerken, dass die geistige, wenn auch dem persönlichen Menschen unbewusste Kraft des Willens und der Vorstellung oder Phantasie eine viel grössere ist, als die meisten Menschen auch nur ahnen, denn diese magische Kraft zaubert aus den Eindrücken, welche das Gemüt empfangen hat, auch ohne dass wir uns intellektuell dabei beteiligen, Bilder hervor, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen, so dass uns die Gegenstände in der subjektiven

ihnen dorthin nach; der Geist ist über alle

Herzenssorgen erhaben.

„Dies ist die Welt des Ewigen. Dies ist

der höchste Weg. Dies ist der edelste Schatz

und die höchste Lust. Alle Geschöpfe leben

nur von der Wesenheit dieser Seligkeit."

Dies ist der Zustand der Seele, wenn sie

nach dem Tode des Körpers alles Materielle

und Sinnliche abgestreift, in der MitteLregion

(Kama loca) ihre tierischen Instinkte und

Leidenschaften zurückgelassen und auch in der

Götterwelt (Devachan) ihre geistigen Kräfte

erschöpft hat, vermittels welcher sie sich durch

Wille und Vorstellungskraft die sie umgebende

ideale Welt erschuf. Und hier ist zu bemerken,

dass die geistige, wenn auch dem persön-

lichen Menschen unbewusste Kraft des Willens

und der Vorstellung oder Phantasie eine viel

grössere ist, als die meisten Menschen auch

nur ahnen, denn diese magische Kraft zaubert

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aus den Eindrücken, welche das Gemüt em-

pfangen hat, auch ohne dass wir uns intellek-

tuell dabei beteiligen, Bilder hervor, die an

Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen,

so dass uns die Gegenstände in der subjektiven

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Traumwelt ebenso wirklich erscheinen als die

materiellen Körper, die uns in der objektiven

18S

Sinneswelt umgaben. Der Unterschied ist nur

Traumwelt ebenso wirklich erscheinen als die materiellen Körper, die uns in der objektiven Sinneswelt umgaben. Der Unterschied ist nur derjenige, dass wir in dieser sinnlichen Welt Eindrücke von Dingen, die uns fremd und auch unangenehm sind, empfangen, während in der subjektiven Welt die Objekte aus unserem eigenen Wesen entspringen und demselben angemessen sind. Auch während des tiefen Schlafes zieht sich die göttliche Seele in ihr innerstes Heiligtum, zur Gottheit zurück, und es bleibt nur der Körper mit seinem vegetativen Leben auf der sichtbaren Daseinsebene. Selbst die Seele des grössten Verbrechers, wenn noch ein solcher göttlicher Geistesfunke in ihm vorhanden ist, geht dabei in die Ewigkeit ein. Da ist denn auch der Mörder kein Mörder, der' Dieb kein Dieb und der Heilige kein Heiliger mehr. Wenn er aber erwacht, so kehrt dabei auch wieder der Geist und das relative Bewusstsein zurück; aus dem vernunftlosen Organismus wird wieder ein denkender Mensch, der wieder seine vorherigen Eigenschaften aufnimmt und nach dem Erwachen ist er wieder, was er gewesen war, ein Mörder, ein Dieb, ein Heiliger. In seinen menschlich-tierischen Eigenschaften

derjenige, dass wir in dieser sinnlichen Welt

Eindrücke von Dingen, die uns fremd und auch

unangenehm sind, empfangen, während in der

subjektiven Welt die Objekte aus unserem

eigenen Wesen entspringen und demselben

angemessen sind.

Auch während des tiefen Schlafes zieht sich

die göttliche Seele in ihr innerstes Heiligtum,

zur Gottheit zurück, und es bleibt nur der Körper

mit seinem vegetativen Leben auf der sicht-

baren Daseinsebene. Selbst die Seele des

grössten Verbrechers, wenn noch ein solcher

göttlicher Geistesfunke in ihm vorhanden ist,

geht dabei in die Ewigkeit ein. Da ist denn

auch der Mörder kein Mörder, der Dieb kein

Dieb und der Heilige kein Heiliger mehr.

Wenn er aber erwacht, so kehrt dabei auch

wieder der Geist und das relative Bewusstsein

zurück; aus dem vernunftlosen Organismus wird

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wieder ein denkender Mensch, der wieder seine

vorherigen Eigenschaften aufnimmt und nach

dem Erwachen ist er wieder, was er gewesen

war, ein Mörder, ein Dieb, ein Heiliger. In

seinen menschlich-tierischen Eigenschaften

Lotusblüthen LXXVIII. 13

Lobaablüdum LXXVW.

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besteht sein irdisches Wesen, das er sich durch

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sein Empfinden und Denken, Wollen und Hanr

dein schafft. Deshalb besteht auch die grösste

besteht sein irdisches Wesen, das er sich durch sein Empfinden und Denken, Wollen und Han~ dein schafft. Deshalb besteht auch die grösste Strafe, welche der Mensch .für seine Sünden erfahren muss, darin, dass er selbst zu dem~ jenigen Wesen wird, das er sich durch seine Handlungen schafft. Wir dürfen uns bei diesem Ei~gehen der Seele in die Gottheit nicht ~ine Beibehaltung der Individualität, nach menschlichen Begriffen, denken. Die Seele ist darin eins mit dem Alli geiste, ähnlich wie ein Lichtstrahl eins mit dem Lichte der Sonne ist. Die Wiederverkörperungen und die Erfahrungen des individuellen Daseins haben aber den Zweck, in der Seele das Bewusstsein der Individualität zu entwickeln, wodurch sie dann nicht mehr eine nicht selbstbewusste Kraft im Allgeiste, sondern vielmehr eine mit dem Allgeiste harmonisch übereinstimmende Form. darstellt. Wenn in der Seele das Allbewusstsein und die Allerkenntnis aufgeht, dann ist sie eins mit der Gottheit, allgegenwärtig und selbstbewusst. Dieser Zusta~d wird von den Buddhisten als Nirwana bezeichnet. Er ist nicht ein Aufgehen im Nichts., wie manche "Orientalisten" meinen, sondern ein Aufgehen in Gott, nicht ein Verschwinden

Strafe, welche der Mensch für seine Sünden

erfahren muss, darin, dass er selbst zu dem-

jenigen Wesen wird, das er sich durch seine

Handlungen schafft.

Wir dürfen uns bei diesem Eingehen der

Seele in die Gottheit nicht eine Beibehaltung

der Individualität, nach menschlichen Begriffen,

denken. Die Seele ist darin eins mit dem All-

geiste, ähnlich wie ein Lichtstrahl eins mit dem

Lichte der Sonne ist. Die Wiederverkörpe-

rungen und die Erfahrungen des individuellen

Daseins haben aber den Zweck, in der Seele

das Bewusstsein der Individualität zu entwickeln,

wodurch sie dann nicht mehr eine nicht selbst-

bewusste Kraft im Allgeiste, sondern vielmehr

eine mit dem Allgeiste harmonisch überein-

stimmende Form darstellt. Wenn in der Seele

das Allbewusstsein und die Allerkenntnis auf-

geht, dann ist sie eins mit der Gottheit, all-

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gegenwärtig und selbstbewusst. Dieser Zustand

wird von den Buddhisten als Nirwana be-

zeichnet. Er ist nicht ein Aufgehen im Nichts,

wie manche „Orientalisten" meinen, sondern

ein Aufgehen in Gott, nicht ein Verschwinden

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im Nichts, sondern ein Eingehen in einen

höheren Zustand des Daseins, ein Eintreten

aus einem beschränkten Zustand in das Allsein

1m Nichts, sondern ein Eingehen meinem

und die Allwissenheit; er ist vergleichbar mit

dem Aufgehen eines Funkens in der Flamme,

höheren Zustand des Daseins, ein Eintreten aus einem beschränkten Zustand in das Allsein und die Allwissenheit; er ist vergleichbar mit dem Aufgehen eines Funkens in der Flamme. wodurch der Funke allerdings aufhört als Funk~ zu existieren, dafür aber selber zum Lichte wird. Dasjenige, was den Menschengeist verführt, eine persönliche Form anzunehmen, ist der Wille zum persönlichen Dasein, der EgoismlJS, Aus der Begierde zum eigenen Dasein entspringt das individuelle Bewusstsein, welches dem Menschen vorspiegelt, dass er nicht nur der Form nach, sondern auch in seinem Wesen eia von andem Geschöpfen gründlich verschiedenes Ding sei. Ist er aber durch Erfahrung zur Erkenntnis seiner. wahren Gottesnatur gekommen, hat er völlig den Selbstwahn überwunden und ist in ihm das Licht der Weisheit aufgegangen, dann weiss er auch, dass er eins mit, der Sonne der Weisheit ist, die allen Formen Licht und Leben giebt. Dann sieht er in jedem, Wesen nur eine Verkörperung seines eigenen höchsten Selbst; dann braucht er sich auch nicht wieder der Fleischwerdung zu unterwerfeD,. es wäre denn, dass dies zur Belehrung 1lnd. Besserung der Menschheit geschähe. Solche.

wodurch der Funke allerdings aufhört als Funke

zu existieren, dafür aber selber zum Lichte wird.

Dasjenige, was den Menschengeist verführt,

eine persönliche Form anzunehmen, ist der

Wille zum persönlichen Dasein, der Egoismus,

Aus der Begierde zum eigenen Dasein ent-

springt das individuelle Bewusstsein, welches

dem Menschen vorspiegelt, dass er nicht nur der

Form nach, sondern auch in seinem Wesen ein

von andern Geschöpfen gründlich verschiedenes

Ding sei. Ist er aber durch Erfahrung zur

Erkenntnis seiner wahren Gottesnatur gekom-

men, hat er völlig den Selbstwahn überwunden

und ist in ihm das Licht der Weisheit auf-

gegangen, dann weiss er auch, dass er eins mit

der Sonne der Weisheit ist, die allen Formen

Licht und Leben giebt. Dann sieht er in jedem

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Wesen nur eine Verkörperung seines eigenen

höchsten Selbst; dann braucht er sich auch

nicht wieder der Fleischwerdung zu unterwerfen,

es wäre denn, dass dies zur Belehrung Hnd.

Besserung der Menschheit geschähe. Solche

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Gottmenschen, die sich zum Wohle der Mensch-

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heit der Wiederverkörperung unterziehen, werden

„Erlöser der Menschheit" genannt. Ihr Schick-

Gottmenschen, die sich zum Wohle der Menschheit der Wiederverkörperong unterziehen, werden "Erlöser der Menschheit" genannt. Ihr Schicksal ist es, von der Dummheit verkannt und von den Egoisten verfolgt und "gekreuzigt" zu werden. Alles dies ist schwer zu begreifen, solange wir die Menschen und Götter als voneinander getrennte Wesen, ohne innerlichen Zusammenhang, betrachten; es wird aber leicht begreiflich, wenn wir die Einheit des Ganzen im Auge behalten. So wie es im Raume unzählige Formen und Körper giebt, und dennoch der Raum nur ein einziger und unteilbar ist und jede Form im Raume einen gleichsam verkörperten Raum darstellt, so ist auch die Gottheit ein unteilbares Ganzes; in Gott, der das ganze Universum in seinem Wesen umfasst, ist alles enthalten; in ihm werden wir geboren, leben und sterben und werden wiedergeboren; "in ihm leben wir und haben wir dieses Dasein." Alle Vorgänge im Weltall sind Vorgänge im Körper Gottes. Menschen, Götter und Dämonen stellen nur intelligente oder selbstbewusste Kräfte dar, die sich in diesem Körper bewegen, aus dieser einheitlichen Substanz gebildet und deshalb in ihrem Wesen identisch sind. Es

sal ist es, von der Dummheit verkannt und

von den Egoisten verfolgt und „gekreuzigt" zu

werden.

Alles dies ist schwer zu begreifen, solange

wir die Menschen und Götter als voneinander

getrennte Wesen, ohne innerlichen Zusammen-

hang, betrachten; es wird aber leicht begreif-

lich, wenn wir die Einheit des Ganzen im Auge

behalten. So wie es im Raume unzählige For-

men und Körper giebt, und dennoch der Raum

nur ein einziger und unteilbar ist und jede

Form im Raume einen gleichsam verkörperten

Raum darstellt, so ist auch die Gottheit ein

unteilbares Ganzes; in Gott, der das ganze

Universum in seinem Wesen umfasst, ist alles

enthalten; in ihm werden wir geboren, leben

und sterben und werden wiedergeboren; „in

ihm leben wir und haben wir dieses Dasein."

Alle Vorgänge im Weltall sind Vorgänge im

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Körper Gottes. Menschen, Götter und Dämonen

stellen nur intelligente oder selbstbewusste

Kräfte dar, die sich in diesem Körper bewegen,

aus dieser einheitlichen Substanz gebildet und

deshalb in ihrem Wesen identisch sind. Es

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kommt nichts aus Gott heraus; denn Gott ist

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alles, und es geht auch nichts in ihn hinein|

denn es existiert nichts ausser ihm; aber der

kommt nichts aus Gott heraus; denn Gott iat alles, und es geht auch nichts in ihn hineinj denn es existiert nich ts ausser ihm; aber der menschliche und daher beschränkte Intellekt kann das Eine, Unendliche nicht fassen, und wir machen uns daher Vorstellungen und Unterscheidungen, wo diese in Wirklichkeit nicht existieren. Wir sehen eine Getrenntheit der Erscheinungen, und bilden uns ein, die Wesen seien auch ohne innerlichen Zusammenhang. Alle Menschen, Götter und Dämonen, überhaupt alle Dinge sind eins in Gott; und die vielen Formen, unter denen sich dieses eine Wesen offenbart, sind nur Erscheinungen. Jede dieser Erscheinungen ist in ihrem Wesen eins mit Gott, und die Erkenntnis dieser Einheit des eigenen Wesens mit dem Wesen von allen Dingen ist der Schlüssel zum Verständnisse der Geheimnisse Gottes; sie ist die Gotteserkenntnis oder "Theosophie".

menschliche und daher beschränkte Intellekt

kann das Eine, Unendliche nicht fassen, und

wir machen uns daher Vorstellungen und Unter-

scheidungen, wo diese in Wirklichkeit nicht

existieren. Wir sehen eine Getrenntheit der

Erscheinungen, und bilden uns ein, die Wesen

seien auch ohne innerlichen Zusammenhang.

Alle Menschen, Götter und Dämonen, über-

haupt alle Dinge sind eins in Gott; und die

vielen Formen, unter denen sich dieses eine

Wesen offenbart, sind nur Erscheinungen. Jede

dieser Erscheinungen ist in ihrem Wesen eins

mit Gott, und die Erkenntnis dieser Einheit des

eigenen Wesens mit dem Wesen von allen

Dingen ist der Schlüssel zum Verständnisse der

Geheimnisse Gottes; sie ist die Gotteserkenntnis

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oder „Theosophie".

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Die Bhagavad Gita

oder

Das Hohe Lied.

(Fortsetzung.)

XI.

Viswarupdarsanam.

VON DER OFFENBARUNG

DER PERSÖNLICHKEIT GOTTES.

Ardschuna.

1 Verschwunden ist der Nichterkenntnis Nacht,

Und das Geheimnis hat sich mir eröffnet;

Denn was du über Adhyatman mich gelehrt,

Hat mir des Irrtums Fessel abgestreift.

2 Den Ursprung und das Ende aller Wesen

Erklärtest du, erhabner Meister, mir;

Die Bhagavad Gita

Wie alles nur in dir sein Dasein hat,

Und du das Eine Wesen aller bist.

3 Doch möcht' ich wohl, o Herr, dich selbst

oder

erblicken,

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Das Hohe Lied. (Fortsetzung.)

XI. Viswarupdarianam. VON DER OFFENBARUNG DER PERSÖNLICHKEIT GOTTES.

Ardschuna. 1 Verschwunden ist der Nichterkenntnis Nacht, Und das Geheimnis hat sich mir eröffnet; Denn was du über Adhyatman mich gelehrt, Hat mir des Irrtums Fessel abgestreift. 2 Den Ursprung und das Ende aller Wesen Erklärtest du, erhabner Meister, mir; Wie alles nur in dir selD Dasein hat, Und du das Eine Wesen aller bist. 3 Doch möcht' ich wohl, 0 Herr, dich selbst erblicken,

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— i9i —

-

So wie du selbst in deinem Wesen bist,

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- In deiner eigenen Persönlichkeit,

Hoch über allem Blendwerk der Erscheinung.

So wie du selbst in deinem Wesen bist, , In 'deiner eigenen Persönlichkeit, Hoch über allem Blendwerk der Erscheinung. 4 Und wenn ich fähig bin, dich selbst .zu schau'n, o Mächtigster, in deiner Herrlichkeit, So zeige mir, 0 Herr, dein Angesicht Und offenbare mir dein wahres Selbst.

4 Und wenn ich fähig bin, dich selbst zu

schau'n,

O Mächtigster, in deiner Herrlichkeit,

So zeige mir, o Herr, dein Angesicht

Und offenbare mir dein wahres Selbst.

Krischna.

5 So siehe denn, o Sohn der Erde, mich

Als Einen in der Vielheit der Gestalten,

Die himmlischer Natur, verschiedenartig

Und zahlreich wie des Himmels Sterne sind.

6 Versenke deinen Blick ins Reich der Götter,

Ins Reich der Geister, Engel und Dämonen,

Wo Himmelskräfte auf- und niedersteigen,

Und sich in Formen herrlich offenbaren.

7 Erblicke als ein einheitliches Ganze

Die ganze Welt, mit allen ihren Formen.

Sie ist mein Leib, ich selbst in ihr der Geist;

Krischna.

Was es auch sei, dies alles ist in mir.

8 Doch mit des Körpers Augen kannst du nicht

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Mein göttliches und eignes Selbst erblicken;

5 So

siehe denn, 0 Sohn der Erde, mich Als Einen in der Vielheit der Gestalten, Die himmlischer Natur, verschiedenartig Und zahlreich wie des Himmels Sterne sind. 6 Versenke deinen Blick ins Reich der Götter, Ins Reich der Geister, Engel und Dämonen, Wo Himmelskräfte auf- und niedersteigen, Und sich in Formen herrlich offenbaren. 7 Erblicke als ein einheitliches Ganze Die ganze Welt, mit allen ihren Formen. Sie ist mein Leib, ich selbst in ihr der Geist; Was es auch sei, dies alles ist in mir. 8 Doch mit des Körpers Augen kannst du nicht Mein göttliches und eignes Selbst erblicken; Drum will ich dir das Geistesauge öffnen. Erblicke meine mystische Natur!

Drum will ich dir das Geistesauge öffnen.

Erblicke meine mystische Natur!

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— 192 —

-

Sandschaya.

192

9 Als nun der Herr der Welten dies gesprochen,

Sandschaya. 9 Als nun der Herr der Welten dies gesprochen, Da offenbarte er dem Erdensohn Sich selbst, in seiner eigenen Gestalt Als Herrscher, der die ganze Welt umfasst. 10 Mit vielerlei Aspekten, vielerlei Bewusstseinsformen, herrlich, vielgestaltig, Mit jeder Pracht des Himmels ausgestattet, Durchdrungen auch von jeder Himmelskraft, 11 Bekleidet mit der göttlichen Natur, Bekränzt mit allem was der Himmel trägt, Mit Wohlgeruch erfüllt, ein wunderbares, Lichtvolles, liebend und allsehend Wesen. 12 Und stiegen tausend Sonnen auch zugleich Am Horizont empor, so wäre doch Ihr Licht nicht jener Herrlichkeit vergleichbar, Die dort Ardschunas Geistesauge sah. 13 Da sah Pandava nun das ganze Weltall Mit allem, was in diesem sich bewegt Und nicht bewegt, als Vielheit der Erscheinung, Und doch als Eines nur in Wahrheit. 14 Erfüllt von Staunen sank Ardschuna nieder, Es sträubte sich sein Haar; anbetungsvoll Das Haupt verneigend, fal~et' er die Hände, Und sprach zum Herrn des Weltalls dann, wie folgt:

Da offenbarte er dem Erdensohn

Sich selbst, in seiner eigenen Gestalt

Als Herrscher, der die ganze Welt umfasst.

10 Mit vielerlei Aspekten, vielerlei

Bewusstseinsformen, herrlich, vielgestaltig,

Mit jeder Pracht des Himmels ausgestattet,

Durchdrungen auch von jeder Himmelskraft,

11 Bekleidet mit der göttlichen Natur,

Bekränzt mit allem was der Himmel trägt,

Mit Wohlgeruch erfüllt, ein wunderbares,

Lichtvolles, liebend und allsehend Wesen.

12 Und stiegen tausend Sonnen auch zugleich

Am Horizont empor, so wäre doch

Ihr Licht nicht jener Herrlichkeit vergleichbar,

Die dort Ardschunas Geistesauge sah.

13 Da sah Pandava nun das ganze Weltall

Mit allem, was in diesem sich bewegt

Und nicht bewegt, als Vielheit der Erscheinung,

Und doch als Eines nur in Wahrheit.

14 Erfüllt von Staunen sank Ardschuna nieder,

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Es sträubte sich sein Haar; anbetungsvoll

Das Haupt verneigend, faltet' er die Hände,

Und sprach zum Herrn des Weltalls dann, wie

folgt:

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— 193 —

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Ardschuna.

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15 In deinem Leibe, Gott, erblick' ich alle Götter

Ardschuna. 15 In deinem Leibe, Gott, erblick' ich alle Götter Und der lebend'gen Wesen zahlreich' Heer; Brahma, den Herrn, im Lotuskelche sitzend, Die hohen Weisen und die Götterschlangen. 16 Mit vielen Armen, mit unzähl'gen Brüsten, Durch die du alles in der Welt ernährst, Und auch mit vielen Augen, seh' ich dich; Da ist kein Anfang, Mitte oder Ende. 17 Du trägst die Krone, Keule und den Schild, Ein Meer von Glanz nach allen Seiten strahlend; Es blendet mich dein Licht, das sonnengleich Nach jeder Richtung seine Pfeile sendet. 18 Du bist der Eine, du das höchste Ziel Der Selbsterkenntnis und das Herz des Alls, Der Hüter des unsterblichen Gesetzes, Der ew'ge Grund von allem, was da ist. 190hn' Anfang, ohne Mitte, ohne Ende, Ewig in deiner Kraft, in deinem Thun. Die Sonne und der Mond sind deine Augen, Es glänzt dein Angesicht wie Feuerschein. 20 Du wllst den Weltenraum mit deinem Licht, Und deine Liebe wärmt das ganze All; Denn alle Himmel und die Weltregionen Sind voll von dir und deiner Herrlichkeit. 21 Und zeigst du dich in deiner Schreckgestalt, So zittern die drei Welten, es entflieh'n

Und der lebend'gen Wesen zahlreich' Heer;

Brahma, den Herrn, im Lotuskelche sitzend,

Die hohen Weisen und die Götterschlangen.

16 Mit vielen Armen, mit unzähl'gen Brüsten,

Durch die du alles in der Welt ernährst,

Und auch mit vielen Augen, seh' ich dich;

Da ist kein Anfang, Mitte oder Ende.

17 Du trägst die Krone, Keule und den Schild,

Ein Meer von Glanz nach allen Seiten strahlend;

Es blendet mich dein Licht, das sonnengleich

Nach jeder Richtung seine Pfeile sendet.

18 Du bist der Eine, du das höchste Ziel

Der Selbsterkenntnis und das Herz des Alls,

Der Hüter des unsterblichen Gesetzes,

Der ew'ge Grund von allem, was da ist.

19 Ohn' Anfang, ohne Mitte, ohne Ende,

Ewig in deiner Kraft, in deinem Thun.

Die Sonne und der Mond sind deine Augen,

Es glänzt dein Angesicht wie Feuerschein.

20 Du füllst den Weltenraum mit deinem Licht,

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Und deine Liebe wärmt das ganze All;

Denn alle Himmel und die Weltregionen

Sind voll von dir und deiner Herrlichkeit.

21 Und zeigst du dich in deiner Schreckgestalt,

So zittern die drei Welten, es entflieh'n

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— 194 —

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Die Götter, und der Rischi's Scharen sprechen,

194 -

Die Hände faltend: „Grosser! Heil sei dir!"

22 Sie alle preisen dich, den Heiligen:

Die Götter, und der Rischi's Scharen sprechen, Die Hände faltend: "Grosser! Heil sei dir I" . 2 2 Sie alle preise~ dich, den Heiligen: Adityas, Rudras, Vasus, Sadhyas, Viswas und Aswins, Maruts, Asuras, 23 In grossen Scharen stehen sie und staunen Ob deiner allumfa58enden Gestalt; Die Welten sehen deine Majestät Mit Furcht und Zittern, und es bebt mein Herz. 24 Den Himmel streifend seh' ich dich; du leuchtest In vielen Farben; offen ist dein Mund, Und mich erschrecken deine Flammenaugen; Denn keine Ruhe, Vischnu, find' ich da. 25 Es starren deine Zähne mir entgegen, Und deinem Mund entströmt der Weltenbrand; Die Sinne schwinden mir; mich fasst Entsetzenl Sei gnädig mir, 0 grosser Herr der Welt I 26 Die Söhne Dhritaraschtra's und die Schar Der glossen Erdenherrscher, Bhischma, Drona Und Karna mit der Blüte unsres Heer's, Die ausgezeichnetsten von unsern Kriegern, 27 Verschwinden all' im fiirchterlichen Schlund, Im Rachen, der von scharfen Zähnen starrt. Ach lVieie seh' ich mit zermalmten Gliedern In dieser Zähne Zwischenräumen hängen. 28 Wie Flüsse, die sich in das Meer ergiessen, In raschem Lauf sich ihrem Ziele nähernd,

Adityas, Rudras, Vasus, Sadhyas,

Viswas und Aswins, Maruts, Asuras,

23 In grossen Scharen stehen sie und staunen

Ob deiner allumfassenden Gestalt;

Die Welten sehen deine Majestät

Mit Furcht und Zittern, und es bebt mein Herz.

24 Den Himmel streifend seh' ich dich; du leuchtest

In vielen Farben; offen ist dein Mund,

Und mich erschrecken deine Flammenaugen;

Denn keine Ruhe, Vischnu, find' ich da.

25 Es starren deine Zähne mir entgegen,

Und deinem Mund entströmt der Weltenbrand;

Die Sinne schwinden mir; mich fasst Entsetzen!

Sei gnädig mir, o grosser Herr der Welt!

26 Die Söhne Dhritaraschtra's und die Schar

Der grossen Erdenherrscher, Bhischma, Drona

Und Karna mit der Blüte unsres Heer's,

Die ausgezeichnetsten von unsern Kriegern,

27 Verschwinden all' im fürchterlichen Schlund,

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Im Rachen, der von scharfen Zähnen starrt.

Ach! Viele seh' ich mit zermalmten Gliedern

In dieser Zähne Zwischenräumen hängen.

28 Wie Flüsse, die sich in das Meer ergiessen,

In raschem Lauf sich ihrem Ziele nähernd,

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— 195 —

-

So drängen sich die besten unsrer Helden

195

Unwiderstehlich in den Flammenschlund.

29 Und wie die Mücke nach dem Lichte strebend

Im Flammenbett dem Untergang sich weiht,

So eilen unaufhaltsam diese Welten

Mit Schnelligkeit dem Untergange zu.

30 Verschlingend schlürfst du alle Sterblichen,

O Herr, mit deinen Flammenlippen auf;

Dein Licht durchdringt das Weltall, und es

sengen

Verderbenbringend deine Feuerstrahlen.

31 Sag' an, wer bist du, der so schrecklich scheint?

Ich beuge mich vor dir. O sei mir gnädig!

Dich zu erkennen wünsche ich von Herzen,

Doch deine Offenbarung fass' ich nicht.

Krischna.

32 Ich bin die Zeit, die Weltzerstörerin,

Vernichtend jedes menschliche Geschlecht.

Von allen Kriegern, die du hier erblickst

Wird ausser dir kein einz'ger mir entrinnen.

33 Deshalb erhebe dich in deiner Kraft,

Nimm dir den Sieg und seine Herrlichkeit.

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Durch meinen Arm ist schon der Feind er-

schlagen;

Sei du mein Werkzeug; ich bin deine Macht.

34 Zertritt sie alle, Bischma, Drona, Karna

So drängen sich die besten. unsrer Helden Unwiderstehlich in den Flammenschlund. 29 Und wie die Mücke nach dem Lichte strebend Im Flammenbett dem Untergang sich weiht, So eilen unaufhaltsam diese Welten Mit Schnelligkeit dem Untergange zu. 30 Verschlingend schlürfst du alle Sterblichen, o Herr, mit deinen Flammenlippen auf; Dein Licht durchdringt das Weltall, und es sengen Verderbenbringend deine Feuerstrahlen. 3 1 Sag' an, wer bist du, der so schrecklich scheint? Ich beuge mich vor dir. 0 sei mir gnädig! Dich zu erkennen wünsche ich von Herzen, Doch deine Offenbarung fass' ich nicht.

Krischna. Ich bin die Zeit, die Weltzerstörerin, Vernichtend jedes menschliche Geschlecht. Von allen Kriegern, die du hier erblickst Wird ausser dir kein einz'ger mir entrinnen. 33 Deshalb erhebe dich in deiner Kraft, Nimm dir den Sieg und seine Herrlichkeit. Durch meinen Arm ist schon der Feind erschlagen; Sei du mein Werkzeug; ich bin deine Macht. 34 Zertritt· sie alle, Bischma, Drona, Kama 32

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— 196 —

Und Yayadratha und die andern Krieger.

196

Von mir sind sie zermalmt; drum zitt're nicht.

Und Yayadratha und die andem Krieger. Von mir sind sie zermalmt; drum zitt're nicht. Frisch auf zum Kampf! Du sollst der Sieger sein.

Frisch auf zum Kampf! Du sollst der Sieger sein.

Sandschaya.

35 Als nun Ardschuna diese Worte hörte,

Da hob er ehrfurchtsvoll die Hände auf

Zum Herrn der Welt. Er war von Angst erfüllt

Und sprach zu Krischna bebend diese Worte:

Ardschuna.

36 Mit Recht, o Krischna, freuet sich die Welt

Sandschaya.

In deinem Licht und deiner Herrlichkeit.

Die Riesen fliehen schreckerfüllt dahin,

Der Zwerge Scharen sinken vor dir nieder.

35

37 Nur dir gebührt der Ruhm, o Weltbeherrscher;

Höher als Brahm, aus dem das Sein entsprang,

Unendlich bist du, Wohnung aller Welten!

Alleiniger, der ist und auch nicht ist.

38 Du bist der höchste Gott, der erste Schöpfer,

Des ganzen Weltalls allerbester Schatz;

Du bist die Wahrheit, die sich selbst erkennt;

Als nun Ardschuna diese Worte hörte, Da hob er ehrfurchtsvoll die Hände auf Zum Herrn der Welt. Er war von Angst erfüllt Und sprach zu Krischna bebend diese Worte:

Endlos in Form, der Grund von allem Dasein.

39 Du bist Varuna, Vaya, Agni, Yama,

Ardschuna.

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Der Mond, der Herr, der Vater aller Wesen.'

Dein ist die Ehre; dein ist die Verehrung,

36 Mit

Recht, 0 Krischna, freuet sich die Welt In deinem Licht und deiner Herrlichkeit. ~ Die Riesen fliehen schreckerfüllt dahin, Der Zwerge Scharen sinken vor dir nieder. 37 Nur dir gebührt der Ruhm, 0 Weltbeherrscher; Höher als Brahm, aus dem das Sein entsprang, Unendlich bist du, Wohnung aller Welten! Alleiniger, der ist und auch nicht ist. 38 Du bist der höchste Gott, der erste Schöpferl Des ganzen Weltalls allerbester Schatz; Du bist die Wahrheit, die sich selbst erkennt; Endlos in Form, der Grund von allem Dasein. 39 Du bist Varuna, Vaya, Agni, Yama, Der Mond, der Herr, der Vater aller Wesen.. Dein ist die Ehre; dein ist die Verehrung, Ohn' Unterlass und ohne Ende dein.

Ohn' Unterlass und ohne Ende dein.

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— i97 —

-

4oDein sei der Preis in aller Höh' und Tiefe,

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Von allen Seiten sei das Lob nur dein.

In Macht unendlich, endlos in der Stärke,

Bist du das All und du erhältst das All.

41 Wenn ich vertraulich meinen Freund dich nannte

Und rief: „O Yadava! o Krischna! Herr!"

Von Leichtsinn oder Neigung hingerissen,

In Nichterkenntnis deiner Majestät;

42 Wenn ich nicht stete Ehrfurcht dir erwiesen

Beim Sitzen, Gehen, Liegen oder Steh'n;

Wenn ich allein war, oder in Gesellschaft,

O Heiliger! Verzeih' es, Herr der Welt!

43Du Aller Vater! Aller Wesen Herr!

Du Weltenlehrer, du, der Weisheit Quelle!

In den drei Welten kommt dir niemand gleich.

Du bist unendlich gross in deiner Macht;

44 Drum werf ich demutsvoll mich vor dir nieder,

Und flehe dich um deine Gnade an.

Sei gütig mir, so wie dem Sohn der Vater,

Der Freund dem Freund, der Liebste der

Geliebten.

45 Im Anblick deiner niegeseh'nen Wunder

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Erfreuet sich mein Herz; doch ist mir bang.

In anderer Gestalt möcht' ich dich schauen,

Zeig' mir die andre, Allerbarmer! Herr!

46 Wie ich dich sah, möcht' ich dich wiederschauen,

Mit deiner Krone und von Licht umflossen.

40 Dein

sei der Preis in aller Höh' und Tiefe, Von allen Seiten sei das Lob nur dein. In Macht unendlich, endlos in der Stärke, Bist du das All und du erhältst das All. 41 Wenn ich vertraulich meinen Freund dich nannte Und rief: ,,0 Yadava! 0 Krischna! Herr!" Von Leichtsinn oder Neigung hingerissen, In Nichterkenntnis deiner Majestät; 42 Wenn ich nicht stete Ehrfurcht dir erwiesen Beim Sitzen, Gehen, Liegen oder Steh'n; Wenn ich allein war, oder in Gesellschaft, Heiliger! Verzeih' es, Herr der Welt! 43 Du Aller Vater! Aller Wesen Herr! Du Weltenlehrer, du, der Weisheit Quelle! In den drei Welten kommt dir niemand gleich. Du bist Unendlich gross in deiner Macht; 44 Drum werf' ich demutsvoll mich vor dir nieder, Und flehe dich um deine Gnade an. Sei gütig mir, so wie dem Sohn' der Vater, Der Freund dem Freund, der Liebste der Geliebten. 45 Im Anblick deiner niegeseh'nen Wunder Erfreuet sich mein Herz; doch ist mir bang. In anderer Gestalt möcht' ich' dich schauen, Zeig' mir die andre, Allerbarmer! Herr! 46 Wie ich dich sah, möcht' ich dich wiederschauen, Mit deiner Krone und von Licht umflossen.

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— 198 —

Vierarmig offenbare dich mir wieder,

Du Tausendarmiger, Unendlicher.

Krischna.

Vierarmig offenbare dich mir wieder, Du Tausendarmiger, Unendlicher.

47 Durch meiner Gnade mystische Gewalt

Hast du, Ardschuna, meine Form gesehen,

Unendlich, strahlend, und das All umfassend,

Wie's ausser dir noch niemals jemand sah.

48 Nicht durch das Veden-Lesen, noch durch Opfer,

Krischna. 47 Durch meiner Gnade mystische Gewalt Hast du, Ardschuna, meine Form gesehen" Unendlich, strahlend, und das All umfassend, Wie's ausser dir noch niemals jemand san. 48 Nicht d.urch das Veden-Lesen, noch durch Opfer, Durch Denken nicht und nicht durch gute ~ erke, Auch nicht durch Busse kann ein Sterblicher Mich so erkennen, wie du mich erschaut. 49 Sei nicht bestürzt, noch gieb dich hin der Furcht, Weil du in meiner Schreckgestalt mich sahst. Sei frei von Angst und sieh mit frohem Herzen Mich wieder in der vorigen Gestalt.

Durch Denken nicht und nicht durch gute Werke,

Auch nicht durch Busse kann ein Sterblicher

Mich so erkennen, wie du mich erschaut.

49 Sei nicht bestürzt, noch gieb dich hin der Furcht,

Weil du in meiner Schreckgestalt mich sahst.

Sei frei von Angst und sieh mit frohem Herzen

Mich wieder in der vorigen Gestalt.

Sandschaya.

50 Als Vasudeva so gesprochen hatte

Erschien er wieder in der eignen Form.

Der Anblick seiner lieblichen Erscheinung

Verlieh dem schon Verzagten neuen Mut.

Ardschuna.

51 Da ich dich, Herr, nun wieder so erblicke,

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Als Gottheit in der Menschheit, find' ich auch

Die Ruhe wieder und es regt aufs neu

Zum weiter Vorwärtsstreben sich mein Mut

Sandschaya. 50 Als Vasudeva so gesprochen hatte Erschien er wieder in der eignen Form. Der Anblick seiner lieblichen Erscheinung Verlieh dem schon Verzagten neuen Mut. Ardschuna. 51 Da ich dich,. Herr, nun wieder so erblicke, Als .Gottheit in der Menschheit, find' ich auch Die Ruhe wieder und es regt aufs neu Zum weiter Vorwärtsstreben sich mein Mu~

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— 199 —

199

Krischna.

52 Die Form, in der du mich gesehen hast,

Wird von den Sterblichen nur schwer erkannt.

Krischna.

Sie ist verborgen; selbst die Götter sehnen

Sich ohne Unterlass nach ihrem Anblick.

53 Nicht durch das Lesen in den heil'gen Schriften,

52 Die Form, in der du mich gesehen hast,

Nicht durch Gebete, Fasten und Kastei'n,

Auch nicht durch fromme Opfergaben kann

Die Menschheit diesen Anblick sich erkaufen;

54 Doch wer sich ganz in Liebe mir ergiebt,

Und mich allein nur liebt, erkennt mich so.

Er, wahrlich, kann mich so in Wahrheit sehen;

Mein Anblick ist's, der ihn unsterblich macht.

55 Wer alles, was er thut, in meinem Namen,

In meiner Kraft vollbringt, kein Wesen hasst,

Von Selbstsucht frei nach mir allein nur ringt,

Und sich mit mir vereinigt, kommt zu mir.

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(Fortsetzung folgt.)

Wird von den Sterblichen nur schwer erkannt. Sie ist verborgen; selbst die Götter sehnen Sich ohne Unterlass nach ihrem Anblick. 53 Nicht durch das Lesen in den heil'gen Schriften, Nicht durch Gebete, Fasten und Kastei'n, Auch nicht durch fromme Opfergaben kann Die Menschheit diesen Anblick sich erkaufen; 54 Doch wer sieh ganz in Liebe mir ergiebt, Und mich allein nur liebt, erkennt mich so. Er, wahrlich, kann mich so in Wahrheit sehen; Mein Anblick ist's, der ihn unsterblich macht. ss Wer alles, was er thut, in meinem Namen, In meiner Kraft vollbringt, kein Wesen hasst, Von Selbstsucht frei nach mir allein nur ringt, Und sich mit mir vereinigt, kommt zu mir. (FortletZllDg folgt.)

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Die Lehren

des

Philippus Theophrastus Bombast von

Hohenheim genannt Paracelsus.

Zweiter Teil.

..

Medizin.

(Fortsetzung.)

„Auch können uns die Ceremonien nichts

nützen, wenn es uns nicht selbst von Herzen

... .. . ... ..

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geht. Ohne das innerliche Seelenleben sind

alle Ceremonien nur Mittel, die zum Aber-

glauben führen. Wir können zu Gottes Gnade

nichts hinzufügen. Auch ist jeder Mensch für

sich selbst der nächste bei Gott und hat volle

Gewalt seine Angelegenheiten mit Gott ab-

zumachen. Wenn er nun diese Macht aus den

Händen giebt, und seine Pflicht einem andern

Die Lehren

überlässt, so fällt er in die Ceremonie und den

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des

Philippus Theophrastus Bombast von Hohenheim genannt Paracelsus." Zweiter Teil.

M e d i z i n. (Fortsetzung.)

"Auch können uns die Ceremonien nichts nützen, wenn es uns nicht selbst von Herzen geht. Ohne das innerliche Seelenleben sind alle Ceremonien nur Mittel, die zum Aberglauben führen. Wir können zu Gottes Gnade nichts hinzufügen. Auch ist jeder Mensch für sich selbst der nächste bei Gott und hat volle Gewalt seine Angelegenheiten mit Gott abzumachen. Wenn er nun diese Macht aus den Händen giebt, und seine Pflicht einem andern überlässt, so fällt er in die Ceremonie und den

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— 201 —

-

Zweifel.1) Damit giebt er auch seinen Glauben

201

aus der Hand und alle seine Kräfte. Dann

Zweifel.!) Damit giebt er auch seinen Glauben aus der Hand und alle seine Kräfte. Dann sind die Ceremonien nur ein äusserlicher Schein. Gott sieht das Herz an und nicht die Ceremonie. Auch giebt er uns nichts anderes als das, was wir dadurch erlangen, dass wir ihn von ganzem Herzen, Gemüt und in allen unsern Kräften lieben, und er giebt es uns, damit wir dem Nächsten helfen. Der Teufel (die Selbstsucht) aber macht die Leute glauben, dass, wer etwas von Gott erlangen wolle, der müsse Gottes vergessen und die Ceremonien gebrauchen. " 9) "Gott (in uns) ist der Herr der Geister, der den Geistern befiehlt, und die Geister, die ihm gehorchen, sind seine Knechte, die ihm gehorchen und nichts thun, als was Gott befiehlt. So wir deshalb etwas von Gott wollen, so sollen wir uns an ihn wenden und nicht an die Knechte, denn darin liegt die Abgötterei. Wenn wir die Knechte an die Stelle Gottes setzen, so geht es zu wie in einem Haushalt, wo der Herr nicht zuhause ist. Die Knechte spielen dann die Herren, und es tanzt das

sind die Ceremonien nur ein äusserlicher Schein.

Gott sieht das Herz an und nicht die Cere-

monie. Auch giebt er uns nichts anderes als

das, was wir dadurch erlangen, dass wir ihn

von ganzem Herzen, Gemüt und in allen unsern

Kräften lieben, und er giebt es uns, damit wir

dem Nächsten helfen. Der Teufel (die Selbst-

sucht) aber macht die Leute glauben, dass, wer

etwas von Gott erlangen wolle, der müsse

Gottes vergessen und die Ceremonien ge-

brauchen."2)

„Gott (in uns) ist der Herr der Geister, der

den Geistern befiehlt, und die Geister, die ihm

gehorchen, sind seine Knechte, die ihm ge-

horchen und nichts thun, als was Gott befiehlt.

So wir deshalb etwas von Gott wollen, so

sollen wir uns an ihn wenden und nicht an die

Knechte, denn darin liegt die Abgötterei.

Wenn wir die Knechte an die Stelle Gottes

setzen, so geht es zu wie in einem Haushalt,

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wo der Herr nicht zuhause ist. Die Knechte

spielen dann die Herren, und es tanzt das

') Vergl. „Bhagavad Gita" III, 35.

2) Ibid. XVIII, 66.

Lotusblüthen LXXVIII. 14

1) Vergl. "Bhagavad Gita" III, 35. 11) Ibid. XVIII, 66. Lotusblüthen LXXVllI.

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— 202 —

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ganze Hofgesinde nach Belieben. Nun ist aber

202

jedem von uns der Glaube und die Macht

gegeben, alle Dinge in Gott selbst zu suchen,

ganze Hofgesinde nach Belieben. Nun ist aber jedem von uns der Glaube und die Macht gegeben, alle Dinge in Gott selbst zu suchen, und er bedarf keiner fremden Geister hierzu. Was er dann den Geistenl zu thun befiehlt, das steht bei seinem göttlichen Willen und nicht bei den Geistern, seien es Engel oder Teufel." "Wenn wir aber Gottes vergessen und uns an die Geister wenden, so ziehen wir dadurch die Geister der Lüge an; denn wo diese die Leichtfertigkeit eines Menschen sehen, so ist er deren Gesellschaft gewiss. Unter dem Anscheine eines Befehles kommen sie und geben SIch ein grosses Ansehen, mit Scharfsinn und hohen Gedanken, scheinen in vielen Künsten erfahren und machen viel Geschwätz. Damit betrügen sie diejenigen, die in Sünden liegen und dabei Apostel sein wollen, die ihren eigenen Geist an Stelle des heiligen Geistes setzen, und dasjenige zu zerbrechen begehren, was nicht zerbrochen werden darf. Deshalb sollen wir uns fest an die Herrlichkeit Gottes halten, von derselben keineswegs weichen, und uns dabei bewahren. "_I)

und er bedarf keiner fremden Geister hierzu.

Was er dann den Geistern zu thun befiehlt,

das steht bei seinem göttlichen Willen und nicht

bei den Geistern, seien es Engel oder Teufel."

„Wenn wir aber Gottes vergessen und uns

an die Geister wenden, so ziehen wir dadurch

die Geister der Lüge an; denn wo diese die

Leichtfertigkeit eines Menschen sehen, so ist

er deren Gesellschaft gewiss. Unter dem An-

scheine eines Befehles kommen sie und geben

sich ein grosses Ansehen, mit Scharfsinn und

hohen Gedanken, scheinen in vielen Künsten

erfahren und machen viel Geschwätz. Damit

betrügen sie diejenigen, die in Sünden liegen

und dabei Apostel sein wollen, die ihren eigenen

Geist an Stelle des heiligen Geistes setzen, und

dasjenige zu zerbrechen begehren, was nicht

zerbrochen werden darf. Deshalb sollen wir

uns fest an die Herrlichkeit Gottes halten, von

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derselben keineswegs weichen, und uns dabei

bewahren."1)

*) Wie wir sehen, redet Paracelsus keineswegs den

Praktiken der Spiritisten das Wort, noch leugnet er das

Dasein der Elementarwesen und Dämonen. Wohl aber

1) Wie wir sehen, redet Paracelsus keineswegs den Praktiken der Spiritisten das Wort, noch leugnet er das Dasein der Elementarwesen und Dämonen. Wohl aber

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— 203 —

2°3

9. Von den „Geistern".

Da das Wort „Geist" vielerlei Dinge be-

deuten kann, vom „Weingeist" angefangen bis

9. Von den "Geistern". Da das Wort "Geist" vielerlei Dinge bedeuten kann, vom "Weingeist" angefangen bis hinauf zum Geiste der Weisheit, so wäre es vielleicht wünschenswert, wenn wir das, was Paracelsus als "Geister" bezeichnet, mit dem Worte "Gedanken" bezeichnen könnten; aber ein Gedanke an sich selbst ist noch kein Geist und hat keine Kraft; er erlangt diese erst durch das Wollen, wenn dasselbe in Übereinstimmung mit dem Denken ist. In diesem Sinne ist Geist

hinauf zum Geiste der Weisheit, so wäre es

vielleicht wünschenswert, wenn wir das, was

Paracelsus als „Geister" bezeichnet, mit dem

Worte „Gedanken" bezeichnen könnten; aber

ein Gedanke an sich selbst ist noch kein Geist

und hat keine Kraft; er erlangt diese erst durch

das Wollen, wenn dasselbe in Übereinstimmung

mit dem Denken ist. In diesem Sinne ist Geist

erkennt er die Natur derjenigen Wesen, welche sich für

die „Geister" von verstorbenen Personen ausgeben, und

besonders gerne unter den Namen historisch bekannter

Persönlichkeiten paradieren, deren ganzes Wissen aber in

der Regel nur dem Geiste der Anwesenden entspringt,

wenngleich jeder gläubige Spiritist diese Behauptung mit

Entrüstung abweisen wird, weil er die geistige Konstitution

des Menschen und die Gesetze, welche die Gedankenwelt

regieren, nicht kennt. Die Vernunft sollte uns aber lehren,

dass es mit dem Umgang mit Geistern, die man nicht

kennt, geradeso ist, als mit dem Umgang mit anderen un-

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bekannten Dingen, von denen man nicht weiss, ob sie gut

oder böse, nützlich oder schädlich sind. Auch liegt der

Prüfstein für die Qualität der Geister nicht in deren schein-

barem Benehmen, noch in ihren eigenen Aussagen, sondern

erkennt er die Natur derjenigen Wesen, welche sich für die "Geister" von verstorbenen Personen ausgeben, und besonders gerne unter den Namen historisch bekannter Persönlichkeiten paradieren, deren ganzes Wissen aber in der Regel nur dem Geiste der Anwesenden entspringt, wenngleich jeder gläubige Spiritist diese Behauptung mit Entrüstung abweisen wird, weil er die geistige Konstitution des Menschen und die Gesetze, welche die Gedankenwelt regieren, nicht kennt. Die Vernunft sollte uns aber lehren, dass es mit dem Umgang mit Geistern, die man nicht kennt, geradeso ist, als mit dem Umgang mit anderen unbekannten Dingen, von denen man nicht weiss, ob sie gut oder böse, nützlich oder schädlich sind. Auch liegt der Prüfstein für die Qualität der Geister nicht in deren scheinbarem Benehmen, noch in ihren eigenen Aussagen, sondern in der geistigen Erkenntnisfähigkeit des Menschen selbst, die er nur durch die Gotteserkenntnis erlangen kilDn, und die deshalb auch nicht jedermanns Sache ist. Wer die Geister kennen lernen will, muss vor allem selber Geist haben.

in der geistigen Erkenntnisfähigkeit des Menschen selbst,

die er nur durch die Gotteserkenntnis erlangen kann, und

die deshalb auch nicht jedermanns Sache ist. Wer die

Geister kennen lernen will, muss vor allem selber Geist

haben.

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— 204 —

2°4

eine Dreiheit von Wille, Gedanke und Form;

denn jeder Gedanke drückt sich, wenn er

offenbar wird, durch eine bestimmte Form aus,

eine Dreiheit von Wille, Gedanke und Form; denn jeder Gedanke drückt sich, wenn er offenbar wird, durch eine bestimmte Form aus, und jede Form oder Erscheinung, von dem Menschen herab bis zum Sandkorn am Meeresufer, stellt einen Gedanken des Schöpfers dar. Auch der Mensch ist ein solcher Schöpfer, und seine Gedanken, durch seinen Willen belebt, nehmen in ihm selbst Gestalt und Form an ; seine Leidenschaften sind seine Geister, die in ihm sich personificieren und zu seinen "Ichen" werden, die sein Bild an sich tragen, und andererseits ihm ihren Stempel aufprägen, indem sie schliesslich in seinem Äussem, seiner Haltung, Gang und Benehmen ihren Charakter offenbaren. Jeder Gedanke, durch den Willen belebt, ist ein geistiger Same, der in der Kraft der Imagination wächst und erstarkt und innerlich Gestalt annehmen, ja sogar äusserlich offenbar werden kann. I) Jeder solche "Geist"

und jede Form oder Erscheinung, von dem

Menschen herab bis zum Sandkorn am Meeres-

ufer, stellt einen Gedanken des Schöpfers dar.

Auch der Mensch ist ein solcher Schöpfer,

und seine Gedanken, durch seinen Willen be-

lebt, nehmen in ihm selbst Gestalt und Form

an; seine Leidenschaften sind seine Geister,

die in ihm sich personificieren und zu seinen

„Ichen" werden, die sein Bild an sich tragen,

und andererseits ihm ihren Stempel aufprägen,

indem sie schliesslich in seinem Äussern, seiner

Haltung, Gang und Benehmen ihren Charakter

offenbaren. Jeder Gedanke, durch den Willen

belebt, ist ein geistiger Same, der in der Kraft

der Imagination wächst und erstarkt und inner-

lich Gestalt annehmen, ja sogar äusserlich

offenbar werden kann.1) Jeder solche „Geist"

*) Es giebt wohl nur wenig Menschen, denen es nicht

bekannt ist, dass man im Halbschlafe oft wie im Traume,

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allerlei Gestalten vor sich sehen kann. Bald sind es mensch-

liche Figuren, bald Tiere oder Scheusale, Blumen, Land-

schaften u. s. w. Dies sind die Bilder, die den Eindrücken

entspringen, welche die Seele vorher (sei es bewusst oder

unbewusst) empfangen hat, und die in unserer eigenen Aura

existieren, weshalb sie auch objektiv sichtbar sind. Wie es

1) Es giebt wohl nur wenig Menschen, denen es nicht bekannt ist, dass man im Halbschlafe oft wie im Traume, allerlei Gestalten vor sich sehen kann. Bald sind es menschliche Figuren, bald Tiere oder Scheusale, Blumen, Landschaften u. s. w. Dies sind die Bilder, die den Eindrücken entspringen, welche die Seele vorher (sei es bewusst oder unbewusst) empfangen hat, und die in unserer eigenen Aura existieren, weshalb sie auch objektiv sichtbar sind. Wie es

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— 205 —

2°5

ist aber auch ein Centrum, von welchem Kräfte

ausstrahlen, welche dessen Wesen und Eigen-

schaften an sich haben, und es ist somit nichts

ist aber auch ein Centrum, von welchem Kräfte ausstrahlen I welche dessen Wesen und Eigenschaften an sich haben, und es ist somit nichts Wunderbares darin· zu finden, wenn behauptet wird, dass die Gegenwart eines schlechten Menschen die geistige Atmosphäre verpestet, und dass der Gedankenstrom vieler böser Menschen Epidemien erzeugen und die atmosphärischen Zustände u. dergl. beeinflussen kann. Das Mittel zur Veredlung des Einzelnen sowohl als des ganzen Menschengeschlechts liegt daher in der Veredlung von Gedanke, W ort (Wille) und Werk (Form). Es kann sich im Menschen sowohl Gott (das Gute) als der Teufel (das Böse) personifizieren.!) Die Kraft, wodurch die Geister im Menschen Gestalt annehmen, ist die Imagination. Das, was der Mensch glaubt und denkt, wird er selbst; sein Wollen und Denken bestimmt sein

Wunderbares darin- zu finden, wenn behauptet

wird, dass die Gegenwart eines schlechten

Menschen die geistige Atmosphäre verpestet,

und dass der Gedankenstrom vieler böser Men-

schen Epidemien erzeugen und die atmosphäri-

schen Zustände u. dergl. beeinflussen kann.

Das Mittel zur Veredlung des Einzelnen sowohl

als des ganzen Menschengeschlechts liegt daher

in der Veredlung von Gedanke, Wort (Wille)

und Werk (Form). Es kann sich im Menschen

sowohl Gott (das Gute) als der Teufel (das

Böse) personifizieren.1)

Die Kraft, wodurch die Geister im Menschen

Gestalt annehmen, ist die Imagination. Das,

was der Mensch glaubt und denkt, wird er

selbst; sein Wollen und Denken bestimmt sein

den erfahrenen Spiritisten bekannt ist, können sich diese

Bilder in Gegenwart eines dazu geeigneten Mediums auch

materialisieren, so dass sie körperlich sichtbar und greifbar

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sind. Das ihnen innewohnende Scheinleben hat sein Dasein

durch die Übertragung des „Liquor Vitae" und der

„Mumia" des Mediums oder der Anwesenden, welche auf

diese Weise von den „Geistern" vampirisiert werden. Be-

schreibungen solcher Phänomene finden sich u. a. in den

Werken von Dr. Carl Du Prel.

*) „De Peste" p. 177 u. f.

den erfahrenen Spiritisten bekannt ist, können sich diese Bilder in Gegenwart eines dazu geeigneten Mediums auch materialisieren, so dass sie körperlich sichtbar und greifbar sind. Das ihnen innewohnende Scheinleben hat sein Dasein durch die Übertragung des " Li q u 0 r Vi ta e " und der "Mumia" des Mediums oder der Anwesenden, welche auf diese Weise von den "Geistern" vampirisiert werden. Beschreibungen solcher Phänomene finden sich u. a. in den Werken von Dr. earl Du Pret 1) "De Peste tI p. 177 u. f.

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Wesen. So kann z. B. der Neid, wenn er gross

gezogen wird, im Menschen einen „Basilisken"

gebären, d. h. den Menschen zu einem Basi-

Wesen. So kann z. B. der Neid, wenn er gross gezogen wird, im Menschen einen "Basilisken" gebären, d. h. den Menschen zu einem Basilisken machen, dessen böser Wille durch den Blick schaden und sogar töten kann. "Der innere Mikrokosmus vergewaltigt den Himmel (das Gemüt), ihm gehorsam zu sein. Der Neid überwindet den Satum. So es des Menschen Art ist, dass er die Leute betrügen will, so gewöhnt er Saturn (das materielle Prinzip) dazu, dass er ihm hilft. So wird dann der ganze Mensch zum Betrüger, der betrügt, weil er seiner Natur (den leitenden Planeten in ihm selbst) folgt." Der göttliche Geist im Menschen (sein wahres Ich) ist über alle diese Natureigenschaften erhaben, und ebenso der Mensch, der in diesem Geiste zum Selbstbewusstsein gekommen ist; aber in dem sterblichen Wesen des Menschen können je nach dem Einfluss der "Planeten" (in seinem Innern) verschiedene "Geister" (Schein-Iche), sowohl gute als böse, wachsen. So entsteht in ihm der Fromme, der Gelehrte, der Redner, der Dieb, der Betrüger u. s. w. Und der Mensch ist ein solcher Geist insofern, als er sich mit ~inem solchen identifiziert. Also werden die Corp 0 raS pi r i-

lisken machen, dessen böser Wille durch den

Blick schaden und sogar töten kann.

„Der innere Mikrokosmus vergewaltigt den

Himmel (das Gemüt), ihm gehorsam zu sein.

Der Neid überwindet den Saturn. So es des

Menschen Art ist, dass er die Leute betrügen

will, so gewöhnt er Saturn (das materielle

Prinzip) dazu, dass er ihm hilft. So wird dann

der ganze Mensch zum Betrüger, der betrügt,

weil er seiner Natur (den leitenden Planeten in

ihm selbst) folgt."

Der göttliche Geist im Menschen (sein

wahres Ich) ist über alle diese Natureigen-

schaften erhaben, und ebenso der Mensch, der

in diesem Geiste zum Selbstbewusstsein ge-

kommen ist; aber in dem sterblichen Wesen

des Menschen können je nach dem Einfluss

der „Planeten" (in seinem Innern) verschiedene

„Geister" (Schein-Iche), sowohl gute als böse,

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wachsen. So entsteht in ihm der Fromme,

der Gelehrte, der Redner, der Dieb, der Be-

trüger u. s. w. Und der Mensch ist ein solcher

Geist insofern, als er sich mit einem solchen

identifiziert. Also werden die Corpora Spiri-

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tualia körperlich und leiblich; aber der zu

wahrem Selbstbewusstsein (d. h. zur Gottes-

tualia körperlich und leiblich; aber der zu wahrem Selbstbewusstsein (d. h. zur Gotteserkenntnis) gekommene Mensch steht über allen diesen Planeten." 1) Was nun die, bei den Spiritisten so beliebte Theorie des Verkehrs mit den "Geistern" verstorbener Menschen betrifft, so ist hier nicht der Raum, um dieselbe weitläufig auseinanderzusetzen , um so weniger, als zu einem Verständnisse seiner Erklärungen erst ein Verständnis des Wesens des Menschen und der Eigenschaften der Bestandteile, aus denen er psychisch zusammengesetzt ist, nötig ist. Es sei somit nur erwähnt, dass der Geist des Menschen nach dem Tode zu Gott zurückkehrt und einstweilen nichts mehr mit weltlichen Dingen zu schaffen hat, und dass die "Geister", welche sich dann noch um irdische Dinge kümmern, keine Geister, sondern nur Schatten sind. Diese Schatten aber sind die Bilder der falschen "Iche", von denen oben die Rede war. Gerade so, wie es nur einen Gott des Weltalls giebt, aber aus seinem schöpferischen Willen unzählige Geschöpfe hervorgehen, so hat auch der Mensch nur ein einziges wahres Selbst, das aus Gott kommt und zu Gott zurückkehrt j aber

erkenntnis) gekommene Mensch steht über allen

diesen Planeten."1)

Was nun die, bei den Spiritisten so beliebte

Theorie des Verkehrs mit den „Geistern" ver-

storbener Menschen betrifft, so ist hier nicht

der Raum, um dieselbe weitläufig auseinander-

zusetzen, um so weniger, als zu einem Ver-

ständnisse seiner Erklärungen erst ein Ver-

ständnis des Wesens des Menschen und der

Eigenschaften der Bestandteile, aus denen er

psychisch zusammengesetzt ist, nötig ist. Es

sei somit nur erwähnt, dass der Geist des

Menschen nach dem Tode zu Gott zurückkehrt

und einstweilen nichts mehr mit weltlichen

Dingen zu schaffen hat, und dass die „Geister",

welche sich dann noch um irdische Dinge

kümmern, keine Geister, sondern nur Schatten

sind. Diese Schatten aber sind die Bilder der

falschen „Iche", von denen oben die Rede war.

Gerade so, wie es nur einen Gott des Weltalls

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giebt, aber aus seinem schöpferischen Willen

unzählige Geschöpfe hervorgehen, so hat auch

der Mensch nur ein einziges wahres Selbst, das

aus Gott kommt und zu Gott zurückkehrt; aber

!) „De Peste" p. 175.

1) "De Peste" P.175.

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aus seinem Wollen und Denken gehen vielerlei

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Schattenbilder hervor, deren jedes eine vorüber-

gehende und scheinbare Individualität besitzt,

aus seinem Wollen und Denken gehen vielerlei Schattenbilder hervor, deren jedes eine vorübergehende und scheinbare Individualität besitzt, die unter gewissen Umständen sich objektiv darstellen kann. Solche Erscheinungen und astrale Überbleibsel verstorbener Menschen sind es, die vielfach für die Seelen der Verstorbenen gehalten werden. Sie sind allerdings in einem gewissen Sinne "Geister", d. h. Produkte von Wille und Vorstellung, haben aber nur selten mit der geistigen Individualität des Menschen, den sie darstellen, zu thun, wenn sie sich auch selbst dafür ausgeben. Auch sind sie keines eigenen Denkens fähig, und ihr Scheinleben ist nur eine Abspiegelung des Lebens, Denkens und Empfindens anderer. Alles dies kann nur durch ein tieferes Studium der Natur, welches viele leichtgläubige Geisterklopfer und Tischrücker scheuen, begriffen werden; wo aber hundert Argumente bei demjenigen, der in eine Theorie verliebt ist, und deshalb nicht eines Besseren belehrt sein will, nichts ausrichten, da wird sofort alles von selbst demjenigen klar, welcher durch die Kraft der Vernunft zwischen dem ewigen Geiste und seinen vorübergehenden Schöpfungen, den " Geistern", zu unterscheiden imstande ist.

die unter gewissen Umständen sich objektiv

darstellen kann. Solche Erscheinungen und

astrale Überbleibsel verstorbener Menschen sind

es, die vielfach für die Seelen der Verstorbenen

gehalten werden. Sie sind allerdings in einem

gewissen Sinne „Geister", d. h. Produkte von

Wille und Vorstellung, haben aber nur selten

~

mit der geistigen Individualität des Menschen,

den sie darstellen, zu thun, wenn sie sich auch

selbst dafür ausgeben. Auch sind sie keines

eigenen Denkens fähig, und ihr Scheinleben ist

nur eine Abspiegelung des Lebens, Denkens

und Empfindens anderer.

Alles dies kann nur durch ein tieferes Stu-

dium der Natur, welches viele leichtgläubige

Geisterklopfer und Tischrücker scheuen, be-

griffen werden; wo aber hundert Argumente bei

demjenigen, der in eine Theorie verliebt ist,

und deshalb nicht eines Besseren belehrt sein

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will, nichts ausrichten, da wird sofort alles von

selbst demjenigen klar, welcher durch die Kraft

der Vernunft zwischen dem ewigen Geiste und

seinen vorübergehenden Schöpfungen, den

„Geistern", zu unterscheiden imstande ist.

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V.

Von den Arkanen.

Wenn das Wort „Arcanum" ein Geheim-

mittel bedeutet, so ist damit nicht ein geheim-

v.

gehaltenes Mittel, d. h. ein Mittel, dessen Zu-

bereitung man jedermann mitteilen könnte,

Von den Arkanen.

wenn man es wollte, gemeint, sondern das

Geheimnis liegt darin, dass dabei nicht von

äusserlichen Dingen die Rede ist, sondern von

Wenn das Wort "Arcanum" ein Geheimmittel bedeutet, so ist damit nicht ein geheimgehaltenes Mittel, d. h. ein Mittel, dessen Zubereitung man jedermann mitteilen könnte, wenn man es wollte, gemeint, sondern das Geheimnis liegt darin, dass dabei nicht von äusserlichen Dingen die Rede ist, sondern von geistigen und göttlichen (magischen) Kräften, welche im Menschen selbst ihren Wohnsitz haben, und welche nur derjenige kennt, der sie besitzt, d. h. derjenige, in dem sie infolge seiner seelischen Entwicklung erwacht und zu seinem Bewusstsein getreten sind. So ist z. B. die göttliche Liebe eine Kraft, die trotz aller wissenschaftlichen Auseinandersetzungen stets für jeden, der sie nicht in sich selbst empfindet, ein "Arkanum" oder Geheimnis bleiben wird. Abgesehen davon, dass es im Menschen geheime Kräfte giebt, von deren Dasein die alltägliche Wissenschaft nichts weiss, und für welche sie daher auch keine Namen hat, sind dem Okkultisten unter diesen auch manche Kräfte bekannt, von denen es besser ist, dass der grosse Haufe nichts von ihrem Dasein

geistigen und göttlichen (magischen) Kräften,

welche im Menschen selbst ihren Wohnsitz

haben, und welche nur derjenige kennt, der

sie besitzt, d. h. derjenige, in dem sie infolge

seiner seelischen Entwicklung erwacht und zu

seinem Bewusstsein getreten sind. So ist z. B.

die göttliche Liebe eine Kraft, die trotz aller

wissenschaftlichen Auseinandersetzungen stets

für jeden, der sie nicht in sich selbst empfindet,

ein „Arkanum" oder Geheimnis bleiben wird.

Abgesehen davon, dass es im Menschen

geheime Kräfte giebt, von deren Dasein die

alltägliche Wissenschaft nichts weiss, und für

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welche sie daher auch keine Namen hat, sind

dem Okkultisten unter diesen auch manche

Kräfte bekannt, von denen es besser ist, dass

der grosse Haufe nichts von ihrem Dasein

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erfährt, weil dieselben nicht nur zum Guten ge-

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braucht, sondern auch zum Bösen missbraucht

werden können, und ein Missbrauch derselben

erfährt, weil dieselben nicht nur zum Guten gebraucht, sondern auch zum Bösen missbraucht werden können, und ein Missbrauch derselben zum grössten Nachteile aller mit Sicherheit zu erwarten wäre, solange geistige Blindheit und thörichte Leidenschaft die Welt beherrschen, und den Menschen zum grausamsten und habgierigsten aller Raubtiere machen. Aus diesem Grunde wurden auch die wichtigeren Geheimnisse von den alten Indiern und Ägyptern nur den Eingeweihten gelehrt und von den Alchemisten und Rosenkreuzern des Mittelalters auf eine symbolische Weise beschrieben, welche für jeden, der nach der Wahrheit in äusserlichen Dingen sucht, unverständlich ist; wohl aber von jenen, in denen das innere Leben zum Bewusstsein gekommen ist, ohne Mühe begriffen wird. Auch wir -glauben im Folgenden nichts Besseres thun zu können, als einige der Lehren des Paracelsus in Bezug auf die Arkana möglichst in seiner eigenen Sprachweise wiederzugeben. Er sagt: "In der Natur sind grosse geheime Kräfte enthalten, und wenn sie von den Hindernissen befreit werden, die ihrer Entwicklung im Wege stehen, so ist es, als ob ein gefangener Mensch seiner Bande entledigt wird und sein Gemüt

zum grössten Nachteile aller mit Sicherheit zu

erwarten wäre, solange geistige Blindheit und

thörichte Leidenschaft die Welt beherrschen,

und den Menschen zum grausamsten und hab-

gierigsten aller Raubtiere machen. Aus diesem

Grunde wurden auch die wichtigeren Geheim-

nisse von den alten Indiern und Ägyptern nur

den Eingeweihten gelehrt und von den Al-

chemisten und Rosenkreuzern des Mittelalters

auf eine symbolische Weise beschrieben, welche

für jeden, der nach der Wahrheit in äusser-

lichen Dingen sucht, unverständlich ist; wohl

aber von jenen, in denen das innere Leben zum

Bewusstsein gekommen ist, ohne Mühe begriffen

wird. Auch wir glauben im Folgenden nichts

Besseres thun zu können, als einige der Lehren

des Paracelsus in Bezug auf die Arkana mög-

lichst in seiner eigenen Sprachweise wieder-

zugeben. Er sagt:

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„In der Natur sind grosse geheime Kräfte

enthalten, und wenn sie von den Hindernissen

befreit werden, die ihrer Entwicklung im Wege

stehen, so ist es, als ob ein gefangener Mensch

seiner Bande entledigt wird und sein Gemüt

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frei ist; denn das Mysterium der Natur in

den Körpern ist wie ein Feuer im Holz, das

nicht brennen kann, solange das Holz nass ist.

frei ist; denn das Mysterium der Natur in den Körpern ist wie ein Feuer im Holz, das nicht brennen kann, solange das Holz nass ist. Wollen wir aber diese Geheimnisse kennen lernen, so müssen wir vor allem dasjenige bedenken, was dem Menschen am nützlichsten und edelsten allein zu wissen nötig ist, nämlich das grosse Geheimnis, was Gott ist, was der Mensch ist, und wie sich Gott und Mensch zu einander verhalten, das Himmlische in der Ewigkeit und das Irdische in der Vergänglichkeit, da nur durch Gott das ewige Gute erkannt werden kann; denn obwohl viel Wunderbares in der Arznei ist, so ist doch noch nach diesem Leben ein viel grösseres Geheimnis, das ewig ist, und wovon wir uns keinen Begriff machen können, es sei denn, dass es uns durch ihn offenbar geworden. Aus dieser Nichterkenntnis entspringt die grobe Unwissenheit der Theologen, welche dasjenige auslegen wollen, was sie nicht verstehen, nicht wissen, wie es derjenige gemeint hat, der es gegeben hat, und den Grund der Wahrheit nicht kennen, der mit der höchsten Liebe die Menschen erfüllt. Deshalb wollen wir auch allein mit den Unsrigen reden, die uns verstehen werden und nicht für die Gemeinen; denn wir wollen unsern Sinn

Wollen wir aber diese Geheimnisse kennen

lernen, so müssen wir vor allem dasjenige

bedenken, was dem Menschen am nützlichsten

und edelsten allein zu wissen nötig ist, nämlich

das grosse Geheimnis, was Gott ist, was der

Mensch ist, und wie sich Gott und Mensch zu

einander verhalten, das Himmlische in der Ewig-

keit und das Irdische in der Vergänglichkeit,

da nur durch Gott das ewige Gute erkannt

werden kann; denn obwohl viel Wunderbares

in der Arznei ist, so ist doch noch nach diesem

Leben ein viel grösseres Geheimnis, das ewig

ist, und wovon wir uns keinen Begriff machen

können, es sei denn, dass es uns durch ihn

offenbar geworden. Aus dieser Nichterkenntnis

entspringt die grobe Unwissenheit der Theo-

logen, welche dasjenige auslegen wollen, was

sie nicht verstehen, nicht wissen, wie es der-

jenige gemeint hat, der es gegeben hat, und

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den Grund der Wahrheit nicht kennen, der mit

der höchsten Liebe die Menschen erfüllt. Des-

halb wollen wir auch allein mit den Unsrigen

reden, die uns verstehen werden und nicht für

die Gemeinen; denn wir wollen unsern Sinn

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und Gedanken, Herz und Gemüt den Thoren

nicht zeigen, und umgeben uns mit einer

guten Mauer, die mit einem Schlüssel ver-

und Gedanken, Herz und Gemüt den Thoren nicht zeigen, und umgeben uns mit einer guten Mauer, die mit einem Schlüssel verschlossen ist." 1) Was aber gehört dazu, um die geheimen Lehren der okkulten Wissenschaft und die Arcana des Paracelsus zu verstehen? Die Antwort hierauf ist: "Ein im Geiste Gottes wiedergeborener Mensch." Nur derjenige, der in den Himmel eingegangen ist, kann die himmlischen Kräfte kennen, und in den Himmel kann bekanntlich niemand eingehen, es sei denn, er wäre wiedergeboren durch den in ihm zur Offenbarung gewordenen heiligen Geist. 2) "Der äusserliche materielle Mensch hat seine ihm eigenen Sinne, Gesicht, Gehör, Empfindung u. s. w.; aber das Gesicht ist nicht aus dem Samen geboren,. aus welchem das Auge wächst, noch das Gehör aus den Ohren, der Geschmack aus der Zunge oder die Vemunft aus dem Gehirn; sondern die Organe des Sehens, Hörens, Denkens u. s. w. sind nur die Behälter, in welchen die Kräfte zum Sehen,

schlossen ist." *)

Was aber gehört dazu, um die geheimen

Lehren der okkulten Wissenschaft und die

Arcana des Paracelsus zu verstehen? Die Ant-

wort hierauf ist: „Ein im Geiste Gottes wieder-

geborener Mensch." Nur derjenige, der in den

Himmel eingegangen ist, kann die himmlischen

Kräfte kennen, und in den Himmel kann be-

kanntlich niemand eingehen, es sei denn, er

wäre wiedergeboren durch den in ihm zur

Offenbarung gewordenen heiligen Geist.2)

„Der äusserliche materielle Mensch hat seine

ihm eigenen Sinne, Gesicht, Gehör, Empfin-

dung u. s. w.; aber das Gesicht ist nicht aus

dem Samen geboren, aus welchem das Auge

wächst, noch das Gehör aus den Ohren, der

Geschmack aus der Zunge oder die Vernunft

aus dem Gehirn; sondern die Organe des

Sehens, Hörens, Denkens u. s. w. sind nur die

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Behälter, in welchen die Kräfte zum Sehen,

*) „Archidoxes." Liber I.

*) Welchen Wert können da die Urteile derjenigen

haben, welche geistig tot sind, und von den religiösen

Dingen, welche sie kritisieren, nicht das Geringste verstehen?

1) "Archidoxes." Liber J. ') Welchen Wert können da die Urteile derjenigen haben, welche geistig tot sind, und von den religiösen Dingen, welche sie kritisieren, nicht das Geringste verstehen?

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Hören u. s. w. geboren werden. Auch ist dies

21 3

nicht so zu verstehen, als ob diese Kräfte von

aussen aus Gottes Gnade in diese Organe ein-

Hören u. s. w. geboren werden. Auch ist dies nicht so zu verstehen, als ob diese Kräfte von aussen aus Gottes Gnade in diese Organe eingegossen würden; sondern sie sind im Körper in ihrem eigenen unbegreifbaren und unempfindbaren Wesen. Der äussere Mensch hat seinen materiellen Körper, der innere geistige Mensch seinen geistigen Körper, und wenn ein Mensch z. B. blind ist, so ist dies nicht, weil in ihm keine geistige Sehkraft wäre, sondern weil sein Sehorgan zur Ausübung seines Sehens untauglich ist. Also werden auch die Magnalia Dei (die göttlichen Werke) erkannt. Der geistig erwachte Mensch erkennt das Geistige; der äussere Mensch sieht nur die äussere Form. Desgleichen entspringt die Kraft zum Gehen und Handeln nicht den Beinen und Armen, sondern. sie kommt aus dem Willen, und wirkt durch die Anima vegetativa, welche den Leib bewegt, und im ganzen Körper ausgeteilt ist. Die Seele zieht Kräfte an und strahlt Kräfte aus, der Körper ist der Acker, welcher die Samen aufnimmt, und in welchem sie wachsen. Die Organe des physischen Körpers nehmen nichts wahr und empfinden nichts, so lange die Kräfte der Wahrnehmung und Empfindung nicht in ihnen in Thätigkeit treten, und

gegossen würden; sondern sie sind im Körper

in ihrem eigenen unbegreifbaren und unempfind-

baren Wesen. Der äussere Mensch hat seinen

materiellen Körper, der innere geistige Mensch

seinen geistigen Körper, und wenn ein Mensch

z. B. blind ist, so ist dies nicht, weil in ihm

keine geistige Sehkraft wäre, sondern weil sein

Sehorgan zur Ausübung seines Sehens untaug-

lich ist. Also werden auch die Magnalia Dei

(die göttlichen Werke) erkannt. Der geistig

erwachte Mensch erkennt das Geistige; der

äussere Mensch sieht nur die äussere Form.

Desgleichen entspringt die Kraft zum Gehen

und Handeln nicht den Beinen und Armen,

sondern sie kommt aus dem Willen, und wirkt

durch die Anima vegetativa, welche den

Leib bewegt, und im ganzen Körper ausgeteilt

ist. Die Seele zieht Kräfte an und strahlt

Kräfte aus, der Körper ist der Acker, welcher

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die Samen aufnimmt, und in welchem sie

wachsen. Die Organe des physischen Körpers

nehmen nichts wahr und empfinden nichts, so

lange die Kräfte der Wahrnehmung und Empfin-

dung nicht in ihnen in Thätigkeit treten, und

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dasselbe ist mit dem innerlichen Organismus

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des Astralkörpers der Fall, dessen Organe auch

dasselbe ist mit dem innerlichen Organismus des Astralkörpers der Fall, dessen Organe auch erst dann eine geistige Wahrnehmung erlangen, wenn die hierzu erforderlichen Kräfte darin zum Leben und Bewusstsein gekommen sind. Und wie der Mensch seinen ätherischen oder Astralkörper hat, so hat auch jedes Ding seine darin verborgene »Quinta Essentia" oder das darin wirksame Prinzip.

erst dann eine geistige Wahrnehmung erlangen,

wenn die hierzu erforderlichen Kräfte darin zum

Leben und Bewusstsein gekommen sind.

Und wie der Mensch seinen ätherischen oder

Astralkörper hat, so hat auch jedes Ding seine

darin verborgene „Quinta Essentia" oder

das darin wirksame Prinzip.

Die Quint-Essenz.

„Die Quinta Essentia ist eine Materie,

die aus allem, was Leben hat, ausgezogen

werden kann, frei von aller Unreinigkeit und

gesondert von allen Elementen. Sie ist allein

die Natur, Kraft, Tugend und Arznei, die in

dem Dinge enthalten ist. Sie ist ein Geist,

gleich dem Spiritus Vitae, und der. Lebens-

geist des Dinges selbst, oder dessen Wesen-

heit.1) Solange die Melissa ihren Lebensgeist

in sich hat, so ist dieser ihre Tugend, Kraft

und Arznei. Wird sie abgeschnitten, so behält

sie noch eine Zeitlang ihre Kraft und die Quint-

Die Quint-Essenz.

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*) So könnte z.B. das Strychnin als die Quintessenz

der Nux vomica, Chinin als die Quintessenz der China-

"Die Quinta Essentia ist eine Materie, die aus allem, was Leben hat, ausgezogen werden kann, frei von aller Unreinigkeit und gesondert von allen Elementen. Sie ist allein die Natur, Kraft, Tugend und Arznei, die in dem Dinge enthalten ist. Sie ist ein Geist, gleich dem Spiritus Vitae, und der. Lebensgeist des Dinges selbst, oder dessen Wesenheit. l ) Solange die Melissa ihren Lebensgeist in sich hat, so ist dieser ihre Tugend, Kraft und Arznei. Wird sie abgeschnitten, so behält sie noch eine zeitlang ihre Kraft und die Quint-

rinde betrachtet werden, u. dgl. m.

1) So könnte z. B. das Strychnin als die Quintessenz der Nu x vom i ca, Chi ni n als die Quintessenz der Chinarinde betrachtet werden, u. dgl. m.

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essenz kann daraus gezogen werden. Den

gedörrten Kräutern aber geht das Leben ab.

In ihnen ist keine lebendige Quintessenz mehr,

essenz kann daraus gezogen werden. Den gedörrten Kräutern aber geht das Leben ab. In ihnen ist keine lebendige Quintessenz mehr, obgleich sich darin noch einige Kräfte erhalten. Die Metalle aber sterben nicht ab, und geben daher eine vollkommene Quintessenz. Es giebt verschiedene Arten, diese Quintessenz zu bereiten, und ihre Wirkungen sind wunderbar. So heilt z. B. die Quinta Essentia ]uniperi den Aussatz und die des Goldes nimmt ihn völlig hinweg." 1) Die Quintessenz der Dinge ist somit körperlich und sichtbar, aber dies ist nicht mit den Arkanen der Fall, welche geistiger Natur und unsichtbar sind. "Das Arcanum ist im Vergleich zu unsern Körpern unkörperlich, untödlich, eines ewigen Lebens, über alle Natur zu verstehen und unmenschlich (göttlich) zu erkennen. Ein Arcanum ist die Tugend emes Dinges mit tausendfacher Besserung. Das

obgleich sich darin noch einige Kräfte erhalten.

Die Metalle aber sterben nicht ab, und geben

daher eine vollkommene Quintessenz. Es giebt

verschiedene Arten, diese Quintessenz zu be-

reiten, und ihre Wirkungen sind wunderbar.

So heilt z. B. die Quinta Essentia Juniperi

den Aussatz und die des Goldes nimmt ihn

völlig hinweg."1)

Die Quintessenz der Dinge ist somit körper-

lich und sichtbar, aber dies ist nicht mit den

Arkanen der Fall, welche geistiger Natur und

unsichtbar sind. „Das Arcanum ist im Ver-

gleich zu unsern Körpern unkörperlich, un-

tödlich, eines ewigen Lebens, über alle Natur

zu verstehen und unmenschlich (göttlich) zu

erkennen. Ein Arcanum ist die Tugend eines

Dinges mit tausendfacher Besserung. Das

*) Die Wirkung des Goldchlorids bei gewissen syphiliti-

schen Erkrankungen wird auch von der modernen Medizin

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anerkannt. Von der Quinta Essentia Melissae be-

hauptet Paracelsus, dass sie Nägel und Zähne ausfallen

mache, und alles wieder neu zum Vorschein bringe. Eine

Besprechung der Vorschriften zur Herstellung dieser Essenzen

würde den Rahmen dieses Werkes überschreiten.

1) Die Wirkung des Goldchlorids bei gewissen syphilitischen Erkrankungen wird auch yon der modernen Medizin anerkannt. Von der Quinta Essentia Melissae behauptet Paracelsus, dass ~ie Nägel und Zähne ausfallen mache, und alles wieder neu zum Vorschein bringe. Eine Besprechung der Vorschriften zur Herstellung dieser Essenzen würde den Rahmen dieses Werkes überschreiten.

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Arcanum Hominis ist all sein Verdienst und

Tugend, die er im Ewigen behält."1)

Arcanum Hominis ist alt sein Verdienst und Tugend, die er im Ewigen behält." 1) Die vier grossen Arcana sind: I. Prima Materia, d. h. das Wesen aller Dinge. 2. Lapis Philosophorum, der "Stein der Weisen". 3. Mercurius Vitae, das Elixir des Lebens. 4. Tinctura Physicorum, die Universalmedizin. 2)

Die vier grossen Arcana sind:

1. Prima Materia, d. h. das Wesen aller

Dinge.

2. Lapis Philosophorum, der „Stein der

Weisen".

3. Mercurius Vitae, das Elixir des Lebens.

4. Tinctura Physicorum, die Universal-

medizin.2)

1. Prima Materia.

Die Prima Materia ist das Wesen, der

Same oder die Seele aller Dinge. Sie ist die

ewige Natur Gottes, die in allen Dingen der

unsterbliche Same ist;8) die Idee, welche nach

*) D. h. seine ansterbliche Seele oder geistige Indivi-

dualität, während seine sterbliche Persönlichkeit nur die

Maske ist, die er im Erdenleben angenommen hat.

2) Es ist ganz besonders darauf zu achten, dass diese

Arkane geistiger und unsichtbarer Natur sind, und nicht

äusserlich sichtbare Substanzen oder Apothekerwaren, wie

es viele unverständige Leute sich einbilden. So hat z. B.

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der Mercurius Vitae gar nichts mit dem Quecksilber zu

schaffen, und der „Stein der Weisen" ist der zur Erkenntnis

I.

gekommene Mensch.

Prima Materia.

3) „Wisse, dass Ich in allen Dingen der unsterbliche

Die Prima Materia ist das Wesen, der Same oder die Seele aller Dinge. Sie ist die ewige Natur Gottes, die in allen Dingen der unsterbliche Same ist;') die Idee, welche nach

Same bin. Ich bin der Verstand der Verständigen und die

Herrlichkeit in den Herrlichen." Bhagavad GitaVII, 10.

1) D. h. seine unsterbliche Seele oder geistige Indivi· dualität, während seine sterbliche Persönlichkeit nur die Maske ist, die er im Erdenleben angenommen hat. t) Es ist ganz besonders darauf zu achten, dass diese Arkane geistiger und unsichtbarer Natur sind, und nicht äusserlich sichtbare Substanzen oder Apothekerwaren , wie es viele unverständige Leute sich einbilden. So hat z. B. der Me r c u ri u 5 VHa e gar nichts mit dem Quecksilber zu schaffen, und der "Stein der Weisen" ist der zur Erkenntnis gekommene Mensch. 3) "Wisse, dass Ich in allen Dingen der unsterbliche Same bin. Ich bin der Verstand der Verständigen und die Herrlichkeit in den Herrlichen." Bhagavad Gita VlI, 10.

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21 7

Plato dem Dasein jedes Dinges zu Grunde

liegt, der Gedanke oder die Individualität,

welche, wenn die Form, in welcher sie offenbar

Plato dem Dasein jedes Dinges zu Grunde liegt, der Gedanke oder die Individualität, welche, wenn die Form, in welcher sie offenbar ist, zerstört wird, immer wieder in neuen Formen in die Erscheinung tritt. Ohne die ihr zu Grunde liegende individuelle Wesenheit hätte keine Form Leben und Bestand; denn sie allein ist es, wodurch die Form oder Erscheinung ins Dasein tritt, aufgebaut und erhalten wird. nEin Baum, der ein gewisses Alter erreicht hat, fault und verdirbt, nicht aus Mangel an Nahrung, sondern aus Mangel der ihm eigenen Lebenskraft. Ein solcher Baum kann durch seine Prima Materia wieder erneuert werden. Oder ein Kraut kann dadurch vor dem Dürrwerden erneuert werden, dass es .grün und frisch bleibt, oder ein altes Schaf wieder verjüngt werden; denn in der Prima Materia ist eine solche Kraft, dass sie den Körper, der aus ihr gewachsen ist, nicht verderben lässt (so lange sie darin wirksam ist)." 1)

ist, zerstört wird, immer wieder in neuen Formen

in die Erscheinung tritt. Ohne die ihr zu

Grunde liegende individuelle Wesenheit hätte

keine Form Leben und Bestand; denn sie allein

ist es, wodurch die Form oder Erscheinung

ins Dasein tritt, aufgebaut und erhalten wird.

„Ein Baum, der ein gewisses Alter erreicht

hat, fault und verdirbt, nicht aus Mangel an

Nahrung, sondern aus Mangel der ihm eigenen

Lebenskraft. Ein solcher Baum kann durch

seine Prima Materia wieder erneuert werden.

Oder ein Kraut kann dadurch vor dem Dürr-

werden erneuert werden, dass es grün und

frisch bleibt, oder ein altes Schaf wieder ver-

jüngt werden; denn in der Prima Materia ist

eine solche Kraft, dass sie den Körper, der

aus ihr gewachsen ist, nicht verderben lässt

(so lange sie darin wirksam ist)."1)

Der Same eines jeden Dinges ist das unsterbliche Wort.

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(Johannes I, I u. 2.)

') Eine solche Verjüngung oder Erneuerung findet auf

natürliche Art beständig durch die Re'inkarnation oder

Wiederverkörperung statt. Was aber durch die Natur allein

ohne die Hilfe des Menschen geschieht, das kann auf ma-

gische Weise durch den zum göttlichen Dasein erwachten

Lotusbluthen LXXVIII. 15

Der Same eines jeden Dinges ist das unsterbliche Wort. (J 0 h an ne sI, I u. 2.) 1) Eine solche VeJjüngung oder Erneuerung findet auf natürliche Art beständig durch die Re"inkarnation oder Wiederverkörperung statt. Was aber durch die Natur allein ohne die Hilfe des Menschen geschieht, das kann auf magische Weise durch den zum göttlichen Dasein erwachten Lotusblüthen LXXVIII.

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— 2l8 —

218

Die „Zubereitung" des Arcanums der Prima

Materia beschreibt Paracelsus allegorisch auf

folgende Art:

Die "Zubereitung" des Arcanums der Prima Materia beschreibt Paracelsus allegorisch auf folgende Art: "Nimm von der Prima Materia in Flaccum, lass digerieren in Digestione Resoluta auf einen Monat. Zu diesem setze hienach die Zugabe Monarchiae in gleichem Gewicht; lass digerieren in einem auf den andern Monat. Nach dieser Digestion nimm die Materia und destillier es per - herüber, und was herübergeht ist das Arcanum Primae Materiae. Und es soll sich niemand verwundern über den kurzen Weg und kurzen Begriff; denn das Viele ist die Quelle von vielem Irrtum." 1) Ausserlich betrachtet, so wie es die "exakte Wissenschaft" will, ist diese Vorschrift ein Unsinn; aber wenn wir bedenken, dass Paracelsus sagt, dass zum Betriebe der Alchemie keine äusserlichen Gefässe nötig seien, dass der

„Nimm von der Prima Materia in Flaccum,

lass digerieren in Digestione Resoluta auf einen

Monat. Zu diesem setze hienach die Zugabe

Monarchiae in gleichem Gewicht; lass dige-

rieren in einem auf den andern Monat. Nach

dieser Digestion nimm die Materia und de-

stillier es per — herüber, und was herübergeht

ist das Arcanum Primae Materiae. Und

es soll sich niemand verwundern über den

kurzen Weg und kurzen Begriff; denn das Viele

ist die Quelle von vielem Irrtum."1)

Ausserlich betrachtet, so wie es die „exakte

Wissenschaft" will, ist diese Vorschrift ein Un-

sinn; aber wenn wir bedenken, dass Paracelsus

sagt, dass zum Betriebe der Alchemie keine

äusserlichen Gefasse. nötig seien, dass der

Menschen künstlich vollbracht werden, d. h. er kann den

unsichtbaren Astralkörper, dessen irdische Hülle abgenützt

ist, mit einem neuen sichtbaren Leib bekleiden, wie es

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thatsächlich durch H. P. Blavatsky und andere geschehen

und bewiesen worden ist. Da aber nur die Eingeweihten

für das Verständnis dieser Dinge reif sind, so ist es besser,

darüber zu schweigen, damit man den Thoren kein Ärgernis

giebt.

*) Archidoxes p. 48.

Menschen künstlich yollbracht werden, d. h. er kann den unsichtbaren Astralkörper , dessen irdische Hülle abgenützt ist, mit einem neuen sichtbaren Leib bekleiden, wie es tbatsächlich durch H. P. Blantsky und andere geschehen und bewiesen worden ist. Da aber nur die Eingeweihten flir das Verständnis dieser Dinge reif sind, so ist es besser, darüber zu schweigen, damit man den Thoren kein Ärgernis giebt. 1) Archidoxes p. 48.

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Mensch selbst die „Destillierblase" und der

„Ofen", und dass in ihm selber das Feuer und

die zu bearbeitende Materie enthalten ist, so

Hesse sich vielleicht das obige alchemistische

Rezept ins moderne Deutsch auf folgende Weise

übersetzen:

„Richte dein Gemüt auf das in dir selbst

wirkende göttliche Wesen; lass mit grosser

Entschlossenheit den göttlichen Willen in dir

wirken. Setze hinzu die göttliche Gnade Tag

und Nacht, Monat für Monat, ohne die göttliche

Liebe in dir erkalten zu lassen. Was dann

von deinem sterblichen Teile in das unsterb-

liche Wesen deines innerlichen Selbsts über-

geht, dies ist das Arcanum Primae Ma-

teriae. Wer Gott, den Einen und Ewigen,

in sich findet, hat alles gefunden; die Vielheit

der Erscheinungen aber ist die Quelle des

Irrtums."

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(Fortsetzung folgt.)

Mensch selbst die "DestilHerblase" und der "Ofen", und dass in ihm selber das Feuer und die zu bearbeitende Materie enthalten ist, so Hesse sich vielleicht das obige alchemistische Rezept ins moderne Deutsch auf folgende Weise übersetzen: "Richte dein Gemüt auf das in dir selbst wirkende göttliche Wesen; lass mit grosser Entschlossenheit den göttlichen Willen in dir wirken. Setze hinzu die göttliche Gnade Tag und Nacht, Monat für Monat, ohne die göttliche Liebe in dir erkalten zu lassen. Was dann von deinem sterblichen Teile in das unsterbliche Wesen deines innerlichen Selbsts übergeht, dies ist das Arcanum Primae Materiae. Wer Gott, den Einen und Ewigen, in sich findet, hat alles gefunden; die Vielheit der Erscheinungen aber ist die Quelle des Irrtums." (Fortsetzung folgt.)

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Briefkasten.

Fragen von Abonnenten, welche nicht rein persönlicher Natur, son-

dern von allgemeinem Interesse sind, werden durch den Verfasser

der „Lotusblüthen" im Briefkasten besprochen.

AAT. V. in Vv*. — Frage: Die Erkenntnis alles des

Unheils, welches in der Flugschrift „Das christliche

Barbarentum in Europa" aufgedeckt ist, drängt ge-

waltig zu einem Zurückweisen aller heute herrschenden

Lebensgewohnheiten und zu einer Ausgestaltung auch un-

seres äusseren Lebens nach den erkannten reinigenden und

heiligenden Wahrheiten. Wie aber ist das dem Einzelnen

möglich. Wie können wir dies in einer Gesellschaft, wo

jeder von aussen kommende Eindruck von der Wahrheit

ablenkt, und die schon zur Gewohnheit gewordene Befriedi-

Briefkasten.

gung der Begierden von Neuem reizt?

Antwort. Wir können nichts aus uns selbst durch

unsern Eigenwillen vollbringen. Da wir selbst nur Produkte

der in uns wirkenden Vorstellung sind, so ist auch unser

Fragen von Abonnenten, welche nicht rein persönlicher Natur, sondem von allgemeinem Interesse sind, werden durch den Verfasser der "Lotusblüthen" im Briefkasten besprochen.

Selbstwissen, Selbstwollen und Selbstkönnen nur ein ein-

gebildetes, oder gleichsam ein Traum, und ohne die „von

oben kommende Gnade", d. h. ohne das göttliche Licht

der wahren Erkenntnis (Buddhi) ist der Mensch wie ein

w.

durch die Kraft der göttlichen Liebe, welche zu denen

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V. in W. -

Frage: Die Erkenntnis alles des Unheils, welches in der Flugschrift " D as c h ri s t li c h e Barbarentum in Europa" aufgedeckt ist, drängt gewaltig zu einem Zurückweisen aller beute herrschenden Lebensgewohnheiten und zu einer Ausgestaltung auch unseres äusseren Lebens nach den erkannten reinigenden und heiligenden Wahrheiten. Wie aber ist das dem Einzelnen möglich. Wie können wir dies in einer Gesellschaft, wo jeder von aussen kommende Eindruck von der Wahrheit ablenkt, und die schon zur Gewohnheit gewordene Befriedigung der Begierden von Neuern reizt? Antwort. Wir können nichts aus uns selbst durch unsem Eigenwillen vollbringen. Da wir selbst nur Produkte .<Jer in uns wirkenden Vorstellung sind, so ist auch unser Selbstwissen , Selbstwollen und Selbstkönnen nur ein eingebildetes, oder gleichsam ein Traum, und ohne die "von oben kommende Gnade", d. h. ohne das göttliche Licht der wahren Erkenntnis (B u d d h i) ist der Mensch wie ein hilflos auf dem Trockenen zappelnder Fisch. Ist aber durch die Kraft der göttlichen Liebe, welche zu denen kommt, die Gott (die Wahrheit) lieben, die Erkenntnis des Wahren im Menschen erwacht, so verleiht ihm diese Erkenntnis auch die Kraft, alle innerlichen und äusserlichen

hilflos auf dem Trockenen zappelnder Fisch. Ist aber

kommt, die Gott (die Wahrheit) lieben, die Erkenntnis des

Wahren im Menschen erwacht, so verleiht ihm diese Er-

kenntnis auch die Kraft, alle innerlichen und äusserlichen

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221 —

221

Hindernisse zu überwinden und über die Thorheiten dieser

Welt hinauszuwachsen. Wir befinden uns jetzt im Kali

Yuga, d. h. in demjenigen Zeitalter, wo diese Hindernisse

Hindernisse zu überwinden und über die Thorheiten dieser Welt hinauszuwachsen. Wir befinden uns jetzt im Kali Yuga, d. h. in demjenigen Zeitalter, wo diese Hindernisse am grössten sind. Da aber jede Kraft in demselben Grade zunimmt, in welchem sie den ihr entgegenstehenden Widerstand überwindet, so bietet uns gerade dieses Zeitalter den grössten Vorteil zur geistigen Entwicklung. Wer überwindet, der gewinnt, und je grösser der Widerstand, um so herrlicher der Sieg. Gerade wo jede äussere Stütze fehlt, lernt der Mensch am ehesten sich auf die Offenbarung der göttlichen Kraft in sich selbst, die alle Hindernisse besiegt, verlassen. K. Z. in F. - "Krishna (Kristna) war einer der grössten Weltweisen aller Zeiten, ein Gesalbter, der ftir seine Lehre meuchlings ermordet wurde. Er war der Sohn einer jungen Frau Devagnany (d. h. Gotteserkenntnis), welche die Sage durch den Geist Gottes überschattet und befruchtet werden lie.s, und wurde vor nahe zu 4000 Jahren vor Christus geboren. Mit kaum 16 Jahren verliess Kristna seine Anverwandten und fing an, seine neue Lehre zu predigen. Von seinen Schülern und Anhängern Je seu s (die reine Wesenheit) genannt, lehrte er die Nächstenliebe und die Barmherzigkeit, das Vollbringen des Guten um seiner selbst willen und den Glauben an Gottes unerschöpfliche Güte; befahl, das Böse mit Gutem zu vergelten, tröstete die Schwachen, beschützte die Unglücklichen und Unterdrückten und verbot jede Tyrannei. Selbst arm und keusch lebend, brachte er Armut und Keuschheit zu Ehren." ("Der Zirkel.") Somit haben wir im Vedantentum einen Vorläufer des Christentums, oder, wenn Sie wollen, im letzteren einen Nachläufer des ersteren. Damit ist aber nicht gesagt, dass nur das eine oder das andere "echt" sein könne; vielmehr sind beide echt, weil in heiden die reine Wahrheit (J esus) das Wesen und alles übrige nur Formsache ist. Durch die

am grössten sind. Da aber jede Kraft in demselben Grade

zunimmt, in welchem sie den ihr entgegenstehenden Wider-

stand überwindet, so bietet uns gerade dieses Zeitalter den

grössten Vorteil zur geistigen Entwicklung. Wer über-

windet, der gewinnt, und je grösser der Widerstand, um

so herrlicher der Sieg. Gerade wo jede äussere Stütze

fehlt, lernt der Mensch am ehesten sich auf die Offenbarung

der göttlichen Kraft in sich selbst, die alle Hindernisse

besiegt, verlassen.

M. Z. in F. — „Krishna (Kristna) war einer der

grössten Weltweisen aller Zeiten, ein Gesalbter, der für

seine Lehre meuchlings ermordet wurde. Er war der Sohn

einer jungen Frau Devagnany (d. h. Gotteserkenntnis),

welche die Sage durch den Geist Gottes Uberschattet und

befruchtet werden Hess, und wurde vor nahe zu 4000 Jahren

vor Christus geboren. Mit kaum 16 Jahren verliess Kristna

seine Anverwandten und fing an, seine neue Lehre zu pre-

digen. Von seinen Schülern und Anhängern Jeseus (die

reine Wesenheit) genannt, lehrte er die Nächstenliebe und

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die Barmherzigkeit, das Vollbringen des Guten um seiner

selbst willen und den Glauben an Gottes unerschöpfliche

Güte; befahl, das Böse mit Gutem zu vergelten, tröstete

die Schwachen, beschützte die Unglücklichen und Unter-

drückten und verbot jede Tyrannei. Selbst arm und keusch

lebend, brachte er Armut und Keuschheit zu Ehren." („Der

Zirkel.")

Somit haben wir im Vedantentum einen Vorläufer des

Christentums, oder, wenn Sie wollen, im letzteren einen

Nachläufer des ersteren. Damit ist aber nicht gesagt, dass

nur das eine oder das andere „echt" sein könne; vielmehr

sind beide echt, weil in beiden die reine Wahrheit (Jesus)

das Wesen und alles übrige nur Formsache ist. Durch die

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222

Betrachtung der Persönlichkeit lernen wir den Geist kennen;

das Äussere soll uns zum Innern führen. Wenn wir aber

nur die Person allein ins Auge fassen und nicht durch das

Betrachtung der Persönlichkeit lernen wir den Geist kennen; das Äassere soll uns zum Innern fllhren. Wenn wir aber nur die Person allein ins Auge fauen und nicht durch das ÄllJIere ina Innere dringen, so entschwindet der Geist, und ea bleibt nur mehr der änssere Schein übrig, welcher das Paradies der Schwärmer und die Stütze dea Klerikalismus ist. R. D. in V. - Die einzige wahre Religion ist die Religion der Liebe. Wer keine Liebe hat, der hat auch keine Religion. Gott ist die höchste Liebe. Es gehört aber die Kraft der Gotteserkenntnis dazu, um die menschliche Liebe über alles Vergängliche zum Ewigen zu erheben. Diese den Menschen innewohnende Kraft ist die "Theosophie". Durch diese erkennt und liebt der Mensch das Göttliche in allen Dingen und folglich auch in sich selbst. Diese Erkenntnis wird nicht durch Grübeln und Studieren erworben; sie ist aus der Liebe und nicht aus der Phantasie geboren. Deshalb ist sie "okkult" oder "verborgen". Es ist dieselbe Erkenntniskraft, durch welche der Liebende das Ideal, welches er im Herzen trägt, in einem anderen Wesen erkennt. Wer nur forschen und wissen will, der hat keine Liebe und keine Erkenntnis der Wahrheit. Wo die Sucht nach eigenem geistigen Besitztum anfängt, da hört das Gefiihl fitr das Wahre auf. L. G. in V. - Ich kann Ihnen zur Fortsetzung Ihrer Studien nichts Besseres empfehlen, als die bisher erschienenen Jahrginge der "Lotusblüthen". Sie finden darin alle die Fragen, welche Sie gestellt haben, beantwortet.

Äussere ins Innere dringen, so entschwindet der Geist, und

es bleibt nur mehr der äussere Schein übrig, welcher das

Paradies der Schwärmer und die Stutze des Klerikalismus ist.

R. D. in V. — Die einzige wahre Religion ist die

Religion der Liebe. Wer keine Liebe hat, der hat auch

keine Religion. Gott ist die höchste Liebe. Es gehört

aber die Kraft der Gotteserkenntnis dazu, um die mensch-

liche Liebe über alles Vergängliche zum Ewigen zu erheben.

Diese den Menschen innewohnende Kraft ist die „Theo-

sophie". Durch diese erkennt und liebt der Mensch das

Göttliche in allen Dingen und folglich auch in sich selbst.

Diese Erkenntnis wird nicht durch Grübeln und Studieren

erworben; sie ist aus der Liebe und nicht aus der Phantasie

geboren. Deshalb ist sie „okkult" oder „verborgen". Es

ist dieselbe Erkenntniskraft, durch welche der Liebende das

Ideal, welches er im Herzen trägt, in einem anderen Wesen

erkennt. Wer nur forschen und wissen will, der hat keine

Liebe und keine Erkenntnis der Wahrheit. Wo die Sucht

nach eigenem geistigen Besitztum anfängt, da hört das Ge-

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fühl für das Wahre auf.

L. G. in V. — Ich kann Ihnen zur Fortsetzung Ihrer

Studien nichts Besseres empfehlen, als die bisher erschiene-

nen Jahrgänge der „Lotusblüthen". Sie finden darin alle

die Fragen, welche Sie gestellt haben, beantwortet.

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Hastamalakstrotra.

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die Erhabenheit des Atma

(des göttlichen Selbsts)

von

Sri Sankaracharya.

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(Aus „The Light of the East" übersetzt.)

Nachstehendes ist eine der wohlbekannten

Schöpfungen des grossen Philosophen Sri San-

karacharya. Sie führt die Natur und die Grösse

des Atma vor Augen und weist auf die innere

Verbindung zwischen der menschlichen und

der höchsten Weltseele hin. Der Atma, wie

Uastamalakstrotra.

hier erklärt, ist etwas immer Strahlendes, immer

Dauerndes, alles Wissendes, ungebunden und

ungreifbar wie der Äther, ein Etwas, was allen

Sinnen Licht und Kraft spendet, aber dennoch

Über

unfassbar für sie ist. Seine Offenbarung als

A

Jiva, der individuellen Seele, ist nur illusorisch,

die Erhabenheit des Atma

gleich dem Reflexe des Antlitzes im Spiegel.

Lotusblüthen LXXXX. 16

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(des göttlichen Se Ibsts) von

Sri Sankaracharya. (Aus "The Light of the East" übersetzt.)

Nachstehendes ist eine der wohlbekannten Schöpfungen des grossen Philosophen Sri Sankaracharya. Sie führt die Natur und die Grösse des Atma vor Augen und weist auf die innere Verbindung zwischen der menschlichen uDd der höchsten Weltseele hin. Der Atma, wie hier erklärt, ist etwas immer Strahlendes, immer Dauerndes, alles Wissendes, ungebunden und ungreifbar wie der Äther, ein Etwas, was allen Sinnen Licht und Kraft spendet, aber dennoch unfassbar für sie ist. Seine Offenbarung als ]iva, der individuellen Seele, ist nur illusorisch, gleich dem Reflexe des Antlitzes im Spiegel. Lotuablütheu LXXIX.

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Ebenso wie der Reflex verschwindet, wenn der

Spiegel weggezogen wird, so entschwindet dem

Ebenso wie der Reflex verschwindet, wenn der . Spiegel weggezogen wird, so entschwindet dem Jiva (der individuellen Seele) der Reflex des höchsten Atma, sobald der Intellekt, das Etwas, worauf das Spiegelbild geworfen wird, vergangen ist. Es ist der Intellekt, welcher Ursache der mannigfachen Offenbarungen als Jivas ist. Die Sonne ist eine, erscheint jedoch von verschiedenen Flächen zurückgestrahlt, vielfach, ebenso ist der Atma einer, ohne ein zweites, erscheint jedoch, infolge der Upadhis der Seele vielfältig. Dies ist in kurzem der Inhalt dieser Strotra, welche nachstehend in einer wörtlichen Übersetzung wiedergegeben ist. I. Wer und wessen bist du? 0 Kind, 1) wann und woher bist du gekommen und was ist dein Name? Beantworte mir, 0 Kind, was ich dich frage. Du bist ein Vermehrer meines Glückes. 2. Antwort. Ich bin weder ein Mensch, noch ein Deva oder Yakscha. 2) Ich bin weder ein Brahmane, ein Kschatrya, ein Vaishya noch

Jiva (der individuellen Seele) der Reflex des

höchsten Atma, sobald der Intellekt, das

Etwas, worauf das Spiegelbild geworfen wird,

vergangen ist. Es ist der Intellekt, welcher

Ursache der mannigfachen Offenbarungen als

Jivas ist. Die Sonne ist eine, erscheint jedoch

von verschiedenen Flächen zurückgestrahlt,

vielfach, ebenso ist der Atma einer, ohne ein

zweites, erscheint jedoch, infolge der Upadhis

der Seele vielfältig. Dies ist in kurzem der

Inhalt dieser Strotra, welche nachstehend in

einer wörtlichen Übersetzung wiedergegeben ist.

1. Wer und wessen bist du? O Kind,1)

wann und woher bist du gekommen und was

ist dein Name?

Beantworte mir, o Kind, was ich dich frage.

Du bist ein Vermehrer meines Glückes.

2. Antwort. Ich bin weder ein Mensch,

noch ein Deva oder Yakscha.2) Ich bin weder

ein Brahmane, ein Kschatrya, ein Vaishya noch

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') Im Lichte des Glaubens stellt sich uns Gott als ein

liebender Vater, im Herzen eines im Geiste Gottes wieder-

geborenen Menschen als Kind (Jesus) dar.

*) Weder ein menschliches noch übermenschliches

Wesen.

1) Im Lichte des Glaubens stellt sich uns Gott als ein liebender Vater, im Herzen eines im Geiste Gottes wiedergeborenen Menscben als Kind (Jesus) dar. I) Weder ein menschliches Doch übermeDSchlich~ Wesen.

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227

ein Sudra.1) Ein Brahmachari, ein Haushälter,

ein Sannyasyn oder Bettelmönch2) bin ich nicht.

Ich bin die Verkörperung meiner eigenen

ein Sudra. 1) Ein Brahmachari, ein Haushälter, ein Sannyasyn oder Bettelmönch ') bin ich nicht. Ich bin die Verkörperung meiner eigenen Weisheit. 3. Ich bin Atma, die Verkörperung der ewigen Weisheit, frei von allen Upadhis,8) gleich Äther, welcher das Gemüt, das Auge und die andem Sinne zu den ihnen entsprechenden Thätigkeiten anregt, ebenso wie die Sonne die Menschen antreibt, ihre Geschäfte (während des Tages) zu verrichten. 4. Ich bin Atma, die Verkörperung der ewigen Weisheit, abhängig von ihr, dem einen

Weisheit.

3. Ich bin Atma, die Verkörperung der

ewigen Weisheit, frei von allen Upadhis,3) gleich

Äther, welcher das Gemüt, das Auge und die

andern Sinne zu den ihnen entsprechenden

Thätigkeiten anregt, ebenso wie die Sonne die

Menschen antreibt, ihre Geschäfte (während des

Tages) zu verrichten.

4. Ich bin Atma, die Verkörperung der

ewigen Weisheit, abhängig von ihr, dem einen

') Dies sind die vier Hindukasten, nämlich: Priester,

Krieger, Handeltreibende und Sklaven.

*) Die vier Stufen, in welche das Leben der Brahraanen-

kaste zerfiel, nämlich: Student, Haushalter (die Pflicht einen

Hausstand zu begründen), Sannyasyn (Eremit) und Bettler

(das Streben nach Entledigung von allen irdischen Banden).

') Upadhis, die Beschränkungen oder Bedingungen,

unter welchen der reine Atma als Jiva erscheint. Dieselben

sind dreierlei Art, entsprechend den drei Arten von Kör-

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pern, dem grobmateriellen, dem ätherischen und dem Kausal-

körper. Der Ätherleib ist aus 17 Bestandteilen zusammen-

gesetzt: die fünf Sinne, Auge, Ohr, Nase, Zunge und Haut;

fünf Organen des Handelns, Sprechens, Hand, Fuss u. s. w.,

fünf Pranas und zwar Prana, Apana, Vyana, Udana und

Samana, Manas und Buddhi. Es giebt vier Modifikationen

von Manas u. s. w. Manas = Gemüt (Chitta = Gedächtnis

und Ahankara = Egoismus).

l6»

1) Dies sind die vier Hindukasten , nämlich: Priester, Krieger, Handeltreibende und Sklaven. I) Die vier Stufen, in welche das Lehen der Brahmanen. kaste zerfiel, nämlich: Student, Haushalter (die Pfiicht einen Hausstand zu begründen), Sannyasyn (Eremit) und Bettler (das Streben nach Entledigung von allen irdischen Banden). I) Upadhis, die Beschränkungen oder Bedingungen, unter welchen der reine Atma als Jiva erscheint. Dieselben sind dreierlei Art, entsprechend den drei Arten von Körpern, dem grohmateriellen, dem ätherischen und dem Kausalkörper. Der Atherleib ist aus 17 Bestandteilen zusammengesetzt: die fünf Sinne, Auge, Ohr, Nase, Zunge und, Haut; fiinf Organen des HandeIns, Sprechens, Hand, Fass u. s. w., filnf Pranas und zwar Prana, Apana, Vyana, Udana und Samana, Manas und Buddhi. Es gieht vier Modifikationen .on Manas u. s. w. Manas = Gemüt (Chitta = Gedächtnis und Ahwara = Egoismus). 16·

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unerschütterlichen Geiste der Wahrheit, wie

die Hitze von dem Feuer ausgeht, alle Sinne,

unerschütterlichen Geiste der Wahrheit, wie die Hitze von dem Feuer ausgeht, alle Sinne', Augen u. s. w., und das Gemüt u. s. w. frei von eigener Weisheit ihre entsprechenden Thätigkeiten ausüben. 5. Ich bin Atma, die Verkörperung der ewigen Weisheiten, deren Wiederspiegelung in unserm, Intellekte als Jiva (individuelle Seele) erscheint, obgleich diese nicht von ihr getrennt ist, ebenso wie der Reflex des Antlitzes, weIcher im Spiegel erscheint, an sich kein anderes Ding ist. 6. Ich bin Atma, die Verkörperung der ewigen Weisheit, welche Eine, ohne alle Veränderung, bleibt, wenn die Seele entschwunden ist, gerade so wie das Angesicht eines Menschen ohne sein Gegenbild bleibt, wenn der Spiegel weggezogen wird. 7. Ich bin Atma, die Verkörperung der ewigen Weisheit, welche über der Seele, dem Auge, Ohr u. s. w. steht, je,doch die Seele der Seele, das Auge des Auges u. s. w. ist, obgleich sie niemals von ihnen erreicht werden kann. 8. Ich bin Atma, die Verkörperung der ewigen \Veisheit, welche ewig scheint (leuchtet), eine Einzige in ihrem Glanze und ihrer Reinheit,

Augen u. s. w., und das Gemüt u. s. w. frei von

eigener Weisheit ihre entsprechenden Thätig-

keiten ausüben.

5. Ich bin Atma, die Verkörperung der

ewigen Weisheiten, deren Wiederspiegelung in

unserm Intellekte als Jiva (individuelle Seele)

erscheint, obgleich diese nicht von ihr getrennt

ist, ebenso wie der Reflex des Antlitzes, wel-

cher im Spiegel erscheint, an sich kein anderes

Ding ist.

6. Ich bin Atma, die Verkörperung der

ewigen Weisheit, welche Eine, ohne alle Ver-

änderung, bleibt, wenn die Seele entschwunden

ist, gerade so wie das Angesicht eines Men-

schen ohne sein Gegenbild bleibt, wenn der

Spiegel weggezogen wird.

7. Ich bin Atma, die Verkörperung der

ewigen Weisheit, welche über der Seele, dem

Auge, Ohr u. s. w. steht, jedoch die Seele der

Seele, das Auge des Auges u. s. w. ist, ob-

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gleich sie niemals von ihnen erreicht werden

kann.

8. Ich bin Atma, die Verkörperung der

ewigen Weisheit, welche ewig scheint (leuchtet),

eine Einzige in ihrem Glanze und ihrer Reinheit,

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aber in verschiedenen Seelen begrenzt er-

-

scheint, ebenso wie die Sonne, obgleich nur

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ein und dieselbe, in dem Wasser eines Gefässes

aber in verschiedenen Seelen begrenzt erscheint, ebenso wie die Sonne, obgleich nur ein und dieselbe, in dem Wasser eines Gefässes eingeschlossen erscheint. 9. Ich bin Atma, die Verkörperung der ewigen Weisheit, welche allen Intellekten zu einer Zeit Licht und Weisheit spendet, ebenso wie die Sonne allen Augen gleichzeitig Licht giebt, nicht nacheinander. 10. Ich bin Atma, die Verkörperung der ewigen Weisheit, durch deren Offenbarung das Auge sein Licht empfangt, ebenso wie das Auge bei dem Erscheinen der Sonne seine unterscheidende Fähigkeit wieder erlangt, nicht nachdem sie untergegangen ist. 11. Ich bin Atma, die Verkörperung der ewigen Weisheit, welche eine einzige ist, obgleich sie eine Vielheit zu sein scheint, infolge der von den verschiedenen Seelen verursachten Beschränkungen, gerade so wie die Sonne vielfältig in den Gewässern erscheint, obgleich sie als eine einzige auf alle beweglichen und unbeweglichen Gegenstände herabscheint. 12. Ich bin Atma, die Verkörperung der ewigen Weisheit, welche einem Unwissenden gleichsam beschränkt und gebunden erscheint, gerade so wie die Sonne einem Menschen,

eingeschlossen erscheint.

9. Ich bin Atma, die Verkörperung der

ewigen Weisheit, welche allen Intellekten zu

einer Zeit Licht und Weisheit spendet, ebenso

wie die Sonne allen Augen gleichzeitig Licht

giebt, nicht nacheinander.

10. Ich bin Atma, die Verkörperung der

ewigen Weisheit, durch deren Offenbarung das

Auge sein Licht empfängt, ebenso wie das Auge

bei dem Erscheinen der Sonne seine unter-

scheidende Fähigkeit wieder erlangt, nicht

nachdem sie untergegangen ist.

11. Ich bin Atma, die Verkörperung der

ewigen Weisheit, welche eine einzige ist, ob-

gleich sie eine Vielheit zu sein scheint, infolge

der von den verschiedenen Seelen verursachten

Beschränkungen, gerade so wie die Sonne viel-

fältig in den Gewässern erscheint, obgleich sie

als eine einzige auf alle beweglichen und un-

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beweglichen Gegenstände herabscheint.

12. Ich bin Atma, die Verkörperung der

ewigen Weisheit, welche einem Unwissenden

gleichsam beschränkt und gebunden erscheint,

gerade so wie die Sonne einem Menschen,

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— 230 —

dessen Blick durch die Dunkelheit der am

Himmel hinziehenden Wolken vom Dunkel

bezwungen erscheint.

dessen Blick durch die Dunkelheit der am Himmel hinziehenden Wolken vom Dunkel bezwungen erscheint. 13. Ich bin Atma, die Verkörperung der ewigen Weisheit, rein und unkörperlich wie der Blitz, alle Dinge durchdringen~, ohne sie zu berühren. 14. Ebenso wie der Unterschied zwischen verschiedenen Diamanten durch deren besondere Eigentümlichkeiten entsteht (obgleich sie alle von einer Art sind), so entsteht die Verschiedenheit zwischen dem Atma und Jiva infolge der Beschränkungen des Gemütes. Ebenso wie das Spiegelbild des Mondes im Wasser erblickt wird, so wird dein Gegenbild, 0 Vishnu, in dem Jivas gesehen.

13. Ich bin Atma, die Verkörperung der

ewigen Weisheit, rein und unkörperlich wie

der Blitz, alle Dinge durchdringend, ohne sie

zu berühren.

14. Ebenso wie der Unterschied zwischen

verschiedenen Diamanten durch deren beson-

dere Eigentümlichkeiten entsteht (obgleich sie

alle von einer Art sind), so entsteht die Ver-

schiedenheit zwischen dem Atma und Jiva in-

folge der Beschränkungen des Gemütes. Ebenso

wie das Spiegelbild des Mondes im Wasser

erblickt wird, so wird dein Gegenbild, o Vishnu,

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in dem Jivas gesehen.

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Die Bhagavad Gita

oder

Das Hohe Lied.

(Fortsetzung.)

XII.

Bhaktiyoga.

VON DER VEREINIGUNG MIT DEM HÖCHSTEN

DURCH DIE KRAFT DER GÖTTLICHEN LIEBE.

Ardschuna.

1 Dir dienen, Herr, die einen als dem Gott,

Der offenbarlich ist, und andre, die

Dich als den Einen, der nicht offenbar,

Den Körperlosen, Ewigen betrachten.

Wer von den beiden geht den bessern Weg?

Krischna.

2 Wer treulich mir in festem Glauben dient,

Die Bhagavad Gita

So wie er mich in seinem Herzen findet,

oder

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Das Hohe Lied. (Fortsetzung.)

XII.

Bhaktiyoga. VON DER VEREINIGUNG MIT DEM HÖCHSTEN DURCH DIE KRAFT DER GÖTTLICHEN LIEBE.

Ardschuna. 1 Dir dienen, Herr, die einen als dem Gott, Der offenbarlich ist, und andre, die Dich als den Einen, der nicht offenbar, Den Körperlosen, Ewigen betrachten. Wer von den heiden geht den bessern Weg?

2

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Krischna. Wer treulich mir in festem Glauben dient, So wie er mich in seinem Herzen findet,

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— 232 —

23 2

In einer Form, die er erfassen kann,

Den halt' ich heilig und er ist mir lieb.

3 Doch wer mich als den Ewigen erkennt,

In einer Form, die er erfassen kann,

Als Namenlosen und Nichtoffenbaren,

Unvorstellbaren und als Höchsten, der

Den halt' ich heilig und er ist mir lieb. 3 Doch wer mich als den Ewigen erkennt, Als Namenlosen und Nichtoffenbaren, Unvorstellbaren und als Höchsten, der Von keiner Form beschränkt, unendlich ist; 4 Wer so mich ehrt, IlOd meine Gegenwart In allen Wesen sieht, und in der Kraft Des Guten lebend, sich des Daseins freut, Der geht am Ende in mich ein. s Doch schwer Und mühsam ist der Weg für jene, Die dem Nichtoffenbaren das Gemüt Entgegenwenden; schwer zu finden ist Der Pfad des Geistes für das Fleischgebor'ne. 6 Wer sich mit reinem Herzen mir ergiebt Und was er thut, in meiner Kraft vollbringt, Dem Selbst entsagend sich in mir befestigt, Und Tag und Nacht sich meinem Dienste weiht; iDen werd' ich sicher aus der Sturmflut heben j Im Wogenschwall des Lebensmeeres soll Er nicht versinken; ich errette ihn, Weil er in mir die rechte Rettung sucht. 8 So wende mir dein Herz vor allem zu; Erfasse mich mit deinem ganzen Wollen; Lass deinen Geist in mir die Ruhe finden Und streb' empor zu meiner Seligkeit.

Von keiner Form beschränkt, unendlich ist;

4 Wer so mich ehrt, und meine Gegenwart

In allen Wesen sieht, und in der Kraft

Des Guten lebend, sich des Daseins freut,

Der geht am Ende in mich ein.

5 Doch schwer

Und mühsam ist der Weg für jene,

Die dem Nichtoffenbaren das Gemüt

Entgegenwenden; schwer zu finden ist

Der Pfad des Geistes für das Fleischgebor'ne.

6 Wer sich mit reinem Herzen mir ergiebt

Und was er thut, in meiner Kraft vollbringt,

Dem Selbst entsagend sich in mir befestigt,

Und Tag und Nacht sich meinem Dienste weiht;

7 Den werd' ich sicher aus der Sturmflut heben;

Im Wogenschwall des Lebensmeeres soll

Er nicht versinken; ich errette ihn,

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Weil er in mir die rechte Rettung sucht.

8 So wende mir dein Herz vor allem zu;

Erfasse mich mit deinem ganzen Wollen;

Lass deinen Geist in mir die Ruhe finden

Und streb' empor zu meiner Seligkeit.

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— 233 —

-

9 Und kannst du diese Höhe nicht erreichen,

Und zieht dein Geist, dich Erdensohn, hinab,

233

Weil du zu lau bist, ganz dich hinzugeben,

Und kannst du diese Höhe nicht erreichen, Und zieht dein Geist, dich Erdensohn, hinab, Weil du zu lau bist, ganz dich hinzugeben, Nun, so versuch' es denn mit niedrem Flug. 10Schwing dich empor durch weihevolle Andacht. Gelingt dir dieses nicht, so ehre mich In deinem Thun. Wirkst du für mich allein, So wirst du zur Vollkommenheit gelangen. I I Und bist du auch zu diesem noch zu schwach, So suche Zuflucht immerhin in mir, Entsage gern den Früchten deiner Werke Und gieb dich mir in voller Demut hin.

Nun, so versuch' es denn mit niedrem Flug.

9

10 Schwing dich empor durch weihevolle Andacht.

Gelingt dir dieses nicht, so ehre mich

In deinem Thun. Wirkst du für mich allein,

So wirst du zur Vollkommenheit gelangen.

11 Und bist du auch zu diesem noch zu schwach,

So suche Zuflucht immerhin in mir,

Entsage gern den Früchten deiner Werke

Und gieb dich mir in voller Demut hin.

12 Wohl ist das Wissen besser als der Fleiss,

Doch ist die Liebe besser als das Wissen,

Und die Entsagung besser noch; denn wer

In Liebeskraft entsagt, ist nah dem Ziel.

13 Wer keinem Wesen Böses will, und frei

Von Hass und Selbstsucht und barmherzig ist,

Im Glück und Unglück immer gleich sich bleibt,

Geduldig und zufrieden immerdar,

14 Im rechten Glauben treu, mit festem Willen

Das Herz bezähmt und das Gemüt auf mich

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Gerichtet hält, sich gänzlich mir ergiebt

Und mich verehrt und liebt, der ist mir lieb.

15 Wer niemand mehr auf dieser Welt betrübt

12

Wohl ist das Wissen besser als der Fleiss, Doch ist die Liebe besser als das Wissen, Und die Entsagung besser noch; denn wer In Liebeskraft entsagt, ist nah dem Ziel.

Wer keinem Wesen Böses will, und frei Von Hass und Selbstsucht und barmherzig ist, Im Glück und Unglück immer gleich sich bleibt, Geduldig und zufrieden immerdar, 14 Im rechten Glauben treu, mit festem Willen Das Herz bezähmt und das Gemüt auf mich Gerichtet hält, sich gänzlich mir ergiebt Und mich verehrt und liebt, der ist mir lieb. I 5 Wer niemand mehr auf dieser Welt betrübt 13

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Und selbst durch nichts betrübt wird, sondern

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hoch

Erhaben über Leid und Freude ist,

Und selbst durch nichts betrübt wird, sondern hoch Erhaben über Leid und Freude ist, Von Zorn und Furcht befreit, der ist mir lieb. 16 Wer ruhevoll und rein, vertrauensvoll, Von Vorurteilen und von Zweifeln frei, Mein Werk vollbringt und jedem Lohn entsagend, Nur mich verherrlicht will, der ist mir lieb. 17 Wer nichts persönlich will und nichts verwirft, Wer nichts betrauert und auch nichts begehrt, Wer alles abstreift was vergänglich ist Und nur das Höchste liebt, der ist mir lieb. IS Wer gegen Freund und Feind gleichmütig ist, Ruhm und Beleidigung, des Winters Frost, Des Sommers Hitze, Lust sowohl als Schmerz Mit Gleichmut tragen kann, der ist mir lieb. 19 Allein am meisten lieb' ich jene, die Mich über alles lieben, deren Leben Die Liebe ist. Sie lieb' ich über alles Und ich ernähre sie mit meiner Liebe.

Von Zorn und Furcht befreit, der ist mir lieb.

16 Wer ruhevoll und rein, vertrauensvoll,

Von Vorurteilen und von Zweifeln frei,

Mein Werk vollbringt und jedem Lohn entsagend,

Nur mich verherrlicht will, der ist mir lieb.

17 Wer nichts persönlich will und nichts verwirft,

Wer nichts betrauert und auch nichts begehrt,

Wer alles abstreift was vergänglich ist

Und nur das Höchste liebt, der ist mir lieb.

18 Wer gegen Freund und Feind gleichmütig ist,

Ruhm und Beleidigung, des Winters Frost,

Des Sommers Hitze, Lust sowohl als Schmerz

Mit Gleichmut tragen kann, der ist mir lieb.

19 Allein am meisten lieb' ich jene, die

Mich über alles lieben, deren Leben

Die Liebe ist. Sie lieb' ich über alles

Und ich ernähre sie mit meiner Liebe.

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(Fortsetzung folgt.)

(Fortsetzung folgt.)

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Die Lehren

· . ,,,·II.,,. 1'

des

Philippus Theophrastus Bombast von

Hohenheim genannt Paracelsus.

Zweiter Teil.

Medizin.

(Fortsetzung und Schluss.)

2. Lapis Philosophorum.

Paracelsus sagt, dass er zwar in der Her-

~II,,· ~•· i·,' '" .. ..__I ",H,,I·· . .:'.1].=:,11 ... ,1···· .

..l

stellung des Steines der Weisen noch nicht

Vollkommenheit erlangt habe, dass er aber

auch darin kein Anfänger sei, und deshalb sein

darauf bezügliches Wissen nicht vom Hören-

sagen oder Lesen, sondern aus seiner eigenen

Erfahrung schöpfe.

„Der Lapis Philosophorum durchdringt

und erneuert den ganzen Menschen, und ist

Die Lehren

die Quelle der Gesundheit und des ewigen

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des

Philippus Theophrastus Bombast von Hohenheim genannt Paracelsus. Zweiter Teil.

M e d i z i n. (Fortsetzung und Schluss.) 2.

Lapis Philosophorum.

Paracelsus sagt,

dass er zwar in der Herstellung des Steines der Weisen noch nicht Vollkommenheit erlangt habe, dass er aber .auch darin kein Anfänger sei, und deshalb sein darauf bezügliches Wissen nicht vom Hörensagen oder Lesen, sondern aus seiner eigenen Erfahrung schöpfe. "Der Lapis Philosophorum durchdringt und erneuert den ganzen Menschen, und ist die Quelle der Gesundheit und des ewigen

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— 236 —

Lebens. Die Kinder derjenigen, die dieses

Mittel gebrauchen, sind hernach von solcher

Gesundheit, dass in ihren Körpern bis ins

Lebens. Die Kinder derjenigen, die dieses Mittel gebrauchen, sind hernach von solcher Gesundheit, dass in ihren Körpern bis ins zehnte Geschlecht nichts Unreines oder Krankhaftes mehr ist, und eine edlere Beschaffenheit nicht möglich ist. Es ist eine ausserweltliche Arznei, die den ganzen Körper in ein unzerbrechliches Leben bringt, und nicht allein die Dinge verwandelt, sondern vermehrt ohne Ende, so wie ein Licht das andere anzündet, und die"s wieder ein anderes." 1) Es ist aber hier nicht nur von geistigen Einflüssen, sondern von einem durch dieselben bewirkten, zwar "geistigen", aber dennoch substantiellen Wachstum und Entwicklung des inneren Menschen die Rede, denn "du sollst wissen, dass nichts so klein ist, dass es ohne Form bestehen kann; denn alles formiert sich in seiner eigenen Harmonie, alles wird geboren und entwickelt sich. Alles wohnt in dem ihm eigenen ewigen Wesen, aber die Form, in der es sich entwickelt, ist mit Unwesentlichem behaftet, das ihr von der Natur zufällt, und diese ZufäIligkeiten hinwegzuschaffen, damit das reine

zehnte Geschlecht nichts Unreines oder Krank-

haftes mehr ist, und eine edlere Beschaffenheit

nicht möglich ist. Es ist eine ausserweltliche

Arznei, die den ganzen Körper in ein un-

zerbrechliches Leben bringt, und nicht allein

die Dinge verwandelt, sondern vermehrt ohne

Ende, so wie ein Licht das andere anzündet,

und dies wieder ein anderes."1)

Es ist aber hier nicht nur von geistigen

Einflüssen, sondern von einem durch dieselben

bewirkten, zwar „geistigen", aber dennoch sub-

stantiellen Wachstum und Entwicklung des

inneren Menschen die Rede, denn „du sollst

wissen, dass nichts so klein ist, dass es ohne

Form bestehen kann; denn alles formiert sich

in seiner eigenen Harmonie, alles wird geboren

und entwickelt sich. Alles wohnt in dem ihm

eigenen ewigen Wesen, aber die Form, in der

es sich entwickelt, ist mit Unwesentlichem be-

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haftet, das ihr von der Natur zufällt, und diese

Zufälligkeiten hinwegzuschaffen, damit das reine

1) So, und nicht anders, ist auch die Wiederverkörpe-

rung der Seele nach dem Tode des Körpers zu verstehen.

1) So, und nicht anders, ist auch die Wiederverkörperung der Seele nach dem Tode des Körpers zu verstehen.

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-

— 237 —

Wesen in der Form offenbar wird, dazu ist der

237

Lapis Philosophorum bestimmt."1)

Wesen in <Jer Form offenbar wird, dazu ist der Lapis Philosophorum bestimmt." 1) Es ist somit jedem Okkultisten klar, dass unter der Zubereitung des Arcanums des Steines der Weisen nichts anderes gemeint ist, als die geistige Wiedergeburt, von der es auch in der Bibel heisst, dass niemand in das Reich Gottes eingehen könne, es sei denn, dass er im Geiste Gottes wiedergeboren sei: "Denn was vom Fleische geboren ist, ist Fleisch, aber was vom Geiste geboren wird, ist Geist." ') Paracelsus beschreibt die Bereitung des "Steines der Weisen" auf eine allegorische Weise, die zwar allen, welche darin eigene Erfahrung besitzen, klar genug ist, dagegen dem grossen Haufen völlig unverständlich sein mus~, und er hat damit auch vollkommen recht; denn man soll das Heilige nicht dadurch entweihen, dass man es den "Schweinen , die es in den Kot treten, und den Hunden, die es zerreissen" (wozu besonders viele "gelehrte" Kritiker und kurzsichtige Philosophen gehören) vorwirft: "Trenne das Reine vom Unreinen, bis es vollkommene Weisse erlangt; sublimiere es

Es ist somit jedem Okkultisten klar, dass

unter der Zubereitung des Arcanums des

Steines der Weisen nichts anderes gemeint ist,

als die geistige Wiedergeburt, von der es auch

in der Bibel heisst, dass niemand in das Reich

Gottes eingehen könne, es sei denn, dass er

im Geiste Gottes wiedergeboren sei: „Denn

was vom Fleische geboren ist, ist Fleisch, aber

was vom Geiste geboren wird, ist Geist."2)

Paracelsus beschreibt die Bereitung des

„Steines der Weisen" auf eine allegorische

Weise, die zwar allen, welche darin eigene

Erfahrung besitzen, klar genug ist, dagegen

dem grossen Haufen völlig unverständlich sein

muss, und er hat damit auch vollkommen recht;

denn man soll das Heilige nicht dadurch ent-

weihen, dass man es den „Schweinen, die es

in den Kot treten, und den Hunden, die es

zerreissen" (wozu besonders viele „gelehrte"

Kritiker und kurzsichtige Philosophen gehören)

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vorwirft:

„Trenne das Reine vom Unreinen, bis es

vollkommene Weisse erlangt; sublimiere es

*) Manuale de Lapide Philosophorum p.428.

*) Johannes III.

1) 14anuale de Lapide PhilosophorllID p.428. I)

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J obannes Irr.

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— 238 —

durch den Salmiak. Setze es in den Pelikan

und lass es einen Monat lang digerieren.

Koaguliere es, bis dass es ein Körper wird, der

durch den Salmiak. Setze es m den Pelikan und lass es einen Monat lang digerieren. Koaguliere es, bis dass es ein Körper wird, der nimmer verbrennt, sich nimmer verzehrt und unverweslich bleibt. Der Leib, welchen es durchdringt, ist bleibend und unveränderlich, und nimmt alles niederwertige Wesen hinweg, im Bewussten und Unbewussten. Wir haben den Weg in kurzem beschrieben; es ist aber eine langwierige Arbeit und bedarf eines unverdrossenen und wohlerfahrenen Arbeiters, mit gutem Fleiss." 1) "Um aber denjenigen, welche die Wahrheit lieben, einen nützlichen Wink zu geben, so sollen sie wissen, dass in dem Mikrokosmus ein grosses Geheimnis (ein göttlicher Funke), wie in einer Arche, verschlossen ist, welches alle Kraft und Tugend enthält, und alle Hindernisse überwältigen kann. Was aber dabei zu thun ist, davon steht nichts in den Büchern der Hundeschlächter und Pillenkrämer. Die Narren wissen nichts von diesem Rezept." ')

nimmer verbrennt, sich nimmer verzehrt und

unverweslich bleibt. Der Leib, welchen es

durchdringt, ist bleibend und unveränderlich,

und nimmt alles niederwertige Wesen hinweg,

im Bewussten und Unbewussten. Wir haben

den Weg in kurzem beschrieben; es ist aber

eine langwierige Arbeit und bedarf eines un-

verdrossenen und wohlerfahrenen Arbeiters,

mit gutem Fleiss."1)

„Um aber denjenigen, welche die Wahrheit

lieben, einen nützlichen Wink zu geben, so

sollen sie wissen, dass in dem Mikrokosmus

ein grosses Geheimnis (ein göttlicher Funke),

wie in einer Arche, verschlossen ist, welches

alle Kraft und Tugend enthält, und alle Hinder-

nisse überwältigen kann. Was aber dabei zu

thun ist, davon steht nichts in den Büchern

der Hundeschlächter und Pillenkrämer. Die

Narren wissen nichts von diesem Rezept."2)

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*) Archidoxes p. 50. Der „Salmiak" bedeutet die

Bitterkeiten des menschlichen Lebens. Im übrigen über-

lassen wir dem Leser die Auslegung dieser Allegorie.

2) Wer von göttlichen Dingen nichts weiss, ist deshalb

noch kein Narr, wohl aber derjenige, welcher dieselben

1) Archidoxes p. 50.

Der "Salmiak" bedeutet die Bitterkeiten des menschlichen Lebens. Im übrigen überlassen wir dem Leser die Auslegung dieser Allegorie. t) Wer von göttlichen Dingen nichts weiss, ist deshalb noch kein Narr, wohl aber derjenige, welcher dieselben

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— 239 —

239

3. Mercurius Vitae.

Der Merkur ist das Symbol des Gemütes,

und da in diesem eine höhere und eine niedere

3. Mercurius Vitae.

Form des Bewusstseins, eine Region des Den-

kens und eine über alle Vorstellungen erhabene

Der Merkur ist das Symbol des Gemütes, und da in diesem eine höhere und eine niedere Form des Bewusstseins, eine Region des Denkens und eine über alle Vorstellungen erhabene Region des direkten Erkennens oder der Erleuchtung unterschieden wird, so reden die Alchemisten auch von einem "doppelten Mercurius", und den "Mercurius aus dem Mercurio bereiten", bedeutet nichts anderes, als das Gemüt vom Vergänglichen zum Ewigen zu erheben, ';Ind die' Vernunft der göttlichen Erleuchtung zu eröffnen. Der Mercurius Vitae ist diejenige Erkenntnis, aus welcher das ewige Leben entspringt, und wird deshalb mit Recht das "Elixir des Lebens" genannt. Die innerliche Erleuchtung durch den heiligen Geist der Erkenntnis der Wahrheit ist in der That dieser "Mercurius", welcher das Reine vom Unreinen, die Wahrheit von der Unwissenheit und dem

Region des direkten Erkennens oder der Er-

leuchtung unterschieden wird, so reden die

Alchemisten auch von einem „doppelten Mer-

curius", und den „Mercurius aus dem Mercurio

bereiten", bedeutet nichts anderes, als das

Gemüt vom Vergänglichen zum Ewigen zu er-

heben, und die' Vernunft der göttlichen Er-

leuchtung zu eröffnen. Der Mercurius Vitae

ist diejenige Erkenntnis, aus welcher das ewige

Leben entspringt, und wird deshalb mit Recht

das „Elixir des Lebens" genannt. Die inner-

liche Erleuchtung durch den heiligen Geist der

Erkenntnis der Wahrheit ist in der That dieser

„Mercurius", welcher das Reine vom Unreinen,

die Wahrheit von der Unwissenheit und dem

verwirft, und die Wahrheit lästert, ohne sie zu kennen.

Die Geheimnisse der Religion und Alchemie sind nicht

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jedermanns Sache und sollten unter denen, die sie zu wür-

digen verstehen, besprochen, nicht aber an die grosse Glocke

gehängt werden. Auch hat schliesslich nicht dasjenige, wast

einem gesagt wird, sondern nur was man selber entdeck

einen wirklichen Wert.

verwirft, und die Wahrheit lästert, ohne sie zn kennen. Die Geheimnisse der Religion und Alchemie sind nicht jedermanns Sacbe und sollten unter denen, die sie zu würdigen verstehen, besprochen, nicbt aber an die grosse Glocke gehängt werden. Auch hat schliesslich nicht dasjenige, wut eine m gesagt wird, sondern nur was man selber entdeck einen wirklichen Wert.

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— 240 —

Intume scheidet, und dem Menschen das wahre

Leben verleiht, indem er ihn über alles Irdische

Irrtume scheidet, und dem Menschen das wahre Leben verleiht, indem er ihn über alles Irdische zum Unvergänglichen erhebt. "Also wollen wir mit der Ausübung anfangen und mit den Alchemisten reden, die nicht viel Schreiberei nötig haben und keine lange Predigt brauchen. Der Weg zum Mercurius Vitae ist folgender: Nimm die Essenz des Mercurlus, trenne denselben von allen Überflüssigkeiten und Unreinigkeiten, sublimiere ihn mit Anti~ mon ium, so dass sie heide aufsteigen und eins werden; damach löse e~ und koaguliere es zum vierten Mal, und dann hast du den Mercurium Vitae, wie wir ihn angezeigt haben. " Nach dem, was bereits oben gesagt wurde, bedarf das Rezept keiner weitem Erklärung. Wenn der Mensch durch die Überwindung des Irrtums zur Vereinigung mit dem Göttlichen gelangt, so offenbart sich ihm die Wahrheit, wie wenn die Sonne aus dem zerteilten Wolkenschleier hervortritt, und der in Wahrheit Erleuchtete ist wie diese Sonne, deren Licht das Heer der Wolken zerstreut. Dieser Mercurlus ist das "Wasser des ewigen Lebens" , von dem in der Bibel die Rede ist,1) das ewige

zum Unvergänglichen erhebt.

„Also wollen wir mit der Ausübung anfangen

und mit den Alchemisten reden, die nicht viel

Schreiberei nötig haben und keine lange Predigt

brauchen. Der Weg zum Mercurius Vitae

ist folgender: Nimm die Essenz des Mercurius,

trenne denselben von allen Überflüssigkeiten

und Unreinigkeiten, sublimiere ihn mit Anti-

mon ium, so dass sie beide aufsteigen und

eins werden; darnach löse es und koaguliere

es zum vierten Mal, und dann hast du den

Mercurium Vitae, wie wir ihn angezeigt ha-

ben." Nach dem, was bereits oben gesagt

wurde, bedarf das Rezept keiner weitern Er-

klärung. Wenn der Mensch durch die Uber-

windung des Irrtums zur Vereinigung mit dem

Göttlichen gelangt, so offenbart sich ihm die

Wahrheit, wie wenn die Sonne aus dem zer-

teilten Wolkenschleier hervortritt, und der in

Wahrheit Erleuchtete ist wie diese Sonne, deren

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Licht das Heer der Wolken zerstreut. Dieser

Mercurius ist das „Wasser des ewigen Lebens",

von dem in der Bibel die Rede ist,1) das ewige

*) Johannes IV, 13.

1) ]ohannes IV, 13.

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— 241 —

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Leben selbst, die göttliche Weisheit (Theo-

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sophia) oder der heilige Geist.

Es ist in den alchemistischen Schriften viel

Leben selbst, die göttliche Weisheit (Theosophia) oder der heilige Geist. Es ist in den" alchemistischen Schriften viel von der Koagulation des Merkurs die Rede. Um zu zeigen, dass wir es hier nicht mit dem Quecksilber zu thun haben, hören wir, was Paracelsus darüber sagt, und schalten zur Erklärung einige Worte ein:

von der Koagulation des Merkurs die Rede.

Um zu zeigen, dass wir es hier nicht mit dem

Quecksilber zu thun haben, hören wir, was

Paracelsus darüber sagt, und schalten zur Er-

klärung einige Worte ein:

Was von der Koagulation des Merkurs

zu halten sei.

„Es ist gar nicht nötig, dass man den

Merkur (das eigene Denken) töten oder koagu-

lieren (gedankenlos oder stumpfsinnig sein) soll,

und dann erst zu Luna machen (sich der Phan-

tasie hingeben) oder viel Arbeit dazu verwenden

mit Sublimieren (Grübeln und Schwärmerei);

denn dies ist nur eine Verschwendung von Sol

(Lebenskraft) und Luna (Verstand), das in ihm

ist. Es ist vielmehr ein anderer näherer Weg,

wodurch der Mercurius in C verwandelt

Was von der 'Koagulation des Merkurs zu halten sei.

(das Gemüt verständig) wird, mit gar kleinen

Kosten verbunden, ohne alle Mühe des Koagu-

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lierens (d. h. die Erleuchtung tritt durch das

Licht der Weisheit von selbst ein, wenn wir es

"Es ist gar nicht nötig, dass man den Merkur (das eigene Denken) töten oder koagulieren (gedankenlos oder stumpfsinnig sein) soll, und dann erst zu Luna machen (sich der Phantasie hingeben) oder viel Arbeit dazu verwenden mit Sub li m ie ren (Grübeln und Schwärmerei); denn dies ist nur eine Verschwendung von Sol (Lebenskraft) und Luna (Verstand), das in ihm ist. Es ist vielmehr ein anderer näherer Weg, wodurch der Mercurius in verwandelt (das Gemüt verständig) wird, mit gar kleinen Kosten verbunden, ohne alle Mühe des Koagulierens (d. h. di~ Erleuchtung tritt durch das Licht der Weisheit von selbst ein, wenn wir es in uns leuchten lassen). Nun möchte ein jeder wohl gerne in den Schriften der Alchemie em

in uns leuchten lassen). Nun möchte ein jeder

wohl gerne in den Schriften der Alchemie ein

Lotusblüthen LXXIX. 17

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Lotusblüthen LXXIX.

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Kunststück angegeben finden, um in kurzer Zeit

viel Gold und Silber zu machen, und er hat

Kunststück angegeben finden, um in kurzer Zeit viel Gold und Silber zu machen, und er hat Verdmss an den vielen anderen Schriften, die ihm nicht gleich klar anzeigen und sagen, wie er es machen soll. Aber da wird er noch lange warten müssen (wenn er es nicht in sieh selbst entdeckt). Es ist Gold und Silber (Weisheit und Verstand) durch einen so gar kleineö und geringen Griff zu der Alch~mie zu erlangen, dass es gar nicht nötig ist, Viel darüber zu schreiben. "Was aber soll man von den vielen Rezepten sagen und mancherlei Gefässen, Öfen, Gläsern, Scherben, Wasserrl, Ölen, Salzen, Schwefeln, Spiessglanz, Magnesia, Salpeter, Alaun, Vitriol, Weinstein, Börax, Atramentum, Auropigment, Arsenik, Bolus, Rotstein, Kalk, Pech, Wachs, IDda:emente, Jungfranenmilch, Bleiweiss; Mennig. ~iDnober, vom Präparieren, Putrifizieren, Digerieren, Probieren, Sublimieren, Calcinieren, Solvieren, Koagulieren u. s. w. Alles dies ist vielmehr eine Verhinderung als eine Fördemng." "Was ist denn der rechte Weg, so gat nichts Schweres bedarf, und Gold und Silber erzeugt, das wahr und recht ist, ohne ~Uea Betrog? Wie lange verzeuchst du es zu melden? An tw 0 rt: Es ist schon gesagt, und wer

lange warten müssen (wenn er es nicht in sich

selbst entdeckt). Es ist Gold und Silber (Weis-

heit und Verstand) durch einen so gar kleinen

und geringen Griff zu der Alchemie zu erlangen,

dass es gar nicht nötig ist, viel darüber zu

schreiben.

„Was aber soll man von den vielen Rezepten

sagen und mancherlei Gefässen, Ofen, Gläsern,

Scherben, Wassern, Ölen, Salzen, Schwefeln,

Spiessglanz, Magnesia, Salpeter, Alaun, Vitriol,

Weinstein, Borax, Atramentum, Auropigment,

Arsenik, Bolus, Rotstein, Kalk, Pech, Wachs,

Exkremente, Jungfrauenmilch, Bleiweiss, Mennig,

Zinnober, vom Präparieren, Putrifizieren, Dige-

rieren, Probieren, Sublimieren, Calcinieren, Sol-

vieren, Koagulieren u. s. w. Alles dies ist viel-

mehr eine Verhinderung als eine Förderung."

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„Was ist denn der rechte Weg, so gar

nichts Schweres bedarf, und Gold und Silber

erzeugt, das wahr und recht ist, ohne allen

Betrug? Wie lange verzeuchst du es zu mel-

den? Antwort: Es ist schon gesagt, und wer

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er es machen soll. Aber da wird er noch

~

ihm nicht gleich klar anzeigen und sagen, wie

~

Verdruss an den vielen anderen Schriften, die

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es nicht begreifen will, dem ist nicht zu helfen.

Es soll auch niemand so unsinnig sein, zu

es nicht ·begreifen will, dem ist nicht zu helfen. Es soll auch niemand so unsinnig sein, zu meillen, dass es für jeden leicht zu verstehen sei. Dies soll auch nicht sein. Aber mit dem verborgenen Verstand (der Intuition) ist es zu falSen, und dies ist di.e Kunst." 1)

meinen, dass es für jeden leicht zu verstehen

sei. Dies soll auch nicht sein. Aber mit dem

verborgenen Verstand (der Intuition) ist es zu

fassen, und dies ist die Kunst."1)

4. Tinctura Physicorum.

Nach den vorhergehenden Erklärungen wird

wohl niemand mehr erwarten, in den Schrif-

ten des Paracelsus die Vorschrift zu einem

Lebenselixir zu finden, das man sich in der

Apotheke machen lassen kann; dennoch ist

die Tinctura Physicorum, von welcher er

spricht, ein solches Universalmittel, das nicht

nur alle Krankheiten des Leibes und der Seele

4. Tinctura Physicorum.

heilt, „alles unbequeme Alter und alles was

gegen das gesunde Gemüt ist" hinwegnimmt,

sondern das göttliche Leben selbst ist, das

Nach den vorhergehenden Erklänmgen wird wohl niemand mehr 'erwarten, in den Schrif,ten des Paracelsus die Vorschrift zu einem Lebenselixir zu finden, das man sich in der Apotheke machen lassen kann; dennoch ist die Tinctura Physicorum, von welcher er spricht, ein solches Universalmittel, das nicht nur alle Krankheiten des Leibes und der Seele heilt, "allesunbequeme Alter und alles was gegen das gesunde Gemüt ist" hinwegnimmt, sondemdas göttliche Leben selbst ist, das aber gerade 80 wie das irdische Leben dem Menschen nichts nützt, solange er es nur von ferne betrachtet, und erst dann sein Leben wird, wenn es in ihm selber erwacht. Wenn es aber in ihm erwacht, so durchdringt es den ganzen Leib, ,;nicht nur einen Teil, sondern alle".

aber gerade so wie das irdische Leben dem

Menschen nichts nützt, solange er es nur von

ferne betrachtet, und erst dann sein Leben wird,

wenn es in ihm selber erwacht. Wenn es aber

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in ihm erwacht, so durchdringt es den ganzen

Leib, „nicht nur einen Teil, sondern alle".

*) „Coelum Philosophorum" p. 387.

17*

1) "Coelum Philosophoram" p. 387. 17*

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„Nimm das Feuer (der göttlichen Liebe)

und lasse es in der Digestion stehen (nicht

"Nimm das Feuer (der göttlichen Liebe) und lasse es in der Digestion stehen (nicht erkalten), solange bis es sich (zum Höchsten) erhebt, so dass nichts mehr am Boden liegt und auch keine Materie ersehen werde (d. h. bis du an nichts Irdischem mehr hängst); darnach nimm die Materie und verschliesse sie mit dem Siegel der Weisheit, setze das Ganze an einen mhigen Ort" u. s. w.!) Dies ist die Tinktur, wovon die Weisen aller Länder so viel gelehrt haben, und die doch nur von wenigen erkannt worden ist. Sie"tingiert Gutes sowohl als Böses", denn sie giebt allen Dingen ihre Kraft. Wenn die Sonne auf einen Acker scheint, so fangen alle in demselben befindlichen Keime zu wachse.n an, seien sie nützlich oder schädlich. Es wachsen sowohl Rosen als auch Dornen und Disteln daraus. So ist es auch, wenn die Sonne des Geisteslebens den inneren Menschen zum Leben erweckt. Es kommen dann sowohl seine guten als auch seine bösen Eigenschaften, die bisher in ihm latent gelegen haben, zum Vorschein. Deshalb ist die Tinktur auch als ein "Gift" bezeichnet, und sollte von niemandem gebraucht

erkalten), solange bis es sich (zum Höchsten)

erhebt, so dass nichts mehr am Boden liegt

und auch keine Materie ersehen werde (d. h.

bis du an nichts Irdischem mehr hängst); dar-

nach nimm die Materie und verschliesse sie

mit dem Siegel der Weisheit, setze das Ganze

an einen ruhigen Ort" u. s. w.1)

Dies ist die Tinktur, wovon die Weisen aller

Länder so viel gelehrt haben, und die doch

nur von wenigen erkannt worden ist. Sie „tin-

giert Gutes sowohl als Böses", denn sie giebt

allen Dingen ihre Kraft. Wenn die Sonne auf

einen Acker scheint, so fangen alle in dem-

selben befindlichen Keime zu wachsen an, seien

sie nützlich oder schädlich. Es wachsen sowohl

Rosen als auch Dornen und Disteln daraus.

So ist es auch, wenn die Sonne des Geistes-

lebens den inneren Menschen zum Leben er-

weckt. Es kommen dann sowohl seine guten

als auch seine bösen Eigenschaften, die bisher

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in ihm latent gelegen haben, zum Vorschein.

Deshalb ist die Tinktur auch als ein „Gift"

bezeichnet, und sollte von niemandem gebraucht

') Vergl. Bhagavad Gita VI, 19.

1) Vergl. Bhagavad Gita VI, 19.

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— 245 —

werden, der nicht durch Reinigung dafür reif

-

geworden ist, und nicht die nötige Kraft der

Unterscheidung und Selbstbeherrschung besitzt,

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um der schwarzen Magie zu verfallen. Je nütz-

werden, der nicht durch Reinigung dafür reif geworden ist, und nicht die nötige Kraft der Unterscheidung und Selbstbeherrschung besitzt, um der schwarzen Magie zu verfallen. Je nützlicher ein Ding ist, wenn es richtig gebraucht wird, um so grösser ist auch der Schaden, der durch seinen Missbrauch, sei es bewusst oder unbewusst, gestiftet werden kann. "Die Materie der Tinktur ist ein Ding, so du mich recht auf spagyrisch verstehst, welches von dreien in ein einziges Wesen durch die vulkanische Kunst ausgehen oder bleiben mag,· und dass ich dir's mit seinem Namen nach altem Brauch nenne, so ist's der Rote Löwe, von vielen genannt und wenigen bekannt. Dieser kann sich durch der Natur Hilfe und des Alchemisten Kunst in den Weisslichen Adler verwandeln, so dass aus einem zwei werden. Wenn du dies nicht verstehst, so bist du weder von Gott zur Alchemie geboren, noch von der Natur zu den Werken des Vulkans erkoren. Die Materie der Tinktur ist die grösste Perle und der edelste Schatz auf Erden; sie ist die Weisse Lilie der Alchemisten, wonach so viele Philosophen so eifrig gesucht und deren Bereitung doch nicht völlig zustande . gebracht habeIl , weil sie nicht die volle

licher ein Ding ist, wenn es richtig gebraucht

wird, um so grösser ist auch der Schaden, der

durch seinen Missbrauch, sei es bewusst oder

unbewusst, gestiftet werden kann.

„Die Materie der Tinktur ist ein Ding, so

du mich recht auf spagyrisch verstehst, welches

von dreien in ein einziges Wesen durch die

vulkanische Kunst ausgehen oder bleiben mag,

und dass ich dir's mit seinem Namen nach

altem Brauch nenne, so ist's der Rote Löwe,

von vielen genannt und wenigen bekannt.

Dieser kann sich durch der Natur Hilfe und

des Alchemisten Kunst in den Weisslichen

Adler verwandeln, so dass aus einem zwei

werden. Wenn du dies nicht verstehst, so bist

du weder von Gott zur Alchemie geboren,

noch von der Natur zu den Werken des Vul-

kans erkoren. Die Materie der Tinktur ist die

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grösste Perle und der edelste Schatz auf Erden;

sie ist die Weisse Lilie der Alchemisten,

wonach so viele Philosophen so eifrig gesucht

und deren Bereitung doch nicht völlig zustande

gebracht haben, weil sie nicht die volle

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— 246 —

Erkenntnis besassen. Darum sage ich euch:

„Nehmt von dem roten Löwen nur das rosen-

farbene Blut und von dem Adler nur den

weissen Leim, und nachdem ihr dieses zu-

Erkenntnis beaassen. Darum sage ich euch: "Nehmt VOn dem roten Löwen nur da8 r08e1lfarbene Blut und von dem Adler nur den weissen Leim, und nachdem ihr diesea zusammengefügt habt, so koaguliert es nach der Alten Prozess, so habt ihr die Tin c tura Physicorum, der 80 viele nachgegangen sind, und die so wenige gefunden haben." 1) "Lass es dir ein Mysterium der Natur sein, ein Magnale Dei und ein Schatz in diesem irdischen Jammerthal, ein unansehnliches Ding (die Persönlichkeit des Menschen) in ein anderes edleres zu verwandeln, das es vorher nicht war. Durch diese Kunst wird der äusserliehe Körper zerstört, und es entsteht daraus ein anderer unsterblicher Leib und Wesen. So du aber diese Kunst lernen willst, so kann sie dir nicht noch deutlicher beschrieben werden, sondern du musst bei den Alchemisten 10 die Schule gehen, damit du den Grad des

sammengefügt habt, so koaguliert es nach

der Alten Prozess, so habt ihr die Tinc-

tura Physicorum, der so viele nach-

gegangen sind, und die so wenige gefunden

haben."1)

„Lass es dir ein Mysterium der Natur

sein, ein Magnale Dei und ein Schatz in

diesem irdischen Jammerthal, ein unansehnliches

Ding (die Persönlichkeit des Menschen) in ein

anderes edleres zu verwandeln, das es vorher

nicht war. Durch diese Kunst wird der äusser-

liche Körper zerstört, und es entsteht daraus

ein anderer unsterblicher Leib und Wesen.

So du aber diese Kunst lernen willst, so kann

sie dir nicht noch deutlicher beschrieben wer-

den, sondern du musst bei den Alchemisten

in die Schule gehen, damit du den Grad des

*) Tinctura Physicorum p. 369. Der „rote Ixiwe"

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ist das Symbol der geistigen Energie; der „weisse Ad-

ler" das Symbol des erhabenen Gottesgedankens, die

„weisse Lilie" das Symbol der Reinheit der Seele u. s. w.

Der geborene Alchemist bedarf keiner weiteren Erklärung;

den Unverständigen würde alle weitere Auseinandersetzung

nutzlos sein.

1) Tinctura Physicorum P.369. Der "rote Löwe" ist das Symbol der geistigen Energie; der "weisle Ad· 1er" das Symbol des erhabenen Gottesgedankens , die "weiue Lilie" das Symbol der Reinheit der Seele u. s. VI. Der geborene Alchemiat bedarf keiner weiteren Erklärang; den Unverständigen würde aUe weitere Auseinandersetzung nutzlos sein.

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— 247 —

Feuers richtig zu erhalten lernst. Dann wirst

du sehen, dass, sobald die Lilie sich im physi-

schen *) Ei erwärmt, sie mit seltsamer Erzeigung

Feuere richtig zu erhalten lernst. Dann wirst du sehen, dass, sobald die Lilie sich im physi~en 1) Ei erwärmt, sie mit seltsamer Erzeigung ~h wärzer wird, als ein Ra be , mit der Zeit weisser als ein Schwan, und schl.esslich töter als der indische Safran. Es ist ohne Zweifel das Recht und die Pflicht des Menschen, vermöge seines Intellektes alle Reiche der Natur zu erforschen und die Naturgesetze der Welt, in welcher er lebt, kennen zu lernen; aber dieses Studium ist nicht ~es und nicht das Höchste, denn über dieser Kenntnis steht die Erkenntnis Gottes, aus dessea schöpferischer Kraft die ganze Natur mit ihren Gesetzen hervorgegangen ist, und diese Gotteserkenntnis ist die Erkenntnis des eigenen göttlichen Selbsts, welche nur durch das eigene göttliche Werden erlangt werden kann. Die Selbsterkenntnis Gottes im Menschen schliesst

schwärzer wird, als ein Rabe, mit der Zeit

weisser als ein Schwan, und schliesslich röter

als der indische Safran.

Es ist ohne Zweifel das Recht und die

Pflicht des Menschen, vermöge seines Intellektes

alle Reiche der Natur zu erforschen und die

Naturgesetze der Welt, in welcher er lebt,

kennen zu lernen; aber dieses Studium ist nicht

alles und nicht das Höchste, denn über dieser

Kenntnis steht die Erkenntnis Gottes, aus dessen

schöpferischer Kraft die ganze Natur mit ihren

Gesetzen hervorgegangen ist, und diese Gottes-

erkenntnis ist die Erkenntnis des eigenen gött-

lichen Selbsts, welche nur durch das eigene

göttliche Werden erlangt werden kann. Die

Selbsterkenntnis Gottes im Menschen schliesst

') Das „physische Ei" bedeutet den sichtbaren Körper.

Ausserdem giebt es noch ein „transcendentales Ei", d. h.

die geistige Sphäre oder Aura, die ihn umgiebt. Im mensch-

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lichen Körper selbst sind alle Elemente im Keime enthalten,

deren er zu seiner höheren Entwicklung bedarf, und ohne

diesen Körper findet keine Weiterentwicklung statt. Des-

halb ist auch die Wiederverkörperung ein notwendiges Übel,

solange der Mensch nicht genug gottähnlich geworden ist,

um in Gott einzugehen und ganz in seiner Liebe zu leben.

1) Da. "physische Ei" bedeutet den sichtbaren Körper. Aasserdem giebt es noch ein "transcendentales Ei", d. b. die geistige Sphäre oder Aura, die ihn umgiebt. Im meDlChliche~ Körper selbst sind alle Elemente im Keime enthalten, d~ren el' IU seiner höheren Entwicklung bedarf, und ohne diesen Körper findet keine Weiterentwickbmg statt. De$halb ist auch die Wiedenerkörperung ein notwendiges Übel, S9~ge der Mensch nicht genug gottähnlich geworden is~ IUQ in Gott einzugehen und ganz in ~iner Liebe zu leben.

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— 248 —

aber die Kenntnis aller höheren Naturgeheim-

nisse in sich ein.

„So du in den alchemistischen Handgriffen

aber die Kenntnis aller höheren Naturgeheimnisse in sich ein. ,,50 du in den alchemistischen Handgriffen erfahren bist, so ist nichts in den Dingen der Natur, das dir nicht durch diese Kunst offenbar werde. Darum gehe der rechten Kunst nach, so wirst du in derselben vollkommene Erkenntnis erlangen." 1) Diese Kunst der Alchemie besteht darin, den sterblichen Menschen zu einemunsterblichen göttlichen Menschen zu machen, oder, mit anderen Worten, die Gottesnatur des inneren Menschen im äusseren Menschen offenbar werden zu lassen; denn der innere Mensch

erfahren bist, so ist nichts in den Dingen der

Natur, das dir nicht durch diese Kunst offenbar

werde. Darum gehe der rechten Kunst nach,

so wirst du in derselben vollkommene Erkenntnis

erlangen."*) Diese Kunst der Alchemie besteht

darin, den sterblichen Menschen zu einem un-

sterblichen göttlichen Menschen zu machen,

oder, mit anderen Worten, die Gottesnatur des

inneren Menschen im äusseren Menschen offen-

bar werden zu lassen; denn der innere Mensch

*) Hier drängt sich nun unwillkürlich die Frage auf:

„Wenn ein im Geiste Gottes wiedergeborener Mensch, d. h.

ein Adept, die ganze Natur mit allen ihren Gesetzen kennt,

weshalb muss sich dann die menschliche Wissenschaft ihr

Wissen langsam und mühsam erringen, da sie doch von den

Adepten in allem unterrichtet werden könnte?" Dies ist

eine Frage, welche der Nichterkenntnis des göttlichen We-

sens entspringt. Der Unterricht findet beständig statt, denn

es giebt nichts, das jemals erfunden oder entdeckt werden

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könnte, dessen Idee nicht bereits in dem Geiste aus dem

Weltall hervorgegangen ist, und jede Wahrheit wird

offenbar, sobald man sie begreift. Auch hat nur dasjenige

wirklichen Wert, was man selber erringt. Nur durch die

Überwindung des Irrtums gelangt man zur Wahrheit. Wie aber

der Irrtum zu überwinden ist, dies lehren die Schriften der

Weisen, welche aber gerade bei den Gelehrten dieser Welt

1) Hier drängt sich nun unwillkürlich die Frage auf: "Wenn ein im Geiste Gottes wiedergeborener Mensch, d. h. ein Adept, die ganze Natur mit allen ihren Gesetzen kennt, weshalb muss sich dann die menschliche Wissenschaft ihr Wissen langsam und mühsam erringen, da sie doch Ton den Adepten in allem unterrichtet werden könnte?" Dies ist eine Frage, welche der Nichterkenntnis des göttlichen Wesens entspringt. Der Unterricht findet beständig statt, denn es giebt nichts, das jemals erfunden oder entdeckt werden könnte, dessen Idee nicht bereits in dem Geiste aus dem Weltall hervorgegangen ist, und jede Wahrheit wird offenbar, sobald man sie begreift. Auch hat nur dasjenige wirklichen Wert, was man selber erringt. Nur durch die Überwindung des Irrtums gelangt man zur Wahrheit. Wie aber der Irrtum zu überwinden ist, dies lehren die Schriften der Weisen, welche aber gerade bei den Gelehrten dieser Welt die wenigste Beachtung finden; weil diese nur wissen, aber nicht die zur Ausübung nötige Kraft mühsam erringen wollen.

die wenigste Beachtung finden; weil diese nur wissen, aber

nicht die zur Ausübung nötige Kraft mühsam erringen wollen.

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unterscheidet sich vom äussern, wie Gold vom

Blei. Die Natur liefert das Material, und die

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göttliche Gnade besorgt den Einfluss der Kraft;

unterscheidet sich vom äussern, wie Gold vom Blei. Die Natur liefert das Material, und die göttliche Gnade besorgt den Einfluss der Kraft; die Aufgabe des Alchemisten aber ist es, die Bedingungen herzustellen und zu erhalten, unter denen sich der Baum des göttlichen Lebens entwickeln kann. Er muss den Garten frei von Unkraut halten, das Feuer der Liebe nicht erkalten lassen, sein Gemüt läutern und erheben und mit seinem festen Willen einen Kreis um sich ziehen, in den nichts Böses eindringen kann. Dann findet die Entwicklung von selbst statt. Wenn wir dies erkannt haben, "wie sollten wir dann von dieser Kunst lassen, die uns allein den Glauben giebt; denn wir sind nicht gewohnt etwas zu glauben oder zu befolgen, das nicht durch die eigene Erfahrung und Ausübung bewährt werden kann." . Aus alle dem Obigen geht hervor, dass, so wünschenswert und schätzenswert auch das menschliche Wissen ist, es doch noch unendlich viel wichtiger ist, zur göttlichen Weisheit (Theosophie) zu gelangen, als ein grosses aber vergängliches Wissen in seinem Hirnkasten aufzuspeichern; denn wer das Reich Gottes in seinem Innern erlangt, dem fällt auch leicht alles übrige zu, während auch die grösste

die Aufgabe des Alchemisten aber ist es, die

Bedingungen herzustellen und zu erhalten, unter

denen sich der Baum des göttlichen Lebens

entwickeln kann. Er muss den Garten frei von

Unkraut halten, das Feuer der Liebe nicht er-

kalten lassen, sein Gemüt läutern und erheben

und mit seinem festen Willen einen Kreis um

sich ziehen, in den nichts Böses eindringen

kann. Dann findet die Entwicklung von selbst

statt. Wenn wir dies erkannt haben, „wie

sollten wir dann von dieser Kunst lassen, die

uns allein den Glauben giebt; denn wir sind

nicht gewohnt etwas zu glauben oder zu be-

folgen, das nicht durch die eigene Erfahrung

und Ausübung bewährt werden kann."

Aus alle dem Obigen geht hervor, dass, so

wünschenswert und schätzenswert auch das

menschliche Wissen ist, es doch noch unendlich

viel wichtiger ist, zur göttlichen Weisheit (Theo-

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sophie) zu gelangen, als ein grosses aber ver-

gängliches Wissen in seinem Hirnkasten auf-

zuspeichern; denn wer das Reich Gottes in

seinem Innern erlangt, dem fällt auch leicht

alles übrige zu, während auch die grösste

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irdische Gelehrtheit uns dem Reiche Gottes

um keinen Schritt näher bringt. Auch werden

dem im Geiste Gottes wiedergeborenen Men-

irdische Gelehrtheit uns dem Reiclle Gottes um keinen Schritt näher bringt. Auch werden dem im Geiste Gottes wiedergeborenen Menschen höhere Kräfte zu teil, die der Wissenschaft noch gänzlich unbekannt sind, durch die er aber wunderbare Werke und Heilungen vollbringen kann. Eine solche magische Kraft war den Alchemisten unter dem Namen ElectroMagicon bekannt, und sie entspricht dem "Kundalini" der Indier.

schen höhere Kräfte zu teil, die der Wissen-

schaft noch gänzlich unbekannt sind, durch die

er aber wunderbare Werke und Heilungen voll-

bringen kann. Eine solche magische Kraft war

den Alchemisten unter dem Namen Electro-

Magicon bekannt, und sie entspricht dem

„Kundalini" der Indien

Vom Elektro-Magicon.

Wenn wir das Werk des Abtes Tritheim

oder andere alchemistische Werke, in welchen

magische Experimente beschrieben sind, zur

Hand nehmen, so finden wir stets, dass zu deren

Ausführung das Elektro-Magicon nötig ist.

Paracelsus sagt darüber: „In dem Elektro ist

eine solche Kraft, die Menschen damit zu ver-

sorgen, dass keine höhere und gewissere Me-

dizin in der ganzen Welt kann und wird erfunden

werden."1) Auch sagt er, dass es selbst kein

Metall sei, dass aber in ihm alle sieben

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„Metalle" verborgen sind.2) Auch wird wohl

*) ,De Lapide Philosoph orum".

Vom Elektro-Magicon. Wenn wir das Werk des Abtes Tritheim oder andere alchemistische Werke, in welchen magische Experimente beschrieben sind, zur Hand nehmen, so finden wir stets, dass zu deren Ausführung das Elektro-Magicon nötig ist. Paracelsus sagt darüber: "In dem Elektro ist eine solche Kraft, die Menschen damit zu versorgen, dass keine höhere und gewissere Medizin in der ganzen Welt kann und wird erfunden werden. " 1) Auch sagt er, dass es selbst kein Metall sei, dass aber in ihm alle sieben "Metalle" verborgen sind.') Auch wird wohl

*) „De Separatione Remm" p. 314. Die „sieben

Metalle" könnten bezeichnet werden als Bewegung, Schall,

Wärme, Licht, Kohäsion, Elektrizität und Magnetismus.

1) .De Lapide Philosophorum". I) "De Separatione Rerqm" P.314. Die "sieben Metalle" könnten bezeichnet werden als Bewegung, SchaU, WinDe, Licht, Kohllion, Elektrizität und Mapetismu.

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— 251 —

schwerlich jemand aus dem Rezepte, welches

-

Paracelsus zur Bereitung des Elektro-Magicum

25 1

giebt, klug werden, wenn er dieselbe nicht

ohnehin schon kennt; denn es heisst darin:

scÄwerlich jemand aus dem Rezepte, welches Paracelsus zur Bereitung des Elektro-Magicum giebt, . klug werden, wenn er dieselbe nicht ohnehin schon kennt; denn es heisst darin: "Setze es in ein philosophisches Ei und versiegle es wohl, dass es nicht verriechen kann, lass es im Athanar so lange stehen, bis es sich ohne irgend einen Zusatz von selbst oben auf zu solvieren beginnt, und eine Insel mitten in diesem Meer gesehen wird, wel~che täglich abnimmt und schliesslich zu Schusterschwärze wird. Diese Schwärze ist der Vogel~ welcher bei Nacht ohne Flügel fliegt, den auch der erste Himmelsthau durch stetiges Kochen und Auf- und Niedersteigen in eine Schwärze des Rabenkopfes verkehrt hat, und welcher hernach zum Pfauenschwanz wird und darauf Schwanenfedern bekommt, auch zuletzt die höchste Röte der ganzen Welt an sich nimmt, welche ein Zeichen seiner feurigen Natur ist. Solche Bereitung geschieht, nach aller Philosophen Meinung, in einem Geschirr, in einem Ofen, in einem Feuer, ohne Aufhören des vaporischen Feuers. Und dann ist solche Medizin himmlisch und vollkommen. Darum lasse dir's ernst sein; denn dieses Arcanum divinum kann niemand ohne göttlichen Willen fassep oder

„Setze es in ein philosophisches Ei und ver-

siegle es wohl, dass es nicht verriechen kann,

lass es im Athanar so lange stehen, bis es sich

ohne irgend einen Zusatz von selbst oben auf

zu solvieren beginnt, und eine Insel mitten in

diesem Meer gesehen wird, welche täglich ab-

nimmt und schliesslich zu Schusterschwärze

wird. Diese Schwärze ist der Vogel, welcher

bei Nacht ohne Flügel fliegt, den auch der

erste Himmelsthau durch stetiges Kochen und

Auf- und Niedersteigen in eine Schwärze des

Rabenkopfes verkehrt hat, und welcher hernach

zum Pfauenschwanz wird und darauf Schwanen-

federn bekommt, auch zuletzt die höchste Röte

der ganzen Welt an sich nimmt, welche ein

Zeichen seiner feurigen Natur ist. Solche Be-

reitung geschieht, nach aller Philosophen Mei-

nung, in einem Geschirr, in einem Ofen, in

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einem Feuer, ohne Aufhören des vaporischen

Feuers. Und dann ist solche Medizin himm-

lisch und vollkommen. Darum lasse dir's ernst

sein; denn dieses Arcanum divinum kann

niemand ohne göttlichen Willen fassen oder

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— 252 —

verstehen. So ist auch seine Tugend unendlich

und unaussprechlich, dass Gott hierin erkannt

werde." *)

Wohl möchte hier der Chemiker mit Goethes

verstehen. So ist auch seine Tugend unendlich und unaussprechlich, dass Gott hierin erkannt werde." 1) Wohl möchte hier der Chemiker mit Goethes Faust ausrufen:

Faust ausrufen:

„Was spricht er uns für Unsinn vor?

Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.

Mir scheint, ich hör' ein ganzes Chor

Von hunderttausend Narren sprechen."

Und die Sache wird dadurch nicht besser,

dass Paracelsus hinzufügt: „Mehr von dem

göttlichen Geheimnis zu schreiben, ist verboten;

denn diese Kunst ist eigentlich Gottes Gabe,

weshalb sie auch nicht jedermann verstehen

"Was spricht er uns für Unsinn vor? Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen. Mir scheint, ich hör' ein ganzes Chor Von hunderttausend Narren sprechen."

kann. Darum giebt's Gott, wem er will, lässt

es sich aber mit Gewalt nicht abnötigen, son-

dern Gott will allein hierin die Ehre haben.

Sein Name sei gelobt in Ewigkeit. Amen!"2)

Wenn der gelehrte Kritiker solchen alchemi-

stischen Vorschriften ihre hohe Bedeutung ab-

Und die Sache wird dadurch nicht besser, dass Paracelsus hinzufügt: "Mehr von dem göttlichen Geheimnis zu schreiben, ist verboten; denn diese Kunst ist eigentlich Gottes Gabe, weshalb sie auch nicht jedermann verstehen kann. Darum giebt's Gott, wem er will, lässt es sich aber mit Gewalt nicht abnötigen, sondern Gott will allein hierin die Ehre haben. Sein Name sei gelobt in Ewigkeit. Amen! " ') Wenn der gelehrte Kritiker solchen alchemistischen Vorschriften ihre hohe Bedeutung abspricht, so tritt vor allem die Frage auf, ob er die alchemistischen Geheimnisse kennt; denn ohne diese Kenntnis hat sein Urteil gar keinen

spricht, so tritt vor allem die Frage auf, ob

er die alchemistischen Geheimnisse kennt; denn

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ohne diese Kenntnis hat sein Urteil gar keinen

*) „Manuale de Lapide Philosophorum" p. 433.

*) Dennoch hat H. P. Blavatsky in der „Geheimlehre"

mehr darüber geschrieben, und es als ein magisch - elektri-

sches Nervenfluidum bezeichnet, das sich mit einer Schnellig-

keit von 115 000 Meilen in der Sekunde bewegt.

1) "Manuale de Lapide Philosophorum" P.433. I) Dennoch hat H. P. Blavatsky in der "Gebeimlebl'e" mehr darüber geschrieben, und es als ein magisch - elektrisches NervenBuidum bezeichnet, das sich mit einer Schnelligkeit Ton I 15000 Meilen in der Sekunde bewegt.

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Wert. Dass aber der rohe und gemeine Mensch,

und wäre er auch noch so klug, die göttlichen

Wert. Dass aber der rohe und gemeine Mensch, und wäre er auch noch so klug, die göttlichen Geheimnisse nicht begreifen kann, dafür hat das Gesetz seiner eigenen Natur gesorgt, demgeniäss das Niedrige das Erhabene und Edle nicht fassen kann. Wir haben es in der Alchemie in erster Linie nicht mit physischen, sondern mit geistigen Kräften zu thun. Dass der Geist durch die von ihnen ausgehende Kraft die Materie beherrschen kann, darüber ist kein Zweifel; denn ohne die Kraft des Willens könnte niemand einen Schritt gehen, einen Arm emporheben, oder sonst irgend eine willkürliche Bewegung machen. Allerdings bedarf es der leitenden Nervensubstanz, um den Willensimpuls auf die grobe Materie zu übertragen; aber es ist nicht undenkbar, dass einem Menschen, der auf eine höhere Stufe der Entwicklung gelangt ist und dem die Gottheit näher steht, der in ihm zum Leben erwachte göttliche Funke, solche magische Kräfte verleiht, dass er auch ohne körperliche Berührung eine gewisse Herrschaft über die Materie erlangt. Diese magische Kraft ist das Elektro-Magicon des Paracelsus. Mehr darüber zu sagen, ist nicht ratsam. Auch ist die heilige Wahrheit noch niemals in dieser

Geheimnisse nicht begreifen kann, dafür hat

das Gesetz seiner eigenen Natur gesorgt, dem-

gemäss das Niedrige das Erhabene und Edle

nicht fassen kann.

Wir haben es in der Alchemie in erster

Linie nicht mit physischen, sondern mit geisti-

gen Kräften zu thun. Dass der Geist durch

die von ihnen ausgehende Kraft die Materie

beherrschen kann, darüber ist kein Zweifel;

denn ohne die Kraft des Willens könnte nie-

mand einen Schritt gehen, einen Arm empor-

heben, oder sonst irgend eine willkürliche

Bewegung machen. Allerdings bedarf es der

leitenden Nervensubstanz, um den Willensimpuls

auf die grobe Materie zu übertragen; aber es

ist nicht undenkbar, dass einem Menschen, der

auf eine höhere Stufe der Entwicklung gelangt

ist und dem die Gottheit näher steht, der in

ihm zum Leben erwachte göttliche Funke,

solche magische Kräfte verleiht, dass er auch

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ohne körperliche Berührung eine gewisse Herr-

schaft über die Materie erlangt. Diese magische

Kraft ist das Elektro-Magicon des Paracelsus.

Mehr darüber zu sagen, ist nicht ratsam. Auch

ist die heilige Wahrheit noch niemals in dieser

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Welt, wo die Hölle haust, erschienen, ohne auf

öffentlichem Markte feilgeboten, missbraucht,

Welt, wo die Hölle haust, erschienen, ohne anf öffentlichem Markte feilgeboten, missbraucht, verspottet, mit Kot beworfen, gepeinigt 1lDd gekreuzigt zu werden. Möge daher auch in Zukunft jeder wahre Jünger der heiligen Wissenschaft die hohen Geheimnisse, welche ihm dRch das Licht des heiligen Geistes in seinem Innem offenbar geworden sind, tief in seiner Brust verschlossen halten, und nur mit denjenigen darüber sprechen, welche reif geworden sind, sie zu empfangen.

verspottet, mit Kot beworfen, gepeinigt und

gekreuzigt zu werden. Möge daher auch in

Zukunft jeder wahre Jünger der heiligen Wissen-

schaft die hohen Geheimnisse, welche ihm durch

das Licht des heiligen Geistes in seinem Innern

offenbar geworden sind, tief in seiner Brust

verschlossen halten, und nur mit denjenigen

darüber sprechen, welche reif geworden sind,

sie zu empfangen.

VI.

Von der Weisheit und ihren Künsten.

Es würde uns zu weit führen und am Ende

wenig nützen, uns mit einem Studium der

äusserlichen Heilmittel und Rezepte, welche

Paracelsus benützte, zu befassen. Chemie,

Physik, Physiologie, Anatomie u. s. w. haben

seit jener Zeit grosse Fortschritte gemacht,

und es handelt sich weniger darum, das Sy-

stem kennen zu lernen, nach welchem Para-

celsus kurierte, als vielmehr die Kraft zu er-

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langen, welche ihn befähigte, auch sogenannte

„unheilbare Krankheiten" zu beseitigen; denn

ohne die Kenntnis der Kraft nützt uns auch

VI. VOll

der Weisheit und ihren Künsten.

Es würde UDS zu weit führen und am' Ende wenig nützen, UDS mit einem Studium der äusserlichen Heilmittel und Rezepte, welche Paracelsus benützte, zu befassen. Chemie, Physik, Physiologie, Anatomie u. s. w. haben seit jener Zeit grosse Fortschritte gemacht, und es handelt sich weniger darum, das System kennen zu lernen, nach welchem Paracelsus kurierte, als vielmehr die Kraft zu erlangen, welche ihn befähigte, auch sogenaDJlte "unheilbare Krankheiten" zu beseitigen; denn ohne die Kenntnis der Kraft nützt uns auch

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— 255 —

das System nichts, und die Kenntnis der Kraft

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wird nur durch den Besitz derselben erlangt.

das System nichts, und die Kenntnis der Kraft wird nur durch den Besitz derselben erlangt. Diese Kraft ist die Weisheit, und wenn wir einmal zu der Einsicht gelangt sind, dass die Weisheit nicht eine kraftlose Eigenschaft der Materie, noch etwas Angelerntes, sondern eine geistig göttliche Kraft, ja das göttliche Leben in uns selbst ist, welches sich alles Materielle unterwerfen und es beherrschen kann, so haben wir auch den Schlüssel zum Verständnisse der Schriften von Paracelsus gefunden. Wie wenige aber sind hierzu reif! Wie wenige unter unsern Gelehrten und Ungelehrten gieht es, in denen nicht das Materielle und Sinnliche den Geist, sondern der Geist das Materielle beherrscht? Wie wenige Menschen giebt es, die zum Bewusstsein der in ihnen schlummernden Gottesnatur gelangt sind, und dadurch die Herrschaft über ihre menschlichtierische Natur erlangt haben! Giebt es doch zur Erlangung dieser magischen Kraft, welche nicht nur in uns, sondern durch uns auch auf andere wirken kann, keinen andern Weg, als die geistige Wiedergeburt, welche die alltägliche Wissenschaft nicht einmal dem Namen nach kennt, die aber dennoch in jedem Menschen, sei es vor oder nach dem Tode

Diese Kraft ist die Weisheit, und wenn wir

einmal zu der Einsicht gelangt sind, dass die

Weisheit nicht eine kraftlose Eigenschaft der

Materie, noch etwas Angelerntes, sondern eine

geistig göttliche Kraft, ja das göttliche Leben

in uns selbst ist, welches sich alles Materielle

unterwerfen und es beherrschen kann, so haben

wir auch den Schlüssel zum Verständnisse der

Schriften von Paracelsus gefunden.

Wie wenige aber sind hierzu reif! Wie

wenige unter unsern Gelehrten und Ungelehrten

giebt es, in denen nicht das Materielle und

Sinnliche den Geist, sondern der Geist das

Materielle beherrscht? Wie wenige Menschen

giebt es, die zum Bewusstsein der in ihnen

schlummernden Gottesnatur gelangt sind, und

dadurch die Herrschaft über ihre menschlich-

tierische Natur erlangt haben! Giebt es doch

zur Erlangung dieser magischen Kraft, welche

nicht nur in uns, sondern durch uns auch auf

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andere wirken kann, keinen andern Weg, als

die geistige Wiedergeburt, welche die alltäg-

liche Wissenschaft nicht einmal dem Namen

nach kennt, die aber dennoch in jedem

Menschen, sei es vor oder nach dem Tode

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des Körpers, stattfinden muss, wenn er nicht

der Vernichtung anheimfallen, sondern zum

des Körpers, stattfinden muss, wenn er nicht der Vernichtung anheimfallen, sondern zum wahren Leben erwachen soll. 1) "Niemand kann diese Wunder thun, wenn nicht Gott mit ihm ist. " Nicht wer nur viel "studiert", auswendig gelernt und Theorien angesammelt hat, sondern wer schon in diesem Leben zur geistigen Wiedergeburt gelangt ist, der ist im Besitze der Kraft der Weisheit und erlangt die magischen Kräfte (Arcana), vermittelst welcher Paracelsus heilte. Für ihn ergiebt sich die Anwendung dieser Kräfte von selbst, während die eingehendste Erforschung irgend eines Systems niemanden befähigen kann, Kräfte anzuwenden, die cr nicht besitzt. Somit giebt

wahren Leben erwachen soll.1) „Niemand kann

diese Wunder thun, wenn nicht Gott mit ihm

ist." Nicht wer nur viel „studiert", auswendig

gelernt und Theorien angesammelt hat, sondern

wer schon in diesem Leben zur geistigen

Wiedergeburt gelangt ist, der ist im Besitze

der Kraft der Weisheit und erlangt die magi-

schen Kräfte (Arcana), vermittelst welcher

Paracelsus heilte. Für ihn ergiebt sich die

Anwendung dieser Kräfte von selbst, während

die eingehendste Erforschung irgend eines

Systems niemanden befähigen kann, Kräfte

anzuwenden, die er nicht besitzt. Somit giebt

*) In der Bibel (Johannes III, 4) heisst es: „Wahrlich,

ich sage dir, wenn ein Mensch nicht vom Wasser (Ge-

danken) und Geiste wiedergeboren wird, so kann er nicht

in das Reich Gottes (das Reich der göttlichen, magischen

Kräfte) kommen." Die Geheimlehre sagt: „Der Geist

des (alltäglichen) Menschen ist nach dem Tode des

Körpers wie geblendet, und tritt sehr bald in jenen

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Zustand ein, den wir als „vordevachanisches Bewusstsein"

bezeichnen. Dieser Zustand wird auch die „vordevachanische

Schwangerschaftsperiode" genannt. Aus diesem wird die

eigentliche geistige Wesenheit geboren, welche man den

himmlischen Menschen" nennt, während der tierische Mensch

mit allen seinen Hirngespinsten und Phantasien als vernunft-

lose Larve oder Phantom im Schattenreiche zurückbleibt."

1) In der Bibel (Johannes III, 4) heisst es: "Wahrlich, ich sage dir, wenn ein Mensch nicht vom Wasser (Gedanken) und Geiste wiedergeboren wird, so kann er nicht in das Reich Gottes (das Reich der göttlichen, magischen Kräfte) kommen. " Die Geheimlehre sagt: "Der Geist des (alltäglichen) Menschen ist nach dem Tode des Körpers wie geblendet, und tritt sehr bald in jenen Zustand ein, den wir als "vordevachanisches Bewusstsein" bezeichnen. Dieser Zastand wird auch die" vordevachanische Schwangerschaftsperiode" genannt. Aus diesem wird die eigentliche geistige Wesenheit geboren, welche man den himmlischen Menschen" nennt, während der tierische Mensch mit allen seinen Hirngespinsten und Phantasien als vernl1D.ft· lose Larve oder Phantom im Schattenreiche zurückbleibt. '"

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es auch in dieser Beziehung kein besseres

Mittel, als die Befolgung der Lehre der Bibel,

welche sagt: „Suchet vor allem das Reich

es auch in dieser Beziehung kein besseres Mittel, als die Befolgung der Lehre der Bibel, welche sagt: "Suchet vor allem das Reich Gottes (im Innern); dann wird euch alles Übrige gegeben werden." Um dies noch deutlicher zu erklären, wollen wir einen Blick auf die Lehre der Indier werfen. In dieser wird der im Menschen schlummernde Gottesfunke (das "geheime Feuer" der Alchemisten), die geistig göttliche Lebenskraft ,,} iva" genannt. Ihre Abspiegelung ist Prana, d. h. die materielle Lebenskraft, welche sich als Lebensthätigkeit 10 allen Organen äussert. Allen Äusserungen von Prana, allem Denken, Empfinden , Wollen, ja auch allen physiologischen Vorgängen liegt eine, wenn auch uns unbewusste, Ausstrahlung von }iva zu Grunde. Wenn aber diese göttliche Kraft in uns zu unserm Bewusstsein gelangt, so dass wir dieselbe mit Bewusstsein und Erkenntnis verwenden können, so können wir durch sie Prana in uns selbst und in andem in Bewegung setzen, und dadurch magische "Wunder" , d. h. Werke, über die sich die Menschen verwundern, weil sie deren Gesetze nicht kennen, verrichten. 1)

Gottes (im Innern); dann wird euch alles Übrige

gegeben werden."

Um dies noch deutlicher zu erklären, wollen

wir einen Blick auf die Lehre der Indier werfen.

In dieser wird der im Menschen schlummernde

Gottesfunke (das „geheime Feuer" der Alche-

misten), die geistig göttliche Lebenskraft „Jiva"

genannt. Ihre Abspiegelung ist Prana, d. h.

die materielle Lebenskraft, welche sich als

Lebensthätigkeit in allen Organen äussert.

Allen Äusserungen von Prana, allem Denken,

Empfinden, Wollen, ja auch allen physiologi-

schen Vorgängen liegt eine, wenn auch uns

unbewusste, Ausstrahlung von Jiva zu Grunde.

Wenn aber diese göttliche Kraft in uns zu

unserm Bewusstsein gelangt, so dass wir die-

selbe mit Bewusstsein und Erkenntnis verwenden

können, so können wir durch sie Prana in uns

selbst und in andern in Bewegung setzen, und

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dadurch magische „Wunder", d. h. Werke,

über die sich die Menschen verwundern, weil

sie deren Gesetze nicht kennen, verrichten.1)

') Der hauptsächlichste Sammelpunkt für diese magische

Kraft ist das Sexualsystem, und es ist daher leicht begreiflich,

Lotusblüthen LXXIX. 18

1) Der hauptsächlichste Sammelpunkt fur diese magische Kraft ist das Sexualsystem, und es ist daher leicht begreiflich, Lotusblüthen LXXIX.

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Die Weisheit ist aber nicht ein Erzeugnis

des Denkens, denn sonst müsste die Weisheit

des einen Menschen von der eines andern, je

Die Weisheit ist aber nicht em Erzeugnis des Denkens, denn sonst müsste die Weisheit des einen Menschen von der eines andern, je nach der Verschiedenheit ihres Gedankenganges verschieden sein. Der Haufe von Gelehrtenkram , den ein Mensch angesammelt hat, ist von dem eines andern verschieden, aber die Weisheit ist die Selbsterkenntnis der Wahrheit, und nur eine einzige, weil es nur eine einzige absolute Wahrheit giebt. Ihre Erkenntnis ist das Resultat ihrer Offenbarung im Innern des Menschen. Nach d~eser Offenbarung sollte der Arzt streben; alles andere ist nur Nebensache, wenn auch nicht zu verachten. Paracelsus sagt: 1)

nach der Verschiedenheit ihres Gedanken-

ganges verschieden sein. Der Haufe von

Gelehrtenkram, den ein Mensch angesammelt

hat, ist von dem eines andern verschieden,

aber die Weisheit ist die Selbsterkenntnis der

Wahrheit, und nur eine einzige, weil es nur

eine einzige absolute Wahrheit giebt. Ihre

Erkenntnis ist das Resultat ihrer Offenbarung

im Innern des Menschen. Nach dieser Offen-

barung sollte der Arzt streben; alles andere ist

nur Nebensache, wenn auch nicht zu verachten.

Paracelsus sagt:1)

dass eine Vergeudung derselben der geistigen Entwicklang

höchst nachteilig ist. Je nach der Ebene, auf welcher

diese Kraft verwendet wird, entsteht aus ihr Willenskraft,

Denkkraft, physische Kraft, die Kraft der Selbstbeherrschung

und geistige Erkenntniskraft. Die Sammlung derselben ist

von grösster Wichtigkeit für den Okkultisten, und ein Fort-

schritt in dieser Beziehung ohne ein Leben der Keuschheit

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in Gedanken, Worten und Handlungen unmöglich. Deshalb

wird sie auch als eine grosse menschliche Tugend betrachtet.

Klöster u. dergl. sollten nicht Zufluchtstätten für Faulenzer

und Retiraden für Träumer, sondern Pflanzschulen für die

geistliche Entfaltung sein, weshalb auch in diesen das Cö-

libat eingeführt ist. Wer das Gebot der Keuschheit nicht

beachtet, der sündigt gegen sich selbst.

*) „De Fundamento Sapientiae" p.415.

dass eine Vergeudung derselben der geistigen Entwicklung höchst nachteilig ist. Je nach der Ebene, auf welcher diese Kraft verwendet wird, entsteht aus ihr Willenskraft, Denkkraft, physische Kraft, die Kraft der Selbstbeherrschung und geistige Erkenntniskraft. Die Sammlung derselben ist ~on grösster Wichtigkeit für den Okkultisten, und ein Fortschritt in dieser Beziehung ohne ein Leben der Keuschheit in Gedanken, Worten und Handlungen unmöglich. Deshalb wird sie auch als eine grosse menschliche Tugend bdrachtet. Klöster u. dergl. sollten nicht Zu8uchtstätten für Faulenzer und Retiraden für Träumer, sondern P8anzschulen fdr die geistliche Entfaltung sein, weshalb auch in diesen das Cölibat eingeführt ist. Wer das Gebot der Keuschheit nicht beachtet, der sündigt gegen sich selbst. 1) "De Fundamento Sapientiae" P.415.

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„Wie es nur einen einzigen Kreis giebt,

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aus dem alle geometrischen Figuren entsprin-

gen, alle Künste in dem einen Können ent-

,,~ie

es nur einen einzigen Kreis giebt, aus dem alle geometrischen Figuren entspringen, alle Künste in dem einen Können enthalten sind, alle Zahlen aus der Einzahl abgeleitet werden, und alle Menschen in der einen Menschheit inbegriffen sind, so ist auch die Weisheit nur eine einzige und kein Stückwerk. Man kann unter einer Zahl viel oder wenig verstehen, aber der Zahlenbegriff ist nur ein einziger. Also ist auch eine Zahl allein die Zahl der Weisheit, und keine andere ausser ihr. Das Wissen allein ist noch kein Können; aber die Weisheit ist eine Kunst, aus der alle Künste entspringen. Dieser Künste giebt es vielerlei; sie sind verschieden ausgeteilt und nicht alle einem und demselben Menschen zu eigen. Niemand weiss alles und kann alles, sondern der eine dies und der andere jenes. Wie der materielle Mensch aus dem einen Elemente wächst, das man "Materie" nennt, 80 wächh1: die Weisheit des Menschen aus dem Geiste der göttlichen Selbsterkenntnis hervor. Der Birnbaum teilt seine Birnen aus, aber jede seiner Birnen stammt aus demselben Baum j keine Birne kann ein vom Baume getrenntes, für sich allein bestehendes Wachstum haben. Gleicherweise ist auch alle wahre Weisheit 1111

halten sind, alle Zahlen aus der Einzahl ab-

geleitet werden, und alle Menschen in der

einen Menschheit inbegriffen sind, so ist auch

die Weisheit nur eine einzige und kein Stück-

werk. Man kann unter einer Zahl viel oder

wenig verstehen, aber der Zahlenbegriff ist nur

ein einziger. Also ist auch eine Zahl allein die

Zahl der Weisheit, und keine andere ausser

ihr. Das Wissen allein ist noch kein Können;

aber die Weisheit ist eine Kunst, aus der alle

Künste entspringen. Dieser Künste giebt es

vielerlei; sie sind verschieden ausgeteilt und

nicht alle einem und demselben Menschen zu

eigen. Niemand weiss alles und kann alles,

sondern der eine dies und der andere jenes.

Wie der materielle Mensch aus dem einen

Elemente wächst, das man „Materie" nennt,

so wächst die Weisheit des Menschen aus dem

Geiste der göttlichen Selbsterkenntnis hervor.

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Der Birnbaum teilt seine Birnen aus, aber jede

seiner Birnen stammt aus demselben Baum;

keine Birne kann ein vom Baume getrenntes,

für sich allein bestehendes Wachstum haben.

Gleicherweise ist auch alle wahre Weisheit im

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Menschen aus Gott und ohne diese göttliche

Kraft ist der Mensch mit allen seinen Künsten

Menschen aus Gott und ohne diese gö~iche Kraft ist der Mensch mit allen seinen Künsten nur ein mehr oder weniger intellektuelles Tier. "Wer deshalb weise sein will, der muss vor allem erkennen, aus was für einem Grunde sein Wissen und Können entspringt; ob es nur ein Produkt angesammelter Meinungen und Theorien ist, oder ob es aus der Quelle der Weisheit kommt; denn es entsteht vieles, das nicht aus derjenigen Quelle entspringt, aus der es kommen sollte. Daraus werden viele Abgötter, die gross und hoch geachtet werden, und sind doch in~ Grunde genommen nichts. Dieser zeigt sich in dieser Gestalt, jener in jener, vortrefflich gross, und ist doch nichts j denn nichts ist aus uns selbst, als der Irrtum; wir sind nicht unser selbst, sondern Gottes. Alles was an uns Wahres ist, ist sein und nicht unser; er hat uns den Leib gemacht, und das Leben und die Erkenntnis dazu gegeben; daraus kommen nun alle Dinge." 1)

nur ein mehr oder weniger intellektuelles Tier.

„Wer deshalb weise sein will, der muss

vor allem erkennen, aus was für einem Grunde

sein Wissen und Können entspringt; ob es nur

ein Produkt angesammelter Meinungen und

Theorien ist, oder ob es aus der Quelle der

Weisheit kommt; denn es entsteht vieles, das

nicht aus derjenigen Quelle entspringt, aus der

es kommen sollte. Daraus werden viele Ab-

götter, die gross und hoch geachtet werden,

und sind doch im Grunde genommen nichts.

Dieser zeigt sich in dieser Gestalt, jener in

jener, vortrefflich gross, und ist doch nichts;

denn nichts ist aus uns selbst, als der Irrtum;

wir sind nicht unser selbst, sondern Gottes.

Alles was an uns Wahres ist, ist sein und nicht

unser; er hat uns den Leib gemacht, und das

Leben und die Erkenntnis dazu gegeben;

daraus kommen nun alle Dinge."1)

*) Unter „Gott" ist zunächst das höhere Selbst zu ver-

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stehen, die geistige Individualität des Menschen, welche über

die Zustände, die man „Leben" und „Tod" nennt, erhaben ist.

Ihre Weisheit ist das Produkt ihrer in früheren Daseins-

perioden erlebten Erfahrungen; sie unterrichtet den persön-

lichen Menschen, welchen sie überschattet. Jede Entdeckung

einer Wahrheit, die der persönliche Mensch macht, ist

1) Unter "Gott" ist zunächst das höhere Selbst zu verstehen, die geistige Individualität des Menschen, welche über die Zustände, die man "Leben" und" Tod" nennt, erhaben ist. Ihre Weisheit ist das Produkt ihrer in früheren Daseinsperioden erlebten Erfahrungen; sie unterrichtet den persönlichen Menschen, welchen sie überschattet. Jede Entdeckung einer Wahrheit, die der persönliche Mensch macht, iat

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Gott ist der Vater, der persönliche wieder-

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geborene Mensch der Sohn. „Wer den Vater

erkennt, der erkennt auch den Sohn; denn was

Gott ist der Vater, der persönliche wiedergeborene Mensch der Sohn. "Wer den Vater erkennt, der erkennt auch den Sohn; denn was der Sohn hat, das erbt er vom Vater. Darum ist auch die Weisheit genugsam bei allen Menschen; aber nicht in allen wird sie offenbar. Alle erben die Weisheit, und keiner kann sagen, dass er mehr besitze als ein anderer oder weniger. Die Weisheit ist wohl da, aber der Fehler ist, dass wir sie nicht achten, nicht nach demjenigen trachten, das uns zur Weisheit ermahnt und bringt. Wer schläft, weiss nichts und denkt an nichts. Wer toll lebt und faulenzt, der ermahnt sich nicht an das, was in in ihm ist, sondern durch seine Faulheit versäumt er die Arbeit der Weisheit. . Alle haben ein Erbe, und dies ist die Weisheit; einer aber wuchert mit seiner Erbschaft, ein anderer vergräbt sie, ein dritter lässt sie liegen; ein anderer wendet sie an und gewinnt damit. Je nachdem wir unser Erbteil anlegen, haben wir viel oder wenig." Was aus der Quelle der Weisheit selbst kommt, ist besser, als was aus Büchern gelernt

der Sohn hat, das erbt er vom Vater. Darum

ist auch die Weisheit genugsam bei allen Men-

schen; aber nicht in allen wird sie offenbar.

Alle erben die Weisheit, und keiner kann

sagen, dass er mehr besitze als ein anderer

oder weniger. Die Weisheit ist wohl da, aber

der Fehler ist, dass wir sie nicht achten, nicht

nach demjenigen trachten, das uns zur Weisheit

ermahnt und bringt. Wer schläft, weiss nichts

und denkt an nichts. Wer toll lebt und fau-

lenzt, der ermahnt sich nicht an das, was in

in ihm ist, sondern durch seine Faulheit ver-

säumt er die Arbeit der Weisheit. Alle haben

ein Erbe, und dies ist die Weisheit; einer aber

wuchert mit seiner Erbschaft, ein anderer ver-

gräbt sie, ein dritter lässt sie liegen; ein an-

derer wendet sie an und gewinnt damit. Je

nachdem wir unser Erbteil anlegen, haben wir

viel oder wenig."

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Was aus der Quelle der Weisheit selbst

kommt, ist besser, als was aus Büchern gelernt

gleichsam das Entfernen einer Decke, die ihm diese Wahr-

heit, welche bereits in seinem höheren Selbst vorhanden ist,

verhüllte, und wodurch dieselbe enthüllt und offenbar wird.

gleichaam das Entfernen einer Decke, die ihm diese Wahrheit, welche bereits in seinem höheren Selbst yorhanden ist, yerhüllte, und wodurch dieselbe enthüllt und offenbar wird.

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— 2Ö2 —

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oder von Menschen gelehrt wird, denn „der

Vater ist für die Offenbarung der Lehre nütz-

licher als der Sohn; der Sohn hat sie nur von

oder von Menschen gelehrt wird, denn "der Vater ist ftir die Offenbarung der Lehre nützlicher als der Sohn; der Sohn hat sie nur von dem Vater. Wer die reine Wahrheit haben will, der soll sich nicht mit Hörensagen begnügen, sondern die Weisheit aus dem Vater selbst schöpfen. Dann ist der Vater offenbar in der Weisheit und bringt sie an den Tag." "Was der Vater ist, das ist auch der Sohn (die Offenbarung im Menschen), und die Person oder Form hindert nichts daran; denn ich rede von der Weisheit und nicht von der Person. So gross und edel ist der (wiedergeborene) Mensch, dass er Gottes Bildnis trägt und ein Erbe des Reiches Gottes ist. Er steht auf Erden an Gottes Statt, und somit soll er auch Gottes Weisheit (Theosophia) haben." Aber was den Menschen hindert, zu dieser göttlichen Selbsterkenntnis zu gelangen, ist der Teufel des Egoismus, der Selbstwahn und die Eitelkeit. Dies ist die Schlange, welche die Eva betrogen hat, und wenn uns Christus (in uns) nicht erlösen würde, so könnte kein Mensch jemals zur Seligkeit (d. h. zur Erkenntnis seiner wahren Gottesnatur) gelangen. Wir sind nicht auf Erden, damit wir nur dasjenige betrachten, was der Teufel betrachtet, nämlich seine eigene

dem Vater. Wer die reine Wahrheit haben

will, der soll sich nicht mit Hörensagen be-

gnügen, sondern die Weisheit aus dem Vater

selbst schöpfen. Dann ist der Vater offenbar

in der Weisheit und bringt sie an den Tag."

„Was der Vater ist, das ist auch der Sohn

(die Offenbarung im Menschen), und die Person

oder Form hindert nichts daran; denn ich rede

von der Weisheit und nicht von der Person.

So gross und edel ist der (wiedergeborene)

Mensch, dass er Gottes Bildnis trägt und ein

Erbe des Reiches Gottes ist. Er steht auf

Erden an Gottes Statt, und somit soll er auch

Gottes Weisheit (Theosophia) haben."

Aber was den Menschen hindert, zu dieser

göttlichen Selbsterkenntnis zu gelangen, ist der

Teufel des Egoismus, der Selbstwahn und die

Eitelkeit. Dies ist die Schlange, welche die

Eva betrogen hat, und wenn uns Christus (in

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uns) nicht erlösen würde, so könnte kein Mensch

jemals zur Seligkeit (d. h. zur Erkenntnis seiner

wahren Gottesnatur) gelangen. Wir sind nicht

auf Erden, damit wir nur dasjenige betrachten,

was der Teufel betrachtet, nämlich seine eigene

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Hoffart und Glorie, denn sonst sind wir dem

Teufel gleich; sondern wir sollen Engel werden

Hoffart und Glorie, denn sonst sind wir dem Teufel gleich; sondern wir sollen Engel werden und nicht Teufel. Dazu sind wir beschaffen und in die Welt geboren." "Der Mensch ist als ein leiblicher Engel geboren. Was er zu einem Engel nötig hat, ist ihm mit auf die Welt gegeben. Sündigt er und ist hoffärtig, so wird er nicht vom Himmel gestossen, sondern von der Welt. Tierische Eigenschaften, weltliche Klugheit u. dergi. gehören dem tierischen Menschen an; aber im Engel im Menschen ist die Weisheit verborgen. Alles wirkliche Lernen ist ein inner~ . liches Erwecken. Wir können von einem Menschen nichts lernen, das nicht schon in uns selbst enthalten ist. Es· kann nur in uns erweckt werden. Was im Menschen erweckt wird, das tritt aus ihm hervor; das übrige bleibt im Schlafe. Die höchste Kunst und das höchste Wissen besteht darin, innerlich zu erwachen und die Weisheit zu finden." Zu den traurigsten Verirrungen· der medizinischen Wissenschaft gehören jene Klassen von "Spezialisten", welche nur die Funktionen dieses oder jenes Körperteiles kennen, und keine Kenntnis des Ursprungs der Krankheiten im Gesamtorganismus besitzen. Der Mensch

und nicht Teufel. Dazu sind wir beschaffen

und in die Welt geboren."

„Der Mensch ist als ein leiblicher Engel

geboren. Was er zu einem Engel nötig hat,

ist ihm mit auf die Welt gegeben. Sündigt

er und ist hoffartig, so wird er nicht vom

Himmel gestossen, sondern von der Welt.

Tierische Eigenschaften, weltliche Klugheit

u. dergl. gehören dem tierischen Menschen an;

aber im Engel im Menschen ist die Weisheit

verborgen. Alles wirkliche Lernen ist ein inner-

liches Erwecken. Wir können von einem Men-

schen nichts lernen, das nicht schon in uns

selbst enthalten ist. Es kann nur in uns er-

weckt werden. Was im Menschen erweckt wird,

das tritt aus ihm hervor; das übrige bleibt im

Schlafe. Die höchste Kunst und das höchste

Wissen besteht darin, innerlich zu erwachen

und die Weisheit zu finden."

Zu den traurigsten Verirrungen der medizi-

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nischen Wissenschaft gehören jene Klassen

von „Spezialisten", welche nur die Funktionen

dieses oder jenes Körperteiles kennen, und

keine Kenntnis des Ursprungs der Krankheiten

im Gesamtorganismus besitzen. Der Mensch

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— 264 —

ist nicht aus einzelnen Stücken zusammen-

gesetzt, sondern ein Ganzes, dessen einzelne

Teile im Ganzen ihren Ursprung haben, und

ist nicht aus einzelnen Stücken zusammengesetzt, sondern ein Ganzes, dessen einzelne Teile im Ganzen ihren Ursprung haben, und somit ist auch die Erkenntnis des menschlichen Organismus keine stückweise, sondern ein Ganzes. "Unsere Weisheit und Kunst sollen ganz sein, wie Gott, aus dem wir sie haben. Wenn wir Weisheit und Kunst besitzen, aber nicht als ein Ganzes, so sind wir nicht Kinder Gottes; denn er zerbricht nichts an unserem Erbteil, sondern gieht es uns ganz und vollkommen. Während wir auf Erden sind, sollen wir unsern Spiegel in Gott haben, damit wir uns als ihm völlig ähnlich erkennen, so wie ein Kind seinem Vater ähnlich ist. Wir sehen nichts Zerbrochenes oder Stückwerk in Gott, und so sollen auch wir uns als ein Ganzes in Gott erkennen. Was wir in ihm sehen, ist die Wahrheit und die Gerechtigkeit, und wenn wir diese erkennen, so sind wir auch Götter und Gott unser Vater. Dann können wir die Werke des Vaters vollbringen, weil der Geist und die Kraft des Vaters sie durch uns vollbringt." "Die Weisheit, die nicht aus Gott kommt, hat keinen Wert. Sie ist die trügerische Wissenschaft derjenigen Ärzte, welche sich selbst und die Welt betrügen, der Juristen, welche sich

somit ist auch die Erkenntnis des menschlichen

Organismus keine stückweise, sondern ein Ganzes.

„Unsere Weisheit und Kunst sollen ganz

sein, wie Gott, aus dem wir sie haben. Wenn

wir Weisheit und Kunst besitzen, aber nicht

als ein Ganzes, so sind wir nicht Kinder Gottes;

denn er zerbricht nichts an unserem Erbteil,

sondern giebt es uns ganz und vollkommen.

Während wir auf Erden sind, sollen wir unsern

Spiegel in Gott haben, damit wir uns als ihm

völlig ähnlich erkennen, so wie ein Kind seinem

Vater ähnlich ist. Wir sehen nichts Zer-

brochenes oder Stückwerk in Gott, und so

sollen auch wir uns als ein Ganzes in Gott

erkennen. Was wir in ihm sehen, ist die Wahr-

heit und die Gerechtigkeit, und wenn wir diese

erkennen, so sind wir auch Götter und Gott

unser Vater. Dann können wir die Werke des

Vaters vollbringen, weil der Geist und die Kraft

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des Vaters sie durch uns vollbringt."

„Die Weisheit, die nicht aus Gott kommt,

hat keinen Wert. Sie ist die trügerische Wissen-

schaft derjenigen Ärzte, welche sich selbst und

die Welt betrügen, der Juristen, welche sich

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— 265 —

mit Lügen ernähren, der Theologen, welche

Dinge predigen und lehren, von denen sie

keine eigene Erfahrung haben. Die Weisheit,

mit Lügen ernähren, der Theologen, welche Dinge predigen und lehren, von denen sie keine eigene Erfahrung haben. Die Weisheit, die nicht aus Gott kommt, hat keinen Bestand. Darum vergehen die Reiche der Welt, die Anschläge der Menschen die Statuten zerbrechen, die Menschen hassen einander u. s. w. Darin aber besteht unsere Weisheit auf Erden, die von Gott kommt t dass wir gegeneinander leben wie die Engel im Himmel, denn dann sind wir auch Engel. Dann unterscheidet uns nichts von den Engeln t als der Besitz eines irdischen Körpers. Dann wissen und können wir, was die Engel wissen und können, und in ihnen ist alle Weisheit und alle Kunst Gottes. Sie sind lauter und rein, und deshalb sind sie erweckt und ohne Schlaf. Der Mensch aber hat den Körper, der schläft (den geistigen Todesschlaf), und somit muss man ihn erwecken." 1) "Die Engel können fliegen, auf dem Wasser gehen, durch Mauern dringen, unsichtbar machen, Krankheiten heilen u. s. w., und im Menschen schlummert die Kraft, durch die er

die nicht aus Gott kommt, hat keinen Bestand.

Darum vergehen die Reiche der Welt, die

Anschläge der Menschen, die Statuten zer-

brechen, die Menschen hassen einander u. s. w.

Darin aber besteht unsere Weisheit auf Erden,

die von Gott kommt, dass wir gegeneinander

leben wie die Engel im Himmel, denn dann

sind wir auch Engel. Dann unterscheidet uns

nichts von den Engeln, als der Besitz eines

irdischen Körpers. Dann wissen und können

t

wir, was die Engel wissen und können, und in

ihnen ist alle Weisheit und alle Kunst Gottes.

Sie sind lauter und rein, und deshalb sind sie

erweckt und ohne Schlaf. Der Mensch aber hat

den Körper, der schläft (den geistigen Todes-

schlaf), und somit muss man ihn erwecken."1)

„Die Engel können fliegen, auf dem Wasser

gehen, durch Mauern dringen, unsichtbar

machen, Krankheiten heilen u. s. w., und im

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Menschen schlummert die Kraft, durch die er

') Von dieser Erweckving der magischen Kräfte im

physischen Körper handelt die Yogalehre. Über die Aus-

übung derselben hat Paracelsus es unterlassen, etwas zu

schreiben, und zwar, wie er sagt, „von wegen den Idioten".

Sapienti satis.

1) Von dieser Erweckung der magischen Kräfte im physischen Körper handelt die Yogalehre. Über die Ausübung derseIhen hat Paracelsus es unterlassen, etwas zu achreiben, und zwar, wie er sagt, "von wegen den Idioten". Sapienti .. ti!.

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— 266 —

sich gleichmachen kann den Engeln mit ihren

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Werken. Auch der Teufel (im Menschen) kann

sich gleichmachen kann den Engeln mit ihren Werken. Auch der Teufel (im Menschen) kann solche Dinge, denn er ist ein (gefallener) Engel; aber seine Kunst und Wissenschaft ist nur ein Schein und nichtig (weil sie dem Egoismus und folglich der Täuschung, nicht aber der wahren Erkenntnis entspringt). Er mischt sich in die Nichtauferweckten und führt sie ein in seine dumme Kunst, aber den wahren Jüngern der Weisheit kann er nichts anhaben, denn sie erkennen den Kern. Der Teufel (im Menschen) handelt nach seinem eigenen Willen, aber der Engel (im Menschen) nach dem Willen Gottes, und er ist Gottes." Um aber nach dem Willen Gottes handeln zu können, dazu muss der Wille Gottes in uns zu unserm Bewusstsein kommen. "Wie kann ein Narr nach dem Willen Gottes handeln? Wie kann ein Mensch, der nichts kann, nach dem Willen Gottes handeln? Narrheit und Dum mheit sind gegen den Willen Gottes. Er will uns nicht als dumme Narren haben, die nichts wissen und nichts können; sondern er will uns auferweckt haben in seinen grossen natürlichen Dingen, auf dass der Teufel (in uns) sehe, dass wir Gott angehörig und Engel sind. Auch will er nicht, dass ein Mensch allein die Weisheit besitze, und die

solche Dinge, denn er ist ein (gefallener) Engel;

aber seine Kunst und Wissenschaft ist nur ein

Schein und nichtig (weil sie dem Egoismus

und folglich der Täuschung, nicht aber der

wahren Erkenntnis entspringt). Er mischt sich

in die Nichtauferweckten und führt sie ein in

seine dumme Kunst, aber den wahren Jüngern

der Weisheit kann er nichts anhaben, denn sie

erkennen den Kern. Der Teufel (im Menschen)

handelt nach seinem eigenen Willen, aber der

Engel (im Menschen) nach dem Willen Gottes,

und er ist Gottes." Um aber nach dem Willen

Gottes handeln zu können, dazu muss der Wille

Gottes in uns zu unserm Bewusstsein kommen.

„Wie kann ein Narr nach dem Willen Gottes

handeln? Wie kann ein Mensch, der nichts

kann, nach dem Willen Gottes handeln? Narr-

heit und Dummheit sind gegen den Willen

Gottes. Er will uns nicht als dumme Narren

haben, die nichts wissen und nichts können;

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sondern er will uns auferweckt haben in seinen

grossen natürlichen Dingen, auf dass der Teufel

(in uns) sehe, dass wir Gott angehörig und

Engel sind. Auch will er nicht, dass ein

Mensch allein die Weisheit besitze, und die

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übrigen sich mit dem, was dieser ihnen sagt,

begnügen sollen, sondern dass jeder selber zur

wahren Erkenntnis gelangen soll. Daran hat Gott

übrigen sich mit dem, was dieser ihnen sagt, begnügen sollen, sondern dass jeder selber zur wahren Erkenntnis gelangen soll. Daran hat Gott sein Wohlgefallen, dass seine Weisheit in allen Geschöpfen offenbar werde. Dadurch erkennen wir, was er ist und wie er uns lieben will. Die Dummheit und der Unverstand schützen niemand vor der Verurteilung am Tage des Gerichts." 1) "Wo ist ein Vater, der nicht begehrt, dass sein Sohn ihm gleiche, oder dass sein Kind weniger Glieder am Leibe habe, als er selbst? Er hat uns mit allen seinen göttlichen Fähigkeiten ausgestattet, und wir sollen darnach trachten, dieselben in uns in Kraft treten und offenbar werden zu lassen. Wer daher ein Kind Gottes sein .will, der soll davon nicht durch leeres Geschwätz, sondern durch seine Werke Zeugnis geben. Die Natur thut nichts als durch ihr Können, und dieses Können hat . Gott in die Natur gelegt. Er will, dass wir den Himmel und die Natur beherrschen, nicht aber von diesen beherrscht werden; er soll über Himmel und Erde erhaben sein; denn

sein Wohlgefallen, dass seine Weisheit in allen

Geschöpfen offenbar werde. Dadurch erkennen

wir, was er ist und wie er uns lieben will. Die

Dummheit und der Unverstand schützen niemand

vor der Verurteilung am Tage des Gerichts."1)

„Wo ist ein Vater, der nicht begehrt, dass

sein Sohn ihm gleiche, oder dass sein Kind

weniger Glieder am Leibe habe, als er selbst?

Er hat uns mit allen seinen göttlichen Fähig-

keiten ausgestattet, und wir sollen darnach

trachten, dieselben in uns in Kraft treten und

offenbar werden zu lassen. Wer daher ein

Kind Gottes sein will, der soll davon nicht

durch leeres Geschwätz, sondern durch seine

Werke Zeugnis geben. Die Natur thut nichts

als durch ihr Können, und dieses Können hat

Gott in die Natur gelegt. Er will, dass wir

den Himmel und die Natur beherrschen, nicht

aber von diesen beherrscht werden; er soll

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über Himmel und Erde erhaben sein; denn

*) Die Verurteilung besteht darin, dass jedes Prinzip

wieder zu der Quelle zurückkehrt, aus der es geflossen ist.

Wenn im Menschen kein Licht ist, so ist in ihm auch nichts

vorhanden, was ihn zum Lichte emporheben könnte.

1) Die Verurteilung besteht darin, dass jedes Prinzip wieder zu der Qaelle zurUckkehrt, aus der es geflossen ist. Wenn im Menschen kein Licht ist, so ist in ihm auch nichts Torhanden, was ihn zam Lichte emporheben könnte.

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-

was er thut, das thut er aus Gottes Kraft und

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Kunst. Dies sind die Werke des Engels im

Menschen, und in diesem sollen wir leben und

was er thut, das thut er aus Gottes Kraft und Kunst. Dies sind die Werke des Engels im Menschen, und in diesem sollen wir leben und trachten, dass all unser Thun und Lassen, Weisheit und Kunst, ausgehe aus Gott." "Die Erkenntnis des Engels im Menschen ist aus Gott und unsterblich; der tierische Menschenverstand ist auch (aber nicht direkt) aus Gott; allein er gehört dem Tiere (im Mensehen) an, und ist deshalb vergänglich. Der Tod ist für alles, was viehisch ist, nicht aber für das Ewige. Das Vieh ist kein Mensch, sondern nur ein Tier; der (wahre) Mensch ist kein Tier, sondern Gottes Bildnis. Was am Menschen sterblich ist, das gehört dem Tiermenschen an. Der Mensch wird erstehen 'am jüngsten Tag und wiedererscheinen vor Gott, aber das Tier (in ihm) nicht; denn aus seiner viehischen Vernunft entsteht ein Missgewächl, das kein Mensch ist, sondern ein Vieh. Ein Mensch, der nicht in der Erkenntnis der Wahrheit ein Mensch geworden ist, ist kein Mensch, sondern ein Vieh." 1)

trachten, dass all unser Thun und Lassen,

Weisheit und Kunst, ausgehe aus Gott."

„Die Erkenntnis des Engels im Menschen

ist aus Gott und unsterblich; der tierische

Menschenverstand ist auch (aber nicht direkt)

aus Gott; allein er gehört dem Tiere (im Men-

schen) an, und ist deshalb vergänglich. Der

Tod ist für alles, was viehisch ist, nicht aber

für das Ewige. Das Vieh ist kein Mensch,

sondern nur ein Tier; der (wahre) Mensch ist

kein Tier, sondern Gottes Bildnis. Was am

Menschen sterblich ist, das gehört dem Tier-

menschen an. Der Mensch wird erstehen am

jüngsten Tag und wiedererscheinen vor Gott,

aber das Tier (in ihm) nicht; denn aus seiner

viehischen Vernunft entsteht ein Missgewächs,

das kein Mensch ist, sondern ein Vieh. Ein

Mensch, der nicht in der Erkenntnis der

Wahrheit ein Mensch geworden ist, ist kein

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Mensch, sondern ein Vieh."1)

*) Die wahre Individualität des Menschen liegt in seinen

höheren Seelenkräften (Buddhi Manas) und überschattet

bei der Reinkarnation wieder eine neue Persönlichkeit;

seine Begierdenform (Kama rupa) geht im „Fegefeuer"

(Kama loca) zu Grunde.

1) Die wahre Individualität des Menschen liegt in seinen höheren Seelenkräften (B ud d h i Man as) und überschattet bei der Reinkarnation wieder eine neue Persönlichkeit; seine Begierdenform (Kama rupa) geht im "Fegefeuer" (Kama loca) zu Grude.

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— 269 —

Gott ist ein einziger und unteilbar, und des-

halb sind auch alle im Geiste Gottes wieder-

geborene Menschen in der göttlichen Weisheit

alle zusammen nur ein einziger Mensch; die

Weisheit ist in allen dieselbe; aber der tierische

Intellekt des Menschen, der kein wahres Licht

ist, sondern nur in einer Wiederspiegelung

desselben besteht, ist kein Ganzes, sondern

zusammengewürfelt, und gleichsam aus den

Reflexen verschiedener Lichter zusammen-

gesetzt, die aber alle nicht das wahre Licht

sind. Daher zerfällt auch diese Scheinweisheit

wieder in sich selbst.

„Was nun den Ursprung der tierischen Ver-

nunft betrifft, so ist der Mensch auch in dieser

ein Kind, und alles Tierische in der Welt sein

Vater. Als Tier ist er das Kind aller Tiere,

die vor ihm beschaffen wurden, und alle Tiere

zusammengenommen sein Vater. Alles was

keine Weisheit hat, und wäre es noch so

gelehrt, ist tierisch und gehört dem Tiere im

Menschen an. Sein Verstand ist derselbe wie

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derjenige der Tiere, und nur insofern von dem

letzteren verschieden, als nicht bloss eine Tier-

gattung, sondern das ganze Tierreich zu seinem

Aufbau beigetragen hat. In einzelnen Dingen

aber übertrifft die Kunst der Tiere noch immer

Gott ist ein einziger und unteilbar, und deshalb sind auch alle im Geiste Gottes wiedergeborene Menschen in der göttlichen Weisheit alle zusammen nur ein einziger Mensch; die Weisheit ist in allen dieselbe; aber der tierische Intellekt des Menschen, der kein wahres Licht ist, sondern nur in einer Wiederspiegelung desselben besteht, ist kein Ganzes, sondern zusammengewürfelt, und gleichsam aus den Reflexen verschiedener Lichter zusammengesetzt, die aber alle nicht das wahre Licht sind. Daher zerfällt auch diese Scheinweisheit wieder in sich selbst. "Was nun den Ursprung der tierischen Vernunft betrifft, so ist der Mensch auch in dieser ein Kind, und alles Tierische in der Welt. sein Vater. Als Ti"er ist er das Kind aller Tiere, die vor ihm beschaffen wurden, und alle Tiere zusammengenommen sein Vater. Alles was keine Weisheit hat, und wäre es noch so gelehrt, ist tierisch und gehört dem Tiere im Menschen an. Sein Verstand ist derselbe wie derjenige der Tiere, und nur insofern von dem letzteren verschieden, als nicht bloss eine Tiergattung, sondern das ganze Tierreich zu seinem Aufbau beigetragen hat. In einzelnen Dingen aber übertrifft die Kunst der Tiere noch immer

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— 270 —

die des Menschen. Der Vogel übertrifft ihn

im Fliegen, der Fisch im Schwimmen, der

Hund an Anhänglichkeit, die Spinne im Weben;

die des Menschen. Der Vogel übertrifft ihn im Fliegen, der Fisch im Schwimmen, der Hund an Anhänglichkeit, die Spinne im Weben; die Ameise an Fleiss, der Adler im Sehen u. s. w. Verliebt sich ein Mensch in eine andere Person, so steht er deshalb nicht höher als ein Hund, der sich zu seiner Hündin hält; sorgt er für seine Familie, so hat er dies mit allen Tieren· gemein, die für ihre Jungen Sorge tragen u. s. w. Der Grund von alledem ist, dass sich der tierische Mensch aus dem Tierreiche entwickelt hat, und nicht das Tier aus dem Menschen.« 1)

die Ameise an Fleiss, der Adler im Sehen u. s. w.

Verliebt sich ein Mensch in eine andere Person,

so steht er deshalb nicht höher als ein Hund,

der sich zu seiner Hündin hält; sorgt er für

seine Familie, so hat er dies mit allen Tieren

gemein, die für ihre Jungen Sorge tragen u. s. w.

Der Grund von alledem ist, dass sich der tie-

rische Mensch aus dem Tierreiche entwickelt

hat, und nicht das Tier aus dem Menschen."1)

„Tiere lieben und hassen sich untereinander,

geradeso wie die Menschen. Manche sind

gleich den Menschen neidig, gefrässig, hab-

süchtig, buhlerisch, gütig, friedfertig, klug, ge-

schickt u. s. w. Aus dem verborgenen Viehgeist

erwächst der tierische Verstand mit allen seinen

Künsten im Menschen und in den Tieren; weil

aber der tierische Mensch noch eine höhere

Intelligenz besitzt, so ist er auch fähig, dieselbe

zu missbrauchen, und übertrifft alle anderen

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Tiere an Grausamkeit, Lüge und Teufelei. Unter

den Tieren hat jede Gattung ihre eigene Kunst;

*) Hier mag bemerkt werden, dass Paracelsus 300 Jahre

ror Darwin gelebt hat.

"Tiere lieben und hassen sich untereinander, geradeso wie die Menschen. Manche sind gleich den Menschen neidig, gefrässig, habsüchtig, buhlerisch, gütig, friedfertig, klug, geschickt u. s. w. Aus dem verborgenen Viehgeist erwächst der tierische Verstand mit allen seinen Künsten im Menschen und in den Tieren; weil aber der tierische Mensch noch eine höhere Intelligenz besitzt, so ist er auch fähig, dieselbe zu missbrauchen, und übertrifft alle anderen Tiere an Grausamkeit, Lüge und Teufelei. Unter den Tieren hat jede Gattung ihre eigene Kunst; 1) Hier mag bemerkt werden, dass ParacelsQs 300 Jahre Tor Darwin gelebt hat.

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— 271 —

im Tiermenschen sind alle diese Fähigkeiten,

wenn auch nicht ausgebildet, so doch vereint."

„Diese Dinge sind alle viehisch, und der

Im Tiermenschen sind alle diese Fähigkeiten, wenn auch nicht ausgebildet, so doch vereint." "Diese Dinge sind alle viehisch, und der ~immel allein ist des Viehes Herr, diese Kräfte entspringen den Eigenschaften der Natur. Darum sagt man von diesem oder jenem Menschen, er sei geduldig wie ein Schaf, zornig wie ein Bär; verliebt wie ein Affe, diebisch wie eine Elster, hoffärtig wie ein Pfau, brummig wie ein Bär, mörderisch wie ein Tiger u. s. w. Alle die guten sowohl als die schlimmen tierischen Eigenschaften im Menschen gehören nicht dem eigentlichen Menschen, sondern der mit ihm verbundenen Tiernatur an." Darum besteht die Weisheit des Menschen darin, dass in ihm seine eigene höhere Natur offenbar wird, damit er über seine Tiernatur erhaben sei und seiner Gottesnatur gemäss lebe und handle. Thut er dies, so wird er der richtige Arzt für Körper und Seele werden, und es werden in ihm jene göttlichen Kräfte offenbar werden, die seiner göttlichen Natur angehören und nach deren Besitz der tierische Mensch vergebens sucht. Wir sollten unsern Körper nicht als etwas uns Gehöriges, mit dem wir nach Belieben schalten können, sondern als etwas uns Geliehenes und Anvertrautes betrachten und dem-

Himmel allein ist des Viehes Herr, diese Kräfte

entspringen den Eigenschaften der Natur. Darum

sagt man von diesem oder jenem Menschen,

er sei geduldig wie ein Schaf, zornig wie ein

Bär," verliebt wie ein Affe, diebisch wie eine

Elster, hoffärtig wie ein Pfau, brummig wie ein

Bär, mörderisch wie ein Tiger u. s. w. Alle die

guten sowohl als die schlimmen tierischen Eigen-

schaften im Menschen gehören nicht dem eigent-

lichen Menschen, sondern der mit ihm ver-

bundenen Tiernatur an." Darum besteht die

Weisheit des Menschen darin, dass in ihm

seine eigene höhere Natur offenbar wird, damit

er über seine Tiernatur erhaben sei und seiner

Gottesnatur gemäss lebe und handle. Thut er

dies, so wird er der richtige Arzt für Körper

und Seele werden, und es werden in ihm jene

göttlichen Kräfte offenbar werden, die seiner

göttlichen Natur angehören und nach deren

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Besitz der tierische Mensch vergebens sucht.

Wir sollten unsern Körper nicht als etwas

uns Gehöriges, mit dem wir nach Belieben

schalten können, sondern als etwas uns Ge-

liehenes und Anvertrautes betrachten und dem-

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gemäss handeln. „Die Überzeugung soll ein

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für alle male fest in uns sein; dass der Leib

nicht unser ist, sondern Gottes, dass er nicht

gemäss handeln. "Die Überzeugung soll ein für alle male fest in uns sein; dass der Leih nicht unser ist, sondern Gottes, dass er nicht für uns, sondern für Gott gemacht ist, nicht zu unserm Nutzen, sondern zum Nutzen Gottes. Wenn dem so ist, so muss er auch all sein Wesen von Gott haben, von dem er ist; sein Leben ist Gottes Leben, seine Weisheit Gc5ttes Weisheit, Gott hört und sieht, empfindet, riecht, schmeckt und versteht durch ihn. 1) Da nun Gott diesen Leib gemacht hat, so sollen wir auch wissen, zu welchem Zwecke er ihn uns gegeben hat, zum Fressen und Saufen und zur Unzucht, oder dass wir in ihm sollen gottähnlich und vollkommen werden. In unserm materiellen Körper sind die Keime zur Entwicklung aller göttlichen Kräfte enthalten. Auch das Tier darin und der Teufel (die Bosheit) streiten sich um die Herrschaft über denselben. Darum soll der Mensch wissen, wer und was und warum er sei, auf dass er darnach trachte, aus Gott a11 seine Macht zu nehmen." "Diese Erkenntnis der uns innewohnenden Gottesnatur ist die göttliche Weisheit (Theosophie); was aber diese Weisheit an sich selbst ist, so kann man nur sagen, sie ist eine ewige

für uns, sondern für Gott gemacht ist, nicht zu

unserm Nutzen, sondern zum Nutzen Gottes.

Wenn dem so ist, so muss er auch all sein

Wesen von Gott haben, von dem er ist; sein

Leben ist Gottes Leben, seine Weisheit G<5ttes

Weisheit, Gott hört und sieht, empfindet, riecht,

schmeckt und versteht durch ihn.1) Da nun

Gott diesen Leib gemacht hat, so sollen wir

auch wissen, zu welchem Zwecke er ihn uns

gegeben hat, zum Fressen und Saufen und zur

Unzucht, oder dass wir in ihm sollen gottähnlich

und vollkommen werden. In unserm materiellen

Körper sind die Keime zur Entwicklung aller

göttlichen Kräfte enthalten. Auch das Tier

darin und der Teufel (die Bosheit) streiten sich

um die Herrschaft über denselben. Darum soll

der Mensch wissen, wer und was und warum

er sei, auf dass er darnach trachte, aus Gott

all seine Macht zu nehmen."

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„Diese Erkenntnis der uns innewohnenden

Gottesnatur ist die göttliche Weisheit (Theo-

sophie); was aber diese Weisheit an sich selbst

ist, so kann man nur sagen, sie ist eine ewige

*) Vergl. Sankaracharya, „Tattwa Bodha" p. 14.

1) Vergi. Sankaracharya, "Tattwa Bodha" P.14.

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Origillal fram

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— 273 —

273

Freude.1) „Niemand kann die Weisheit begreifen,

als wer sie kennt, und niemand kennt sie, als

derjenige, in dem sie sich offenbart. Der Weise

Freude. 1) "Niemand kann die Weisheit begreifen, als wer sie kennt, und niemand kennt sie, als derjenige, in dem sie sich offenbart. Der Weise erkennt sie dadurch, dass er selbst (in seinem wahren Selbst) diese Weisheit ist, und er sich selber in ihr erkennt. Sie ist aber ein Ganzes und unteilbar; an ihr selbst ist nichts zu verteilen, ebensowenig als an Gott. Sie gehört Gott an und ist der Vater aller Künste, und der Vater vermag alles durch seine Weisheit und Macht. So wie der Vater der Weisheit vollkommen ist, so soll auch der Sohn durch den Vater vollkommen und in ihm die Weisheit Gottes offenbar werden. Wäre der Mensch nicht geschaffen, wer wüsste dann von der Weisheit Gottes und seiner Macht und anderen göttlichen Dingen? Selbst die Engel im Himmel kannten sie nicht Aber durch die Schöpfung kam die Weisheit und Macht Gottes, wer Gott ist und was sein Wesen ist, an den Tag. Die Kreatur hat in Gott ihre Zahl. Die Offenbarung von Gottes Weisheit und Macht geschieht durch den Sohn. In ihm ist das Wesen des Vaters, und er lernt nicht allein, sondern sie beide lernen, und der Lehrer ist der heilige Geist."

erkennt sie dadurch, dass er selbst (in seinem

wahren Selbst) diese Weisheit ist, und er sich

selber in ihr erkennt. Sie ist aber ein Ganzes

und unteilbar; an ihr selbst ist nichts zu ver-

teilen, ebensowenig als an Gott. Sie gehört

Gott an und ist der Vater aller Künste, und

der Vater vermag alles durch seine Weisheit

und Macht. So wie der Vater der Weisheit

vollkommen ist, so soll auch der Sohn durch

den Vater vollkommen und in ihm die Weisheit

Gottes offenbar werden. Wäre der Mensch

nicht geschaffen, wer wüsste dann von der

Weisheit Gottes und seiner Macht und anderen

göttlichen Dingen? Selbst die Engel im Himmel

kannten sie nicht. Aber durch die Schöpfung

kam die Weisheit und Macht Gottes, wer Gott

ist und was sein Wesen ist, an den Tag. Die

Kreatur hat in Gott ihre Zahl. Die Offenbarung

von Gottes Weisheit und Macht geschieht durch

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den Sohn. In ihm ist das Wesen des Vaters,

und er lernt nicht allein, sondern sie beide

lernen, und der Lehrer ist der heilige Geist."

') Ibid. Satchitanandara, Daseins-Erkenntnis-Seligkeit

T,otusbIüthen LXXIX. 19

1) Ibid. Sa tcbitan a n dam, Daseins·Erkenntnis-Seligkeit J.otusblütheD LXXlX.

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Da die göttliche Weisheit und Vollkommen-

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heit unteilbar ist und alles umfasst, so ist es

klar, dass sich kein in Zeit und Raum be-

Da die göttliche Weisheit und Vollkommenheit unteilbar ist und alles umfasst, so ist el klar, dass sich kein in Zeit und Raum beschränkter Geist dieselbe ganz oder ein Stück davon aneignen kann. Wer zur göttlichen Weisheit gelangen will, muss durch das Aufgeben seiner angenommenen Selbstheit die Fähigkeit erlangen, als ein Werkzeug zu ihrer Offenbarung zu dienen, was nur in der Kraft des heiligen Geistes, d. h. im Geiste der wahren Selbsterkenntnis geschehen kann. Der beschränkte Menschenverstand des Kopfes kann das Unendliche und Grenzenlose nicht fassen; wohl aber ist selbst das kleinste Herz grass genug, es zu empfinden, durch die Kraft der Liebe die ganze Welt zu umfassen und bis zum Herzen Gottes zu dringen. Somit ist auch der erste Schritt zur ärztlichen Weisheit die Überwindung des Selbstwahns und das Erwachen. des Gottesbewusstseins in der Kraft der göttlichen Liebe, durch welche der Mensch sich selbst als die göttliche Einheit in allen Ge. schöpfen erkennt.

schränkter Geist dieselbe ganz oder ein Stück

davon aneignen kann. Wer zur göttlichen

Weisheit gelangen will, muss durch das Auf-

geben seiner angenommenen Selbstheit die

Fähigkeit erlangen, als ein Werkzeug zu ihrer

Offenbarung zu dienen, was nur in der Kraft

des heiligen Geistes, d. h. im Geiste der wahren

Selbsterkenntnis geschehen kann. Der be-

schränkte Menschenverstand des Kopfes kann

das Unendliche und Grenzenlose nicht fassen;

wohl aber ist selbst das kleinste Herz gross

genug, es zu empfinden, durch die Kraft der

Liebe die ganze Welt zu umfassen und bis

zum Herzen Gottes zu dringen. Somit ist auch

der erste Schritt zur ärztlichen Weisheit die

Uberwindung des Selbstwahns und das Erwachen

des Gottesbewusstseins in der Kraft der gött-

lichen Liebe, durch welche der Mensch sich

selbst als die göttliche Einheit in allen Ge-

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schöpfen erkennt.

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Manuskripte für Freimaurer.

Von Kerning.

(Fortsetzung.)

Natur.

D ie Natur im allgemeinen ist das Ineinander-

fliessen alles dessen, was aus der Ewigkeit

hervorgegangen, sich der Form nach von ihr

getrennt, dem Wesen nach aber immer ein

Teil des ewigen Ganzen bleibt.

Die Natur im einzelnen ist die Verschieden-

heit der Geschöpfe und Wesen, die sich der

Form nach von dem Ganzen trennen, und sich

durch besondere Kennzeichen voneinander

Manuskripte für Freimaurer.

unterscheiden. Die Kennzeichen, welche jedes

Ding vom andern unterscheiden und charak-

terisieren, machen die Natur eines jeden Dinges

insbesondere aus.

Von Kerning.

Da es nicht möglich ist, die Natur im all-

gemeinen zu untersuchen, so beschränken wir

(Fortsetzung.)

uns auf die Natur im einzelnen, hauptsächlich

aber auf die Natur des Menschen.

Natur. Generated for John Patrick Deveney (University of Chicago) on 2014-11-22 18:39 GMT / http://hdl.handle.net/2027/hvd.hnue9b Public Domain in the United States, Google-digitized / http://www.hathitrust.org/access_use#pd-us-google

19*

Die Natur im allgemeinen ist das Ineinanderfliessen alles dessen, was aus der Ewigkeit hervorgegangen, sich der Form nach von ihr .getrennt , dem Wesen nach aber immer ein Teil des ewigen Ganzen bleibt. Die Natur im einzelnen ist die Verschiedenheit der Geschöpfe und Wesen, die sich der Form nach von dem Ga'nzen trennen, und sich .durch besondere Kennzeichen voneinander unterscheiden. Die Kennzeichen, welche jedes Ding vom andern unterscheiden und charakterisieren, machen die Natur eines jeden Dinges insbesondere aus. Da es nicht möglich ist, die Natur im allgemeinen zu untersuchen, so beschränken wir uns auf die Natur im einzelnen, hauptsächlich .aber auf die Natur des Menschen.

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— 276 —

Auf dem Wege der Natur wandeln heisst,

ohne alle Nebenrücksicht, seiner Bestimmung

entgegengehen. Jedes Wesen erreicht seine

Auf dem Wege der Natur wandeln heisst, ohne alle Nebenrücksicht, seiner Bestimmung entgegengehen. Jedes Wesen erreicht seine Bestimmung, .wenn es das Ziel oder die Reife erlangt, die es vermöge seiner individuellen Kräfte erreichen kann. Die Rose erfüllt die Luft mit Wohlgeruch, entzückt das Auge mit ihrer Farb~, entblättert sich und ist nicht mehr. Die Tanne treibt ihren Gipfel hoch empor in die Lüfte, und erhält sich rein vom Einfluss aller andem Bäume. Die Nachtigall singt, und wenn sie nicht mehr singen kann, stirbt sie. Alle Tiere haben eine bezeichnende Kraft, ein eigentümliches Vermögen, dem sie leben, durch welches sie leben. Alle Tiere sind vollendet in ihrer Art, und darum kennen sie keine Traurigkeit und keine Sorgen. Wenn ein Tier trauert, so stirbt es. Alle Tiere und Pflanzen haben einen inneren Grund, eine charakteristische Kraft, durch welche sie sind, was sie sind, aus dem alle übrigen Eigenschaften wie aus einer Quelle fliessen. Diese innere, eigentümliche Kraft, diesen unterscheidenden Geist oder Charakter eines Dinges erforschen, heisst seine Natur kennen lernen. Nach den Gesetzen dieser eigentüm-

Bestimmung, wenn es das Ziel oder die Reife

erlangt, die es vermöge seiner individuellen

Kräfte erreichen kann. Die Rose erfüllt die

Luft mit Wohlgeruch, entzückt das Auge mit

ihrer Farbe, entblättert sich und ist nicht

mehr.

Die Tanne treibt ihren Gipfel hoch empor

in die Lüfte, und erhält sich rein vom Einfluss

aller andern Bäume. Die Nachtigall singt, und

wenn sie nicht mehr singen kann, stirbt sie.

Alle Tiere haben eine bezeichnende Kraft,

ein eigentümliches Vermögen, dem sie leben,

durch welches sie leben. Alle Tiere sind

vollendet in ihrer Art, und darum kennen sie

keine Traurigkeit und keine Sorgen. Wenn

ein Tier trauert, so stirbt es.

Alle Tiere und Pflanzen haben einen inneren

Grund, eine charakteristische Kraft, durch welche

sie sind, was sie sind, aus dem alle übrigen

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Eigenschaften wie aus einer Quelle fliessen.

Diese innere, eigentümliche Kraft, diesen

unterscheidenden Geist oder Charakter eines

Dinges erforschen, heisst seine Natur kennen

lernen. Nach den Gesetzen dieser eigentüm-

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— 277 —

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liehen Kraft leben, heisst: der Natur gemäss

leben.

Kennt der Mensch seine Natur? Lebt der

lichen Kraft leben, heisst: der Natur gemäss leben. Kennt der Mensch seine Natur? Lebt der Mensch der Natur gemäss? Der Mensch kennt beinahe die Natur aller Dinge, nur seine eigene nicht. Der Mensch hat die Spur seiner Natur gänzlich verloren, und ist noch hartnäckig genug, zu behaupten, er kenne sie besser, als man sie je gekannt habe. Oder ist etwa einer, welcher sich die Mühe genommen, sich nur eine Stunde lang in seinem Leben zu betrachten, nur eine Stunde lang in seinem Leben in sein Inneres zu schauen, ohne Antrieb von aussen, ohne Plan, ohne Spekulation und ohne Vorurteil? Denn das ist doch keine Selbstbeschauung, wenn man über etwas Gesehenes, Gehörtes, Gelesenes, Erfahrenes nachdenkt. Die Selbstbeschauung muss ein Beobachten unserer innersten Kräfte und Thätigkeit sein, ohne dass wir eine Veranlassung dazu gegeben haben. Frei muss sich unsere' eigentümliche Kraft zeigen können, ohne von irgend einer Einmischung, sei sie gut oder böse, gehemmt oder getrübt zu sein. Nur dann kann sich das Eigentümliche, die Natur des Menschen entfalten und ihre Schätze zeigen.

Mensch der Natur gemäss?

Der Mensch kennt beinahe die Natur aller

Dinge, nur seine eigene nicht. Der Mensch

hat die Spur seiner Natur gänzlich verloren,

und ist noch hartnäckig genug, zu behaupten,

er kenne sie besser, als man sie je gekannt

habe.

Oder ist etwa einer, welcher sich die Mühe

genommen, sich nur eine Stunde lang in seinem

Leben zu betrachten, nur eine Stunde lang in

seinem Leben in sein Inneres zu schauen, ohne

Antrieb von aussen, ohne Plan, ohne Spekula-

tion und ohne Vorurteil? Denn das ist doch

keine Selbstbeschauung, wenn man über etwas

Gesehenes, Gehörtes, Gelesenes, Erfahrenes

nachdenkt. Die Selbstbeschauung muss ein

Beobachten unserer innersten Kräfte und Thä-

tigkeit sein, ohne dass wir eine Veranlassung

dazu gegeben haben. Frei muss sich unsere

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eigentümliche Kraft zeigen können, ohne von

irgend einer Einmischung, sei sie gut oder

böse, gehemmt oder getrübt zu sein. Nur dann

kann sich das Eigentümliche, die Natur des

Menschen entfalten und ihre Schätze zeigen.

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Die menschliche Natur ist das Vollendetste

in der Schöpfung. Dieser Natur sollen wir

nachgehen und sie aufsuchen. Von dieser

Die menschliche Natur ist das Vollendetste In der Schöpfung. Dieser Natur sollen wir nachgehen und sie aufsuchen. Von dieser Natur sollen wir uns leiten lassen. Sie rührt uns in die Wohnung des Vaters. Aber unser Anstaunen einer schönen Gegend, einer schönen Abendbeleuchtung u. s. w. kann uns nicht führen, wenn unsere höhere Natur noch in den Kot getreten, noch an die Konvenienz gekettet ist, wenn sie blass als Kupplerin zu einem Gaumenkitzel dienen muss, wenn wir die Pflichten des Menschen gegen die Unsrigen, gegen den Nächsten, gegen Gott und Nat1lr vernachlässigen, und statt Erilillung höherer Gesetze, unter dem Titel: "In der Natur leben" dem Müssiggang und der Verschwendung frönen. o heilige Natur! Wie oft wird dein Name gemissbraucht und entheiligt. Der Mensch lobt dich mit vollen Backen und kennt dich nicht, denn er hat dich ja noch nicht in sich selbst erkannt! Hören wir einmal die Geschichte eines Menschen, der dreizehn Jahre allein auf einer Insel lebte, und also Zeit hatte, über die Natur 10 sich und ausser sich nachzudenken. Der Sohn einer reichen Familie hatte seine

Natur sollen wir uns leiten lassen. Sie führt

uns in die Wohnung des Vaters.

Aber unser Anstaunen einer schönen Ge-

gend, einer schönen Abendbeleuchtung u. s. w.

kann uns nicht führen, wenn unsere höhere

Natur noch in den Kot getreten, noch an die

Konvenienz gekettet ist, wenn sie bloss als

Kupplerin zu einem Gaumenkitzel dienen muss,

wenn wir die Pflichten des Menschen gegen

die Unsrigen, gegen den Nächsten, gegen Gott

und Natur vernachlässigen, und statt Erfüllung

höherer Gesetze, unter dem Titel: „In der

Natur leben" dem Müssiggang und der Ver-

schwendung frönen.

O heilige Natur! Wie oft wird dein Name

gemissbraucht und entheiligt. Der Mensch

lobt dich mit vollen Backen und kennt dich

nicht, denn er hat dich ja noch nicht in sich

selbst erkannt!

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Hören wir einmal die Geschichte eines

Menschen, der dreizehn Jahre allein auf einer

Insel lebte, und also Zeit hatte, über die Natur

in sich und ausser sich nachzudenken.

Der Sohn einer reichen Familie hatte seine

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-

Studien absolviert, war mehrere Jahre durch

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alle Länder und Städte Europas gereist, und

konnte sich noch immer nicht entschliessen, sich

Studien absolviert, war mehrere Jabre durch alle Länder und Städte Europas gereist, und konnte sich noch im mer nicht entschliessen, sich niederzulassen und einem bestimmten Lebensplane zu gehorchen. Auf diese W eis~ hatte er ein Alter von 27 bis 28 Jahren erreicht, und fasste den Entschluss, noch eine Seereise zu machen, und damit sein JunggeselJenleben zu beschliessen. Er mietete sich auf das Schiff eines bekannten Kapitäns ein, das in wenigen Tagen nach Ostindien unter Segel gehen sollte. Die Fahrt ging mehrere Wochen ohne Hindernisse. Als sie aber Afrika umsegelt hatten, erhob sich ein Sturm, welcher das Schiff in reissenden Strömungen südwärts trieb, bis es endlich in der Nähe einer kleinen Insel auf einen Felsen stiess, scheiterte und alles mit sich in den Abgrund riss, bis auf unsern Reisenden, der auf einigen Trümmern des Schiffes an die Insel getrieben wurde. Nun sah er sich auf einer vielleicht nie besuchten Insel ganz allein. Der Sturm war vorübergegangen, die Wolken hatten sich verteilt, und leuchtend trat die Sonne hervor, im grellen Gegensatz zum Herzen des Geretteten, worin dunkle Nacht herrschte. Er ging hin und her, durchwanderte die kleine Insel in allen

niederzulassen und einem bestimmten Lebens-

plane zu gehorchen. Auf diese Weise hatte

er ein Alter von 27 bis 28 Jahren erreicht,

und fasste den Entschluss, noch eine Seereise

zu machen, und damit sein Junggesellenleben

zu beschliessen. Er mietete sich auf das Schiff

eines bekannten Kapitäns ein, das in wenigen

Tagen nach Ostindien unter Segel gehen sollte.

Die Fahrt ging mehrere Wochen ohne Hinder-

nisse. Als sie aber Afrika umsegelt hatten,

erhob sich ein Sturm, welcher das Schiff in

reissenden Strömungen südwärts trieb, bis es

endlich in der Nähe einer kleinen Insel auf

einen Felsen stiess, scheiterte und alles mit

sich in den Abgrund riss, bis auf unsern Rei-

senden, der auf einigen Trümmern des Schiffes

an die Insel getrieben wurde.

Nun sah er sich auf einer vielleicht nie

besuchten Insel ganz allein. Der Sturm war

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vorübergegangen, die Wolken hatten sich ver-

teilt, und leuchtend trat die Sonne hervor, im

grellen Gegensatz zum Herzen des Geretteten,

worin dunkle Nacht herrschte. Er ging hin

und her, durchwanderte die kleine Insel in allen

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-

Richtungen, und fand auch nicht eine Spur von

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-

menschlichem Dasein. Grässlich lag die Zu-

kunft vor ihm. Losgerissen von der Welt, von

Richtungen. und fand auch nicht eine Spur von menschlichem Dasein. Grässlich lag die Zukunft vor ihm. Losgerissen von der Welt, von allem, was dem Leben Reize geben kann, hier allein, allein in einem Alter, wo die Genüsse des Lebens in voller Blüte ih'm entgegenlachten, wo jedem Wunsche die Befriedigung mehr als halbwegs entgegenkam. Und jetzt, jetzt! Verzweiflung schlich sich in seine Seele, er war unentschlossen, ob er sich nicht freiwillig in die Fluten des Meeres stürzen sollte. Doch die Hoffnung stieg auf in seiner Seele. Vielleicht, dachte er, könnte doch einmal ein Schiff hierher kommen, und mich aus diesem Grabe erlösen. Von jetzt an wurde die Insel alle Tage durchwandert, um auf allen Richtungen in das Meer nach einem Rettungsschiff zu spähen. So ging ein halbes Jahr vorüber, und immer schwächer wurde seine Hoffnung auf Befreiung. Er hatte nach und nach genug Ruhe gewonnen, um die Insel näher zu betrachten. Es war ein sehr fruchtbarer Ort. Viele Bäume mit herrlichen Früchten sicherten ihn vor Hunger. Blumen aller Art, in wildem Gemisch, gaben dem Auge einen lieblichen Anblick. Doch dies alles hatte für ihn keine Reize; er sah

allem, was dem Leben Reize geben kann, hier

allein, allein in einem Alter, wo die Genüsse

des Lebens in voller Blüte ihm entgegenlachten,

wo jedem Wunsche die Befriedigung mehr als

halbwegs entgegenkam. Und jetzt, jetzt! Ver-

zweiflung schlich sich in seine Seele, er war

unentschlossen, ob er sich nicht freiwillig in

die Fluten des Meeres stürzen sollte. Doch

die Hoffnung stieg auf in seiner Seele. Viel-

leicht, dachte er, könnte doch einmal ein Schiff

hierher kommen, und mich aus diesem Grabe

erlösen.

Von jetzt an wurde die Insel alle Tage

durchwandert, um auf allen Richtungen in das

Meer nach einem Rettungsschiff zu spähen.

So ging ein halbes Jahr vorüber, und immer

schwächer wurde seine Hoffnung auf Befreiung.

Er hatte nach und nach genug Ruhe ge-

wonnen, um die Insel näher zu betrachten. Es

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war ein sehr fruchtbarer Ort. Viele Bäume mit

herrlichen Früchten sicherten ihn vor Hunger.

Blumen aller Art, in wildem Gemisch, gaben

dem Auge einen lieblichen Anblick. Doch

dies alles hatte für ihn keine Reize; er sah

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-

und fühlte nichts als seinen verlassenen Zu-

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stand.

„O Natur!" rief er aus. „Wie oft habe ich

und fühlte nichts als seinen verlassenen Zustand. ,,0 Natur!" rief er aus. "Wie oft habe ich in Versen und Prosa deine Schönheit gepriesen, jetzt entfaltest du alle Reize vor mir, und mein Herz bleibt kalt bei deinem Anblick. Die Sonne mit all ihrer Pracht, wenn sie dem Meer entsteigt, kann meine Verzweiflung nicht besiegen. Natur, du hast keine positiven Reize für uns! Nur wenn wir gute Wirtshäuser und schöne Gesellschaft in dir zu finden wissen, bist du schön und kannst uns ergötzen." Er verbarg sich beim Aufgang der Sonne. Ging sie unter, so versteckte er sich in seine Höhle. Die Blumen hatten für. ihn keine Farben, die schöne Gegend keine Erquickung. Um doch ein lebendiges Wesen um sich zu haben, fing er einen Vogel, der oft in seiner Nähe auf einem Gesträuch sang. "Ich bin unglücklich! Dieses Tier soll mit mir meine Verlassenheit teilen!" So sprach er und legte ihm eine Schlinge. Einen Tag lang trauerte der Vogel, den andern Tag sang er wieder in ungehemmter Freude. "Was ist das?" sprach er faut. "Dieser Vogel, dem die Insel so viel war, als mir die Welt, ist eingeschlossen, und doch freut er sich

in Versen und Prosa deine Schönheit gepriesen,

jetzt entfaltest du alle Reize vor mir, und mein

Herz bleibt kalt bei deinem Anblick. Die

Sonne mit all ihrer Pracht, wenn sie dem Meer

entsteigt, kann meine Verzweiflung nicht be-

siegen. Natur, du hast keine positiven Reize

für uns! Nur wenn wir gute Wirtshäuser und

schöne Gesellschaft in dir zu finden wissen, bist

du schön und kannst uns ergötzen."

Er verbarg sich beim Aufgang der Sonne.

Ging sie unter, so versteckte er sich in seine

Höhle. Die Blumen hatten für ihn keine Far-

ben, die schöne Gegend keine Erquickung.

Um doch ein lebendiges Wesen um sich

zu haben, fing er einen Vogel, der oft in seiner

Nähe auf einem Gesträuch sang. „Ich bin

unglücklich! Dieses Tier soll mit mir meine

Verlassenheit teilen!" So sprach er und legte

ihm eine Schlinge.

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Einen Tag lang trauerte der Vogel, den

andern Tag sang er wieder in ungehemmter

Freude. „Was ist das?" sprach er Taut. „Dieser

Vogel, dem die Insel so viel war, als mir die

Welt, ist eingeschlossen, und doch freut er sich

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-

nach wie vor seines Lebens. Welche Vorzüge

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hat denn das Tier vor dem Menschen, wenn

dieser mit all seiner Vernunft, all seiner Gelehr-

nach wie vor seines Lebens. Welche Vorzüge hat denn das Tier vor dem Menschen, wenn dieser mit all seiner Vernunft, a11 seiner Gelehrsamkeit, a11 seiner Bildung sich nicht soweit erheben kann, ein unvorhergesehenes Schicksal mutig zu ertragen! tl Der Vogel begrüsste täglich die Sonne mit seinem Gesang, und freute sich bei ihrem Untergang. Sein Herr aber wurde von Tag zu Tag schwermütiger, und schon oft war er entschlossen, dieses Tier, das mit seiner Freude dem in ihm nagenden Kummer Hohn zu sprechen schien, wieder fliegen zu lassen. In einem solchen Augenblicke der Erbitterung, als eben der Vogel aus voller Kehle sang, schrie er ihn heftig an und sprach: "Du vernunftloses Tier woher hast du den Vorzug, dich zu freuen, indessen der vernunftbegabte Mensch, in Schmerz versunken, jammert! Wo liegt die Quelle deiner Freude, die dich deine Gefangenschaft vergessen lehrt, und dein Leben zu einer Kette von Freudengesängen macht? Lehre mich, Gefährte meines Unglücks, wo ist das Licht, das dir leuchtet und von dir alle Finsternis des Kummers verscheucht?" Wie aus Absicht schwieg der Vogel, sah ihn an, bog mit dem Schnabel auf die Brust,

samkeit, all seiner Bildung sich nicht soweit

erheben kann, ein unvorhergesehenes Schicksal

mutig zu ertragen!"

Der Vogel begrüsste täglich die Sonne mit

seinem Gesang, und freute sich bei ihrem

Untergang. Sein Herr aber wurde von Tag zu

Tag schwermütiger, und schon oft war er ent-

schlossen, dieses Tier, das mit seiner Freude

dem in ihm nagenden Kummer Hohn zu sprechen

schien, wieder fliegen zu lassen. In einem sol-

chen Augenblicke der Erbitterung, als eben

der Vogel aus voller Kehle sang, schrie er ihn

heftig an und sprach: „Du vernunftloses Tier,

woher hast du den Vorzug, dich zu freuen, in-

dessen der vernunftbegabte Mensch, in Schmerz

versunken, jammert! Wo liegt die Quelle

deiner Freude, die dich deine Gefangenschaft

vergessen lehrt, und dein Leben zu einer Kette

von Freudengesängen macht? Lehre mich,

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Gefährte meines Unglücks, wo ist das Licht,

das dir leuchtet und von dir alle Finsternis des

Kummers verscheucht?"

Wie aus Absicht schwieg der Vogel, sah

ihn an, bog mit dem Schnabel auf die Brust,

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— 283 -

teilte den Flaum auseinander, und zog ihn dann,

triumphierend einige Federn haltend, hervor.

Gleichsam von einer Seelenahnung getroffen,

teilte den Flaum auseinander, und zog ihn dann, triumphierend einige Federn haltend, hervor. Gleichsam von einer Seelenahnung getroffen, fragt jener: "Wie, in deiner Brust ist die Quelle? In deiner Brust hast du das Licht, das jeden Kummer verscheucht? 0 ewiger Gott!" Hier erschrak er heftig, denn in zehn Jahren" hatte . er vielleicht den Namen "Gott" nicht genannt. "Ewiger Gott", fuhr er verzagt fort, "warum hast du dem Tiere die Quelle der Freude in die Brust gelegt, und warum dem Menschen diese Wohlthat, diesen Himmel versagt?" Der Vogel sang seine Lieder fort, und der Unglückliche überliess sich den Empfindungen seiner Bitterkeit ungestört. Laut rief er: "Schicksal! Gott! oder wie soll ich dich nennen, schaffendes Wesen? Dem Tiere gabst du eine lebendige Quelle der Freude; was gabst du dem Menschen? Vernunft? Sieh, was deine Vernunft vermag! Nicht einen einzigen Tag des Glückes kann sie mir schaffen, während jener Vogel in ungetrübtem Jubel einer härteren Gefangenschaft Hohn spricht. Nimm mir meine Vernunft und gieb mir das Gefühl der Freude dafür. Nimm mir die Vemnnft und mache in meinem Herzen Licht, in welchem furchtbare Finsternis herrscht!" So tobte er, so machte

fragt jener: „Wie, in deiner Brust ist die Quelle?

In deiner Brust hast du das Licht, das jeden

Kummer verscheucht? O ewiger Gott!" Hier

erschrak er heftig, denn in zehn Jahren hatte

er vielleicht den Namen „Gott" nicht genannt.

„Ewiger Gott", fuhr er verzagt fort, „warum

hast du dem Tiere die Quelle der Freude in

die Brust gelegt, und warum dem Menschen

diese Wohlthat, diesen Himmel versagt?"

Der Vogel sang seine Lieder fort, und der

Unglückliche überliess sich den Empfindungen

seiner Bitterkeit ungestört. Laut rief er:

„Schicksal! Gott! oder wie soll ich dich nennen,

schaffendes Wesen? Dem Tiere gabst du eine

lebendige Quelle der Freude; was gabst du

dem Menschen? Vernunft? Sieh, was deine

Vernunft vermag! Nicht einen einzigen Tag

des Glückes kann sie mir schaffen, während

jener Vogel in ungetrübtem Jubel einer härteren

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Gefangenschaft Hohn spricht. Nimm mir meine

Vernunft und gieb mir das Gefühl der Freude

dafür. Nimm mir die Vernunft und mache in

meinem Herzen Licht, in welchem furchtbare

Finsternis herrscht!" So tobte er, so machte

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er seinem Unmut Luft. Doch endlich legte

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sich der Sturm in ihm; ruhiger überlegte er

noch einmal die gehabten Empfindungen und

er seinem Unmut Luft. Doch endlich legte sich der Sturm in ihm; ruhiger überlegte er noch einmal die gehabten Empfindungen und fragte sich selbst: "Wie? oder hätte ich dem Schöpfer aller \Vesen Unrecht gethan? Läge vielleicht im Menschen auch eine nimmer versiegende Quelle der Freude? Hätte vielleicht der Mensch diese Quelle nur verloren? Sie verstopft durch Klügeln und Denken, durch Grübeln und Spekulieren, durch Vernunftsysteme und Hypothesen, durch selbstgemachtes Glück und selbsterfundene Menschenbestimmung? Ha, wenn das wäre! Das wäre ein Tausch des Satans, das wäre ein Verkaufen des Lichtes um Finsternis, der Wahrheit um Falschheit, des Himmels um die Hölle." Von diesem Augenblick an wurde er ruhiger, alles bekam für ihn eine andere An~icht. In den Blumen, in den Früchten der Bäume, in allen Tieren, grass und klein um ihn her, erblickte er eine grosse Vollendung ; er selbst aber erschien sich wie ein verdorbenes und schlechtes Gemälde in einer auserlesenen Kunstgallerie. Hören wir hierüber seine eigenen Worte, aus dem vor uns liegenden Tagebuch entnommen. "Ich habe mich nicht selbst gemacht. Die

fragte sich selbst: „Wie? oder hätte ich dem

Schöpfer aller Wesen Unrecht gethan? Läge

vielleicht im Menschen auch eine nimmer ver-

siegende Quelle der Freude? Hätte vielleicht

der Mensch diese Quelle nur verloren? Sie

verstopft durch Klügeln und Denken, durch

Grübeln und Spekulieren, durch Vernunft-

systeme und Hypothesen, durch selbstgemach-

tes Glück und selbsterfundene Menschenbestim-

mung? Ha, wenn das wäre! Das wäre ein

Tausch des Satans, das wäre ein Verkaufen des

Lichtes um Finsternis, der Wahrheit um Falsch-

heit, des Himmels um die Hölle."

Von diesem Augenblick an wurde er ruhiger,

alles bekam für ihn eine andere Ansicht. In

den Blumen, in den Früchten der Bäume, in

allen Tieren, gross und klein um ihn her, er-

blickte er eine grosse Vollendung; er selbst

aber erschien sich wie ein verdorbenes und

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schlechtes Gemälde in einer auserlesenen Kunst-

gallerie. Hören wir hierüber seine eigenen

Worte, aus dem vor uns liegenden Tagebuch

entnommen.

„Ich habe mich nicht selbst gemacht. Die

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Natur hat mich ins Leben gerufen. Sie, diese

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ewige Bildnerin hat alles, was der Mensch sieht,

ins Vollkommene gesetzt; nur der Mensch, der

Natur hat mich ins Leben gerufen. Sie, diese ewige Bildnerin hat alles, was der Mensch sieht, ins Vollkommene gesetzt; nur der Mensch, der dies alles beschauen kann, steht unvollkommen, schwach, arm und hilflos da. Ist das die Absicht der schaffenden Urkraft? Soll der Mensch unvollkommen sein, damit er die Vollkommenheit anderer Dinge desto deutlicher wahrnehmen könne? Kann dieses der Plan des Schöpfers sein? Oder hat der Mensch sich selbst seine Quelle verdorben? Hat er sich selbst losgerissen von dem Arm der Natur? Überall Vollendung: nur der Mensch ist ein Krüppel! Überall hohe Vollendung: nur in der Nähe des Menschen Verstümmelung! Der Mensch macht den Menschen zum Sklaven, zum Tier! Der Mensch verstümmelt Menschen und Tiere aus Wollust, aus Eitelkeit, aus Begierde nach totem Metall, nach Geld. Ja, in allen Reichen der Natur wühlt die tyrannische Hand des Mensehen, und unterwirft alles seinen Lüsten und Leidenschaften. Und ich, nicht besser al~ alle meines Gelichters, ich murre noch, ich klage die Natur an, ich, der mit frecher Stirne oft die Natur entweiht. Grosser Gott! Wohin führen mich die Betrachtungen! Verloren habe ich den Weg! Verloren bin ich! Verloren' ist

dies alles beschauen kann, steht unvollkommen,

schwach, arm und hilflos da. Ist das die Ab-

sicht der schaffenden Urkraft? Soll der Mensch

unvollkommen sein, damit er die Vollkommen-

heit anderer Dinge desto deutlicher wahrnehmen

könne? Kann dieses der Plan des Schöpfers

sein? Oder hat der Mensch sich selbst seine

Quelle verdorben? Hat er sich selbst los-

gerissen von dem Arm der Natur? Uberall

Vollendung: nur der Mensch ist ein Krüppel!

Uberall hohe Vollendung: nur in der Nähe des

Menschen Verstümmelung! Der Mensch macht

den Menschen zum Sklaven, zum Tier! Der

Mensch verstümmelt Menschen und Tiere aus

Wollust, aus Eitelkeit, aus Begierde nach totem

Metall, nach Geld. Ja, in allen Reichen der

Natur wühlt die tyrannische Hand des Men-

schen, und unterwirft alles seinen Lüsten und

Leidenschaften. Und ich, nicht besser als alle

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meines Gelichters, ich murre noch, ich klage

die Natur an, ich, der mit frecher Stirne oft

die Natur entweiht. Grosser Gott! Wohin

führen mich die Betrachtungen! Verloren habe

ich den Weg! Verloren bin ich! Verloren ist

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der Mensch mit allen seinen Anmassungen,

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Vernunftschlüssen und eitlen Systemen! Doch

es soll anders werden! Nicht umsonst sollst

der Mensch mit allen seinen Anmassungen, Vemunftschlüssen und eitlen Systemen! Doch es soll anders werden! Nicht umsonst sollst du mich hierher geführt haben, gewaltige Natur; ich will mich kennen lernen, will wissen, welche Stufe der Mensch einnimmt im Plane deiner Schöpfungen." Von dieser Zeit an widmete er des Tages mehrere Stunden einer strengen Selbstbeschauung. Ganze Stunden lang stand oder sass er auf einem Flecke, als wäre sein Leben für die äusseren Gegenstände verschwunden. So trieb er es Jahr und Tag, und erreichte endlich ein Ziel, das er nie geahnt hatte. Doch er spreche selbst. "Aufrecht ist der Mensch gestellt; ein aufgerichtetes Haupt,. und ein aufrechtstehendes Herz würde ihn seiner Gestalt nach schon zur eigenen Gattung stempeln. Das Haupt oder den Kopf habe ich angefüllt, und soviel ·errungen, dass ein Vogel mich beschämt. Wohl, ich will es im Herzen versuchen, und sehen, ob dort das Licht ist, das mich durch Finsternisse und Stürme zum Leben führt." In dieser Beziehung giebt uns sein Tagebuch wichtige Aufschlüsse über die Art und Weise, wie er seine Aufgabe gelöst, wo es heisst:

du mich hierher geführt haben, gewaltige Natur;

ich will mich kennen lernen, will wissen, welche

Stufe der Mensch einnimmt im Plane deiner

Schöpfungen."

Von dieser Zeit an widmete er des Tages

mehrere Stunden einer strengen Selbstbeschau-

ung. Ganze Stunden lang stand oder sass er

auf einem Flecke, als wäre sein Leben für die

äusseren Gegenstände verschwunden. So trieb

er es Jahr und Tag, und erreichte endlich ein

Ziel, das er nie geahnt hatte. Doch er spreche

selbst.

„Aufrecht ist der Mensch gestellt; ein auf-

gerichtetes Haupt, und ein aufrechtstehendes

Herz würde ihn seiner Gestalt nach schon zur

eigenen Gattung stempeln. Das Haupt oder

den Kopf habe ich angefüllt, und soviel er-

rungen, dass ein Vogel mich beschämt. Wohl,

ich will es im Herzen versuchen, und sehen,

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ob dort das Licht ist, das mich durch Finster-

nisse und Stürme zum Leben führt."

In dieser Beziehung giebt uns sein Tagebuch

wichtige Aufschlüsse über die Art und Weise,

wie er seine Aufgabe gelöst, wo es heisst:

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„In aufrechter Stellung, solange ich es täg-

lich aushalten konnte, war nun meine Aufmerk-

samkeit auf die Bewegungen und die Gefühle

"In aufrechter Stellung, solange ich es täglich aushalten konnte, war nun meine Aufmerksamkeit auf die Bewegungen und die Gefühle meines Herzens gerichtet. Anfangs konnte ich nichts gewahr werden. Wie ein Stein starrte mir mein Herz entgegen. Phantasien und Gaukelbilder des Gehirns schlichen sich oft hinunter, und machten die Nacht darin zur Wehmut Oft wäre ich mutlos erlegen; aber da sah ich meinen Vogel, wie er, ohne alle Veranlassung zur Freude, seine Brust hob, und mit lauter Kehle jubelte. In der Brust sitzt unser Glück, rief ich dann hastig, in der Brust muss es sitzen, dies lehrt mich die ganze Natur. So setzte ich meine Übungen mit verdoppeltem Eifer fort. '" "Ein halbes Jahr ungefähr war ich auf diese Weise thätig gewesen, da fing es an, sich in mir zu regen. Im Herzen tobte es, wie die empörte Flut bei tobendem Winde, mein Kopf drohte zu zerspringen, die Haare sträubten sich, und ein seltsames Beissen durchzuckte die Haut auf meinem Gehirn. Ein anderer, weniger eigensinnig als ich, hätte aufgehört, aus Furcht, einmal plötzlich zu sterben. Ich aber wollte wissen, wohin das alles führen werde. Meine Mühe und meine Aufmerksamkeit verdoppelten sich, je mehr Hindernisse sich zeigten. Und

meines Herzens gerichtet. Anfangs konnte ich

nichts gewahr werden. Wie ein Stein starrte

mir mein Herz entgegen. Phantasien und Gaukel-

bilder des Gehirns schlichen sich oft hinunter,

und machten die Nacht darin zur Wehmut.

Oft wäre ich mutlos erlegen; aber da sah ich

meinen Vogel, wie er, ohne alle Veranlassung

zur Freude, seine Brust hob, und mit lauter

Kehle jubelte. In der Brust sitzt unser Glück,

rief ich dann hastig, in der Brust muss es sitzen,

dies lehrt mich die ganze Natur. So setzte

ich meine Übungen mit verdoppeltem Eifer fort."

„Ein halbes Jahr ungefähr war ich auf diese

Weise thätig gewesen, da fing es an, sich in

mir zu regen. Im Herzen tobte es, wie die

empörte Flut bei tobendem Winde, mein Kopf

drohte zu zerspringen, die Haare sträubten sich,

und ein seltsames Beissen durchzuckte die Haut

auf meinem Gehirn. Ein anderer, weniger

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eigensinnig als ich, hätte aufgehört, aus Furcht,

einmal plötzlich zu sterben. Ich aber wollte

wissen, wohin das alles führen werde. Meine

Mühe und meine Aufmerksamkeit verdoppelten

sich, je mehr Hindernisse sich zeigten. Und

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-

wahrlich, es war notwendig, Mut zu behalten;

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denn die Phantasie bekam eine Reizbarkeit, die

mich beinahe von Sinnen brachte. Je mehr

wahrlich, es war notwendig, Mut zu behalten; denn die Phantasie bekam eine Reizbarkeit, die mich beinahe von Sinnen brachte. Je mehr ich mich bemühte, ihre Bilder zu unterdrücken, desto schärfer und lebhafter stellten sie sich mir dar. Alle Reize des üppigsten Lebens, alle Sünden, Begierden und Leidenschaft~n, deren mächtige Wirkungen ich früher nicht kannte, stürmten auf mich im Bilde ein, und blitzten unter den lockendsten Farben durch mein Gehirn. Aber eben dieser Heftigkeit verdanke ich meine Ausdauer, denn sie gab mir gewissermassen einen Trotz gegen mich selbst, und ich ahnte schon deutlich in mir eine Kraft, die im Kampfe, statt zu erliegen, sich stärkt." "Nach und nach wurde es ruhiger in meinem Innern. Ich gewann mehr Herrschaft über meine Phantasie; ja, es wurde oft so still in mir, dass ich ein leises Hauchen oder Atmen meines Herzens zu hören meinte. Ich glaubte schon das Ziel in dieser Ruhe gefunden zu haben, als es auf einmal, es war an einem trüben Abend, wie Schuppen von melDen Augen fiel." Soweit unser Inselbewohner. (Hier waren einige Seiten in seinem Manuskripte so durchstrichen, dass es nicht möglich war, auch nur

ich mich bemühte, ihre Bilder zu unterdrücken,

desto schärfer und lebhafter stellten sie sich

mir dar. Alle Reize des üppigsten Lebens,

alle Sünden, Begierden und Leidenschaften,

deren mächtige Wirkungen ich früher nicht

kannte, stürmten auf mich im Bilde ein, und

blitzten unter den lockendsten Farben durch

mein Gehirn. Aber eben dieser Heftigkeit ver-

danke ich meine Ausdauer, denn sie gab mir

gewissermassen einen Trotz gegen mich selbst,

und ich ahnte schon deutlich in mir eine Kraft,

die im Kampfe, statt zu erliegen, sich stärkt."

„Nach und nach wurde es ruhiger in meinem

Innern. Ich gewann mehr Herrschaft über

meine Phantasie; ja, es wurde oft so still in

mir, dass ich ein leises Hauchen oder Atmen

meines Herzens zu hören meinte. Ich glaubte

schon das Ziel in dieser Ruhe gefunden zu

haben, als es auf einmal, es war an einem

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trüben Abend, wie Schuppen von meinen

Augen fiel."

Soweit unser Inselbewohner. (Hier waren

einige Seiten in seinem Manuskripte so durch-

strichen, dass es nicht möglich war, auch nur

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ein Wort herauszubringen.) „Endlich," hiess

-

es weiter, als es wieder lesbar wurde, „hatte

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ich sieben Jahre meine Beobachtungen fort-

gesetzt und Dinge erfahren, die, wenn man sie

elll Wort herauszubringen.) "Endlich," hiess es weiter, als es wieder lesbar wurde, "hatte ich sieben Jahre meine Beobachtungen fortgesetzt und Dinge erfahren, die, wenn man sie sagen wollte, nicht aufzuschreiben wären." "Als ein Gottesverächter kam ich auf die Insel; jetzt war mir Gott alles. Sein Wille, sein Geist, seine Zeichen, die ich jetzt überall erkannte, waren mir der einzige Leitfaden meines Lebens, und ich hegte nur die Furcht, seinem Gesetze nicht nachzukommen. Ich war unglücklich, als ich mich von der menschlichen Gesellschaft losgerissen sah, jetzt aber höchst glücklich, so glücklich, wie ich es unter keinen Umständen hätte werden k9nnen. Die Natur war mit mir ausgesöhnt, denn ich hatte die Menschennatur in mir erkannt. Gott war mir kein Rätsel mehr, und mit aller Gewissheit betete ich jetzt zu ihm, der alles erschaffen, der den Menschen nach seinem Bilde gemacht, und mich in mir selbst Gottes Bild hatte erkennen lassen. Die ganze Schöpfung war verändert um mich, alles hatte jetzt Bedeutung, wo ich in meiner Blindheit nur Zufall erblickt hatte; überall war jetzt Leben, und wenn mein Vogel die Natur, seine Mutter, mit Jubel begrüsste, so erhob sich mein Dankgebet mit

sagen wollte, nicht aufzuschreiben wären."

„Als ein Gottesverächter kam ich auf die

Insel; jetzt war mir Gott alles. Sein Wille,

sein Geist, seine Zeichen, die ich jetzt überall

erkannte, waren mir der einzige Leitfaden meines

Lebens, und ich hegte nur die Furcht, seinem

Gesetze nicht nachzukommen. Ich war un-

glücklich, als ich mich von der menschlichen

Gesellschaft losgerissen sah, jetzt aber höchst

glücklich, so glücklich, wie ich es unter keinen

Umständen hätte werden können. Die Natur

war mit mir ausgesöhnt, denn ich hatte die

Menschennatur in mir erkannt. Gott war mir

kein Rätsel mehr, und mit aller Gewissheit

betete ich jetzt zu ihm, der alles erschaffen,

der den Menschen nach seinem Bilde gemacht,

und mich in mir selbst Gottes Bild hatte er-

kennen lassen. Die ganze Schöpfung war ver-

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ändert um mich, alles hatte jetzt Bedeutung,

wo ich in meiner Blindheit nur Zufall erblickt

hatte; überall war jetzt Leben, und wenn mein

Vogel die Natur, seine Mutter, mit Jubel be-

grüsste, so erhob sich mein Dankgebet mit

Lotusblüthen LXX1X, 20

Lotuablüthen LXXIX.

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frohem Wonnegefühl zum Vater, von dem alle

2~O

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Kraft ausgeht. Von jetzt an war mein Leben

geordnet. Die Scheidewand zwischen diesseits

frohem W,onnegefühl zum Vater, von dem alle Kraft ausgeht. Von jetzt an war mein L~ben geordnet. Die Scheidewand zwi~chen diesseits .und jenseits war verschwunden, und klar un,d deutlich lag mir die Bestimmung des Menschen yor Augen. Zuletzt sah ich voraus, dass ein Scl).jff erscheinep werde, mich in mein Vaterland führen. Aber der Gedanke betrübte . 'zu. .... !p1i~h, ~tatt zu erfreuen. Meine Insel wo ich ~l1~s, alles gefunden hatte, sollte ich verlassen )1Ild mich in Verhältnisse begeben, die vielleic~ mehr stq~en;d als wohlthätig auf mich einwirken ~qnnten. Wie ich geahnt, so geschah es. Ein Schiff wurde vom Winde an meine Insel ge~ieben. Mein V()gel, mein Wohlthäter, ja, ich qarf es wq41 sagen, mein Lehrer, hatte den Tag vorher sein letztes Lied gesungen; er fiel hitl, fl~~terte qoch einige Male und ,war nich.t mehr. " "Eben,hatte ich ihn mit dankbaren Thränen ..uJld inniger Rührung zur Erde bestattet, als icp Tumult ~m Ufer v~rnahm. Ich ~ing hin, erkannte meip..e Landsleute, half ihnen, f$? Jrlt ich konnte, und ~ntschlos~ mich endlic~, nach einigen Tagen mit ihnen zu ziehen, jedo~h ~it dem feierlichen Gelübde, das ich mir selbst im Angesi.Fht ,des Ewigen gab, keinen V erh~t-

und jenseits war verschwunden, und klar und

deutlich lag mir die Bestimmung des Menschen

vor Augen. Zuletzt sah ich voraus, dass ein

Schiff erscheinen werde, mich in mein Vater-

land zu führen. Aber der Gedanke betrübte

mich, statt zu erfreuen. Meine Insel wo ich

alles, alles gefunden hatte, sollte ich verlassen

und mich in Verhältnisse begeben, die vielleicht

mehr störend als wohlthätig auf mich einwirken

konnten. Wie ich geahnt, so geschah es. Ein

Schiff wurde vom Winde an meine Insel ge-

trieben. Mein Vogel, mein Wohlthäter, ja, ich

darf es wohl sagen, mein Lehrer, hatte den

Tag vorher sein letztes Lied gesungen; er fiel

hin, flatterte noch einige Male und war nicht

mehr."

„Eben hatte ich ihn mit dankbaren Thränen

und inniger Rührung zur Erde bestattet, als

ich Tumult am Ufer vernahm. Ich ging hin,

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erkannte meine Landsleute, half ihnen, so

gut ich konnte, und entschloss mich endlich,

nach einigen Tagen mit ihnen zu ziehen, jedoch

mit dem feierlichen Gelübde, das ich mir selbst

im Angesicht des Ewigen gab, keinen Verhält-

'

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nissen, die mein inneres Leben stören könnten,

mich hinzugeben, und wenn der Tod darauf

gesetzt wäre."

nissen, die mein inneres Leben stören könnten, mich hinzugeben, und wenn der Tod darauf gesetzt wäre." Diese Geschichte, meine Btiider, lehrt uns den Weg der Natur, den der Mensch wandeln soll, kennen. Es wird überflüssig sein t noch etwas hinzuzusetzen. Zwar kann man sagen, nicht jeder lebt auf einer Insel, und ohne diese Abgezogenheit ist es unmöglich, den Weg zu &oden. Die Insel hat unserm Suchenden nichts als '<Jen Entschluss zum Suchen gegeben; thätig hätte er auf jedem Fleck des Erdbodens sein können. Das ernstliche Wollen und die Kraft, seinen Willen in Ausübung zu bringen, dies sind die Grundbedingungen. Die Mittel liegen in uns, in der Menschennatur , in unserm Orden. Stärke uns, ewiges Licht, und gieb uns Ernst und That, nur in deinem Plane zu leben, und der Natur des Menschen getreu unseren Weg zu vollenden!

Diese Geschichte, meine Brüder, lehrt uns

den Weg der Natur, den der Mensch wandeln

soll, kennen. Es wird überflüssig sein, noch

etwas hinzuzusetzen. Zwar kann man sagen,

nicht jeder lebt auf einer Insel, und ohne diese

Abgezogenheit ist es unmöglich, den Weg zu

finden.

Die Insel hat unserm Suchenden nichts als

den Entschluss zum Suchen gegeben; thätig

hätte er auf jedem Fleck des Erdbodens sein

können.

Das ernstliche Wollen und die Kraft, seinen

Willen in Ausübung zu bringen, dies sind die

Grundbedingungen. Die Mittel liegen in uns,

in der Menschennatur, in unserm Orden. —

Stärke uns, ewiges Licht, und gieb uns Ernst

und That, nur in deinem Plane zu leben, und

der Natur des Menschen getreu unseren Weg

zu vollenden!

20-

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(Fortsetzung folgt.)

(Fortsetzung folgt.)

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Briefkasten.

Fragen von Abonnenten, welche nicht rein persönlicher Natur, son-

Briefkasten.

dern von allgemeinem Interesse sind, werden durch den Verfasser

der „Lotusblüthen* im Briefkasten besprochen.

A. S. in D. — Dass Sie mit Ihren Freunden und

Fralen yon AbonDenten, welche nicht rein penönlicher Natur, .ondem yon alliemeinem Interesse lind, werden durch den Verfaaaer der .Lotusblüthen· im Briefkasten besprochen.

Verwandten schwere Kämpfe zu bestehen haben, weil Sie

vegetarianisch leben wollen, ist ein Schicksal, das Sie mit

vielen anderen teilen. Man sollte vernünftigerweise glauben,

dass jeder Mensch das Recht hat, selbst über seinen Magen

A. S. in D. -

Dass Sie mit Ihren Freunden und Verwandten schwere Kämpfe ZIl bestehen haben, weil Sie vegetarianisch lt:ben wollen, ist ein Schicksal, das Sie mit vielen anderen teilen. Man sollte vernünftigerweise glauben, dass jeder Mensch das Recht hat, selbst über seinen Magen zu verfügen, aber wer die menschlichen Schwächen kennt, kann sich diesen Widerstand leicht erklären. Die Menschen sind im allgemeinen wie Kinder, von denen jedes seine eigene Art zu leben für die eintig richtige hält, und will, dass jeder denjenigen Götzen anbeten soU, vor dem er selbst auf den Knieen liegt. Jeder hält sein Ideal für das einzig wahre und glaubt, seine Liebe dazu dadurch bethätigen zu müssen, dass er das Ideal eines anderen hasst. Es giebt Theologen, die jeden hassen, der nicht ihre eigenen Ansichten teilt, und Schnapsbrüder, die jedem spinnefeind sind, der nicht auch gern Schnaps trinkt. Dasselbe Ge.eu übt auf allen Ebenen seine Wirkung aus und das Zeitalter der persönlichen Freiheit und Toleranz ist noch nicht da. J. B. in P. - Die gegen den verstorbenen Erfinder Keeley gerichteten Angriffe in verschiedenen Zeitungen sind aus der Luft gegriffen und beruhen, wie viele andere ähnliche Verleumdungen von verkannten Genies, auf Unverstand und Bedürfnis nach Sensation. Bei dt:n Versuchen, welche ich in seinem Laboratorium gesehen habe, waren die Apparate auf dicken Glasplatten isoliert, und die Drähte, durch welche die ätherische Kraft geleitet wurde, so dünn wie die Saiten einer Violine, so dass sie unmöglich hätten hohl sein und als Röhren für komprimierte Luft dienen können. Solche Anschuldigungen sind für jeden, der die Sache gesehen hat, geradezu lächerlich. Auch wird in den betreffenden Zeitungsberichten nichts von den Experimenten, welche Keeley in London und New-Vork öffentlich und in Gegenwart der bedeu-

tu verfugen, aber wer die menschlichen Schwächen kennt,

kann sich diesen Widerstand leicht erklären. Die Menschen

sind im allgemeinen wie Kinder, von denen jedes seine

eigene Art zu leben für die ein/ig richtige hält, und will,

dass jeder denjenigen Götzen anbeten soll, vor dem er

selbst auf den Knieen liegt. Jeder hält sein Ideal für das

einzig wahre und glaubt, seine Liebe dazu dadurch be-

stätigen zu müssen, dass er das Ideal eines anderen hasst.

Es giebt Theologen, die jeden hassen, der nicht ihre eigenen

Ansichten teilt, und Schnapsbrüder, die jedem spinnefeind

sind, der nicht auch gern Schnaps trinkt. Dasselbe Gesetz

übt auf allen Ebenen seine Wirkung aus und das Zeitalter

der persönlichen Freiheit und Toleranz ist noch nicht da.

J. B. in P. — Die gegen den verstorbenen Erfinder

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Keeley gerichteten Angriffe in verschiedenen Zeitungen sind

aus der Luft gegriffen und beruhen, wie viele andere ähnliche

Verleumdungen von verkannten Genies, auf Unverstand und

Bedürfnis nach Sensation. Bei den Versuchen, welche ich

in seinem Laboratorium gesehen habe, waren die Apparate

auf dicken Glasplatten isoliert, und die Drähte, durch welche

die ätherische Kraft geleitet wurde, so dünn wie die Saiten

einer Violine, so dass sie unmöglich hätten hohl sein und

als Röhren für komprimierte Luft dienen können. Solche

Anschuldigungen sind für jeden, der die Sache gesehen hat,

geradezu lächerlich. Auch wird in den betreffenden Zeitungs-

berichten nichts von den Experimenten, welche Keeley in

London und New-York öffentlich und in Gegenwart derbedeu-

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tendsten Physiker und Skeptiker vorführte, erwähnt. Es ist die

alte Erfahrung, dass die menschliche Eitelkeit alles, was sie

nicht begreifen kann, für „Betrug" erklärt. Näheres über die

tendsten Physiker und Skeptiker vorführte, erwähnt. Es ist die alte Erfahrung, dass die menschliche Eitelkeit alles, was sie nicht begreifen kann, für "Betrug" erklärt. Näheres über die ätherische Kraft finden Sie in einer älteren Nummer des "Lotus rouge" in meinem Artikel "Ma visite chez Monsieur Keeley" und in der "Geheimlehre" von n. P. Blavatsky. B. G. in F. - "Der übereilung kann nichts Gutes entwachsen." - In der Januar-Nummer der "Lotusbliithen" hat sich bei der Übersetzung von "Circu!us Bk Summ; Conti,"' Nomina Rtgis" ein Fehler eingeschlichen, und sollte dieselbe lauten: "Dieser Kreis enthält die Namen des höchsten Königs". Da aber der betreffende Kreis das All darstellt, in welchem alles enthalten ist, so sind darin auch alle diese Namen enthalten, und wir hoffen, dass infolge dieser übereilung kein Philologe ins Irrenhaus geraten ist. N. F. in R. - Wir haben nichts dagegen einzuwenden, wenn sich irgend jemand eine Autorität in Glaubenssachen anmasst; denn wir sind nicht dazu da, um über irgend jemanden zu Gericht zu sitzen; wir wünschen nur es allgemein klar zu machen, dass die Theosophie nicht in einem blinden Glauben an irgendwe1che Autoritäten besteht, und dass der Mensch nur dadurch zur Selbsterkenntnis gelangen kann, dass er dem Autoritätenglauben entwächst und selbst urteilen lernt, wozu allerdings noch nicht jeder die nötige Reife besitzt. M. L. in A. - Indem wir Ihnen für Ihren litterarisehen Beitrag höflichst danken, empfehlen wir Ihnen Folgendes zum täglichen Nachdenken: "Geniesse, was dir Gott beschieden, Entbehre gern, was du nicht hast; Doch lass die andem Leut' in Frieden Mit Versen, die du selbst verfasst." K. O. in D. - Die gegen den verstorbenen W. Q. Judge gerichteten Angriffe sind ebenso ungerechtfertigt, wie die gegen H. P. Blavatsky. Wir haben die Beweise davon in

ätherische Kraft finden Sie in einer älteren Nummer des

„Lotus rouge" in meinem Artikel „Mavisite eher Mon-

sieur Keeley" und in der „Geheiralehre" von H.P. Blavatsky.

B. G. in F. — i,Der Übereilung kann nichts Gutes

.

entwachsen." — In der Januar-Nummer der „Lolusblülhen"

hat sich bei der Übersetzung von „Circulus Hic Summt

Continet Nomina R/gis" ein Fehler eingeschlichen, und sollte

dieselbe lauten: „Dieser Kreis enthält die Namen des höch-

sten Königs". Da aber der betreffende Kreis das All dar-

stellt, in welchem alles enthalten ist, so sind darin auch

alle diese Namen enthalten, und wir hoffen, dass infolge

dieser Übereilung kein Philologe ins Irrenhaus geraten ist.

N. K. in R. — Wir haben nichts dagegen einzuwen-

den, wenn sich irgend jemand eine Autorität in Glaubens-

sachen anmasst; denn wir sind nicht dazu da, um über

irgend jemanden zu Gericht zu sitzen; wir wünschen nur

es allgemein klar zu machen, dass die Theosophie nicht in

einem blinden Glauben an irgendwelche Autoritäten besteht,

und dass der Mensch nur dadurch zur Selbsterkenntnis

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gelangen kann, dass er dem Autoritätenglauben entwächst

und selbst urteilen lernt, wozu allerdings noch nicht jeder

die nötige Reife besitzt.

M. L. in A. — Indem wir Ihnen für Ihren litterari-

schen Beitrag höflichst danken, empfehlen wir Ihnen Fol-

gendes zum täglichen Nachdenken:

„Geniesse, was dir Gott beschieden,

Entbehre gern, was du nicht hast;

Doch lass die andern Leut' in Frieden

Mit Versen, die du selbst verfasst."

K. O. in D. — Die gegen den verstorbenen W. Q. Judge

gerichteten Angriffe sind ebenso ungerechtfertigt, wie die

gegen H. P. Blavatsky. Wir haben die Beweise davon in

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Händen, überlassen es aber anderen Leuten, für sich Re-

klame zu machen, indem sie einen alten Kaffeeklatsch an

die grosse Glocke hängen. Unsere Leser haben kein Interesse

HInden , überlassen es aber anderen Leuten, rur sich Reklame zu machen, indem sie einen allen Kaffeeklatsch an die grosse Glocke hängen. Unsere Leser haben kein Interesse dafür. Man sagt, dau wer tolerant gegen die Lüge, intolerant gegen die Wahrheit sei. Aber die Wahrheit bt:darf keiner Verteidigung. Wo sie erscheint, verschwindet die Lüge. Die Erkenntnhs der Wahrheit mass sich jeder ,.elber erringen. Ehe wir es unternehmen, gewissen Verlellmdangeo gegenüber zu treten und diejenigen aufzuklären, welche nicht aufgeklärt sein wollen, werden wir lieber warten, bi~ der "Nürnberger Trichter" erfunden ist. H. G. in T. - Nachdem wir der portofreien Rücksendung unbrauchbarer Manuskripte bereits ein kleines Vermögen geopfert haben, beabsichtigen wir von dieser Praxil abzustehen, und dergleichen Beiträge. denen kein RÜCkporto beigelegt ist, direkt dem Papierkorb zu übergeben. Für das Lesen längerer Gedichte verlangt unser Hausknetht eine Extra-Remuneration. L. B. in A. (Holland). - Ob die Befriedigung gewisser Gelüste als ein Recht oder ein Unrecht zu betrachten ist, hängt davon ab, welchen Standpunkt der Mensch einnehmen will. Der Mensch ist einerseits ein göttliches Wesen; mdererseits ein Tier. Will er, dass seine göttliche Natur in ihm offenbar werde, so muss er sich über den tierischen Standpunkt erheben. Will er ein Tier bleiben oder werden, so steht es ihm frei, seiner Tiernatur gehorsam zu sein. Alle sozialen Übel haben ihren Ursprung darin, dass der gewöhnliche Mensch seine wahre göttliche Natur nicht kennt. Die Erkenntnis derselben i~t Theosophie. Auch ist mit einer nur theoretischen Kenntnis des Vorhandenseins derselben nicht viel gedient. Die wahre Erkenntnis wird nur durch die Erfahrung erlangt. Der Mensch muss sich thatsiichlich veredeln und üher die tierische Natur hinauswachsen, wenn seine höhere Natur in ihm erwachen und er sich derselben bewusst werden und darnach handeln soll.

dafür. Man sagt, dass wer tolerant gegen die Lüge, intolerant

gegen die Wahrheit sei. Aber die Wahrheit bedarf keiner

Verteidigung. Wo sie erscheint, verschwindet die Lüge.

Die Erkenntnis der Wahrheit muss sich jeder selber er-

ringen. Ehe wir es unternehmen, gewissen Verleumdungen

gegenüber zu treten und diejenigen aufzuklären, welche

nicht aufgeklärt sein wollen, werden wir lieber warten, bis'

der „Nürnberger Trichter" erfunden ist.

H. G. in T. — Nachdem wir der portofreien Rück-

sendung unbrauchbarer Manuskripte bereits ein kleines Ver-

mögen geopfert haben, beabsichtigen wir von dieser Praxis

abzustehen, und dergleichen Beiträge, denen kein Rückporto

beigelegt ist, direkt dem Papierkorb zu übergeben. Für

das Lesen längerer Gedichte verlangt unser Hausknecht

eine Extra-Remuneration.

L. B. in A. (Holland). — Ob die Befriedigung ge-

wisser Gelüste als ein Recht oder ein Unrecht zu betrachten

ist, hängt davon ab, welchen Standpunkt der Mensch ein-

nehmen will. Der Mensch ist einerseits ein göttliches Wesen,

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andererseits ein Tier. Will er, dass seine göttliche Natur

in ihm offenbar werde, so muss er sich über den tierischen

Standpunkt erheben. Will er ein Tier bleiben oder werden,

so steht es ihm frei, seiner Tiernatur gehorsam zu sein.

Alle sozialen Übel haben ihren Ursprung darin, dass der

gewöhnliche Mensch seine wahre göttliche Natur nicht kennt.

Die Erkenntnis derselben ist Theosophie. Auch ist mit einer

nur theoretischen Kenntnis des Vorhandenseins derselben

nicht viel gedient. Die wahre Erkenntnis wird nur durch

die Erfahrung erlangt. Der Mensch muss sich thatsächlich

veredeln und über die tierische Natur hinauswachsen, wenn

seine höhere Natur in ihm erwachen und er sich derselben

bewusst werden und darnach handeln soll.

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Michael de Molinos.

Biographisches.

Es sind jetzt über zweihundert Jahre her,

als ein neapolitanischer Mönch Namens Alber-

tini nach Rom mit der Absicht kam, ein von

ihm verfasstes Werk über Theologie zu ver-

öffentlichen, und durch die Verwendung des

Staatssekretärs, Kardinal Cibo, erhielt er zur

Wohnung ein Zimmer im Vatikan. Aber sein

Werk erhielt nicht die Zustimmung des geist-

lichen Kollegiums, und er verschaffte sich des-

halb eine Druckerpresse, um es selbst heimlich

zu drucken. Es war einer der heissesten Tage

im August 1685, als Albertini mit dieser Arbeit

beschäftigt war, und der Hitze wegen hatte er

sich nur aufs Notdürftigste bekleidet. Da sah

er, dass eine Abteilung päpstlicher Polizei von

Michael de Molinos.

dem Eingange seiner Wohnung Besitz ergriff,

und in seiner Angst flüchtete er sich ohne

Lotusblüttien LXXX. 01

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Biographisches. Es sind jetzt über zweihundert Jahre her, als ein neapolitanischer ~önch Namens Albertini nach Rom mit der Absicht kam, ein von ihm verfasstes Werk über Theologie zu veröffentlichen, und durch die Verwendung des Staatssekretärs, Kardinal eibo, erhielt er zur Wohnung ein Zimmer im Vatikan. Aber sein Werk erhielt nicht die Zustimmung des geistlichen Kollegiums, und er verschaffte sich deshalb eine Druckerpresse, um es selbst heimlich zu drucken. Es war einer der heissesten Tage im August 1685, als Albertini mit dieser Arbeit beschäftigt war, und der Hitze wegen hatte er sich nur aufs Notdürftigste bekleidet. Da sah er, dass eine Abteilung päpstlicher Polizei von dem Eingange seiner Wohnung Besitz ergriff, und in seiner Angst flüchtete er sich ohne Lotusblüthen LXXX.

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weiteres durch ein Fenster auf das Dach und

von dort in die nächste Luke, welche er offen

fand, in das dahinter befindliche Gemach. Dies

weiteres durch ein Fenster auf das Dach und von dort in die nächste Luke, welche er offen fand, in das dahinter befindliche Gemach. Dies war nun zufälligerweise die Wohnung der "Büsserinnen" , eine Art von Gefängnis, in welchem die "donne male maritate", d. h. Frauen und Mädchen von zweideutigem Charakter eingesperrt waren, und unter diesen erregte das plötzliche Erscheinen eines so leicht bekleideten Mannes begreiflicherweise grosses Aufsehen, um so mehr, als Albertini mit einer der Insassen nicht unbekannt war, und sie natürlich annahmen, dass er gekommen sei, um dieser einen Besuch abzustatten. Sei es aus Bestürzung oder Eifersucht, die Klosterglocke wurde gezogen, und bald füllte sich das Gemach mit neugierigen und lärmenden Weibern. Endlich gelang es ihm die Sache zu erklären, und man erlaubte ihm unbehelligt auf demselben Wege in seine Wohnung zurückzukehren, die er aber schleunigst mit einem sichereren Aufenthalte ausserhalb der päpstlichen Polizeisphäre vertauschte. Albertini -hatte unnötigerweise Schrecken gehabt, denn die Aufmerksamkeit der Polizei galt nicht ihm, sondern einem andern Mönche, Namens Michael de Molinos , der auch im

war nun zufälligerweise die Wohnung der

„Büsserinnen", eine Art von Gefängnis, in wel-

chem die „donne male maritate", d. h.

Frauen und Mädchen von zweideutigem Cha-

rakter eingesperrt waren, und unter diesen er-

regte das plötzliche Erscheinen eines so leicht

bekleideten Mannes begreiflicherweise grosses

Aufsehen, um so mehr, als Albertini mit einer

der Insassen nicht unbekannt war, und sie na-

türlich annahmen, dass er gekommen sei, um

dieser einen Besuch abzustatten. Sei es aus

Bestürzung oder Eifersucht, die Klosterglocke

wurde gezogen, und bald füllte sich das Ge-

mach mit neugierigen und lärmenden Weibern.

Endlich gelang es ihm die Sache zu erklären,

und man erlaubte ihm unbehelligt auf dem-

selben Wege in seine Wohnung zurückzukehren,

die er aber schleunigst mit einem sichereren

Aufenthalte ausserhalb der päpstlichen Polizei-

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sphäre vertauschte.

Albertini hatte unnötigerweise Schrecken

gehabt, denn die Aufmerksamkeit der Polizei

galt nicht ihm, sondern einem andern Mönche,

Namens Michael de Molinos, der auch im

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Vatikan wohnte und sogar ein intimer Freund

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und Ratgeber des damaligen Papstes Inno-

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cenz XL, aber wegen seiner Aufklärung und

wahrer Frömmigkeit den Jesuiten und der „hei-

Vatikan wohnte und sogar ein intimer Freund und Ratgeber des damaligen Papstes Innocenz XI., aber wegen seiner Aufklärung und wahrer Frömmigkeit den Jesuiten und der "heiligen Inquisition" ein Dorn im Fleische war. Er war der Verfasser eines Werkes, genannt "Der geistliche Führer", welches, obgleich es von vielen missverstanden wurde, und durch dieses Missverständnis Veranlassung zur Bildung der Sekte der "Quietisten" gab, dennoch für alle, die seinen Inhalt richtig aufzufassen vermögen, stets einer der vorzüglichsten Führer auf dem Wege zur wahren Selbsterkenntnis bleiben wird. Michael de Molinos war aus einer vornehmen Familie in Aragon, am 2 I. Dezember 1627 geboren, studierte Theologie und veröffentlichte im Jahre 1675 sein Buch, welches innerhalb von sechs Jahren in zwanzig Auflagen erschien, in verschiedene Sprachen übersetzt wurde, und dessen Inhalt es klar machte, dass der Mensch Gott vor allem in dem eigenen Innem und nicht in äusserlichen Dingen suchen soll. Vielleicht lässt sich das Ganze wie folgt zusammenfassen: "Wenn Gott, wie jeder Christ zugeben muss, alleinig, allgegenwärtig und in allen Dingen das wahre und höchste Wesen ist, so ist er auch

ligen Inquisition" ein Dorn im Fleische war.

Er war der Verfasser eines Werkes, genannt

„Der geistliche Führer", welches, obgleich

es von vielen missverstanden wurde, und durch

dieses Missverständnis Veranlassung zur Bildung

der Sekte der „Quietisten" gab, dennoch für

alle, die seinen Inhalt richtig aufzufassen ver-

mögen, stets einer der vorzüglichsten Führer

auf dem Wege zur wahren Selbsterkenntnis

bleiben wird.

Michael de Molinos war aus einer vornehmen

Familie in Aragon, am 21. Dezember 1627 ge-

boren, studierte Theologie und veröffentlichte

im Jahre 1675 sein Buch, welches innerhalb

von sechs Jahren in zwanzig Auflagen erschien,

in verschiedene Sprachen übersetzt wurde, und

dessen Inhalt es klar machte, dass der Mensch

Gott vor allem in dem eigenen Innern und nicht

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in äusserlichen Dingen suchen soll. Vielleicht

lässt sich das Ganze wie folgt zusammenfassen:

„Wenn Gott, wie jeder Christ zugeben muss,

alleinig, allgegenwärtig und in allen Dingen das

wahre und höchste Wesen ist, so ist er auch

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unser wahres und höchstes Selbstbewusstsein,

welches ewig, allumfassend und grenzenlos ist,

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und es bedarf keines äusserlichen Vermittlers

unser wahres und höchstes Selbstbew1ßStsein, welches ewig, allumfassend und grenzenlos ist, und es bedarf keines äusserlichen Vermittlers zwischen uns und unserm wahren Selbstbewusstsein; sondern es handelt sich nur darum, dieses in uns schlummernde Gottesbewusstsein erwachen und sich entfalten zu lassen, was durch den Einfluss der göttlichen Gnade (dem heiligen Geiste der Selbsterkenntnis) geschieht. Hierzu ist es vor allem nötig, das Herz und die Gedanken rein von allem Eigendünkel, Leidenschaften und selbstsüchtigen Begierden zu halten. In einem liebevollen und geläuterten Herzen offenbart sich die Wahrheit von selbst. Priester und Lehrer können uns nur Führer zum Lichte sein, nicht aber die göttliche Gnade an uns verschenken oder verkaufen." Es versteht sich von selbst, dass diese Lehre, so sehr sie auch der Wahrheit entspricht, nicht geeignet war, die kirchlichen Interessen zu fördern und dem Handel mit Sakramenten und Ablässen Vorschub zu leisten. Deshalb musste· MoHnos, so wie vie~e andere, die ähnliches gelehrt hatten, unschädlich gemacht werden, und dass er nicht lebendig verbrannt, sondern nur lebenslänglich eingekerkert wurde, hat er wohl nur der Furcht seiner

zwischen uns und unserm wahren Selbstbewusst-

sein; sondern es handelt sich nur darum, dieses

in uns schlummernde Gottesbewusstsein er-

wachen und sich entfalten zu lassen, was durch

den Einfluss der göttlichen Gnade (dem hei-

ligen Geiste der Selbsterkenntnis) geschieht.

Hierzu ist es vor allem nötig, das Herz und

die Gedanken rein von allem Eigendünkel,

Leidenschaften und selbstsüchtigen Begierden

zu halten. In einem liebevollen und geläuterten

Herzen offenbart sich die Wahrheit von selbst.

Priester und Lehrer können uns nur Führer

zum Lichte sein, nicht aber die göttliche Gnade

an uns verschenken oder verkaufen."

Es versteht sich von selbst, dass diese

Lehre, so sehr sie auch der Wahrheit ent-

spricht, nicht geeignet war, die kirchlichen Inter-

essen zu fördern und dem Handel mit Sakra-

menten und Ablässen Vorschub zu leisten.

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Deshalb musste Molinos, so wie viele andere,

die ähnliches gelehrt hatten, unschädlich ge-

macht werden, und dass er nicht lebendig ver-

brannt, sondern nur lebenslänglich eingekerkert

wurde, hat er wohl nur der Furcht seiner

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Feinde vor seiner grossen Popularität zu ver-

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danken.

Feinde vor seiner grossen Popularität zu verdanken. In der That suchten nicht nur die hervorragendsten Männer und Frauen in Rom, sondern Aufgeklärte unter allen Nationen die Bekanntschaft des Verfassers des "Geistlichen Führers" zu machen, obgleich er nichts anderes lehrte, als was vor ihm schon viele andere Mystiker und christliche "Heilige", 5t. Bonaventura, St. Theresa, Johann vom Kreuz, 5t. Franciscus von Sales und zahlreiche andere gesagt hatten. Der"Geistliche Führer" wurde anfangs sogar von fünf hervorragenden Doktoren der Theologie, wovon vier Inquisitoren waren, geprüft und "approbiert" und allgemein in Kirchen, Klöstern und Schulen eingeführt. In Neapel allein soll Molinos, nach der Aussage von Bischof Gilbert Bumet, mehr als zwanzigtausend Anhänger gehabt haben. "Dieser Molinos ," sagt der Bischof, "hat ein Buch geschrieben, in welchem er lehrt, dass wir bei unsern Gebeten und Andachtsübungen unser Gemüt von allem Irdischen ganz abwenden, und dabei alles eigene Wollen und Thun unterlassen sollen, damit Gott in UDS durch seinen Geist und seine Kraft wirken kann. Aber die Jesuiten sind sehr gegen ihn

In der That suchten nicht nur die hervor-

ragendsten Männer und Frauen in Rom, son-

dern Aufgeklärte unter allen Nationen die

Bekanntschaft des Verfassers des „Geistlichen

Führers" zu machen, obgleich er nichts anderes

lehrte, als was vor ihm schon viele andere

Mystiker und christliche „Heilige", St. Bonaven-

tura, St. Theresa, Johann vom Kreuz, St. Fran-

ciscus von Sales und zahlreiche andere gesagt

hatten. Der „Geistliche Führer" wurde anfangs

sogar von fünf hervorragenden Doktoren der

Theologie, wovon vier Inquisitoren waren, ge-

prüft und „approbiert" und allgemein in Kirchen,

Klöstern und Schulen eingeführt. In Neapel

allein soll Molinos, nach der Aussage von Bi-

schof Gilbert Burnet, mehr als zwanzigtausend

Anhänger gehabt haben.

„Dieser Molinos," sagt der Bischof, „hat

ein Buch geschrieben, in welchem er lehrt,

dass wir bei unsern Gebeten und Andachts-

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übungen unser Gemüt von allem Irdischen ganz

abwenden, und dabei alles eigene Wollen und

Thun unterlassen sollen, damit Gott in uns

durch seinen Geist und seine Kraft wirken

kann. Aber die Jesuiten sind sehr gegen ihn

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aufgebracht, weil sie finden, dass diese Lehren

die Macht des Reiches, welches der Aberglaube

aufgebracht, weil sie finden, dass diese Lehren die Macht des Reiches, welches der Aberglaube errichtet hat, schwächen wird, indem sie die Religion aus einem sehr komplizierten Systeme zu einem höchst einfachen Dinge machen, das sich jeder ohne Kosten verschaffen kann. Deshalb klagen sie ihn der Ketzerei an, und suchen den Papst, der von der Sache wenig versteht, aber sehr für die Heiligkeit von MoHnos eingenommen ist, gegen ihn aufzubringen." Thatsächlich wurden die Anhänger von MoHnos weniger oft in den Kirchen gesehen und waren weniger bereit Geld für Messen zu bezahlen oder ihr Vermögen der Kirche zu opfern. Dieser Zustand konnte nicht länger geduldet werden. Wenn die Menscheu direkt zu Gott gingen, anstatt die Vermittlung der Priester zu suchen, so würde das Einkommen der Kirche bedeutend darunter leiden. Deshalb wurde Alarm geschlagen und gesagt, dass die Religion (welche das Volk so leicht mit kirchlichen Interessen verwechselt) in Gefahr sei, und durch den Einfluss des Kardinals d'Estrees, welcher hierzu von König Louis XIV. von Frankreich beauftragt war, wurde Molinos gefangen gesetzt und verfiel der Inquisition. Zu den Anhängern von Molinos gehörte

errichtet hat, schwächen wird, indem sie die

Religion aus einem sehr komplizierten Systeme

zu einem höchst einfachen Dinge machen, das

sich jeder ohne Kosten verschaffen kann. Des-

halb klagen sie ihn der Ketzerei an, und suchen

den Papst, der von der Sache wenig versteht,

aber sehr für die Heiligkeit von Molinos ein-

genommen ist, gegen ihn aufzubringen."

Thatsächlich wurden die Anhänger von

Molinos weniger oft in den Kirchen gesehen

und waren weniger bereit Geld für Messen zu

bezahlen oder ihr Vermögen der Kirche zu

opfern. Dieser Zustand konnte nicht länger

geduldet werden. Wenn die Menscheu direkt

zu Gott gingen, anstatt die Vermittlung der

Priester zu suchen, so würde das Einkommen

der Kirche bedeutend darunter leiden. Des-

halb wurde Alarm geschlagen und gesagt, dass

die Religion (welche das Volk so leicht mit

kirchlichen Interessen verwechselt) in Gefahr

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sei, und durch den Einfluss des Kardinals

d'Estrees, welcher hierzu von König Louis XIV.

von Frankreich beauftragt war, wurde Molinos

gefangen gesetzt und verfiel der Inquisition.

Zu den Anhängern von Molinos gehörte

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-

unter andern auch die Königin Christina von

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Schweden. Hätte sie dessen Lehre richtig ver-

standen, so hätte sie nicht aus Eigenwillen ihrer

Krone entsagt und ihre Religion geändert, son-

dern die ihr von Gott auferlegten Pflichten

erfüllt, und sich dadurch ein lächerliches Ende

erspart. Wer dem Irdischen entsagen will,

muss vor allem über seine eigenen persönlichen

Wünsche und Begierden erhaben sein. Die

Thronentsagung Christinas war kein von Gott

gefordertes Opfer, sondern eine selbstgefällige

Spielerei.

Vor seiner Gefangennahme hatte Molinos

unzählige Freunde, die ihn zum Himmel er-

hoben; aber als die „heilige Inquisition" ihn

mit ihrem schleimigen Polypenarme erfasst

hatte, gab es nur mehr wenige, die den Mut

hatten, für ihn aufzutreten. Papst Innocenz XI.

war siebzig Jahre alt, kränklich, misstrauisch

und machtlos. Zahlreiche Anhänger von Mo-

linos wurden eingekerkert und gingen in den

Kerkern zu Grunde. Viele wurden durch die

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Folter zu angeblichen Geständnissen gezwun-

gen und an den Galgen oder die Galeeren

gesandt. Die Gefängnisse waren überfüllt, und

die Inquisitoren hatten sogar die Frechheit,

den Papst selbst, dessen freundliche Gesinnung

unter andern auch die Königin Christina von Schweden. Hätte sie dessen Lehre richtig verstanden, so hätte sie nicht aus Eigenwillen ihrer Krone entsagt und ihre Religion geändert, sondern die ihr von Gott auferlegten Pflichten erfüllt, und sich dadurch ein lächerliches Ende erspart. Wer dem Irdischen entsagen will, muss vor allem über seine eigenen persönlichen Wünsche und Begierden erhaben sein. Die Thronentsagung Christinas war kein von Gott gefordertes Opfer, sondern eine selbstgefällige Spielerei. Vor seiner Gefangennahme hatte Molinos unzählige Freunde, die ihn zum Himmel erhoben; aber als die "heilige Inquisition" ihn mit ihrem schleimigen Polypenarme erfasst hatte, gab es nur mehr wenige, die den Mut hatten, für ihn aufzutreten. Papst Innocenz XI. war siebzig Jahre alt, kränklich, misstrauisch und machtlos. Zahlreiche Anhänger von Mo.. linos wurden eingekerkert und gingen in den Kerkern zu Grunde. Viele wurden durch die . Folter zu angeblichen Geständnissen gezwungen und an den Galgen oder die Galeeren gesandt. Die Gefängnisse waren überfüllt, und die Inquisitoren hatten sogar die Frechheit, den Papst selbst, dessen freundliche Gesinnung

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— 3°4 —

gegen Molinos bekannt war, der Ketzerei zu

verdächtigen, und eine Kommission an ihn zu

gegen Molinos bekannt war, der Ketzerei zu verdächtigen, und eine Kommission an ihn zu senden, um gegen ihn, nicht in seiner Eigenschaft als Nachfolger von St. Peter, sondern als Benedikt Odescalchi, eine Untersuchung einzuleiten. Endlich, nachdem Molinos zweiundzwanzig Monate lang in einem engen Kerker geschmachtet hatte und mehrfach gefoltert worden war, mit der Absicht, Geständnisse von ihm zu erzwingen, und nachdem man alle möglichen Mittel angewandt hatte, um wenigstens den Anschein einer Schuld gegen ihn aufzubringen, wurde er vor das Gericht der Inquisition gebracht, um sein Urteil zu hören. Am Morgen des 3. September 1687 war die Kirche Santa Maria Sopra Minerva in Rom schon frühzeitig mit Zuschauern überfüllt. Die Logen waren von den'Vornehmen und Prälaten in Besitz genommen. Das Kardinalskollegium, ~er General der Inquisition und seine Beamten hatten auf einer erhöhten Bühne Platz genommen. Man kämpfte um Einlass; denn schon' mehrere Tage vorher hatte man dem Volke verkündigt, dass jeder, der dieser Ceremonie des auto da fe beiwohnen würde, einen fünfzehnjährigen Ablass aus dem Fegefeuer erhalten

senden, um gegen ihn, nicht in seiner Eigen-

schaft als Nachfolger von St. Peter, sondern als

Benedikt Odescalchi, eine Untersuchung ein-

zuleiten.

Endlich, nachdem Molinos zweiundzwanzig

Monate lang in einem engen Kerker geschmach-

tet hatte und mehrfach gefoltert worden war,

mit der Absicht, Geständnisse von ihm zu er-

zwingen, und nachdem man alle möglichen

Mittel angewandt hatte, um wenigstens den

Anschein einer Schuld gegen ihn aufzubringen,

wurde er vor das Gericht der Inquisition ge-

bracht, um sein Urteil zu hören.

Am Morgen des 3. September 1687 war

die Kirche Santa Maria Sopra Minerva in Rom

schon frühzeitig mit Zuschauem überfüllt. Die

Logen waren von den Vornehmen und Prälaten

in Besitz genommen. Das Kardinalskollegium,

der General der Inquisition und seine Beamten

hatten auf einer erhöhten Bühne Platz genom-

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men. Man kämpfte um Einlass; denn schon

mehrere Tage vorher hatte man dem Volke

verkündigt, dass jeder, der dieser Ceremonie

des auto da fe beiwohnen würde, einen fünf-

zehnjährigen Ablass aus dem Fegefeuer erhalten

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werde. Seidene Gewänder rauschten und Fächer

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bewegten sich; es war ein Jubelfest des Pfaffen-

werde. Seidene Gewänder rauschten und Fächer bewegten sich; es war ein Jubelfest des Pfaffentums, wie es die Leute nicht mehr gesehen hatten seit dem Tage, als die Kirche ihren Triumph über die Lehre Galileos von der Drehung der Erde gefeiert hatte. Begrüssungen wurden unter Bekannten ausgetauscht, Witze gerissen, neue Bekanntschaften angeknüpft, Höflichkeiten und Schmeicheleien gewechselt, und der eigentliche Grund der Zusammenkunft beinahe vergessen. Plötzlich verstummte alles, die Fächer hörten auf zu spielen und alle Blicke waren auf eine Seitenthüte neben der Bühne gerichtet. Ein ältlicher Mönch, von einem Kerkermeister begleitet, trat ein und näherte sich mit ruhigem Schritt der Bühne. Seine Hände waren vor seiner Brust gefesselt und in einer derselben hielt er eine brennende Kerze. Ohne ein Zeichen der Erregung nahm er den ihm angewiesenen Platz vor den Kardinälen und den Grossinquisitoren ein. Molinos, auf den nun alle Blicke gerichtet waren, war ungefähr 60 Jahre alt, von stattlicher Gestalt und würdevollem, ja majestätischem Äussem. Ein Ausdruck von Resignation war auf seinem Gesichte zu lesen. Er trug

tums, wie es die Leute nicht mehr gesehen

hatten seit dem Tage, als die Kirche ihren

Triumph über die Lehre Galileos von der

Drehung der Erde gefeiert hatte. Begrüssungen

wurden unter Bekannten ausgetauscht, Witze

gerissen, neue Bekanntschaften angeknüpft,

Höflichkeiten und Schmeicheleien gewechselt,

und der eigentliche Grund der Zusammenkunft

beinahe vergessen.

Plötzlich verstummte alles, die Fächer hörten

auf zu spielen und alle Blicke waren auf eine

Seitenthüre neben der Bühne gerichtet. Ein

ältlicher Mönch, von einem Kerkermeister

begleitet, trat ein und näherte sich mit ruhigem

Schritt der Bühne. Seine Hände waren vor

seiner Brust gefesselt und in einer derselben

hielt er eine brennende Kerze. Ohne ein

Zeichen der Erregung nahm er den ihm an-

gewiesenen Platz vor den Kardinälen und den

Grossinquisitoren ein.

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Molinos, auf den nun alle Blicke gerichtet

waren, war ungefähr 60 Jahre alt, von statt-

licher Gestalt und würdevollem, ja majestäti-

schem Äussern. Ein Ausdruck von Resignation

war auf seinem Gesichte zu lesen. Er trug

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das Kleid des Ordens, dem er angehörte, und

der beschmutzte und zerrissene Zustand, in

das Kleid des Ordens, dem er angehörte, und der beschmutzte und zerrissene Zustand, in dem sich dasselbe befand, zeugte davon, dass es ihm während seiner fast zweijährigen Kerkerhaft nicht gestattet worden war, dasselbe zu wechseln. Seine Blossstellung schien keinen andem Eindruck als den des Mitleids mit seinen Verfolgern auf ihn zu machen. Sein Gesichtsausdruck sagte mit mehr Beredsamkeit als Worte es hätten ausdrücken können: "Dies ist die Stunde, in der die Dummheit mächtig ist". Die ganze Scene wird von Estiennat, der als Zuschauer gegenwärtig war, genau beschrieben. Folgendes ist nur ein Auszug aus seiner Beschreibung. "In der Kirche war kein Platz mehr zu finden. Wir zählten über ftinfzig Logen, die mit Herren und Damen aus dem höchsten Adel geftillt waren. Die übrigen wurden von Prälaten, Geistlichen, Seminaristen u. dergl. in Besitz genommen. MoHnos stand vor dem Obertribunal der Inquisition und den Kardinälen. In seinen gefesselten Händen hielt er eine brennende Kerze. Neben ihm stand ein Wachmann, der ihm von Zeit zu Zeit den Schweiss von der Stirne wischte. Von der Kanzel in seiner Nähe las ein Dominikanermönch mit

dem sich dasselbe befand, zeugte davon, dass

es ihm während seiner fast zweijährigen Kerker-

haft nicht gestattet worden war, dasselbe zu

wechseln. Seine Biossstellung schien keinen

andern Eindruck als den des Mitleids mit seinen

Verfolgern auf ihn zu machen. Sein Gesichts-

ausdruck sagte mit mehr Beredsamkeit als

Worte es hätten ausdrücken können: „Dies ist

die Stunde, in der die Dummheit mächtig ist".

Die ganze Scene wird von Estiennat, der

als Zuschauer gegenwärtig war, genau be-

schrieben. Folgendes ist nur ein Auszug aus

seiner Beschreibung.

„In der Kirche war kein Platz mehr zu

finden. Wir zählten über fünfzig Logen, die

mit Herren und Damen aus dem höchsten Adel

gefüllt waren. Die übrigen wurden von Prä-

laten, Geistlichen, Seminaristen u. dergl. in Besitz

genommen. Molinos stand vor dem Ober-

tribunal der Inquisition und den Kardinälen.

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In seinen gefesselten Händen hielt er eine

brennende Kerze. Neben ihm stand ein Wach-

mann, der ihm von Zeit zu Zeit den Schweiss

von der Stirne wischte. Von der Kanzel in

seiner Nähe las ein Dominikanermönch mit

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lauter Stimme die gegen Molinos vorgebrachten

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Anschuldigungen. Dies dauerte ungefähr drei

laut-er Stimme die gegen MoHnos vorgebrachten Anschuldigungen. Dies dauerte ungefähr drei .Stunden; dennoch zeigte der Gesichtsausdruck von MoHnos keine Veränderung und er verlor auch seine Ruhe nicht, als mehrere Male während des Vorlesens die Menge in den Ruf ausbrach: "Zum Feuer! Zum Feuer!" (fuoco, fuoco). Er beugte nicht einmal das Haupt, als die Namen von Jesus und Maria erwähnt wurden. Die meisten der gegen MoHnos vorgebrachten Beschuldigungen, nämlich 86 Punkte der Dogmatik und andere persönliche Verdächtigungen , sind geradezu lächerlich. So wurde "er z. B. angeklagt in 22 Jahren nicht gebeichtet zu haben, weil er angeblich sich keiner Sünde bewusst sei. Ferner soll er den Freitag nicht immer als Fasttag beachtet, seinen Jüngern Voraussagungen gemacht und einem derselben ein Kleidungsstück mit dem Bemerken geschenkt haben, er solle es aufbewahren, da es nach seinem Tode als eine Reliquie Wert haben werde. Weiter hiess es, dass er zwei Damen geküsst und dass er einmal gesagt hätte, die heilige Inquisition hätte nicht Verstand und Erfahrung genug, um seine Schriften zu verstehen."

Stunden; dennoch zeigte der Gesichtsausdruck

von Molinos keine Veränderung und er verlor

auch seine Ruhe nicht, als mehrere Male wäh-

rend des Vorlesens die Menge in den Ruf

ausbrach: „Zum Feuer! Zum Feuer!" (fuoco,

fuoco). Er beugte nicht einmal das Haupt,

als die Namen von Jesus und Maria erwähnt

wurden.

Die meisten der gegen Molinos vorgebrach-

ten Beschuldigungen, nämlich 86 Punkte der

Dogmatik und andere persönliche Verdächti-

gungen, sind geradezu lächerlich. So wurde

er z. B. angeklagt in 22 Jahren nicht gebeichtet

zu haben, weil er angeblich sich keiner Sünde

bewusst sei. Ferner soll er den Freitag nicht

immer als Fasttag beachtet, seinen Jüngern

Voraussagungen gemacht und einem derselben

ein Kleidungsstück mit dem Bemerken geschenkt

haben, er solle es aufbewahren, da es nach

seinem Tode als eine Reliquie Wert haben

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werde. Weiter hiess es, dass er zwei Damen

geküsst und dass er einmal gesagt hätte, die

heilige Inquisition hätte nicht Verstand und

Erfahrung genug, um seine Schriften zu ver-

stehen."

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— 308 —

Es wäre eine Verschwendung von Zeit und

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Papier, heute die 86 Punkte der Dogmatik,

Es wäre eine Verschwendung von Zeit und

gegen die Molinos Verstössen haben sollte,

wieder zu besprechen. Sein angeblicher „Wider-

Papier, heute die 86 Punkte der Dogmatik, gegen die Molinos verstossen haben sollte, wieder zu besprechen. Sein angeblicher" Widerruf" bestand darin, dass er sagte, er erkenne, dass die heilige Inquisition mächtiger sei .als seine Lehren und dass er sich der Kirche in allen Dingen unterwerfe. Er wurde hierauf dazu verurteilt, für den Rest seines Lebens in einer kleinen Kammer (in piccola camera) eingesperrt zu werden, das Büsserkleid mit dem Zeichen des Kreuzes zeitlebens zu tragen, das apostolische Glaubensbekenntnis täglich und den dritten Teil des Rosenkranzes in jeder Woche laut abzubeten, viermal des Jahres zu beichten und mit Erlaubnis des Beichtvaters die "Kommunion" zu empfangen. So endete diese Tragikomödie. Alle seine Schriften wurden verboten und verdammt. Nachdem das Urteil gesprochen war, wurde ihm das Ordenskleid abgenommen und das Büssergewand angezogen. Dann führte man ihn vor den Beamten der Inquisition, vor welchem Molinos angeblich seine Irrtümer widerrufen haben soll, und dann in den Kerker der Inquisition, den er nicht mehr verliess, bis nach zehn Jahren der Tod seinen Leiden ein

ruf" bestand darin, dass er sagte, er erkenne,

dass die heilige Inquisition mächtiger sei als

seine Lehren und dass er sich der Kirche in

allen Dingen unterwerfe. Er wurde hierauf

dazu verurteilt, für den Rest seines Lebens in

einer kleinen Kammer (in piccola camera)

eingesperrt zu werden, das Büsserkleid mit

dem Zeichen des Kreuzes zeitlebens zu tragen,

das apostolische Glaubensbekenntnis täglich

und den dritten Teil des Rosenkranzes in jeder

Woche laut abzubeten, viermal des Jahres zu

beichten und mit Erlaubnis des Beichtvaters

die „Kommunion" zu empfangen. So endete

diese Tragikomödie. Alle seine Schriften wurden

verboten und verdammt.

Nachdem das Urteil gesprochen war, wurde

ihm das Ordenskleid abgenommen und das

Büssergewand angezogen. Dann führte man

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ihn vor den Beamten der Inquisition, vor

welchem Molinos angeblich seine Irrtümer

widerrufen haben soll, und dann in den Kerker

der Inquisition, den er nicht mehr verliess, bis

nach zehn Jahren der Tod seinen Leiden ein

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3°9 -

Ende machte. Die Entscheidung des Inquisi-

tionsgerichtes wurde vom Papst Alexander VIII.

sogleich bestätigt.

Ende machte. Die Entscheidung des Inquisitionsgerichtes wurde vom Papst Alexander VllI. sogleich bestätigt. Die ganze Lehre von Michael de Molinos handelt von nichts anderem, als von einer Ergebung in den göttlichen Willen, d. h. nicht eine Ergebung in ein unbekanntes Nichts, sondern ein Aufgehen des persönlichen Willens im selbstbewussten Willen der Gottheit, die ohne jede menschliche Beihilfe in einem liebevollen und geläuterten Herzen sich offenbart. Da aber nur wenig Menschen geneigt sind, den ersten Schritt zu dieser innerlichen Vereinigung zu machen, und die erste und unerlässliche Bedingung zu erfüllen, ohne welche der Wille Gottes in uns nicht zu unserm Bewusstsein kommen, und keine innerliche Erleuchtung stattfinden kann, so werden auch die Lehren von Molinos heute noch, so wie damals, von vielen, die für seine Anhänger gelten, verkehrt aufgefasst. So hat sich unter seinen angeblichen Nachfolgem eine Sekte von "Quietisten" gebildet, welche meinen, man brauche, auch in äusserlichen Dingen, nichts zu thun und die Hände nicht zu rühren, sondern könne alles getrost "Gott" überlassen. Dieser Irrtum hat seinen Ursprung darin,

Die ganze Lehre von Michael de Molinos

handelt von nichts anderem, als von einer

Ergebung in den göttlichen Willen, d. h. nicht

eine Ergebung in ein unbekanntes Nichts, son-

dern ein Aufgehen des persönlichen Willens

im selbstbewussten Willen der Gottheit, die

ohne jede menschliche Beihilfe in einem liebe-

vollen und geläuterten Herzen sich offenbart.

Da aber nur wenig Menschen geneigt sind, den

ersten Schritt zu dieser innerlichen Vereinigung

zu machen, und die erste und unerlässliche

Bedingung zu erfüllen, ohne welche der Wille

Gottes in uns nicht zu unserm Bewusstsein

kommen, und keine innerliche Erleuchtung

stattfinden kann, so werden auch die Lehren

von Molinos heute noch, so wie damals, von

vielen, die für seine Anhänger gelten, verkehrt

aufgefasst. So hat sich unter seinen angeb-

lichen Nachfolgern eine Sekte von „Quietisten"

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gebildet, welche meinen, man brauche, auch

in äusserlichen Dingen, nichts zu thun und die

Hände nicht zu rühren, sondern könne alles

getrost „Gott" überlassen.

Dieser Irrtum hat seinen Ursprung darin,

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— 3io —

3 10

dass die meisten Menschen Gott für ein äusser-

liches, unbekanntes, fernstehendes Wesen halten,

welches, sozusagen, die Oberaufsicht über alles

dass die meisten Menschen Gott fur ein äusserliches, unbekanntes, fernstehendes Wesen halten, welches, sozusagen, die Oberaufsicht über alles führt und die Geschäfte der Menschen besorgt, anstatt dass sie in ihm das Gesetz erkennen, welches in ihnen selbst offenbar werden soll, damit sie als bewusste Werkzeuge und in Übereinstimmung mit der göttlichen Natur den Willen Gottes ausführen können. Niemand kann sich in einen göttlichen Willen ergeben, den er nicht kennt; auch teilt Gott den Menschen seinen Willen nicht durch äusserliche Befehle und Anordnungen mit; aber wo der Eigensinn des Menschen schweigt und die Seele, von allen irdischen Begierden frei, sich zum Ewigen erhebt, da wird der göttliche Wille offenbar. Den Weg hierzu hat uns MoHnos in seinem "Geistlichen Führer" gezeigt,1)

führt und die Geschäfte der Menschen besorgt,

anstatt dass sie in ihm das Gesetz erkennen,

welches in ihnen selbst offenbar werden soll,

damit sie als bewusste Werkzeuge und in Über-

einstimmung mit der göttlichen Natur den

Willen Gottes ausführen können. Niemand kann

sich in einen göttlichen Willen ergeben, den

er nicht kennt; auch teilt Gott den Menschen

seinen Willen nicht durch äusserliche Befehle

und Anordnungen mit; aber wo der Eigensinn

des Menschen schweigt und die Seele, von

allen irdischen Begierden frei, sich zum Ewigen

erhebt, da wird der göttliche Wille offenbar.

Den Weg hierzu hat uns Molinos in seinem

„Geistlichen Führer" gezeigt.1)

*) Demnächst erscheint im Verlage von Wilhelm Friedrich

in Leipzig: „Der geistige Führer, welcher die Seele

frei macht und sie auf dem inneren Wege zur Erlangung

vollkommener Anschauung führt und der reiche Schatz inner-

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lichen Friedens, niedergeschrieben von Dr. Michael de

Molinos, Priester. Gedruckt im Jahre 1699. Übersetzt

ans dem Englischen."

5f

1) Demnächst erscheint im Verlage von Wilhelm Frieclrich in Leipzig: "Der geistige Führer, welcher die Seele frei macht und sie auf dem inneren Wege zar Erlangang vollkommener Anschauung fiihrt und der reiche Schatz innerlichen Friedens, niedergeschrieben von Dr. Michael de Molinos, Priester. Gedruckt im Jahre 1699. Übersetzt aUI dem Englischen."

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.

4fr

Die Bhagavad Gita

oder

Das Hohe Lied.

(Fortsetzung.)

XIII.

Kschetrakschetredschnavibhägayoga.

VON DER ERLANGUNG DER WAHREN

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ERKENNTNIS VERMITTELST DER UNTERSCHEI-

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DUNG ZWISCHEN DEM GEISTIGEN UND DEM

STOFFLICHEN.

Ardschuna.

Die Bhagavad Gita

1 Gern möcht' ich nun, o Herr, dich reden hören

Von diesen Leibern, die zu leben scheinen,

Und von der Seele, die das Wahre sieht.

oder

Worin besteht die Täuschung der Erscheinung?

Das Hohe Lied.

Krischna.

2 O Erdensohn, der Stoff, den du erblickst

IstKschetra (das „Gefäss"), ein Spielplatz ist's,

(Fortsetzung.)

In dem des Lebens Kräfte sich bewegen.

Was wahrnimmt ist Kschetradschna (oder

XIII.

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„Geist").

Kschetrakschetredschnavibhagayoga. VON DER ERLANGUNG DER WAHREN ERKENNTNIS VERMITTELST DER UNTERSCHEIDUNG ZWISCHEN DEM GEISTIGEN UND DEM STOFFLICHEN.

Ardschuna. I

Gern möcht' ich nun, 0 Herr, dich reden hören Von diesen Leibern, die zu leben scheinen, Und von der Seele, die das Wahre sieht. Worin besteht die Täuschung der Erscheinung? Krischna.

2

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0 Erdensohn, der Stoff, den du erblickst Ist Kschetra (das "Gefäss"), ein Spielplatz ist'.:;, In dem des Lebens Kräfte sich bewegen. Was wahrnimmt ist Kschetradschna (oder "Geist").

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— 312 —

-

3 Ich bin die Seele, die in allen Dingen

Enthalten ist; die wahrnimmt und erkennt.

3 12

Die wirkliche Erkenntnis ist nur jene,

3 Ich

bin die Seele, die in allen Dingen Enthalten ist; die wahrnimmt und erkennt, Die wirkliche Erkenntnis ist nur jene, Die in sich selbst das, was sie ist, erkennt,

Die in sich selbst das, was sie ist, erkennt.

4 So höre denn, was jener Spielraum ist,

Was sich ihm eignet und woher er stammt;

Was ihn verändert und was ihn belebt

Und ihm den Schein der eig'nen Grösse leiht.

5 Die Elemente, das bewusste Leben,

Gemüt und unsichtbare Geisteskraft,

Die äuss're Körperform mit ihren Thoren

Und die fünf Sinne bilden das Gefäss,

6 Das sich die Seele baut. Abneigung, Neigung,

4 So

höre denn, was jener Spielraum ist, Was sich ihm eignet und woher er stammt; Was ihn verändert und was ihn belebt Und ihm den Schein der eig'nen Grösse leiht. 5 Die Elemente, das bewusste Leben, Gemüt und unsichtbare Geisteslaaft, Die äuss're Körperform mit ihren Thoren Und die funf Sinne bilden das Gefass, 6 Das sich d'ie Seele baut. Abneigung, Neigung, Empfindung, Eigenwille, Lust und Schmerz, Denkfähigkeit und Selbstbewusstsein sind Die Eigenschaften, die ihm angehören, 7 Bescheidenheit, Aufrichtigkeit, Geduld, Rechtschaffenheit und Unschuld, Reinheit, Treue, Beständigkeit und Starkmut, Selbstbeherrschung, Ehrfurcht für Heiliges und Wahrheitsliebe, 8 Verachtung sinnlicher Vergnügungen, Erkenntnis all des Übels, das Geburt Verursacht (näm lich: Alter, .Iuankheit, Schmerz Und Tod der Dinge, die vergänglich sind), 9 Dann Geistesgrösse und Erhabenheit, Nichtüberschätzung der Familienbande,

Empfindung, Eigenwille, Lust und Schmerz,

Denkfähigkeit und Selbstbewusstsein sind

Die Eigenschaften, die ihm angehören.

7 Bescheidenheit, Aufrichtigkeit, Geduld,

Rechtschaffenheit und Unschuld, Reinheit, Treue,

Beständigkeit und Starkmut, Selbstbeherrschung,

Ehrfurcht für Heiliges und Wahrheitsliebe,

8 Verachtung sinnlicher Vergnügungen,

Erkenntnis all des Übels, das Geburt

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Verursacht (nämlich: Alter, Krankheit, Schmerz

Und Tod der Dinge, die vergänglich sind),

9 Dann Geistesgrösse und Erhabenheit,

Nichtüberschätzung der Familienbande,

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— 313 —

Die uns an Weib und Kind und Heimat fesseln;

-

Ein ruhevolles Herz in Freud' und Leid,

313

ioMit Glaubenshoheit und ein fromm' Gemüt,

Zur Andacht stets gestimmt und oft in mich

Vertieft, ein Herz, das mir ergeben, liebt

Mit mir allein zu sein und Vielheit meidet.

11 Ausdauer im Verharren in dem Geist

Der Wahrheit und der Liebe. — Dieses ist

Die wahre Gottesweisheit; alles andre

Entspringt der Nichterkenntnis Dunkelheit.

12 Dies ist das Licht und die Erkenntnis, welche

Unsterblichkeit verleiht, das Brahm (das Ab-

solute)

Ohn Anfang oder Ende, welches weder

Das Sat (das Sein) noch Asat (Nichtsein) ist.

13 Gott ist und ist auch nicht! In allen Formen

Der Herrscher, ist er dennoch unbeschränkt.

Des Himmels Kräfte sind des Herrschers Hände,

Allsehend ist sein Auge, seine Füsse

14 Sind überall; er ist es, der die Welt

Erleuchtet und erhält und sie umfasst.

Glorreich in aller Sinne Kraft und doch

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An nichts gebunden; Meister jedes Werkes,

15 Und doch von allem frei; bewegungslos

Und der Beweger doch von allem; Er,

Den niemand fassen kann, und der von allem

Der Träger ist, der unteilbare Eine;

Lotusblüthen LXXX. 23

Die uns an Weib und Kind und Heimat fesseln; Ein ruhevolles Herz in Freud' und Leid, 10 Mit Glaubenshoheit und ein fromm' Gemüt, Zur Andacht stets gestimmt und oft in mich Vertieft, ein Herz, das mir ergeben, liebt Mit mir allein zu sein und Vielheit meidet. 11 Ausdauer im Verharren in dem Geist Der Wahrheit und der Liebe. - Dieses ist Die wahre Gottesweisheit ; alles andre Entspringt der Nichterkenntnis Dunkelheit. 12 Dies ist das Licht und die Erkenntnis, welche Unsterblichkeit verleiht, das Brahm (das Absolute) Ohn Anfang oder Ende, welches weder Das Sat (das Sein) noch Asat (Nichtsein) ist. 13 Gott ist und ist auch nicht! In allen Formen Der Herrscher, ist er dennoch unbeschränkt. Des Himmels Kräfte sind des Herrschers Hände, Allsehend ist sein Auge, seine Füsse 14 Sind überall; er ist es, der die Welt Erleuchtet und erhält und sie umfasst. Glorreich in aller Sinne Kraft und doch An nichts gebunden; Meister jedes Werkes, 15 Und doch von allem frei; bewegungslos Und der Beweger doch von allem; Er, Den niemand fassen kann, und der von allem Der Träger ist, der unteilbare Eine; Lotusblüthen LXXX.

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— 3*4 -

-

16 Unendlich nah' und unermesslich ferne,

3 14

-

Ist selbst das Leben, das er allen giebt.

Er ist der Allerhalter, der am Ende

16 Unendlich

Die Welt zerstört und sie aufs neu' erschafft.

17 Er ist das Licht der Lichter, das die Nacht

Erleuchtet; der Erkenner, das Erkannte

Und die Erkenntnis selbst, die in den Herzen

Von allen Wesen wohnt.

18 Nun hab' ich dir

Verkündet, was des Lebens Quelle ist,

I'

Und was der Stoff. Wer wahrhaft an mich glaubt,

Und mich in mir erkennt, der kommt zu mir.

19 Auch sollst du wissen, dass sowohl der Geist

Als auch das Stoffliche ohn' Anfang ist,

Und dass die Eigenschaften der Natur

In der Natur selbst ihren Ursprung haben.

20 Es wirkt der Stoff durch seine eignen Kräfte

Und baut sich wandelbare Formen auf;

nah' und unermesslich ferne, Ist selbst das Leben, das er allen giebt. Er ist der Allerhalter, der am Ende Die Welt zerstört und sie aufs neu' erschafft. Er ist das Licht der Lichter, das die Nacht Erleuchtet; der Erkenner, das Erkannte Und die Erkenntnis selbst, die in den Herzen Von allen Wesen wohnt.

Der Geist, der sie bewohnt und überschattet,

Verursacht, dass sie Lust und Leid empfinden.

J8

21 Wenn sich der Geist mit Stofflichem verbindet,

So nimmt er an den Eigenschaften teil,

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Die der Natur gehören, und mit ihnen

Erzeugt durch sie er Gutes und auch Böses.

22 Der höchste Weltgeist ist der höchste Herrscher,

„Zuschauer und Besitzer" nennt man ihn.

Nun hab' ich dir Verkündet, was des Lebens Quelle ist, Und was der Stoff. Wer wahrhaft an mich glaubt, Und mich in mir erkennt, der kommt zu mir.

Auch sollst du wissen, dass sowohl der Geist Als auch das Stoffliche ohn' Anfang ist, Und dass die Eigenschaften der Natur In der Natur selbst ihren Ursprung haben. 20 Es wirkt der Stoff durch seine eignen Kräfte Und baut sich wandelbare Formen auf; Der Geist, der sie bewohnt und überschattet, Verursacht, dass sie Lust und Leid empfinden. 21 Wenn sich der Geist mit Stofflichem verbindet, So nimmt er an den Eigenschaften teil, Die der Natur gehören, und mit ihnen Erzeugt durch sie er Gutes und auch Böses. 22 Der höchste Weltgeist ist der höchste Herrscher, "Zuschauer und· Besitzer" nennt man ihn. J9

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— 315 —

-

Verkörpert selbst, in ird'scher Hülle bleibt

Er unberührt von Werken der Natur.

31 5

23 Wer so sich selbst als diesen Geist erkennt,

Verkörpert selbst, in ird'acher Hülle bleibt Er unberührt von Werken der Natur.

Der hat durch ihn das wahre Licht erlangt;

Als Sohn des Lichts, von seiner Last befreit,

Wird er nicht mehr zu neuer Qual geboren.

24 Durch Selbstbeherrschung finden manche Men-

schen

23 Wer

so sich selbst als diesen Geist erkennt, Der hat durch ihn das wahre Licht erlangt; Als Sohn des Lichts, von seiner Last befreit, Wird er nicht mehr zu neuer Qual geboren.

Das Selbst der Seele; manche finden es

Durch tiefes Denken oder Heiligkeit,

Und wieder andere durch gute Werke.

25 Auch hören manche andre davon reden

Und suchen dann nach Licht und finden es.

Der Lehre folgend handeln sie gerecht

Und überwinden so den bittern Tod.

26 Ein jedes Ding, in dem das Leben waltet,

Ob es beweglich sei, ob unbewegt,

24 Durch

Selbstbeherrschung finden manche Menschen Das Selbst der Seele; manche finden es Durch tiefes Denken oder Heiligkeit, Und wieder andere durch gute Werke. .2 5 Auch hören manche andre davon reden Und suchen dann nach Licht und finden es. Der Lehre folgend handeln sie gerecht Und überwinden so den bittern Tod.

Ob Pflanze oder Tiergebild', entsteht

Durch die Vereinigung von Geist und Stoff.

27 Und wer in den veränderlichen Formen

Mich den alleinigen und höchsten Herrn,

Den Unerschaffnen, der sich niemals ändert,

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Erblickt, der ist der Seher, welcher sieht.

28 Wer den Allgegenwärtigen, den Herrn

Der Welt in sich und andern Wesen sieht,

Der schädigt sich nicht mehr und sündigt nicht;

22*

jedes Ding, in dem das Leben waltet, Ob es beweglich sei, ob unbewegt, Ob Pflanze oder Tiergebild', entsteht Durch die Vereinigung von Geist und Stoff. 27 Und wer in den veränderlichen Formen Mich den alleinigen und höchsten Herrn, Den Unerschaffnen, der sich niemals ändert, Erblickt, der ist der Seher, welcher sieht. 28 Werden Allgegenwärtigen, den Herrn Der Welt in sich und ande~ Wesen sieht, Der schädigt sich nicht mehr und sündigt nicht; 26 Ein

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- 316 -

-

Er schreitet sicher der Vollendung zu.

29 Auch wer erkennt, dass das, was die Natur

3 16 -

Hervorbringt, nur durch die Natur geschieht,

Er schreitet sicher der Vollendung zu.

Dass nicht die Seele handelnd auftritt, sondern

Nur zusieht und besitzt, auch der sieht klar.

29 Auch

wer erkennt, dass das, was die Natur Hervorbringt, nur durch die Natur geschieht, Dass nicht die Seele handelnd auftritt, sondern Nur zusieht und besitzt, auch der sieht klar. 30 Und wer der Wesen ungezähltes Heer Als Vielheit sieht, die aus der Einheit stammt, In der zuletzt sich alles wieder eint, Der hat die Einheit und er lebt in Gott.

30 Und wer der Wesen ungezähltes Heer

Als Vielheit sieht, die aus der Einheit stammt,

In der zuletzt sich alles wieder eint,

Der hat die Einheit und er lebt in Gott.

31 Der höchste Geist ist frei von jedem Zwang.

Frei von den Eigenschaften der Natur,

Und wird, auch wenn er einverleibt erscheint,

Durch nichts, was die Natur bewirkt, befleckt.

32 Gleichwie der Äther durch die Körper dringt,

Und doch durch diese nicht verändert wird,

So wohnt der Weltgeist in den Wesen frei,

Und wird durch deren Werke nicht befleckt.

33 So wie der Sonnenschein die Luft durchdringt,

Und doch nicht durch den Ort, in dem er weilt,

Verdorben wird, so scheint das Licht der Seele

An allen Orten rein und unbefleckt.

34 Wer durch der Weisheit Auge klar erkennt,

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Wie sich der Geist vom Stoffe unterscheidet,

3 1 Der

höchste Geist ist frei von jedem Zwang. Frei von den Eigenschaften der Natur, • Und wird,auch wenn' er einverleibt erscheint, Durch nichts, was die Natur bewirkt, befleckt. 32 Gleichwie der Äther durch die Körper dringt, Und doch durch diese nicht verändert wird, So wohnt der Weltgeist in den Wesen frei, Und wird durch deren Werke nicht befleckt. 33 So wie der Sonnenschein die Luft durchdringt, Und doch nicht durch den Ort, in dem er weilt, Verdorben wird, so scheint das Licht der Seele An allen Orten rein und unbefleckt. 34 Wer durch der Weisheit Auge klar erkennt, Wie sich der Geist vom Stoffe unterscheidet, Und wie sich Licht und Dunkelheit bekämpfen, Der folgt dem Licht und geht zum Frieden ein.

Und wie sich Licht und Dunkelheit bekämpfen,

Der folgt dem Licht und geht zum Frieden ein.

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XIV.

Gunatrayavibhägayöga.

DAS BUCH DER RELIGION DURCH DIE TREN-

NUNG VON DEN DREI GEWALTEN DER NATUR.

Krischna.

1 Noch weiter will ich das Geheimnis dir

XIV.

Enthüllen, das die tiefste Weisheit ist,

Durch deren Offenbarung meine Seher

Zur Wahrheit und Vollkommenheit gelangten.

GunatrayavibhigayogL

2 Wer dieser meiner Lehre fest vertraut

Und ihren tiefen Sinn erkennt, der wird

Nicht mehr geboren und nicht mehr berührt

DAS BUCH DER RELIGION DURCH DIE TRENNUNG VON DEN DREI GEWALTEN DER NATUR.

Von Weltentstehung und Weltuntergang:

3 Dies Weltall ist der grosse Mutterleib,

In den ich aller Dinge Samen streue;

Aus diesem gehen die lebend'gen Wesen

Von jeder Art, o Erdensohn, hervor.

Krischna.

4 Denn stets, wenn ein Geschöpf geboren wird,

Gleichviel in welchen Formen es entsteht,

Bin ich's, der Geist, der allen Leben giebt

Noch weiter will ich das Geheimnis dir Enthüllen, das die tiefste Weisheit ist, Durch deren Offenbarung meine Seher Zur Wahrheit und Vollkommenheit gelangten. 2 Wer dieser meiner Lehre fest vertraut Und ihren tiefen Sinn erkennt, der wird Nicht mehr geboren und nicht mehr berührt Von Weltentstehung und Weltuntergang: I

Und Samen schafft, aus dem die Formen wachsen.

5 Sattwa (Bewusstsein), Radschas (Leidenschaft)

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Und Tamas (Nichterkenntnis) sind die drei

3 Dies

Weltall ist der grosse Mutterleib, In den ich aller Dinge Samen streue; Aus diesem gehen die lebend'gen Wesen Von jeder Art, 0 Erdensohn, hervor. 4 Denn stets, wenn ein Geschöpf geboren wird, Gleichviel in welchen Formen es entsteht, Bin ich's, der Geist, der allen Leben giebt Und Samen schafft, aus dem die Formen wachsen. 5 Sattwa

(Bewusstsein), Radschas (Leidenschaft) Und Tamas (Nichterkenntnis) sind die drei

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- 3i8 -

Gewalten der Natur. Sie binden stets

-

Den freien Geist an diese Körperwelt.

3 18

6 Von diesen bindet Sattwa, welches rein

Gewalten der Natur. Sie binden stets Den freien Geist an diese Körperwelt. 6 Von diesen bindet Sattwa, welches rein Und leuchtend ist, die sündenfreie Seele Durch Wohlgefallen und Glückseligkeit, Die aus Erkenntnis seiner Güte kommt. 7 Doch Radschas, der Begierde nah verwandt, Der Quell der Selbstsucht und der Leidenschaft, Ergreift die Seele durch die Kraft der Werke, Die in der Eigenheit ein Mensch vollbringt. 8 Tamas, die Dummheit und der Unverstand, Die Ausgeburt erkenntnislosen Dunkels, Ein Nichts, das doch die ganze Welt beherrscht, Durch Schlaf und Trägheit bindet es die Seele. 9 So herrscht denn Sattwa durch das Lustgefühl, Radschas durch Thatendrang und Wissensdurst, Und Tamas durch die blinde Thorheit, die Dem Lichte der Erkenntnis widersteht. 10 Wird Leidenschaft und Dummheit überwunden, So bleibt das Licht zurück und leuchtet klar; Geht die Erkenntnis und Begierde unter, So bleibt die Thorheit übrig, und wenn Tamas I I Und Sattwa Bchwinden, brennt noch Radschas fort. Wenn durch die Thore deines ganzen Wesens Das Licht der Wahrheit scheint, so wirst du finden, Dass Sattwa in dir. reif geworden ist.

Und leuchtend ist, die sündenfreie Seele

Durch Wohlgefallen und Glückseligkeit,

Die aus Erkenntnis seiner Güte kommt.

7 Doch Radschas, der Begierde nah verwandt,

Der Quell der Selbstsucht und der Leidenschaft,

Ergreift die Seele durch die Kraft der Werke,

Die in der Eigenheit ein Mensch vollbringt.

8Tamas, die Dummheit und der Unverstand,

Die Ausgeburt erkenntnislosen Dunkels,

Ein Nichts, das doch die ganze Welt beherrscht,

Durch Schlaf und Trägheit bindet es die Seele.

9 So herrscht denn Sattwa durch das Lustgefühl,

Radschas durch Thatendrang und Wissensdurst,

Und Tamas durch die blinde Thorheit, die

Dem Lichte der Erkenntnis widersteht.

toWird Leidenschaft und Dummheit überwunden,

So bleibt das Licht zurück und leuchtet klar;

Geht die Erkenntnis und Begierde unter,

So bleibt die Thorheit übrig, und wenn Tamas

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11 Und Sattwa schwinden, brennt noch Radschas fort.

Wenn durch die Thore deines ganzen Wesens

Das Licht der Wahrheit scheint, so wirst du

finden,

Dass Sattwa in dir. reif geworden ist.

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— 319 —

-

2 Wenn Sehnsucht, Habsucht oder Wissbegierde,

Gewinnsucht, Strebertum und Thatendrang

319

-

Der Seele Ruhe stören; wisse dann,

Wenn Sehnsucht, Habsucht oder Wissbegierde, Gewinnsucht, Strebertum und Thatendrang Der Seele Ruhe stören; wisse dann, Dass Radschas in dir Herr des Reiches ist. 13 Wo Dummheit, Trägheit, eitler Grössenwahn, Hochmütige Nichtswisserei, Verharren Im Intum, Zweifelsucht und Aberglauben Zu Hause sind, da ist Tamas der Herr.

Dass Radschas in dir Herr des Reiches ist.

12

3 Wo Dummheit, Trägheit, eitler Grössenwahn,

Hochmütige Nichtswisserei, Verharren

Im Irrtum, Zweifelsucht und Aberglauben

Zu Hause sind, da ist Tamas der Herr.

4 Und wenn die Seele diese Welt verlässt,

Wenn Sattwa in ihr herrscht, so geht sie ein

Zur Götterwelt des Lichts, wo jene wohnen,

Die nach dem Guten suchten und es fanden.

5 Doch wenn der Körper stirbt, solange Radschas

In ihm die Herrschaft hält, so führt der Weg

Ins Reich des Feuers, dorthin, wo der Ort

Für erdgebund'ne Wesen sich befindet.

6 Und stirbt der Mensch von Tamas Nacht verhüllt,

Starrköpfig sich dem Glaubenslicht ver-

schliessend,

So giebt er seine Menschenrechte auf

Und geht vertiert zu niedern Wesen ein.

14 Und

wenn die Seele diese Welt verlässt, Wenn Sattwa in ihr herrscht, so geht sie ein Zur Götterwelt des Lichts, wo jene wohnen, Die nach dem Guten suchten und es fanden. 15 Doch wenn der Körper stirbt, solange Radschas In ihm die Herrschaft hält, so führt der Weg Ins Reich des Feuers, dorthin, wo der Ort Für erdgebund'ne Wesen sich befindet. 16 Und stirbt der Mensch von Tamas Nacht verhüllt, Stanköpfig sich dem Glaubenslicht verschliessend, So giebt er seine Menschenrechte auf Und geht vertiert zu niedern Wesen ein. 17 Das, was aus Sattwa kommt, wird "gut" genannt; Radschas gebiert nur Qual und Tamas Thorheit. Erkenntnis kommt aus Sattwa, Gier entspringt Aus Radschas und aus Tamas kommt Verdummung.

7 Das, was aus Sattwa kommt, wird „gut" genannt;

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Radschas gebiert nur Qual und Tamas Thorheit.

Erkenntnis kommt aus Sattwa, Gier entspringt

Aus Radschas und aus Tamas kommt Ver-

dummung.

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— 320 —

-

18 Wer in der Eigenschaft von Sattwa steht,

320

-

Der schwebt im Geist zu lichten Höh'n empor;

Beherrscht von Radschas bleibt er in der Mitte;

18 Wer

in der Eigenschaft von Sattwa steht, Der schwebt im Geist zu lichten Höh'n empor; Beherrscht von Radschas bleibt er in der Mitte; Doch Tamas zieht zum Abgrund ihn hinab.

Doch Tamas zieht zum Abgrund ihn hinab.

19 Wenn nun ein Mensch, der Weisheit hat, begreift,

Wie diese Kräfte der Natur in ihm

Sich offenbaren und er das erkennt

Was über diesen steht, dann ist er frei.

20 Nicht mehr vollbringt er selber dann die Werke,

Aus denen diese Körperwelt entsteht;

Er ist von Tod, Geburt und Sünde frei,

Und trinkt das Wasser der Unsterblichkeit.

Ardschuna.

Wenn nun ein Mensch, der Weisheit hat, begreift, Wie diese Kräfte der Natur in ihm Sich offenbaren und er das erkennt Was über diesen steht, dann ist er frei. 20. Nicht mehr vollbringt er selber dann die Werke, Aus denen diese Körperwelt entsteht; Er ist von Tod, Geburt und Sünde frei, Und trinkt das Wasser der Unsterblichkeit.

19

21 Woran erkennt man, Herr, denjenigen,

Der diesen Sieg errungen hat? Wie lebt

Ein solcher Mensch, und wie gelingt es ihm,

Durch Geisteskraft sich so zu überwinden?

Krischna.

22 Wer, ohne seine Ruhe zu verlieren,

Den Glanz des Lichtes, der Begierde Feuer,

Der Thorheit Dunkelheit, wenn sie in ihm

Vorhanden sind ertragen kann und nicht,

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23 Durch etwas, das ihm fehlt, verbittert wird;

Wer so, wie einer, den dies nicht betrifft,

Ardschuna. 21 Woran erkennt man, Herr, denjenigen, Der diesen Sieg errungen hat? Wie lebt Ein solcher Mensch, und wie gelingt es ihm, Durch Geisteskraft sich so zu überwinden? Krischna. 22 Wer, ohne seine Ruhe zu verlieren, Den Glanz des Lichtes, der Begierde Feuer, Der Thorheit Dunkelheit, wenn sie in ihm Vorhanden sind ertragen kann und nicht, 23 Durch etwaS, das ihm fehlt, verbittert wird; Wer so, wie einer, den dies nicht. betrifft,

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— 321 —

-

Zuschauern gleich die Spiele der Natur

Betrachtend, spricht: „Sie folgen dem Gesetz;"

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24 Wem Lusterfüllung oder Schmerzempfindung,

Zuschauern gleich die Spiele der Natur Betrachtend, spricht: "Sie folgen dem Gesetz;" 24 Wem Lusterfüllung oder Schmerzempfindung, Ein Stein, ein Klumpen Goldes, Freund und Feind Gleichwertig sind, wer immer ruhevoll, Erhaben über Lob und Tadel ist; 25 Von nichts mehr angezogen werden kann und nichts Im Weltall fUrchtet, weil er das Gesetz, Das über allem steht, erkennt; der wird Ein Überwinder der Natur genannt. 26 Und wer mir so in Treu und festem Glauben Ergeben ist und mich vor allem ehrt, Den mach' ich frei von den Naturgewalten; Er geht in mich, in Brahmas Wesen, ein. 27 Denn ich bin Brahmas segensreiche Wohnung, Die Heimat der Unsterblichkeit, der Geist, Das Dasein, die Erkenntnis, das Gesetz Und aller Wesen höchste Seligkeit.

Ein Stein, ein Klumpen Goldes, Freund und Feind

Gleichwertig sind, wer immer ruhevoll,

Erhaben über Lob und Tadel ist;

25 Von nichts mehr angezogen werden kann und

nichts

Im Weltall fürchtet, weil er das Gesetz,

Das über allem steht, erkennt; der wird

Ein Überwinder der Natur genannt.

26 Und wer mir so in Treu und festem Glauben

Ergeben ist und mich vor allem ehrt,

Den mach' ich frei von den Naturgewalten;

Er geht in mich, in Brahmas Wesen, ein.

27 Denn ich bin Brahmas segensreiche Wohnung,

Die Heimat der Unsterblichkeit, der Geist,

Das Dasein, die Erkenntnis, das Gesetz

Und aller Wesen höchste Seligkeit.

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(Fortsetzung folgt.)

(Fortsetzung folgt.)

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Manuskripte für Freimaurer.

Von Kerning.

(Fortsetzung.)

Gespräch zwischen einem Pythagoräer

und einem Künstler.

Die Kunstkraft.

Ein Künstler, welcher es mehr durch

Kunstanlage als durch wissenschaftliches Stu-

dium war, entschloss sich, als er über gewisse

Ideen mit sich nicht einig werden konnte, einen

im Rufe grosser Weisheit stehenden Pythago-

räer zu besuchen, um diesem seine Zweifel

vorzulegen.

Der Weise empfing ihn freundlich und frug,

Manuskripte für Freimaurer.

was den Sohn der Grazien in seine einfache

Wohnung führe. Der Künstler antwortete:

Du kennst die Welt von früheren Zeiten her.

Von Kerning.

So wie sie war, ist sie noch. Sie schwatzen

viel und meinen viel und wollen doch nicht

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glauben, weil sie sich mit Kenntnis und Über-

(Fortsetzung.)

Gespräch zwischen einem Pythagoräer und einem Künstler. . Die Kunstkraft. Ein Künstler, welcher es mehr durch Kunstanlage als durch wissenschaftliches Studium war, entschloss sich, als er über gewisse Ideen mit sich nicht einig werden konnte, einen im Rufe grosser Weisheit stehenden Pythagoräer zu besuchen, um diesem seine Zweifel vorzulegen. Der Weise empfing ihn freundlich und frug, was den Sohn der Grazien in seine einfache Wohnung führe. Der Künstler antwortete: Du kennst die Welt von früheren Zeiten her. So wie sie war, ist sie noch. Sie schwatzen viel und meinen viel und wollen doch nicht glauben, weil sie sich mit Kenntnis und Über-

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— 323 —

zeugung brüsten. So geschah es letzthin, als

-

in einer Gesellschaft von der positiven Kraft

32 3

des Menschen gesprochen wurde, und keiner

zeugung brüsten. So geschah es letzthin, als in einer Gesellschaft von der positiven Kraft des Menschen gesprochen wurde, und keiner einen bestimmten Ausspruch thun konnte, einige keine anderen Kräfte des Menschen anerkennen wollten als solche, welche sich berechnen, mit Zirkel und Massstab messen und auf der Wage nach dem Gesetze der Schwere wiegen lassen. Andere dagegen gaben dem Menschen eine freie positive inn~re Kraft, aus welcher Berechnungen und Erklärungen bloss als Strahlen hervorgehen. Um nun über alle diese Dinge gehörigen Aufschluss zu erhalten, ist die Aufgabe gemacht worden, über das Vorhandensein einer positiven Kunstkraft, Kunstfähigkeit, oder, wie ich mich ausdrücken möchte, über die Existenz eines Kunstgenius , welcher über alle Regeln erhaben, in völliger Freiheit gleichsam Kunstwerke einhaucht, Beweise zu liefern. Du siehst, der Punkt ist wichtig, darum bitte ich dich, mir einigen Aufschluss darüber zu geben. Pythagoräer. Da könnte ich dich gleich fragen: ist im Liliensamen positive Kraft? Du magst ihn säen, wohin du willst, in hartes, weiches, feuchtes, trockenes, sandiges, fettes oder mageres Erdreich, immer kommt eine Lilie aus ihm, wenn er nicht zu Grunde gehl

einen bestimmten Ausspruch thun konnte, einige

keine anderen Kräfte des Menschen anerkennen

wollten als solche, welche sich berechnen, mit

Zirkel und Massstab messen und auf der Wage

nach dem Gesetze der Schwere wiegen lassen.

Andere dagegen gaben dem Menschen eine

freie positive innere Kraft, aus welcher Berech-

nungen und Erklärungen bloss als Strahlen

hervorgehen. Um nun über alle diese Dinge

gehörigen Aufschluss zu erhalten, ist die Auf-

gabe gemacht worden, über das Vorhandensein

einer positiven Kunstkraft, Kunstfähigkeit, oder,

wie ich mich ausdrücken möchte, über die

Existenz eines Kunstgenius, welcher über alle

Regeln erhaben, in völliger Freiheit gleichsam

Kunstwerke einhaucht, Beweise zu liefern. Du

siehst, der Punkt ist wichtig, darum bitte ich

dich, mir einigen Aufschluss darüber zu geben.

Pythagoräer. Da könnte ich dich gleich

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fragen: ist im Liliensamen positive Kraft? Du

magst ihn säen, wohin du willst, in hartes,

weiches, feuchtes, trockenes, sandiges, fettes

oder mageres Erdreich, immer kommt eine

Lilie aus ihm, wenn er nicht zu Grunde geht.

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— 324 —

Niemals wird aber eine andere Blume, eine

Rose, Tulpe etc. daraus entstehen, und der

Mensch mit all seiner Kunst und Geschicklich-

Niemals wird aber eine andere Blume, eine Rose, Tulpe etc. daraus entstehen, und der Mensch mit all seiner Kunst und Geschicklichkeit kann diese Kraft nicht anders lenken, weil die Lilie schon im innersten Wesen des Samens enthalten ist. Aber ich fühle schon, für deine Gesellschaft ist dies Gleichnis nicht hinreichend, sie wollen etwas Handgreiflicheres haben. Daher frage ich dich: was hat der Mensch zuerst, Hunger oder Speise? K ü n s tl er. Das versteht sich von selbst, erst hungert ihn, dann sucht er zu essen. Pyth. Wer lehrt ihn die Speisen zurichten, der Gaumen oder die Klugheit? K. Es kann nicht fehlen, der Gaumen weiss allein, was ihm schmeckt; in ihm liegt die Grundregel. Pyth. Die Kochkunst, oder besser, die Geschicklichkeit zu kochen geht also ursprünglich nicht aus der Regel, sondern aus dem Geschmack des Gaumens hervor. K. Das ist nicht zu leugnen. Aber der Geschmack des Gaumens und die Kunst sind doch sehr verschiedene Dinge. Ich kann sie wenigstens nicht zusammenreimen. Pyth. Du bist befangen wie alle, die vor lauter Wissenschaft ihr Wissen nicht kennen.

keit kann diese Kraft nicht anders lenken, weil

die Lilie schon im innersten Wesen des Samens

enthalten ist. Aber ich fühle schon, für deine

Gesellschaft ist dies Gleichnis nicht hinreichend,

sie wollen etwas Handgreiflicheres haben.

Daher frage ich dich: was hat der Mensch

zuerst, Hunger oder Speise?

Künstler. Das versteht sich von selbst,

erst hungert ihn, dann sucht er zu essen.

Pyth. Wer lehrt ihn die Speisen zurichten,

der Gaumen oder die Klugheit?

K. Es kann nicht fehlen, der Gaumen weiss

allein, was ihm schmeckt; in ihm liegt die

Grundregel.

Pyth. Die Kochkunst, oder besser, die

Geschicklichkeit zu kochen geht also ursprüng-

lich nicht aus der Regel, sondern aus dem

Geschmack des Gaumens hervor.

K. Das ist nicht zu leugnen. Aber der

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Geschmack des Gaumens und die Kunst sind

doch sehr verschiedene Dinge. Ich kann sie

wenigstens nicht zusammenreimen.

Pyth. Du bist befangen wie alle, die vor

lauter Wissenschaft ihr Wissen nicht kennen.

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— 325 —

Was ihnen zu nahe liegt, sehen sie nicht, was

ihnen zu leicht wird, glauben sie nicht, weil

der Mensch in seiner eingebildeten Anstrengung

Was ihnen zu nahe liegt, sehen sie nicht, was ihnen zu leicht wird, glauben sie nicht, weil der Mensch in seiner eingebildeten Anstrengung Grösse und Verdienst sucht. Die Regel ist: Alles geht aus dem Innern hervor; wenn etwas erschienen ist, dann wird es geprüft, beobachtet und für andere als Gesetz aufgestellt. Wer anders verfährt, macht das Mittel zum Zweck und wird nie zu einem Ziele gelangen. K. Was du sagst, hat Bündigkeit, aber es ist nicht anschaulich genug, so dass man gar keinem Zweifel mehr ausgesetzt sein könnte. Pyth. Warum macht der Künstler ein Kunstwerk? Weil die Kraft, die Anlage dazu in ihm vorhanden ist und er in andern dieselben Kräfte und Anlagen voraussetzt, um sein Kunstwerk würdigen und beurteilen zu können. Oder weisst du eine andere Ursache zur Entstehung eines Kunstwerkes? K. Ich weiss keine! Aber wohin soll dieses führen? Pyth. Kurzsichtiger, siehst du denn nicht, dass das Kunstwerk in dem Gemüt des Künstlers von seinem Ursprung an enthalten war, wie in dem Samen die Lilie? K. Warum wollen das aber die Menschen nicht einsehen?

Grösse und Verdienst sucht. Die Regel ist:

Alles geht aus dem Innern hervor; wenn etwas

erschienen ist, dann wird es geprüft, beobachtet

und für andere als Gesetz aufgestellt. Wer

anders verfährt, macht das Mittel zum Zweck

und wird nie zu einem Ziele gelangen.

K. Was du sagst, hat Bündigkeit, aber es

ist nicht anschaulich genug, so dass man gar

keinem Zweifel mehr ausgesetzt sein könnte.

Pyth. Warum macht der Künstler ein Kunst-

werk? Weil die Kraft, die Anlage dazu in ihm

vorhanden ist und er in andern dieselben Kräfte

und Anlagen voraussetzt, um sein Kunstwerk

würdigen und beurteilen zu können. Oder

weisst du eine andere Ursache zur Entstehung

eines Kunstwerkes?

K. Ich weiss keine! Aber wohin soll dieses

führen?

Pyth. Kurzsichtiger, siehst du denn nicht,

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dass das Kunstwerk in dem Gemüt des Künst-

lers von seinem Ursprung an enthalten war,

wie in dem Samen die Lilie?

K. Warum wollen das aber die Menschen

nicht einsehen?

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— 326 —

-

Pyth. Sie sind zu eigenmächtig. Sie wollen

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-

sich den Preis nicht nehmen lassen, selbst zu

arbeiten; sie schämen sich zu gestehen, dass

Pyth. Sie sind zu eigenmächtig. Sie wollen sich den Preis nicht nehmen lassen, selbst zu arbeiten; sie schämen sich zu gestehen, dass ihre zweckmässigste Thätigkeit darin bestehe, in sich arbeiten zu lassen. K. Du setzest mich in Verlegenheit! Wie kann der Mensch in sich arbeiten lassen, ohne selbst thätig zu sein? Pyth. Er muss sich kennen, seine Kräfte zu unterscheiden wissen, dann ruft er diejenige Kraft hervor, die er braucht, und die andern Kräfte bringt er zum Schweigen. Dieses Wühlen und Wachen ist des Menschen ganze Thätigkeit; was er mehr thut, thut er aus dem Gedächtnis, andem nach, und nicht frei, wie es die Ausübung einer Kunst erfordert. K. Deine Lehre erweckt neue Ansichten, aber sie ist mir zu neu, ich kann sie nicht mit meinen früheren Ansichten in Einklang bringen. Pyth. Zu allem, was der Mensch thut, braucht er Kräfte; wer keine Fähigkeit ~u einer Sache hat·, der kann sie nicht ausüben, und wenn er sich alle ersinnliche Mühe gäbe; w(> aber die Fähigkeit ist, da bringt sie sich selbst, wie sie ihre Freiheit empfindet, in Ausübung. Sobald der junge Vogel die Kraft seiJler Flügel spürt, verlässt er sein Nest und bedarf keines

ihre zweckmässigste Thätigkeit darin bestehe,

in sich arbeiten zu lassen.

K. Du setzest mich in Verlegenheit! Wie

kann der Mensch in sich arbeiten lassen, ohne

selbst thätig zu sein?

Pyth. Er muss sich kennen, seine Kräfte

zu unterscheiden wissen, dann ruft er diejenige

Kraft hervor, die er braucht, und die andern

Kräfte bringt er zum Schweigen. Dieses Wühlen

und Wachen ist des Menschen ganze Thätig-

keit; was er mehr thut, thut er aus dem Ge-

dächtnis, andern nach, und nicht frei, wie es

die Ausübung einer Kunst erfordert.

K. Deine Lehre erweckt neue Ansichten,

aber sie ist mir zu neu, ich kann sie nicht mit

meinen früheren Ansichten in Einklang bringen.

Pyth. Zu allem, was der Mensch thut,

braucht er Kräfte; wer keine Fähigkeit zu einer

Sache hat, der kann sie nicht ausüben, und

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wenn er sich alle ersinnliche Mühe gäbe; wo

aber die Fähigkeit ist, da bringt sie sich selbst,

wie sie ihre Freiheit empfindet, in Ausübung.

Sobald der junge Vogel die Kraft seiner Flügel

spürt, verlässt er sein Nest und bedarf keines

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— 327 ~

-

Unterrichts dazu. So ist es mit allem, was der

Mensch thut, und die innern Kräfte machen

32 7 -

vom Gang der Natur keine Ausnahme. Regeln

Unterrichts dazu. So ist es mit allem, was der Mensch thut, und die innern Kräfte machen vom Gang der Natur keine Ausnahme. Regeln sind Krücken für Lahme und Krumme; die gesunde Kraft: erhebt sich frei. Der Mensch in seinem verkrüppelten, verblendeten Zustand braucht Krücken und Brillen; könnte er seine Kräfte benützen, wäre er imstande, alle Fähigkeiten gehörig voneinander abzusondern und sie ungehindert wirken zu lassen, so wäre alle Gelehrsamkeit eine Chimäre, und Ausübung die einzige Thätigkeit der menschlichen Natur. K.. Aber da wir einmal in diesem gebundenen Zustande sind, so lässt sich die Sache nicht ändern, und die Kritik bleibt für den Künstler unerlässliche Bedingung. Pyth. Wenn er die Kraft nicht hat, sich zu befreien, so mag er in seinem gebundenen Zustande bleiben, nur lege er sich niemals den Namen Künstler bei. Tagelöhner ist er, der da abschreibt, was andere gemacht, der sich mit fremden Federn schmuckt und uns zuruft: Seht, wie hoch ich fliegen kann, während er sich keinen Zoll hoch von der Erde erhebt. K. Aber die Regeln der Schönheit, des Geschmackes? Pyth. Sind Gaumen-Erfahrungen. Was dem

sind Krücken für Lahme und Krumme; die

gesunde Kraft erhebt sich frei. Der Mensch

in seinem verkrüppelten, verblendeten Zustand

braucht Krücken und Brillen; könnte er seine

Kräfte benützen, wäre er imstande, alle Fähig-

keiten gehörig voneinander abzusondern und

sie ungehindert wirken zu lassen, so wäre alle

Gelehrsamkeit eine Chimäre, und Ausübung die

einzige Thätigkeit der menschlichen Natur.

K. Aber da wir einmal in diesem gebunde-

nen Zustande sind, so lässt sich die Sache nicht

ändern, und die Kritik bleibt für den Künstler

unerlässliche Bedingung.

Pyth. Wenn er die Kraft nicht hat, sich

zu befreien, so mag er in seinem gebundenen

Zustande bleiben, nur lege er sich niemals den

Namen Künstler bei. Tagelöhner ist er, der

da abschreibt, was andere gemacht, der sich

mit fremden Federn schmückt und uns zuruft:

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Seht, wie hoch ich fliegen kann, während er

sich keinen Zoll hoch von der Erde erhebt.

K. Aber die Regeln der Schönheit, des

Geschmackes?

Pyth. Sind Gaumen-Erfahrungen. Was dem

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— 328 —

-

Gaumen geschmeckt hat, wird aufgeschrieben,

328

und die Regel gezogen: das schmeckt dem

Gaumen. So und nicht anders verhält es sich

Gaumen geschmeckt hat, wird aufgeschrieben, und die Regel gezogen: das schmeckt dem Gaumen. So und nicht anders verhält es sich bei den Werken der Künste. Was sich längst schon als wirklich schön gezeigt hat, wird aufgeschrieben und zum Gesetz erhoben. Alle Vorschriften sind nachgebild.et aus vorhandenen Werken; andere Werke geben andere Vorschriften und so fort ins Unendliche. Eine ewige Regel kann sich der Mensch nicht willkürlich machen; diese liegt allein in der Natur, in der Urkraft, welche in jedem anders, und in jeder Minute wieder verschieden in Anwendung gebracht wird. K. Du magst recht haben, und ich fühle, dass du recht hast. Aber wie kann man diejenigen bekehren, welche ohne den Massstab der Kritik sich nicht getrauen, sich vom Fleck zu bewegen? Pyth. Zeige ihnen den Adler, wenn er gegen die Sonne fliegt! Wenn sie beweisen können, dass dieser bei jedem Flügelschlag untersucht, ob er sich nach den Regeln, welche die Alten ihm gezeigt, bewege, dann habe ich unrecht; wenn er aber nur im Gefühl seiner Kraft sein Vermögen ausübt, dann sollen alle Krittler schweigen und den einfachen Gang der Natur bewundern.

bei den Werken der Künste. Was sich längst

schon als wirklich schön gezeigt hat, wird auf-

geschrieben und zum Gesetz erhoben. Alle

Vorschriften sind nachgebildet aus vorhandenen

Werken; andere Werke geben andere Vor-

schriften und so fort ins Unendliche. Eine ewige

Regel kann sich der Mensch nicht willkürlich

machen; diese liegt allein in der Natur, in der

Urkraft, welche in jedem anders, und in jeder

Minute wieder verschieden in Anwendung ge-

bracht wird.

K. Du magst recht haben, und ich fühle, dass

du recht hast. Aber wie kann man diejenigen

bekehren, welche ohne den Massstab der Kritik

sich nicht getrauen, sich vom Fleck zu bewegen?

Pyth. Zeige ihnen den Adler, wenn er

gegen die Sonne fliegt! Wenn sie beweisen

können, dass dieser bei jedem Flügelschlag

untersucht, ob er sich nach den Regeln, welche

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die Alten ihm gezeigt, bewege, dann habe ich

unrecht; wenn er aber nur im Gefühl seiner

Kraft sein Vermögen ausübt, dann sollen alle

Krittler schweigen und den einfachen Gang der

Natur bewundern.

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— 329 —

-

K. Aber Adlersflügel und Kunstkraft sind

32 9

doch verschiedene Dinge!

Pyth. Nicht so verschieden als du meinst.

K. Aber Adlersflügel und Kunstlaaft sind doch verschiedene Dinge! Pyth. Nicht so verschieden als du meinst. Die Schwingen des Adlers tragen seinen sichtbaren Körper in die Höhe, die Schwingen der Kunstkraft heben den Kunstgenius empor. Wenn die Kraft. sich entwickelt, folgt der Flug bei dem einen wie bei dem andern. Oder wähnst du, das innere Leben habe weniger Freiheit, als das äussere? Stünde damit die Natur nicht in Widerspruch? K. Du machst mir die Sache in Bildern anschaulich; doch kann ich mich noch nicht zurechtfinden. P yt h. .Wenn man einen Vogel nicht verstümmeln, und ihm doch die Fähigkeit zU fliegen nehmen will, 80 bindet oder zieht man die Federn seiner Flügel aneinander. Dann sehnt er sich in die Höhe, ist aber an die Erde gebunden. Des inneren Menschen Schwingen sind gelähmt, verstrickt, zusammengepicht durch niedrige Triebe und Leidenschaften; er gewöhnt sich an die Erde und hat am Ende nicht einmal mehr den Mut, an eine freiwirkende, selbstthätige Kraft zu glauben, und darum macht er sich künstliche Flügel, rennt wie der dumme Strauss im Kreise herum, flattert mit seinen

Die Schwingen des Adlers tragen seinen sicht-

baren Körper in die Höhe, die Schwingen der

Kunstkraft heben den Kunstgenius empor.

Wenn die Kraft sich entwickelt, folgt der Flug

bei dem einen wie bei dem andern. Oder

wähnst du, das innere Leben habe weniger

Freiheit, als das äussere? Stünde damit die

Natur nicht in Widerspruch?

K. Du machst mir die Sache in Bildern

anschaulich; doch kann ich mich noch nicht

zurechtfinden.

Pyth. Wenn man einen Vogel nicht ver-

stümmeln, und ihm doch die Fähigkeit zu fliegen

nehmen will, so bindet oder zieht man die

Federn seiner Flügel aneinander. Dann sehnt

er sich in die Höhe, ist aber an die Erde

gebunden. Des inneren Menschen Schwingen

sind gelähmt, verstrickt, zusammengepicht durch

niedrige Triebe und Leidenschaften; er gewöhnt

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sich an die Erde und hat am Ende nicht einmal

mehr den Mut, an eine freiwirkende, selbst-

thätige Kraft zu glauben, und darum macht er

sich künstliche Flügel, rennt wie der dumme

Strauss im Kreise herum, flattert mit seinen

Lotusblüthen LXXX. 23

LotusbUlthea LXXX.

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— 330 —

-

angeschnallten Schwingen voll kindischer Freude

33° -

und nennt dieses Possenspiel Fliegen.

K. Ist dein Urteil nicht zu streng?

angeschnallten Schwingen voll kindischer Freude und nennt dieses Possenspiel Fliegen. K. Ist dein Urteil nicht zu streng? Pyth. Keineswegs. Bildest du dir ein, du seiest frei, oder einer deiner Zeitgenossen sei es? Ihr sammelt und flickt zusammen I und das heisst ihr schaffen. Wenn auch einmal ein freier Gedanke in euch aufsteigt, so wird er zuerst zergliedert, ob er dem Sempronius, dem Xenophes, seiner Nichte, seiner Frau, der grossen Menge, den Tonangebern gefallen werde, ob er nicht gegen das Herkömmliche, gegen die von selbstsüchtigen Schulpedanten aufgestellten Regeln anstosse, und so bindet man sich selbst die Flügel, und macht sich. zum Krüppel, aus Furch~, unsere Gönner möchten uns aus dem Auge verlieren. Der Adler fliegt gegen die Sonne, unbekümmert, ob die Krähe oder der Specht seinen Flug betrachten und bewundern; seine Sache ist, die eigene Kraft zu prüfen, weil er nur durch eigene Kraft das Ziel seines Daseins erreichen kann. K. Auf solche Weise hört aber alle Schule auf. Pyth. Ist es nicht Schule genug, vorhandene Kunstwerke beschauen und uns in den Stand setzen zu können, die Kunstfahigkeiten

Pyth. Keineswegs. Bildest du dir ein, du

seiest frei, oder einer deiner Zeitgenossen sei

es? Ihr sammelt und flickt zusammen, und

das heisst ihr schaffen. Wenn auch einmal ein

freier Gedanke in euch aufsteigt, so wird er

zuerst zergliedert, ob er dem Sempronius, dem

Xenophes, seiner Nichte, seiner Frau, der

grossen Menge, den Tonangebern gefallen werde,

ob er nicht gegen das Herkömmliche, gegen

die von selbstsüchtigen Schulpedanten auf-

gestellten Regeln anstosse, und so bindet man

sich selbst die Flügel, und macht sich zum

Krüppel, aus Furcht, unsere Gönner möchten

uns aus dem Auge verlieren. Der Adler fliegt

gegen die Sonne, unbekümmert, ob die Krähe

oder der Specht seinen Flug betrachten und

bewundern; seine Sache ist, die eigene Kraft

zu prüfen, weil er nur durch eigene Kraft das

Ziel seines Daseins erreichen kann.

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K. Auf solche Weise hört aber alle

Schule auf.

Pyth. Ist es nicht Schule genug, vorhan-

dene Kunstwerke beschauen und uns in den

Stand setzen zu können, die Kunstfähigkeiten

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— 33i —

-

zu prüfen, von andern Fähigkeiten abzusondern,

33 1

und auf diese Art ans Licht zu ziehen?

K. Doch auf diese Art verliert die Kunst

zu prüfen, von andern Fähigkeiten abzusondern, und auf diese Art ans Licht zu ziehen? K. Doch auf diese Art verliert die Kunst ihren eigentlichen Zweck, auf die Menge, oder doch wenigstens auf einen Teil derselben zu wirken. Pyth. Siehe, wie wenig du Kenntnis von dem Wert und Zweck der Kunst hast. Durch eure Unterwürfigkeit unter das Urteil eurer Zeitgenossen, durch euren Sklavensinn , den euer Ehrgeiz euch einprägte, hat die Kunst ihren eigentlichen Standpunkt gänzlich verloren. Die Kunst soll regieren, und - wird regiert; sie soll Eindruck machen, jetzt - bettelt sie. um Beifall; der Kunstliebhaber soll sich an den Kunstwerken laben, ihren Einfluss zu erkennen trachten; jetzt hat sich. der Kunstfreund über den Künstler gestellt und behandelt ihn als einen unterthänigen Knecht, dessen Pflicht es ist, ,ihn für gegebenen Beifall zu unterhalten. K. Aber da es nun einmal so ist, was ist da zu machen? Pyth. Dem Sklavendienst zu entsagen, die freie Kraft zu suchen, in dieser Kunstwerke zu verfertigen, unbekümmert um Lob und Tadel. Nicht der Beifall, sondern das Vorhandensein einer positiven Kunstkraft bestimmt die Kun~t.

ihren eigentlichen Zweck, auf die Menge, oder

doch wenigstens auf einen Teil derselben zu

wirken.

Pyth. Siehe, wie wenig du Kenntnis von

dem Wert und Zweck der Kunst hast. Durch

eure Unterwürfigkeit unter das Urteil eurer Zeit-

genossen, durch euren Sklavensinn, den euer

Ehrgeiz euch einprägte, hat die Kunst ihren

eigentlichen Standpunkt gänzlich verloren. Die

Kunst soll regieren, und — wird regiert; sie

soll Eindruck machen, jetzt — bettelt sie um

Beifall; der Kunstliebhaber soll sich an den

Kunstwerken laben, ihren Einfluss zu erkennen

trachten; jetzt hat sich der Kunstfreund über

den Künstler gestellt und behandelt ihn als

einen unterthänigen Knecht, dessen Pflicht es

ist, ihn für gegebenen Beifall zu unterhalten.

K. Aber da es nun einmal so ist, was ist

da zu machen?

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Pyth. Dem Sklavendienst zu entsagen, die

freie Kraft zu suchen, in dieser Kunstwerke zu

verfertigen, unbekümmert um Lob und Tadel.

Nicht der Beifall, sondern das Vorhandensein

einer positiven Kunstkraft bestimmt die Kunst.

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— 332 —

-

Wer dieser Kraft huldigt, huldigt der Natur.

Wer diese Kraft ausübt, wird bald das höhere

33 2

-

Vermögen, die ewige Kraft der göttlichen Weis-

Wer dieser Kraft huldigt, huldigt der Natur. Wer diese Kraft ausübt, wird bald das höhere Vermögen, die ewige Kraft der göttlichen Weisheit in sich finden, die ebenso frei und selbstthätig wirkt, als der Genius der sichtbaren Künste.

heit in sich finden, die ebenso frei und selbst-

thätig wirkt, als der Genius der sichtbaren Künste.

Gespräch Zoroasters mit einem früheren

Bekannten.

Zu Zoroaster kam einst ein Mann, der sich

mit der Welt nicht versöhnen konnte, weil sie

nie nach seinem Sinne war, und wenn er auch

einmal meinte, einen sicheren Standpunkt ge-

funden zu haben, sich doch wieder betrogen

sah. Dieser redete den Weisen folgender-

massen an:

Ich habe mir schon einmal bei dir Rats

erholt und du hast mich so lange gefragt, bis

G8Iprich Zoroaaten mit ein.. frlberen Bekannten.

ich dir antwortete, wie du es wünschtest; jetzt

erlaube mir, dass ich dich frage und gieb du

mir Antwort.

Zoroaster. Gut, so frage.

Mann. Welches ist die erste Bedingung

Zu Zoroaster kam einst ein Mann, der sich mit der Welt nicht versöhnen konnte, weil sie nie nach seinem Sinne war, und wenn er auch einmal meinte, einen sicheren Standpunkt gefunden zu haben, sich doch wieder betrogen sah. Dieser redete den Weisen folgendermassen an: Ich habe mir schon einmal bei dir Rats erholt und du hast mich so lange gefragt, bis ich dir antwortete, wie du es wünschtest; jetzt erlaube mir, dass ich dich frage und gieb du mir Antwort. Zaraaster. Gut, so frage. Mann. Welches ist ·die erste Bedingung zum Glück? Z. Genügsamkeit. M. Kann der Arme so glücklich sein Wle der Reiche?

zum Glück?

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Z. Genügsamkeit.

M. Kann der Arme so glücklich sein wie

der Reiche?

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— 333 —

Z. Ja.

333

M. Unter welcher Bedingung?

Z. Ja. M. Unter welcher Bedingung? Z. Wenn er zufrieden ist. M. Kann der Reiche nicht glücklicher sein als der Arme? Z. 0 ja. M. Auf welche Weise? Z. Wenn er den Mut hat, seinen Reichtum verlieren zu können. M. Wer wird aber immer an das Vedieren denken? Z. Der Vernünftige, der da weiss, dass alles sich ändern kann. M. Deine Antworten gefallen mir nicht. Z. Da musst du den Fragen schuld- geben; die Antworten gehen aus diesen hervor. M. Lass mich noch einmal fragen: was ist Glück? Du musst mir aber ohne Spitzfindigkeit antworten, so dass es jedem einleuchten und jeden auf den Weg zum Glück ftihren ~. Also aufrichtig! Was ist Glück? Z. Die Kunst, zu lieben. M. 0 da kommst du wieder auf dein altes Kapitel, das du den Winden vorpredigen magst, denn die Menschen hören dich nicht. Gieb mir ein~ bessere i\ntwort. Z. Glück ist - sein Leben zu kennep.

Z. Wenn er zufrieden ist.

M. Kann der Reiche nicht glücklicher sein

als der Arme?

Z. O ja.

M. Auf welche Weise?

Z. Wenn er den Mut hat, seinen Reichtum

verlieren zu können.

M. Wer wird aber immer an das Verlieren

denken?

Z. Der Vernünftige, der da weiss, dass

alles sich ändern kann.

M. Deine Antworten gefallen mir nicht.

Z. Da musst du den Fragen schuld geben;

die Antworten gehen aus diesen hervor.

M. Lass mich noch einmal fragen: was ist

Glück? Du musst mir aber ohne Spitzfindig-

keit antworten, so dass es jedem einleuchten

und jeden auf den Weg zum Glück führen kann.

Also aufrichtig! Was ist Glück?

Z. Die Kunst, zu lieben.

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M. O da kommst du wieder auf dein altes

Kapitel, das du den Winden vorpredigen magst,

denn die Menschen hören dich nicht. Gieb

mir eine bessere Antwort.

Z. Glück ist — sein Leben zu kennen.

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-

— 334 —

M. Diese Antwort verstehe ich nicht.

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-

Z. Ich will dir, wenn du willst, eine Er-

M. Diese Antwort verstehe ich nicht. Z. Ich will dir, wenn du willst, eine Erklärung geben. M. Nein, wenn du zu Worte kommst, so fängst du wieder zu fragen an, und dann bin ich überwunden. Ich will mir selbst helfen. Was ist das Glück der Ehre? Z. Ohne Zweifel mit demjenigen übereinstimmend, wofür man Ehre empfängt. M. Z. B. die Ehre des Gelehrten} Z. Ist ein kleiner Teich voll Worte, aus welchem er schöpft, was ihm Vorteil bringt. M. Die Ehre des Eroberers? Z. Eine leuchtende Wolke, mit Blut gefärbt und mit Thränen genährt. M. Die Ehre, welche altS wohlthätigen und nützlichen Einrichtungen und Anstalten entspringt? Z. Wer die Ehre sucht, dem wird sie zum Strick, von welchem er sich nicht mehr losmachen kann. M. Wohl dem, der mit· einem· Strick an das Gute gebunden ist. Z. Was ist gut? M. Alles was Nutzen bringt. Z. Die Tapferkeit bringt dem Räuber auch Nutzen!

klärung geben.

M. Nein, wenn du zu Worte kommst, so

fangst du wieder zu fragen an, und dann bin

ich überwunden. Ich will mir selbst helfen.

Was ist das Glück der Ehre?

Z. Ohne Zweifel mit demjenigen überein-

stimmend, wofür man Ehre empfängt.

M. Z. B. die Ehre des Gelehrten?

Z. Ist ein kleiner Teich voll Worte, aus

welchem er schöpft, was ihm Vorteil bringt.

M. Die Ehre des Eroberers?

Z. Eine leuchtende Wolke, mit Blut gefärbt

und mit Thränen genährt.

M. Die Ehre, welche aus wohlthätigen und

nützlichen Einrichtungen und Anstalten ent-

springt?

Z. Wer die Ehre sucht, dem wird sie zum

Strick, von welchem er sich nicht mehr los-

machen kann.

M. Wohl dem, der mit einem Strick an

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das Gute gebunden ist.

Z. Was ist gut?

M. Alles was Nutzen bringt.

Z. Die Tapferkeit bringt dem Räuber auch

Nutzen!

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-

M. Aber keine Ehre.

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Z. Unter den Seinigen ganz gewiss.

M. Aber das ist nicht die rechte Ehre.

M. Aber keine Ehre. Z. Unter den Seinigen ganz gewiss. M. Aber das ist nicht die rechte Ehre. Z. Welches ist die rechte Ehre? M. Die aus dem Guten entspringt. Z. Ich könnte dich wieder fragen: Was ist gut? Und so kämen wir in einem beständigen Kreislauf hemm. Und damm M. Damm sage mir einmal, welches ist die rechte Ehre? Z. Die man nicht empfängt, sondern giebt. M. Wie? So wären die Huldigungen und Ehrenbezeugungen, welche man von den Menschen empfangt, nichts? Z. Eine Wolke mit Blitzen geladen. M. Kann es ein grösseres Glück geben, als sich bewundert, geehrt, ja gleichsam angebetet zu sehen? Z.. Wer verehrt und bewundert, giebt etwas; wer Ehre und Bewunderung annimmt, empfängt etwas. Wer ist reicher, der welcher austeilt, oder welcher empfängt? M. Du willst. mich mit dieser Frage verwirrt machen. Z. Keineswegs; aber du wirst gestehen, dass derjenige, welchem Verehrung und Bewundemng zum Bedürfnis geworden sind,

Z. Welches ist die rechte Ehre?

M. Die aus dem Guten entspringt.

Z. Ich könnte dich wieder fragen: Was ist

gut? Und so kämen wir in einem beständigen

Kreislauf herum. Und darum —

M. Darum sage mir einmal, welches ist

die rechte Ehre?

Z. Die man nicht empfängt, sondern giebt.

M. Wie? So wären die Huldigungen und

Ehrenbezeugungen, welche man von den Men-

schen empfängt, nichts?

Z. Eine Wolke mit Blitzen geladen.

M. Kann es ein grösseres Glück geben, als

sich bewundert, geehrt, ja gleichsam angebetet

zu sehen?

Z. Wer verehrt und bewundert, giebt etwas;

wer Ehre und Bewunderung annimmt, empfängt

etwas. Wer ist reicher, der welcher austeilt,

oder welcher empfängt?

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M. Du willst mich mit dieser Frage ver-

wirrt machen.

Z. Keineswegs; aber du wirst gestehen,

dass derjenige, welchem Verehrung und Be-

wunderung zum Bedürfnis geworden sind,

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— 336 —

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-

ärmer ist, als der ärmste Bettler, der sich um

sein Abendbrot kümmern muss.

ärmer ist, als der ärmste Bettler, der sich um sein Abendbrot kümmern muss. M. Wenn es zum Bedürfnis geworden ist, magst du recht haben. Wenn aber dies nicht der Fa11 ist? Z. Da ist alle Huldigung in den Wind geworfen; denn wer keinen Durst hat, dem schmeckt das Trinken nicht; oder, wer nicht friert, der bedarf der Wärmung nicht, oder, wer kein Fieber hat, hat keine Arznei nötig. M. Wie, du behauptest also Z. Dass das Gebäude deines Glückes auf morschen Pfeilern ruht. Verehrung und Bewunderung sollte glücklich machen I Wer teilt diese Gaben aus? Die grosse, die blinde Menge. Hältst du ihr Urteil für richtig? Heute hebt die Menge uns in die Wolken, morgen wirft sie uns in den Staub. Heute jauchzt sie der Tugend, morgen dem Laster. Oder bist du so blind, dass du dies nicht schon bemerkt hättest? Die Menschen können sich nach ihrer Weise lieben, aber nicht bewundern, nicht verehren. Ehre gebührt der Wahrheit; Wahrheit ist nur in dem Ewigen; ihm sind wir Ehre und Bewunderung schuldig, weil wir seine Macht, seine Weisheit, seine Güte nicht fassen, und doch davon überzeugt sind. Von des Menschen

M. Wenn es zum Bedürfnis geworden ist,

magst du recht haben. Wenn aber dies nicht

der Fall ist?

Z. Da ist alle Huldigung in den Wind

geworfen; denn wer keinen Durst hat, dem

schmeckt das Trinken nicht; oder, wer nicht

friert, der bedarf der Wärmung nicht, oder,

wer kein Fieber hat, hat keine Arznei nötig.

M. Wie, du behauptest also —

Z. Dass das Gebäude deines Glückes auf

morschen Pfeilern ruht. Verehrung und Be-

wunderung sollte glücklich machen! Wer teilt

diese Gaben aus? Die grosse, die blinde Menge.

Hältst du ihr Urteil für richtig? Heute hebt

die Menge uns in die Wolken, morgen wirft

sie uns in den Staub. Heute jauchzt sie der

Tugend, morgen dem Laster. Oder bist du

so blind, dass du dies nicht schon bemerkt

hättest? Die Menschen können sich nach ihrer

Weise Heben, aber nicht bewundern, nicht ver-

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ehren. Ehre gebührt der Wahrheit; Wahrheit

ist nur in dem Ewigen; ihm sind wir Ehre und

Bewunderung schuldig, weil wir seine Macht,

seine Weisheit, seine Güte nicht fassen, und

doch davon überzeugt sind. Von des Menschen

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— 337 —

Schwäche aber, seiner Blindheit, seiner Ver-

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-

änderlichkeit und Vergänglichkeit, von seinem

Schwäche aber, seiner Blindheit, seiner Veränderlichkeit und Vergänglichkeit, von seinem unvollkommenen Streben bei allem Schein der Grösse, sind wir auch überzeugt, und doch will dieses schwache Geschöpf, dieses zerbrechliche Gefass , das heute Fleisch und morgen Staub ist, sich von andem verehren und bewundern, oft sogar anbeten lassen. Fort mit aller "räuschung! Der Mensch kann sich an seinesgleichen anschliessen, sich von ihnen in seinem hilflosen Zustande helfen lassen; er kann zum Ewigen beten um Frische des Lebens, um Dauer des Lebens, um ewiges Leben; alles, was er ausser diesem thut, bringt ihn auf Abwege und stellt ihn auf eine selbstgemachte Höhe, welche früher oder später unter ihm brechen muss. M. Du bestimmst des Glückes Wert nach dessen Dauer; da magst du recht haben. Andere messen es nach seinem Inhalt. Kann nicht ein Tag ausgezeichneten Glückes Jahre des Unglücks aufwiegen? Z. Der Mensch hat seine ihm zugemessenen Kräfte; über diese hinaus kann er unter keinen Umständen gehen. Zuviel Glück oder Unglück tötet. Allzugrosses Glück ist Überspannung, allzugrosses Unglück Erschlaffung. Beim ersten

unvollkommenen Streben bei allem Schein der

Grösse, sind wir auch überzeugt, und doch will

dieses schwache Geschöpf, dieses zerbrechliche

Gefäss, das heute Fleisch und morgen Staub

ist, sich von andern verehren und bewundern,

oft sogar anbeten lassen. Fort mit aller Täu-

schung! Der Mensch kann sich an seines-

gleichen anschliessen, sich von ihnen in seinem

hilflosen Zustande helfen lassen; er kann zum

Ewigen beten um Frische des Lebens, um

Dauer des Lebens, um ewiges Leben; alles,

was er ausser diesem thut, bringt ihn auf Ab-

wege und stellt ihn auf eine selbstgemachte

Höhe, welche früher oder später unter ihm

brechen muss.

M. Du bestimmst des Glückes Wert nach

dessen Dauer; da magst du recht haben.

Andere messen es nach seinem Inhalt. Kann

nicht ein Tag ausgezeichneten Glückes Jahre

des Unglücks aufwiegen?

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Z. Der Mensch hat seine ihm zugemessenen

Kräfte; über diese hinaus kann er unter keinen

Umständen gehen. Zuviel Glück oder Unglück

tötet. Allzugrosses Glück ist Überspannung,

allzugrosses Unglück Erschlaffung. Beim ersten

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— 338 —

-

bricht der Faden, beim zweiten löst er sich

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auf. Das erste ist Rausch, das zweite Ver-

bricht der Faden, beim zweiten löst er sich auf. Das erste ist Rausch, das zweite Verwirrung aus Schwäche. Sage mir, hältst du das Betrunkensein für ein Glück? M. Keineswegs; ich halte es für ein Unglück. Wenn auch der Rausch einiges Scheinglück gewährt, so hat es doch keinen Wert., und die Folgen sind immer verderblich. Z. Unsere Unterredung ist zu Ende. Du hast selbst das beste Urteil ausgesprochen. M. Wieso? Z. Was ist das Glück der Ehre anders als ein Rausch? Siehe doch die Glückseligkeit des .Kämpfers, des Helden, des Künstlers,' des Bürgers u. s. w., wenn ihn die tolle Menge einmal mit ihrem Beifall in Versuchung führt! Ist da ein vom Wein Berauschter nicht viel vernünftiger, bescheidener, gefühlvoller, als so ein aufgeblasenes Menschengehirn, wenn es sich über die Menge erhaben wähnt und sich um einen Platz unter den Göttern umsieht? Des Menschen Glück ist Bescheidenheit, Genügsamkeit, innere Zufriedenheit, Gewissheit seines Zustandes, seiner Zukunft, seines Vermögens, mit dem Urgeist sich zu vereinigen, und sich ein ewiges Leben zu gewinnen. Wer anderes Glück sucht, will sich berauschen, um seinen wahren Zustand

wirrung aus Schwäche. Sage mir, hältst du das

Betrunkensein für ein Glück?

M. Keineswegs; ich halte es für ein Un-

glück. Wenn auch der Rausch einiges Schein-

glück gewährt, so hat es doch keinen Wert,

und die Folgen sind immer verderblich.

Z. Unsere Unterredung ist zu Ende. Du

hast selbst das beste Urteil ausgesprochen.

M. Wieso?

Z. Was ist das Glück der Ehre anders als

ein Rausch? Siehe doch die Glückseligkeit des

Kämpfers, des Helden, des Künstlers, des Bür-

gers u. s. w., wenn ihn die tolle Menge einmal

mit ihrem Beifall in Versuchung führt! Ist da

ein vom Wein Berauschter nicht viel vernünf-

tiger, bescheidener, gefühlvoller, als so ein auf-

geblasenes Menschengehirn, wenn es sich über

die Menge erhaben wähnt und sich um einen

Platz unter den Göttern umsieht? Des Menschen

Glück ist Bescheidenheit, Genügsamkeit, innere

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Zufriedenheit, Gewissheit seines Zustandes,

seiner Zukunft, seines Vermögens, mit dem

Urgeist sich zu vereinigen, und sich ein ewiges

Leben zu gewinnen. Wer anderes Glück sucht,

will sich berauschen, um seinen wahren Zustand

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— 339 —

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nicht zu sehen. Wer nicht in Gewissheit lebt,

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ist im Ungewissen. Ungewissheit aber ist die

Mutter der Angst und der Furcht, denen sich

nicht zu sehen. Wer nicht in Gewissheit lebt, i$t im Ungewissen. Ungewissheit aber ist die Mutter der Angst und der Furcht, denen sich kein Glück und keine Zufriedenheit nahen kann. M. Deine Antworten sind so gut als deine Fragen. Ich kann deiner Lehre nichts entgegensetzen. Aber wie kommt es, dass ich, wenn ich in deiner Gegenwart noch so sehr von diesen Ansichten überzeugt bin, bei mir selbst wieder auf tausend Zweifel verfalle? Z. Das rührt von deiner schwächlichen Natur her, die sich zu nichts Gewissem erheben kann. Du möchtest gerne gut sein, wenn du die Stärke hättest, dich aus dem Schlamm zu ziehen. Du möchtest gerne glücklich sein, wenn du den Mut hättest, dich dem Unglück zu entreissen. Das Gute, aus welchem allein das Glück kommt, ist dir zu still; .deine rohen Nerven werden nicht genug erschüttert, darum wählst du den Tumult, die Eifersucht, den Kampf, die Leidenschaften, die Begierden, den Zwang, die Weltklugheit, die Anmassung u. s. w., weil dadurch dein Leben in auffallende Thätigkeit gesetzt und in dir das Gefuhl einer scheinbar höheren Lebensthätigkeit erregt wird. Der überftillte Strom zerreisst sein Bett, und wenn er wieder in Ruhe kommt, so hat er seine

kein Glück und keine Zufriedenheit nahen kann.

M. Deine Antworten sind so gut als deine

Fragen. Ich kann deiner Lehre nichts ent-

gegensetzen. Aber wie kommt es, dass ich,

wenn ich in deiner Gegenwart noch so sehr

von diesen Ansichten überzeugt bin, bei mir

selbst wieder auf tausend Zweifel verfalle?

Z. Das rührt von deiner schwächlichen

Natur her, die sich zu nichts Gewissem erheben

kann. Du möchtest gerne gut sein, wenn du

die Stärke hättest, dich aus dem Schlamm zu

ziehen. Du möchtest gerne glücklich sein,

wenn du den Mut hättest, dich dem Unglück

zu entreissen. Das Gute, aus welchem allein

das Glück kommt, ist dir zu still; .deine rohen

Nerven werden nicht genug erschüttert, darum

wählst du den Tumult, die Eifersucht, den

Kampf, die Leidenschaften, die Begierden, den

Zwang, die Weltklugheit, die Anmassung u.s.w.,

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weil dadurch dein Leben in auffallende Thätig-

keit gesetzt und in dir das Gefühl einer schein-

bar höheren Lebensthätigkeit erregt wird. Der

überfüllte Strom zerreisst sein Bett, und wenn

er wieder in Ruhe kommt, so hat er seine

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-

— 34° —

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-

Richtung verloren, und erst nach Jahren, oft

nie mehr, kann er die ruhige Bahn gewinnen,

Richtung verloren, und erst nach Jahren, oft nie mehr, kann er die ruhige Bahn gewinnen, welche ihn zur Heimat, in das Weltmeer, führt.

welche ihn zur Heimat, in das Weltmeer, führt.

Die Loge.

Was ist die erste Bedingung einer Loge

oder Maurerversammlung? Stille! Der Geist

des lebendigen, ewigen Lichtes schwebt über

einer solchen Versammlung, oder soll über ihr

schweben; es muss daher alles gethan werden,

Die Loge.

um diesen Geist in die Versammlung zu ziehen

und ihn nicht wieder daraus zu verscheuchen.

Die Maurerei hat entweder einen Zweck

Was ist die erste Bedingung einer Loge oder Maurerversammlung ? Stille! Der Geist des lebendigen, ewigen Lichtes schwebt über einer solchen Versammlung, oder soU über ihr schweben; es muss daher alles gethan werden, um diesen Geist in die Versammlung zu ziehen und ihn nicht wieder daraus zu verscheuchen. Die Maurerei hat entweder einen Zweck oder sie entbehrt desselben. Hat sie keinen, so ist es besser, uns zu trennen und jeden seinen Weg ziehen zu lassen. Hat sie aber einen Zweck, so ist es Pflicht eines jeden, der ihren Namen trägt, diesen Zweck zu erreichen. Die Maurerei hat einen Zweck, grass und erhaben, rein und wohlthätig für jedes Menschenherz. Unsere unerlässliche Pflicht ist es also, die Mittel zu diesem Zweck zu suchen und anzuwenden. Der Zweck der Maurerei ist geistiger Natur, entfernt von allem profanen Treiben des Tages, einzig und allein auf die Veredlung des innern Menschen, auf Erkenntnis geistiger I\.räfte gerichtet, welche den Erden-

oder sie entbehrt desselben. Hat sie keinen,

so ist es besser, uns zu trennen und jeden

seinen Weg ziehen zu lassen. Hat sie aber

einen Zweck, so ist es Pflicht eines jeden, der

ihren Namen trägt, diesen Zweck zu erreichen.

Die Maurerei hat einen Zweck, gross und

erhaben, rein und wohlthätig für jedes Menschen-

herz. Unsere unerlässliche Pflicht ist es also,

die Mittel zu diesem Zweck zu suchen und

anzuwenden. Der Zweck der Maurerei ist

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geistiger Natur, entfernt von allem profanen

Treiben des Tages, einzig und allein auf die

Veredlung des innern Menschen, auf Erkenntnis

geistiger Kräfte gerichtet, welche den Erden-

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— 34i —

-

bewohner mit den höheren Kräften vereinigt

und aussöhnt. Der Geist des höheren Wissens,

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der Geist der Weisheit ist das Reinste und

bewohner mit den höheren Kräften vereinigt und aussöhnt. Der Geist des höheren Wissens, der Geist der Weisheit ist das Reinste und Heiligste in der Natur, über alle Prozesse der Gährung erhaben. Die sichtbare Natur lehrt uns, dass nur in den Augenblicken der Gährung und Entwicklung, wenn sich Reines vom Umeinen scheidet, Kampf und Unruhe ist. Dem Reinsten, dem Geiste, lebt der Maurer. Der Geist ist in vollendeter Ruhe; wie kann nun diesem Geiste würdiger gehuldigt werden, als durch ernste, männliche Stille! Jeder Tumult, jedes überflüssige Gespräch, jede Empfindung, welche dem Gesetz der Liebe entgegen ist, vermischt den Geist mit fremdartigen Dingen und reisst ihn gewaltsam aus seiner eigentümlichen Ruhe. Wenn wir auch noch zu schwach sind, unsere ganze Lebensweise nach dieser Norm einzurichten, so ist es doch notwendig, in Maurerversammltlngen den positiven Gesetzen des Geistes zu gehorchen. Die Seele des Menschen ist eine Vermischung geistiger und physischer Kräfte; aus dieser Vermischung entsteht Unruhe und Kampf, weil Physisches und Geistiges stets miteinander kämpfen und die Herrschaft zu erringen suchen.

Heiligste in der Natur, über alle Prozesse der

Gährung erhaben.

Die sichtbare Natur lehrt uns, dass nur in

den Augenblicken der Gährung und Entwick-

lung, wenn sich Reines vom Unreinen scheidet,

Kampf und Unruhe ist. Dem Reinsten, dem

Geiste, lebt der Maurer. Der Geist ist in voll-

endeter Ruhe; wie kann nun diesem Geiste

würdiger gehuldigt werden, als durch ernste,

männliche Stille!

Jeder Tumult, jedes überflüssige Gespräch,

jede Empfindung, welche dem Gesetz der Liebe

entgegen ist, vermischt den Geist mit fremd-

artigen Dingen und reisst ihn gewaltsam aus

seiner eigentümlichen Ruhe. Wenn wir auch

noch zu schwach sind, unsere ganze Lebens-

weise nach dieser Norm einzurichten, so ist es

doch notwendig, in Maurerversammlüngen den

positiven Gesetzen des Geistes zu gehorchen.

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Die Seele des Menschen ist eine Ver-

mischung geistiger und physischer Kräfte; aus

dieser Vermischung entsteht Unruhe und Kampf,

weil Physisches und Geistiges stets miteinander

kämpfen und die Herrschaft zu erringen suchen.

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— 342 —

-

Unsere Pflicht ist es, den geistigen Kräften in

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dieser Gährung den Sieg zu sichern; wir müssen

daher alles aufbieten, die Thätigkeit derselben

Unsere Pflicht ist es, den. geistigen Kräften in dieser Gährung den Sieg zu sichern; wir müssen daher alles aufbieten, die Thätigkeit derselben zu erhöhen. Womit geschieht nun dieses? Etwa durch sichtbare Anstrengungen? Keineswegs, sondern durch Ruhe in vollem Bewusstsein, durch Ruhe in voller Thätigkeit, durch Sieg im Kampf gegen unser Fleisch und Blut, gegen unsere Begierden, Lüste und Leidenschaften. Ruhe, lebendige, kräftige Ruhe, ist das sicherste Mittel, dem Geistigen in uns den Sieg zu verschaffen, und darum müssen wir uns Ruhe zur Lebensregel machen, müssen standhaft sein in allen Angelegenheiten und Anfechtungen des Lebens, und uns nicht kümmern, wenn alles gegen unsere Wünsche und Begierden streitet, wofern wir nur als Sieger in dem innern Gäluungskampfe bestehen, und das physische Regiment, das uns so lange tyrannisierte, zu Boden werfen. Hier Hesse sich manche praktische Anwendung machen; allein es wird genug sein, wenn wir sagen, dass unsere ganze Lebensweij)e diesem Gesetz der Ruhe schnurstracks entgegen ist. Sie zweifeln vielleicht an der Wahrheit dieses

zu erhöhen.

Womit geschieht nun dieses? Etwa durch

sichtbare Anstrengungen? Keineswegs, sondern

durch Ruhe in vollem Bewusstsein, durch Ruhe

in voller Thätigkeit, durch Sieg im Kampf

gegen unser Fleisch und Blut, gegen unsere

Begierden, Lüste und Leidenschaften.

Ruhe, lebendige, kräftige Ruhe, ist das

sicherste Mittel, dem Geistigen in uns den Sieg

zu verschaffen, und darum müssen wir uns Ruhe

zur Lebensregel machen, müssen standhaft sein

in allen Angelegenheiten und Anfechtungen

des Lebens, und uns nicht kümmern, wenn

alles gegen unsere Wünsche und Begierden

streitet, wofern wir nur als Sieger in dem in-

nern Gährungskampfe bestehen, und das phy-

sische Regiment, das uns so lange tyrannisierte,

zu Boden werfen.

Hier Hesse sich manche praktische Anwen-

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dung machen; allein es wird genug sein, wenn

wir sagen, dass unsere ganze Lebensweise

diesem Gesetz der Ruhe schnurstracks ent-

gegen ist.

Sie zweifeln vielleicht an der Wahrheit dieses

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— 343 —

-

Ausspruches, und meinen, so arg sei es nicht.

343

Ich behaupte, dass keiner unter uns ist, der

nicht durch eine kleine Verletzung seiner

Ausspmches, und meinen, so arg sei es nicht. Ich behaupte, dass keiner unter uns ist, der nicht durch eine kleine Verletzung seiner schwachen Seite in üble Laune, oder gar in Hitze und Galle versetzt werden kann. Der grösste Sieg, welchen wir über uns eningen können, ist, dass wir den Wurm in uns hineinschlucken , und ihn dort im stillen ungestört fressen lassen. Die Wespe drückt in das Fleisch ihres Verfolgers den Stachel und muss sterben. Wir haben uns schon oft über die Dummheit dieses Insekts gewundert und nicht bedacht, dass wir selbst nicht um ein Haar klüger sind. Oder drücken wir nicht Tag für Tag unsern Stachel ab gegen vermeintliche Verfolger durch beissende Repliken, durch Anmerkungen, welche jenen, der uns verwunden wollte, auch verwunden, und bedenken ebensowenig als die Wespe, dass jede dieser Anmerkungen einen Teil unseres inneren Lebens zerstört? In der Ruhe liegt unser Sieg; im eigenen Frieden sind wir geborgen. Wer sich nicht über Beleidigungen erheben und sie unangefochten ertragen kann, wer immerdar Rücksicht nimmt und nehmen muss, wem dies und jenes, dieser und jener noch zuwider ist, wer

schwachen Seite in üble Laune, oder gar in

Hitze und Galle versetzt werden kann. Der

grösste Sieg, welchen wir über uns erringen

können, ist, dass wir den Wurm in uns hinein-

schlucken, und ihn dort im stillen ungestört

fressen lassen. Die Wespe drückt in das

Fleisch ihres Verfolgers den Stachel und muss

sterben. Wir haben uns schon oft über die

Dummheit dieses Insekts gewundert und nicht

bedacht, dass wir selbst nicht um ein Haar

klüger sind. Oder drücken wir nicht Tag für

Tag unsern Stachel ab gegen vermeintliche

Verfolger durch beissende Repliken, durch

Anmerkungen, welche jenen, der uns verwunden

wollte, auch verwunden, und bedenken ebenso-

wenig als die Wespe, dass jede dieser Anmer-

kungen einen Teil unseres inneren Lebens

zerstört?

In der Ruhe liegt unser Sieg; im eigenen

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Frieden sind wir geborgen. Wer sich nicht

über Beleidigungen erheben und sie un-

angefochten ertragen kann, wer immerdar Rück-

sicht nimmt und nehmen muss, wem dies und

jenes, dieser und jener noch zuwider ist, wer

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— 344 —

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über gewisse Personen und Punkte gar nicht

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ruhig mit sich sprechen lassen kann, der ist

noch in völliger Unruhe, und wenn auch die

über gewisse Personen und Punkte gar nicht ruhig mit sich sprechen lassen kann, der ist noch in völliger Unruhe, und wenn auch die Gährung sich endigen will, so kommt ein kleiner Zufall und rührt den ganzen Unrat wieder untereinander, dass er den Prozess von vorne beginnen muss. Ruhe ist unser Ziel; Ruhe nur ist unveränderlich. Unveränderliches ist ewig. Gott ist ewig, Gott ist die ewige Ruhe in ewiger Kraft. Diese Ruhe zu erzielen, ist unsere Aufgabe, ist notwendige Bedingung, wenn wir unser Ziel erreichen und Menschen werden wollen. Im öffentlichen Leben diese Ruhe zu gewinnen ist schwer; darum muss in Logen und Maurerversammlungen dahin gezielt werden, den Geist dieser Ruhe auf einige Stunden zu erlangen, um ein Modell zu haben, wie unser ganzes Leben und das Leben aller Menschen sein soll. Wer in unsere Versammlung kommt und Hass oder Verdruss im Herzen hat, verscheucht den Geist des Ordens. .Wer seine profanen Pläne, Ideen und Spekulationen in unsere Hallen bringt, thäte besser, von uns weg zu bleiben. Wer da meint, sich von häuslichen Sorgen, von Unannehmlichkeiten des Lebens bei uns zu erholen, der sieht unser Institut als

Gährung sich endigen will, so kommt ein kleiner

Zufall und rührt den ganzen Unrat wieder

untereinander, dass er den Prozess von vorne

beginnen muss.

Ruhe ist unser Ziel; Ruhe nur ist un-

veränderlich. Unveränderliches ist ewig. Gott

ist ewig, Gott ist die ewige Ruhe in ewiger

Kraft. Diese Ruhe zu erzielen, ist unsere Auf-

gabe, ist notwendige Bedingung, wenn wir

unser Ziel erreichen und Menschen werden

wollen. Im öffentlichen Leben diese Ruhe zu

gewinnen ist schwer; darum muss in Logen

und Maurerversammlungen dahin gezielt werden,

den Geist dieser Ruhe auf einige Stunden zu

erlangen, um ein Modell zu haben, wie unser

ganzes Leben und das Leben aller Menschen

sein soll. Wer in unsere Versammlung kommt

und Hass oder Verdruss im Herzen hat, ver-

scheucht den Geist des Ordens. Wer seine

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profanen Pläne, Ideen und Spekulationen in

unsere Hallen bringt, thäte besser, von uns weg

zu bleiben. Wer da meint, sich von häuslichen

Sorgen, von Unannehmlichkeiten des Lebens

bei uns zu erholen, der sieht unser Institut als

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— 345 —

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eine Schenke an, in welcher man sich die Zeit

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vertreibt. Ganz gewiss muss der Maurer —

Maurer sein, wenn er in die Versammlung tritt;

eine Schenke an, in welcher ~an sich die Zeit vertreibt. Ganz gewi~ muss der Maurer Maurer sein, wenn er in die Versammlung tritt; kein Gedanke an irgend etwas anderes darf seine Seele trüben, wenn er Nutzen geben und Nutzen schöpfen soll. Ruhe, innere Herzens- und Seelenruhe muss jeder erringen, will er Liebe und Wahrheit kennen lernen. In der Ruhe liegt die ewige Kraft, von welcher alle andern Kräfte ausgehen. DUrch den ruhigen Gang beherrscht die Sonne ihr Planetensystem. Durch seine ruhigen Strahlen leuchtet und zündet das Licht noch mehr als das heftigste Feuer. Durch die ruhige Ordnung erhält sich der unerforschliche Plan der Schöpfung. Darum, meine Brüder, herrsche Ruhe in unsern Versammlungen, Ruhe in unserm Leben, eine solche männliche Ruhe, die nichts erschüttern, nichts unterbrechen, nichts zerstören kann. Dadurch erwirbt sich jeder ein eigenes Paladium, das ihn sicher führt auf dem Wege zur Wahrheit, zur Weisheit und Unsterblichkeit.

kein Gedanke an irgend etwas anderes darf

seine Seele trüben, wenn er Nutzen geben und

Nutzen schöpfen soll.

Ruhe, innere Herzens- und Seelenruhe muss

jeder erringen, will er Liebe und Wahrheit

kennen lernen. In der Ruhe liegt die ewige

Kraft, von welcher alle andern Kräfte ausgehen.

Durch den ruhigen Gang beherrscht die Sonne

ihr Planetensystem. Durch seine ruhigen

Strahlen leuchtet und zündet das Licht noch

mehr als das heftigste Feuer. Durch die ruhige

Ordnung erhält sich der unerforschliche Plan

der Schöpfung. Darum, meine Brüder, herrsche

Ruhe in unsern Versammlungen, Ruhe in un-

serm Leben, eine solche männliche Ruhe, die

nichts erschüttern, nichts unterbrechen, nichts

zerstören kann. Dadurch erwirbt sich jeder

ein eigenes Paladium, das ihn sicher führt auf

dem Wege zur Wahrheit, zur Weisheit und

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Unsterblichkeit.

Sechs Symbole.

Meine Brüder! Wir haben sechs verschie-

dene Symbole vor uns, deren jedes auf irgend

Lotusblüthen LXXX. 34

Sechs Symbole. Meine Brüder! Wir haben sechs verschiedene Symbole vor uns, deren jedes auf irgend Lotusblüthen LXxx.

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einer Sache oder Angelegenheit in unserm

Leben Anwendung findet und fordert.

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Von dem rohen Stein muss die Hülle

einer Sache oder Angelegenheit in unserm Leben Anwendung findet und fordert. Von dem rohen Stein muss die Hülle hinweggenommen, und der kubische Kern gesucht werden, ohne jedoch zuviel· von dem Stein zu zersplittern. Das erste hierbei ist die Reinigung und die Hinwegnahme der Zacken und Buckeln; dann sucht man das Quadrat und endlich die kubische Form. Wie weit, meine Brüder, sind wir in uns selbst noch von der kubischen Form entCemt? Wie viele Schlacken und Buckeln haben wir noch an uns, die so sehr mit unserem Ich verwachsen sind, dass wir nur mit grösster Anstrengung und mit schmerzhaften Operationen uns zu reinigen vermögen. Daher können wir ohne Ernst nie zum Quadrat, viel weniger zur kubischen Übereinstimmung gelangen. Bei den Reisen werden wir zuerst durch Stürme erschreckt, dann folgt Stille, wo nur das Wasser uns noch in gehöriger Reinigkeit erhält. Keine Stürme, kein Ungemach, kein Unglück, selbst der Tod soll uns nicht hindern, das Rechte, das Gute zu thun. Ebensowenig soll die Ruhe eines stillen Lebens uns erschlaffen. Wenn nicht grosse Unglücksfälle,

hinweggenommen, und der kubische Kern ge-

sucht werden, ohne jedoch zuviel von dem

Stein zu zersplittern. Das erste hierbei ist die

Reinigung und die Hinwegnahme der Zacken

und Buckeln; dann sucht man das Quadrat

und endlich die kubische Form.

Wie weit, meine Brüder, sind wir in uns

selbst noch von der kubischen Form entfernt?

Wie viele Schlacken und Buckeln haben wir

noch an uns, die so sehr mit unserem Ich ver-

wachsen sind, dass wir nur mit grösster An-

strengung und mit schmerzhaften Operationen

uns zu reinigen vermögen. Daher können wir

ohne Ernst nie zum Quadrat, viel weniger zur

kubischen Ubereinstimmung gelangen.

Bei den Reisen werden wir zuerst durch

Stürme erschreckt, dann folgt Stille, wo nur

das Wasser uns noch in gehöriger Reinigkeit

erhält.

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Keine Stürme, kein Ungemach, kein Un-

glück, selbst der Tod soll uns nicht hindern,

das Rechte, das Gute zu thun. Ebensowenig

soll die Ruhe eines stillen Lebens uns er-

schlaffen. Wenn nicht grosse Unglücksfälle,

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— 347 —

sondern nur kleine Verdriesslichkeiten, die aber

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oft wiederkehren, uns treffen, da ist es oft

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schwieriger, seine Selbständigkeit zu behaupten,

und seine Tugend zu bewahren, als im heftig-

sondern nur kleine Verdriesslichkeiten, die aber oft wiederkehren, uns treffen, da ist es oft schwieriger, seine Selbständigkeit zu behaupten, und seine Tugend zu bewahren, als im heftigsten Sturm. Auch in der Meeresstille muss der Schiffer auf den Sturm gefasst sein; in ruhiger Einsamkeit ist es des Menschen Pflicht, zu üben, damit er bei vorkomseine Stärke • menden Fällen nicht unvorbereitet überrascht werde. Schwerer als die obigen, ist die Feuerprobe, wenn der Mensch sich unwürdig ·behandelt sieht, wenn er gedrückt wird durch Neid und Hochmut anderer, so dass es scheint, die Menschheit habe sich gegen ihn verschworen. Solchen Widerwärtigkeiten nicht zu erliegen, und sein Gefühl, seinen Eifer für Tugend und Menschenliebe nicht zu verlieren, ist der Triumph der menschlichen Natur. Wie echtes Gold geläutert, geht ein solcher Kämpfer aus dem Feuer hervor, und trägt in sich schon das Gefühl der Göttlichkeit, das ihn in allen Widerwärtigkeiten aufrecht erhält. Drei Jahre sind wir alt. Jede Pflanze hat drei Hauptperioden. Zuerst entwickeln sich aus einem Samenkorn Wurzeln und Stamm, dann kommen Äste, und endlich werden wir

sten Sturm. Auch in der Meeresstille muss

der Schiffer auf den Sturm gefasst sein; in

ruhiger Einsamkeit ist es des Menschen Pflicht,

seine Stärke zu üben, damit er bei vorkom-

menden Fällen nicht unvorbereitet überrascht

werde.

Schwerer als die obigen, ist die Feuerprobe,

wenn der Mensch sich unwürdig behandelt

sieht, wenn er gedrückt wird durch Neid und

Hochmut anderer, so dass es scheint, die

Menschheit habe sich gegen ihn verschworen.

Solchen Widerwärtigkeiten nicht zu erliegen,

und sein Gefühl, seinen Eifer für Tugend und

Menschenliebe nicht zu verlieren, ist der

Triumph der menschlichen Natur. Wie echtes

Gold geläutert, geht ein solcher Kämpfer aus

dem Feuer hervor, und trägt in sich schon

das Gefühl der Göttlichkeit, das ihn in allen

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Widerwärtigkeiten aufrecht erhält.

Drei Jahre sind wir alt. Jede Pflanze

hat drei Hauptperioden. Zuerst entwickeln sich

aus einem Samenkorn Wurzeln und Stamm,

dann kommen Äste, und endlich werden wir

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~.

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für unsere Geduld und Pflege mit Früchten

belohnt. Jede Wahrheit, welche wir hören, ist

-

ein Samenkorn. Aber der Verstand, wenn er

für unsere Geduld und Pflege mit Früchten belohnt. Jede Wahrheit, welche wir hören, ist ein Samenkorn. Aber der Verstand, wenn er die Wahrheit auch in sich aufnimmt und begreift, ist ein trockener Boden, .in welchem nichts gedeihen kann, wofern er nicht durch das Gefühl befeuchtet und genährt wird. Beide müssen sich vereinigen, dann wird die Wahrheit sprossen, Äste treiben und Früchte bringen. Der erste Schritt ist das Erkennen des Guten, der zweite das Vollbringen des von uns erkannten Guten, der dritte aber führt uns dann zur Säule, wo wir den Lohn empfangen. Die erste Stufe begreift das Materielle alles Organischen, sowohl nach Form, Inhalt und Zweck in sich. Die zweite ist die Seele, die .lebendige Kraft, welche diese Organe in Bewegung setzt. Die dritte zeigt uns den höchsten Zweck alles Lebendigen, die Vereinigung mit dem geistigen Urstoff. Roher Stein: abschälend. Drei Jahre alt: wachsend. Drei Reisen: Hindemisse besiegend. Drei Schritte: vorwärts schreitend. Drei Stufen: aufwärts schreitend und endlich in sich selbst geordnet. Dreieck:

die Wahrheit auch in sich aufnimmt und be-

greift, ist ein trockener Boden, in welchem

nichts gedeihen kann, wofern er nicht durch

das Gefühl befeuchtet und genährt wird. Beide

müssen sich vereinigen, dann wird die Wahr-

heit sprossen, Aste treiben und Früchte bringen.

Der erste Schritt ist das Erkennen des Gu-

ten, der zweite das Vollbringen des von uns

erkannten Guten, der dritte aber führt uns dann

zur Säule, wo wir den Lohn empfangen.

Die erste Stufe begreift das Materielle alles

Organischen, sowohl nach Form, Inhalt und

Zweck in sich. Die zweite ist die Seele, die

lebendige Kraft, welche diese Organe in Be-

wegung setzt. Die dritte zeigt uns den höchsten

Zweck alles Lebendigen, die Vereinigung mit

dem geistigen Urstoff.

Roher Stein: abschälend.

Drei Jahre alt: wachsend.

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Drei Reisen: Hindernisse besiegend.

Drei Schritte: vorwärts schreitend.

Drei Stufen: aufwärts schreitend

und endlich

Dreieck: in sich selbst geordnet.

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— 349 —

-

Der Lehrling am zackigen Stein.

Lange schon stand ich beim Tempelbau

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-

als Lehrling in Arbeit. Niemals ward mir ein

Lob zu teil, so sehr ich mich auch befleissigte;

im Gegenteil wurde ich einem Gesellen als

Der Lehrling am zackigen Stein.

Gehilfe zuerteilt, welcher mich in Nebenstunden

in der Arbeit unterrichten sollte.

Lange schon stand ich beim Tempelbau als Lehrling in Arbeit. Niemals ward mir ein Lob zu teil, so sehr ich mich auch befleissigte; im Gegenteil wurde ich einem Gesellen als Gehilfe zuerteilt, welcher mich in Nebenstunden in der Arbeit unterrichten sollte. Ich ging mit ihm auf seinen Arbeitsplatz und sah nicht weit davon einen Stein im Grase liegen, dessen künstliche Bearbeitung mir auffiel. Ich machte ihn darauf aufmerksam und frug ihn über die Vernachlässigung des Steines. "Der Stein ist künstlich bearbeitet," sprach er, "allein er passt nicht in den Plan des Tempels." Ich stutzte. Er aber fuhr fort: "Hier ist ein Kriegsmann, dort eine Frau, weiter links eine Frau mit einer Liebesflöte. Da unten ein Narziss, wie er sich selbst beschaut, dort oben ein Herrscher, dessen Kreaturen ihm Weihrauch bringen, und ringsum windet sich ein Lorberkranz, der alles in eins verbindet. Mit vielem Fleiss hat ein Geselle dies ausgeführt und hoffie Lohn dafür; als aber der Meister mit WinkeImass und mit Zirkel kam, und den Stein untersuchte, stiess er ihn aus." Ich äusserte ihm mein Erstaunen. Der

Ich ging mit ihm auf seinen Arbeitsplatz

und sah nicht weit davon einen Stein im Grase

liegen, dessen künstliche Bearbeitung mir auf-

fiel. Ich machte ihn darauf aufmerksam und

frug ihn über die Vernachlässigung des Steines.

„Der Stein ist künstlich bearbeitet," sprach

er, „allein er passt nicht in den Plan des Tem-

pels." Ich stutzte. Er aber fuhr fort: „Hier

ist ein Kriegsmann, dort eine Frau, weiter links

eine Frau mit einer Liebesflöte. Da unten ein

Narziss, wie er sich selbst beschaut, dort oben

ein Herrscher, dessen Kreaturen ihm Weihrauch

bringen, und ringsum windet sich ein Lorber-

kranz, der alles in eins verbindet. Mit vielem

Fleiss hat ein Geselle dies ausgeführt und hoffte

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Lohn dafür; als aber der Meister mit Winkel-

mass und mit Zirkel kam, und den Stein unter-

suchte, stiess er ihn aus."

Ich äusserte ihm mein Erstaunen. Der

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— 3 So —

Fleiss, der gute Wille des Gesellen hätten

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Rücksicht verdient, meinte ich. Er zeigte auf

Fleiss, der gute Wille des Gesellen hätten Rücksicht verdient, meinte ich. Er zeigte auf den Arbeitsplatz und sagte ernst: "Wenn jeder der Gesellen nach eigener Willkür arbeiten wollte, würde da wohl ein Stein auf den andern passen? Die Regel ist gegeben für Länge, Breite und Tiefe; wer sich nicht danach richtet, arbeitet für sich selbst und nicht für den Tempel. Gehorsam gebührt dem Gesellen und dem Lehrling. Kenntnis des Gesetzes ist ihm not; die Erfüllung desselben kann allein uns Lohn gewinnen. Doch siehe, ein Aufseher naht; ich muss zur Arbeit; wenn du willst, so kannst du mich begleiten." Er führte mich zu einem fertig bearbeiteten Stein J dessen einfache Verzierung sogleich anzeigte, dass sie nicht für sich bestehe, sondern mit andem in Verbindung gebracht werden müsse. Ich gab ihm mein Bedenken über die Abhängigkeit einer solchen Arbeit zu erkennen, worauf er kurz erwiederte: "So will es der Plan des Meisters." Der Aufseher kam herbei, besah den Stein, fing an zu messen mit Richtscheit, Winkelmass und Zirkel. Er besah und mass von allen Seiten. Endlich sprach er: "Reine Verhältnisse! Überall nach dem Mass des Meisters! Fleissig und

den Arbeitsplatz und sagte ernst: „Wenn jeder

der Gesellen nach eigener Willkür arbeiten

wollte, würde da wohl ein Stein auf den andern

passen? Die Regel ist gegeben für Länge,

Breite und Tiefe; wer sich nicht danach richtet,

arbeitet für sich selbst und nicht für den Tempel.

Gehorsam gebührt dem Gesellen und dem

Lehrling. Kenntnis des Gesetzes ist ihm not;

die Erfüllung desselben kann allein uns Lohn

gewinnen. Doch siehe, ein Aufseher naht; ich

muss zur Arbeit; wenn du willst, so kannst du

mich begleiten."

Er führte mich zu einem fertig bearbeiteten

Stein, dessen einfache Verzierung sogleich an-

zeigte, dass sie nicht für sich bestehe, sondern

mit andern in Verbindung gebracht werden

müsse. Ich gab ihm mein Bedenken über die

Abhängigkeit einer solchen Arbeit zu erkennen,

worauf er kurz erwiederte: „So will es der Plan

des Meisters."

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Der Aufseher kam herbei, besah den Stein,

fing an zu messen mit Richtscheit, Winkelmass

und Zirkel. Er besah und mass von allen Seiten.

Endlich sprach er: „Reine Verhältnisse! Überall

nach dem Mass des Meisters! Fleissig und

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sorgfältig bearbeitet! Nirgends Bruch oder

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Vertiefung! Bringe diese Arbeit in die Meister-

hütte; der Meister selbst wird eine Zeichnung

sorgfältig bearbeitet! Nirgends Bruch oder Vertiefung! Bringe diese Arbeit in die Meisterhütte ; der Meister selbst wird eine Zeichnung darauf graben, die deiner Arbeit eine. eigene Bedeutung giebt. Du hast für das Ganze mit Liebe und Fleiss gewirkt; des Meisters Sache ist's, dir einen selbständigen freien Wirkungskreis zu geben." Er ging. Des Gesellen Augen glänzten. Ich stand verwirrt. Endlich wandte er sich zu mir mit den Worten: "Ich habe es nicht verdient, was er mir geben will; es war mein Glück, ihm zu gehorchen; er ist zu nachsichtig, zu gütig! Möge dir dieser Auftritt Mut verleihen und deinen Eifer stärken." Er sah meine Verlegenheit und fuhr fort: "Doch, was fehlt dir; du scheinst nicht zu hoffen j 0 zage nicht! Wer ernstlich will, kann's leicht erreichen! Möchtest du mir wohl deine Arbeit zeigen?" "Jetzt nicht," erwiederte ich j "ein andermal, wenn ich gefasster bin." Er drang nicht weiter in mich. Doch ich, ich war zu keinem Urteil fahigj mein Innerstes war aufgeregt; ich nahm ihn bei der Hand und rief: "So komm mit mir! " Ich fiihrte ihn zum Platze, auf welchem mein Stein lag. Als er ihn von ferne sah, sprach er: "Du hast ja noch gar nichts

darauf graben, die deiner Arbeit eine eigene

Bedeutung giebt. Du hast für das Ganze mit

Liebe und Fleiss gewirkt; des Meisters Sache

ist's, dir einen selbständigen freien Wirkungs-

kreis zu geben."

Er ging. Des Gesellen Augen glänzten.

Ich stand verwirrt. Endlich wandte er sich zu

mir mit den Worten: „Ich habe es nicht ver-

dient, was er mir geben will; es war mein

Glück, ihm zu gehorchen; er ist zu nachsichtig,

zu gütig! Möge dir dieser Auftritt Mut ver-

leihen und deinen Eifer stärken." Er sah meine

Verlegenheit und fuhr fort: „Doch, was fehlt

dir; du scheinst nicht zu hoffen; o zage nicht!

Wer ernstlich will, kann's leicht erreichen!

Möchtest du mir wohl deine Arbeit zeigen?"

„Jetzt nicht," erwiederte ich; „ein andermal,

wenn ich gefasster bin." Er drang nicht weiter

in mich. Doch ich, ich war zu keinem Urteil

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fähig; mein Innerstes war aufgeregt; ich nahm

ihn bei der Hand und rief: „So komm mit

mir!" Ich führte ihn zum Platze, auf welchem

mein Stein lag. Als er ihn von ferne sah,

sprach er: „Du hast ja noch gar nichts

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-

gearbeitet." „Komm und sieh!" bat ich. In

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wenig Augenblicken standen wir bei dem Stein.

Traurig sah er meine Arbeit an. Er schien

gearbeitet." "Komm und sieh!" bat ich. In wenig Augenblicken standen wir bei dem Stein. Traurig sah er meine Arbeit an. Er schien unentschlossen, ob er mit mir dariiber sprechen oder sich entfernen sollte. "Siehst du nun," sagte ich bitter, "wieviel ich gearbeitet habe?" "Ich sehe," erwiederte er gelassen, "alle suchen, alle meinen es recht zu machen; anfänglich irren sie; wohl jedern, der zur Erkenntnis kommt!" "Ach, du willst mich trösten," rief ich, "über meine Blindheit, über meine Hartnäckigkeit, über meinen Stolz und die verlorene Zeit." "W er den Mut hat, wieder gut zu machen, der hat nichts verloren," gab er mir zur Antwort. Er besah nun den Stein an allen Seiten. Er hatte eine ausgezeichnete Form. Seine Zacken waren so gross, dass sie gleichsam eigene Steine bildeten, die wie Pyramiden von dem Kern ausgingen. Ich konnte mich unmöglich entschliessen, diese Zacken herabzunehmen , und fing damit meine Arbeit an, jeden derselben zu behauen und soviel als möglich in winkelrechte Formen zu bringen. Jeder einzelne Zacken kostete mich soviel Mühe, als wenn ich den Kern allein in richtige Form gebracht hätte. Überall, wo ein Raum war,

unentschlossen, ob er mit mir darüber sprechen

oder sich entfernen sollte. „Siehst du nun,"

sagte ich bitter, „wieviel ich gearbeitet habe?"

„Ich sehe," erwiederte er gelassen, „alle

suchen, alle meinen es recht zu machen; an-

fänglich irren sie; wohl jedem, der zur Er-

kenntnis kommt!" „Ach, du willst mich trö-

sten," rief ich, „über meine Blindheit, über

meine Hartnäckigkeit, über meinen Stolz und

die verlorene Zeit." „Wer den Mut hat, wieder

gut zu machen, der hat nichts verloren," gab

er mir zur Antwort.

Er besah nun den Stein an allen Seiten.

Er hatte eine ausgezeichnete Form. Seine

Zacken waren so gross, dass sie gleichsam

eigene Steine bildeten, die wie Pyramiden von

dem Kern ausgingen. Ich konnte mich un-

möglich entschliessen, diese Zacken herab-

zunehmen, und fing damit meine Arbeit an,

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jeden derselben zu behauen und soviel als

möglich in winkelrechte Formen zu bringen.

Jeder einzelne Zacken kostete mich soviel Mühe,

als wenn ich den Kern allein in richtige Form

gebracht hätte. Überall, wo ein Raum war,

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— 353 —

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suchte ich Zeichnungen anzubringen: Musik

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hier, dort Poesie, hier ein Haus und dann einen

Tempel. Eine Gruppe von Kindern umringte

suchte ich Zeichnungen anzubringen: Musik hier, dort Poesie, hier ein Haus und dann einen Tempel. Eine Gruppe von Kindern umringte Vater und Mutter. Gesellige Freuden, gewonnene Schlachten, Staatsreformen, kurz, alle geträumten Wichtigkeiten des menschlichen Lebens konnte man auf meinem unförmlichen Stein erblicken. "Du hast viel gethan," sprach er. "Aber was wird mir für meine Mühe? " rief ich. "Das Bewusstsein, arbeiten zu können," war die Antwort. "Hast du Mut, guten Rat zu hören?" fmg er. Ich nickte nur mit dem Kopfe. Nun fuhr er fort: "Ich bin noch nie in die Meisterhütte gekommen, kann dir daher den Plan des Baues, an welchem wir arbeiten, nicht erklären. Aber was ich seitdem erfahren, lässt mich unwiderlegbar schliessen, dass die Zeichnung dazu von der höchsten Weisheit verfertigt, und von dieser, wenn auch das Werk erst in Myriaden Jahrtausenden vollendet werden sollte, nicht um eine Gedankenlinie abgewichen wird. Es ist hier nicht wie bei gewöhnlichen Bauanstalten, wo sich der Plan nach dem Orte, nach den Baumaterialien, nach den Mitteln des Bauherrn, und nach tausend Kleinigkeiten richten muss. Es geschieht hier nicht wie dort,

Vater und Mutter. Gesellige Freuden, ge-

wonnene Schlachten, Staatsreformen, kurz, alle

geträumten Wichtigkeiten des menschlichen

Lebens konnte man auf meinem unförmlichen

Stein erblicken.

„Du hast viel gethan," sprach er. „Aber

was wird mir für meine Mühe?" rief ich.

„Das Bewusstsein, arbeiten zu können," war die

Antwort. „Hast du Mut, guten Rat zu hören?"

frug er. Ich nickte nur mit dem Kopfe. Nun

fuhr er fort: „Ich bin noch nie in die Meister-

hütte gekommen, kann dir daher den Plan des

Baues, an welchem wir arbeiten, nicht erklären.

Aber was ich seitdem erfahren, lässt mich

unwiderlegbar schliessen, dass die Zeichnung

dazu von der höchsten Weisheit verfertigt, und

von dieser, wenn auch das Werk erst in My-

riaden Jahrtausenden vollendet werden sollte,

nicht um eine Gedankenlinie abgewichen wird.

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Es ist hier nicht wie bei gewöhnlichen Bau-

anstalten, wo sich der Plan nach dem Orte,

nach den Baumaterialien, nach den Mitteln des

Bauherrn, und nach tausend Kleinigkeiten rich-

ten muss. Es geschieht hier nicht wie dort,

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— 354 —

wo oft während des Bauens der Plan geändert,

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hier dieses, dort jenes hinzugeflickt wird. Der

wo oft während des Bauens der Plan geändert, hier dieses, dort jenes hinzugeflickt wird. Der Plan unseres Tempels ist unabänderlich, und nur die Arbeit, welche in diesen eingreift, also nach der Vorschrift verfertigt ist, wird angenommen. Die Pläne der Menschen sind Vielpeit; der Plan unseres Baues ist Einheit. Wenn aber dieser erhabene Tempel einmal vollendet ist, so wird sein unendlicher Umfang nur Ein Gedanke, ja, ich möchte sagen, der Ausdruck eines einzigen Gefühls sein. Du kannst dir nun selbst erklären, warum jener Stein, den wir gesehen, ausgestossen wurde; du kannst dir auch selbst die Lehre ziehen, was du mit deinem Stein hier vorzunehmen hast." Er drückte mir die Hand und ging. Ich blickte lange wehmütig auf den Boden, ehe ich mich von der Stelle loszureissen vermochte. Den folgenden Tag ging ich allein zu meinem Stein und betrachtete mit unterdrücktem Wohlgefallen seine Herrlichkeiten. Endlich rief ich aus: "Wie, umsonst sollte diese Arbeit sein! Umsonst hätte ich Fleiss angewendet! Umsonst meine Fähigkeiten ausgebildet! Umsonst wären dem Menschen alle diese vortrefflichen Anlagen gegeben!" Doch, wem habe ich gearbeitet? Für wen habe ich meine Anlagen benützt?

Plan unseres Tempels ist unabänderlich, und

nur die Arbeit, welche in diesen eingreift, also

nach der Vorschrift verfertigt ist, wird an-

genommen. Die Pläne der Menschen sind Viel-

heit; der Plan unseres Baues ist Einheit. Wenn

aber dieser erhabene Tempel einmal vollendet

ist, so wird sein unendlicher Umfang nur Ein

Gedanke, ja, ich möchte sagen, der Ausdruck

eines einzigen Gefühls sein. Du kannst dir

nun selbst erklären, warum jener Stein, den

wir gesehen, ausgestossen wurde; du kannst

dir auch selbst die Lehre ziehen, was du mit

deinem Stein hier vorzunehmen hast"

Er drückte mir die Hand und ging. Ich

blickte lange wehmütig auf den Boden, ehe

ich mich von der Stelle loszureissen vermochte.

Den folgenden Tag ging ich allein zu meinem

Stein und betrachtete mit unterdrücktem Wohl-

gefallen seine Herrlichkeiten. Endlich rief ich

aus: „Wie, umsonst sollte diese Arbeit sein!

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Umsonst hätte ich Fleiss angewendet! Umsonst

meine Fähigkeiten ausgebildet! Umsonst wären

dem Menschen alle diese vortrefflichen Anlagen

gegeben!" Doch, wem habe ich gearbeitet?

Für wen habe ich meine Anlagen benützt?

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— 355 —

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Für den Luxus, den blinden Reichtum, der

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noch weiter von der Wahrheit entfernt ist, als

ich, für den Eigennutz, den eigenen Plan!"

Für den Luxus, den blinden Reichtum, der noch weiter von der Wahrheit entfemt ist, als ich, für den Eigennutz, ·den eigenen Plan!" Ich schwieg, und wie ein entfernter Donner hallte es in meinem Innersten: Was nicht in den Plan des Meisters taugt, wird ausgestossen. Schnell nahm ich mein Werkzeug und ruhte nicht, bis ich den grössten Zacken von meinem Steine hernntergehauen hatte. Er fiel, und als wäre ein Teil meines Lebens gefallen, so ermattet sank ich nieder. Ich konnte heute nichts mehr thun. Den folgenden Tag hatte ich denselben Kampf und dieselbe Arbeit, und so ging es fort, bis alle Zacken meines Werkes im Staube lagen. Nun stand ich, aber wie von aller Welt verlassen, an dem rohen Block, an meinem verstümmelten Stein. Vor mir lagen die Trümmer. Ich verwünschte meine Geschicklichkeit, mich selbst, die ganze Natur. Ich hatte keine Ruhe, solange ich die henlichen Zacken vor mir sah, darum entfernte ich sie von meinem Arbeitsplatz. Aber auch dort zogen sie mich an; gleichsam wider Willen entfernte ich mich von meinem Stein, um meine entfernten Lieblinge zu betrachten. Ich verzweifelte, jemals über mich zu siegen. In einer Anwandlung' von

Ich schwieg, und wie ein entfernter Donner

hallte es in meinem Innersten: Was nicht in

den Plan des Meisters taugt, wird aus-

gestossen. Schnell nahm ich mein Werkzeug

und ruhte nicht, bis ich den grössten Zacken

von meinem Steine heruntergehauen hatte.

Er fiel, und als wäre ein Teil meines Lebens

gefallen, so ermattet sank ich nieder. Ich

konnte heute nichts mehr thun. Den folgenden

Tag hatte ich denselben Kampf und dieselbe

Arbeit, und so ging es fort, bis alle Zacken

meines Werkes im Staube lagen.

Nun stand ich, aber wie von aller Welt ver-

lassen, an dem rohen Block, an meinem ver-

stümmelten Stein. Vor mir lagen die Trümmer.

Ich verwünschte meine Geschicklichkeit, mich

selbst, die ganze Natur. Ich hatte keine Ruhe,

solange ich die herrlichen Zacken vor mir sah,

darum entfernte ich sie von meinem Arbeits-

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platz. Aber auch dort zogen sie mich an;

gleichsam wider Willen entfernte ich mich von

meinem Stein, um meine entfernten Lieblinge

zu betrachten. Ich verzweifelte, jemals über

mich zu siegen. In einer Anwandlung von

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Heftigkeit entschloss ich mich, sie zu vernichten.

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Es geschah. In kurzem lagen sie als Staub,

als Sand vor mir. Nun war's geschehen. Ich

Heftigkeit entschloss ich mich, sie zu vernichten. Es geschah. In kurzem lagen sie als Staub, als Sand vor mir. Nun war's geschehen. Ich hatte nichts mehr, das mich reizte, und arbeitete beinahe gefühllos an meinem rohen Stein. Endlich, als ich schon eine Seite meines Steines geebnet hatte, besuchte mich der Geselle wieder. Er drückte mir brüderlich die Hand und fragte nach den Zacken. Ich führte ihn auf die Stelle ihrer Vernichtung, und nun umarmte er mich mit rührender Liebe. "Du hast gesiegt," sagte er. "Der erste Schritt ist gethan. Gehe mutig vorwärts; bald wird der Geist der Ruhe in dich kommen. Ich war indessen in der Hütte des Meisters; was ich früher gesagt, ist Wahrheit; mehr darf ich nicht entdecken. Sei standhaft! Die Weisheit ist dir nahe; sie wird dich führen!" Er verliess mich mit den sichtbarsten Zeichen der Liebe. Ich setzte meine Arbeit fort, und die Bilder der Vergangenheit verdunkelten sich nach und nach, so dass ich endlich zur Überzeugung kam, das selbstgemachte Gesetz gewähre uns keine Befriedigung, und nur die Unterwerfung unter das ewige Gesetz könne die Freiheit geben, welche wir im Schwindel geträumter Stärke vergebens suchen.

hatte nichts mehr, das mich reizte, und arbeitete

beinahe gefühllos an meinem rohen Stein.

Endlich, als ich schon eine Seite meines

Steines geebnet hatte, besuchte mich der Ge-

selle wieder. Er drückte mir brüderlich die

Hand und fragte nach den Zacken. Ich führte

ihn auf die Stelle ihrer Vernichtung, und nun

umarmte er mich mit rührender Liebe. „Du

hast gesiegt," sagte er. „Der erste Schritt ist

gethan. Gehe mutig vorwärts; bald wird der

Geist der Ruhe in dich kommen. Ich war

indessen in der Hütte des Meisters; was ich

früher gesagt, ist Wahrheit; mehr darf ich nicht

entdecken. Sei standhaft! Die Weisheit ist dir

nahe; sie wird dich führen!" Er verliess mich

mit den sichtbarsten Zeichen der Liebe.

Ich setzte meine Arbeit fort, und die Bilder

der Vergangenheit verdunkelten sich nach und

nach, so dass ich endlich zur Überzeugung

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kam, das selbstgemachte Gesetz gewähre uns

keine Befriedigung, und nur die Unterwerfung

unter das ewige Gesetz könne die Freiheit

geben, welche wir im Schwindel geträumter

Stärke vergebens suchen.

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— 357 —

-

Mein Stein gedieh zu einiger Vollendung

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und wurde angenommen. Ich kam auf den

Mein Stein gedieh zu e1D.1ger Vollendung und wurde angenommen. Ich kam auf den Gesellenplatz, um ihm die vorgezeichIiete Verzierung zu geben. Auf dieses erhielt ich Eintritt in die Meisterhütte. Dort war mir, wenn auch für mich noch nicht ganz verständlich, vergönnt, die Stimme des Meisters zu hören. Da gewann ich die völlige Überzeugung, dass nur das, was in den Plan taugt, angenommen, das andere aber hinausgeworfen wird, wohin und wie? die Stimme schweigt. Ewiges Licht, führe uns! Der Stein ist uns gegeben, hilf uns ihn behauen! Die Verzierung, die wir darauf zeichnen sollen, die nicht bestehen kann, sich mit andern verbinden muss, ist die Liebe. Alles, was nicht Liebe ist, sei von uns verbannt. Durch Liebe nur ist ewige Vereinigung möglich, in diesem Giftihl nur herrscht eine nimmer versiegende Quelle des Glückes. Hier ist reines Wissen, reines Wollen und reines Entzücken, das in freier Thätigkeit sich selber reinigt, sich selber stärkt, in sich selber wächst, und endlich die Wonne einer Ewigkeit in sich empfindet.

Gesellenplatz, um ihm die vorgezeichnete Ver-

zierung zu geben. Auf dieses erhielt ich Ein-

tritt in die Meisterhütte. Dort war mir, wenn

auch für mich noch nicht ganz verständlich,

vergönnt, die Stimme des Meisters zu hören.

Da gewann ich die völlige Überzeugung, dass

nur das, was in den Plan taugt, angenommen,

das andere aber hinausgeworfen wird, wohin

und wie? die Stimme schweigt.

Ewiges Licht, führe uns! Der Stein ist uns

gegeben, hilf uns ihn behauen! Die Verzierung,

die wir darauf zeichnen sollen, die nicht bestehen

kann, sich mit andern verbinden muss, ist —

die Liebe. Alles, was nicht Liebe ist, sei von

uns verbannt. Durch Liebe nur ist ewige

Vereinigung möglich, in diesem Gefühl nur

herrscht eine nimmer versiegende Quelle des

Glückes. Hier ist reines Wissen, reines Wollen

und reines Entzücken, das in freier Thätigkeit

sich selber reinigt, sich selber stärkt, in sich

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selber wächst, und endlich die Wonne einer

Ewigkeit in sich empfindet.

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- 35« -

-

Gespräche.

I.

35 8

Meister. Es freut uns, dass Sie den Weg

nicht scheuten, unsere heutige Arbeit zu be-

Gespräche.

suchen. Dies ist ein Zeichen, dass Sie den

Orden lieben, und Ihr Versprechen, sich in der

I.

königlichen Kunst zu üben, nicht vergessen

haben.

Bruder. So selten ich auch unter den

Meister. Es freut uns, dass Sie den Weg nicht scheuten, unsere heutige Arbeit zu besuchen. Dies ist ein Zeichen, dass Sie den Orden lieben, und Ihr Versprechen, sich in der königlichen Kunst zu üben, nicht vergessen haben. Bruder. So selten ich auch unter den Brüdern sein kann, so habe ich doch täglich an unsere Kunst gedacht, und mich bemüht, ihre Materialien zu suchen, um sie mir zu eigen zu machen; allein je mehr ich suche,desto weniger finde ich sichern Grund, auf welchen ich zuversichtlich bauen könnte. M. Da geht es Ihnen wie vielen andern; sie such~n zu entfernt und möchten, obwohl weit davon, doch mit den Händen greifen. B. Ich suche in einem unsichtbaren Reich und finde nichts als Religion. M. Ist Ihnen dies nicht genug? B. Es ist genug und doch nicht genügend. M. Warum nicht? B. Weil ich zu unerfahren in solchen Dingen bin, oder richtiger gesagt, weil mir die Sache zu fremd ist.

Brüdern sein kann, so habe ich doch täglich

an unsere Kunst gedacht, und mich bemüht,

ihre Materialien zu suchen, um sie mir zu eigen

zu machen; allein je mehr ich suche, desto

weniger finde ich sichern Grund, auf welchen

ich zuversichtlich bauen könnte.

M. Da geht es Ihnen wie vielen andern;

sie suchen zu entfernt und möchten, obwohl

weit davon, doch mit den Händen greifen.

B. Ich suche in einem unsichtbaren Reich

und finde nichts als Religion.

M. Ist Ihnen dies nicht genug?

B. Es ist genug und doch nicht genügend.

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M. Warum nicht?

B. Weil ich zu unerfahren in solchen Din-

gen bin, oder richtiger gesagt, weil mir die

Sache zu fremd ist.

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-

M. Da entfernen Sie sich von der Sache,

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sonst könnte das nicht sein. Sie müssen sich

nicht entfernen, sondern nähern; dann werden

M. Da entfernen Sie sich von der Sache, sonst könnte das nicht sein. Sie müssen sich nicht entfernen, sondern nähern; dann werden Sie mit der Sache vertraut. B. Ach, ich bin so verstockt, dass ich nicht weiss, ob ich mich entferne oder nähere. M. Das ist freilich schlimm. Sie kleben noch zu sehr an den Begriffen dieser Welt. Sie müssen sich davon befreien. B. Von der Religion? M. Nein! Von den Begriffen, welche die .Welt sich davon macht. B. Sind die Begriffe der Welt falsch? M. GrösstenteiIs. Die Religion ist dort ein Gesondertes, ein Abgeschiedenes, und daraus entspringt .nichts als Irrtum. B. Welcher Irrtum? M. Der Irrtum, als wäre der Mensch em Geschiedenes von Gott, nicht aus ihm entsprossen und nicht in ihm enthalten. B. Was folgt daraus für mich? M. Dass der Mensch für das Höchste erschaffen sei. B. Was ist dieses Höchste? M. Die Kraft, in sich zu schauen; den Geist, welcher in ihm wirkt, zu spüren, und so den Ursprung seiner Gedanken und Gefühle zu

Sie mit der Sache vertraut.

B. Ach, ich bin so verstockt, dass ich nicht

weiss, ob ich mich entferne oder nähere.

M. Das ist freilich schlimm. Sie kleben

noch zu sehr an den Begriffen dieser Welt.

Sie müssen sich davon befreien.

B. Von der Religion?

M. Nein! Von den Begriffen, welche die

Welt sich davon macht.

B. Sind die Begriffe der Welt falsch?

M. Grösstenteils. Die Religion ist dort ein

Gesondertes, ein Abgeschiedenes, und daraus

entspringt nichts als Irrtum.

B. Welcher Irrtum?

M. Der Irrtum, als wäre der Mensch ein

Geschiedenes von Gott, nicht aus ihm ent-

sprossen und nicht in ihm enthalten.

B. Was folgt daraus für mich?

M. Dass der Mensch für das Höchste er-

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schaffen sei.

B. Was ist dieses Höchste?

M. Die Kraft, in sich zu schauen; den Geist,

welcher in ihm wirkt, zu spüren, und so den

Ursprung seiner Gedanken und Gefühle zu

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— 360 —

entdecken, welche in ihm ewig wirksam

sind.

entdecken, welche m ihm eWig wirksam sind. B. Wäre dies das Höchste? M. Wünschen Sie noch Höheres? Ist es nicht genug, wenn wir das Ziel des Lebens kennen und dadurch in den Stand gesetzt werden, es zu erreichen? Wer die Eigenschaften einer Uhr kennt, weiss, wozu sie vorhanden ist, und lässt sich von ihr die Stunden messen. Wer die Eigenschaften der Kräfte des Lebens kennt, weiss auch, wozu sie da sind, und lässt sie ungestört den Zweck ihres Daseins erfüllen. B. Also läge die ganze .Kunst in der Erkenntnis unserer Kräfte? M. Nicht anders. B. Was hat dies aber mit der Religion zu schaffen? M. Sie kommen schon wieder auf den alten Zweifel. Wie soll ich diesen lösen? Der Mensch muss Allgemeines suchen; dann erst kann er das Einzelne beurteilen. Ist Religion etwas Allgemeines oder Einzelnes? B. Etwas Allgemeines. M. Sind Sie Ihrer Sache so gewIss, dass Sie so schnell antworten? B. Ich meine ja! Ich habe es noch Olemals anders gehört oder gedacht.

B. Wäre dies das Höchste?

M. Wünschen Sie noch Höheres? Ist es

nicht genug, wenn wir das Ziel des Lebens

kennen und dadurch in den Stand gesetzt

werden, es zu erreichen? Wer die Eigenschaften

einer Uhr kennt, weiss, wozu sie vorhanden

ist, und lässt sich von ihr die Stunden messen.

Wer die Eigenschaften der Kräfte des Lebens

kennt, weiss auch, wozu sie da sind, und lässt

sie ungestört den Zweck ihres Daseins erfüllen.

B. Also läge die ganze Kunst in der Er-

kenntnis unserer Kräfte?

M. Nicht anders.

B. Was hat dies aber mit der Religion zu

schaffen?

M. Sie kommen schon wieder auf den alten

Zweifel. Wie soll ich diesen lösen? Der Mensch

muss Allgemeines suchen; dann erst kann er

das Einzelne beurteilen. Ist Religion etwas

Allgemeines oder Einzelnes?

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B. Etwas Allgemeines.

M. Sind Sie Ihrer Sache so gewiss, dass

Sie so schnell antworten?

B. Ich meine ja! Ich habe es noch nie-

mals anders gehört oder gedacht.

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— 36i —

M. Ist Algebra etwas Allgemeines?

B. Nein; sie ist nur eine bequemere Art

zu rechnen.

M. Ist das Rechnen etwas Allgemeines?

M. Ist Algebra etwas Allgemeines? B. Nein; sie ist nur eine bequemere Art zu rechnen. M. Ist das Rechnen etwas Allgemeines? B. Ja; denn alle Völker rechnen gleich; sie zählen Einheiten, verdoppeln und vervielfältigen sie. M. Alle Völker haben Religion und doch sind viele Religionen. B. Ich verstehe. Die Rechnungskunst ist allgemein; die Algebra ist ein Einzelnes. Welches aber ist die wahre Religion? M. Welches ist die allgemeine Algebra?" B. Ich bitte um Nachsicht, wenn ich verwirrt scheine; die Ansicht ist mir neu; doch wird es hell in mir. M. Religion als Lehre ist nur einzeln. Religion als Kraft ist allgemein. Sie ist die Rechenkunst des Lebens; die königliche Kunst, welcher wir gehuldigt haben. Religion als Lehre ist geschieden von dem Menschen; denn man kann sie missen oder auch nicht missen. Religion als Kraft ist unzertrennbar von uns; denn sie ist die Eigenschaft, welche uns zum Menschen macht, welche uns aus dem Staube erhebt, in dem das Tier gefangen liegt, . uns die Thore der Erkenntnis öffnet in unsichtbare Reiche, und uns durch das Bewusstsein

B. Ja; denn alle Völker rechnen gleich; sie zäh-

len Einheiten, verdoppeln und vervielfältigen sie.

M. Alle Völker haben Religion und doch

sind viele Religionen.

B. Ich verstehe. Die Rechnungskunst ist

allgemein; die Algebra ist ein Einzelnes. Wel-

ches aber ist die wahre Religion?

M. Welches ist die allgemeine Algebra?'

B. Ich bitte um Nachsicht, wenn ich ver-

wirrt scheine; die Ansicht ist mir neu; doch

wird es hell in mir.

M. Religion als Lehre ist nur einzeln.

Religion als Kraft ist allgemein. Sie ist

die Rechenkunst des Lebens; die königliche

Kunst, welcher wir gehuldigt haben. Religion

als Lehre ist geschieden von dem Menschen;

denn man kann sie missen oder auch nicht

missen. Religion als Kraft ist unzertrennbar

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von uns; denn sie ist die Eigenschaft, welche

uns zum Menschen macht, welche uns aus dem

Staube erhebt, in dem das Tier gefangen liegt,

uns die Thore der Erkenntnis öffnet in unsicht-

bare Reiche, und uns durch das Bewusstsein

Lotusblüthen LXXX. 25

Lotusblüthen LXXX.

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— 362 —

von Ahnungen und Glauben hinstellt auf einen

Standpunkt, wo wir frei unseres Lebens Wert be-

stimmen und unser eigener Richter sein können.

von Ahnungen und Glauben hinstellt auf eIDen Standpunkt, wo wir frei unseres Lebens Wert bestimmen und unser eigener Richter sein können. B. Giebt es technische Mittel, diesen Standpunkt zu erreichen? M. Ja! B. Welche? M. Wenn wir, um In den Tempel zu kommen, durch die Säulen gehen. B. Ist das notwendig? M. Wenn der Tempel auf einer steilen Höhe steht, so müssen wir Stufen haben, oder durch Säulen hinaufklettern. B. Steht der Tempel so hoch? M. Wer ihn ohne Hilfsmittel ersteigen will, für den ist er sehr· hoch; aber wer die Mittel sucht, kann ihn leicht erreichen. B. Lehren Sie mich diese Mittel. M. Gehen Sie in die Säule ein, sonst ist alle Lehre vergeblich. Die Lehre allein ist nur für die Schwachen. Der Schwache muss ausser sich noch etwas haben, womit er sich unterhalten kann. Der Starke aber ist sich selbst das Gesetz, so wie der Rechner selbst sich die Aufgaben lösen muss.

B. Giebt es technische Mittel, diesen Stand-

punkt zu erreichen?

M. Ja!

B. Welche?

M. Wenn wir, um in den Tempel zu kom-

men, durch die Säulen gehen.

B. Ist das notwendig?

M. Wenn der Tempel auf einer steilen Höhe

steht, so müssen wir Stufen haben, oder durch

Säulen hinaufklettern.

B. Steht der Tempel so hoch?

M. Wer ihn ohne Hilfsmittel ersteigen will,

für den ist er sehr hoch; aber wer die Mittel

sucht, kann ihn leicht erreichen.

B. Lehren Sie mich diese Mittel.

M. Gehen Sie in die Säule ein, sonst ist

alle Lehre vergeblich. Die Lehre allein ist

nur für die Schwachen. Der Schwache muss

ausser sich noch etwas haben, womit er sich

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unterhalten kann. Der Starke aber ist sich

selbst das Gesetz, so wie der Rechner selbst

sich die Aufgaben lösen muss.

(Fortsetzung folgt.)

(Fortsetzung folgt.)

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Briefkasten.

Fragen von Abonnenten, welche nicht rein persönlicher Natur, son-

dern von allgemeinem Interesse sind, werden durch den Verfasser

der „Lotusblüthen" im Briefkasten besprochen.

L. F. in Z. — Wenn etwas, das in Blavatskys „Geheim-

Briefkasten.

lehre" steht, wahr ist, so ist es deshalb, weil es auch noch

in anderen Schriften steht, nicht weniger wahr. Die religiösen

Wahrheiten sind keines Menschen eigenes Erzeugnis. Es

handelt sich dabei nicht darum, wer sie zuerst ausgesprochen

haicn von AbonDentcn, wclche nicht rein perlöDlicher Natur, sondern von allgemcincm Intcressc sind, werden durch den Verfasser der .LotusblütheD- im Briefkasten besprochen.

hat, sondern darum, dass man sie begreift. H. P. Blavatsky

hat die Geheimlehre nicht selbst fabriziert, sondern sie nur

wieder mitgeteilt, wie es auch schon lange vor ihr durch

L. F. in Z. - Wenn etwas, das in Blavatskys "Geheim-

Sankaracharya und andere, aber von keinem mit solcher

Ausführlichkeit geschah.

Was die sogenannten „okkulten Phänomene" betrifft,

so sei es ferne von uns, dieselben an die grosse Glocke

zu hängen, sie „verteidigen" oder „beweisen" zu wollen.

H. P. Blavatsky schrieb darüber selbst (5. Febr. 1885) unge-

fähr folgendes: „Nach meinem Tode werden diese Phäno-

mene noch zufriedenstellender als jetzt stattfinden. Aber

ob tot oder lebend, werde ich stets meine Freunde und

Brüder anflehen, nichts darüber öffentlich zu berichten, und

nie mehr ihre Ruhe und Ehre zu opfern, um die Neugierde

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der grossen Menge oder die Ansprüche einer hochmütigen

Nichtswisserei, die sich „Wissenschaft" nennt, zu befriedigen."

T. W. in L. — Machen Sie sich wegen der „Echtheit"

keine Sorgen. Was den richtigen Geist in sich hat, das

ist echt. Wie wir bestimmt wissen, hat bereits unser alter

Freund, der Jesuitenpater Wenninger, die „grosse Refor-

mation" als eine „minderwertige Konkurrenzunternehmung"

bezeichnet. Das Rad des Fortschrittes wurde aber deshalb nicht

aufgehalten. Die Wahrheit ist immer echt und scheint überall

durch; aber es gehört das Licht der Wahrheit dazu, um sie von

der äusseren Form zu unterscheiden und in ihr zu erkennen.

lehre" steht, wahr ist, so ist es deshalb, weil es auch noch in anderen Schriften steht, nicht weniger wahr. Die religiösen Wahrheiten sind keines Menschen eigenes Erzeugnis. Es handelt sich dabei nicht darum, wer sie zuerst ausgesprochen hat, sondern darum, dass man sie begreift. H. P. Blavatsky hat die Geheimlehre nicht selbst fabriziert, sondern sie nur wieder mitgeteilt, wie es auch schon lange vor ihr durch Sankaracharya und andere, aber von keinem mit solcher Ausführlichkeit geschah. Was die sogenannten "okkulten Phänomene" betrim, so sei es ferne von uns, dieselben an die grosse Glocke zu hängen, sie "verteidigen" oder "beweisen" zu wollen. H. P. Blavatsky schrieb darüber selbst (5. Febr. 1885) ungefähr folgendes: "Nach meinem Tode werden diese Phänomene noch zufriedenstellender als jetzt stattfinden. Aber ob tot oder lebend, werde ich stets meine Freunde und Brüder anflehen, nichts darüber öffentlich zu berichten, und nie mehr ihre Ruhe und Ehre zu opfern, um die Neugierde der grossen Menge oder die Ansprüche einer hochmütigen Nichtswisserei, die sich"Wissenschaft" nennt, zu befriedigen." T. W. in L. - Machen Sie sich wegen der "Echtheit" keine Sorgen. Was den richtigen Geist in sich hat, das ist echt. Wie wir bestimmt wissen, hat bereits unser alter Freund, der ]esuitenpater Wenninger, die "grosse Reformation" als eine "minderwertige Konkurrenzunternehmung" bezeichnet. Das Rad des Fortschrittes wurde aber deshalb nicht aufgehalten. Die Wahrheit ist immer echt und scheint überall durch; aber es gehört das Licht der Wahrheit dazu, um sie von cl« äusseren Form zu unterscheiden und in ihr Zll erkennen. 25·

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— 364 —

S. H. in D. — Es ist mir nicht bekannt, dass ein

Mensch aus eigener selbsterzeugter Kraft irgend etwas voll-

s. H. in

bringen kann. Er kann sich selbst weder das Leben geben

noch sich selber erzeugen; er kann sich nicht gehen machen,

riechen, schmecken, fühlen oder denken machen, wenn er

nicht im Besitze der dazu nötigen Sinne ist; er kann ohne

die Aufnahme einer hinzutretenden Kraft sich nicht anders

machen, als er ist. Er kann wohl die Kräfte, die ihm zu-

teil geworden sind, gebrauchen, oder missbrauchen; aber

er kann auch dies nur infolge der ihm hierzu von Gott und

Natur verliehenen Fähigkeit, ohne die er ein hilfloser Ka-

daver wäre. Eine Betrachtung dieses Gegenstandes dürfte

geeignet sein, der wuchernden Eitelkeit eine Schranke zu

setzen. Wer sich etwas auf Dinge einbildet, die ihm nicht

gehören, die ihm nur geliehen sind und die er wieder her-

geben muss, der hat wenig Verstand.

R. S. in S. — Sie sagen, dass Sie sich seit mehreren

Jahren mit dem Studium theosophischer Schriften beschäf-

tigen, und noch nicht ganz klar darüber sind, was Theo-

sophie eigentlich ist.

Antwort. In jedem Menschen sind zwei Naturen;

die eine ist der persönliche Mensch mit seinen persönlichen

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D. -

Es ist mir nicht bekannt, dass ein

Mensch aus eigener selbsterleugter Kraft irgend etwas vollbringen kann. Er kann sich selbst weder das Leben geben noch sich selber erzeugen; er kann sich nicht gehen machen, wenn er keine Kraft dazu hat, sich nicht sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen oder denken machen, wenn er nicht im Besitze der dazu nötigen Sinne ist; er kann ohne die Aufnahme einer hinzutretenden Kraft sich nicht anders machen, als er ist. Er kann wohl die Kräfte, die ibm zuteil geworden sind, gebrauchen, oder missbrauchen; aber er kann auch dies nar infolge der ihm hierzu von Gott und Natar verliehenen Fähigkeit, ohne die er ein hilfloser Kadaver wäre. Eine Betrachtung dieses Gegenstandes dürfte geeignet sein, der wuchernden Eitelkeit eine Schranke zu setzen. Wer sich etwas auf Dinge einbildet, die ihm nicht gehören, die ihm nur geliehen sind und die er wieder hergeben mllSS, der hat wenig Verstand. R. S. in S. - Sie sagen, dass Sie sich seit mehreren Jabren mit dem Studium theosophischer Schriften beschäftigen, und noch nicht ganz klar darüber sind, was Theosophie eigentlich ist. An t w 0 r t. In jedem Menschen sind zwei Naturen; die eine ist der persönliche Mensch mit seinen persönlichen Neigungen und Abneigungen, seinem Denken und Wollen und allem, was seinem sterblichen Wesen angehört; die andere ist die göttliche Natur im Menschen, welche über alles Vergängliche und folglich auch über die eigene Persönlichkeit erhaben ist und im Ewigen lebt. Wenn diese höhere Natur in Ihnen erwacht, so dass Sie sich in derselben selbst erkennen, in dieses höhere Dasein eindringen und darin leben, dann ist diese Gotteserkenntnis in Ihnen selbst eine lebendige Kraft; dann werden Sie wissen, was die richtige "Theosophie" ist. M. L. in Brünn~ - Der Ausdruck "A v i t chi" bedeutet "die Hölle", d. h. einen Zustand, welcher demjenigen

wenn er keine Kraft dazu hat, sich nicht sehen, hören,

Neigungen und Abneigungen, seinem Denken und Wollen

und allem, was seinem sterblichen Wesen angehört; die

andere ist die göttliche Natur im Menschen, welche über

alles Vergängliche und folglich auch über die eigene Per-

sönlichkeit erhaben ist und im Ewigen lebt. Wenn diese

höhere Natur in Ihnen erwacht, so dass Sie sich in der-

selben selbst erkennen, in dieses höhere Dasein eindringen

und darin leben, dann ist diese Gotteserkenntnis in Ihnen

selbst eine lebendige Kraft; dann werden Sie wissen, was

die richtige „Theosophie" ist.

M. L. in Brünn. — Der Ausdruck „Avitchi" be-

deutet „die Hölle", d.h. einen Zustand, welcher demjenigen

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— 365 —

von Derachan (Himmel oder Götterwelt) entgegengesetzt

ist. In letzterem ist die Liebe, in dem ersteren die Bos-

heit die geistig bewegende Kraft. Avitchi ist folglich der

von Devachan (Himmel oder Götterwelt) entgegengesetzt ist. In letzterem ist die Liebe, in dem ersteren die Bosheit die geistig bewegende Kraft. Avitchi ist folglich der Zustand, in dem sich die Seelen dämonischer und teuflischer Menschen, sei es nun vor oder nach dem Tode befinden. Wenn die Seele den Körper verlässt, so tritt dadurch nicht notwendigerweise eine Veränderung ihres Gemütszustandes ein, und wer hier auf Erden die Hölle in sich trägt, nimmt sie mit sich in die andere Welt. Weiteres darüber finden Sie in H. P. Blavatsky "Glossary of occult terms". C. W. in F. - Die Bibel sagt: "Wer den Sohn Gottes hat, der hat das ewige Leben, und wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das ewige Leben nicht", (und kann es auch nicht haben, selbst wenn er als oberster Konsistorialrat dokumentiert und beglaubigt wäre). Dies beantwortet Ihre Frage, welches der richtige "Theosoph" sei. Wer den Geist der Theosophie hat, der ist der richtige Theosoph; wer von Hass, Eitelkeit, Ehrgeiz und Herrschsucht erflillt ist, der hat diesen Geist nicht. Die einen erkennen den Geist, andere werden durch die äusserlichen Formen getäuscht. Jeder gravitiert am Ende dorthin, wohin er je nach der Beschaffenheit seines Wesens gehört; die einen zum Wahren, die andern zum Schein. R. S. in K. - I. Die Theosophie ist keine Spiritisterei und' nicht mit dem Spiritismus zu verwechseln. Die Sonne ist keine Pfütze; dennoch kann sie in eine Wasserpfütze hineinscheinen und dieselbe bis auf den Grund erleuchten. Die Wissenschaft ist keine Seifenfabrik ; dennoch lehrt sie unter anderm auch, wie man Seife macht. Desgleichen ist auch die Selbsterkenntnis der Wahrheit im Menschen (Theosophie) an sich selbst unabhängig von allen Dingen, und zugleich die Kraft, durch welche man das Wabre in allen Dingen vom Irrtum, im Spiritismus sowoh I als in jedem andern Ding, unterscheidet. 2. Die theosophischen Lehren sind kein Produkt der

Zustand, in dem sich die Seelen dämonischer und teuflischer

Menschen, sei es nun vor oder nach dem Tode befinden.

Wenn die Seele den Körper verlässt, so tritt dadurch nicht

notwendigerweise eine Veränderung ihres Gemütszustandes

ein, und wer hier auf Erden die Hölle in sich trägt, nimmt

sie mit sich in die andere Welt, Weiteres darüber finden

Sie in H. P. Blavatsky „Glossary of occult terms".

C. W. in F. — Die Bibel sagt: „Wer den Sohn

Gottes hat, der hat das ewige Leben, und wer den Sohn

Gottes nicht hat, der hat das ewige Leben nicht", (und

kann es auch nicht haben, selbst wenn er als oberster Kon-

sistorialrat dokumentiert und beglaubigt wäre). Dies beant-

wortet Ihre Frage, welches der richtige „Theosoph" sei.

Wer den Geist der Theosophie hat, der ist der richtige

Theosoph; wer von Hass, Eitelkeit, Ehrgeiz und Herrsch-

sucht erfüllt ist, der hat diesen Geist nicht. Die einen

erkennen den Geist, andere werden durch die äusserlichen

Formen getäuscht. Jeder gravitiert am Ende dorthin, wohin

er je nach der Beschaffenheit seines Wesens gehört; die

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einen zum Wahren, die andern zum Schein.

R. S. in K. — i. Die Theosophie ist keine Spiri-

tisterei und nicht mit dem Spiritismus zu verwechseln. Die

Sonne ist keine Pfütze; dennoch kann sie in eine Wasser-

pfütze hineinscheinen und dieselbe bis auf den Grund er-

leuchten. Die Wissenschaft ist keine Seifenfabrik; dennoch

lehrt sie unter anderm auch, wie man Seife macht. Des-

gleichen ist auch die Selbsterkenntnis der Wahrheit im

Menschen (Theosophie) an sich selbst unabhängig von allen

Dingen, und zugleich die Kraft, durch welche man das

Wahre in allen Dingen vom Irrtum, im Spiritismus sowohl

als in jedem andern Ding, unterscheidet.

2. Die theosophischen Lehren sind kein Produkt der

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Spekulation, sondern der Erfahrung; sie gehen aus dem

eigenen innerlichen Erleben hervor; sie können deshalb

wohl mitgeteilt und erklärt werden, sind aber kein Gegen-

Spekulation, sondern der Erfallnmg; sie gehen aus de11l eigenen innerlichen Erleben hervor; sie können deshalb wohl mitgeteilt und erklärt werden, sind aber kein Gegenstand fl1r Streiterei und Rechthaberei. Es ist dabei ebenso wie mit der Schilderung eines Reiseerlebnisses; es giebt da nichts zu beweisen, und es kann niemand mit Bestimmtheit wissen, ob es wahr ist, wenn er die Reise nicht selber mitgemacht hal N. C. in R. - Ob es wirklich"Vampyre des Grabes", "Wäbrwölfe" und dergl. giebt oder gegeben hat, darüber werden Sie erst dann mit Sicherheit entscheiden können, wenn Ihnen die psychische Konstitution des Menschen und die Naturgesetze, aus denen solche Phänomene henorgehen, zum klaren Bewusstsein gekommen sind. Wenn wir Ihnen eine bejahende oder verneinende Antwort geben würden, so würden Sie ja doch nicht wissen, ob dieselbe richtig ist; denn man kann nichts mit Bestimmtheit wissen, als was man selber erfahrt. Wenn Sie sich aber eine Meinung über dergleichen Dinge bilden wollen, so empfehlen wir Ihnen u. a. die darauf bezüglichen Artikel in den "Psychischen Studien" (Leipzig 1899). B. F. in W. - "Dogmatismus" besteht nicht darin, dass jemand seine Anschauungen anderen mitteilt, und es diesen überlässt, darüber zn denken, wie sie wollen, sondern darin, dass man einen blinden Glauben an eine unerwiesene oder unbeweisbare Behauptung verlangt. Wäre das Erstere "Dogmatik", so könnte überhaupt kein Mensch mehr irgend eine Wahrheit, die er erkannt hat, lehren oder seine Anschauung kundgeben, ohne zu riskieren, als ein "Dogmatiker" betrachtet zu werden. Auch kann kein Mensch einem andem seine Meinung aufdrängen, wenn sie der andere nicht annehmen will.

stand für Streiterei und Rechthaberei. Es ist dabei ebenso

wie mit der Schilderung eines Reiseerlebnisses; es giebt da

nichts zu beweisen, und es kann niemand mit Bestimmtheit

wissen, ob es wahr ist, wenn er die Reise nicht selber

mitgemacht hat

N. C. in R. — Ob es wirklich „Vampyre des Grabes",

„Währwölfe" und dergl. giebt oder gegeben hat, darüber

werden Sie erst dann mit Sicherheit entscheiden können,

wenn Ihnen die psychische Konstitution des Menschen und

die Naturgesetze, aus denen solche Phänomene hervor-

gehen, zum klaren Bewusstsein gekommen sind. Wenn wir

Ihnen eine bejahende oder verneinende Antwort geben

würden, so würden Sie ja doch nicht wissen, ob dieselbe

richtig ist; denn man kann nichts mit Bestimmtheit wissen,

als was man selber erfährt. Wenn Sie sich aber eine Mei-

nung über dergleichen Dinge bilden wollen, so empfehlen

wir Ihnen u. a. die darauf bezüglichen Artikel in den

„Psychischen Studien" (Leipzig 1899).

B. F. in W. — „Dogmatismus" besteht nicht darin,

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dass jemand seine Anschauungen anderen mitteilt, und es

diesen überlässt, darüber zu denken, wie sie wollen, sondern

darin, dass man einen blinden Glauben an eine unerwiesene

oder unbeweisbare Behauptung verlangt. Wäre das Erstere

„Dogmatik", so könnte überhaupt kein Mensch mehr irgend

eine Wahrheit, die er erkannt hat, lehren oder seine An-

schauung kundgeben, ohne zu riskieren, als ein „Dogma-

tiker" betrachtet zu werden. Auch kann kein Mensch einem

andern seine Meinung aufdrängen, wenn sie der andere

nicht annehmen will.

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Populäre Vorträge.

ni.

Radscha-Yoga.

Radscha-Yoga ist die königliche Kunst

der Selbstbeherrschung, die durch die Selbst-

erkenntnis des eigenen göttlichen Wesens er-

langt werden kann. Mit andern Worten: sie

ist die Vereinigung mit Gott, durch welche der

Mensch zur Erkenntnis und damit auch in den

Besitz der ihm innewohnenden göttlichen Kräfte

gelangt. Sie ist auch die Kunst des Lebens;

denn nur wer im Vollbesitz aller ihm angehö-

renden Kräfte ist, kann das Leben in seiner

Vollkommenheit geniessen. Das vollkommene

Leben aber ist dasjenige Dasein, in welchem

Populijre Vorträge.

die Seele über alles erhaben ist, alles umfasst

und durchdringt und alles beherrscht.

Überall, wo Menschen sind, finden wir,

dass Geisteskraft die Natur beherrscht. Die

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Lotusblüthen LXXXI. 26

111.

Radscha-Yoga. Radscha- Yoga ist die königliche Kunst der Selbstbeherrschung, die durch die Selbsterkenntnis des eigenen göttlichen Wesens erlangt werden kann. Mit andern Worten: sie ist die Vereinigung mit Gott, durch welche der Mensch zur Erkenntnis und damit auch in den Besitz der ihm innewohnenden göttlichen Kräfte gelangt. Sie ist auch die Kunst des Lebens; denn nur wer im Vollbesitz aller ihm angehörenden Kräfte ist, kann das Leben in seiner Vollkommenheit geniessen. Das vollkommene Leben aber ist dasj enige Dasein, in welchem die Seele über alles erhaben ist, alles umfasst und durchdringt und alles beherrscht. Überall, wo Menschen sind, finden wir, dass Geisteskraft die Natur beherrscht. Die Lotusblüthen LXXXI.

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— 370 —

-

Erfahrungen der Wissenschaft geben uns die

37°

Mittel an die Hand, die ausser unserm Körper

Erfahrungen der Wissenschaft geben uns die Mittel an die Hand, die ausser unserm Körper liegenden Naturkräfte zu beherrschen und sie uns dienstbar zu machen; die Religion fordert uns auf, unsere innerlichen Kräfte, d. h. unsere Gedanken, Begierden und Leidenschaften zu beherrschen ; Yoga ist die Lehre und auch die Ausübung dieser Kunst. Jeder Mensch, der sich in der Kunst, sich selbst zu beherrschen, übt, ist gewissermas.sen ein Yogi, und jeder übt sie täglich mehr oder weniger aus; denn ein Mensch, der sich gar nicht beherrschen könnte oder wollte, und seiner Tiematur stets und überall freien Lauf Hesse, käme fortwährend mit allen staatlichen Gesetzen und Anstandsregeln in Konflikt; er wäre ein Narr und würde in keiner anständigen Gesellschaft geduldet werden. Ohne die Fähigkeit, wenigstens einen Teil der Funktionen seines Körpers, wie Gehen und Stehen u. s. \V. zu beherrschen, wäre er auch körperlich ein hilfloses und unbrauchbares Geschöpf. Selbstbeherrschung ist etwas, wozu ein jeder Mensch, teils durch seine eigene Natur, teils durch äussere Umstände gezwungen ist, wenn er auch nichts von 'V'a ga oder der Yoga-Philosophie weiss. Sogar die höheren Tiergattungen üben eine gewisse Selbstbeherrschung

liegenden Naturkräfte zu beherrschen und sie

uns dienstbar zu machen; die Religion fordert

uns auf, unsere innerlichen Kräfte, d. h. unsere

Gedanken, Begierden und Leidenschaften zu

beherrschen; Yoga ist die Lehre und auch die

Ausübung dieser Kunst. Jeder Mensch, der

sich in der Kunst, sich selbst zu beherrschen,

übt, ist gewissermassen ein Yogi, und jeder

übt sie täglich mehr oder weniger aus; denn

ein Mensch, der sich gar nicht beherrschen

könnte oder wollte, und seiner Tiernatur stets

und überall freien Lauf Hesse, käme fortwährend

mit allen staatlichen Gesetzen und Anstands-

regeln in Konflikt; er wäre ein Narr und würde

in keiner anständigen Gesellschaft geduldet

werden. Ohne die Fähigkeit, wenigstens einen

Teil der Funktionen seines Körpers, wie Gehen

und Stehen u. s. w. zu beherrschen, wäre er

auch körperlich ein hilfloses und unbrauchbares

Geschöpf. Selbstbeherrschung ist etwas, wozu

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ein jeder Mensch, teils durch seine eigene

Natur, teils durch äussere Umstände gezwungen

ist, wenn er auch nichts von Yoga oder der

Yoga-Philosophie weiss. Sogar die höheren Tier-

gattungen üben eine gewisse Selbstbeherrschung

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— 37i —

aus, deren Notwendigkeit oder Nützlichkeit

-

ihnen die Erfahrung gelehrt hat.

37 1

Aber das Wort „Yoga" bedeutet etwas viel

Höheres, als die gewöhnliche Beherrschung der

aus, deren Notwendigkeit oder' Nützlichkeit ihnen die Erfahrung gelehrt hat. Aber das Wort "Yoga" bedeutet etwas viel Höheres, als die gewöhnliche Beherrschung der tierischen Triebe durch den vom Verstande geleiteten Willen. Es ist ein Sanskritwort und bedeutet gerade so wie das aus dem Lateinischen stammende Wort "Religion" weder die leere Ausübung kirchlicher Gebräuche, noch das Anhängen an irgend eine Theorie, sondern die Wiedervereinigung des Menschen mit Gott. Nur dadurch, dass der Mensch wieder zu dem ihm verloren gegangenen Bewusstsein seines innersten göttlichen Wesens und Daseins gelangt, kann er wieder in jenen geistigen Zustand zurückkehren, in welchem er wieder in den Vollbesitz seiner göttlichen Kräfte gelangt, durch welche er sowohl seine eigene Natur, als auch alle Naturkräfte beherrschen kann. Die indische Lehre stimmt nämlich mit der christlichen Lehre unter anderm auch darin überein, dass sie sagt, dass der Mensch ur.sprünglich ein geistiges, himmlisches, mit einem .ätherischen Körper versehenes Geschöpf, ein "Engel", gewesen sei, ehe er, verleitet durch die Begierde nach persönlicher Erfahrung und :sinnlichem Genuss, in das Netz des Materiellen

tierischen Triebe durch den vom Verstande

geleiteten Willen. Es ist ein Sanskritwort und

bedeutet gerade so wie das aus dem Lateini-

schen stammende Wort „Religion" weder die

leere Ausübung kirchlicher Gebräuche, noch

das Anhängen an irgend eine Theorie, sondern

die Wiedervereinigung des Menschen mit Gott.

Nur dadurch, dass der Mensch wieder zu dem

ihm verloren gegangenen Bewusstsein seines

innersten göttlichen Wesens und Daseins ge-

langt, kann er wieder in jenen geistigen Zu-

stand zurückkehren, in welchem er wieder in

den Vollbesitz seiner göttlichen Kräfte gelangt,

durch welche er sowohl seine eigene Natur,

als auch alle Naturkräfte beherrschen kann.

Die indische Lehre stimmt nämlich mit der

christlichen Lehre unter anderm auch darin

überein, dass sie sagt, dass der Mensch ur-

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sprünglich ein geistiges, himmlisches, mit einem

ätherischen Körper versehenes Geschöpf, ein

„Engel", gewesen sei, ehe er, verleitet durch

die Begierde nach persönlicher Erfahrung und

sinnlichem Genuss, in das Netz des Materiellen

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— 372 —

und der Sinnlichkeit verstrickte und sich einen

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affenartigen Körper aufbaute und zur Wohnung-

nahm, wodurch ihm das Bewusstsein seines

ursprünglich göttlichen Daseins verloren ging.

und der Sinnlichkeit verstrickte und sich einen affenartigen Körper aufbaute und zur Wohnung nahm, wodurch ihm das Bewusstsein seines ursprünglich göttlichen Daseins verloren ging. An diesen Körper mit seinen tierischen Instinkten und seinen halbtierischen Vorstellungen ist nun seine Seele gebunden, und es kann keine andere Erlösung für sie geben, als dass sie sich wieder über das Reich des Materiellen und Sinnlichen zum Selbstbewusstsein der ihr innewohnenden Gottesnatur erhebt. Durch dieses Erwachen gelangt sie dann auch wieder zum Bewusstsein der ihrem göttlichen Wesen angehörenden göttlichen Kräfte und in. den Besitz der Fähigkeit, sie zu gebrauchen. Der Weg zu dieser Selbsterkenntnis ist Yoga oder die praktische Ausübung der wahren Religion. Yoga ist somit eine Kunst, d. h. eine Ausübung der Religion, die auf Können beruht, und dieses Können ist durch die Entwicklung der hierzu nötigen innerlichen und geistigen Kraft bedingt. Die Lehre, wie diese Kraft sich entwickelt und wie sie zu gebrauchen ist, ist die Yoga-Philosophie, oder mit andern Worten die zur rationellen Ausübung der Religion dienende Wissenschaft oder Religionslehre, welche sich nicht mit der Erzählung angeblicher

An diesen Körper mit seinen tierischen In-

stinkten und seinen halbtierischen Vorstellungen

ist nun seine Seele gebunden, und es kann

keine andere Erlösung für sie geben, als dass

sie sich wieder über das Reich des Materiellen

und Sinnlichen zum Selbstbewusstsein der ihr

innewohnenden Gottesnatur erhebt. Durch

dieses Erwachen gelangt sie dann auch wieder

zum Bewusstsein der ihrem göttlichen Wesen

angehörenden göttlichen Kräfte und in. den

Besitz der Fähigkeit, sie zu gebrauchen. Der

Weg zu dieser Selbsterkenntnis ist Yoga oder

die praktische Ausübung der wahren Religion.

Yoga ist somit eine Kunst, d. h. eine Aus-

übung der Religion, die auf Können beruht,

und dieses Können ist durch die Entwicklung

der hierzu nötigen innerlichen und geistigen

Kraft bedingt. Die Lehre, wie diese Kraft sich

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entwickelt und wie sie zu gebrauchen ist, ist

die Yoga-Philosophie, oder mit andern Worten

die zur rationellen Ausübung der Religion die-

nende Wissenschaft oder Religionslehre, welche

sich nicht mit der Erzählung angeblicher

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-

— 373 -

geschichtlicher Ereignisse, oder mit dem Unter-

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richt in äusserlichen Formen und Ceremonien

geschichtlicher Ereignisse, oder mit dem Unterricht in äusserlichen Formen und Ceremonien begnügt, sondern die Natur, die Wirkung und den Gebrauch der in uns selbst waltenden geistigen, psychischen und physischen Kräfte lehrt. Der Yogi, welcher durch eigene Erfahrung und Ausübung die in seinem Organismus erweckten göttlichen und magischen Kräfte kennen gelernt hat, wird dadurch thatsächlich ein "Übermensch" oder ein göttliches Wesen. Er erlangt das Vollbewusstsein der Unsterblichkeit seiner Seele; er ist Eins mit dem schöpferischen Willen und mit dem Gesetz, das alles beherrscht; er weiss, dass er in seinem wahren Wesen über alle Erscheinungen in der Natur erhaben ist, dass· er höher steht als die Zustände, welche man "Leben". und "Tod" oder "Verwandlung" nennt; sein Körper und Gemüt ist für ihn nicht mehr sein "Ich", sondern nur ein Werkzeug, dessen er sich bedient, und das er, wenn es unbrauchbar geworden ist, wieder neu aufbauen kann. Er ist mehr als das, was man gewöhnlich unter einem "Menschen" versteht; er kann mit Paulus sagen: "Ich lebe, und dennoch lebe nicht "ich", sondern Christus (der Gottmensch) lebt in mir." Er ist Eins mit dem "Vater", d. h. mit seinem

begnügt, sondern die Natur, die Wirkung und

den Gebrauch der in uns selbst waltenden

geistigen, psychischen und physischen Kräfte

lehrt. Der Yogi, welcher durch eigene Erfah-

rung und Ausübung die in seinem Organismus

erweckten göttlichen und magischen Kräfte

kennen gelernt hat, wird dadurch thatsächlich

ein „Übermensch" oder ein göttliches Wesen.

Er erlangt das Vollbewusstsein der Unsterb-

lichkeit seiner Seele; er ist Eins mit dem

schöpferischen Willen und mit dem Gesetz, das

alles beherrscht; er weiss, dass er in seinem

wahren Wesen über alle Erscheinungen in der

Natur erhaben ist, dass er höher steht als die

Zustände, welche man „Leben" und „Tod"

oder „Verwandlung" nennt; sein Körper und

Gemüt ist für ihn nicht mehr sein „Ich", son-

dern nur ein Werkzeug, dessen er sich bedient,

und das er, wenn es unbrauchbar geworden

ist, wieder neu aufbauen kann. Er ist mehr

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als das, was man gewöhnlich unter einem

„Menschen" versteht; er kann mit Paulus sagen:

„Ich lebe, und dennoch lebe nicht „ich", son-

dern Christus (der Gottmensch) lebt in mir."

Er ist Eins mit dem „Vater", d. h. mit seinem

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-

— 374 —

wahren göttlichen Selbst, dessen Erzeugnis

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seine persönliche Erscheinung ist. Eins mit

wahren göttlichen Selbst, dessen Erzeugnis seine persönliche Erscheinung ist. Eins mit Gott,' über Zeit und Raum, Gutes und Böses erhaben, nimmt er teil an Gottes AIIHebe, Allmacht und Allwissenheit; denn Gott ist für ihn nichts Fremdes oder Äusserliches mehr, sondern seine Seele, sein eigenes, allumfassendes Selbst. Es ist keinem Zweifel unterworfen, dass sich nicht jeder Mensch sogleich zu der Höhe dieser Auffassung aufschwingen kann, und dass es manchem bei diesem Gedanken schwindelt. Goethe sagt: "Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erreichen," und deshalb ist auch noch nicht jedermann für ein Verständnis der Yoga-Philosophie reif. Die Unverständigen, welche für die Bedeutung des Wortes "Religion" kein Verständnis, oder eine ganz verkehrte Auffassung derselben haben, weil sie die Wahrheit nicht kennen, werden sich auch von "Yoga" ein ganz falsches Bild machen und mit Recht über das von ihnen, unwissentlich selbsterzeugte Produkt ihres eigenen Unverstands spotten. Für sie existiert keine andere Religion als die des Todes und für sie ist die Yoga-Philosophie nicht bestimmt. Andererseits giebt es eine gewisse, und zwar ausserordentlich grosse Klasse von Menschen,

Gott, über Zeit und Raum, Gutes und Böses

erhaben, nimmt er teil an Gottes Allliebe, All-

macht und Allwissenheit; denn Gott ist für ihn

nichts Fremdes oder Äusserliches mehr, sondern

seine Seele, sein eigenes, allumfassendes Selbst.

Es ist keinem Zweifel unterworfen, dass sich

nicht jeder Mensch sogleich zu der Höhe dieser

Auffassung aufschwingen kann, und dass es

manchem bei diesem Gedanken schwindelt

Goethe sagt: „Wenn ihr's nicht fühlt, ihr wer-

det's nicht erreichen," und deshalb ist auch

noch nicht jedermann für ein Verständnis der

Yoga-Philosophie reif. Die Unverständigen,

welche für die Bedeutung des Wortes „Re-

ligion" kein Verständnis, oder eine ganz ver-

kehrte Auffassung derselben haben, weil sie

die Wahrheit nicht kennen, werden sich auch

von „Yoga" ein ganz falsches Bild machen

und mit Recht über das von ihnen, unwissent-

lich selbsterzeugte Produkt ihres eigenen

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Unverstands spotten. Für sie existiert keine

andere Religion als die des Todes und für sie

ist die Yoga-Philosophie nicht bestimmt. An-

dererseits giebt es eine gewisse, und zwar

ausserordentlich grosse Klasse von Menschen,

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— 375 —

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für welche das Studium dieser Lehre, und noch

-.

mehr die Ausübung derselben eine gefährliche

Sache ist: Wissen ist Macht. Wer eine Kraft

für welche das Studium dieser Lehre, und noch mehr die Ausübung derselben eine gefährliche Sache ist: Wissen ist Macht. Wer eine Kraft richtig erkennt, der gelangt dadurch in ihren Besitz, wie er ja auch nur durch den Besitz zu einer richtigen Erkenntnis derselben gelangen kann, weil Theorie und Praxis sich gegenseitig bedingen. Wer aber in den selbstbewussten Besitz magischer Kräfte gelangt ist, der kann sie sowohl zu verwerflichen als auch zu lobenswerten Zwecken verwenden. Würden die Mensehen, solange sie nicht frei von Selbstsucht und Leidenschaften geworden sind, in den Besitz göttlicher Kräfte gelangen, so würden sie, wie es' auch heutzutage häufig mit physischen Kräften der Fall ist, dieselben zu teuflischen Zwecken verwenden" sich selbst 'Und ihren Nebenmenschen schaden, und die Welt zu einer noch grösseren Hölle machen, als sie es bereits geworden ist. Aus diesem Grunde sind auch die Werke, welche von den Geheimnissen der Religion handeln, wie z. B. die "Bhagavad Gita", "PatanschaJi's Yoga -Philosophie", die Veden, die Bibel u. s. w. nur für Eingeweihte geschrieben und nur diesen verständlich. Wenn z. B. in der Bibel gelehrt wird: "Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen,

richtig erkennt, der gelangt dadurch in ihren

Besitz, wie er ja auch nur durch den Besitz

zu einer richtigen Erkenntnis derselben gelangen

kann, weil Theorie und Praxis sich gegenseitig

bedingen. Wer aber in den selbstbewussten

Besitz magischer Kräfte gelangt ist, der kann

sie sowohl zu verwerflichen als auch zu lobens-

werten Zwecken verwenden. Würden die Men-

schen, solange sie nicht frei von Selbstsucht

und Leidenschaften geworden sind, in den

Besitz göttlicher Kräfte gelangen, so würden

sie, wie es auch heutzutage häufig mit physi-

schen Kräften der Fall ist, dieselben zu teuf-

lischen Zwecken verwenden, sich selbst und

ihren Nebenmenschen schaden, und die Welt

zu einer noch grösseren Hölle machen, als sie

es bereits geworden ist. Aus diesem Grunde

sind auch die Werke, welche von den Geheim-

nissen der Religion handeln, wie z. B. die

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„Bhagavad Gita", „Patanschali's Yoga-Philo-

sophie", die Veden, die Bibel u. s. w. nur für

Eingeweihte geschrieben und nur diesen ver-

ständlich. Wenn z. B. in der Bibel gelehrt

wird: „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen,

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— 376 —

-

mit deinem ganzen Gemüt" u. s. w., so ist dies

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alles „okkult" und sinnlos für diejenigen, welche

mit deinem ganzen Gemüt" u. s. w., so ist dies alles "okkult" und sinnlos für diej enigen, welche Gott nicht erkennen, und es kann ihn niemand erkennen, wenn er nicht dadurch, dass er die Liebe und den Geist Gottes im Herzen trägt, in das grosse Geheimnis eingeweiht ist. Wer aber dieses Licht der Selbsterkenntnis erlangt hat, dem erleuchtet dasselbe auch klar den Sinn der heiligen Schriften. Die wahre Religion ist somit das Erwachen des Gottesbewusstseins, nicht in der Phantasie, sondern im Herzen des Menschen selbst. Wenn der Mensch zum Bewusstsein der in ihm schlummernden göttlichen Natur gelangt, so entspringen daraus alle seine guten'Gedanken und Handlungen von selbst und stehen auf einer viel höheren Stufe als solche, die nur das Resultat einer geistlosen Morallehre, ethischer Dressur oder erkenntnisloser Gefühlsbestrebungen ist; denn in ersterem Falle handelt der Mensch nicht mehr aus Selbstwahn oder Eigendünkel, sondern der Geist Gottes, d. h. die Erkenntnis, welche seinem höheren Selbst angehört, erfüllt sein Bewusstsein, bestimmt sein Fühlen, Denken und Handeln; der Wille Gottes geschieht dann in ihm und durch ihn. Dieses Erwachen zu einem höheren Bewusst-

Gott nicht erkennen, und es kann ihn niemand

erkennen, wenn er nicht dadurch, dass er die

Liebe und den Geist Gottes im Herzen trägt,

in das grosse Geheimnis eingeweiht ist. Wer

aber dieses Licht der Selbsterkenntnis erlangt

hat, dem erleuchtet dasselbe auch klar den

Sinn der heiligen Schriften.

Die wahre Religion ist somit das Erwachen

des Gottesbewusstseins, nicht in der Phantasie,

sondern im Herzen des Menschen selbst. Wenn

der Mensch zum Bewusstsein der in ihm schlum-

mernden göttlichen Natur gelangt, so ent-

springen daraus alle seine guten Gedanken und

Handlungen von selbst und stehen auf einer

viel höheren Stufe als solche, die nur das

Resultat einer geistlosen Morallehre, ethischer

Dressur oder erkenntnisloser Gefühlsbestre-

bungen ist; denn in ersterem Falle handelt der

Mensch nicht mehr aus Selbstwahn oder Eigen-

dünkel, sondern der Geist Gottes, d. h. die

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Erkenntnis, welche seinem höheren Selbst an-

gehört, erfüllt sein Bewusstsein, bestimmt sein

Fühlen, Denken und Handeln; der Wille Gottes

geschieht dann in ihm und durch ihn.

Dieses Erwachen zu einem höheren Bewusst-

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— 377 —

-

sein kann kein Mensch durch seinen eigenen

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persönlichen Selbstwillen oder Eigensinn voll-

bringen , ebensowenig als ein Toter sich selbst

sem kann kein Mensch durch seinen eigenen persönlichen Selbstwillen oder Eigensinn voll~ bringen, ebensowenig als ein Toter sich selb$t zum Leben bringen oder ein Schlafender sich selber erwecken kann; es existieren aber im Geistigen sowohl als in der materiellen Natur gewisse Gesetze, welche bestimmen, dass diese oder jene Zustände eintreten, wenn die hierzu nötigen Bedingungen vorhanden sind. Wir können uns keinen Sonnenschein verfertigen und müssen in Abwesenheit des natürlichen Lichtes mit einem künstlich erzeugten vorlieb nehmen; wenn aber die Sonne scheint, so brauchen wir nur die Fenster zu öffnen, um ohne weitere Anstrengung Licht zu erhalten. Desgleichen kann· sich kein Mensch die gött~ liche Weisheit verfertigen oder durch das Spiel seiner Phantasie zur wahren Selbsterkenntnis gelangen; aber wenn er aufhört am Irrtum festzuhalten J und die Wahrheit liebt, so offen~ bart sie sich ihm von selbst. Patanschali zeigt uns den Weg, und wie w~r es machen sollen, um vom Irrtum frei zu werden, damit die Wahrheit (Gott) in uns offenbar werden kann. Dieser Weg ist, kurz gesagt, die Herstellung der Gemütsruhe durch die Beherrschung der Denkthätigkeit und die innerliche Reinigung

zum Leben bringen oder ein Schlafender sich

selber erwecken kann; es existieren aber im

Geistigen sowohl als in der materiellen Natur

gewisse Gesetze, welche bestimmen, dass diese

oder jene Zustände eintreten, wenn die hierzu

nötigen Bedingungen vorhanden sind. Wir

können uns keinen Sonnenschein verfertigen

und müssen in Abwesenheit des natürlichen

Lichtes mit einem künstlich erzeugten vorlieb

nehmen; wenn aber die Sonne scheint, so

brauchen wir nur die Fenster zu öffnen, um

ohne weitere Anstrengung Licht zu erhalten.

Desgleichen kann sich kein Mensch die gött-

liche Weisheit verfertigen oder durch das Spiel

seiner Phantasie zur wahren Selbsterkenntnis

gelangen; aber wenn er aufhört am Irrtum

festzuhalten, und die Wahrheit liebt, so offen-

bart sie sich ihm von selbst. Patanschali zeigt

uns den Weg, und wie wir es machen sollen,

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um vom Irrtum frei zu werden, damit die

Wahrheit (Gott) in uns offenbar werden kann.

Dieser Weg ist, kurz gesagt, die Herstellung

der Gemütsruhe durch die Beherrschung der

Denkthätigkeit und die innerliche Reinigung

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- 378 -

-

des Herzens von allen der Selbstsucht oder

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dem Selbstwahn entspringenden Begierden.

Wenn das Gemüt ruhig und rein geworden ist,

des Herzens von allen der Selbstsucht oder dem Selbstwahn entspringenden Begierden. Wenn das Gemüt ruhig und rein geworden ist, so gleicht es einem klaren Krystall, in welchem das Licht der Seele ohne Flecken sich offenbart. Daraus entspringt die direkte Erkenntnis der Wahrheit, die nichts mit äuss~r1icher Beobachtung, Spekulation oder Schlussfolgerung zu schaffen hat, sondern die Selbstoffenbarong der ewigen Weisheit in der Seele des Menschen ist. Das ganze Leben des Menschen auf Erden, mit allen seinen unzähligen Reinkarnationen, ist nichts anderes als eine Schule der Erfahrung, worin der Mensch lernt, durch Überwindung des Irrtums zur Erkenntnis seines eigenen wahren Wesens zu gelangen. Vergebens suchen die Menschen im Äussern und Innem nach Gott. Sie können ihn nicht finden, weil sie sich ihn, den Unendlichen, als etwas Objektives, von ihnen selbst verschieden und in Zeit und Raum beschränkt vorstellen und nicht begreifen, dass er alles in allem und somit auch ihr eigenes Wesen ist. Es ist als ob jemand mit einem Luftballon eine Entdeckungsreise im Weltenraume unternehmen wollte, um den Raum zu finden. Vergebens irrt er umher

so gleicht es einem klaren Krystall, in welchem

das Licht der Seele ohne Flecken sich offen-

bart. Daraus entspringt die direkte Erkenntnis

der Wahrheit, die nichts mit äusserlicher

Beobachtung, Spekulation oder Schlussfolge-

rung zu schaffen hat, sondern die SelbstorTen-

barung der ewigen Weisheit in der Seele des

Menschen ist.

Das ganze Leben des Menschen auf Erden,

mit allen seinen unzähligen Reinkarnationen,

ist nichts anderes als eine Schule der Erfahrung,

worin der Mensch lernt, durch Überwindung

des Irrtums zur Erkenntnis seines eigenen

wahren Wesens zu gelangen. Vergebens suchen

die Menschen im Äussern und Innern nach

Gott. Sie können ihn nicht finden, weil sie

sich ihn, den Unendlichen, als etwas Objek-

tives, von ihnen selbst verschieden und in Zeit

und Raum beschränkt vorstellen und nicht

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begreifen, dass er alles in allem und somit

auch ihr eigenes Wesen ist. Es ist als ob

jemand mit einem Luftballon eine Entdeckungs-

reise im Weltenraume unternehmen wollte, um

den Raum zu finden. Vergebens irrt er umher

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- 379 —

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bis er endlich zur Einsicht kommt, dass alles

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Raum, ja sogar er selbst ein Teil verkörperten

Raumes ist, und dass seine Reise überflüssig

bis er endlich zur Einsicht kommt, dass alles Raum, ja sogar er selbst ein Teil verkörperten Raumes ist, und dass seine Reise überflüssig war, weil er, wenn er sich selbst in Wahrheit erkannt, die ganze Wahrheit und alles erkennt. Der Mensch als ein Scheinwesen betrachtet, liebt den Schein und wird durch die Erscheinung der·Form getäuscht. Er bildet sich ein, etwas Besonderes, von andern Geschöpfen dem Wesen nach Verschiedenes zu sein. Er ist in sein "Selbst" , das Produkt seiner Selbsttäuschung, verliebt, sieht nur sein eingebildetes Selbst, will von der Wirklichkeit nichts wissen und kann sie deshalb auch nicht erkennen. So oft er die Wahrheit objektiv zu betrachten versucht, trennt er sich von ihr, stösst sie zurück und sie wird ihm unsichtbar. Er kann sie nicht finden, weil er den Irrtum, der ihn verblendet, nicht loslassen will. Der Irrtum hält den Menschen nur solange gefangen, als der Mensch an ihm festhält und daran hängt. Wer die Täuschung fahren lässt, der braucht nicht lange nach der Wahrheit zu forschen; wo das Dunkel verschwindet, da tritt das Licht der Erkenntnis von selber ein. Aber die meisten Menschen lieben das Dunkel der Unwissenheit und den Mondschein der Phantasie mehr als

war, weil er, wenn er sich selbst in Wahrheit

erkannt, die ganze Wahrheit und alles erkennt.

Der Mensch als ein Scheinwesen betrachtet,

liebt den Schein und wird durch die Erschei-

nung der Form getäuscht. Er bildet sich ein,

etwas Besonderes, von andern Geschöpfen dem

Wesen nach Verschiedenes zu sein. Er ist in

sein „Selbst", das Produkt seiner Selbsttäu-

schung, verliebt, sieht nur sein eingebildetes

Selbst, will von der Wirklichkeit nichts wissen

und kann sie deshalb auch nicht erkennen.

So oft er die Wahrheit objektiv zu betrachten

versucht, trennt er sich von ihr, stösst sie

zurück und sie wird ihm unsichtbar. Er kann

sie nicht finden, weil er den Irrtum, der ihn

verblendet, nicht loslassen will. Der Irrtum

hält den Menschen nur solange gefangen, als

der Mensch an ihm festhält und daran hängt.

Wer die Täuschung fahren lässt, der braucht

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nicht lange nach der Wahrheit zu forschen;

wo das Dunkel verschwindet, da tritt das Licht

der Erkenntnis von selber ein. Aber die meisten

Menschen lieben das Dunkel der Unwissenheit

und den Mondschein der Phantasie mehr als

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— 380 -

die noch verborgene Sonne der Weisheit.

Wir müssen erst durch bittere Erfahrungen und

die noch verborgene Sonne der Weisheit. Wir müssen erst durch bittere Erfahrungen und Enttäuschungen das Unreelle des irdischen Daseins kennen gelernt haben, ehe wir dem Materiellen den Rücken kehren und der Morgendämmerung des geistigen Lichtes im Osten unsere Blicke zuwenden. Das Herz, welches aus der Einheit herausgegangen ist und sich in der Vielheit verloren hat, kehrt, nachdem es jede äusserliche Stütze als unzuverlässig erkannt hat, zuletzt wieder in sich selbst, zur Einheit, zurück. Die Einheit ist Gott, das wahre Selbst aller Wesen. Wer diese Rückkehr zur Einheit begreift, der ist auf dem Wege sich selber zu finden und weiss, was man unter "Yoga" versteht; der vielgelehrte Phantast, dem sein eingebildetes "Selbst" und Selbstwissen über alles geht, wird es niemals begreifen. Yoga ...ist nicht, wie gewisse "Gelehrte" meinen, "ein Produkt der orientalischen Ph~n­ tasie"; es ist auch keine leere Theorie, Schwärmerei oder Träumerei, sondern das Eingehen der Seele (des Bewusstseins) in Gott, und das Aufgehen des Lichtes der Gottheit in der Seele. Der blinde Materialist, der abergläubige Träumer und der habsüchtige Beobachter mögen

Enttäuschungen das Unreelle des irdischen

Daseins kennen gelernt haben, ehe wir dem

Materiellen den Rücken kehren und der Morgen-

dämmerung des geistigen Lichtes im Osten

unsere Blicke zuwenden. Das Herz, welches

aus der Einheit herausgegangen ist und sich

in der Vielheit verloren hat, kehrt, nachdem

es jede äusserliche Stütze als unzuverlässig

erkannt hat, zuletzt wieder in sich selbst, zur

Einheit, zurück. Die Einheit ist Gott, das

wahre Selbst aller Wesen. Wer diese Rück-

kehr zur Einheit begreift, der ist auf dem

Wege sich selber zu finden und weiss, was

man unter „Yoga" versteht; der vielgelehrte

Phantast, dem sein eingebildetes „Selbst" und

Selbstwissen über alles geht, wird es niemals

begreifen.

Yoga ist nicht, wie gewisse „Gelehrte"

meinen, „ein Produkt der orientalischen Phan-

tasie"; es ist auch keine leere Theorie, Schwär-

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merei oder Träumerei, sondern das Eingehen

der Seele (des Bewusstseins) in Gott, und das

Aufgehen des Lichtes der Gottheit in der Seele.

Der blinde Materialist, der abergläubige Träu-

mer und der habsüchtige Beobachter mögen

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- 38i -

unzählige Wiederverkörperungen und Millionen

von Jahren nötig haben, ehe sie auf dem Wege

der langsam fortschreitenden Entwicklung des

unzählige Wiederverkörperungen und Millionen von Jahren nötig haben, ehe sie auf dem Wege der langsam fortschreitenden Entwicklung des ganzen Menschengeschlechts zum wahren Selbstbewusstsein gelangen; aber das Thor hierzu steht schon jetzt für jedermann offen; niemand wird durch etwas anderes als durch sich selbst gehindert, einzutreten und zur Erlösung vom "Selbst" zu gelangen. Yoga ist der Weg. Die Vereinigung mit Gott ist das wahre Wesen der Religion. Ein Religionssystem , welches nicht auf die Erkenntnis dieses Gesetzes gegründet wäre, . könnte . keine wahre Religion enthalten, sondern wäre ein Mischmasch von Selbstsucht, Aberglauben, Schwärmerei, Autoritätenwahn, blindem Dogmatismus, Formel-. kram und Heuchelei; gerade so wie eine Wissenschaft, der keine Erkenntnis des wahren Wesens der Natur, nur eine aus Phantasie zusammengesetzte Scheinwissenschaft und ein Fluch für die Menschheit ist. Die Theorie geht der Ausübung voran; aber mit dem theoretischen Wissen allein ist wenig gedient; das rechte Verständnis kommt erst durch die Ausübung. Wir können unser Leben lang die Veden studieren, oder die Bibel mit allen Kommentaren auswendig lernen, einen

ganzen Menschengeschlechts zum wahren Selbst-

bewusstsein gelangen; aber das Thor hierzu

steht schon jetzt für jedermann offen; niemand

wird durch etwas anderes als durch sich selbst

gehindert, einzutreten und zur Erlösung vom

„Selbst" zu gelangen. Yoga ist der Weg.

Die Vereinigung mit Gott ist das wahre Wesen

der Religion. Ein Religionssystem, welches

nicht auf die Erkenntnis dieses Gesetzes ge-

gründet wäre, könnte keine wahre Religion

enthalten, sondern wäre ein Mischmasch von

Selbstsucht, Aberglauben, Schwärmerei, Auto-

ritätenwahn, blindem Dogmatismus, Formel-

kram und Heuchelei; gerade so wie eine Wissen-

schaft, der keine Erkenntnis des wahren Wesens

der Natur, nur eine aus Phantasie zusammen-

gesetzte Scheinwissenschaft und ein Fluch für

die Menschheit ist.

Die Theorie geht der Ausübung voran;

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aber mit dem theoretischen Wissen allein ist

wenig gedient; das rechte Verständnis kommt

erst durch die Ausübung. Wir können unser

Leben lang die Veden studieren, oder die Bibel

mit allen Kommentaren auswendig lernen, einen

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— 382 —

Berg von Meinungen und Auslegungen in un-

serm Gehirn anhäufen, die gelehrtesten Kom-

binationen in unserm Schädel zusammenbrauen

Berg von Meinungen und Auslegungen in unserm Gehirn anhäufen, die gelehrtesten Kombinationen in unserm Schädel zusammenbrauen und alle möglichen philologischen, theologischen und philosophischen Haarspaltereien unternehmen, ohne dadurch zu jener Weisheit zu gelangen, die nur durch die Veredlung des Charakters erlangt werden kann. Wir können tagtäglich die salbungsvollste Predigt anhören und uns einbilden, daSs alles wahr sei, was darin gesagt worden ist, ohne dass dies unser Wesen verändert. Die beste Lehre nützt nichts, wenn man sie nicht befolgt; das Studium des besten Speisezettels oder die beste Beschreibung eines Gerichtes nützt demjenigen nichts, der nichts zu essen hat oder nicht isst. Viele schreien fortwährend nach neuen Instruktionen, ohne dass sie auch nur die geringste der bereits gegebenen Lehren befolgen. Ohne die innerliche Heiligung sind aber alle Vorträge über dieselbe leeres Geschwätz. Nicht dasjenige, was wir äusserlich sehen oder hören, sondern was wir in uns selbst aufnehmen, wird ein Teil unseres W esens. Worte können vielleicht dazu dienen, einen Betrunkenen aus dem Schlafe aufzurütteln; aber wer nicht geweckt werden will, schläft bald wieder ein.

und alle möglichen philologischen, theologi-

schen und philosophischen Haarspaltereien

unternehmen, ohne dadurch zu jener Weisheit

zu gelangen, die nur durch die Veredlung des

Charakters erlangt werden kann. Wir können

tagtäglich die salbungsvollste Predigt anhören

und uns einbilden, dass alles wahr sei, was

darin gesagt worden ist, ohne dass dies unser

Wesen verändert. Die beste Lehre nützt nichts,

wenn man sie nicht befolgt; das Studium des

besten Speisezettels oder die beste Beschrei-

bung eines Gerichtes nützt demjenigen nichts,

der nichts zu essen hat oder nicht isst. Viele

schreien fortwährend nach neuen Instruktionen,

ohne dass sie auch nur die geringste der be-

reits gegebenen Lehren befolgen. Ohne die

innerliche Heiligung sind aber alle Vorträge

über dieselbe leeres Geschwätz. Nicht das-

jenige, was wir äusserlich sehen oder hören,

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sondern was wir in uns selbst aufnehmen, wird

ein Teil unseres Wesens. Worte können viel-

leicht dazu dienen, einen Betrunkenen aus dem

Schlafe aufzurütteln; aber wer nicht geweckt

werden will, schläft bald wieder ein.

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- 383

Das Sinnesleben des Menschen, im Ver-

gleiche zum Geistesleben, gleicht dem eines

Betrunkenen, der in seinen Hallucinationen

Das Sinnesleben des Menschen, 1m Vergleiche zum Geistesleben, gleicht dem eines Betrunkenen, der in seinen Hallucinationen schwelgt. Er will sich seine Phantasiebilder nicht zerstören lassen, weil er nicht begreifen kann, dass es etwas Höheres giebt Auch handelt es sich gar nicht darum, dieselben zu zerstören, sondern wir sollten vielmehr auf eine Stufe gelangen, auf welcher. wir auf dieselben herabsehen, ihren eigentlichen Wert erkennen, ohne ihn zu überschätzen, und begreifen, dass ein Steckenpferd nichts mehr als ein Steckenpferd ist. Allerdings ist hierzu oft eine starke Kur nötig. In den indischen Schriften befindet sich ein Gleichnis, in welchem gesagt wird, dass Krischna, der Gott des Himmels, sich einmal in einem Schweine verkörpert hätte. Während dieser Verkörperung vergass er gänzlich seine eigene göttliche Natur. Er nahm eine Sau zur Lebensgefahrtin, und sie brachte ihm drei Ferkel zur Welt. Krischna schwelgte in diesem Schweinsparadies und war völlig zufrieden. Die Götter betrauerten seinen Fall und suchten ihn zu bewegen, wieder zum Himmel zurückzukehren; aber er stiess sie von .sich: "Was!" rief er aus, "ich sollte meine geliebte Sau und meine teuren Ferkel verlassen,

schwelgt. Er will sich seine Phantasiebilder

nicht zerstören lassen, weil er nicht begreifen

kann, dass es etwas Höheres giebt. Auch

handelt es sich gar nicht darum, dieselben zu

zerstören, sondern wir sollten vielmehr auf eine

Stufe gelangen, auf welcher wir auf dieselben

herabsehen, ihren eigentlichen Wert erkennen,

ohne ihn zu überschätzen, und begreifen, dass

ein Steckenpferd nichts mehr als ein Stecken-

pferd ist. Allerdings ist hierzu oft eine starke

Kur nötig. In den indischen Schriften befindet

sich ein Gleichnis, in welchem gesagt wird,

dass Krischna, der Gott des Himmels, sich

einmal in einem Schweine verkörpert hätte.

Während dieser Verkörperung vergass er gänz-

lich seine eigene göttliche Natur. Er nahm

eine Sau zur Lebensgefährtin, und sie brachte

ihm drei Ferkel zur Welt. Krischna schwelgte

in diesem Schweinsparadies und war völlig zu-

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frieden. Die Götter betrauerten seinen Fall

und suchten ihn zu bewegen, wieder zum

Himmel zurückzukehren; aber er stiess sie von

sich: „Was!" rief er aus, „ich sollte meine

geliebte Sau und meine teuren Ferkel verlassen,

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— 3§4 —

die doch mein Lebensglück und meine Selig-

keit sind!" Da wussten sich die Götter keinen

andern Rat, als dass sie veranlassten, dass ein

die doch mem Lebensglück und meine Seligkeit sind!" Da wussten sich die Götter keinen andern Rat, als dass sie veranlassten, dass ein Ferkel nach dem andern und schliesslich auch die Sau starb. Dann schnitten sie dem Schwein den Leib auf, und der von seiner Schweinexistenz befreite Gott kehrte wieder zu seinem göttlichen Dasein zurück. Es ist bei der Betrachtung der Freuden des irdischen Daseins nicht von absolutem Recht oder Unrecht die Rede, sondern es kommt alles auf den Zweck an, den man befolgt. Ein Schwein, das kein Verlangen hat, zu einer höheren Stufe des Daseins zu gelangen, handelt recht, wenn es seine Schweinefreuden geniesst; ein Mensch, der aus Dummheit, Furcht oder Habsucht es unterlässt, die Pflichten, welche das Leben mit sich bringt, zu erfüllen und sich in seinen Egoismus verkriecht, wird dadurch schwerlich den erhofften Sperrsitz im Himmel erlangen; der Menschenfeind schädigt am meisten sich selbst; aber der Mensch, welcher den Kinderschuhen entwachsen ist, bedarf keiner Kinderspielzeuge mehr. Yoga ist ein beständiges Emporringen vom Niedern zum Höhern, bis hinauf zum Höchsten. Je mehr der Mensch sich Gott nähert, um so mehr

Ferkel nach dem andern und schliesslich auch

die Sau starb. Dann schnitten sie dem Schwein

den Leib auf, und der von seiner Schwein-

existenz befreite Gott kehrte wieder zu seinem

göttlichen Dasein zurück.

Es ist bei der Betrachtung der Freuden des

irdischen Daseins nicht von absolutem Recht

oder Unrecht die Rede, sondern es kommt

alles auf den Zweck an, den man befolgt. Ein

Schwein, das kein Verlangen hat, zu einer

höheren Stufe des Daseins zu gelangen, handelt

recht, wenn es seine Schweinefreuden geniesst;

ein Mensch, der aus Dummheit, Furcht oder

Habsucht es unterlässt, die Pflichten, welche

das Leben mit sich bringt, zu erfüllen und

sich in seinen Egoismus verkriecht, wird da-

durch schwerlich den erhofften Sperrsitz im

Himmel erlangen; der Menschenfeind schädigt

am meisten sich selbst; aber der Mensch,

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welcher den Kinderschuhen entwachsen ist,

bedarf keiner Kinderspielzeuge mehr. Yoga

ist ein beständiges Emporringen vom Niedern

zum Höhern, bis hinauf zum Höchsten. Je

mehr der Mensch sich Gott nähert, um so mehr

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- 3§5 -

wird die Allgegenwart Gottes ihm im Innern

und Äussern offenbar.

Gott wird von den Weisen als das wahre

wird die Allgegenwart Gottes ihm 1m Innern und Äussern offenbar. Gott wird von den Weisen als das wahre Selbst aller Wesen, als die Seele des Univer· sums bezeichnet, als der Wille oder die Substanz der ewigen Weisheit, aus welcher die ganze Erscheinungswelt hervorgeht, und ohne welche alle Dinge, an sich selbst betrachtet (wenn sie überhaupt ohne Gott existieren könnten) , nichts als wesenlose Erscheinungen sind. Die Weisheit Gottes aber ist seine eigene Selbsterkenntnis, die alles umfasst, und welche nicht dem irdischen und vergänglichen Menschenverstande, sondern Gott angehört, und auch vom menschlichen Intellekte nicht begriffen werden kann. Hoch über dem Reiche des forschenden und suchenden Intellekts steht die erkennende Seele; hoch über· der Spekulation die Verwirklichung; hoch über objektiver Beobachtung die Erkenntnis des eigenen Selbsts. Eine Wahrheit wird uns erst dann über allen Zweifel erhaben, wenn wir einsehen, dass sie sich von selber versteht. Die Seele ist Gott; sie ist die Wahrheit und Wirklichkeit, das Leben und Licht aller Dinge. Wie das Gemüt, vermittelst dessen der Mensch empfindet und denkt, über .den Körper erhaben ist und dessen

Selbst aller Wesen, als die Seele des Univer-

sums bezeichnet, als der Wille oder die Sub-

stanz der ewigen Weisheit, aus welcher die

ganze Erscheinungswelt hervorgeht, und ohne

welche alle Dinge, an sich selbst betrachtet

(wenn sie überhaupt ohne Gott existieren könn-

ten), nichts als wesenlose Erscheinungen sind.

Die Weisheit Gottes aber ist seine eigene

Selbsterkenntnis, die alles umfasst, und welche

nicht dem irdischen und vergänglichen Menschen-

verstande, sondern Gott angehört, und auch

vom menschlichen Intellekte nicht begriffen

werden kann. Hoch über dem Reiche des

forschenden und suchenden Intellekts steht die

erkennende Seele; hoch über der Spekulation

die Verwirklichung; hoch über objektiver

Beobachtung die Erkenntnis des eigenen Selbsts.

Eine Wahrheit wird uns erst dann über allen

Zweifel erhaben, wenn wir einsehen, dass sie

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sich von selber versteht. Die Seele ist Gott;

sie ist die Wahrheit und Wirklichkeit, das

Leben und Licht aller Dinge. Wie das Gemüt,

vermittelst dessen der Mensch empfindet und

denkt, über den Körper erhaben ist und dessen

Lotusblüthen LXXXI. 27

Lotusblüthen LXXXE.

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— 386 —

-

Funktionen beherrscht, so ist die Seele noch

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-

unendlich höher über das Gemüt und Denken

erhaben, und je mehr der Mensch seiner un-

Funktionen beherrscht, so ist die Seele noch unendlich höher über das Gemüt und Denken erhaben', und je mehr der Mensch seiner unsterblichen Seele näher tritt, um so mehr kann er in ihrer Kraft seine Gemütsbewegungen, sein Empfinden und Denken, und damit auch schliesslieh alle Funktionen seines Körpers beherrschen. Darin besteht die Ausübung des Yoga, eine Kunst, deren Erlernung wohl viele Jahre, wenn nicht viele ReInkarnationsperioden in Anspruch nimmt. Der Indier unterscheidet im allgemeinen hauptsächlich zwei Arten von Yoga, nämlich Hatha Yoga und Radscha Yoga. Hatha Yoga (häufig fälschlich als "Wissenschaft des Atmens" bezeichnet) hat den Zweck, die psychischen Fähigkeiten, d. h. die niederen Seelenkräfte (Hellsehen u. dergI.) zu entwickeln. Da aber eine solche Entwicklung auf Kosten der höheren geistigen Seelenkräfte vor sich geht, so ist diese Methode nicht zu empfehlen, und ihre Ausübung hat nur als Grundlage den selbstsüchtigen Zweck der Erlangung "okkulter" Kräfte, die dem Besitzer dann oft mehr schädlich als nützlich sind. Radscha Yoga dagegen hat die Offenbarung des göttlichen Wesens im Menschen zum Zweck, und wo diese stattfindet,

sterblichen Seele näher tritt, um so mehr kann

er in ihrer Kraft seine Gemütsbewegungen, sein

Empfinden und Denken, und damit auch schliess-

lich alle Funktionen seines Körpers beherrschen.

Darin besteht die Ausübung des Yoga, eine

Kunst, deren Erlernung wohl viele Jahre, wenn

nicht viele Reinkarnationsperioden in Anspruch

nimmt.

Der Indier unterscheidet im allgemeinen

hauptsächlich zwei Arten von Yoga, nämlich

Hatha Yoga und Radscha Yoga. Hatha

Yoga (häufig fälschlich als „Wissenschaft des

Atmens" bezeichnet) hat den Zweck, die psychi-

schen Fähigkeiten, d. h. die niederen Seelen-

kräfte (Hellsehen u. dergl.) zu entwickeln. Da

aber eine solche Entwicklung auf Kosten der

höheren geistigen Seelenkräfte vor sich geht,

so ist diese Methode nicht zu empfehlen, und

ihre Ausübung hat nur als Grundlage den

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selbstsüchtigen Zweck der Erlangung „okkulter"

Kräfte, die dem Besitzer dann oft mehr schäd-

lich als nützlich sind. Radscha Yoga dagegen

hat die Offenbarung des göttlichen Wesens im

Menschen zum Zweck, und wo diese stattfindet,

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- 387 -

da entwickeln sich alle göttlichen im Menschen

schlummernden Kräfte von selbst. Die Lebens-

kraft im Menschen ist nur eine einzige, und

da entwickeln sich alle göttlichen im Menschen schlummernden Kräfte von selbst. Die Lebenskraft im Menschen ist nur eine einzige, und er kann sie auf einer höheren oder einer niederen Stufe des Daseins verwenden. Wenn er ein Fresser ist und sie ganz zur Beförderung seiner Verdauung verbraucht, so wird ihm für die Beförderung seiner intellektuellen Thätigkeit nicht viel übrig bleiben. Verwendet er sie ganz zum Grübeln und Argumentieren, so bleibt für die Entwicklung der höheren Seelenkräfte nichts übrig. Mancher Mensch mästet sein Gehirn und lässt dabei seine Seele verhungern. Dass Gelehrsamkeit und Vielwisserei nicht mitHeiligkeit und Liebe identisch sind, brauchen wir nicht zu versichern. Der Urquell alles Lebens und aller Bewegung ist der Wille. Damit ist nicht das menschliche Wollen gemeint, welches im Grunde genommen nur ein Begehren und Wünschen ist, -sondern die göttliche, scb:öpferische Urkraft, .aus deren Bewegung alles entstand. Er ist die Substanz der Seele. Wenn man sagt, Gott sei die Liebe, so ist damit der Wille Gottes gemeint; denn Gott als- der Wille der ewigen Weisheit betrachtet, ist die absolute Liebe, die keiner Begierde unterworfen ist. Wenn. der

er kann sie auf einer höheren oder einer nie-

deren Stufe des Daseins verwenden. Wenn er

ein Fresser ist und sie ganz zur Beförderung

seiner Verdauung verbraucht, so wird ihm für

die Beförderung seiner intellektuellen Thätigkeit

nicht viel übrig bleiben. Verwendet er sie

ganz zum Grübeln und Argumentieren, so bleibt

für die Entwicklung der höheren Seelenkräfte

nichts übrig. Mancher Mensch mästet sein

Gehirn und lässt dabei seine Seele verhungern.

Dass Gelehrsamkeit und Vielwisserei nicht mit

Heiligkeit und Liebe identisch sind, brauchen

wir nicht zu versichern.

Der Urquell alles Lebens und aller Bewe-

gung ist der Wille. Damit ist nicht das mensch-

liche Wollen gemeint, welches im Grunde ge-

nommen nur ein Begehren und Wünschen ist,

sondern die göttliche, schöpferische Urkraft,

aus deren Bewegung alles entstand. Er ist die

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Substanz der Seele. Wenn man sagt, Gott sei

die Liebe, so ist damit der Wille Gottes ge-

meint; denn Gott als der Wille der ewigen

Weisheit betrachtet, ist die absolute Liebe, die

keiner Begierde unterworfen ist. Wenn der

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- 388 —

Wille Gottes im Herzen des Menschen offenbar

wird, so sind ihm alle anderen Kräfte unterthan.

Während selbst der grösste Schädel den Begriff

Wille Gottes im Herzen des Menschen offenbar wird, so sind ihm alle anderen Kräfte unterthan. Während selbst der grösste Schädel den Begriff der Unendlichkeit nicht fassen kann, .kann sogar das kleinste Herz das Ewige fuhlen und die ganze Welt beherrschen, wenn in ihm der Wille Gottes offenbar wird. Durch diese Seelenkraft beherrscht der Yogi sein Gemüt und seinen Körper. Dasjenige, wodurch der Mensch sich von andern Wesen unterscheidet, ist der BesitZ eines hochentwickelten Gemütes, d. h. derjenigen Substanz und Kraft, die ihn befähigt zu empfinden und zu denken, Eindrücke aufzunehmen, Ideen zu sammeln, sie zu kombinieren, analysieren und im Gedächtnisse aufzubewahren. Diese Substanz ist, wie uns die Yoga-Philosophie lehrt, äusserst plastischer Natur; sie nimmt die Form" desjenigen Gegenstandes an, durch dessen Wahrnehmung ein Eindruck auf sie gemacht wird. Da wir fortwährend neuen, von aussen kommenden Eindrücken ausgesetzt sind, und auch die bereits aufgenommenen Eindrücke wieder erwachen, so sind wir fortwährend einer Reihe von Gemütsbewegungen ausgesetzt und mit immer wechselnden Vorstellungen und Gedanken erfüllt. Diese erhalten das Gemüt in

der Unendlichkeit nicht fassen kann, kann sogar

das kleinste Herz das Ewige fühlen und die

ganze Welt beherrschen, wenn in ihm der Wille

Gottes offenbar wird. Durch diese Seelenkraft

beherrscht der Yogi sein Gemüt und seinen

Körper.

Dasjenige, wodurch der Mensch sich von

andern Wesen unterscheidet, ist der Besitz eines

hochentwickelten Gemütes, d. h. derjenigen

Substanz und Kraft, die ihn befähigt zu em-

pfinden und zu denken, Eindrücke aufzunehmen,

Ideen zu sammeln, sie zu kombinieren, analy-

sieren und im Gedächtnisse aufzubewahren.

Diese Substanz ist, wie uns die Yoga-Philosophie

lehrt, äusserst plastischer Natur; sie nimmt die

Form desjenigen Gegenstandes an, durch dessen

Wahrnehmung ein Eindruck auf sie gemacht

wird. Da wir fortwährend neuen, von aussen

kommenden Eindrücken ausgesetzt sind, und

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auch die bereits aufgenommenen Eindrücke

wieder erwachen, so sind wir fortwährend einer

Reihe von Gemütsbewegungen ausgesetzt und

mit immer wechselnden Vorstellungen und Ge-

danken erfüllt. Diese erhalten das Gemüt in

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— 389 -

-

steter Unruhe, so dass es nur in seltenen, feier-

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lichen Augenblicken zur Ruhe kommen und

das Licht der Seele darin offenbar werden

steter Unrohe, so dass es nur in seltenen, feierlichen Augenblicken zur Ruhe kommen und das Licht der Seele darin offenbar werden kann. Wo der Mensch aufhört zu denken und zu empfinden, da hört auch alle Gemütsunruhe auf. Demnach könnte man glauben, dass ein Schlag mit dem Beil vor den Kopf das beste Mittel wäre, um aus einem Menschen schnell einen Yogi zu machen; allein diese Kurmethode nach Dr. Eisenbart wäre verfehlt. Die Selbstbeherrschung besteht nicht in Bewusstlosigkeit. Die göttliche Erleuchtung ist das Bewusstsein in seiner höchsten Potenz, und es bedarf des vollen Bewusstseins des Menschen, wenn er Herr über seine Gedanken und Empfindungen werden soll. Da ist von keinem Schlafe, von keiner Träumerei, von keinem stumpfsinnigen IIinbrüten oder blindem Unverstand für äusser.. liehe Dinge die Rede; sondern wo der Geist Gottes in der Seele sich offenbart, da enthüllt sich die Wahrheit in ihrer Klarheit und Herr· lichkeit. Was der Dummheit entspringt ist dumm; was aus dem Selbstwahn stammt ist eitel; aber wer im Geiste Gottes handelt, welcher der Wille und die Weisheit der Seele ist, der handelt im Namen Gottes und in Gottes Kraft.

kann. Wo der Mensch aufhört zu denken und

zu empfinden, da hört auch alle Gemüts-

unruhe auf.

Demnach könnte man glauben, dass ein

Schlag mit dem Beil vor den Kopf das beste

Mittel wäre, um aus einem Menschen schnell

einen Yogi zu machen; allein diese Kurmethode

nach Dr. Eisenbart wäre verfehlt. Die Selbst-

beherrschung besteht nicht in Bewusstlosigkeit.

Die göttliche Erleuchtung ist das Bewusstsein

in seiner höchsten Potenz, und es bedarf des

vollen Bewusstseins des Menschen, wenn er

Herr über seine Gedanken und Empfindungen

werden soll. Da ist von keinem Schlafe, von

keiner Träumerei, von keinem stumpfsinnigen

Hinbrüten oder blindem Unverstand für äusser-

liche Dinge die Rede; sondern wo der Geist

Gottes in der Seele sich offenbart, da enthüllt

sich die Wahrheit in ihrer Klarheit und Herr-

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lichkeit. Was der Dummheit entspringt ist

dumm; was aus dem Selbstwahn stammt ist

eitel; aber wer im Geiste Gottes handelt, welcher

der Wille und die Weisheit der Seele ist, der

handelt im Namen Gottes und in Gottes Kraft.

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— 390 —

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Der Grund, weshalb nicht alle Menschen in

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der Kraft Gottes handeln und wirken, ist, weil

sie diesen heiligen Geist nicht kennen, und es

Der Grund, weshalb nicht alle Menschen in der Kraft Gottes handeln und wirken, ist, weil sie diesen heiligen Geist nicht kennen, und es kann ihn niemand kennen, wenn er nicht im eigenen Innern offenbar wird. Er ist der Geist der Selbsterkenntnis, welcher dem wahren göttlichen Selbst angehört. Ein Gedanke kann wohl einem andern Gedanken Platz machen oder an seine Stelle treten; aber das Denken kann sich ebensowenig selber beherrschen, als ein Klavi~r von selbst spielen, oder ein Mensch sich selbst beim Schopf nehmen und aus einem Sumpfe herausziehen kann. Das Gemüt kann sich nicht selber zum Stillstand bringen, wie auch ein Pferd sich nicht selbst zügeln kann. Aber höher als das Gemüt, welches wahrnimmt und denkt, steht die selbsterkennende Seele; dasjenige Ich, welches weiss, dass es sowohl denken als auch das Denken unterlassen kann. Die Seele ist das wahre Selbstbewusstsein des Menschen; in diesem "Ich" beruht seine Individualität. Ein Mensch ohne Seele wäre nichts als ein blindes Werkzeug für das Spiel der Naturkräfte, ein leeres Haus, durch dessen Thüren und Fenster die Stürme brausen. Nicht das Gehirn des Menschen denkt, sondern ein Mensch, der sich

kann ihn niemand kennen, wenn er nicht im

eigenen Innern offenbar wird. Er ist der Geist

der Selbsterkenntnis, welcher dem wahren gött-

lichen Selbst angehört.

Ein Gedanke kann wohl einem andern

Gedanken Platz machen oder an seine Stelle

treten; aber das Denken kann sich ebensowenig

selber beherrschen, als ein Klavier von selbst

spielen, oder ein Mensch sich selbst beim

Schopf nehmen und aus einem Sumpfe heraus-

ziehen kann. Das Gemüt kann sich nicht selber

zum Stillstand bringen, wie auch ein Pferd sich

nicht selbst zügeln kann. Aber höher als das

Gemüt, welches wahrnimmt und denkt, steht

die selbsterkennende Seele; dasjenige Ich,

welches weiss, dass es sowohl denken als auch

das Denken unterlassen kann. Die Seele ist

das wahre Selbstbewusstsein des Menschen; in

diesem „Ich" beruht seine Individualität. Ein

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Mensch ohne Seele wäre nichts als ein blindes

Werkzeug für das Spiel der Naturkräfte, ein

leeres Haus, durch dessen Thüren und Fenster

die Stürme brausen. Nicht das Gehirn des

Menschen denkt, sondern ein Mensch, der sich

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seiner selbst bewusst ist, denkt vermittelst seines

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Gehirns, gerade so, wie er vermittelst seiner

seiner selbst bewusst ist, denkt vermittelst seines Gehirns, gerade so, wie er vermittelst seiner Füsse sich fortbewegt, und vermittelst seiner Augen sieht; er selber aber ist ebensowenig sein Gehirn, Gemüt, Fuss oder Auge, als er sein Rock oder Hose ist. Sein menschlicher Organismus ist das Kleid, das er auf der Stufe des materiellen Daseins trägt; auf einer höheren Stufe ist er mit einem weniger schwerfälligen Körper bekleidet, und auf der höchsten Stufe der Vollkommenheit bedarf der ganz zum Lichte gewordene Gottmensch gar keiner Kleidung mehr. Durch den Seelenwillen allein kann der Mensch sein Gemüt beherrschen, es beruhigen und zum Stillstehen zwingen, so dass das Licht der Seele darin leuchtet und die Geheimnisse der Seele darin offenbar werden. In einem Flusse, der in starker Bewegung ist, kann man nur wenig unter die Oberfläche sehen; ist aber das Wasser klar, so erscheint jeder Kieselstein auf dem Grunde. Wenn im Gemüte Unruhe herrscht, so kann der Mensch nur einen schwachen Schimmer des Lichtes der Seele darin erblicken; tritt aber völlige Ruhe ein, so sieht er seine Seele in ihrer Klarheit, und in dieser sind alle Geheimnisse des Weltalls

Füsse sich fortbewegt, und vermittelst seiner

Augen sieht; er selber aber ist ebensowenig

sein Gehirn, Gemüt, Fuss oder Auge, als er

sein Rock oder Hose ist. Sein menschlicher

Organismus ist das Kleid, das er auf der Stufe

des materiellen Daseins trägt; auf einer höheren

Stufe ist er mit einem weniger schwerfälligen

Körper bekleidet, und auf der höchsten Stufe

der Vollkommenheit bedarf der ganz zum

Lichte gewordene Gottmensch gar keiner Klei-

dung mehr.

Durch den Seelenwillen allein kann der

Mensch sein Gemüt beherrschen, es beruhigen

und zum Stillstehen zwingen, so dass das Licht

der Seele darin leuchtet und die Geheimnisse

der Seele darin offenbar werden. In einem

Flusse, der in starker Bewegung ist, kann man

nur wenig unter die Oberfläche sehen; ist aber

das Wasser klar, so erscheint jeder Kieselstein

auf dem Grunde. Wenn im Gemüte Unruhe

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herrscht, so kann der Mensch nur einen

schwachen Schimmer des Lichtes der Seele

darin erblicken; tritt aber völlige Ruhe ein, so

sieht er seine Seele in ihrer Klarheit, und in

dieser sind alle Geheimnisse des Weltalls

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enthalten, weil die Seele selbst göttlicher Natur

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und ein Ausfluss der Gottheit ist.

enthalten, weil die Seele selbst göttlicher Natur und ein Ausfluss der Gottheit ist. Dies ist die wahre Selbsterkenntnis oder "Theosophie", die nicht mit der objektiven innerlichen Beschaulichkeit, noch mit dem intellektuellen menschlichen Wissen und der Spekulation zu verwechseln ist. Das menschliche Wissen ist ein zusammengesetztes Stückwerk, das aus der Beobachtung des Scheines entspringt; die Gottesweisheit ist nur eine einzige; sie ist die Realisierung der Wirklichkeit im Bewusstsein des Menschen, der den Selbstwahn verlassen hat und die Seele als das Wesen von allen Dingen erkennt. Alles was wir äusserlich erfahren oder durch philosophische Spekulation oder logische Schlussfolgerung ausfindig machen, ist nur beziehungsweise wahr und bedarf der Bestätigung und Beweise. Die Gotteserkenntnis bedarf keiner Beweise, denn sonst stände der Beweis höher als die \\rahrheit; sie ist die Erkenntnis des absolut. Wahren durch sich selbst. Wo sie eintritt, da ist sie; wo sie nicht eintritt, da ist sie nicht. Sie ist selbstverständlich. Alle Logik, Mathematik und Schlussfolgerung beruht in letzter Linie auf etwas, das sich von selbst versteht und nicht bewiesen werden kann, sondern seinen Grund

Dies ist die wahre Selbsterkenntnis oder

„Theosophie", die nicht mit der objektiven

innerlichen Beschaulichkeit, noch mit dem

intellektuellen menschlichen Wissen und der

Spekulation zu verwechseln ist. Das mensch-

liche Wissen ist ein zusammengesetztes Stück-

werk, das aus der Beobachtung des Scheines

entspringt; die Gottesweisheit ist nur eine ein-

zige; sie ist die Realisierung der Wirklichkeit

im Bewusstsein des Menschen, der den Selbst-

wahn verlassen hat und die Seele als das Wesen

von allen Dingen erkennt. Alles was wir

äusserlich erfahren oder durch philosophische

Spekulation oder logische Schlussfolgerung

ausfindig machen, ist nur beziehungsweise wahr

und bedarf der Bestätigung und Beweise. Die

Gotteserkenntnis bedarf keiner Beweise, denn

sonst stände der Beweis höher als die Wahr-

heit; sie ist die Erkenntnis des absolut Wahren

durch sich selbst. Wo sie eintritt, da ist sie;

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wo sie nicht eintritt, da ist sie nicht. Sie ist

selbstverständlich. Alle Logik, Mathematik und

Schlussfolgerung beruht in letzter Linie auf

etwas, das sich von selbst versteht und nicht

bewiesen werden kann, sondern seinen Grund

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in der eigenen Einsicht hat. Wer z. B. nicht

einsehen könnte, dass die Eins eine Einheit

und nichts anderes und an sich selbst un-

in der eigenen Einsicht hat. Wer z. B. nicht einsehen könnte, dass die Eins eine Einheit und nichts anderes und an sich selbst unveränderlich ist, für den gäbe es auch kein nlathematisches Resultat, dem er unbedingte Glaubwürdigkeit beimessen könnte. Auch die göttliche Weisheit oder Selbsterkenntnis ist nur eine einzige für alle, weil es nur eine einzige absolute Wirklichkeit giebt. Die ganze Welt, mit allen ihren unzähligen Erscheinungen, ist eine Offenbarung der einen Wahrheit in vielerlei Formen. In jedem Dinge ist Wahrheit das Wesen desselben; wäre kein Licht vorhanden, so gäbe es auch keinen Schein. Auch bedarf das Licht der Wahrheit keiner Beleuchtung, so wenig als man einer Laterne bedarf, um das Sonnenlicht zu erkennen. Das Licht der Wahrheit ist überall und es offenbart sich in jedem Herzen, das in Gott seine Ruhe fmdet. In jedem Teiche spiegelt sich das ganze Bild der Sonne ab, und doch haben wir nur eine einzige Sonne. So spiegelt sich auch im ruhevollen Gemüte des Yogi die ganze Herrlichkeit der geistigen Sonne des Weltalls ab. Aber die Erlangung dieser mhigen Selbstbeherrschung des Gemütes ist nicht das Werk

veränderlich ist, für den gäbe es auch kein

mathematisches Resultat, dem er unbedingte

Glaubwürdigkeit beimessen könnte.

Auch die göttliche Weisheit oder Selbst-

erkenntnis ist nur eine einzige für alle, weil es

nur eine einzige absolute Wirklichkeit giebt.

Die ganze Welt, mit allen ihren unzähligen

Erscheinungen, ist eine Offenbarung der einen

Wahrheit in vielerlei Formen. In jedem Dinge

ist Wahrheit das Wesen desselben; wäre kein

Licht vorhanden, so gäbe es auch keinen

Schein. Auch bedarf das Licht der Wahrheit

keiner Beleuchtung, so wenig als man einer

Laterne bedarf, um das Sonnenlicht zu er-

kennen. Das Licht der Wahrheit ist überall

und es offenbart sich in jedem Herzen, das in

Gott seine Ruhe findet.

In jedem Teiche spiegelt sich das ganze

Bild der Sonne ab, und doch haben wir nur

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eine einzige Sonne. So spiegelt sich auch im

ruhevollen Gemüte des Yogi die ganze Herr-

lichkeit der geistigen Sonne des Weltalls ab.

Aber die Erlangung dieser ruhigen Selbst-

beherrschung des Gemütes ist nicht das Werk

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eines Tages oder eines Jahres; es können viele

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Reinkarnationen nötig sein, ehe der Lehrling

ein Meister in dieser Kunst wird. Auch ist sie

eines Tages oder eines Jahres; es können viele ReInkarnationen nötig sein, ehe der Lehrling ein Meister in dieser Kunst wird. Auch ist sie kein Werk des Intellekts, weil nur dasjenige, was im Menschen ewig ist, das Ewige empfinden und nur der Geist Gottes in ihm die Tiefen der Gottheit ergründen kann. In jedem Religionssysteme finden wir ein Stück Yoga-Philosophie; das Leben Christi im "neuen Testament" ist eine Darstellung des Yoga, von der· geistigen Wiedergeburt angefangen bis zum mystischen Tode auf Golgatha, wodurch der Mensch seinem sterblichen Selbst entsagt und im göttlichen Dasein seine Auferstehung feiert. In jedem Religionssysteme finden sich Regeln zur Ausübung von Yoga; alle kirchlichen Ceremonien und Symbole haben darauf Bezug; überall finden wir darin Vorschriften über was man thun und was man unterlassen soll, ohne dass aber in der Regel ein rationeller Grund dafür angegeben ist. Nun ist aber der Mensch meistens so beschaffen, dass er, ehe er etwas unternimmt, gerne den Zweck und das "wie" und "warum" wissen möchte. Ohne diesen rationellen Schutz verfällt er leicht dem Aberglauben und vollbringt in blindem Gehorsam unnütze und thörichte Dinge. Das

kein Werk des Intellekts, weil nur dasjenige,

was im Menschen ewig ist, das Ewige empfinden

und nur der Geist Gottes in ihm die Tiefen

der Gottheit ergründen kann.

In jedem Religionssysteme finden wir ein

Stück Yoga-Philosophie; das Leben Christi im

„neuen Testament" ist eine Darstellung des

Yoga, von der geistigen Wiedergeburt an-

gefangen bis zum mystischen Tode auf Gol-

gatha, wodurch der Mensch seinem sterblichen

Selbst entsagt und im göttlichen Dasein seine

Auferstehung feiert. In jedem Religionssysteme

finden sich Regeln zur Ausübung von Yoga;

alle kirchlichen Ceremonien und Symbole haben

darauf Bezug; überall finden wir darin Vorschrif-

ten über was man thun und was man unterlassen

soll, ohne dass aber in der Regel ein ratio-

neller Grund dafür angegeben ist. Nun ist aber

der Mensch meistens so beschaffen, dass er,

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ehe er etwas unternimmt, gerne den Zweck

und das „wie" und „warum" wissen möchte.

Ohne diesen rationellen Schutz verfällt er leicht

dem Aberglauben und vollbringt in blindem

Gehorsam unnütze und thörichte Dinge. Das

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Religionssystem oder die Yoga-Philosophie von

Patanschali unterscheidet sich von allen andern

Systemen dadurch, dass jede der darin ge-

Religionssystem oder die Yoga-Philosophie von Patanschali unterscheidet sich von allen andem Systemen dadurch, dass jede der darin gegebenen Lehren ihre wissenschaftliche Erklärung hat. Sie ist besonders mit Zuhilfenahme von Sankaracharyas "Tattwa Bodha ", in welcher die Elemente und Prinzipien, aus denen die menschliche Natur zusammengesetzt ist, beschrieben sind, leicht zu verstehen. Über Patanschalis Persönlichkeit ist soviel wie nichts geschichtlich bekannt. Die Legende sagt, dass sein Geburtsort Illavrita-Varscha war. Dies ist aber kein irdischer Ort, sondern eine himmlische Wohnung. Es wird behauptet, dass er einer der Weisen war, die von Zeit zu Zeit auf die Erde herabsteigen, um die Menschheit zu belehren, oder ihr vergessene Lehren wieder ins Gedächtnis zurückzurufen. Die erste Bedingung ist die äusserliche und innerliche R ein igu n g, wie es ja auch im Christentum symbolisch durch die Taufe dargestellt ist. In einem schmutzigen Menschen, einem Fresser oder Säufer, dessen Säfte mit in Verwesung begriffenen tierischen Stoffen beladen sind, od er dessen Gehirn mit Alkoholdünsten betäubt ist, in einem nach Anweisung der modernen Medizin "Durchseuchten" oder Vergifteten wird

gebenen Lehren ihre wissenschaftliche Erklärung

hat. Sie ist besonders mit Zuhilfenahme von

Sankaracharyas „Tattwa Bodha", in welcher

die Elemente und Prinzipien, aus denen die

menschliche Natur zusammengesetzt ist, be-

schrieben sind, leicht zu verstehen.

Über Patanschalis Persönlichkeit ist soviel

wie nichts geschichtlich bekannt. Die Legende

sagt, dass sein Geburtsort Illavrita-Varscha war.

Dies ist aber kein irdischer Ort, sondern eine

himmlische Wohnung. Es wird behauptet, dass

er einer der Weisen war, die von Zeit zu Zeit

auf die Erde herabsteigen, um die Menschheit

zu belehren, oder ihr vergessene Lehren wieder

ins Gedächtnis zurückzurufen.

Die erste Bedingung ist die äusserliche und

innerliche Reinigung, wie es ja auch im Christen-

tum symbolisch durch die Taufe dargestellt ist.

In einem schmutzigen Menschen, einem Fresser

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oder Säufer, dessen Säfte mit in Verwesung

begriffenen tierischen Stoffen beladen sind, oder

dessen Gehirn mit Alkoholdünsten betäubt ist,

in einem nach Anweisung der modernen Me-

dizin „Durchseuchten" oder Vergifteten wird

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der heilige Geist schwerlich einen geeigneten

Boden zu seiner Offenbarung finden. Des-

gleichen soll das Gemüt frei von niederen

Begierden, tierischen Leidenschaften, frei von

Hass, Neid, Wollust, Grausamkeit, Eitelkeit,

• Zorn, Habgier u. s. w. sein. Jeder kann durch

die innerliche Reinigung geheiligt werden. Es

kommt nicht darauf an, was ein Mensch ge-

wesen ist, sondern was er gegenwärtig ist;

aber kein Mensch kann für einen andern dessen

Sünden vergeben. Eine solche „Vergebung"

könnte höchstens ein Symbol und eine äusser-

liche Bestätigung sein, dass der Mensch sein

niederes „Ich" gründlich abgelegt und damit

auch dessen Sünden von sich hinweg gethan

hat. Diesen ersten Schritt wollen nur Wenige

machen.

Das nächste ist die Ruhe. Gott in seinem

Innersten ist Ruhe. Wer in sich die wahre

Ruhe findet, der findet Gott. Hierüber sagt

der „christliche Yogi" Michael de Molinos:

„Du sollst wissen, dass deine Seele das Cen-

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trum, die Wohnung und das Reich Gottes ist.

Damit nun der höchste Herrscher auf diesem

Throne deiner Seele ruhen kann, sollst du dir

Mühe geben, denselben ruhig, leer und fried-

voll zu erhalten, rein von Schuld und Mängeln,

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der heilige Geist schwerlich einen geeigneten Boden zu seiner Offenbarung finden. Des· gleichen soll das Gemüt frei von niederen Begierden, tierischen Leidenschaften, frei von Hass, Neid, Wollust, Grausamkeit, Eitelkeit, Zorn, Habgier u. s. w. sein. Jeder kann durch die innerliche Reinigung geheiligt werden. Es kommt nicht darauf an, was ein Mensch ge· wesen ist, sondern was er gegenwärtig ist; aber kein Mensch kann für einen andern dessen Sünden vergeben. Eine solche "Vergebung" könnte höchstens ein Symbol und eine äusserliehe Bestätigung sein, dass der Mensch sein niederes "Ich" gründlich abgelegt und damit auch dessen Sünden von sich hinweg gethan hat. Diesen ersten Schritt wollen nur Wenige machen. Das nächste ist die Ruhe. Gott in seinem Innersten ist Ruhe. Wer in sich die wahre Ruhe findet, der findet Gott. Hierüber sagt der "christliche Yogi" Michael de Molinos : "Du sollst wissen, dass deine Seele das Cen· trum, die Wohnung und das Reich Gottes ist. Damit nun der höchste Herrscher auf diesem Throne deiner Seele ruhen kann, sollst du dir Mühe geben, denselben ruhig, leer und friedvoll zu erhalten, rein von Schuld und Mängeln,

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unbehelligt von Furcht, frei von persönlichen

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Neigungen, Wünschen und Gedanken, fried-

fertig in Versuchungen und Drangsalen" u. s. w.

unbehelligt von Furcht, frei von persönlichen Neigungen, Wünschen und Gedanken, friedfertig in Versuchungen und Drangsalen" u. s. w. Es giebt eine Klasse von Menschen, die sich "Quietisten" nennen und sich einbilden, Nachfolger von MoHnos zu sein; ihre Religion besteht im Nichtsthun, und sie glauben die Besorgung ihrer Angelegenheiten Gott, den sie nicht kennen, überlassen zu müssen. Dies ist das Gegenteil von dem, was MoHnos lehrte. Wer Gott nicht kennt, wird auch von ihm nicht gekannt. Gott besorgt keine fremden Geschäfte. Die Ruhe, welche der Dummheit und Faulheit entspringt und Thätigkeit scheut, ist gänzlich verschieden von der 'Ruhe, die auf Erkenntnis der Wahrheit beruht und die Unruhe beherrscht. Die eine ist die Ruhe des Grabes, die andere die himmlische Ruhe und Seligkeit. Das Dritte ist die Festigkeit. "Einen festen Sitz muss der Yogi haben," d. h. er muss fest sein in Glaube, Liebe, Hoffnung und Geduld, ernst in seinem Wollen und sicher in seinem Entschlusse. Ein Betrunkener, der hin- und herstolpert , heute diesen und morgen jenen Weg versucht, kommt nur langsam ans Ziel. Wer an dem Besitze seiner Kraft zweifelt, der verzichtet auf sie. Der Zweifler verdirbt. Er

Es giebt eine Klasse von Menschen, die sich

„Quietisten" nennen und sich einbilden, Nach-

folger von Molinos zu sein; ihre Religion be-

steht im Nichtsthun, und sie glauben die Be-

sorgung ihrer Angelegenheiten Gott, den sie

nicht kennen, überlassen zu müssen. Dies ist

das Gegenteil von dem, was Molinos lehrte.

Wer Gott nicht kennt, wird auch von ihm nicht

gekannt. Gott besorgt keine fremden Geschäfte.

Die Ruhe, welche der Dummheit und Faulheit

entspringt und Thätigkeit scheut, ist gänzlich

verschieden von der Ruhe, die auf Erkenntnis

der Wahrheit beruht und die Unruhe beherrscht.

Die eine ist die Ruhe des Grabes, die andere

die himmlische Ruhe und Seligkeit.

Das Dritte ist die Festigkeit. „Einen festen

Sitz muss der Yogi haben," d. h. er muss fest

sein in Glaube, Liebe, Hoffnung und Geduld,

ernst in seinem Wollen und sicher in seinem

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Entschlusse. Ein Betrunkener, der hin- und

herstolpert, heute diesen und morgen jenen

Weg versucht, kommt nur langsam ans Ziel.

Wer an dem Besitze seiner Kraft zweifelt, der

verzichtet auf sie. Der Zweifler verdirbt. Er

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muss fest sein in seiner Überzeugung, dass er in

seinem innersten Wesen Eins und unzertrennlich

ist von dem Selbst, welches ewig, ohne Anfang

muss fest sein in seiner Überzeugung, dass er in seinem innersten Wesen Eins und unzertrennlich ist von dem Selbst, welches ewig, ohne Anfang und Ende ist, das nicht geboren wird und nicht stirbt, das von nichts bewegt wird, unsterblich und höher als das Denkbare ist. Kein Mensch braucht, um zur Erkenntnis der Wahrheit zu kommen, seinen Glauben zu wechseln. Wenn er die Wahrheit in dem Religionssysteme, dem er angehört, findet, dann hat er die Erkenntnis der Wahrheit, die wahre Religion und den richtigen Glauben. "Viele sind berufen, aber Wenige auserwählt. " Die Sonne scheint gleichmässig auf alle Teile des Feldes, und alle darauf befindlichen Pflanzen sind berufen zu wachsen; aber nur diejenigen, welche die dazu nötige Kraft aus dem Erdboden aufnehmen, sind die Auserwählten. Gleicherweise sind auch viele Menschen reif zur geistigen Entwicklung, aber nur wer überwindet, ist auserwählt und gewinnt. Hierzu gehört ein starker Wille zur Freiheit und Festigkeit des Charakters, die Unterscheidung zwischen dem was der Entwicklung vorteilhaft und was ihr· nachteilig ist, und das Fernhalten schädlicher Einflüsse. Wenn die Sonne auf einen Acker scheint und der Regen

und Ende ist, das nicht geboren wird und nicht

stirbt, das von nichts bewegt wird, unsterblich

und höher als das Denkbare ist. Kein Mensch

braucht, um zur Erkenntnis der Wahrheit zu

kommen, seinen Glauben zu wechseln. Wenn

er die Wahrheit in dem Religionssysteme, dem

er angehört, findet, dann hat er die Erkenntnis

der Wahrheit, die wahre Religion und den

richtigen Glauben.

„Viele sind berufen, aber Wenige aus-

erwählt." Die Sonne scheint gleichmassig auf

alle Teile des Feldes, und alle darauf befind-

lichen Pflanzen sind berufen zu wachsen; aber

nur diejenigen, welche die dazu nötige Kraft

aus dem Erdboden aufnehmen, sind die Aus-

erwählten. Gleicherweise sind auch viele Men-

schen reif zur geistigen Entwicklung, aber nur

wer überwindet, ist auserwählt und gewinnt.

Hierzu gehört ein starker Wille zur Freiheit

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und Festigkeit des Charakters, die Unterschei-

dung zwischen dem was der Entwicklung vor-

teilhaft und was ihr nachteilig ist, und das

Fernhalten schädlicher Einflüsse. Wenn die

Sonne auf einen Acker scheint und der Regen

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auf ihn niederfällt, so entwickeln sich die darin

enthaltenen Samen, und es entwickeln sich

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sowohl heilsame als auch giftige Pflanzen.

auf ihn niederfällt, so entwickeln sich die darin enthaltenen Samen, und es entwickeln sich sowohl heilsame als auch giftige Pflanzen. Wenn das Geistesleben sich im Menschen zu regen beginnt, so fangen alle in seinem Gemüte enthaltenen Triebe zu wachsen an, die bösen sowohl als die guten. Deshalb sind YogaÜbungen ohne vorhergehende Reinigung gefährlich, und deshalb ist auch ein fester Entschluss und Ausdauer in der Selbstbeherrschung nötig, denn sonst entwickelt sich statt des Ebenbildes Gottes eine Teufelskarrikatur. Nun kommt die innerliche Koncentration oder Sammlung des Geistes, durch welche der Mensch lernt seine Gedanken zu hindern, hierhin und dorthin zu wandern, und die Substanz seines Gemütes beherrscht, so dass sie nicht bald diese, bald jene Form annehmen kann, sondern dem Willen des Geistes gehorchen muss. Wie schwer es ist, auch nur eine Minute an einem einzigen Gedanken festzuhalten, ohne dass sich ein anderer dazwischen drängt, davon kann sich jeder leicht überzeugen, wenn er es versucht. Aber da kommt uns die Liebe zu Hilfe, weil das Gemüt sich gerne bei demjenigen Gegenstande aufhält, den es von Herzen liebt. Ohne die Liebe zum Göttlichen sind alle Yoga-

Wenn das Geistesleben sich im Menschen zu

regen beginnt, so fangen alle in seinem Gemüte

enthaltenen Triebe zu wachsen an, die bösen

sowohl als die guten. Deshalb sind Yoga-

Übungen ohne vorhergehende Reinigung ge-

fährlich, und deshalb ist auch ein fester Ent-

schluss und Ausdauer in der Selbstbeherrschung

nötig, denn sonst entwickelt sich statt des

Ebenbildes Gottes eine Teufelskarrikatur.

Nun kommt die innerliche Koncentration

.

oder Sammlung des Geistes, durch welche der

Mensch lernt seine Gedanken zu hindern, hierhin

und dorthin zu wandern, und die Substanz seines

Gemütes beherrscht, so dass sie nicht bald

diese, bald jene Form annehmen kann, sondern

dem Willen des Geistes gehorchen muss. Wie

schwer es ist, auch nur eine Minute an einem

einzigen Gedanken festzuhalten, ohne dass sich

ein anderer dazwischen drängt, davon kann sich

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jeder leicht überzeugen, wenn er es versucht.

Aber da kommt uns die Liebe zu Hilfe, weil

das Gemüt sich gerne bei demjenigen Gegen-

stande aufhält, den es von Herzen liebt. Ohne

die Liebe zum Göttlichen sind alle Yoga-

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Übungen nutzlos; aber aus dieser Liebe und

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dem Festhalten des Gedankens daran entspringt

die wahre Andacht oder Koncentration. Dies

Übungen nutzlos; aber aus dieser Liebe und dem Festhalten des Gedankens daran entspringt die wahre Andach t oder Koncentration. Dies ist das "Gebet" im wahren Sinne des Wortes, das nichts mit irgendwelchem selbstsüchtigen Wünschen und Begehren zu schaffen hat; es .ist die Aufopferung des Eigenwahnes in Gottes Allgegenwart. Die Yoga-Philosophie giebt uns gewisse Hilfsmittel an die Hand, um diese Koncentration zu erleichtern, wie z. B. ein ruhiges und regelmässiges Atmen, das innerliche Aussprechen der heiligen Sylbe OM, oder gewisser in Worte gefasster Gedanken. Das ganze Vaterunser der Christen ist eine Sammlung von solchen Sätzen, von denen jeder einzelne, wenn sein Sinn geistig erfasst wird, eine Übung darstellt in der Vereinigung des Menschen mit Gott, und wir brauchen nicht übers Meer zu . reisen, um nach dergleichen" Mantrams " zu forschen. Wenn unter dem Einflusse des heiligen Geistes der Selbsterkenntnis sich dasHerz eröffnet gleich der Rose im Sonnenschein, wenn die Kraft der Liebe zum höchsten Ideale die Seele zum Höchsten erhebt, und durch die Offenbarung der Wahrheit im Innern der Verstand erleuchtet wird, dann haben wir die

ist das „Gebet" im wahren Sinne des Wortes,

das nichts mit irgendwelchem selbstsüchtigen

Wünschen und Begehren zu schaffen hat; es

ist die Aufopferung des Eigenwahnes in Gottes

Allgegenwart.

Die Yoga-Philosophie giebt uns gewisse

Hilfsmittel an die Hand, um diese Koncentra-

tion zu erleichtern, wie z. B. ein ruhiges und

regelmassiges Atmen, das innerliche Aus-

sprechen der heiligen Sylbe OM, oder gewisser

in Worte gefasster Gedanken. Das ganze

Vaterunser der Christen ist eine Sammlung von

solchen Sätzen, von denen jeder einzelne, wenn

sein Sinn geistig erfasst wird, eine Übung dar-

stellt in der Vereinigung des Menschen mit

Gott, und wir brauchen nicht übers Meer zu

reisen, um nach dergleichen „Mantrams" zu

forschen. Wenn unter dem Einflusse des hei-

ligen Geistes der Selbsterkenntnis sich das

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Herz eröffnet gleich der Rose im Sonnenschein,

wenn die Kraft der Liebe zum höchsten Ideale

die Seele zum Höchsten erhebt, und durch die

Offenbarung der Wahrheit im Innern der Ver-

stand erleuchtet wird, dann haben wir die

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richtige Yoga-Übung, das richtige Gebet und

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die richtige Religion, die nicht aus Büchern

gelernt werden kann, wenn man sie nicht fühlt,

richtige Yoga - Übung, das richtige Gebet und die richtige Religion, die nicht aus Büchern gelernt werden kann, wenn man sie nicht fühlt, und zu der alle äusserlichen Gebräuche und alle religiösen Lehren und Betrachtungen nichts weiter als Hilfsmittel sind. Dieser Zustand der Seele ist die richtige Me d itat ion oder Beschaulichkeit; aber sie ist noch nicht vollkommen, so lange es noch etwas zum Anschauen oder Betrachten giebt. Solange Subjekt und Objekt noch voneinander verschieden und getrennt sind, ist keine vollkommene Vereinigung vorhanden. Diese tritt erst dann ein, wenn der Erkenner mit dem Erkannten völlig Eins in der Kraft der Erkenntnis geworden ist. In diesem Zustande von Samadhi, den man vielleicht als" Verzückung" bezeichnen könnte, ist das menschliche Bewusstsein und das Gottesbewusstsein Eines; der Mensch als ein von Gott getrennt betrachtetes Wesen ist dann gleichsam nicht mehr da; es existiert nichts anderes mehr als Gott. Eine Seele, die in einen solchen Zustand eingetreten ist, wird als Mahatma (grosse Seele) bezeichnet. Kein Mensch ist in seinem Mahatma-Zustande eine Persönlichkeit mehr, und es ergiebt sich daraus von selbst der Irrtum

und zu der alle äusserlichen Gebräuche und

alle religiösen Lehren und Betrachtungen nichts

weiter als Hilfsmittel sind.

Dieser Zustand der Seele ist die richtige

Meditation oder Beschaulichkeit; aber sie ist

noch nicht vollkommen, so lange es noch

etwas zum Anschauen oder Betrachten giebt.

Solange Subjekt und Objekt noch voneinander

verschieden und getrennt sind, ist keine voll-

kommene Vereinigung vorhanden. Diese tritt

erst dann ein, wenn der Erkenner mit dem

Erkannten völlig Eins in der Kraft der Er-

kenntnis geworden ist. In diesem Zustande

von Samadhi, den man vielleicht als „Ver-

zückung" bezeichnen könnte, ist das mensch-

liche Bewusstsein und das Gottesbewusstsein

Eines; der Mensch als ein von Gott getrennt

betrachtetes Wesen ist dann gleichsam nicht

mehr da; es existiert nichts anderes mehr als

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Gott. Eine Seele, die in einen solchen Zustand

eingetreten ist, wird als Mahatma (grosse

Seele) bezeichnet. Kein Mensch ist in seinem

Mahatma-Zustande eine Persönlichkeit mehr, und

es ergiebt sich daraus von selbst der Irrtum

Lotusblüthen LXXXI. 28

Lotusblüthen LXXXI.

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derjenigen, welche sich unter einem „Mahatma"

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einen persönlichen Menschen vorstellen, von

dem sie persönliche Gunstbezeugungen erhoffen.

derjenigen, welche sich unter einem "Mahatma" einen persönlichen Menschen vorstellen, von dem sie persönliche Gunstbezeugungen erhoffen. Ein solcher ins Licht eingegangener Mensch ist dadurch selber zum Lichte geworden und unterscheidet sich in nichts von dem Lichte, das für jedermann scheint, wenn auch nicht jedermann die nötige Reife, es in sich aufzunehmen, besitzt. Körperlich existiert er als Mensch, geistig ist er in Gott; er kann möglicherweise körperlich ein Krüppel, intellektuell ohne wissenschaftliche Bildung, und dennoch ein vom göttlichen Geiste erleuchteter Weiser und Heiliger sein, weil die Weisheit und Heiligkeit nicht dem Körper und nicht dem Menschenverstande, sondern der über alle diese vergänglichen Dinge erhabenen Seele angehört. Der höchste Zweck des Yoga ist somit nicht die Erlangung okkulter Kräfte für den Gebrauch des persönlichen Menschen und auch nicht die Befriedigung seiner wissenschaftlichen Neugierde; wenn auch alle diese Schätze denjenigen gegeben werden, die das Reich Gottes in ihrem Innern finden, sondern es ist das Erwachen der Menschenseele zum Bewusstsein ihres göttlichen Daseins. Es giebt nichts Höheres als die Wahrheit; wer sie um ihrer

Ein solcher ins Licht eingegangener Mensch

ist dadurch selber zum Lichte geworden und

unterscheidet sich in nichts von dem Lichte,

das für jedermann scheint, wenn auch nicht

jedermann die nötige Reife, es in sich auf-

zunehmen, besitzt. Körperlich existiert er als

Mensch, geistig ist er in Gott; er kann mög-

licherweise körperlich ein Krüppel, intellektuell

ohne wissenschaftliche Bildung, und dennoch

ein vom göttlichen Geiste erleuchteter Weiser

und Heiliger sein, weil die Weisheit und Heilig-

keit nicht dem Körper und nicht dem Menschen-

verstande, sondern der über alle diese vergäng-

lichen Dinge erhabenen Seele angehört.

Der höchste Zweck des Yoga ist somit

nicht die Erlangung okkulter Kräfte für den

Gebrauch des persönlichen Menschen und auch

nicht die Befriedigung seiner wissenschaftlichen

Neugierde; wenn auch alle diese Schätze den-

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jenigen gegeben werden, die das Reich Gottes

in ihrem Innern finden, sondern es ist das Er-

wachen der Menschenseele zum Bewusstsein

ihres göttlichen Daseins. Es giebt nichts

Höheres als die Wahrheit; wer sie um ihrer

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— 403 —

-

selbst willen liebt, der wird mit ihr vereint; aber

wenn der Mensch nur seinen Vorteil dabei

4°3

sucht, und sich die Wahrheit für seine Zwecke

selbst willen liebt, der wird mit ihr vereint; aber wenn der Mensch nur seinen Vorteil dabei sucht, und sich die Wahrheit für seine Zwecke dienstbar machen will, so stellt er seinen Egoismus höher als die Wahrheit und erlangt sie nicht; ja, je mehr er sein eingebildetes "Selbst" erhebt, um so mehr stellt er sich in den Gegensatz zur Wahrheit und fällt dem Grössenwahn, der Thorheit und Narrheit anheim. Wer somit gerne "selbst ein Yogi werden" möchte, der soll darnach tracp.ten, dieses "Selbst" mit seinem Eigendünkel zu verlassen und in jenes Selbst einzugehen, welches das wahre Selbst aller Wesen ist. Wer mit ·einem Auge nach Gott und mit dem andern nach der Erde schaut, der hat nicht den rechten Flug und kommt nicht ans Ziel. Die ganze Menschheit, ja die ganze Welt mit allen ihren Geschöpfen schreitet langsam fort auf dem Wege zur Gotteserkenntnis , die das Ziel alles Daseins ist. Diese Selbst,erkenntnis der Seele ist der Zweck aller Evolution. Es findet dabei ein beständiges Hin- und Herschwanken , ein fortwährendes Auf- und Niedersteigen statt, und es mögen Millionen von Zeitaltern nötig sein, bis die Menschheit ,aus dem Labyrinthe des Irrtums ihren Ausweg

dienstbar machen will, so stellt er seinen

Egoismus höher als die Wahrheit und erlangt

sie nicht; ja, je mehr er sein eingebildetes

„Selbst" erhebt, um so mehr stellt er sich in

den Gegensatz zur Wahrheit und fällt dem

Grössenwahn, der Thorheit und Narrheit an-

heim. Wer somit gerne „selbst ein Yogi

werden" möchte, der soll darnach trachten,

dieses „Selbst" mit seinem Eigendünkel zu ver-

lassen und in jenes Selbst einzugehen, welches

das wahre Selbst aller Wesen ist. Wer mit

einem Auge nach Gott und mit dem andern

nach der Erde schaut, der hat nicht den rechten

Flug und kommt nicht ans Ziel.

Die ganze Menschheit, ja die ganze Welt

mit allen ihren Geschöpfen schreitet langsam

fort auf dem Wege zur Gotteserkenntnis, die

das Ziel alles Daseins ist. Diese Selbst-

erkenntnis der Seele ist der Zweck aller Evolu-

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tion. Es findet dabei ein beständiges Hin- und

Herschwanken, ein fortwährendes Auf- und

Niedersteigen statt, und es mögen Millionen

von Zeitaltern nötig sein, bis die Menschheit

aus dem Labyrinthe des Irrtums ihren Ausweg

28*

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— 4°4 —

-

findet und zur Vollkommenheit gelangt; aber

404

-

es steht jedem frei, sich die Prüfungszeit zu

verkürzen. Das Licht der Wahrheit ist für

findet und zur Vollkommenheit gelangt; aber es steht jedem frei, sich die Prüfungszeit zu verkürzen. Das Licht der Wahrheit ist für alle vorhanden. Jeder kann in seiner Seele den Geist der Erkenntnis einatmen und ihn als Liebe aushauchen. Keine Kirche und keine "theosophische Gesellschaft" kann den heiligen Geist für sich in Beschlag nehmen und ihn ihren Anhängern auslöffeln; Gott lässt sich in keinen Kasten einsperren, um als Schaustück für pie Kirche zu dienen; auch kann keiner den Weg für einen andem gehen, den jeder selbst gehen muss, um ans Ziel zu gelangen. Vielerlei Wege giebt es, um auf den richtigen Weg zu gelangen, und sie sind für jeden verschieden, je nach dem Standpunkte der Entwicklung, auf welchem er steht; wer aber den richtigen Weg einmal gefunden hat, der weiss, dass derselbe nur ein einziger ist. Er findet, dass er selbst dieser Weg ist, und dass die ganze Lehre, deren er bedarf, zusammengefasst ist in den Worten der Bibel, wo es heisst: "Liebe Gott über alles, und deinen Nächsten wie dich selbst. " Wer Gott in allen Geschöpfen liebt, und alle Menschen, denen er auf dem Lebenswege begegnet, mit uneigennütziger Liebe entgegenkommt, der ist auf dem rechten

alle vorhanden. Jeder kann in seiner Seele

den Geist der Erkenntnis einatmen und ihn als

Liebe aushauchen. Keine Kirche und keine

„theosophische Gesellschaft" kann den heiligen

Geist für sich in Beschlag nehmen und ihn

ihren Anhängern auslöffeln; Gott lässt sich in

keinen Kasten einsperren, um als Schaustück

für die Kirche zu dienen; auch kann keiner

den Weg für einen andern gehen, den jeder

selbst gehen muss, um ans Ziel zu gelangen.

Vielerlei Wege giebt es, um auf den richtigen

Weg zu gelangen, und sie sind für jeden ver-

schieden, je nach dem Standpunkte der Ent-

wicklung, auf welchem er steht; wer aber den

richtigen Weg einmal gefunden hat, der weiss,

dass derselbe nur ein einziger ist. Er findet,

dass er selbst dieser Weg ist, und dass die

ganze Lehre, deren er bedarf, zusammengefasst

ist in den Worten der Bibel, wo es heisst:

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„Liebe Gott über alles, und deinen Nächsten

wie dich selbst." Wer Gott in allen Geschöpfen

liebt, und alle Menschen, denen er auf dem

Lebenswege begegnet, mit uneigennütziger

Liebe entgegenkommt, der ist auf dem rechten

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— 40S —

-

Weg und in ihm wird, wenn er zur Reife

4°5

kommt, die Kraft und die Macht und die Herr-

lichkeit Gottes offenbar werden.

Weg und in ihm wird, wenn er zur Reife kommt, die Kraft und die Macht und die Herrlichkeit Gottes offenbar werden. Und nun zum Schluss noch ein paar Worte in Bezug auf die geistigen Führer auf dem Wege zur Vollkommenheit: Jeder Mensch ist dazu bestimmt, am Ende seiner Wiederverkörperungen ein Yogi zu werden und zur Vollkommenheit zu gelangen, und es ist nichts anderes nötig, als die vom Herzen kommende Liebe dazu. Wo die göttliche Liebe im Herzen entflammt ist, da entspringt aus der Flamme das Licht der wahren Erkenntnis. Wer diese Liebe im Herzen trägt, der bedarf keines anderen Führers; der Stern der Weisen leuchtet ihm immerdar. Aber es können Jahrtausende nötig sein, ehe der im Herzen schwach glimmende Funke zur lebendigen Flamme wird. Auch kann er schwerlich durch Bücherlesen und durch intellektuelle Thätigkeit allein erweckt werden. Hierzu gehört der geistige Einfluss einer lebendigen Seele, durch dessen Berührung die Seele des Jüngers gleich der schlummernden Prinzessin im Märchen vom Schlafe erwacht. Ein Stück Holz kann jahrelang dem Sonnenlichte ausgesetzt sein, und fängt deshalb doch nicht zu brennen

Und nun zum Schluss noch ein paar Worte

in Bezug auf die geistigen Führer auf dem

Wege zur Vollkommenheit:

Jeder Mensch ist dazu bestimmt, am Ende

seiner Wiederverkörperungen ein Yogi zu wer-

den und zur Vollkommenheit zu gelangen, und

es ist nichts anderes nötig, als die vom Herzen

kommende Liebe dazu. Wo die göttliche

Liebe im Herzen entflammt ist, da entspringt

aus der Flamme das Licht der wahren Er-

kenntnis. Wer diese Liebe im Herzen trägt,

der bedarf keines anderen Führers; der Stern

der Weisen leuchtet ihm immerdar. Aber es

können Jahrtausende nötig sein, ehe der im

Herzen schwach glimmende Funke zur leben-

digen Flamme wird. Auch kann er schwerlich

durch Bücherlesen und durch intellektuelle

Thätigkeit allein erweckt werden. Hierzu ge-

hört der geistige Einfluss einer lebendigen Seele,

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durch dessen Berührung die Seele des Jüngers

gleich der schlummernden Prinzessin im Mär-

chen vom Schlafe erwacht. Ein Stück Holz

kann jahrelang dem Sonnenlichte ausgesetzt

sein, und fängt deshalb doch nicht zu brennen

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— 406 —

an; aber mit Hilfe eines Brennglases lässt es

sich entzünden, wenn es trocken ist; nur muss

das Glas ein Brennglas und nicht ein gewöhn-

an; aber mit Hilfe eines Brennglases lässt es sich entzünden, wenn es trocken ist; nur muss das Glas ein Brennglas und nicht ein gewöhnliches Stück Fensterglas sein. Ein Meister, sei er nun auf Erden verkörpert oder mit einem mehr ätherischen Leibe bekleidet, ist, wenn er den Geist der göttlichen Selbsterkenntnis besitzt, ein solches "Brennglas", durch welche die Seele des Schülers, der fähig ist diesen Einfluss zu empfangen, zum geistigen Leben erweckt werden kann. Wo ist ein solcher Meister zu finden? Er steht immer bereit. Wer zu dieser Führung reif geworden ist, der findet ihn, und es ist jeder reif, der die dazu nötige Einsicht hat, und ohne eigennützigen Beweggrund die Wahrheit liebt. Wer dem Erlöser sein Herz eröffnet, bei dem kehrt er ein; denn es ist ein okkultes Gesetz in der Natur, welches besagt: "Wie es oben ist, so ist es unten, und es giebt nichts auf Erden, das so gering ist, dass sich ihm nicht, wenn es sich regt, das ihm entsprechende Höhere im Himmel entgegenregt. " Der Grund davon, wie überhaupt der Gt!lnd alles Daseins ist die Kraft der Liebe; denn Gleiches wird von Gleichem geliebt und die Liebe zum Höchsten führt alle zusammen.

liches Stück Fensterglas sein. Ein Meister, sei

er nun auf Erden verkörpert oder mit einem

mehr ätherischen Leibe bekleidet, ist, wenn er

den Geist der göttlichen Selbsterkenntnis be-

sitzt, ein solches „Brennglas", durch welche

die Seele des Schülers, der fähig ist diesen

Einfluss zu empfangen, zum geistigen Leben

erweckt werden kann.

Wo ist ein solcher Meister zu finden? Er

steht immer bereit. Wer zu dieser Führung

reif geworden ist, der findet ihn, und es ist

jeder reif, der die dazu nötige Einsicht hat,

und ohne eigennützigen Beweggrund die Wahr-

heit liebt. Wer dem Erlöser sein Herz eröffnet,

bei dem kehrt er ein; denn es ist ein okkultes

Gesetz in der Natur, welches besagt: „Wie es

oben ist, so ist es unten, und es giebt nichts

auf Erden, das so gering ist, dass sich ihm

nicht, wenn es sich regt, das ihm entsprechende

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Höhere im Himmel entgegenregt." Der Grund

davon, wie überhaupt der Grund alles Daseins

ist die Kraft der Liebe; denn Gleiches wird

von Gleichem geliebt und die Liebe zum

Höchsten führt alle zusammen.

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...

Die Bhagavad Gita

oder

...

..

Das Hohe Lied.

(Fortsetzung.)

XV.

Puruschottamapraptiyöga.

DAS BUCH DER RELIGION DURCH DIE

ERLANGUNG DES HÖCHSTEN.

Krischna.

1 Man sagt, dass Aswattha, der Feigenbaum,

Der seine Wurzeln hoch im Himmel hat

Und dessen Zweige sich zur Erde senken,

Die Bhagavad Gita

Geheiligt sei. — Wer ihn kennt, kennt das All.

2 Aufwärts und abwärts streben seine Blätter;

Und durch die Eigenschaften der Natur

oder

Genährt, entspringen seine Wurzeln stets

Aufs neu den Werken, die der Mensch vollbringt.

Das Hohe Lied.

3 Auf dieser Erde wird der Baum des Lebens,

Sein Ursprung und sein Ende nicht erkannt;

(Fortsetzung.)

Wer aber mit dem Schwerte der Entsagung

Von seinem Herzen diese Wurzeln trennt,

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XV.

Puruschottamapraptiyoga. DAS BUCH DER RELIGION DURCH DIE ERLANGUNG DES HÖCHSTEN.

Krischna. I Man sagt, dass Aswattha, der Feigenbaum, Der seine Wurzeln hoch im Himmel hat Und dessen Zweige sich zur Erde senken, Geheiligt sei. - Wer ihn kennt, kennt das All. 2 Aufwärts und abwärts streben seine Blätter; Und durch die Eigenschaften der Natur Genährt, entspringen seine Wurzeln stets Aufs neu den Werken, die der Mensch vollbringt. 3 Auf dieser Erde wird der Baum des Lebens, Sein Ursprung und sein Ende nicht erkannt; Wer aber mit dem Schwerte der Entsagung Von seinem Herzen diese Wurzeln trennt,

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— 408 —

-

4 Der geht zum Höchsten ein, in jene Wohnung',

408

Von der, wer sie erreicht hat, nimmermehr

Der geht zum Höchsten ein, in jene Wohnung, Von der, wer sie erreicht hat, nimmermehr Zurück sich sehnt; zur Quelle aller Wahrheit, Aus der der Strom des Lebens ewig fliesst. 5 Wer frei von Eitelkeit und Selbstwahn ist, Den Hang zum Bösen mutig überwindet Und sich von ganzem Herzen Gott ergiebt, Der geht in Gottes höchste Wohnung ein. 6 Dort leuchtet eine andre Sonne, dort Erhellt ein andrer Mond den Himmel, dort Erscheint ein andres Licht, und wem es leuchtet, Der ist von Irrtum und von Sünde frei. 7 Wenn in der offenbaren Welt ein Strahl Von meinem Geist in eine Form sich kleidet, So zieht er aus dem Reiche der Natur Das Sinnesleben ·und die Denkkraft an. 8 So wird die Seele mit dem Fleisch verbunden, Und wenn sie es verlässt, so sammelt sie Den Duft des Irdischen, so wie der Wind Der Blumen Wohlgerüche .mit sich führt. 9 Verbunden mit dem Aug' und Ohr, Geruch, Geschmack, Gefuhl und Denken wird die Seele Dem Fleische unterthan und unterwirft Sich gern der Herrschaft dieser Sinneswelt. 10 Die Unverständigen erkennen nicht Den Geist, der kommt und geht und der, verbunden Mit den drei Eigenschaften der Natur,

Zurück sich sehnt; zur Quelle aller Wahrheit,

4

Aus der der Strom des Lebens ewig fliesst.

5 Wer frei von Eitelkeit und Selbstwahn ist,

Den Hang zum Bösen mutig überwindet

Und sich von ganzem Herzen Gott ergiebt,

Der geht in Gottes höchste Wohnung ein.

6 Dort leuchtet eine andre Sonne, dort

Erhellt ein andrer Mond den Himmel, dort

Erscheint ein andres Licht, und wem es leuchtet,

Der ist von Irrtum und von Sünde frei.

7 Wenn in der offenbaren Welt ein Strahl

Von meinem Geist in eine Form sich kleidet,

So zieht er aus dem Reiche der Natur

Das Sinnesleben und die Denkkraft an.

8 So wird die Seele mit dem Fleisch verbunden,

Und wenn sie es verlässt, so sammelt sie

Den Duft des Irdischen, so wie der Wind

Der Blumen Wohlgerüche mit sich führt.

9 Verbunden mit dem Aug' und Ohr, Geruch,

Geschmack, Gefühl und Denken wird die Seele

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Dem Fleische unterthan und unterwirft

Sich gern der Herrschaft dieser Sinneswelt,

io Die Unverständigen erkennen nicht

Den Geist, der kommt und geht und der, verbunden

Mit den drei Eigenschaften der Natur,

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— 409 —

40<)

Verkörpert auftritt. Die Erleuchteten

-

11 Erkennen ihn in ihrem eignen Herzen,

In seinem Selbst; allein der eitle Thor,

Vom Eigenwahn verblendet, sieht ihn nicht,

Selbst wenn er eifrig ihn zu schau'n sich müht.

12 Von mir ist all die gold'ne Herrlichkeit,

Die in der Sonne scheint, das Silberlicht,

Das von dem Monde strahlet, und von mir

Der Glanz des Feuers, der die Welt erhellt.

13 Eindringend in den Boden, geb' ich Kraft

Und Feuer allem, was die Mutter Erde

Gebiert; ich bin es, der den Nahrungssaft

Verkörpert auftritt. Die Erleuchteten 11 Erkennen ihn in ihrem eignen Herzen, In seinem Selbst; allein der eitle Thor, Vom Eigenwahn verblendet, sieht ihn nicht, Selbst wenn er eifrig ihn zu schau'n sich müht.

Durch Wurzeln, Zweige, Stamm und Blüte treibt.

14 Als Lebenswärme werd' ich offenbar

In Wesen, welche atmen. Zweifach ist

Mein Atem, innerlich und äusserlich,

Geistig und tierisch. So ernähr' ich alles.

15 Zweifach ist alles Dasein in der Welt:

Das ungeteilte Eine und das Andere,

Das teilbar ist. Was lebt ist teilbar,

Das Ungeteilte ist das herrschende

Prinzip.

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16 Doch über allem ist der Geist,

Dess' Geisteskraft die ganze Welt durchdringt,

Der sie erfüllet und erhält, der Herr,

Der Ewige, der niemals untergeht.

Von mir ist all die gold'ne Herrlichkeit, Die in der Sonne scheint, das Silberlicht, Das von dem Monde strahlet, und von mir Der Glanz des Feuers, der die Welt erhellt. 13 Eindringend in den Boden, geb' ich Kraft Und Feuer allem, was die Mutter Erde Gebiert; ich bin es, der den Nahrungssaft Durch Wurzeln, Zweige, Stamm und Blüte treibt. 14 Als Lebenswärme werd' ich offenbar In Wesen, welche atmen. Zweifach ist Mein Atem, innerlich und äusserlich, Geistig und tiex:isch. So ernähr' ich alles. 15 Zweifach ist alles Dasein in der Welt: Das ungeteilte Eine und das Andere, Das teilbar ist. Was lebt ist teilbar, Das Ungeteilte ist das herrschende Prinzip. 16 Doch über allem ist der Geist, Dess' Geisteskraft die ganze Welt durchdringt, Der sie erfüllet und erhält, der Herr, Der Ewige, der niemals untergeht.

12

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— 410 —

-

17 Weil ich erhabener, als das Geteilte,

4 10

Und höher als das Ungeteilte bin,

So nennt man mich mit Recht den höchsten Gott,

Weil ich erhabener, als das Geteilte, Und höher als das Ungeteilte bin, So nennt man mich mit Recht den höchsten Gott, Den Puruschottama. J8 Und wer mich so Vom Irrtum frei in seinem Herzen kennt, Und sich zu mir mit allen seinen Kräften Von ganzer Seele wendet, kommt zu mir. J9 Dies ist das heilige Geheimnis, das Ich dir enthülle, weil du sündlos bist. Wer es begreift, hat Weisheit und nichts mehr Mit dieser Welt zu schaffen; er ist frei.

J7

Den Puruschottama.

18 Und wer mich so

Vom Irrtum frei in seinem Herzen kennt,

Und sich zu mir mit allen seinen Kräften

Von ganzer Seele wendet, kommt zu mir.

19 Dies ist das heilige Geheimnis, das

Ich dir enthülle, weil du sündlos bist.

Wer es begreift, hat Weisheit und nichts mehr

Mit dieser Welt zu schaffen; er ist frei.

XVI.

Daivasarasaupadwibhägayög.

DAS BUCH VON DER GETRENNTHEIT DES

GÖTTLICHEN VON DEM UNGÖTTLICHEN.

Krischna.

1 Furchtlosigkeit und Herzensreinheit, Wille

Zum Streben nach der Freiheit, Liebesfülle

Für alles was da lebt, Ausdauer, Opfermut,

Zurückgezogenheit und Selbstbeherrschung,

2 Entsagung, Unschuld, Wahrheitsliebe, Güte,

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Freigebigkeit, Barmherzigkeit, Geduld,

Bescheidenheit und Gleichmut, inn're Ruhe,

Beständigkeit, ein freudiges Gemüt,

XVI.

Daivasarasaupadwibhägayog. DAS BUCH VON DER GETRENNTHEIT DES GÖTILICHEN VON DEM UNGÖTILICHEN.

Krischna. I Furchtlosigkeit und Herzensreinheit, Wille Zum Streben nach der Freiheit, Liebesfülle Für alles was da lebt, Ausdauer, Opfermut, Zurückgezogenheit und Selbstbeherrschung, 2 Entsagung, Unschuld, Wahrheitsliebe, Güte, Freigebigkeit, Barmherzigkeit, Geduld, Bescheidenheit und Gleichmut, inn're Ruhe, Beständigkeit, ein freudiges Gemüt,

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— 4ii —

-

3 Zornlosigkeit und Milde, Keuschheit, Stärke,

4 11

Verstandesklarheit und ein ruhig Herz;

Das sind die Eigenschaften aller Wesen,

Die himmlischer Geburt entgegengehen.

3 Zornlosigkeit

und Milde, Keuschheit, Stärke, Verstandesklarheit und ein ruhig Herz; Das sind die Eigenschaften aller Wesen, Die himmlischer Geburt entgegengehen.

4 Zorn, Neid und Rohheit, Selbstvergötterung,

Dummheit und Eitelkeit und Heuchelei;

Dies sind die Zeichen der Unseligen,

Auf die das Schicksal der Asuras1) wartet.

5 Die himmlische Geburt bringt Seligkeit;

Die andre führt zur Knechtschaft und zum Leid.

Doch trau're deshalb nicht, o teurer Prinz!

Dir steht als Mensch der Weg zum Höchsten frei.

6In jedem Menschen wohnen zwei Naturen;

Die göttliche und auch die tierische.

Die eine hab' ich dir bereits erklärt;

Vernimm nun die Beschaffenheit der zweiten:

7 Den Wesen, welche den Asuren gleichen

Ist nicht ihr Ursprung noch ihr Ziel bekannt.

Schlafwandlern gleichend leben sie, man findet

In ihnen weder Rechtthun noch Verstand.

8 Sie sagen: „Diese Welt hat kein Gesetz

Der Ordnung, keine Wahrheit, keinen Herrn;

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Sie ist aus blindem Ungefähr entstanden;

Des Daseins Zweck ist sinnlicher Genuss."

') Asuras, „Nichtgotter", d.h. Dämonen und Tiere.

4 Zorn,

Neid und Rohheit, Selbstvergötterung, Dummheit und Eitelkeit und Heuchelei; Dies sind die Zeichen der Unseligen, Auf die das Schicksal der Asuras 1) wartet. 5 Die himmlische Geburt bringt Seligkeit; Die andre führt zur Knechtschaft und zum Leid. Doch trau're deshalb nicht, 0 teurer Prinz! Dir steht als Mensch der Weg zum Höchsten frei.

6 In

jedem Menschen wohnen zwei Naturen; Die göttliche und auch die tierische. Die eine hab' ich dir bereits erklärt; Vemimm nun die Beschaffenheit der zweiten: 7 Den Wesen, welche den Asuren gleichen Ist nicht ihr ltJrsprung noch ihr Ziel bekannt. Schlafwandlern gleichend leben sie, man findet In ihnen" weder Rechtthun noch Verstand. 8 Sie sagen: "Diese Welt hat kein Gesetz Der Ordnung, keine Wahrheit, keinen Herrn; Sie ist aus blindem Ungefahr entstanden; Des Daseins Zweck ist sinnlicher Genuss." 1) Asuras, "Nichtgötter", d. h. Dämonen und Tiere.

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— 412 —

412

9 Und diesem Irrtum folgend, handeln sie;

Denn unrein ist ihr Herz und das Gemüt

Verdunkelt, der Verstand verwirrt. So sind

Und diesem Irrtum folgend, handeln sie; Denn unrein ist ihr Herz und das Gemüt Verdunkelt, der Verstand verwirrt. So sind Sie, die Verlorenen, der Fluch der Welt. 10 Sie geben unersättlichen Gelüsten Sich hin und sind voll Zorn und Eitelkeit; Vom Schein geblendet lieben sie die Täuschung Und ihre Lebensweise ist verkehrt. 1 1 Die Lüge halten sie für wahr und lieben Den Irrtum, der zum Tode führt; sie kennen Die Wahrheit nicht und opfern am Altare Des Götzen ihres wahngebor'nen Selbsts. 12 Von vielerlei Verlockungen umstrickt, Der Wollust, Thorheit und dem Zorn ergeben, Ist ihr Bestreben, Reichtum anzuhäufen, Um ihre Lüste zu befriedigen. 13 Sie sprechen: "Dieses hab' ich heut' erreicht, Und jenes hoff' ich morgen zu gewinnen Der eine Wunsch ward heute- mir erfüllt, Den andern hoff' ich morgen zu erlangen. 14 Schon hab' ich heute diesen Feind bezwungen, Und jenen hoff' ich morgen zu vernichten. Ich bin ein Herr der Erde, ich bin stark Und mächtig; ja! mein Wille ist Gesetz. 15 Wir sind die Reichen und Hochwohlgebor'nen; Wer lebt so flott und elegant wie wir? Was uns belustigt, das geniessen wir." 9

Sie, die Verlorenen, der Fluch der Welt.

ioSie geben unersättlichen Gelüsten

Sich hin und sind voll Zorn und Eitelkeit;

Vom Schein geblendet lieben sie die Täuschung

Und ihre Lebensweise ist verkehrt.

11 Die Lüge halten sie für wahr und lieben

Den Irrtum, der zum Tode führt; sie kennen

Die Wahrheit nicht und opfern am Altare

Des Götzen ihres wahngebor'nen Selbsts.

12 Von vielerlei Verlockungen umstrickt,

Der Wollust, Thorheit und dem Zorn ergeben,

Ist ihr Bestreben, Reichtum anzuhäufen,

Um ihre Lüste zu befriedigen.

13 Sie sprechen: „Dieses hab' ich heut' erreicht,

Und jenes hoff' ich morgen zu gewinnen

Der eine Wunsch ward heute-mir erfüllt,

Den andern hoff' ich morgen zu erlangen.

14 Schon hab' ich heute diesen Feind bezwungen,

Und jenen hoff' ich morgen zu vernichten.

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Ich bin ein Herr der Erde, ich bin stark

Und mächtig; ja! mein Wille ist Gesetz.

15 Wir sind die Reichen und Hochwohlgebor'nen;

Wer lebt so flott und elegant wie wir?

Was uns belustigt, das geniessen wir."

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— 413 —

So sprechen diese Wesen wahnbethört.

iöVom Wirbelsturm der Leidenschaften stets

Im Kreis getrieben, und vom Netz des Irrtums

Umfangen, streben sie hinab und sinken

Hinunter in den eklen Höllenschlund.

17 Hochmütig, trotzig und besitzestrunken

Sind diese Wesen; ihre frommen Werke

Sind Heuchelei; sie opfern nur zum Scheine,

Und wertlos sind die Gaben, die sie bringen.

18 Der Selbstsucht und der Eitelkeit ergeben,

Starrsinnig und voll Hochmut, hassen sie,

Die Läst'rer, mich in ihren eignen Formen

Und in den Formen derer, die sie zeugen.

19 Verhasst und hassend, grausam, herzlos, schlecht,

So steh'n sie als der Menschheit Abschaum da;

Sie die Unheiligen, Verlorenen

Verstoss' ich in die Leiber der Dämonen.

20 Und vom Dämonenschoss geboren, gehn

Als Thoren von Geburt sie zu Geburt;

So wandeln sie fortan den tiefsten Weg,

Bis sie zuletzt zu mir sich wieder wenden.

21 Der Hölle Thor ist dreifach; dreifach ist

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Der Weg, der zu ihm führt: Die Wollust, Zorn

Und Geiz. Vermeide sie! Wer sie vermeidet,

Der geht den rechten Weg und findet Frieden.

(Fortsetzung folgt.)

So sprechen diese Wesen wahnbethört. 16 Vom Wirbelsturm der Leidenschaften stets Im Kreis getrieben, und vom Netz des Irrtums Umfangen, streben sie hinab und si~en Hinunter in den eklen Höllenschlund. 17 Hochmütig, trotzig und besitzestrunken Sind diese Wesen; ihre frommen Werke Sind Heuchelei; sie opfern nur zum Scheine, Und wertlos sind die Gaben, die sie bringen. 18 Der Selbstsucht und der Eitelkeit ergeben, Starrsinnig und voll Hochmut, hassen sie, Die Läst'rer, mich in ihren eignen Formen Und in den Formen derer, die sie zeugen. 19 Verhasst und hassend, grausam, herzlos, schlecht, So steh'n sie als der Menschheit Abschaum da; Sie die Unheiligen, Verlorenen Verstoss' ich in die Leiber der Dämonen. 20 Und vom Dämonenschoss geboren, gehn Als Thoren von Geburt sie zu Geburt; So wandeln sie fortan den tiefsten Weg, Bis sie zuletzt zu mir sich wieder wenden. 2 I Der Hölle Thor ist dreifach; dreifach ist Der Weg, der zu ihm führt: Die Wollust, Zorn Und Geiz. Vermeide sie! Wer sie vermeidet, Der geht den rechten Weg und findet Frieden. (Fortsetzung folgt.)

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Manuskripte für Freimaurer.

Von Kerning.

(Fortsetzung.)

Gespräche.

II.

B. Sie haben mich so liebevoll und deut-

lich belehrt, dass ich schon glaubte, am Ziele

zu sein; aber je mehr ich nachdachte, desto

mehr verlor sich die Klarheit, mit welcher Sie

mir die Sache darstellten. Ich suche ein un-

sichtbares Reich und komme immer wieder auf

die Religion. Aber statt dass ich wie früher

nur mit mir selbst in Verwirrung stehe, geht

es nun weiter; denn nach Ihrer Erklärung giebt

Manuskripte für Freimaurer.

es zweierlei Arten von Religion; eine einzelne

und eine allgemeine. Geben Sie mir noch

einen Leitfaden, an dem ich mich fester halten

kann, als an dem Gesagten.

Von

M. Sie möchten gerne mit den Händen

Keming.

fassen, ohne jedoch den Mut zu haben, in

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(Fortsetzung.)

Gespräche. II.

B. Sie haben mich so liebevoll und deutlich belehrt, dass ich schon glaubte, am Ziele zu sein; aber je mehr ich nachdachte, desto mehr verlor sich die Klarheit, mit welcher Sie mir die Sache darstellten. Ich suche ein unsichtbares Reich und komme immer wieder auf die Religion. Aber statt dass ich wie früher nur mit mir selbst in Verwirrung stehe, geht es nun weiter; denn nach Ihrer Erklärung giebt es zweierlei Arten von Religion; eine einzelne und ·eine allgemeine. Geben Sie mir noch einen Leitfaden, an dem ich mich fester halten kann, als an dem Gesagten. M. Sie möchten gerne mit den I-Iänden fassen, ohne jedoch den Mut zu haben, in

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— 415 -

der Nähe zu greifen. Nennen Sie die allgemeine

Religion „Erkenntnis Gottes" (Theosophie), und

die einzelne Religion (Yoga) ein Mittel, um

der Nähe zu greifen. Nennen Sie die allgemeine Religion "Erkenntnis Gottes" (Theosophie), und die einzelne Religion (Yoga) ein Mittel, um diese Erkenntnis zu suchen, dann werden Sie sich nicht mehr verwirren. B. Aber welche Religion ist das allgemeine Mittel, ~iese Erkenntnis zu erlangen? M. Giebt es denn irgendwo zur Erreichung eines Zweckes ein allgemeines Mittel? In welches Land Sie kommen, sehen Sie das Land auf andere Art und sogar mit anderen Werkzeugen bebaut; die Früchte aber, welche erzielt werden, sind dieselben. In Frankreich nennt man die Noten anders als in Deutschland; wenn aber die Musik gelernt ist, so wird musiziert und die Lehre gar nicht mehr in Betracht gezogen. Die Musikkenntnis ist das Allgemeine, die Lehre aber einzeln. B. Aber bei der Musik kann ich, wenn ich bei dem einen Lehrer nichts lerne, zu einem andern gehen. M. Sie haben es ausgesprochen; ich füge nichts weiter hinzu. Die (wahre) Kirche steht unentweiht vor uns, meine Brüder; durch keine Lehrbegriffe verfcilscht, nur die Erkenntnis des Geistes suchend, was das Ziel alles Strebens sein muss.

diese Erkenntnis zu suchen, dann werden Sie

sich nicht mehr verwirren.

B. Aber welche Religion ist das allgemeine

Mittel, diese Erkenntnis zu erlangen?

M. Giebt es denn irgendwo zur Erreichung

eines Zweckes ein allgemeines Mittel? In wel-

ches Land Sie kommen, sehen Sie das Land

auf andere Art und sogar mit anderen Werk-

zeugen bebaut; die Früchte aber, welche erzielt

werden, sind dieselben. In Frankreich nennt

man die Noten anders als in Deutschland; wenn

aber die Musik gelernt ist, so wird musiziert

und die Lehre gar nicht mehr in Betracht ge-

zogen. Die Musikkenntnis ist das Allgemeine,

die Lehre aber einzeln.

B. Aber bei der Musik kann ich, wenn ich

bei dem einen Lehrer nichts lerne, zu einem

andern gehen.

M. Sie haben es ausgesprochen; ich füge

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nichts weiter hinzu.

Die (wahre) Kirche steht unentweiht vor

uns, meine Brüder; durch keine Lehrbegriffe

verfälscht, nur die Erkenntnis des Geistes

suchend, was das Ziel alles Strebens sein muss.

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Ich weise sie nochmals an ihre Säule, deren

-

Inschrift der Schlüssel zum Eingange ist. Be-

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trachten Sie oft diese Inschrift ohne alle Deu-

tung und Auslegung. Sagen Sie niemals „Das

Ich weise sie nochmals an ihre Säule, deren Inschrift der Schlüssel zum Eingange ist. Betrachten Sie oft diese Inschrift ohne alle Deutung und Auslegung. Sagen Sie niemals "Das stellt sie vor" oder "Das bedeutet sie". Sie stellt nichts vor; sie ist. Wenn Sie diese Wesenheit in ihrer ganzen Einfachheit gefunden haben, dann werden Sie aufgeklärt sein über alle Ihre Zweifel; früher aber nicht.

stellt sie vor" oder „Das bedeutet sie". Sie

stellt nichts vor; sie ist. Wenn Sie diese

Wesenheit in ihrer ganzen Einfachheit gefunden

haben, dann werden Sie aufgeklärt sein über

alle Ihre Zweifel; früher aber nicht.

m.

„Wenige sind es, die den Weg finden! —

WTarum? — Weil sie ihn nicht suchen." So

sprach ein Weiser zu einem Fremden, welcher

ihn über die Erkenntnis der Gottheit zu Rede

stellte.

„Alle Welt sucht darüber ins Klare zu

kommen," gab jener zur Antwort. „An allen

Orten, auf allen Schulen ist diese Erkenntnis

ja immer das Ziel, nach welchem alle Wissen-

schaften streben. Aber die menschliche Natur

ist gebunden; sie kann nicht über ihre Sphäre

hinaus, und wo unsere Vorstellungen aufhören,

da hört auch die Erkenntnis auf."

In.

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W. Du hast Recht. Wo die Vorstellungen

aufhören, da hört auch die (intellektuelle) Er-

kenntnis auf. Wo ist aber die Grenze der

"Wenige sind es, die den Weg finden! Warum? - Weil sie ihn nicht suchen." So sprach ein Weiser zu einem Fremden, welcher ihn über die Erkenntnis der Gottheit zu Rede stellte. "Alle Welt sucht darüber ins Klare zu kommen," gab jener zur Antwort. "An allen Orten, auf allen Schulen ist diese Erkenntnis ja immer das Ziel, nach welchem alle Wissenschaften streben. Aber die menschliche Natur ist gebunden; sie kann nicht über ihre Sphäre hinaus, und wo unsere Vorstellungen aufhören, da hört auch die Erkenntnis auf." W. Du hast Recht. Wo die Vorstellungen aufhören, da hört auch die (intellektuelle) Erkenntnis auf. Wo ist aber die Grenze der

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— 417 —

Vorstellungen? Welche Schule hat ihr Feld

gemessen? Der Glaube des gewöhnlichen

Menschen erhebt sich in Regionen, wovon die

Gelehrsamkeit nichts weiss. Der Geist der

Weisheit giebt Vorstellungen, die über der

Anschauung stehen und dennoch die klarste

Wahrheit sind.

Fr. Eine solche Wahrheit möchte ich doch

kennen lernen, um zu sehen, ob sie die Probe

der Vernunft aushält.

W. Gut, so höre: Keiner kann in das Ely-

sium kommen, wenn er nicht über den Styx

fährt, und dem Schiffer Charon die Überfahrt

bezahlt. Keiner kann im Elysium selbst zur

Ruhe kommen, wenn er nicht aus dem Lethe

Vergessenheit trinkt.

Fr. Ich sehe, wo das hinaus will. Du willst

durch die Autorität religiöser Begriffe mich

zurückschrecken; doch der Vernünftige, weiss

zu gut, was er davon halten soll. Man muss

dem Volke etwas geben, um seine rohe Sinn-

lichkeit zu zügeln.

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W. Und wer hat es gegeben?

Fr. Die Vernünftigen des Volkes.

W. Wer hat es diesen gegeben?

Fr. Das Bedürfnis des Volkes, die Klugheit,

und manchmal sogar persönlicher Eigennutz.

Lotusblüthen LXXXI. 29

Vorstellungen? Welche Schule hat ihr Feld gemessen? Der Glaube des gewöhnlichen Menschen erhebt sich in Regionen, wovon die Gelehrsamkeit nichts weiss. Der Geist der Weisheit giebt Vorstellungen, die über der Anschauung stehen und dennoch die klarste Wahrheit sind. Fr. Eine solche Wahrheit möchte ich doch kennen lernen, um zu sehen, ob sie die Probe der Vernunft aushält. W. Gut, so höre: Keiner kann in das Elysium kommen, wenn er nicht über den Styx fahrt, -und dem Schiffer Cbaron die Überfahrt bezahlt. Keiner kann im Elysium selbst zur Ruhe kommen, wenn er nicht aus dem Lethe Vergessenheit trinkt. Fr. Ich sehe, wo das hinaus will. Du willst durch die Autorität religiöser Begriffe mich zurückschrecken; doch der Vernünftige. weiss zu gut, was er davon halten soll. Man muss dem Volke etwas geben, um seine rohe. Sinnlichkeit zu zügeln. W. Und wer hat es gegeben? Fr. Die Vernünftigen des Volkes. W. Wer hat es diesen gegeben? Fr. Das Bedürfnis des Volkes, die Klugheit, und manchmal sogar persönlicher Eigennutz. Lotusblüthou LXXXI.

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-

W. Damit ist der Menschheit der Stab

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-

gebrochen! Alles Göttliche wird aus ihr ver-

bannt; der Mensch ist nichts als ein redendes

W. Damit ist der Menschheit der Stab gebrochen I Alles Göttliche wird aus ihr verbannt; der Mensch ist nichts als ein redendes Tier, und Ewigkeit eine Zusammenfügung von Worten, die Zufall oder Witz in ihre Stellung gebracht hat. Geh' mein Freund! Verdirb deine Zeit nicht; deine Augenblicke sind gezählt. Gehe, reise, geniesse. Sieh' und höre; übergehe nichts, das deine Sinne reizen kann. Grosse Schauspiele der Natur sind für dich Mittel zu neuer Empfanglichkeit; Gesellschaft und Tafelfreuden Erquickung. Nimm die Künste zu Hilfe, damit du am Schlusse deines eingebildeten und selbstgemachten Geisteslebens ausmfen kannst: Ich habe nicht umsonst gelebt. Ich habe geschwelgt und genossen, und der einzige Schmerz ist, dass ich schon jetzt von der Tafel aufstehen muss. Fr. Du wirst ungehalten! Ziemt sich das fur einen Weisen? W. Ich werde nicht ungehalten; ich bedauere dich. Fr. Warum? W. Weil du den Staub zum Höchsten erheben willst. Doch siehe da! Eine Wespe schwirrt um dich herum. Nimm dich in Acht; sonst kannst du heute an kein Vergnügen

Tier, und Ewigkeit eine Zusammenfügung von

Worten, die Zufall oder Witz in ihre Stel-

lung gebracht hat. Geh' mein Freund! Ver-

dirb deine Zeit nicht; deine Augenblicke sind

gezählt. Gehe, reise, geniesse. Sieh' und höre;

übergehe nichts, das deine Sinne reizen kann.

Grosse Schauspiele der Natur sind für dich

Mittel zu neuer Empfänglichkeit; Gesellschaft

und Tafelfreuden Erquickung. Nimm die Künste

zu Hilfe, damit du am Schlusse deines ein-

gebildeten und selbstgemachten Geisteslebens

ausrufen kannst: Ich habe nicht umsonst gelebt.

Ich habe geschwelgt und genossen, und der

einzige Schmerz ist, dass ich schon jetzt von

der Tafel aufstehen muss.

Fr. Du wirst ungehalten! Ziemt sich das

für einen Weisen?

W. Ich werde nicht ungehalten; ich be-

dauere dich.

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Fr. Warum?

W. Weil du den Staub zum Höchsten er-

heben willst. Doch siehe da! Eine Wespe

schwirrt um dich herum. Nimm dich in Acht;

sonst kannst du heute an kein Vergnügen

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mehr denken; denn das Gift dieser Insekten

-

ist schmerzhaft.

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Fr. Dass man dieses Geschmeiss nicht aus-

rotten kann!

mehr denken; denn das Gift dieser Insekten ist schmerzhaft. Fr. Dass man dieses Geschmeiss nicht ausrotten kann! W. Gut wäre es, wenn man es könnte; aber es kommt und geht, ehe man recht gesehen hat. Fr. Sonderbar! W. Das Sonderbarste ist, dass es auf jedem Fleck der Erde Widerwärtigkeiten giebt. Im Süden ist es zu warm; im Norden zu kalt, in den Tiefen zu feucht, auf den Höhen zu trocken. Tiger, Menschen und die Elemente selbst, alles ist im Kriege gegeneinander und trübt uns die Aussicht auf Lebensgenüsse. Deshalb halte ich es nicht mit deiner Lehre, sondern bleibe meinem Wege treu. Ich habe dem Schiffer die Überfahrt bezahlt und stehe auf dem jenseitigen Ufer, und wenn mir die Nähe des Elysiums noch nicht ganz zu teil geworden ist, so habe ich nur noch nicht hinlänglich aus dem Lethe getrunken, der mich die Widerwärtigkeiten des diesseitigen Ufers vergessen macht. Fr. Wie? Du willst schon in diesem Leben den Styx passieren und aus dem Lethe trinken? Wenn das möglich wäre, dann hätte die Sache

W. Gut wäre es, wenn man es könnte;

aber es kommt und geht, ehe man recht ge-

sehen hat.

Fr. Sonderbar!

W. Das Sonderbarste ist, dass es auf jedem

Fleck der Erde Widerwärtigkeiten giebt. Im

Süden ist es zu warm, im Norden zu kalt, in

den Tiefen zu feucht, auf den Höhen zu trocken.

Tiger, Menschen und die Elemente selbst, alles

ist im Kriege gegeneinander und trübt uns die

Aussicht auf Lebensgenüsse. Deshalb halte

ich es nicht mit deiner Lehre, sondern bleibe

meinem Wege treu. Ich habe dem Schiffer

die Überfahrt bezahlt und stehe auf dem jen-

seitigen Ufer, und wenn mir die Nähe des

Elysiums noch nicht ganz zu teil geworden ist,

so habe ich nur noch nicht hinlänglich aus

dem Lethe getrunken, der mich die Wider-

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wärtigkeiten des diesseitigen Ufers vergessen

macht.

Fr. Wie? Du willst schon in diesem Leben

den Styx passieren und aus dem Lethe trinken?

Wenn das möglich wäre, dann hätte die Sache

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die Vernunft für sich. Dies ist aber unmög-

lich. Auch ist noch keiner zurückgekommen,

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um uns aufzuklären.

die Vemunft für sich. Dies ist aber unmöglich. Auch ist noch keiner zurückgekommen, um uns ,au&uklären. W. Dies ist der Einwurf der groben Sinnlichkeit t wontit sie alles umzU$tossen meint. Es giebt ein diesseitiges und jenaeitjges Leben; heide aber sind ineinander enthalten. Im diesseitigen können wir das jenseitige, und im jenaei~ die Notwendigkeit des diesseitigen erkennes. Der Geist des Weines lässt sich in seinen Wass.erteilen itbensogut erkennen t als weu er davon abgewgen ist. Im dieS6eitigen Leben muss der Mensch dai jenseitige g~­ winnen und ,crkesnen lerne.a. Wean er die~ Erkenntnis erst n~ d~ Tode erwartet t BO iet ier bettogen. Im Weine BW~ ~11 q~r W.ciugeist itnmufort; wird ihm aber das Wasser gcapJWMIl, 10 b.9rt sein Wa~hetum a\lf. Der Geilt des Weine~ .u$S herr.chen,alles d~eb.­ q,nngen, eriijles und in fiicb _faehUloo; d~ ilt ~r He~ leiner ReinigiUg uad der Abaondenmg .,..,on der. Hef~. H~noht .~eJ die Zt}..~ ~ur flor, ao v~dljegt de.. ~t Qde.t wird zu Essig. &0 mit dMl l'40M1f~. Wo sich de( Geist

W. Dies ist der Einwurf der groben Sinn-

lichkeit, womit sie alles umzustossen meint.

Es giebt ein diesseitiges und jenseitiges Leben;

beide aber sind ineinander enthalten. Im dies-

seitigen können wir das jenseitige, und im jen-

seitigen die Notwendigkeit des diesseitigen

erkennen. Der Geist des Weines lässt sich in

seinen Wasserteilen ebensogut erkennen, als

wenn er davon abgezogen ist. Im diesseitigen

Leben muss der Mensch das jenseitige ge-

winnen und erkennen lernen. Wenn er diese

Erkenntnis erst nach dem Tode erwartet, so

ist ^er betrogen. Im Weine stärkt sich der

Weingeist immerfort; wird ihm aber das Wasser

genommen, so hört sein Wachstum auf. Der

Geist des Weines muss herrschen, alles durch-

dringen, erfüllen und in sich aufnehmen; dann

ist er Herr seiner Reinigung und der Absonde-

rung von der Hefe.. Herrscht aber die Zer-

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setzung vor, so verfliegt der Geist oder wird

zu Essig.

So mit dem Menschen. Wo sich der Geist

zur Herrschaft erhoben hat, da ist ununtefr

brochene, ewige Reinigung und Absonderung

ZJU H~twJh.ait

1Mo~eu,

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_hohen hat. li. iat JI~\Ul_" ewce &.c~ uA. Ab~~

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der Hefe der Sünde. Behält aber die Aussen-

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welt und das Sinnesleben die Oberhand, so

der Hefe der Sünde. Behält aber die AMsenwelt und das Sinnesleben die Oberhand, So entweicht der Geist, und, das Leben des Menschen wird ein Scheusal, ein "Essig", ein Gift, das sich selbst foltert, bis es zu Grunde geht. Das Leben unter der Herrschaft des Geistes ist das Leben im Elysium und jenseits des Styx. Das SiRnesleben ist diesseits und nichts weiter als das Leben eines redenclen Tieres. Somit muss der Übergang über den StY't freiwillig geschehen; denn wer mit Zwang hinübeygeführt wird, der sehnt sich· nur nooh um so stärker darnach, wieder zu den verlorenen, sinnlichen Freuden zurüc}{lZukehren.. Dit!1e Sehnsueht wandelt sogar oft diejenigen an, welche freiwillig hinüber gegangen sind~ dartltIl ist es nötig, täglich aus dem Strome ds LetJte zu trinken, bis die Eindrüoke des vergangel1leil Sinneslebens ihre Stärke- verlieren, und wir hi dastehent im ewigen Lmhte des Elysiums, vom Hauc1,e der aUm~h4ligell Kraft berührt,. 18id von einer Stufe der Erkenntnis zur suder. gehoben, bis sich: die 'Wander der Ewigkeit alte ..or uns entfaltell. Fr. Warum verlegen denn alle The~l()gen und Gelehrte die' Vberfalll't etat auf die Zeit nach dem Tode?

entweicht der Geist, und das Leben des Men-

schen wird ein Scheusal, ein „Essig", ein Gift,

das sich selbst foltert, bis es zu Grunde geht.

Das Leben unter der Herrschaft des Geistes

ist das Leben im Elysium und jenseits des

Styx. Das Sinnesleben ist diesseits und nichts

weiter als das Leben eines redenden Tieres.

Somit muss der Übergang über den Styx frei-

willig geschehen; denn wer mit Zwang hinüber-

geführt wird, der sehnt sich nur noch um so

stärker darnach, wieder zu den verlorenen,

sinnlichen Freuden zurückzukehren. Diese

Sehnsucht wandelt sogar oft diejenigen an,

welche freiwillig hinüber gegangen sind; darum

ist es nötig, täglich aus dem Strome des Lethe

zu trinken, bis die Eindrücke des vergangenen

Sinneslebens ihre Stärke verlieren, und wir frei

dastehen, im ewigen Lichte des Elysiums, vom

Hauche der allmächtigen Kraft berührt, und

von einer Stufe der Erkenntnis zur andern ge-

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hoben, bis sich die Wunder der Ewigkeit alle

vor uns entfalten.

Fr. Warum verlegen denn alle Theologen

und Gelehrte die Überfahrt erst auf die Zeit

nach dem Tode?

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W. Darin liegt ihre grosse Verblendung,

-

da doch die Wahrheit so nahe liegt. Du siehst

W. Darin liegt ihre grosse Verblendung, da doch die .Wahrheit 80 nahe . liegt. Du siehst doch, dass durch dieses Abwarten nach dem Tode die Hauptbedingung, die freiwillige Überfahrt, unerftillt bleibt. Wer wartet bis der Tod ihn abholt, der hat sich seiner Freiheit begeben. Fr. Zeige mir den Weg über den Styx. W. Der Weg ist dein eigener freier Wille. F t. Ist diese Lehre ein Geheimnis? W. Die Natur le~ sie jedem, der sie begreift. Fr. Warum wird sie von so Wenigen befolgt? W. Weil sie vom Sinnesleben beherrscht werden. Sie sehen wohl ein, dass die Rück· fahrt über den Styx Schwierigkeiten unterworfen ist, und darum können sie sich nicht entschliessen, das bunte Diesseits mit allen seinen Schmetterlings-Ergötzlichkeiten zu verlassen, und ein so wenig bekanntes Jenseits zu wählen. Alle möchten, aber sie haben die Kraft nicht dazu. Alle wünschen '. aber sie möchten vierzehn Tage dem Materiellen und dann einige Augenblicke dem Geiste leben. Sie haben nicht den Mut zu einem festen kühnen Entschluss, und warten in tändelnder Geschäftigkeit unter Zerstreuung und Spiel, unter Sorgen und Scheinfreuden auf einen günstigen Zufall,

doch, dass durch dieses Abwarten nach dem

Tode die Hauptbedingung, die freiwillige Über-

fahrt, unerfüllt bleibt. Wer wartet bis der Tod

ihn abholt, der hat sich seiner Freiheit begeben.

Fr. Zeige mir den Weg über den Styx.

W. Der Weg ist dein eigener freier Wille.

Fr. Ist diese Lehre ein Geheimnis?

W. Die Natur lehrt sie jedem, der sie

begreift.

Fr. Warum wird sie von so Wenigen befolgt?

W. Weil sie vom Sinnesleben beherrscht

werden. Sie sehen wohl ein, dass die Rück-

fahrt über den Styx Schwierigkeiten unterworfen

ist, und darum können sie sich nicht ent-

schliessen, das bunte Diesseits mit allen seinen

Schmetterlings-Ergötzlichkeiten zu verlassen,

und ein so wenig bekanntes Jenseits zu wählen.

Alle möchten, aber sie haben die Kraft nicht

dazu. Alle wünschen, aber sie möchten vier-

zehn Tage dem Materiellen und dann einige

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Augenblicke dem Geiste leben. Sie haben

nicht den Mut zu einem festen kühnen Ent-

schluss, und warten in tändelnder Geschäftig-

keit unter Zerstreuung und Spiel, unter Sorgen

und Scheinfreuden auf einen günstigen Zufall,

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der sie gleichsam wider ihren Willen dem

ewigen Leben in die Arme werfen soll.

Fr. Weshalb versetzen die Theologen den

der sie gleichsam wider ihren Willen dem ewigen Leben in die Arme werfen soll. • den Fr. Weshalb versetzen die Theologen Aufenthalt des Lebens der Seele nach dem Tode in die Unterwelt? W. Dies ist eine Verwechslung der Begriffe. Jener Aufenthalt ist nicht in einer (äusserlichen) Unterwelt, sondem in der innern Welt. Fr. Was ist da für ein Unterschied? W. Der sinnliche Mensch fühlt nur die Schwerkraft. Darum hat er nur für die Materie einen Mittelpunkt, ein Unterstes, wohin alles Materielle nach dem Gesetze der Schwerkraft zielt. Aus diesem Grunde ist der Ausdruck "Unterwelt" statt "innere Welt" entstanden. Aber nicht nur die Materie, auch das Licht, der Geist, hat ein Centrum, wohin alle Lichtteile angezogen werden, und dadurch einen Gegensatz zur Körperwelt, die Lichtwelt, bilden. Dieses Centrum ist aber· nicht das Unterste, sondern das Oberste; es ist der Mittelpunkt der Kraft und des Wissens; der Sammelplatz aller geistigen Kräfte des ihn umgebenden Kreises. Dieser Mittelpunkt ist das innere Leben, die innere Welt. Wo sich ein solches Centrum, ein solcher Licht-Mittelpunkt bildet, da offenbart sich eIne geistige, reine Welt,

Aufenthalt des Lebens der Seele nach dem

Tode in die Unterwelt?

W. Dies ist eine Verwechslung der Begriffe.

Jener Aufenthalt ist nicht in einer (äusserlichen)

Unterwelt, sondern in der innern Welt.

Fr. Was ist da für ein Unterschied?

W. Der sinnliche Mensch fühlt nur die

Schwerkraft. Darum hat er nur für die Materie

einen Mittelpunkt, ein Unterstes, wohin alles

Materielle nach dem Gesetze der Schwerkraft

zielt. Aus diesem Grunde ist der Ausdruck

„Unterwelt" statt „innere Welt" entstanden.

Aber nicht nur die Materie, auch das Licht,

der Geist, hat ein Centrum, wohin alle Licht-

teile angezogen werden, und dadurch einen

Gegensatz zur Körperwelt, die Lichtwelt, bilden.

Dieses Centrum ist aber nicht das Unterste,

sondern das Oberste; es ist der Mittelpunkt

der Kraft und des Wissens; der Sammelplatz

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aller geistigen Kräfte des ihn umgebenden

Kreises. Dieser Mittelpunkt ist das innere

Leben, die innere Welt. Wo sich ein solches

Centrum, ein solcher Licht-Mittelpunkt bildet,

da offenbart sich eine geistige, reine Welt,

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— 424 —

-

welche über aller Verwandlung steht und sich

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-

durch sich selbst erhält. Dies ist das „Jen-

.

welche über aller Verwandlung steht und sieh durch sich selbst erhält. Dies ist das "Jenseits" oder "Elysium". Fr. Wie ist es aber den Staubgeborenen möglich, dahin zu kommen? W. Der Mensch hat die Fähigkeit, in sich selbst ein Licht - Centrum entstehen zu lassen und dadurch eine eigene Lichtwelt zu werden. Je weniger er der Schwere, und je mehr er dem Lichte lebt, um so deutlicher wird ihm dieser Mittelpunkt. Je mehr er für die Materie lebt, desto schwächer scheint die Lichtwelt in ihm, bis sie sich endlich zerteilt, im unendlichen Raum sich verliert, oder sich an einen andern Mittelpunkt anschliesst. Fr. Deine Ideen überraschen mich. Sie sind folgerecht, und doch kann ich den Zusammenhang nicht finden. Du sprichst von einem ewigen Wachstum der Erkenntnis, .und doch soll man aus dem Lethe Vergessenheit trinken. Hebt denn diese das Wachstum des Erkennens nicht auf? Wie reimt sich überhaupt Vergessenheit desjenigen, was man bereits weiss, mit dem in sich bestehenden ewigen Lichtpunkte der Erkenntnis?· W. Zweierlei Vermögen besitzt der Mensch. Er kann etwas haben und etwas wissen. Dieser

seits" oder „Elysium".

Fr. Wie ist es aber den Staubgeborenen

möglich, dahin zu kommen?

W. Der Mensch hat die Fähigkeit, in sich

selbst ein Licht-Centrum entstehen zu lassen

und dadurch eine eigene Lichtwelt zu werden.

Je weniger er der Schwere, und je mehr er

dem Lichte lebt, um so deutlicher wird ihm

dieser Mittelpunkt. Je mehr er für die Materie

lebt, desto schwächer scheint die Lichtwelt in

ihm, bis sie sich endlich zerteilt, im unend-

lichen Raum sich verliert, oder sich an einen

andern Mittelpunkt anschliesst.

Fr. Deine Ideen überraschen mich. Sie

sind folgerecht, und doch kann ich den Zu-

sammenhang nicht finden. Du sprichst von

einem ewigen Wachstum der Erkenntnis, und

doch soll man aus dem Lethe Vergessenheit

trinken. Hebt denn diese das Wachstum des

Erkennens nicht auf? Wie reimt sich über-

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haupt Vergessenheit desjenigen, was man be-

reits weiss, mit dem in sich bestehenden ewigen

Lichtpunkte der Erkenntnis?

W. Zweierlei Vermögen besitzt der Mensch.

Er kann etwas haben und etwas wissen. Dieser

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Unterschied ist von grosser Wichtigkeit. Haben

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ist mehr als Wissen. Die Eigenschaften (Kräfte),

welche der Mensch in sich hat, machen sein

Unterschied ist von grosser Wichtigkeit. Haben ist mehr als Wissen. Die Eigenschaften (Kräfte), welche der Mensch in sich hat, machen sein Leben, sein Wesen aus. Die Dinge, welche er nur weiss, machen auf seine Lebenskraft keinen durchdringenden Eindruck. Es ist z. B. ein Unterschied, ob jemand leutselig ist, oder bloss weiss, was Leutseligkeit sei. Der Leutselige besitzt die Kraft leutselig zu sein; sie macht einen Teil seines Lebens aus; er bringt sie gegen jedermann in Ausübung, ohne sich durch irgend eine Regel Rechenschaft darüber zu geben. Wer die Leutseligkeit aber nicht als Lebensgefühl, sondern als Gebot ausübt, wird häufig gegen das Wesen dieser Tugend verstossen. So ist es in allem. Einiges wissen wir, anderes besitzen wir. Nun aber ist es eine Eigentümlichkeit des Geistes, dass er das leere Wissen nicht achtet. Er ist im Besitze des Wissens, er ist das Wissen selbst, und wenn er Gesetze der Vergessenheit vorschreibt, so bezieht sich dies auf Lebenskräfte, welche dem ewigen Gesetze entgegen sind. Diese Kräfte müssen .ergessen, d. h. verbannt und vertilgt werden, damit das Ewige in den Besitz des Lebens gelange, und das Sinnesleben sich in blosse5 Wissen auflöse.

Leben, sein Wesen aus. Die Dinge, welche

er nur weiss, machen auf seine Lebenskraft

keinen durchdringenden Eindruck. Es ist z. B.

ein Unterschied, ob jemand leutselig ist, oder

bloss weiss, was Leutseligkeit sei. Der Leut-

selige besitzt die Kraft leutselig zu sein; sie

macht einen Teil seines Lebens aus; er bringt

sie gegen jedermann in Ausübung, ohne sich

durch irgend eine Regel Rechenschaft darüber

zu geben. Wer die Leutseligkeit aber nicht

als Lebensgefühl, sondern als Gebot ausübt,

wird häufig gegen das Wesen dieser Tugend

Verstossen. So ist es in allem. Einiges wissen

wir, anderes besitzen wir. Nun aber ist es eine

Eigentümlichkeit des Geistes, dass er das leere

Wissen nicht achtet. Er ist im Besitze des

Wissens, er ist das Wissen selbst, und wenn

er Gesetze der Vergessenheit vorschreibt, so

bezieht sich dies auf Lebenskräfte, welche dem

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ewigen Gesetze entgegen sind. Diese Kräfte

müssen vergessen, d. h. verbannt und vertilgt

werden, damit das Ewige in den Besitz des

Lebens gelange, und das Sinnesleben sich in

blosses Wissen auflöse.

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4 26

Fr. Wie! Das Sinnesleben, das uns so

-

gewaltsam umschlungen hält, in welchem wir

gleichsam unser Dasein haben, erkennen und

Fr. Wie! Das Sinnesleben, das uns so gewaltsam umschlungen hält, in welchem wir gleichsam unser Dasein haben, erkennen und fühlen, soll sich in ein biosses Wissen auflösen, indessen der Geist die Herrschaft des Lebens übernimmt! Wenn du mir einen einzigen Beweis dieser Möglichkeit geben kannst, dann habe ich bisher umsonst gelebt, und will dich bitten, mich leben zu lehren. W. Ein Beweis genügt dir! Ich könnte dir so viele geben, als du Menschenleben kennst. Hattest du früher keine Leidenschaft, welche jetzt aufgehört hat? Fr. Ich war ein leidenschaftlicher Spieler. Jetzt ekelt mich jedes Spiel an. W. Hier hast du aus dem Lethe getrunken. Von welcher Art der Trank war, kümmert mich nicht; seine Wirkung ist erfolgt. Ehemals lebte der Reiz zum Spiele in dir; jetzt weisst du nur noch, dass es einen solchen Reiz giebt. Für dich und in deinem Leben ist er nicht mehr da. Solchen Erscheinungen wirst du häufig begegnen, und da dies in gewöhnlichen Dingen geschieht, muss die Wirkung nicht noch auffallender sein, wenn wir uns dem Geiste, der ewigen, alleinigen Kraft übergeben, welche alle Kräfte durchdringt, erfüllt und in sich aufnimmt?

fühlen, soll sich in ein blosses Wissen auflösen,

indessen der Geist die Herrschaft des Lebens

übernimmt! Wenn du mir einen einzigen

Beweis dieser Möglichkeit geben kannst, dann

habe ich bisher umsonst gelebt, und will dich

bitten, mich leben zu lehren.

W. Ein Beweis genügt dir! Ich könnte

dir so viele geben, als du Menschenleben kennst.

Hattest du früher keine Leidenschaft, welche

jetzt aufgehört hat?

Fr. Ich war ein leidenschaftlicher Spieler.

Jetzt ekelt mich jedes Spiel an.

W. Hier hast du aus dem Lethe getrunken.

Von welcher Art der Trank war, kümmert mich

nicht; seine Wirkung ist erfolgt. Ehemals lebte

der Reiz zum Spiele in dir; jetzt weisst du nur

noch, dass es einen solchen Reiz giebt. Für

dich und in deinem Leben ist er nicht mehr

da. Solchen Erscheinungen wirst du häufig

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begegnen, und da dies in gewöhnlichen Dingen

geschieht, muss die Wirkung nicht noch auf-

fallender sein, wenn wir uns dem Geiste, der

ewigen, alleinigen Kraft übergeben, welche alle

Kräfte durchdringt, erfüllt und in sich aufnimmt?

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— 427

Den Geist müssen wir haben als Herrn, das

Zeitliche müssen - wir wissen, dann ist die

Den Geist müssen wir haben als Herrn, das Zeitliche müssen· wir wissen, dann ist die Menschennatur wieder hergestellt; dann leben wir im Elysium; dann hören wir die Gesetze der Ewigkeit unmittelbar aus der Ewigkeit selbst, und sind über alle Zweifel erhaben, in voller Gewissheit über die Bestimmung des Lebens.

Menschennatur wieder hergestellt; dann leben

wir im Elysium; dann hören wir die Gesetze

der Ewigkeit unmittelbar aus der Ewigkeit selbst,

und sind über alle Zweifel erhaben, in voller

Gewissheit über die Bestimmung des Lebens.

Selbstbeschauung.

Gewinne die Macht, dich selbst zu be-

schauen. Der Feind verbirgt sich, um seine

Tücke zu verstecken.

Wer sich vor sich selbst verbirgt, der ist

gewiss sein eigener Feind, sonst würde er den

Spiegel der Selbstbeschauung nicht fliehen.

Im irdischen Spiegel sehen wir uns nicht

ungerne; da können wir uns putzen und richten,

und manche Fehler verdecken. Im Spiegel

der Welt beschauen wir uns noch lieber, wenn

Sei b stbeschauung.

wir uns im Munde der Menschen erblicken,

bereichert und geschmückt mit Tugenden und

Gewinne die Macht, dich selbst zu beschauen. Der Feind verbirgt sich, um seine Tücke zu verstecken. Wer sich vor sich selbst verbirgt, der ist gewiss sein eigener Feind, sonst würde er den Spiegel der Selbstbeschauung nicht fliehen. Im irdischen Spiegel sehen wir uns nicht ungerne; da können wir uns putzen und richten, und manche Fehler verdecken. Im Spiegel der Welt beschauen wir uns noch lieber, wenn wir uns im Munde der Menschen erblicken, bereichert und geschmückt mit Tugenden und Eigenschaften, welche wir oft kaum dem Namen nach kennen. - Den Spiegel der Wahrheit aber scheuen wir; Wenige haben den Mut hineinzusehen. Dies klingt hart, aber es ist nicht anders.

Eigenschaften, welche wir oft kaum dem Namen

nach kennen. — Den Spiegel der Wahrheit

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aber scheuen wir; Wenige haben den Mut

hineinzusehen.

Dies klingt hart, aber es ist nicht anders.

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— 428 —

Fleiss.

(Ein Kapitel von ganz besonderer Wichtigkeit.)

Fleiss! Du bist ein Geschenk des leben-

digen Geistes; durch dich kann der Mensch

Fleiss.

sich erheben zum Besseren, zum Ganzen, zur

Verbrüderung. Du bist eine lebendige Kraft

(Ein Kapite{ yon ganz besonderer Wichtigkeit.)

im Menschen, welche jeder empfindet, jeder

im andern achtet, und ohne welche keine Ver-

Fleiss ! Du bist ein Geschettk des lebendigen Geistes; durch dich kann der Mensoh sich erheben zum Besseren, zum Ganzen, zur Verbrüderung. Du bist eine lebendige Kraft im Menschen, welche jeder empfindet, jeder im andern achtet, und ohne welche keine Veredelung, kein Glück und keine Liebe zu erringen ist. Selbst diejenigen, welche ihren Fleiss zu falschen Zwecken anwenden, können wir wohl bedauern, aber nicht gering schätzen, weil sie durch ihren Fleiss als etwas Ganzes erscheinen, das sie auch wider unseren Willen unserer Achtung näher bringt. Fleiss! Dir wollen wir huldigen unser ganzes Leben hindurch. Bei jedem Unternehmen, bei jedem Geschäft sollst du uns zur Seit~ gehen, damit wir durch dich uns stärken, den Weg zum Leben suchen, und mit beharrlichem Mute ihn dutchwandeln. Wo Fleiss ist, ist Leben. Wo er mangelt, ist Trägheit, Faulheit, Schlaf, Verwesung. Je mehr Fleiss, deBto mehr Leben; je weniger Thätigkeit, desto . mehr Tod. Nicht in der Regsamkeit, welche sich selbst

edelung, kein Glück und keine Liebe zu er-

ringen ist. Selbst diejenigen, welche ihren

Fleiss zu falschen Zwecken anwenden, können

wir wohl bedauern, aber nicht gering schätzen,

weil sie durch ihren Fleiss als etwas Ganzes

erscheinen, das sie auch wider unseren Willen

unserer Achtung näher bringt.

Fleiss! Dir wollen wir huldigen unser

ganzes Leben hindurch. Bei jedem Unter-

nehmen, bei jedem Geschäft sollst du uns zur

Seite gehen, damit wir durch dich uns stärken,

den Weg zum Leben suchen, und mit beharr-

lichem Mute ihn durchwandeln. Wo Fleiss ist,

ist Leben. Wo er mangelt, ist Trägheit, Faul-

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heit, Schlaf, Verwesung. Je mehr Fleiss, desto

mehr Leben; je weniger Thätigkeit, desto

mehr Tod.

Nicht in der Regsamkeit, welche sich selbst

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— 429 —

-

aufreibt, besteht der Fleiss, sondern in der

Beharrlichkeit, in der naturgemässen Verteilung

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-

der Kräfte, die ungehindert und sicher zur

aufreibt, besteht der Fleiss, sondern in der Beharrlichkeit, in der naturgemässen Verteilung der Kräfte, die ungehindert und sicher zu.. Vollendung eines Unternehmens führen. Nicht im Tändeln mit der Zeit, wo man aus Mangel a~ Ausdauer von einem zum andern eilt, und in ~war ununterbrochener Thätigkeit immer Stückwerk macht, aber kein einziges Geschäft zu Ende bringt, bekundet sich der Fleiss. Dies ist nur Spiel, Schwäch~; mehr Begierden.. leben als Stärkung und Aufschwung zur Lebenskraft. Wo kein Ziel ist, wo wir gleichsam nur im Garten des Lebens spazieren gehet! und uns ohne Zweck abmühen, da wird dem Fleisse nicht gehuldigt. Im Gegenteil, ~ i,t eine Entw~ihung der angeborenen Kraft, indem wir sie ~u einem Zeitvertreib machen, der Natur Hohn 8pn~chenJ und in eitler Mühe es offenbcuen: "Wir könnten, wenn wir möch~en." Auch der verbrüdert aich wcht mit den M~nschen durch Fle~, welcher alles· ~lew. tb\l.u will, 1Uld den andern dadurch die Ge1A:gen .. bAit ~immt~ das Ihrige zum gro~n Plane bt;i· ~~eQ. Wer, s.e1b~t thätig. die ~de.(n Z1U' Tbitigkeit aQfm\Jntert, ihnen d~1J Gel~ellh~jt gicbt, ihnen im Notfalle von sein~ Cie~~~WJlJ

Vollendung eines Unternehmens führen. Nicht

im Tändeln mit der Zeit, wo man aus Mangel

an Ausdauer von einem zum andern eilt, und

in zwar ununterbrochener Thätigkeit immer

Stückwerk macht, aber kein einziges Geschäft

zu Ende bringt, bekundet sich der Fleiss.

Dies ist nur Spiel, Schwäche; mehr Begierden-

leben als Stärkung und Aufschwung zur

Lebenskraft.

Wo kein Ziel ist, wo wir gleichsam nur im

Garten des Lebens spazieren gehen und uns

ohne Zweck abmühen, da wird dem Fleisse

nicht gehuldigt. Im Gegenteil, es ist eine Ent-

weihung der angeborenen Kraft, indem wir sie

zu einem Zeitvertreib machen, der Natur Hohn

sprechen, und in eitler Mühe es offenbaren:

„Wir könnten, wenn wir möchten."

Auch der verbrüdert sich nicht mit den

Menschen durch Fleiss, welcher alles allein

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thun will, und den andern dadurch die Gelegen-

heit nimmt, das Ihrige zum grossen Plane bei-

zutragen. Wer, selbst thätig, die andern zur

Thätigkeit aufmuntert, ihnen dazu Gelegenheit

giebt, ihnen im Notfalle von seinen Geschäften,

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sei es auch mit Hintansetzung zu erringender

-

Vorteile und Ehre, abgiebt, der ist ein Men-

43°

-

schenfreund, ein Weltbürger, ein Bruder seines

sei es auch mit Hintansetzung zu erringender Vorteile und Ehre, ahgiebt, der ist ein Menschenfreund, ein Weltbürger, ein Bruder seines Nächsten. Glücklich ist derjenige, welchem gleichsam von der Natur sein Geschäft angewiesen ist; dreifach glücklich derjenige, welchem der ewige Geist einen Beruf erteilt hat, der zugleich seine Neigung befriedigt. Danken sollte er dem ewigen Wesen, das ihm dieses Leben schon zum Paradiese macht. Hinstreben soll er zur Quelle des Lehens, damit er die ewige Liebe kennen lerne, welche sich über ihn ausgegossen, ehe er sich ihrer würdig gemacht hatte. Was soll derjenige thun, dem das Glück zu teil geworden, in ein Institut zu treten, wo die Befriedigung des höchsten Wunsches, der innigsten Neigung, des Menschen einziges, wahres Bedürfnis, der Kunst zu leben gelehrt und geübt wird? Danken ist wohl das Wenigste, was ein solcher thun kann. Fleiss soll er üben, um seinen Dank zu beweisen. Thätig soll er sein, die Regeln der Kunst begreifen zu lernen und in deren Ausübung Fortschritte zu machen; dann verbrüdert er sich mit allen seinen Mit· arbeitern, mit dem ganzen Menschengeschlechte,

Nächsten.

Glücklich ist derjenige, welchem gleichsam

von der Natur sein Geschäft angewiesen ist;

dreifach glücklich derjenige, welchem der ewige

Geist einen Beruf erteilt hat, der zugleich seine

Neigung befriedigt. Danken sollte er dem

ewigen Wesen, das ihm dieses Leben schon

zum Paradiese macht. Hinstreben soll er zur

Quelle des Lebens, damit er die ewige Liebe

kennen lerne, welche sich über ihn ausgegossen,

ehe er sich ihrer würdig gemacht hatte.

Was soll derjenige thun, dem das Glück

zu teil geworden, in ein Institut zu treten, wo

die Befriedigung des höchsten Wunsches, der

innigsten Neigung, des Menschen einziges,

wahres Bedürfnis, der Kunst zu leben gelehrt

und geübt wird?

Danken ist wohl das Wenigste, was ein

solcher thun kann. Fleiss soll er üben, um

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seinen Dank zu beweisen. Thätig soll er sein,

die Regeln der Kunst begreifen zu lernen und

in deren Ausübung Fortschritte zu machen;

dann verbrüdert er sich mit allen seinen Mit-

arbeitern, mit dem ganzen Menschengeschlechte,

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— 43i —

-

weil er die Grundtugend des Menschen, den

Fleiss, zum höchsten Ziel anwendet, und den

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Seinigen, wie andern, ein Licht wird auf der

weil er die Grundtugend des Menschen, den Fleiss, zum höchsten Ziel anwendet, und den Seinigen, wie andern, ein Licht wird auf der dunkeln Bahn des Lebens.

dunkeln Bahn des Lebens.

Zwei Wege zur Weisheit.

Es giebt zwei Wege, die Weisheit zu suchen:

entweder in einem Weisen, oder in ihr selbst.

Wenn wir die Lehren der Weisheit aus dem

Munde eines Weisen vernehmen, so müssen

wir sie erkennen und befolgen. Er ist unser

Lehrer und Meister. Wir sehen in ihm die

sichtbaren Wirkungen der Weisheit.

Aber der Weise bleibt Mensch. (Seine

Zwei Wege zur Weisheit.

Person ist nicht die Weisheit selbst, sondern

ihr Symbol.) Seine Gestalt, seine Manieren

Es giebt zwei Wege, die Weisheit zu suchen: entweder in einem Weisen, oder in ihr selbst. Wenn wir die Lehren der Weisheit aus dem Munde eines Weisen vernehmen, so müssen wir sie erkennen und befolgen. Er ist unser Lehrer und Meister. Wir sehen in ihm die sichtbaren Wirkungen der Weisheit. Aber der Weise bleibt Mensch. (Seine Person ist nicht die Weisheit selbst, sondern ihr Symbol.) Seine Gestalt, seine Manieren gehen in uns über. Es vermischt sich Äusserliches und Zufälliges mit Wahrem, und es ist schwer sich des Irrtums zu enthalten. Im zweiten Falle suchen wir die Weisheit in der Unendlichkeit, in der ewigen Natur. Hier dringen wir unmittelbar in sie ein, wollen von ihr selbst, obschon unsichtbar, die Wahrheit vernehmen. Ihr Geist soll sich ohne alle Umwege in unser Herz ergiessen, und uns über die Bestimmung der Menschheit und der Schöpfung belehren.

gehen in uns über. Es vermischt sich Ausser-

liches und Zufälliges mit Wahrem, und es ist

schwer sich des Irrtums zu enthalten.

Im zweiten Falle suchen wir die Weisheit

in der Unendlichkeit, in der ewigen Natur.

Hier dringen wir unmittelbar in sie ein, wollen

von ihr selbst, obschon unsichtbar, die Wahr-

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heit vernehmen. Ihr Geist soll sich ohne alle

Umwege in unser Herz ergiessen, und uns über

die Bestimmung der Menschheit und der

Schöpfung belehren.

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— 432 —

-

Dies ist unser Weg. Er ist schwer, aber

43 2

sicher. Ihn wollen wir wandeln.

Weisheit, Liebe, Stärke.

Dies ist unser Weg. Er ist schwer, aber sicher. Ihn wollen wir wandeln.

Wer das Eine hat, hat alles. Wer das Eine

nicht hat, hat nichts; denn in dem Einen ist

alles und aus ihm geht alles hervor.

„Was ist nun dieses Eine?" hört man fra-

gen. „Wo ist es? Wie kann man in seinen

Weisheit, Liebe, Stärke.

Besitz gelangen?"

Der Geist ist das Wesen aller Dinge. Er

ist das Leben, das Licht, und alle Fähigkeiten

Wer das Eine hat, hat alles. Wer das Eine nicht hat, hat nichts; denn in dem Einen ist alles und aus ihm geht alles hervor. "Was ist nun dieses Eine?" hört man fragen. "Wo ist es? Wie kann man in seinen Besitz gelangen?" Der Geist ist das Wesen aller Dinge. Er ist das Leben, das Licht, und alle Fähigkeiten (Kräfte) der menschlichen Natur sind Strahlen VQn ihm. Auf mannigfaltige Weise suchen wir die Strahlen der Sonne; im Morgen~u, auf grünen Saaten, auf Bäumen, im Wasser, in Metallen u. s. w.; aber sei ihr Widerstrahl auch noch so herrlich, keine Blume kann darin ihre Farben entwickeln; nur im wahrhaftigen Lichte kommt Etie n vollem Gedeihen. Licht i$t die Grundursache aller sichtbaren Gestaltungen und Bewegungen. Die "Helle". der Geiat des sichtbaren Uchtes durchdringt. dlU"chwärmt alles, und entl~kt del Natur ~nsähnliche Keime und Früchte. Die Licht• . masse ist der König,· die HeUe der Geist der

(Kräfte) der menschlichen Natur sind Strahlen

von ihm.

Auf mannigfaltige Weise suchen wir die

Strahlen der Sonne; im Morgentau, auf grünen

Saaten, auf Bäumen, im Wasser, in Metallen

u. s. w.; aber sei ihr Widerstrahl auch noch so

herrlich, keine Blume kann darin ihre Farben

entwickeln; nur im wahrhaftigen Lichte kommt

sie zu vollem Gedeihen.

Licht ist die Grundursache aller sichtbaren

Gestaltungen und Bewegungen. Die „Helle",

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der Geist des sichtbaren Lichtes durchdringt,

durchwärmt alles, und entlockt der Natur

lebensähnliche Keime und Früchte. Die Licht-

masse ist der König, die Helle der Geist der

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— 433 —

-

sichtbaren Natur, der schaffend und wirkend

in unzähligen Abstufungen alles wieder zu

433

seinem Ursprung führt.

Ist die Sonne vielleicht das Eine, das wir

suchen? Kann die sichtbare Sonne Gedanken

und Gefühle der Liebe entwickeln?

Roh sind die Gebilde der sichtbaren Natur,

zerbrechlich, vergänglich, und verwandeln sich,

um wieder «u andern Verwandlungen über-

zugehen. Zwar sehen wir auch in der sicht-

baren Schöpfung in jedem Dinge ein Letztes,

ein Geistähnliches; allein das Allerletzte kann

es doch nicht sein; sonst müsste es auch das

Beste, das Höchste, das Lebendigste, Stärkste

und Weiseste sein.

Ein Geist der höchsten Weisheit, der rein-

sten Liebe, der unbegrenzten Stärke wäre dem-

nach noch mehr als der Geist, der jene sicht-

baren Schöpfungen hervorruft und von diesen

ausgeht.

Allwissenheit, Allliebe, Allmacht! Kann es

etwas Höheres geben? Bauen wir auf unsichern

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Grund, wenn wir den Geist dieser Eigenschaften

als das notwendige positiv Letzte annehmen?

Ich halte es für überflüssig, über diese Frage

zu sprechen; die Antwort versteht sich von

selbst. Die Helle, welche von solchem Lichte

Latusblüthen LXXXI. 30

sichtbaren Natur, der schaffend und wirkend in unzähligen Abstufungen alles wieder zu seinem Ursprung führt. Ist die Sonne vielleicht das Eine, das wir suchen? Kann die sichtbare Sonne Gedanken und Gefuhle der Liebe entwickeln? Roh sind die Gebilde der sichtbaren Natur, zerbrechlich, vergänglich, und verwandeln sich, um wieder R andem Verwandlungen überzugehen. Zwar sehen wir auch in- der sichtbaren Schöpfung in jedem Dinge ein Letztes, ein Geistähnliches ; allein dcts Allerletzte kann es doch nicht sein; sonst müsste es auch das Beste, das Höchste, das Lebendigste, Stärkste und Weiseste sein. Ein Geist der höchsten Weisheit, der reinsten Liebe, der unbegrenzten Stärke wäre demnach, noch mehr als der Geist, der jene sichtbaren Schöpfungen hervorruft und von diesen ausgeht. Allwissenheit, Allliebe, Allmacht! Kann es etwas Höheres geben? Bauen wir auf unsichern Grund, wenn wir den Geist dieser Eigenschaften als das notwendige positiv Letzte annehmen? Ich halte es für überflüssig, über diese Frage zu sprechen; die Antwort versteht sich von selbst. Die Helle, welche von solchem Lichte Letusblütbea LXXXI.

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— 434 —

434 -

ausgeht, ist gewiss höchst vollkommen, und

der Geist, welcher sich in ihren Schöpfungen

entwickelt, hat ebensogut, wie jedes andere

ausgeht, ist gewiss höchst vollkommen, und der Geist, welcher sich in ihren Schöpfungen entwickelt, hat ebensogut , wie jedes andere Schöpfungswerk, seinen letzten Zustand, welcher dem Urlichte gleicht, und wie dieses nun über der VergängHchkeit steht. Welches Sein muss aber dasjenige werden, welches aus den Strahlen der Allwissenheit, der AnHebe und Allmacht entspringt? Aus der Helle, Wärme, Entwicklungskraft der Sonne, ihren Farben, ihrem Glanz und dem Einfluss auf uns und die ganze sichtbare Natur lässt sich auf ihre noch nicht berechnete Kraft schliessen. Wer kann Gott (die Sonne der Weisheit) in seinem Urzustand erkennen? Nur die Wirkungen und Erscheinungen, welche wir in seinen geistigen Schöpfungen wahrnehmen, geben uns die notwendigen Aufschlüsse über sein Wesen. Weisheit, Liebe und Stärke sind die erhabensten Eigenschaften, welche sich der Mensch denken kann, und die sich in jedem Einzeb;1en mehr oder weniger, reiner oder unreiner, offenbaren. Weisheit, Liebe und Stärke in ungetrübter Thätigkeit, ungeschwächt vom Gifthauch falscher Helle, wären demnach die Bedingungen, unter welchen der Mensch ein sicheres,

Schöpfungswerk, seinen letzten Zustand, welcher

dem Urlichte gleicht, und wie dieses nun über

der Vergänglichkeit steht.

Welches Sein muss aber dasjenige werden,

welches aus den Strahlen der Allwissenheit,

der Allliebe und Allmacht entspringt? Aus

der Helle, Wärme, Entwicklungskraft der Sonne,

ihren Farben, ihrem Glanz und dem Einfluss

auf uns und die ganze sichtbare Natur lässt

sich auf ihre noch nicht berechnete Kraft

schliessen.

Wer kann Gott (die Sonne der Weisheit)

in seinem Urzustand erkennen? Nur die Wir-

kungen und Erscheinungen, welche wir in seinen

geistigen Schöpfungen wahrnehmen, geben uns

die notwendigen Aufschlüsse über sein Wesen.

Weisheit, Liebe und Stärke sind die erhabensten

Eigenschaften, welche sich der Mensch denken

kann, und die sich in jedem Einzelnen mehr

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oder weniger, reiner oder unreiner, offenbaren.

Weisheit, Liebe und Stärke in ungetrübter

Thätigkeit, ungeschwächt vom Gifthauch fal-

scher Helle, wären demnach die Bedingungen,

unter welchen der Mensch ein sicheres,

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- 435 —

bleibendes Dasein gewänne, das fortbestehen

-

müsste, so lange Weisheit, Liebe und Stärke

435

die erhabensten Eigenschaften sind.

Weisheit ist ein Erzeugnis der Allwissen-

heit; Liebe ein Ausfluss, ein Strahl der All-

liebe; Stärke ist im Begrenzten, was die All-

macht im Ewigen ist. Weisheit, Liebe und

Stärke sind geworden durch den ewigen Aus-

fluss des Urlichtes, und gleichen in der Einzel-

heit dem ewigen Ganzen. Die Allwissenheit

durchschaut die Ewigkeit in Vergangenheit,

Gegenwart und Zukunft. Die Allliebe umfasst

alle Ewigkeiten und alle Welten. Die Allmacht

vollbringt, was der Rat der Ewigkeit als zweck-

mässig fordert und die Allliebe gebietet. Im

Menschen kann sich Weisheit, Liebe und Stärke

vereinigen und zum Gleichnis Gottes erheben.

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(Fortsetzung folgt.)

bleibendes Dasein gewänne, das fortbestehen müsste, so lange Weisheit, Liebe und Stärke die erhabensten Eigenschaften sind. Weisheit ist ein Erzeugnis der Allwissenheit; Liebe ein Ausfluss, ein Strahl der Allliebe; Stärke ist im Begrenzten, was die Allmacht im Ewigen ist. Weisheit, Liebe und Stärke sind geworden durch den ewigen Ausfluss des Urlichtes, und gleichen in der Einzelheit dem ewigen Ganzen. Die Allwissenheit durchschaut die Ewigkeit in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Allliebe umfasst alle Ewigkeiten und alle Welten. Die Allmacht vollbringt, was der Rat der Ewigkeit als zweckmässig fordert und die Allliebe gebietet. Im Menschen kann sich Weisheit, Liebe und Stärke vereinigen und zum Gleichnis Gottes erheben. (Fortsetzung folgt.)

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Briefkasten.

Fragen von Abonnenten, welche dicht rein persönlicher Natur, son-

dern von allgemeinem Interesse sind, werden durch den Verfasser

der „Lotusblüthen* im Briefkasten besprochen.

M. B. in R. — Wir erhalten fortwährend Schreiben,

die nahezu gleichlautend mit dem Ihrigen sind, und in

welchen Anfragen in Bezug auf „Yoga-Übungen" gestellt

werden. Auf alle diese haben wir zu erwidern, dass das

ganze menschliche Leben eine Yoga-Übung ist, die jeder,

Briefkasten.

wohl oder übel, mitmachen muss. Jeder Mensch soll dar-

nach trachten, die schwere Kunst der Selbstbeherrschung

zu erlernen und zur Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen,

und wenn er dabei die in der Radscha-Yoga-Philosophie

Frqeo TOD AboDDOIIteD, welche dicht reia pet'1lÖDlicher Natur, IODdern TOD alliemeiaem Ioterease siDd, werden durch dOll Verfasler der .Lotuablüthen· im Briefbaten besprochen.

gegebenen Vorschriften befolgt, so ist es um so besser für

ihn. Wer aber ohne den heiligen Geist dieser Selbst-

erkenntnis ins Heiligtum eindringen will, aus Neugierde,

M. B. in R. - Wir erhalten fortwihrend Schreiben,

Eitelkeit, Grössenwahn oder Habsucht die Äusserlichkeiten

dieser Regeln befolgt, um sich in den Besitz okkulter Kräfte

die nahezu gleichlautend mit dem Ihrigen sind, und in welchen Anfragen in Bezug auf"Yoga-Übungen" gestellt werden. Auf alle diese haben wir zu erwidern, dass das gaose menschliche Leben eine Yoga-Übung ist, die jeder, wohl oder iibel, mitmachen mUls. Jeder Mensch soll darnach trachten, die schwere Kunst der Selbstbeherrschung zu erlernen und zur Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen, und wenn er dabei die in der Radscha -Yoga - Philosophie gegebenen Vorschriften befolgt, so ist es um so besser fiir ihn. Wer aber ohne den heiligen Geist dieser Selbsterkenntnis ins Heiligtum eindringen will, aus Neugierde, Eitelkeit, Grössenwahn oder Habsucht die Äusserlichkeiten dieser Regeln befolgt, um sich in den Besitz okkulter Krifte zu setzen, den ~ren diese Übungen tebliesslich ins Narrenhaus, worin bereits einige bekannte "hervorragende Theosophen" angelangt sind, während andere sich auf dem Wege dahin befinden. Kein Mensch kann den zweiten Schritt machen, ehe er den ersten gemacht hat. Der erste Schritt • aber ist, dds man selbstlos seine alltäglichen und die übernommenen Pflichten erfüllt und dadurch Festigkeit des Charakters erlangt. Dr. M. in W. - Die Erkundigungen unter den Gelehrten, im" Wiener Journal", in Bezug auf die Fernwirkung des Gedankens Sterbender und die darauf erfolgten Antworten haben wieder einmal bewiesen, dass gesunde Ver!:lunft am allerwenigsten in Gelehrtenkreisen zu finden ist.

zu setzen, den führen diese Übungen schliesslich ins Narren-

haus, worin bereits einige bekannte „hervorragende Theo-

sophen" angelangt sind, während andere sich auf dem Wege

dahin befinden. Kein Mensch kann den zweiten Schritt

machen, ehe er den ersten gemacht hat. Der erste Schritt

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aber ist, dass man selbstlos seine alltäglichen und die über-

nommenen Pflichten erfüllt und dadurch Festigkeit des

Charakters erlangt.

Dr. M. in W. — Die Erkundigungen unter den Ge-

lehrten, im „Wiener Journal", in Bezug auf die Fernwirkung

des Gedankens Sterbender und die darauf erfolgten Ant-

worten haben wieder einmal bewiesen, dass gesunde Ver-

nunft am allerwenigsten in Gelehrtenkreisen zu finden ist.

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— 437 —

437

Während die „wissenschaftlichen Koryphäen" die Möglich-

keit der Gedankenwirkung in die Ferne als einen „Unsinn"

bezeichnen, weiss jeder vernünftige Mensch, der damit

experimentiert hat, dass diese Wirkung nicht nur bei Ster-

benden, sondern auch fortwährend bei Lebenden stattfindet,

und sich gerade so wie jede andere wissenschaftliche That-

sache durch Versuche beweisen lässt.

L. W. in F. — Die Theosophische Gesellschaft,

welche von H. P. Blavatsky gegründet wurde, gehört keinem

Menschen, weder der Frau X noch der Frau Y an; sie ist

völlig frei, braucht kein „outer head", und es kann in ihr jeder

an diejenige Autorität glauben, die ihm beliebt. Etwas

ganz anderes ist es mit den verschiedenen sogenannten

„esoterischen Schulen", in welchen irgend eine mit Recht

oder mit Unrecht als Lehrer auftretende Person eine Anzahl

von „Jüngern" oder Anhängern hat. Keine dieser Schulen

hat aber mit der „Theosophischen Gesellschaft" irgend

etwas zu thun, und kein Recht, sich die Herrschaft über

dieselbe anzumassen. Übrigens haben wir nicht die Absicht,

noch weiter derartige, bereits oft genug besprochene Fragen

zu beantworten. Die Freiheit ist für viele Menschen ein

unbegreifliches Ding, und jeder denkt und handelt nach

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seiner Natur.

Rev. G. in F. — Unter dem „goldenen Kalbe", um

das die Israeliten herumtanzten, verstehen wir die sogenannte

„Weltweisheit", welche sich nur mit Dingen befasst, die

vergänglich sind, und am Ende selber in Stücke zerfällt.

Das „Kalb" ist ein Tier, dessen Vater ein Ochse (der

Eigendünkel) und dessen Mutter eine Kuh (die Habsucht)

ist. Wenn auch dieses Kalb einen gewissen Wert besitzt,

so ist es doch noch lange nicht das Höchste, was der

Mensch erreichen kann; aber zu denen, die es für das

Höchste halten und es anbeten, gehören nicht nur die

„Israeliten", sondern auch die meisten angeblichen „Christen",

„Philosophen" und „Theosophen" unserer Zeit.

Während die "wissenschaftlichen Koryphäen" die Möglichkeit der Gedankenwirkung in die Feme als einen "Unsinn" bezeichnen, weiss jeder vernünftige Mensch, der damit experimentiert hat, dass diese Wirkung nicht nur bei Sterbenden, sondern auch fortwährend bei Lebenden stattfindet, und sich gerilde so wie jede andere wissenschaftliche That. sache durch Versuche beweisen lässt. L. W. in F. - Die Theosophische Gesellschaft, welche von H. P. Blavatsky gegründet wurde, gehört keinem Menschen, weder der Frau X noch der Frau Y an; sie ist völlig frei, braucht kein "oater head", und es kann in ihr jeder an diejenige Autorität glauben, die ihm beliebt. Etwas ganz anderes ist es mit den verschiedenen sogenannten "esoterischen Schulen", in welchen irgend eine mit Recht oder mit Unrecht als Lehrer auftretende Person eine Anzahl von "JUngern" oder Anhängern hat. Keine dieser Schulen hat aber mit der "Theosophischen Gesellschaft" irgend etwas su thun, und ~ein Recht, sich die Herrschaft über dieselbe anzumassen. Übrigens haben wir nicht die Absicht, noch weiter derartige, bereits oft genug besprochene Fragen zu beantworten. Die Freiheit ist fUr viele Menschen ein unbegreüliches Ding, und jeder denkt und handelt nach seiner Natur. Rcv. G. in. F. - Unter dem "goldenen Kalbe", um das die Israeliten herumtanzten, verstehen wir die sogenannte nWeltweisheit", welche sich nur mit Dingen befasst, die vergänglich sind, und am Ende selber in Stücke zerfällt. Das "Kalb" iat ein Tier J dessen Vater ein' Ochse (der Eigendünkel) und dessen Mutter eine Kuh (die Habsucht) ist. Wenn auch dieses Kalb einen gewissen Wert besitzt, so ist es doch noch lange nicht das Höchste, was der Mensch erreichen kann; aber zu denen, die es für das Höchste halten und es anbeten, gehören nicht nur die "Israeliten tc , sondern auch die mei.~ten angeblichen"Christen", "Philosopht:n" und "Theosophen" unserer Zeit.

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A. E. J. in A. — Eine Versicherung, dass der Mensch

eine Seele habe, würde Ihnen wenig nützen, weil Sie ja

dann doch nicht sicher wären, ob die Versicherung wahr

A. E.J. in A. - Eine Versicherung,

wäre. Der einzige haltbare Beweis dafür ist, wenn Sie

Ihre Seele, d. h. ihr eigenes „Ich" selber finden; denn

eine Seele habe, würde Ihnen wenig nützen, weil Sie ja

niemand kann irgend etwas mit Bestimmtheit wissen, so

dann doch nicht sicher wären, ob die Versicherung wahr

lange er es nicht selber erfahren hat. Wenn wir uns selber

gefunden haben, so wissen wir aus Erfahrung, dass wir die

wäre. Der einzige haltbare Beweis dafür ist, wenn Sie Ihre Seele, d. h. ihr eigenes "Ich" selber finden; denn niemand kann irgend etwas mit Bestimmtheit wissen, so. lange er es nicht selber erfahren hat. Wenn wir uns selber gefunden haben, so wissen wir aus Erfahrung, dass wir die Seele sind, die nicht blass einen, sondern verschiedene Körper hat. Was die Unsterblichkeit betrifft, so ist es wissenschaftlich bewiesen, dass es in der Welt keine Vernichtung von Stoff und Kraft, sondern nur Veränderungen von deren Erscheinungen giebt. Es handelt sich somit nicht um die Frage der Unsterblichkeit der Seele, sondern darum, dass die Seele das Be'W11SStsein ihrer Unsterblichkeit erlangt; denn etwas, das der Mensch nicht empfindet und nicht weiss, hat auch ftir ihn keine Existenz, und alle theoretischen Beweise für dessen Vorhandensein haben nur einen problematischen Wert. C. J. G. in N. - Ich verwerfe weder die metaphysischen Schnurrpfeifereien, noch die philantropiscben Bestrebungen, noch den blinden Autoritätenglauben. Es hat jedes Ding auf der Welt, am rechten Ort, sein,en Nutzen; aber von alledem bis zur Theosophie ist noch ein weiter Schritt. X. - Da der Verfasser des Briefkastens auf einer Reise in Italien sich befindet, und mehrere Briefe verloren gegangen zu sein scheinen, so muss derselbe wegen Ver-' nachläasigung seiner Korrespondenz um Entschuldigung bitten.

Seele sind, die nicht bloss einen, sondern verschiedene

Körper hat.

Was die Unsterblichkeit betrifft, so ist es wissenschaft-

lich bewiesen, dass es in der Welt keine Vernichtung von

Stoff und Kraft, sondern nur Veränderungen von deren

Erscheinungen giebt. Es handelt sich somit nicht um die

Frage der Unsterblichkeit der Seele, sondern darum, dass

die Seele das Bewusstsein ihrer Unsterblichkeit erlangt;

denn etwas, das der Mensch nicht empfindet und nicht

weiss, hat auch für ihn keine Existenz, und alle theoreti-

schen Beweise für dessen Vorhandensein haben nur einen

problematischen Wert.

C. J. G. in N. — Ich verwerfe weder die meta-

physischen Schnurrpfeifereien, noch die philantropischen

Bestrebungen, noch den blinden Autoritätenglauben. Es

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dass der Mensch

hat jedes Ding auf der Welt, am rechten Ort, seinen

Nutzen; aber von alledem bis zur Theosophie ist noch ein

weiter Schritt.

X. — Da der Verfasser des Briefkastens auf einer

Reise in Italien sich befindet, und mehrere Briefe verloren

gegangen zu sein scheinen, so muss derselbe wegen Ver-

nachlässigung seiner Korrespondenz um Entschuldigung

bitten.

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