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Národní knihovna ČR Historické fondy 34
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Národníknihovna
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in
jojo
Kloiber ,
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Vic .
Ari
eines rechtſchaffenen
und thátigen
Chriſtenthumss unter dem Bilde eines chriſtlichen Bürgers und gottſeligen Pilgrims
abgemahlet , bon Doctor Johann
Valentin
Andreå ,
einem ehemaligen berühmten Würtembergiſchen Theologen ,
und nun , zum Dienſt und Förderung des wahren Chriſtenthums aus deſſelben lateiniſchen Schriften geſammelt unb
618
Deutſche
überlegt , jest ,
auch einigen
andern
gemeinnüßlichen
Auszügen
zum Druk befördert.
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ERSITNI
Im
Jahr
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mit
1775
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1
i Vorbericht .
M an úbergibt hieinit dem Wahrheit - und Gott
ſeligkeit liebenden Leſer eine teutſche Ueberſegung einer
fateiniſchen Schrift , die der rechtſchaffene Würtembers
giſdy
V or berich to
siſche Theolog D. Johann Valentin Andred vor
mehr als
150 Jahren unter dem Titul :
Civis chri
ſtianus, five peregrini quondam errantis reſtitutio
nes , herausgegeben hat. 3
um die
evangeliſch
Sein Großvater war der
lutheriſche Kirche
hocyverdiente
D. Jacob Andreå ; und gleichwie dieſer ſich alle Mühe
gab , die Reinigkeit der evangeliſchen Lehre zu erhals
ten , ſo beeiferte ſich ſein Enkel die im Leben und in
der Kirchenzucht eingeriſſene Mängel und Mißbrauche
aufzudecken und ihnen abzuhelfen .
Er war hiezu mit
ausnehmenden Gaben , mit ſeltener Weisheit , Scharf
Finnigkeit und Menſchenkenntniß , ausgerüſtet.
Auſſers
dem brachte ihm feine Kenntniß der Mathematik und
Mechanik , die Gnade vieler fürſtlichen Perſonen , beſons ders
Voşbericht .
+
ders des weiſen
Herzogs Auguft von
Braunſchweig
und Lüneburg , der über 900 Briefe mit eigener Hand
an
ihn geſchrieben , zuwegen .
Er wurde in ſeinem
Vaterland nach und nach zu den vornehmſten Kirchen ,
åmtern , zum Specialat in Calw ,
zur Stelle eines
Hofpredigers und Conſiſtorial - Raths , zur Abtey Bes
benhauſen und Adelberg , befðrdert, und auch in den
wichtigſten Angelegenheiten auſſer Lands verſchikt. Dies
fe Aemter verwaltete er meiſtens in den betrübten Zeiten
des dreyſſigjährigen Krieges , da er felbft viel Ungemach,
Raub und Lebensgefahr ausſtehen mußte.
In ſeinen Schriften , die jeßt ſelten worden ſind ,
Dringet er mit vielem Geiſt und Eifer auf das rechtſchafe
fene,
Borber ich to
fene , thátige Chriſtenthum , entdecket die verſchiedene
Hinderniſſe , die ihm von allen Seiten her im Weg
ſtehen , wie auch die groſſe doch meiſtens unerkannte
Mångel und Fehler , in allen Ständen , und ahndet
ſie mit einer nachdrücklichen Freymüthigkeit und mit
geiſtlichem Salz.
Hingegen zeiget er die ſchöne Ges
ſtalt des achten Chriſtenthums in den lieblichſten Ges
måhlden , und ermuntert durch dieſelbe zur Nachfolge
JEfu Chriſti auf den Wegen der Verläugnung ſeiner
felbſt und der Verſchmåhung der Eitelkeiten dieſer Welt.
Auf dieſe Weiſe war er ein Mitarbeiter des fel. Johann
Arnden , der mit ihm zu gleicher Zeit lebte , und ar
beitete
dem
ſel.
D. Spener ,
in
manchen Stů :
den vors
In
11
Borberid
to
In der gegründeten Hofnung , daß beſonders dies
re Schrift auch zu gegenwärtiger Zeit mannigfaltigen
Nußen ſchaffen , und wegen des ausnehmend geiſtreichen
und angenehmen Vortrags
mit Vergnügen
geleſen
werden möchte, hat man ſich entſchloffen , diefelbe ins
Deutſche zu überſeßen .
Der Ueberſeker hat zwar geſus
chet ſo genau , als möglich , bey den Worten zu bleis
ben , doch aber jezuweilen einige kleine Aenderungen ,
mit Beybehaltung des Sinnes , vorgenommen , um
auch ungelehrten Leſern verſtändlich zu werden .
GOtt laſſe durch dieſe Arbeit den Geiſt und die
Kraft des wahren Chriſtenthums ber vielen ausgebreiter
werden ,
Bo'r bericht
werden , und reinige alle Rebert an dem wahrhaftigen
Weinſtock Chriſto , daß ſie immer
mehrere Früchte
}
bringen .
1
1
en
TU
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te
IN V.CO Pruten
I. Der
Bürger.
armer Pilger war ſchon lang durch unzähliche und ab: wechslende Frrthümer herumgetrieben und ermüdet , daß SI mir don Satan , ber Fürſt in dem Frrgarten der Welt , das Verderben brobete. id bin aber , der ich von mir aufgegana c
gen war , dürd GOttes Gnade wieder zu mir ſelbſt gebracht worden . Denn da ich mich anderswo , als ben mir ſelbſt fuchs te , und dasjenige was frinen zu finden wär , mit bielem Ums fladdern auſſer mir aufſuchen wollte , ſo bin ich endlich von GOtt , ber diß alleine thut , auf das Inwendige meineb Hera zens zurükgebracht wordeit. Da warb ich gewiß und zu meiner unbeſchreiblichen Freudė gewahr, das ich nun zu Hauſe, nicht mehr in der Frembe, ſondern als ein Bürger in der Heimat ſenė. Denn bà berſtund ich , wie der Urſprung meines Geiftes bon dem Odem Göttes, der Bau meines Leibes von der Hand Dttes , das neue Kindsrecht von GOttes Erbármen , die neue Zücht(ünterweis ſung) von der Gegenwart GDttes Herrúbrė. Das heißt : So ſabe ein , daß ich GDtt und nicht dieſer Welt angehöre. Ich hatte alſo nicht nöthig Gott und göttliche Dinge anderswo als int Dem Dempel des Herzens zu fucbert , zu erfragen und zu bers nehmen , der uns als die bleine Welt mit ſolcher Weisheit atta gebros
22
I.
Der Bürger.
geordnet und begabet hat , daß wir ein vollkommenes Abbild von dem groſſen Welt : All ſind , und eben ſo viel Wunder in uns haben, als dieſes. Denn da zeigt ſich ein ins klare gebrachtes ( veriůngtes ) Muſter von dem groſſen Weltbau GOttes , Lewes gungen im firmament , Erſchütterungen auf dem Erdboten , unterſchiedliche Kräften
und Abwechslungen , vornemlich aber
Streit , wie auch Chriſti Dazwiſchenkunft und Vermittlung. Hiedurch wird ein Menſd ), der ſich kenner, mit unaufhörlider Betrachtung der aller ſchönſten Dinge erfüllt , daß er den Zus ſammenfluß und Ausgang aller Dinge in ſich als dem Mittel, punkt erblidet. Nur tſt es gar ſehr zu bebauren , daß eine To groſſe Menge Menſchen in der Unwiffenheit ihrer ſelbſt herums laufen , und eine nicht ſowol verhållte und koſtbare, als viel : mehr eine mit Schutt zugedeckte , in ihrem Gang gehinderte , ES ( chmukige und roſtige Maſchine (Uhrwerk) herumtragen. mag renn , daß es ihnen an der Zurechtweiſung fehit. Es ſind aber manche ſo taub und blind , daß ſie kein Schreyen bernehs men , und mit keiner Ueberweiſung zu gewinnen ſind. Dem fey wie ihm wolle , ſo will ich nach meinem Verſprechen mit chriſtlicher Aufrichtigkeit treulich und einfältig erzählen , was ich geſehen und gehört habe. Ich war noch voller Zittern und Entſegen bor dem Drohen des Satans , als mir eine ſtarke und lebhafte Stimme von hins Siedurch wurde ich gleichſam mit ten zurief: Stehe auf. neuer Straft belebt , daß ich auf meinen Füſſen ſtehen konnte. Als ich mnich nun umſahe, rufte ſie zum andernmal , komm und da ich zauderte , ſo hieß es gleich drauf: Hinterſich. Hiemit wurde id ) ganz umgewandt und herumgefehrt, oder viele mehr in mich eingekehrt . Darauf präſentirte ſich mir bey bals bem licht eine pråchtige Capelle. Sie war niedrig , hatte ein enges Thürlein , und konnte nur wenig and dunkles Licht durch einige Riken hereinfallen .
Als ich dahinein gegangen war , ſo war mein Geſicht blode , als es ſich aber erholte , nahm ich zuerſt
I. Der Bürger.
3
zuerſt unterſchiedliche Halb vermoderte Tugendbilder wahr , wor. an die Mahler - und Bildhauer : Kunſt fchlecht war , und welche die Gerechtigkeit , Måßigkeit, Standhaftigkeit, Klugheit und dergleichen vorſtellen ſollten . Sie waren meiſt an Gledern vers ftümmelt und zerbrochen , als ob ſie eine Verbeerung bey feinda lichem Einfall ausgeſtanden håtten . Ich fahe auch auseinander geriffenre Räder und Crayſe von einem Uhrwerk , das den Hime meldlauf vorgeſtellt hatte , und einen Kaufen von allerhand Nina gen und Aren und ein Geſtreu von Zähnen . Dieſe Stücke was ren verinuthlich Ueberbleibſel von einem ſehr ausgeſonnenen Ges måcht , daß es kein Künſtler wieder in Stand zu ſtellen vers mochte. Ferner fahe ich auch Flügel , die die Federn verlohren batten , zerbrochene Steigråder, zerſpaltene Rollen ', lauter Ane zeigen von einem groſſen aber Fehlgeſchlagenen Unternehmen , welches alles ohne Belehrung nicht zu errathen war. Ich vers wunderte mich über das verſchiedene und feltfame Auſſehen dies ſes unbrauchbaren und verdorbenen Gerümpels , und wußte nicht, zu was Ende dieſer wunderliche Haufen zuſammengekom: men wäre. Doch war dieſer Ort nicht flinkend , als wie vors malo die Sammern der Welt , ſondern rod) nach etivas liebſts ches und angenehmes , er erregte auch kein Grauen , ſondern floffete Erquicung und gute Hoffnung ein , ſo daß id ) ohne Bano gigkeit und getroft die zerſchiedene Gemahlde betrachtete, und mit gröſter Zuverſicht erwartete, was mein Lehrgeiſt ferner mit mir vorhåtte,
II.
Chriſtus.
Jelch unausſprechliches licht erſchien mir prößlich ? Dent Weld durch das Gewölb der Capelle fam eine Perſon herunter , welche zwar nach threr menſchlichen Geſtalt , Fleiſch und Gliedmaffen uns durchaus gleich fahe , aber der Klarheit nach offenbarlich Weil dieſer um und um glänzte , io erfüllte er die Capelle mit einem ganz andern Licht, dadurch mir dass jenige, was mir bisher verborgen war , klar und offenbar würde. A 2 Sier GOtt ſelber war.
4
II. Chriſtus.
Hier ſchimmerten die Tugendbilder als wie der reineſte Cryſtalir und in dem Glanz waren ſie fünſtlich und wunderbar anzuſehen . sa fie fiengen gar an ſich zu bewegen und zu leben , und war nichts mehr an ihnen verſtůmmelt , alles zeigte ſich in der gros ſten Vollkommenheit. Die runden Crayſe fügten ſich ineinans der und machten ein vortrefliches Uhrwerk aus , deffen Umlåufe die Bewegung unſrer Welt zum Erſtaunen ausdrüfte , und ein Bild von der göttlichen Regierung darſtellten . Es blieb auch nichts übrig , an dent man nicht Vollfommenheit und hands greiflichen Nußen wahrnehmen konnte , daß man bekennen muß Der gerreldte Gotts te , es reye alles då und inangle nichts . menich aber war mit einem weiſſen Zalar bekleidet, und hatte ein Buch und ein Creuz in der Hand , mit welchen Stúden ei den Menſchen eine Vorſchrift zum Erfenintniß und Bandel ge : ben wollte. Dieſe Vorſdrift ſollte den Menſchen um fo viel ans nehmlicher ſeyn , weil jenes ben weitem nid )t ſo groß war , als die Geſetbücher in der Welt , dieſes aber ungernein leichter, ale die Balken der Weltlaſten , dann és konnte ein Kind ſowol eines als das andre mit der Hand faffen. Sein Ångeſicht war zwar blikenb , doch konnten menſchliche Augen es anſehent, es war auch nicht ſchródlich ſondernt belebend (erguidend). Laitter Liebe breitete ſich do son aus , und es war ein Bild einter in der delt nie bekannt gewordenen Holdſeligkeit , ſo daß idi Bà erft mit Scham erkaante, es ſene diß der Mann , den die Welt ihren 28a derwärtigen und ihr Widerſpiel nennet , welchen fie mir mit fo vielen falſchen Nachreden , Erzehlungen und Argwohnt, als eia nen Reichtfertigen verhaßt , als einen Wahnwißigen låcherlich als einen verdrieblichen Menſdenfeind abſcbeulidi und fürchters kd zu machen getrachtet hatte. Dieſer nun , der die Gelindig teit ſelber , die Sanftmuth ſelber , die Gnade ſelber ift , redete mid alſo an : So kommſt du doch endlich , mein Sohn und Brus ber , und willt das einmal thun , was du långſt vou mir gehöret baſt. Denn da ungåhliche meinen Namen wiſſen und bekennen , ro
1
1 II . Chriſtus.
5
fo wandlen doch die wenigſte demſelben gemäß.
Chriſten find
piele , aber wenige , in denen Chriſtus iſt Viele tragen ſich mit dem Evangelio , aber wenige tragen das Creuz nach , weil ſich die Welt beredet , es ſeye genug , wenn ſie meinen Willen wiſſen . So umarme und herze ich dich nun , und verbinde dich mir das hin , daß du fürderhin auf mich als den Erſchienenen ſeheſt, meine Stimme höreſt , meine Lehre annehmeſt , meine Werke nachthueſt , auf meinen Wink merkeſt ,
in meinen Fußſtapfen
nachfolgeft, ineinen guten Rath in Acht nehmeſt , meine Sebote befolgeſt , meine Thaten beſchaueſt , meiner Gedult nachahmeft, daß dụ mich bey dem Verſchonen liebeſt, und meine Schlåge ertrageſt ; nemlich daß du weder mein Buch ohne das Creuz , poch mein Creuz ohne das Buch , 0. i. meine Lehre ohne mein Exempel und feben beſitzeſt, und mir mit einem unaufldslichen Siebesband verbunden reveſt , wovon dir dieſe überſchwengliche Frucht erwachſen wird , daß du nach der Schande Ehre , nach dem Schmerzen Freude , nach der Arbeit Ruhe, nach der Arms religkeit unvergångliche Schåbe ewig beſikeſt. Hiemit reichte mir Chriſtus ſeine rechte Sand, und indem er die meine ergrief, purde ich von gåttlichem Thau ganz durchdrungen und gereini get, auch mit himmliſchem Manna gelabet. Woben er noch über mich ausſprach , daß ich nun ſein Eigenthuin reyn , heiſs Ten und bleiben rolle. Ich aber fühlte keine Angſt mehr wie vormal in der Welt, ſondern war von kindlicher Freudigkeit ganz beiter , und ants wortete : Nehme mich hin, JEſu mein König ! und befreye mich von der Welt , fage mir deinen Millen und ſchenke mir dazu das Vermögen . Gebiete mir wie du wilt , und verleihe, daß ich geborche , lege mir auf was du willt , und gib, daß ichs tras gen könne, Uebe mich , wie du willt , und reiche mir die Kraft tazu dar. Was du zu befehlen baft , das wirke in mir , und ges biete, wie es dir gefällt. Teveſt.
Id will nidits ſeyn , damit du alles
Indem ich diß redete , ſo erweiterte ſich die bisher enge # 3
Ca
6
III.
Die Menſchenliebe.
Capelle , und wurde zu einem prachtigen Lempel , mit vielen Sallen , erweitert , welcher ein vollkommenes Abbild des Hima mels ( firmaments , Weltbques ) war.
III. Die Menſchenliebe. E *: war leicht zu ermeffen , daß dieſer Tempel von Einem Baumeiſter da reye, und alles drinn auf Eines hinausliefe. Denn wie in der alten Fabel eine groſſe Menge Menſchen an dem Munde des Herkules gehangen ſeyn ſollen , alſo ſahe man hier, daß das ganze menſchliche Geſchlecht durch zarte Retten mit dem Herzen GOttes verbunden war. Denn dieſes iſt jener Mittel: punkt der Barmherzigkeit , welcher von Ewigkeit das Lamm GOttes zur Veridhnung des Sündeufauls Adams beſtimmt hat. Es iſt der gnadenvolle Rath , wodurch alle Glaubige zu Gna: den kommen .
Es iſt der Gipfel der Liebe , welcher fich freywil :
fig zu uns neiget und herabfåßt. Es iſt das allerweiſefte Gea richt , welches die unwürdige und würdige unterſcheidet. ' ES fchiene mir alſo das Herz GOttes ein Magnet voll ewiger Rrafs ten zu ſeyn , welcher die in Chrifto geheiligten , und auf Nadeln des Glaubens ſchwebenden Seelen auf der Eeite an ſich zog , mit der ſie ſich an dem heiligen Stein angerieben hatten , und alles von ſich fließ , was von der Welt : Befteckung beſudelt und ans geſtedt war. Daher hatten alle Seelen einerley Richtung , und fchauten alle nach Einer Gegend , dieweil nicht jeder ſeinem eiga nen thüridyten Kopf folgete , ſondern alle von geheimer Regies rung getrieben , und gegen Einem Ziel gerichtet wurden. Eben ſo war auch ihre Bewegung nicht natürlich, ſonſten waren fie unter fich gefallen , wie man in der Welt alle Augenblid fieht, fondern übernatürlich , ſo daß fie nun durch die Kraft der gørtika chen liebe wider ihren Willen wollten , und über ihr Vermögen konnten. Denn wen eine heilige Liebesbewegung treibet, der ift fidh ſelber ein Kåthſel , und kaun daher weder ſich ſelber noch andern von ſeinem Zhun und laſſen Urſache angeben , ſondern wird
III . Die Menſchenfiebe.
7
wird bey Befolgung der göttlichen Anregungen ſo hod) erhaben , baß es über alle Vernunft iſt. Ben dem hat das Fleiſch nichts zu gebieten , vorzuſchreiben oder zu fordern , auch nichts zu růh . men , ſondern es kommt alles dein zu , welcher das menſchliche Geſchlecht mit unbegreiflicher Zärtlichkeit geliebet und wieder mit fid, vereiniget hat. Indem ich dieſes betrachtete, fabe ich, daß mander Seelen
Kettelein zerriſſen , wodurch die Menſchenliebe höchlich betrübt Denn wenn es mit einem nicht recht fort wollte , oder
wurde.
er ſich von Welts Hafen fangen ließ , oder gar widerſpenſtig war; so wurden die Gelenke der chriſtlichen Vereinigung zerſprenget. Daher ſtürzteu folche entweder in den Abgrund , oder behiengen eine Weile im Kothy, oder blieben in groſfer Entfernung zurüde. Doch wurden auch einige aufs neue angeheftet. Denn das it GOttes Weiſe, daß er niemand verſäumt, niemand wegwirft, er thue es fidh dann ſelber , und widerſtrebe ſeiner Hülfe und Denn das einige , was er bort Wiederberufung halsſtarrig. und fordert, iſt , daß wir folgen , für das andre forget er ſels" ber , und bringt als der beſte Steuermann aud) die zum Port , welche den Weg går nicht wiſſen .
laß es alſo renn , daß uns
die Welt für blind , taub und ſprachlos hålt , da GOtt felber uns kein ſo weites Geſicht, zärtes Gehér , oder geläufige Zunge zumuthet , und es bey der Reiſe zur Seligkeit mehr auf einen demåthigen Gehorſam als auf fürwißiges Klügeln ankommt. Es laßt fich auch foldeb um fo ficherer im Reich GOttes als bey der Welt beobachten , weil GOtt feine Staatsyuheimniffe hat , wo wir unwiffend dienen und gleichſam etwas fremdes trets ben müßten . Sondern alles iſt in dem Kunſtgriff der Liebe vers faßt , wodurch er úns endlich von uns ſelber befreyen , und für ſich ſelber wohl verwahrt behalten , auch aus der Welt ausfahren , und in den Simmel verſammlen will. Nun iſt , under , daß fo wenige Chriſteu dieſe unermebliche Wohlthat idätzen , und ſich nicht den Himmel , ſondern allerhand Abſichten und Stele bora 4
reken ,
IV , Gattliche Inwohnung .
feben , ſo lang der Gebrauch dieſer Zeitlichkeit, oder vielmehr die Friſt dieſer Gefangenſchaft wäbret ; da man pielmehr den Welta geſinnten die Welt , den Irdiſchen die Erde , den Eitlen die Eis telkeit , den Sterblichen die Sterblichkeit åberlaffen , und von den erſten Jahren bis an den lezten Hauch ſeinem Beruf, der uns zum Himmel einladet, loďet und antreibt , mit allem Ernſt und Urbeit nachjagen und nachringen ſollte. IV . Göttliche
Inwohnung,
It fand bier, daß die Trâtfal te gråte Seigteit,nichts wiſſen die größte Beisheit, nichtß haben der groſſeſte Reicha thum ſene. Denn denen das Glüd will, die den Wie zum Beyftand, und den Gotdklumpen zum Iroft haben , find am übele ſten dran.
Sie ſind mit Scheingütern überhåuft, und haben
vom Wahrhaftigen nichts .
Daber ift derjenige erft GDtt ans
ftåndig , welcher von allem Irbiſchen entblößt iſt, und das Himme liſche ergreift. Das heißt : man muß unwiffend werden , damit man Gott erkenne; alber, daß man 3Dtt ſchmecke ; armi, daß man GOtt beſige. Wunder! daß wir ſo emfig nach denis jenigen ſtreben und drüber wadzen , was von GOtt trennet uno Um ſo ſchlimmer iſt die Welt , weil ſie diß nicht þeteng
abhålt.
met , ja gar die zum Simmliſchen dienende Wahrheiten dahera heuchelt.
Hier wurde mir ganz was anders gezeiget, denn da
ich einen unjablbaren Qaufen Pilgrimme rahe , die zum Himmel panderten , ſabe ich , daß vor dem Zbor die ſtrengſte Unterſuchung gehalten wurde , welcher fich einer nach dem andern unterwerfen mußte. Denn man ſchåttelte ihnen nicht nur die Kleiber aus , ob teine Heuchelen drinn verſtedt påre , und durchſuchte die Bündel , ob nichts verboteneo drinnen måre , ſondern welches gar ungewonlich , ſelbſten das Eingeweide , Kopf und Herz wura den ausgeleeret, daß nichts von Fåulniß GQtte ſeinen Wohnplak entwerhen möchte. Wiewohl nun dieſes ohne fchmerzliches Ges fühl nicht abgieng, ſo wurde doch mit himmliſchen Arzneyen ſo treflich
1
IV . Göttliche Inwohnung. treſlich begegnet , daß eß offenbarlich mehr zur Stärkung als Scwachung des Lebens ausſchlug. Und dann kam api die Stela 1 le der wohlriechenden Salbe eine ſobe, ( elu heilige Feuer) welche den Menſchen augenblicklich verånderte. Nun fieng er an fich felbſt zu perwundern , wie er bisber den Geſtant håtte vertragene ja gar hoch halten können , und über ſeinem Unſinn zu lachen , daß er ſeinen Leib mit ſo piel unnůbem Plunder beladen håtte. Ferner daß ein ſo lieblid Wunder im Augenblick vorgieng , ders gleichen die Welt keine aufzuſtellen håtte ; und daß aus einem ſo unförmlichen Weſen ein herrlich Gefäß wurde. Daj Unmune dige alle Redkunſt übertråfen , Hirten die Klugen untermeiſeten , Fiſcher die Weltweiſen åberführeten , kayen diç Uusgeſchulten unterrichteten . Das heißt : daß die Eiufalt zur Weisheit, die Schwachheit zur Uebermacht, die Armuth zum Reichthum wurde Es iſt der Mübe werth , anzuhören , wie viel Rühmens Denn da fich die piejenigen machen , welche GOtt beſiken , Menſchen über entlebnetem Erdenkoth erheben , dergleichen fino fehrjáze , Bekanntſchaften , Hiſtorien , Moden , Complimenten und dergleichen Kinderſpiel; ſo haben die GOtt holden gegrant dete Urſache, fich ihrer unvergånglichen und ewig Daurenden Gús tern zu rühmen . Wer demnach Gott hat, entbehret gerne die 1 ganze Welt ; wer GOtt fennet , will gerne von der ganzen Welt nicht wiſſen ; wer GOtt fchmecket , bat gerne Edel an der ganzen Welt ; wer GOtt zum Erſak hat , verachter gern die gang ze Welt ; wer GOttes Gnade erfährt, kan die ganze Welt vers ( achen ; wer GOtt liebt, kan die ganze Welt haffen ; wer GOtt nachfolget, kan die ganze Welt dahinten laffent; der ſich Gottes Hülfe bedient, kan die ganze Welt überwinden . Dieſe Sache ift um ſo feltſamer , weil nichts pon denen ſcheinbaren Dingen , auf welche die Welt einen Werth legt , dabey ift; fondern lauter Dinge, die einfältig , niedrig , armſelig , påſter und foomählich ins Geſicht fallen , von denen man eher glauben ſollte , daß fit
1 von der Welt zu bezlachen , alę zu fürchten , und eher mit Mita # 5
leiben
10
g IV . Göttliche Inwohnun .
leiden, als mit Beneiden anzuſehen ſeyen. Denn die Welt pflegt fich aud) GOttes , des Himmels , Chriſti, des Evangelii zu růh . men , aber ſo, daß fie das Weltweſen , das iſt das Erånzlein der Eitelkeit, mit beybehålt. Woraus man deutlich fiehet, daß alles lauter Larven , Bilder und Blendwerk fene, was von auffen ein Anſehen der Gottſeligkeit hat , im innern Weſen aber lauter Nichts und Greuel iſt.
Denn wenn man GOtt hat , und die
Eeligkeit getroſt erwarten kan , das iſt ein ſo groſſer Schak , daß mau keitær weltlichen Cerimonien , Moden , Lebensmittel und Ehren Namen bedarf; eine ſo ſtarke Schußwehre , daß die Welt nichts mehr beytragen oder abbrechen kan ; ein ſo vollkommenes Leben , daß es der ganze Weltlauf nicht ſchwächen , tobten und zernichten kan ; ein ſo erhabener Stand , daß ihn der gauze una weite Weltraum nidt faſſen fan .
V. Wahres
Weſen .
Sennoch will Gott die Seinigen nicht ſo aus der Fterblichen Verfaſſung berays Teßen , daß fie fein Geſchäft oder Schuls
digkeit mehr haben. Sondern er reket fie vielmehr zu Steinex des Anſtoffes in dieſer Welt , daß fie faſt in ihrem ganzen Leben jedermans Aergerniß ſind . Damit ſie nun davon keinen Nachs theil leiden , iſt mit einem beſondern Mittel geſorgt.
Es macht
nemlich der gåtige Schöpfer feine Angehörigen ins -Viered oder gleich einem Würfel, daß fie fich überall hinwerfen laſſen , und dod, allemal gerade auf ſich ſelber liegen . Man mag alſo einer wahren Chriſten kehren und wenden , wie man will , ſo iſt er Er ſchågt den Reichthum To wenig als die Die Ehre achtet er nicht höher als die Schande. Er
fid immer gleich. Armuth.
nimmt mit allem gleich vorlieb , und iſt ihm alles recht, wo er nur GOttes Hand und Willen erkennet. Denn von den 28ra tern Glück und Unglückt , womit ſich die Welt tråget, weiß er ganz nichts. Alles hålt er får erſprießlich , was von gåttlicher Verfügung herkommt.
Man mag alſo den Chriſten zum Herra oder
{
V. Wahres Wefen .
II
oder Knedit, zum Lehrer oder Schüler , zum reichen oder armen Mann machen , ſo wird er allemal heitere Mienen und ein gelezt Gemüth an fich blicken laſſen . Denn er weiß , daß das nicht į
irdiſch iſt, wornach er ſich ſehnet ; er denkt aber , daß auch die in der Gefangenſchaft ſind, manchmal etwas miteinander vors nehmen , Zeit und Kummer zu vertreiben , wobey es gleich gilt, wie einen das koos trift, weil alles in Vergleichung mit ſeiner Soffnung von geringem Werth ift.
Und gewiß ! man muß die
Thorheit recht weit treiben , wenn man ſeine Glückſeligkeit in den engen Zeitraum dieſes Lebens einſchrenket. Denn die Ewiga teit wird alles Gegenwärtige verſchlingen und nur unfre Thors heit zur Beſchamung aufbehalten . Da werden wir beſtraft wers den , daß wir uns in dem Augenblick unſers Lebens fo viel um Ehre und Hoheit bekümmert und gefrånfet haben.
Wein aber
das , was GOtt beſcheidet, Reichthums genug , und der Rang, ben ihm Gott gibt , Ehre genug iſt , der iſt über den Abgott des Glåds weit erhaben , und ſicher , vergaffet ſich nicht an den Aſpekten des Himmels , und bekümmert fich nicht um das irdis fche Unwetter , weil er gewić weiß , daß ohne GOttes Zulaſſung nichts geſchieht, und ſeinen Willen nichts hindern kan , und daß weniger als nichts dran liege , was wir hier får einen Namen haben , oder was wir für eine Figur machen ; an dem aber feye höchlich gelegen , was wir einmal in GOtt lern oder nicht ſeyn werden. Doch habe ich bey genauerer Betrachtung der gewürfelten Bildung der Chriſten , unterſchiedliche Zeichen an ihnen wahrges nommen. Unter dieſen waren aud ) Cronen und Zepter , ulid wurde ich belehret , daß dieſe Zeichen wichtige Dinge bey den Chriſten zu bedeuten haben.
Denn weil eine Geſellſchaft und
Gemeinſchaft unter uns nothwendig iſt, ſo iſt fehr viel daran ges legen , daß wir nicht nur in innerlicher Gleidheit des göttlichen Sinnes zuſammenflieſſen , ſondern auch unter einem vorzüglichen , mit göttlichen Gaben ausgezeichneten, Oberhaupt zuſammen get faßt
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faßt werben .
V. Wahres Weſen .
Unter folchem Oberhaupt fou der Gottesdienſt
Aufs lauterſtę gepflegt, der Wandel auf& rechtſchaffenſte einges richtet , die edelſte Pfropfen junger Gemåther nachgepflanzt, und zu dieſem allen die tüchtigſten Arbeiter gebraucht werden . Hier tan Ein Rechtſchaffener pielen wadern gut fommen , ſie zur Ges meinſchaft mit GDtt fördern , und die Geſellſchaft der Chriſten mit unzählig himmliſchen Gaben bereichern . Denn weil viele die Eabe von GDtt baben Gehorſam zu leiſten , aber nicht alle ja die ipenigſte die Gabe wohl fürzuſtehen , ſo werden durch jobs che peiſe Perbindung , welche jedesmal augenſcheinlich von obens her gekrönt wird , die berrlichſte Güter ans Licht gebracht, und in fchone Harmonie geſtellt , ja gemeinſchaftlich benutet , welche ſonſt immer pergraben blieben. Øuß der Urſache hat GOtt le mancherley Gnadengaben ausgeſtreut, pamit ¢ Saus Gottes oder die heilige Stadt von der wunderbaren Zerſchiedenheit und Manigfaltigkeit eine Zierde bekåme , und jeder Bürger gemeins Ichaftlichen Genuß und Nußen davou håtte. Aber wehe der Welt. welche meiſtentheils den Sinn GOttes verkehrt , und Reichos Anſtalten macht , an denen nichts Himmliſches zu ſpühren iſt , wodurch alles Gute zu Boden getreten und zu Grunde gerichtete po die chriftliche Freyheit ins Joch gezwungen wird , und wo unverantwortliche Zügelloſigkeit , Stolz und Fleiſchebluſt das ganze Weſen ausmacht. Daher iſt kein Wunder , daß die rede lichſten Leute ſich der Regimeute . Bedienung entſchlagen , weil das gemeine Weſen ben jekigem Verderben in der Welt meiſt dem Fleiſch und nicht dem Geiſt folgt, meiſt mit Worten und nie mit Thaten umgeht , meiſt der Eitelkeit , und gar wenig dem Wahrhaftigen nachſtrebt , meiſt dein Teufel und felten Gott aufrichtig und (auterlich dient.
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VI. Engliſche Wacht. , daß nichts ſo verlaſſen und allem Obwohlen es aber ſcheint Unſtern ausgeſezt feye , als das Håuflein der Frommen ; So
VI. Engliſche Wadst.
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Yo hab ich doch geſehen , daß ihre Schuzwehre alle Veſtungen übertrift. Es war mit einer feurigen Mauer umfangen . Als id dieſe in der Nähe betrachtete , fabe ich , daß fie lebte , unb aus viel hunderttaufend Engeln beſtund . Denn da des Zeufels Geſchmeiß ſo mächtig iſt , fo konnte die Chriſtenheit nie ficher fest, wenn nicht jenes durch folchen Wall abgebalten , und in Doch tann Fein Reich der Finſterniß zurük geſchlagen würde. niemand ergründen , wie ſchlau und liftig es um die Stadt der Heiligen herumftreift, und wie unermüdet es allen , die fich aus der Mauer herauswagent) zuſezt. Daher iſt durch die Gnade Götteß jedem ein eigener Wådter , den man den Schuz: Engel 'nennt , zugegeben . Durch dieſe werden die Einfältigen treulich gewartet , wo eine Gefahr , Strid , Grube , oder Hinterhalt vorhanden iſt. Keine treuherzigere und aufrichtigere Gefährts Daft iſt zu erdenken , als dieſe. Denn da fie alte auf Chriſtum den Mittelpunkt der Liebe gerichtet ſind, fo lieben ſie alle Chris ſten auf dåb zärtlichfte , und haben die hädaſte Freude an ihrem Woblergehen . Daher wünſchen ſie dem meuſchitchen Geſchlecht Glük über ihren hohen Ehrenſtand , daß der höchſte Gött Menſch worden , oder das Wort Sleiſch warð.
Man hat ſich aber
zu húten , daß man fie nicht beleidige durch Unſauberkeit , dentt auf Reinigkeit und guten Gerud halten dieſe Geiſter ſehr viel. Daher verabſcheuen ſie die fündliche Befleckungen ſo ſehr , daß fie ſolchen Leuten ihre Geſellſchaft und Geleit gånziich entziehen . Und wer weiß nicht, daß beb groſſer Ungleichheit keine Gemeins fcbaft möglich iſt, und diejenigen , die gewohnt find Gött zu ébren und zu lieben , Gott zujuhdrei und ihm nachzuahmen unter denen nicht ſeyn mogen , die ſeinen Namen fdhinden Solcher Wahn hat viele betrogen , da ſie ſich die göttliche Letbe wache mittett unter den Befleckungen verſprachen , und nicht bes dachten , daß uns albdenu der Šatan am meiſten zukórne , wenn wir mit garſtigen Schandthaten die Beywolnung der Engel von uns gejagt haben. Cine
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VI.
Engliſche Wacht.
Eine andere beſondre Wohlthat dieſer heiligen Geſellſchaft iſt nicht zu verſchweigen .
Denn ich habe wahrgenommen, daß ſie nicht nur vom Boren abmahnen , ſondern auch zum Guten
anreiten , und es eingeben , und daß ſie in den tøftlichſten (vors nehmſten ) und verborgenſten göttlichen Geheimniſſen Unterricht geben .
Denn weil die heiligen Engel von keiner Hülle deb Fleiſch;es verhindert werden , und Gottes Angeſicht ſchauen , ro kan ihnen von allem , was ein andåchtiger - und Wahrheit s ſúa chender Menſch erwünſchen kann , nichts berborgen ſeyn . Und diß iſt eine höhere Sdule , als alle Sdyulen auf der Erde , weil
man da nur von denen Folgen den Gründen nachgråblet , und nadı Muthmaſſungen urtheilt , ſo geſchikt, als der Blinde der dem Sonnenlicht. Sie aber theilen dasjenige, was ſie in Gott felber beichauen , den Menſden mit , wenn es der höchſte Ges bieter zuläßt , und offenbaren auch auf ſeinen Befehl zukünftige Dinge. Diß iſt eine Sache , welche alle menſchliche Weisheit in Erſtaunen ſezt, wenn ſie ſiehet , daß einem bloſſen Mens ſchen die Veränderungen des Erdbodens offenbar ſind, und er ben Ablauf vieler Jahrhunderte voraus weiß ; daß er vorauſſies het , und zwar namentlich zukünftige Könige der Welt und groſſe Häupter ; die Trůbſalen der Kirche; die Vergiftung durch den Antichrift; die Abwechslungen des Lichts und der Finſterniß , weldjes alles teine Sternkunde oder Wahrſagers Scharfſichtig .
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keit hatte ergründen können .
Sa man entdekt auch durch ſols ?
che lehrmeiſter geheime Dinge in der Natur , welche mitmenſch : licher Emſigfeit' ſich nie håtten gewinnen laſſen , und erhält kunſtreiche Erfindungen , mit welchen der Menſch oft úber ſich ſelber hinauf- und faſt in den Himmel ſteigt. Alle dieſe Dins ge ſind gewiß ſo koſtbar , daß das menſchliche Geſchlecht Gott niemal genug danken kann , daß er es ſo aus dem Staub erhos het , mit ſo vielem Sduz verſehen , und mit ſo vielen Vorzügen begabt und geſchmůkt. Wer diß nidht erkennt und verachtet , der macht ſich felbft von den göttlichen Gaben und Wohlthaten to B
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VII.
Wahrheit.
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loß , und ſtürzt ſich aufs neue in die ſchlammigte Zunft ( Claſſe ) der Beſtien ,
VII.
Wahrheit .
un war es Zeit , auch die beſondere Ståde der heiligen Nur Stadt zu betrachten . Hier kam vor allen Dingen vor die Burg der Doahrbeit. Sie war von dem feſteſten und hela leften Diamant aufgebaut , und nach dem Winkel alle Wege gleich abgemeſſen.
Mitten hatte ſie einen
unüberwindlichen
Zhurn mit der Aufſchrift : GOttes Ausſpruch , und drey Thos re , mit den Namen : pergangen , gegenwärtig , zukünftig , bezeichnet.
Andere wunderbare Stücke ſind nicht alle zu erzeha
len . Man ſagte mir aber , die Burg ſeye noch eine Fungfrau , ob ſie fchon åber tauſendmal belagert worden , denn es fenen die ſtärkſten Armeen an ihr zu Schanden worden. Doch Tahe man an ihr keine ſonderliche Baſtionen , auſſer Linfalt und Ges radbeit. ( Regelmäßigkeit :)
Kunſt und Zierde war ganz weg
gelaſſen. Ich bin erſtaunt , als ich geſehen habe , wie man hier alles haarſcharf nach Glauben und Gewiſſen tbut , wie eins fåltig und richtig man durchgångig in der Sprache iſt, und wie kurzer Proceß ben allen Geſchäften iſt. Daher iſt mir die Wahrs heit , womit die Welt ſich brüſtet , immer verächtlicher worden , alb ich mich ihres Gewirres , Weitläuftigkeit und Falſchheit erin: nerte . Was braucht man ſo viel Weſens ? die nađete Wabra heit iſt ſicher genug. Wer ſich auf dieſe verläßt , der ſpührt keinen Feind , wie grimmig man auch mit Rohrſtåben gegen ſeis mer ehernen Mauer anlauft. Denn wer die Wahrheit zur Bruſte wehre hat , dem werden aller Menſchen Geſchrey und fügen keinen Fußbreit abgewinnen . Ja man droht auch dem vergeb. lich mit dem Zod , welchen die Wahrheit belehrt hat , daß er unſterblich reve. Denn es iſt ihm eine Freude auf folche Weiſe zu fiegen , und das Leben im Tode zu finden. Da nun die Wahra heit alle Worte auf die Wage , an den Strich und in Verhør nehmet , und alío Berwirrung und Widerſpruch herausbringt ,
ja
VII.
Wahrheit.
ja endlich gar wegwirft; lo håret ein Chriſt Gottes Stimme, iffet, verbauet und verwendet ſie ins Geblåt , erfährt aud defe ſen Süßigkeit , und hat Stårkung und Nahrung davon. Daher muß er jammern, daß die Welt nach ihrem verdorbenen Geſchmat dergleichen was nicht einmal koſten , geſchweige ertragen kann , und aus einein falſchen Vorurtheil dasjenige berſchmåhet, was die Zunge der Frommen als das Šdimakhafteſte befindet, und mit ihrem Zeugniß über alle irrdiſche Niedlichkeiten erhebt. Ude Inwohner dieſer Burg ſind unmittelbare Unterthanett GOttes. Nach dieſer Reichsfreyheit haben die alten Weltweiſent bergebens getrachtet. ſten.
Sie iſt aber nur ein Vorzüg bor Chris
Denn da man alles am Menſchen ſpännen , bannen und
unters Foch bringen kann , nur das Herz nicht; ſo haben zwar die Weiſen der Welt ſich unterfangeni, felbiges ledig zu erhalten . Sie ſind aber ſchåndlich frre geloffen , und Étlaven des Wahns geworden , der ſie eben ſo niederträchtig gehalten hat.
Chriſtent
hingegen ſind zwar im übrigen Kinecite, ſie übergeben aber das Herz GOtt , um es frey zu haben. Durch deſſen Gnabe ges nieffen ſie in der Veſtung der Wahrheit die eigentlichfte Freys beit , und erkennen keinen Dberberrn , ais Dtt allein . Daher toinmt es , daß fie bas Droben der Welt berlachen , ihre Boto måfigfeit nicht aufkommen laſſen , und ihre Schmeichelevent überhören. Daher halten ſie alles deufferliche ganz gering , da fie wiſſen , daß man ihnen ihr Inwendiges nicht wegnehmen kann : daher ſind ſie atlenthalben widfährig und nachgebend, nur von dem Vorrecht ihres Herzens taffent fie fid nicht abtreibeat . D ſeelige Leibeigenſchaft , welche alle erſinnliche Freyheit übers trift, da dasjenige , was den Menſchen auótnacht, hür Gott dient , im übrigeti alles an ihme Frey und lebig ift i Ø unglüts ſeelige Freiheit , welche alle erdenklidié Šklaveret åbertrift, då ber Menſch nur fich GDttes entſchlåget, und ſonſt alles an ihnt unter hartern Bann liegt ; Wenn man nemlich deti Creatureti dient, über die man herrſchen ſollte, und fich wider GDtt ema
pdret ,
VII . Wahrheit.
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påret , dem man unterthan ſeyu ſollte! Dieſer Gipfel des menſch: lichen Elends , oder Unſinns iſt um ſo fürchterlicher , da er uns ro unvermerkt zuſezt , und uns jene wahre Ungebundenheit des Herzens unter dem Schein einer Freyheit zu entreiffen trachtet. Laßt und demnach nie keinen Fuß aus der Schanze der wahrs beit hinaus reken , weil dieſelbe alle Rånke zumahl zu Schau. den macht! laßt uns aber allein deffen Gebote anhören , wels cher uns Gebote 311 geben befugt und im Stande iſt, und doch nicht gebietriſch handeln will , ſondern vielmehr mit offe :tbaren Anzeigen bewieſen hat, daß er uns als ſeine Freygelaſſene mit freundlichem Umgang und Liebe , welche Gegenliebe wirket , behandlen wolle. Und wer wollte ſich noch weigern ein Hausa genoſſe und Fyeund GOttes zu ſeyn , da es beſſer iſt ein Leibeis gener GOttes zu ſeyn , als ein Beherrſcher des Weltkrayſes, VIII.
Das Evangelium.
Es iſt in dieſem Sdiloß eine Tafel von purpurfärbem Edels ſtein zu ſehen , welche mit Gottes Finger geſchriebett , und vom Himmel herab gegeben iſt. Evangelinm oder Gnadenzeugniß.
Dieſe nennet man das Auf dieſer ſind alle lehren
in zwey Hauptgeboten verfaßt : Glaube und Liebe. Das erſte hievon hålt uns unſre Sündenkrankheit vor , welcher nicht ans ders als durch einen unendlichen Arzt geholfen werden konnte . Dieſer iſt uns zugeſendet worden nach einem neuen Bund oder Teſtament , welches Gnade verheißt imd ertheilt allen die den Schmerzen ihrer Krankheit wahrhaftig fühlen , und die allgemets ne Arzney zuverſichtlich gebrauchen. Ich habe die Proben da. von mit Augen geſehen , da eine groſſe Menge bedrangter und unter allerhand Gebrechen ſeufzender Leute fich herbey machte , und ihren unglütſeeligen Zuſtand wehmüthig berpeinete.
Hier
fahe ich Thränenbåche, ernſtlide Scham und Beugung und eis me ans dem Grund d.s Herzens aufſteigende Reue. Weit enta
ei fernt , daß hier die Zunge nur ſo obenhin geſchwind was daher ichnats
VIII . Das Evangelium .
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fchnatterte, lo ſtieß vielmehr die Bruſt tiefe mit Schlukſeni untermengte Seufzer hervor , daß mehr das Herz redete , als der Mund.
Das aber war vor andrem merkwürdig , daß fie
alle mit groſſer Zuverſicht herzu eileten , und niemand , der auch die verzweifeltfte Krankheit hatte , in die Arzney einen Zweifel fezte. Und da der Wunderbalſam dem Anſcheinen nach ſo bit: ter war , daß manche Schwache ihn nicht ſchienen einnehmen zu können , ſo brachte er doch keinen um das leben , ſondern er reinigte jedem den Leib aus , daß die Lebensgeiſter ermuntert Denn der himmlis und die Leute bald darauf geſtärkt wurden . ſche Arzt hatte den aus ſich ſelbſt zubereiteten Myrrhentrant als ſo eingerichtet, daß er für alle Naturen taugte, und bey jeders mann bittern E&el an den fleiſdlichen Lüften erivekte. Zum verwundern iſts , wie vollfonimen die ganze Natur nach Übfüh : rung dieſer (fåſte ) durch die Stärkung des Glaubens herges ſtellt werbe. Denn da wird die Abainiſche Haut abge !egt , der
lufjar? ein , die Glieder bekominen ihre Fertigkeit wieder , daß der neue Menſch oder ein völlig zurechtgebrachter Chriſt hervorkommt ja grünet und lebet. Hierauf folgt das
neue Gebot der Liebe, welche erkennet,
daß fie nicht allein Gött alles ſchuldig , ſondern um ſeinetwils len auch allen Menſchen verpflichtet rene. Denn wie ſollten diejenige , welche über alle menſchliche Ståndé erhaben find, nicht auch etwas beweiſen , das über die allgemeine Weiſe der Sterba lichen gehet ? und da aller Weltweiſen Lehrſåle ihre Unhånger durch eine beſondere lebensart auszeichnen , wie ſollte es Chrifto allein nicht frey ftehen den ſeinen ein ungewöhnliches , jedoch aber fanftes' und leichtes Geſetz aufzubården. Diß iſt die Liebe. Die angenehmſte unter allen Pflichten die Bont dein Menſchen gefordert werden können , welche aud zur Ruhe der Seelen die vorträglichſte iſt. Denn was Neid und naß für eine Laſt und
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Folter ſeye , das weiß niemand zu ſagen als der éb erfahren hat ; Mad
VIII. Das Evangelium .
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Das für Vergnügen aber in der Liebe ſeye , das ift nur ben Chria ften bekannt. Alſo haben alle , welche ſich zu Chrifto bekennen , und in der Gemeinſchaft Gottes ſind, das Malzeichen der Lies bé , womit ſie nicht nur Freunde , ſondern auch Feinde, bittere Feinde , unverföhnliche Feinde umfangen . Denn då man unter der Sonne nichts elenderes und nichts erbårmlichers ſehen kann, als einen gottloſen und verdammlichen Menſchen , ſo iſts in alls weg billig , daß die chriſtliche Sanftmuth mit dem Bruder Mita leiden habe , und ſeine Bosheit , die ſich ſo leicht reißen låßt , auf alle Weiſe mäßige . Bey folcher Uebung wächjet immita telft ein Chriſt, und er läßt fich eben nicht ſowohl aus Abſcheu und Forcht vor der Schande, vom Bdſen abhalten , ſondern er
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gewöhuet gerne ſelber ſeine Schultern durch Dulden und Ertragent zum Guten, und erwartet darüber die Entſcheidung (Urtheil) vont Gott. Es iſt im Gegentheil nichts lieblichers als die Liebe, die Guta geſinnte gegeneinander haben . Denn welche Einen Chriſtum gemeinſchaftlich unter fich habent, und deſſen Gnadengaben mit einander genieſſen , haben gerne auch die übrigen Negebengabert oder Vorzüge in dieſer Welt miteinander gemein , und richten den Gebrauch dieſes Lebens alſo ein , daß die vorhandene Gu :
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ter die einem zugehören i allen zu gute kommen , das leiden aber ſo einen trift auf alle umgelegt werde , und keinen zu viel drůđe. Alſo tråget einer des andern Laſt , und wird das Geſetz Chriſti erfüllt , welcher diß einige ſucht , wornach 'wir uns ſels ber beſtreben ſollten , daß wir friedfertig und ertråglid berſama men leben und uns recht wohl befindet.
IX . Gute Art. a aber unſer Verderben einen ſo gewaltigen Drieb hat , daß es, ob ihm auch ſchon der Bau fehlt, gleichwolen übers al ſündliche Sproſſen hervortreibt ; To find wir Gött hódyſtens berbunden , daß er , um uns féelig zu machen den ganzent Cindenbaum abwirft , und ganz friſche Reiſer ' von guter Urt
IX . Gute Art. in den Stamm einpfropfet. Das iſts ; was ich geſehen habe; das fteinerne Herz wurde weggenommen und ein fleiſchernes ges geben , die Nebenſchoſſe der Bosheit wurden abgeſchnitten und die Pfropfen neuer Tugenden ſorgfältig unterhalten und bewah: tet . Hierinn beſteht die neuteſtamentiſche Beſchneidung , da man nicht nach dem fragt , was das Fleiſd ) eingibt , ſondern was der Geiſt vorſchreibt, nicht was die Welt will , ſondern was Chris ſtus gebietet .
Es iſt daher vergebens , wenn die Welt das recht:
ſchaffene Weſen nachåffen und damit prangen will, weil ihre Wurzel und was daraus kommt, ganz böſe iſt. Ohne Urſach aber iſt ein Chriſt blöde ; ' weil er alles Gute , ſo bey ihme auss ſchlågt, nicht Bon ſich ſondern von fremdem Saft hat. Alfo wird auch die Welt nimmermehr beweiſen , daß ſie guter Art feye ; Ein Chriſt aber wird ſich des Ruhms enthalten. Genug, wenn er von der Welt nichts zu lernen verlangt , und er fich ge gen Chriſto und ſeiner Lehre in nichts weigert , als dem es als lein zukoinmt, die Pflanzen zu ſetzen und die Früchten einzuneh : men. Es mogen dann diejenige , die heut zu Tage elle Freyheit zu fündigen mit ihrer Sdywachheit entſchuldigen , zuſehen , ob fie Chriſto auf ſeine Erinnerungen und Antriebe zum Guten keinen Gehorſam ſchuldig ſeyen . Sie mögen, da ſie durch fremdes Perdienft erkauft ſind , zuſehen , ob ſie zu allen Laſtern zugleich berechtiget ſenen . Die ſich nur immer über die menſchliche Una „ vollkommenheit beſchwehren und anklagen , mögen zuſehen , ob uns nicht nach der Wiederherſtellung durch Chriſtum die Ehr: barkeit und Måßigung aufgegeben ſeye. Die nur nach dern Beltbrauch ſich richten , mögen zuſehen , ob Chrifti Regal teis neb. Gehorſams werth ſeve. $ Schande der Chriſten , die ſich mit dem Dekmantel der heilſamſten Worte verhüllen , doch aber durch Schand- Thaten ſich verrathen , die auf die chriſtlichen Vorrechte nur deßwegen Verzidit thun , damit ſie auf heidniſche Weiſe leben dörfen ; die ſich alles rechtſchaffenen Weſens ( Sonduis te) entſdlagen , damit ſie ſich wegen ihrer Bodheit rechtfertigen Fons
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IX . - Gute Art.
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können ; ja die ( teber quch die neuen Kräften läugnen , die thetts: von Chriſto eingeſenkt, und theils durch die Gemeinſchaft mit rechtſchaffenen Leuten unterſtüzt werden , nur damit feine Schule digkeit für ſie in Abſicht auf einen heiligen und tugendhaften Wandel herauskommen ſolle , und ſie dißfalls frey ausgehen mos gen . Biele leben alio , daß es ihnen ſelber ein Verdruß iſt e die Kirche aber ſich ſchåmt, und Chriſtum es jammert, daß fie Chriſten find. Viele Chriſten leben ſo , daß e6 beffer wäre , fie waren weit von allen Chriſten entfernet. Ich meyne aber die Urſache entdekt zu haben , warum ſie ſogar keine Luſt zur Gottſeeligkeit haben . , Denn als ich mich genau nach altei umſahe , ſo mußten alle , die ſich zur Gottſees ligkeit bekannten auf Verfügung des höchſten Regiments eine . Narrenkappe aufſetzen , weil es der Weltlauf ſo mit ſich brach : te , daß ein jeder , der hier weiſe wäre , auch ſeine Plage hatte. Ib ich nun gleich ſehr vielen angeſehen , daß ſie die vortreflicha fte Gaben befaſſen , kamen ſie doch der Welt ganz verrüft und ſo
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närriſch vor , daß mau fie offentlich und überlaut verlachte.
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Weil nun dieſes nicht jedermann gelaſſen aufnehinen kann , und viele die Welt durch gewiſſe Perſtellung zu hintergehen trachten ,
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ſo betrügen ſie ſich ſelbſt übel. Denn eben das verlangt Gott , baß die Seinige ſolchen Schimpf ſich anthuy laſſen ſollen , weil dermaleinſt Ehre genug auf ſie wartet , das Gelächter der Welt aber ſich in ein greuliches Heulen endigen ſolle. Diß ſind nun die Namen die aber erdichtet find , welde den rechtſdaffenen
Chriſten ohne allen Grund beygelegt werden : fie müſſen ſich nachreden laſſen , daß ſie Tippel , oder wahnwitzige Aufwiegler und unerträgliche Leute ſeven , und das ſo lange , bis die Lügen und das Unrecht vor dem Richterſtuhl ( rifi an den Zag kommt, und er die Urſacher ſolcher. Scheltaamen mit Schain åberzeuget, Wil einer diß nicht auswarten , und kein Uurecht ertragen , ſo ift er gewiß ein zärtlicher Chriſt , der das Malbzeichen Chriſti Denn wer ſollte glauben daß der Chor der Måra Þ 3 tyrex
gering achtet.
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IX.
Gute Art.
tyrer aus andern als aus lauter , nach der Weltſprache foges nannten , leichtfertigen Leuten beſtehe , da Chriſtus ſelbſt als der grøfte Miſſetbåter und Abſchaum des Volks mit der Todesſtrafe Belegt worden ? faßt uns deinnad ) , ſo viel unſrer das Werk GOttes treiben , daraus unſere Profeßion machen , daß wir uns wenig darum bekammern , wie th8richt und ſtinkend wir vor der Welt werden , und wie verhaßt , ichådlich , leichtfertig wir in ihren verkehrten Augen uns machen ! dann es iſt ja beſſer ſolche Narren zu heiſſen , daß wir gegen geringen Verluſt den hoch : ften Gewinn machen , als wenn wir an Eråbern dieſer Welt ůborflüßig reich würden , und die allerkoſtbarſte und unſchågbare Sache, nemlich die Crone der Herrlichkeit verlieren.
X. Gereztafeln , Suallewegehålt Gött feine Kinder als Kinder, das ift,ale Freygeborne , und Freyerzogene, doch nicht als Ungezogene. ér hat deswegen den Wohnplaz der Heiligen ( die Religion ) mit Grenzſteinen permarket , die , wie ich bemerken konnte , sehen waren.
Dieſe ſind aber einer ſo groffen Gleichheit und Billig
keit , auch der Natur ſo gemås , daß nichts vernünftigers zu fins den iſt, da hingegen die Weltgeſeke ganz unanſtåndige und die ungereimteſte Dinge fodern . Es iſt daher ein ſcharfes Geſek vorhanden , daß jeder Chriſt auffer Gott ſonſt niemand den Eingang verſtatten folle , weil Er die Stelle atter vertreten tons ne , ' und es auch in Guaden thun wolle; daß keiner mit ſeiner 1 Zunge wider GOtt frevlen oder ſich auflafſen ſolle. Daß nies mand die zur Seelenruhe ausgeſezte Stunden vergeſſen oder ftos ren Rolle ; daß keiner die Elterliche Wohlthaten gering achten , ( fie um ihre Wohlthaten betrågen ) daß er kein Menſchenblut effen , daß er den Ehebund nicht brechen oder die Keuſchheit entweyhen ( befleden ), daß niemand ein fremdes Gut beſiken , niemand der Wahrbeit im Weg ſtehe oder mit fågen Abbruch thun , tap niemand nach des andern Haus und Sof trachten , nies
X. Geſeztafeln.
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niemand auf des Nächſten Sab und Gut ( Hausrath ) lauren folle.
Diß ſind die Grenzſteine ,
womit die gemeinſchaftliche
Wohnung der Fronımen umfangen iſt, deren kurzer Inhalt iſt : ſich zu Gott balten und dem Bruder alles Gute gonnen. Auf dieſen Stüken fteht die ganze Religion und gute Policen , und wird hiedurch am glücklichſten gehandhabet. Denn wer GOtt von ganzem Herzen , von ganzer Seele , von ganzen Kråfa ten liebet , den braucht man nidit zu unterweiſen , auf welche Weiſe und wie oft er Gott verehren , anbeten und Shin dienen folle.
Denn eben tiefe Vereinigung und der willigſte Gehorſam iſt GOtt das angenehmſte Opfer , eben dieſe Uebergabe der Sees le iſt ein heiliges Geſchenk. Wer alſo ſeinen Nächſten liebt , wie ſich ſelbſt, bedarf keiner Policey.Geſetze , wie ferne er ihn nicht beleidigen , und ihm ſein Recht wiederfahren laſſen ſolle ; dann die , innere Zuneigung und das Gebot der Liebe lehren einen von felbft alles und weit mehr, als die Ehrbarkeit je fodern tan , wie viel Gutes man nemlid ) einem jeden zu erweiſen habe. Es zeigt das einen bộsartigen Menſchen an , der erſt nady dem Ses fez fragt , und das , was ſich gehöret , immer aus Urkunden ( Tafeln ) wiſſen wil , da uns doch der Finger GOttes im Hers zen vorweiſet, daß wir andern leuten eben das ſchuldig ſenen , was wir für uns ſelber verlangen .
Es låffet aber GOtt in ſeinem Reich nicht zu , daß Einer über alle Berrſchen , ſondern diß wichtige Geſchäft hat er mehre: ren anvertrauet. Denn da derjenige , der allen Menſchen vora . ſtehen ſolle , der allerbeſte und vollkonimienſte Mann reyn mußte, dergleichen man aber auſſer Chriſto nie keinen geſehen hat , oder feben wird , ſo folle der Titul eines Dberhaupts und Monarchen der Regenten : Titul Chriſto alleine bleiben , wir aber als unters ſchiedliche Glieder ſollen für das allgemeine Wohl aufs beſte und redlichſte ſorgen . Die Welt halte ſich immerhin ihreHäupter in welcher Groſſe und Menge ſie wolle. Hier in dieſem kleinen Reid) habe ich nichts dergleichen angetroffen , theils weil Ein $ 4
Menſch
X. Geſeztafeln .
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Menſch nicht im Stand iſt, ſo viele Dinge zu beſorgen , theils Es mag aber weil er gar ſchmerlich das rechte Maas bålt.
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weit beſſer ſeyn , daß , ſo lang wir das Fleiſch noch nicht abges legt haben , einer durch des andern ſeiu Unſehen ſich in Schran : ten halten , einer durch des andern Kräften fich fördern , durch feinen Rath regieren , durch ſeine übernommene Arbeit unters ftůben laſſe , als daß er wider das Gewiſſen viel von Vermogen, von Macht und Wachſamkeit , rühme. Es wåre denn , daß wir glaubten , ein Chriſt könne in dem Wahn ſtehen , er ſeye ſolcher Arbeit , die tauſend ſtarke Arbeiter ermüdet , alleine gewachſen , und ihm liege nicht viel mehr ſelbſten daran , daß er Mitarbeis ter bekomme.
Denn 'unſere Umſtånde ſind ſo beſchaffent, daß,
fo vortreflich) es auch immer dabey hergehen mag , wir doch ima mer nöthig haben , über unſere Mångel zu klagen und ſtatt des Vollkommenen und mit dem Unvollkommenen zu behelfen . Das her iſt ſehr viel daran gelegen , daß wir weder uns und unſere Angelegenheiten einem Einigen Maun anvertrauen und unters werfen , noch aud) Einer ſid) unterſtehe , die Sorge und Beſchis zung über alle auf ſich zu nehmen. Chriſtum haben wir viela mehr anzurufen , daß er uns mit ſeinem Wort regiere , und rechtſchaffene Mitglieder verleyhe , welche er ſelber zu - Aufnahs me der Chriſtenheit gebrauchen könne , und daß er uns ( geſchmeis dig) lenkſam mache , damit wir nicht dadurch , wann wir im Troz und Eigenſinn den Kopf ſeßen , ſelbſten aus unſerem Mite tel , Blutigel und Geiffeln GOttes , die alles treffen , erwecken , durch deren Grauſamkeit fodenn unſere Unmenſchlichkeit übera wunden und der böſe Senote durch einen harten Keil zerſpalten werde.
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XI , Einheit.
Es iſtGOttes, der nur Einer iſt , Wohlgefallen, daß da die Welt an viel verſchiedenen Köpfen und Meinungen ſich vers gnüget , ja gar aus lauter widrigen Partheyen beftehet, er felbft den Seinigen das Rid ;tſcheit der Einigkeit vorhålt , (die Einigkeit
gur
XI . Einheit.
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zur Regul gibt) , und alle nach Einem Winkel - Maas zuſams Ich rahe daher , daß Gott - geheiligte Menſchen men richtet. nach einem gewiſen Maas gemeffen wurden , damit bey jedem , was Uebermaas ware , abgenommen , oder aber beym Mangel zugeſetzt werden könnte. Alſo gar iſt bey GOtt ein pures Eins, daß alle ſeine Leute Einerley Gedanken , Einerley Willen , Eis Kerlen Glauben und Einerley Spradye haben , dieweil ſie von Eis nem Geiſt gelehret ſind. Man muß ſich auch wundern , daß unter Leuten , die einander nie geſehen noch gehöret haben , eia mer dem andern ſo gar genau gleich iſt , und beece einerlen Don nud Art haben , als obë Zwillinge wåren. Dieſe chriſtliche Lis nigkeit iſt das größte Geheimniß , und ein wirklid )es Vorſpiel der Ewigkeit, wo alles von Einem und gleichlautenden Geiſt Es iſt alſo Einerley ; was GOtt im wird berrichtet werden . alten und neuen Teſtament gewolt hat , und kommt beedes aufs genaueſte mit einander überein. Ein Meßias hat allen Kindern der Seligkeit das Leben und die Erbſchaft des Himmels erworben . Ein Lehrer , nemlid) der Geiſt, treibt und prediget der Gemeine Einerley vor , nemlich den lebendigen Glauben. Es iſt auch Einerley Comödie in der Welt . Was für Abwechslungen im merhin durch die Perſonen und Auftritte dabey vorfommen mo gen , ſo ſtellt ſich doch allemal mieder das vorige dar , und das zum Wunder unter dreverley Geſtalt. Diß hat jedoch Gott allein eigen , daß , wie auf ſeinen Befehl das Sonnenlicht auf: und nieder ſteiget , alſo aud) auf ſeinen Wilfen ſeine Werke bald mit dunklerem ( ichwåcherem ) bald mit hellerem Glan ; leuchten , bald auf: bald aber untergehen . Und gleichwie niemand dieſe Abwechſelungen hindern kan , alſo ſiehet fie nid )t leicht jemand ein , er reye denn von GOtt gelehret . Daher iſt die Mühe vers geblich , wenn manche die Finſterniß vertreiben , und andere den Glanz verhindern wollen , ja ſie ſterben über ihren Unternehs Nur diejenige ſind flug, die ihre Sadie mit GOTE mungen . , gemein haben deme es allein Frey ſiehet , die Seinige aus , une einzuführen. Seinem Wint folgen iſt das allerbeſte. B 5
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XI . Einheit.
Foh habe mich wundern müſſen , warum hier weniger deur Denn viele in der Welt über der Wahrheit geſtritten werde . bilden fichs gånzlich ein , daß GOtt ein groſſer Dienſt dadurch geſchehe, wann wir uns ritterlich über ihm herumzanken , und ſeine Sache durd, vieles Raiſonniren ( Verdunfts: Schlüſſen ) vere theidigen ; und gewiſſer maſſen iſt es auch nöthig wegen der Schwazhaftigkeit des Satans , wodurch er die göttliche Auss ſpråche in Zweifel ziehet. Allein es wäre ungemein zu wüns fchen , daß Maaß gehalten würde , und wir nicht ſelbſten ſtatt der Einigkeit uns in ſo viele Partheyen , uoch den für ein Wuns der hielten , der uns nod ) in mehrere kleine Theile zerſpalten tan.
Wenigſtens ſind meiſtens diejenige in der Thåtigkeit , die
Laulichſte, die im Diſputiren die hitzigſten ſind , und die das Chriſtenthum aufs ſtrengſte verfechten , verderbens in der That zum Oftern ( oder biffens ein) durch ihr taltes Weſen .
Ich has
be es deswegen heilſam befunden , daß die göttliche Lehre , die fchon an ſich ſtark und veſt genug iſt , gewiſſenhaft bewahret , und mit allem Ernſt ſo vertheidiget werde , daß ſie ohne Man: gel und Tadel an uns hervor leuchte. So werden wir unſere Snadenwahl beweiſen , wenn wir fein das Beſte wehlen ; unſere Laufe , menn wir den Bund nicht vergeſſen ; unfre Seligkeit aus dem Glauben , wenn wir Chriſto Treu und Glauben halten : wir werden darthun , daß uns Chriſtus wirklich ſpeiſe und tråns te , wenn wir uns an ihme erſättigen , und daß wir von dem Antichriſt frey reyen , wenn wir uns unter kein Jody begeben , oder einer den andern mit neuen Laſten niederdrückt. Denn es iſt ja eine verkehrte Weiſe zu diſputiren , wenn wir das behaup ten , was in all unſerem Wandel ganz fremd iſt ; verkehrt , wenn wir diejenige durch Streiten hinwegiagent, die wir håtten berzuführen , und durch Ueberzeugung der Wahrheit herbey locken ſollen ; verkehrt , wenn wir den Aberglauben der Einfältigen mit þöſen Worten verbeſſern wollen , den man durch rechtſchaffenen Wandel und Nachahmung des fanftmüthigen Chriſti zür wahren Relis
XII . Harmonie. Religion einlenken ſollte.
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So brennen viele unter uns vor Hite,
iſt aber nichts dahinter , und idüßen zwar immer die Sache GOttes für , dienen aber in der Zhat unter dem unmäßigen Eifer dem fleiſchlichen Affect', der Ehrſucht oder Ungedult oder Molluſt. Beffer würden wir thun , wenn wir andern das Guter fo wir ausüben , und die Wahrheit , die wir glauben, darthåten .
XII. Harmonie . o kan ſich dann jeder einbilden , welch ksftliches leben dies jenige bevſanimen haben , die in GOtt Eines ſind. Much mehr wird man aber diß eingeſtehen , wenn man die von daher entſtehende Harmonie zu hören bekommt.
Denn da hat die Welt
nichts ſo wohlgeſtimmtes , als wo der heilige Geiſt ſeine Orgel ſpielt, und durch die Vermiſchung der verſchiedenen Gaben ein göttliches Lob ( Lled) ertonen ( abſingen ) låßt. Denn wie dieſe þåueriſche Welt , wann ſie frolocket , ſo viel fie Hålſe hat , ſo bielerley Hunds- Geheul und Efels : Geſchrey und Ochſeu -Gebrüll und dergleichen widrige Mißklånge hervorbringt ; alſo ſtimmt hingegen der Chor frommer Seelen alle ihre Kehlen zuſaminen zu Einem heiligen loblieb , und ſingt liebliche Melodien in den Dhren GOttes. Die Sache verhålt ſich alſo , daß wir Chriſteit alle , die wir auf dem Erdboden wohnen , als Glieder eines Reis bes , ſchuldig find , alles was wir haben Zur Erhaltung , Nah : rung und Verſorgung der ganzen Gemeinſchaft anzuwenden . Es iſt auch unleidentlich , daß etliche alles genug haben , die meis ften aber faſt Hungers ſterben , daß etliche oben ſchwimmen , die meiſten aber zu Füſſen getreten werden , daß etliche ausgeſchuhlt werden , die meiſten tumm bleiben daß etliche ruhige Tage has ben , die meiſten aber hart ſchaffen ſollen . Wie ſoll mir das eine Proportion und kluge Einrichtung unter Chriſten heiffen , Daß die er zu allem Wohlleben gebohren ſein folle , und jeue ibe Leben hinbringen ſollen ohne dem gemeinen Weſen nuk zu ſeyn ? ein andrer aber feines Fleiffes und Mühe ungeachtet nid )t folle aufa
28
Xit. Harmonie .
aufkommen können ? daß dieſem jede Uebeltħat frem ftehe , jener aber nidyt einmal fich rechtſchaffen hatten dörfe ? Iſt das nicht eine Barbarey und fein Chrifienthum ? denn das Chriſteuthum will , daß man die zeitliche Güter alſo verwalte , daß ihrer mehr das gemeine Weſen als wir ſelber genteffen . Gott will an uns Haushalter haben , die dran denken , daß wir eine deſto ſchwerere Rechenſdaft geben müſſen , je mehr wir Güter empfangen haben. Daher ſoll der Edle deſto tugendhafter , der Vermögliche deſto freygebiger , der Gelehrte und Kunſtreiche deſto nzunterer 'und fertiger zum Lehren und Arbeiten ſeyn ; alle aber ſolleu darinne einſtimmig ſeyn , daß wir mit geringeren Pfunden deſto gröſſern Gewinn für die Sache des Chriſtenthums verſchaffen , und auch mit den kleinſten Gaben etwas unendliches im Himmel erwudhern , Ich kann nicht verſchweigen , wie ich auch hier etwas ſelts fames wahrgenommen habe . Denn obgleich die Chriften Einen GOtt , Eine Taufe , Einen Glauben haben , und alſo alle uns zertrennlich miteinander verbunden ſind ,
habe ich doch wahr :
genommen , daß einige durch eine beſondere Allianz gleidſam zuſammen geſchmolzen waren , nicht nach Art eines antichriftia den Kitts , oder weltmåßiger Zuſammenrottirung, ſondern durch Gleichheit der Gemüther und übereinſtimmender Denkungs -Art. Diß nennte man die chriftliche Vertraulichkeit .
Ste waren
durch Chriſti Vermittlung auf gleiche Abſichten , auf gleiches Geſud) vereinigt, und beſtrebten ſich einſtimmig nach einerley Sadhe , und dachten einmuthig nur auf die Gottſeligkeit und Woolfabrt der Seele.
Daher legten ſie die von GOtt jedem
ertheitte Gaben in einen gemeinen Schat , und was Einer hatte, bas gehörte allen , was alle hatten , gehörte einem jeden . Und biß alles gieng in ſolcher freyen und frengebigen Handreichung zu , daß man båtte ſagen mögen , es feyen lauter Herren , ob ſie gleich alle gegen einander Dienſte wechſelten . Hie war Gleichs beit mit Unterſchied des Rangs , zerſchiedener Rang mit Gleichs beit , willige Ehrerbietung und ehrerbietige Wiufáhrigkeit .
Und in
XII. Harmonie.
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in der That bauchte mich daß ſie ſich eine leichte Haushaltang machten , weil nie Ein Mann zu allem ja kaum zu vielem Ges fdåſt zu eicht, wenn nicht viele mit ihm für Einen Mann ſtehen . Solche Einigkeit bringt am meiſten Wiffenſchaft , Reichthum und Srirle. Denn obgleich die Welt ſich mit groſſen Córpern brůs ftet , ſo fehlt doch überall die innere Zuſammenſtimmung , wel : che alleine Chriſtus geben kann, Da ſind Steine ohne Kalch , und eher ein Haufen Spreu , als ein veſter Bau . Hier aber iſt Chriſtus der Mittelpunkt, die Chriſtenheit der Umkreis , die Chriſten ſind die Strahlen , die auf Eines zuſammenlaufen , und nach eben demjelben (Umkreis) ſich erweitern , ſo daß alles , was Chriſtus gelehrt hat , zum gemeinſchaftlichen Gebrauch anges wandt, und der ganze Umfang der Gemeinſchaft in Chriſto dem Haupt zuſammengefaßt wird.
XIII. Seeligkeit. Es iſt nun Zeit, auch das Innerſte des Heiligthums zu bes ſchreiben . Diß iſt das höchſte Gut. Und zwar iſt es philoſophiſche Hirngeſpinſt, welches man zwar billig jenes nid) t das Meiſterſtůck der menſchlichen Vernunft nennen kan , ſondern es iſt der Inbegriff göttlicher Gnade , und der Beſik der Seeligs Chriſtus ber weiſefte Lehrer nennet diß Eeit im Inwendigen. das Himmelreich , wenn nemlich ein Menſchen Herz unendliche Schåbze göttlicher Gnade in ſich eingeſchloſſen , und als eine Hins Es iſt ein unausſprechliches Vergnügen , folchen Schåben nachzuforſchen und ſie auszulegen . Denn Gott hat einem andåchtigen Herzen einen verjüngten Himmel anvera traut , welcher erſt wahre Genage bringt. Die dieſen befigere, terlage ben ſich tråget.
1
find vollkommen befriediget , und können niemal über Mangel klagen. Daher haben einige al ihr Gut am dieſe Perle aufges opfert, und würden , wo es GƏtt forderte, eben ſo gerne ein trdiſches Königreich drum geben . Andere , welche mit dieſem Kleinod begabt ſind , haben auch ihren Leib preiß gegeben , und
find 1
1
!
XIII. Seeligkeit.
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fiud eben ſo bereit geweſen , einen tauſendfachen Lob åber fick ergehen zu laſſen , wo ihnen die Welt ſolchen anthite. Noch andere , die mit dieſem Edelſtein beſeeliget ſind , haben ſich ſelber
) vergeſſen , und ſind in die Verniditung eingegangen , und haben ſich ſelbſt in die Gottheit verſenket. DiB iſt jene Süßigkeit. Wer ſolche foſtet , den kann keine Motluſt reizen , keine Traurige teit niederſchlagen , keine Verführung beſtriden , kein Drohen ſchröcken , keine Ehre auf blaſen , feine Märter entfråfren ; ja das beſte Leben kan ihn nicht ergóken , und der hårteſte Tod nicht ångſten ; er hat allezeit Gutes genug in ſeinem Inwendigen , und ſiebet fich ſonſt nach nichts um . Es mag in der Welt drunter und drüber gehen , oder gar alles zuſammen fallen , ſo ſagt er , das gehe ihn nicht an ; denn weil ihm der Himniel gemiß iſt , ſo iſt all ſeine Sache in Sicherheit. Gewiß ein glüts licher Reichthum , den keine Macht übermogen , keine Liſt ents wenden fan ; welcher mit wunderbarem Wechſel alles , was in der Welt iſt , bald in einen Punft zuſamenfaßt, bald aus einem Punft unendlich ausbreitet , daß niemand weniger einſam heiſſen tan , als ein Chriſt in ſeiner Einſamkeit , weil ihn der Himmel begleitet! Nicht ohne Grund iſt die alte Meinung des Prato , daß Alle Dinge in dem Menſchen liegen , und ſich nach und nach entwickeln , vermittelſt des Unterrichts .. Denn ſo iſt es in der Zhat , auſſer daß aller Greuel in dieſem böſen Abgrund verbors gen iſt, und bey weniger Veranlaſſung ausbricht; da hingegen nirgend kein Gutes fich zeiget , man werde denn durch gåttliche fråfte bethauet. Wo aber Chriſtus das Herz erneuret , und zum Unterricht geſchickt gemacht hat , ſo kommt in dem ganzen Bücher - Vorrath der Welt nichts ſo manigfaltigeß oder ſcharf Finniges vor , das nicht in dieſem Serzensborn enthalten wåre , aus welchem ſich unerſchöpfliche Både von Kúnſten , ffene ſchaften , Erfindungen und Betrachtungen berleiten , und zu grofs ſem Nugen über den Chriſtenſiaat ausbreiten laſſen .
1
Dieſer Lebenos
XIII,
Seeligkeit.
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Pebensbrunn feßt die Welt in Erftaunen , wenn ſie fiehet , daß immer neue gåttliche Geheimniſſe und Wunderthaten hervorflieſs fen , und doch die reiche Ader , welche keinen Zufluß von dem Es iſt ja eine Meer threr Eitelkeiten bedarf , nie verſieget. wirkliche Gattung der Dürftigkeit , wenn man alle Weisheit mit Augen und Ohren auffangen muß , und nichts aus dem Schat des Herzens hernehmen kann . Und ſolche Armuth iſt in der Welt allgemein.
Man rehe nur das Bettelhafte Nachåffen im
Thun , und höre die zuſammengeſtoppelte Worte im Reden , Wenn mans am beſten gemacht hat , ſo iſtå fremdes Zeug 'und nichts Eigenes. Man hat noch nicht gelernt, aus jeder Speis Te einen Nahrungsſaft zu machen , daher iſt wenig Verdauliches auf die Bahn gekominen . Allein die Welt hat ihre Kinder ſchon ſo gewöhnt , daß ſie nid )ts unvorgekåuet eſſen , und ihr Leben mit Plaudernt und Nachplaudern zubringen. Hingegen GOttes Kinder verwandlen alles in Geift, was ſie anrühren , daß es nun eine neue und ſonderbare Geſtalt bekommt. Denn die Inwohnung GOttes iſt jener geſeegnete und wunderbare Stein der Weiſen , welcher nicht nur alles Unreine durchläutert und verwandelt , ſondern auch unendlich vermehret.
XIV ,
Der Tröſter.
Adeine dieſe Dinge zu lernen gehöret eine höhere Schule und ein Lehrei aus der Höhe. Dieſer iſt ber heilige Geiſt ; welcher ſich den holden Namen , Tröſter , gibt , damit er ſich Don dem unreinen Gott- und Trauer - Geiſt unterſcheide. Hier geht es ohne Weitläuftigkeit und Anzüglichkeit, womit ſonſten der Fürwiß , wie billig , abgefertigt wird , her , ſondern denen , die ein heiliges Verlangen haben , wird eine gerade Schnur oder Wegweiſer, vergönnet. Nidit mit blofſen Muthmaſſungen oder Weifſagungen , ſondern mit Grundfågen und Ueberzeugungen geht man hier zu Werk. Hier zünden keine ſchwache Kerzen ſondern eine heilige flamme beteuchtet alles. Man bedienet Fit
teio
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XIV. Der Tröſter.
keiner angeloffenen Glåſer ſondern guter Augen , welche den Sonneuglanz ertragen , und alles durdydringen , wenns noch ſo feſt wåre . Hier hier muß man ſeyn wie eine abgezogene Schreibs tafel, welche keine Weltgeſtalten , feine irrdiſche Flecken und Zeichen , keine ſataniſche Brandmale auf ſich habe , ſondern durch gørtliche Reinigung geweyht , und zu heiliger Lauterkeit gebracht Tege, daß ſie der Worte des höchſten Schriftſtellers fånig ſene,
1
und ſolde ben allen Fällen präſentire. le weiß die Welt gar nid )ts.
Von dieſer Pfingſtſchu :
Doch mad ) t ſie viel Rühmens
von allen geiſtlichen Dingen , ' und vermiſſet ſich , alle göttliche Verborgenheiten zu erklären . 2Die gut ihr das gerathe , da mag ſie ſelber zuſehen. Wenigſtens wer nirgend als in der Weltldus le gelehret, der bringt gar zu kalte Worte , matte Gedanken und blöde Gründe vor , daß es gar nicht von GOtt gewetſſaget heißt. Sene heilige Glut muß da feyn , wovon der Menſch erwarme , und alſo glühende Koblen vom Altar GOttes voro
. bringe , wenn man der Kirche etwas mitzutheilen hat , von den Dingen die über die Einfälle der Welt gehen.
Weil hiezu wes
nige tüdtig ſind , ſo ſollen Wir , die wir weiſagen , uns nicht wundern , wenn man viel wilde Sprachen von unterſchiedlicher Mundart hårt.
Es wird aber doch eine Zeit kommen , und o
daß wir ſie bald fehen , da ſich Gott ſelber vernehmen laſſen ſich ſelber offenbaren , ſich ſelber erklären wird , und die Dede der Augen wegraumen , daß wir deſſen klares Licht anſchauen , deſſen Schatten wir nun berühren , da werden wir vollfommen wiſſen , was Goit mit allen Buchſtaben geſagt habe , weil er ſelber und kein andrer der Rebrer reyn wird.
Dieſes Lehrere Schülerin iſt unſer Gewiſſen , welches ſid ) darſteller und alles in Geheim bejahet , ſo ſtart als tauſend Zeus gen. Wenn die übrige Menſchen dieſes ſchlecht bewahren , lo iſt ein Chriſt zårtlich dagegen und nehmt es aufs genauſte in Dbacht , ja er håret auch ſeine geheimſte Sprache. Au unſer Thun offenbaret ſich bey uns ſelber gar deutlid) , ſo ſehr wir es mit
XIV .
33
Der Tröſter.
mit äuſſern Schein und mit Heuchelworten ſchminken möchten . Wir empfinden unſre Schwachheit, Unwiſſenheit , Dürftigkeit und leeres Weſen , oder mit Einem Wort unſre Eitelkeit, (Nichts) und doch unterſtehen wir uns , es nicht ſowohl andern , als uns ſelber abzuläugnen .
Ja auch die Gottloſigkeit dhåmet ſich iha
rer ſelbſt, wenn das Gewiſſen dagegen zeuget. Sie hat den eis higen eléinden Vortheil , ficky žu ihrem Schaden durchzuhelfen , daß ſie das Bellen des Gewiſſens zu ftillen trachtet.
Dahero iſt
uns erſt alsdénn ſeeliglich gerathen , wenn der Geiſt ein folgjant Gewiffen findet, welches mit Ueberzeugung ſiehet und bekennet, daß die gåttliche Gebote liebenswürdig , und für die Seelé heila ſam ſind , die widerwärtige Zeugen mogen dagegen ſchreyen , wie ſie wollen , und daber Muth faffet , Gott zu gehörden , ungeachtet der Widerſpenſtigkeit des Fleiſches .
Denn fürwahi
man muß ſich ermannen zu bem , wozu der Geiſt einmal angea trieben hat, und nicht zandern , bis jenes innere Zeugniß voit
1 Wahrheit und Redit unter allerhånd Weigerungen geſchwächt wird. Man muß wageni wozu ſich die Seele unter der Leitung des Geiſtes getrieben findet , daß es nicht unter der faulen Hitle Des Fleiſches erſtickt.
Man muß unternehmen , wovon mant
Durch göttliche Gebote und himmliſche Beweggründe überzeugt ift , damit nicht Zeit und Gelegenheit dazu unter unſerm Beſinta nen und Kaiſonniren hiuſchwindé. Denn wenn es irgend ſchåbe lich und ſtråflich iſt , eine Gelegenheit zu verſäumen ; wenn es
1 1
$
jemalen thöricht iſt , eine erwünſchte Sache mit Zaudern zu bers berben , ſo iſt gewiß alles Aufſchieben bey Göttes Werfen , die von unſern Gewiffen ſchon als recht und gut erkannt ſind , im höchſten Grad ſchlimm und thỏrichts
o 1
XV.
Gerechtigkeit
Niemat hat jemand imforft Oüttegedienet. Ütlenthalben ſind göttliche Caben und Vergeſtungen genug då. Und boch bereben ſid) viele , was man Gött zu lieb thue , bas leye IS bers
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XV. Gerechtigkeit.
perlohren , weil es feinen Ruhm , Ehre und Lohn in dieſer Welt Gewiß ein grober Frrthum ! denn könnten ſie einſe hen , wie frengebig Gott gegen den Seinigen jene , und beynas
eintråget.
he jeden mit beſonderu und ganz eignen Geſchenken begnadige ; ſo würden ſie lieber den geheimen Gold , den GOtt gibt , als Denn wer den prahlenden Weltlohn einzunehmen begehren . ſollte nicht glauben wollen , daß derjenige , der ſeine Begierden beherrſchen kan , über denjenigen ſeye , der durſtig iſt nad , Ehre und hungrig nad) Gelt ; und daß derjenige, der alles im eins fåltigen Glauben fafſet, beffer ſene als der fürwißige Zweifler ; und daß derjenige , der ſeine Feinde mit Wohlihun beſänftiget , den Krieger und Ueberwinder übertreffe ? Eben ſo kounte man vou andern Tugenden jagen , weil feine einige Tugend iſt, de: ren Werth nicht aller Lafter ſcheinbares Weſen , und den Wahn aller Wolluſt überſteigt. Hier iſt GOttes Gericht ganz recht , ber die Welt durch ihre eigne Bosheit peiniget und ſtrafet, hins gegen die Seinigen durch die Folgen ihrer guten Werke aufrecht erhålt, und vergnüget , ſo daß dem Måßigen ſeine Måßigkeit , dem Leidenden ſeine Gedult , dem Demåthigen Feine Zufrieders heit , dem Verlåugnenden ſeine Vergnügſamkeit, viel beſſer be: kommt, als den Weltfindern alle ihre Heftigkeit und Ungeftůmm , womit ſie eingnder wirbeln und umtreiben . Wunderbar aber iſt, wie GOtt keinen von den Seinigen übergangen hat , dera er nicht eine nahmhafte Wohlthat angedeyhen laſſen , und ihn damit ausgezeichnet , ſo daß frenlich dieſer in ſeine Ehre , jener in die Unehre , dieſer in den Reichthum , jener in den Mangel, dieſer zur Gelehrſamkeit, jener zur Einfalt ſich ſchikt; alle aber zu ihrem von GOtt angewieſenen Stand recht taugen . Denu eß iſt nicht dem Ungefehr , oder dem Gebrauch zuzuſchreiben , wenn man wahrnimmt , wie jeder zu feinern Theil taugt , fons dern der zerſchiedenen Austheilung , und feinem inneren Zrieb , daß man dasjenige , was einem Gott aufgibt , mwangsweiſe muß , ſondern mit beſtem
nicht eben
Willen annehmt. Au8 >
xv. Gerechtigkeit.
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it Aus dieſer Ueberzeugung von der Billigkeit und bem gitta lichen Recht flieffet die größte Zuverſicht für den Menſden , daß er ſeiner Leitung durch Did und Dünne nachgehet , und ſeiner Berfügung gehorcht, auch zutheuerſt wo ſeine Forderung keinen Grund der Wahrheit zu haben ſcheint, auffer daß der Menſd das Urtheil über ſich und die gauze Sache GOtt heimſtelle, uno den lezten Beſcheid , ohne ſich durch Vorurtheile berücken zu laſs ren , von ihme erwarte. D wohl denen , die hierinne gelernt baben , ihrem Recht abzuſagen , und alles hingehen zu laſſen ,
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weil ſie von der Abrechnung aufs gewiſſefte überzeugt ſind !: Denn warum ſollen die Mirerben der Unſterblichkeit alles nach
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den Gefeßen der Sterblichen ausmachen , und wir , die wir nadə ber Regel Chriſti einhergehen , alles nach der Vorſchrift der Uns
I
gerechtigkeit einrichten ? Laßt uns lieber leiden , das der Råcher daß ſeinige thun kann ; nicht aber oben ſchwimmen , daß Chris ftus uns nicht unſern Unfug zu verweiſen habe. Verachten wir denn das zukünftige öffentliche Zeugniß der Unſchuld aus Chriſti Rund ? Wollen wirs lieber von einem geringen Menſchen im Winkel oder in einem Zimmer bören ? Sprichſt du : der iſt ja ein Unmenſch , der nichts nach ſeinem guten Namen fragt ? Ja ! toll iſt derjenige , der das fob , lo vor Chriſti Richterſtuhl ers challen wird , ringer achtet , als den Spruch eines Riders , der ums Gelt und alle Augenblik anders urtheilet. Doch låffet GOtt die gate Sache niemal gern ſtecken , ſondern er kommt , ob er gleich langſam zu thun ſcheinet, endlid ) denjenigen zu Hülz fe , die ihm ihre Unſchuld befehlen. Denn wo Gott führt , da muß alles endlich weidhen und Bahn machen , wenn gleid Fels Der fen , Berge , Wüſten , ja gar das Meer im Wege wäre. guten Sache muß alles ausweichen . Wenn ich nieinand wis derſezte , und das auf GOttes Wort angefangene Werk mit Drohen und Schelten , mit Verfolgen und Zädten hindern wolls te ; ſo möchten wir menuen , es wäre nach menſchlicher Willführ angefangen , und mit Menſchens Arm ausgeführt. Nun aber wird
ng
XVI.
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aku
Sch
.
wird die Madyt Gottes um ſo deutlicher erkannt , je toller die Welt dagegen wütet .
XVI.
Schakung.
Niemand unter den Menſchen ſchåst alle und jede Dinge nach dem wahren Werth als die Chriſten . Sie ſchågen die Dinge nicht nach dem Wahn , nach dem Szórenſagen und gea wöhnlichen Kauf, ſondern nach ihrem innern Weſen und Nuts barkeit. Da kommt der Anſchlag ro heraus , daß er gemeinig lich von dem Anſchlag der Welt nicht allein abgeht , ſondern dies fem gar widerſpricht. Das Sonderbarſte in der Welt wird hier in die ringſte Claſſe gefekt, und was man dort ani wenigſteit achtet , gilt hier am meiſten . Denn da ſie alle Dinge nach dem göttlichen Vorſaß und nach der Förderung zum Himmetreid ) , wie auch nach der Beſſerung des Herzens meifen ; ſo frágeir die Chriſten wenig , was die Kinder dieſer Welt untereinarider aus: gemacht, und was ſie für einen Preiß auf ihre Sachen geſett haben.
Daher founen fie ſids des Lachens nicht enthalten
wenn ſie ſehen , daß die Welt mit folchen Dingen groß thüt welche nur Kinderſpiel und Dodenwert ſind , und keinen geftans denen Mann freuen können . Denn wer einen leeren Titel für GOtt , einen heilloſen Pfenning für einen Sdjak , ein lächerlis ches Ordensband für eine Herrlichkeit bålt , der verráth nicht nur ſeinen kindiſchen Verſtand , ſondern er macht ſich auch bey) vernünftigeren Leuten zum Spott.
Wenn jemand ſolche Leute
fieht, um Hårings - Naſen zanken , und die ganze Welt dråber in Unruhe bringen ; po kann er ſich nicht genug vereifern über dem Betrug des Satans , welcher die Menſchen unter der Zuſa ge der Erkenntniß Gutes und Blies in fo ſchåndliche Verwirs rung des Verſtandes geſtürzet. gerade gemacht (vervollkomnet).
Chriſten aber find von GOte Sie verwerfen die menſchliche
Perfaſſung zwar nicht , und ſchiđen ſich in die Welt , ſo weit €8 das Gewiſſen zuläßt.
Sie laſſen aber alles in dem Werth , worein
1 1 XVI .
Schakung.
worain es die Natur gefekt hat.
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Bey ihren Titeln erinnern fie
ſich zwar der Pflicht, die ſie der Chriſtenheit ſchuldig ſind , fie : machen ſich aber weder einen Stolz noch Vergnügen draus. Mit den Pfenningen erhandien ſie zwar allerhand Sachen , fie pergaffen fich aber gar nicht daran . Die Ordensbande tragen ſie zwar an fich), fo lang die Zeit der Gefangenſchaft währet , Doch geben ſie ſich der Welt nicht gefangen , und begehen nichts , pas knechtiſch ausfieht , und freyen Menſchen nicht anſtehet. Wenn alſo Weltleute ihrer Haabe als Knechte dienen ; ſo find hingegen die Chriſten Beſitzer von dem Shrigen , und Szerren über ihre Gåter. Indeffen ob gleich die Chriſten von andern eine richtige Bes urtheilungs : Kraft haben , ſo artbeilen ſie doch weniger , als ſonſt jemand , von den Leuten ; nicht eben daß ſie ihre Bejdseis Denheit zeigen , ſondern daß ſie den Schaden des vernieſſenen Urs theilens vermeiden . Sich ſelber ſind ſie zwar ſehr ſcharf, weil fie ben Erforſchung des Herzens : Grundes finden , daß alles ſiech und perdorben , alles vou Heucheley und Betrug , alles zur Ue þereilung geneigt iſt. Begeu andern aber ſind ſie gar glimpflida und billig , weil es niemand vergönnt iſt , das Verborgene eines fremden Jerzens einzuſehen , und die Regungen , Ueberzeugun: gen und Triebe zu erforſchen , oder den Weg Göttes oder des Satans Rånke zu erkennen. Manches wird durds Unbedacht: - Ramkeit begangen ; manches wird durch Buſſe abgethan ; viele Fehler macht die Aufrichtigkeit; vieles entſchuldigt die Einfalt. Alles diß kommt uns nicht unter Augen , und doch mußte man es wiſſen , wenn man urtheilen wollte.
Ja Chriſtus ſelber will
haben , daß wir einander eher entſchuldigen , als beſchuldigen ; eher zu : als aufdecken ; eher uns erbarmen als verſpotten ; eher aufrichten als niederſchlagen ſollen . Siezu hat er uns das Mus fter in ſeinem Erempel vürgemahlet. Sa wir betragen uns ſo oft im Urtheil , wodurch uns , wo anders nod) Scham bey uns ift, die Mäßigung angewieſen , und die Uebereilung verwieſen wird . C 3
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wird.
ng XVII . Bewegu .
laßt uns lieber mit allzugelinder Uuslegung fehlen , als
an einem Bruder und Miterben des Reichs uns durch Strenge verfündigen ! Gewiß , wer fein Urtbeil aufſchieben fan , der hat es ziemlich weit gebracht, GOtt ſelber aber wird das Vers borgene ſchon ans Licht bringen . Denn wie es ein hißiges und ftolzes Sjerz anzeigt , wenn man ſich den Zadel über jedermann 1
anmaſſet, alſo zeigt es ein ſanftes und ſtilles Herz an , wo man alles lieber mildert als verbittert , und alſo GOtte dem allwiſs fenden Richter nicht vorgreift.
XVII. Bewegung. Gleiduwie die Welt ihre Leute mit unſinniger Arbeit martert, alſo übet GOtt die Seinige mit angåndiger Bewegung. Denn der Müßiggang hat die Art , daß er andre Leute aufmera gelt , bey Chriſten aber eine Fåutniß verurſacht.
Denn ſo balo
ein Chriſt der ihme von GOtt angewieſenen Arbeit entfliehet, ſo
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iſt er vou Würmer und Geſchmeiß, wovon er ſcheußlich verzeha set wird. Daher hat der höchſte Gebieter befohlen , daß jeder mit einem guten Amt ſich zu ſchaffen nache , welches ſamt ans dern das chriſtliche gemeinſame Weſen augmadhen muß . Daher muffen einige lehren , andere regieren , andere rather , andere Unterricht geben , andere Erfindungen machen , andere ſchlichter . Doch måſſen alle arbeiten , und in dem , was die himmliſche Reife erleidstert, zuſammen helfen.
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Denn wer der Welt zu ge
fallen arbeiten will , der verderbt Zeit und Mühe. Sie hält niemand hårter , als den , der ſein Leben in ihrem Dienft vers zehret. Die beſte Bewegung iſt , welche von der Erden Himmel an ſtrebet, und ſich zu dem Urſprung der Vollkommenheit wens det.
Dieſes muß der Haupttrieb bey all unſern Dingen ſeyn ,
und alle andere Bewegung regieren .
Zum Simmel ſind wir ge
bohren , zum Himmel wiedergebohren , zum Himmel geſalbat. Was fou uns alſo mehr angelegen ſeyn , als daß au unſer Vors nehmen auf den Himmel eingerichtet feye!
Diß gilt auch von der bůra
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XVII , Bewegung.
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birgerlichen Verfaſſung. Denn diejenige ſind nicht anzuhören , welche ſagen , man habe andere Pflichten für die Erde , andere får den Himmel. Nein ! es muß alles , was an den Chriſten iſt, fich zum Himmel fchiden , und alles damit übereinſtimmen . Ja wir múffen aud) als Chriſten eſſen und trinken , ſo gar will Chriſtus keine fremde Sitte und Aufführung an den Seinigen Toben oder dulden . Wer diß nicht beobadytet , der fühlet den Zrieb von oben noch nicht bey fich , welcher , als etwas feuriges , ſeiner Natur nad über ſich ziehet, da hingegen , was von irdis fcher faſt beſchwehrt iſt , ſich unter ſich neiget , und , wenn mans tauſendmal erhůbe , doch wieder niederwårts ftrebet. So groß iſt der Unterſcheid zwiſchen einem Weltmeniden und einem Chris ften , wie unter einem frengelaſſenen Vogel unb fortgeworfenent etein . Eine zwente Regung iſt das Mitteiden , da man von dem felben eines jeden Gliedes an dem Leib Chriſti gerührt wird. QBenn ein Chriſt leidet , fo geht es allen nabe , und rühret fie fowol zu gemeinſchaftlicher Empfindung , als auch zu gemeinſas mer Hålfe. Hingegen iſt das das wahre Kennzeichen der Welt, daß man ſich über fremdem Unglük freuet, über fremde Fehla tritte ſpottet , bon fremdem Schadeu reich werden will. Sc fohlimmer einer iſt, je mehr facht er über die Fehler der Guten , und der Allerverdorbenfe meiſtert andere leute. Ganz anders macts ein Chrift , welcher von ſcines Bruders Unfall innig ges rührt wird , und ihn aufs fügtichſte zu verhüten und abzuwenden trachtet. Kan er ja die But der Welt nicht hindern , fo bezeugt er durch öffentliche Eraurigkeit, mit wem er es halte. Denn alles was Chriſtum keanet und drüber leidet , das gehört zu uns, und hält es mit der gemeinen Sache , welche bekanntlich auch im kleinſten Glied Abbrud, feidet.
Daher wird kein Chrift fich
für reich ausgeben , ſo lange ein Bruder darbet ; kein Chriſt wird fich die Ruhe erlauben , wenn ein Bruder in Noth ftedt. Wenn 88 von denen , die in Chriſto Eine Seele ſeyn ſollen , Einen trift, re
40 fo trift es alle.
XVIII . Kampf . Da betrachte man nun aber jene Scheinchriften
wie ſie für das Ihrige ſo ångſtlich ſorgen , und das , was andere angeht , auf: le! chtſinnigfte verwahrloſen : dann wo irgend eine Züchtigung GOttes die Seinigen åbet , da wenden ſie ſich ab , und ſcheiden ſich gleichſam durch eine Mauer davon , da ſie ins. deſſen in ibren Neſtlein ſich wohl reyn laſſen , und unbekümmert mit ihren Kleinigkeiten ſich beſchäftigen. Wenn ſie denn bald bernach ebenfalls die Hand GOttes fühlen , ſo ſchreyen ſie die chriſtliche Gemeinde an und fordern Hülfe; finden aber , aus ges rechtein Gericht GOttes , kein Gehör .
Denn wenn die , welche
mit dem Hauptfeind im Kampf liegen , und nicht angehen ( ſols len ) , da uns doch das Ereuz Chriſti zu Mitſtreitern gemad )t, und in Einen Heerzug gegen die Welt zuſammen gefaßt hat ; lo geben wir uns dadurch ſchåndlicher Weiſe blos , daß wir , wenn wir in der Verſuchung unterliegen , auch ſie, ja daß wir Chría ſtum ſelbſt , als den Heerführer , nichtå angeben,
XVIII, Kampf. Sleidowie fich ein Chriſten - Herz niemals dem Urgen unters wirft, ſo hat es auch immer mit etwas zu kämpfen , Denn derjenige , der ſich allem widerſeßt , muß auch unendlich pieleś wider ſich haben. Doch hat er drey Hauptfeinde: Saz ean , Welt und Fleiſch . Der erſte davon thut beſonders durch die Liſt, der andere durch boſe Erempel , der dritte durch Tråga beit mehr Schaden als durch andere Waffen .
Des Satans Lift
kan niemand beſchreiben , denn er heißt daher der Tauſendkånſtler, Ein den Menſchen fürchterlicher Nahme. Er macht den Chriſten viel zu ſchaffen , und man fan ihn nicht anders als mit dem Blut Die Welt verfolgt pet Gekreuzigten in die Flucht ſchlagen . alle , die ſie nicht mit ihrer Seuche anſtecken kan , mit einem grimmigen Spund , den man die Verleumdung neunt. ES ift grauſam ., tie wild er bellet , wie giftig er die Frommen und Un dhuldigen anfaut, wie er auf alles Gute mit ſeinen Låſter,
záhe
XVIII . Kampf.
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Dieſer darf alles aubſpeven , was ihm ing adhnen zufähret. Maul kommt , und die Aufrichtigkeit der Redlichen ohne Scheu beſudlen . Niemal hat jemand ſo vorſichtig gewandelt , daß er
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ſeinen Anfällen entgangen wåre. Ein Stück aber thut ihm am weheſten , nemlich das Licht, theil: weil er ſeine wüſte Geſtalt ſehr ungern ſiehet , theils weil er in ſeiner groſſen Wuth nichts auf die Welt bringen kan , welches unter die Augen kommen barf. Daher kleidet ſich ein Chriſt mit dem göttlichen licht, wandelt in der hellen Sonne der Wahrheit , und blendet die diele Augen der Verleumdung , welche, weil ſie nicht mulig feyn kan , vor Neid ihr eigen Herz frißt, und berftet. Endeffen
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muß man auch die Trägheit des Fleiſches abthuu , und die Edlafſucht vertreiben . Denn da dieſes ſich auf alle Seiten wendet , Anſchläge , Wünſche , und zaghafte Proben macht, da es manchmal Erfriſchung ſudit , und die Lederbißlein dieſes les bens zu koſten begehrt ; ſo ergreift der Chriſt den Knittel des Creuzes , peitſchet das faule Fleiſch ab , und treibt es zum ernſta lichen Streit mit dem Gegentheil an , damit es endlich anfange gegen dem Satan mistrauiſch zu werden , die Welt zu verſchmåa hen , und ſich ſelber Gewalt anzuthuu.
Das Chriſtenthum hat auch ſeine Ritter , welche Simſonga mäßige und von andern nie unternommene Zhaten wagen Dieſe ſind freylich ſehr wenige , doch dimmern ſie an dem Chris ften Himmel als die lichteſten Sterne. Dieſen iſt aufgegeben , daß fie entweder die bóje Sitten der Welt angreifen , oder die Ungeheuer der Kekereyen bezwingen , oder ſich dem Weltſtrom entgegen ſtellen , oder die Brüche des gemeinen Weſens ausbeſ: fern , oder der Kirche aus harten Banden helfen , oder andere . ungewöhnliche Dinge ausführen ,worüber die Gemeine der Froma men ſich wundert und frohlodet. Dieſer Helden Worte brechen Eiſen , ihre Kiele zerſchlagen Schwerdter , auf ihre Gebete thut ſich der Himmel auf, und über ihrem Drohen erſchridt die Hölle, Von dieſen ſind viele Tyrannen und Weltbezwinger niederges
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XVIII. Kampf. ſchlagen worden . Durch dieſe iſt der groffe Antichriſt geſchwächt worden . Doch ſoll ntemaud es ſolchen leicht nagthun wollen , er høre denn einen göttliden Beruf , ſonſt hat er nicht Stårte genug , und muß unter der faſt zu Grund gehen .
Ben einem
göttlichen Selden muß vieles benjammen ſeyn , und beſonders muß die Heiffe der Bosheit und die göttliche Strafgerechtigkeit ſeinen Kampf unterſtüßen. Denn wer zu voreitig iſt , und das Unwefen der Welt zur Unzeit angreift, der kan fie mehr reißen als dampfen . Zu unſern * ) Zeiten hat man eine anſebnliche Seldenthat erlebt.
Aber wollte GOtt, daß die Chriſten tyres
Siegs fich zu bedienen wüßten , ihren Feind auf der Flucht vers folgten , und nicht durch Zerſtreuung fich ſelber verderbeter! Denn ſolche greuliche Ungeheuer kommen wieder zu Kräften , und wenn ſie das Schwerdt in der Scheide , und die Sieger im Reigen ſehen : fo fallen ſie auf fie herein , und machen Sfters eine groſſe Niederlage. Des tft traurig , daß wir immer nur Zrtumphlieber im Sinn haben , und nicht vielmehr darauf dents fen , wie die nach und nach auflebende Macht des groffen Thiers zu erſtiden ſene ! Wir dorfen uns ja wohl freuen , daß die Dras den geſchlagen ſind, aber ſo daß wir nicht die nachwachſende Schlangen in unſern Buſen heger , und nicht einen ſehr ſchädlia Den Leviathan in unſern Eingeweiden nåhren und unterhalten . XIX . Bruderliebe.. M ir find alle dazu gebohren ,
daß wir als Kinder Eines.
Baters einander mit bråderlicher Liebe umfangen ſollen .' Alleine ſo bald die Sünde und zerſtreuet und getrenner hat, ſo iſt die Liebe vom Erdboden verſchwunden , und nur durch Chriftum wie:
!
der vom Himmel zu uns gebracht, aber nur von den Wiederges bobrnen aufgenommen worden . Der Liebe hat mans zu dans ken , daß der Erdboden noch nicht zu Zrůmmern gegangen , und noch ein erträglicher Handel und Wandel erhalten worden iſt. Denn on * ) der Verfaſſer ſchrieb bald nach der Reformati ,
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.XIX. Bruderliebe.
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Denn würden wir der menſchlichen Feindſeligkeit préiß gegeben , Wer würde denen Leuten entgehen , welche den gottloſen Wunſch haben , daß die Fnwobuerſchaft des ganzen Erdbodens nur Einen Hals hätte ? Adein GOtt hat es ſowol unter allen vernünftigen Menſchen , als auch beſonders unter den Chriſten ſo gefåget, daß viele Hånde da ſind , welche dieſen Unthieren widerſtehen . Denn er hat beſonders den Chriſten das Wahrzeichen der Liebe untereinander anvertraut und aufgegeben . Je nachdem alio eis ner liebe hat oder nicht hat , ſo beweißt er ſich als einen Chris ften oder Unchriſten ; ja je mehr er fiebe hat, je beffer bemåhret er ſich als einen Chriſten .
Denn da es etwas ſehr leichtes ift, fich der Liebe GOttes zu rühmen , ſo ferne es in der Zunge bes fteht, ſo hat GOtt verordnet , daß der Nebenmenſch ein Zeuge davon feyn , und wir das , was wir GOtt ſchuldig find , ant
dem Nebenmenſchen thun ſollen . Es iſt aber GOttes Wille , daß wir alle ſeine Wohlthaten mit' dankbarem Gemüth erkennen , und an unſern Brüdern erwiedern ſollen . Da miffen wir z. E. die gröffefte Leutſeligkeit, Demuth , Langmuth , Sanftmuth und andere an uns geoffenbarte Tugenden beweiſen und die Liebe durch ſie wirken laffen , welches zwar eine ſehr ungleiche Vers geltung, doch aber ein löblicher Gehorſam und Nachfolge ift. Damit wir hiezu defto williger wåren , hat Chriftus überdiß neile Belohnungen ausgelegt, worunter beſonders dieſe iſt , daß Gott eben fo gåtig unſer Gebet erhören und die Schulden vergeben werde , als wir uns gegen dem Nebenmenſchen willfährig finden laffen .
D HErr Chriſte , welche groffe Seligkeit für mich , daß
mir gegen wenigen nachgelaffenen Pfenningen viel tauſend Pfuna de geſchenkt werden ! Die freygebigkeit iſt die Tochter der Liebe. Nichts auf der Welt zteret einen Chriſten ſo ſehr , als dieſe , und nichts In der Welt macht ihn mehr der göttlichen Natur gleich. nennt man es eine königliche Zugend. Wir aber wollen fie nur eine chriſtliche nennen .
Denn da wir all das unſrige , bis auf den
XIX. Bruderliebe. den dürftigen Leib Lehensweiſe haben , ſo ift eß der ſchåndlichſte ✓ Betrug des Teufels, daß der Geiz-oder Kargheit aufgefommen ift. Dieſe Untugend verſpricht einen zum Ritter und Herrn zu machen , macht ihn aber zum elendeſten Sclaven , welchen ein ewiger Durft quålen , und der ſich ſowol über dem , was er hat, als über dem , was er nicht hat , jåmmerlich martern ſoll. Die Chriſten hingegen ſind gleichſam in einer gemeinſchaftlichen Hera berge, und bedienen ſich des Hausraths GOttes zum Nußen , aber ſie fammlen keinen für ſids zuſammen . Sie mißgonnen aud dem Náchſten nichts , vielweniger entreiſſen ſie ihm etwas , ſondern ſind ſehr bereitwilig alles zu jedermans Gebrauch dara zugeben . Sie ſelber aber gebrauchen das Jrdiſche als wie Tiſcha genoſſen die gemeinſchaftliche Tiſchgefåffe und Geräth. Denn welcher Rechtſchaffene fan es für GOttes Willen halten , daß einige der Seinigen {hre Häuſer mit überflüßigem Vorrath von Gefäfſen , Kleidern ,, Gold , Silber , oder was man, in der Welt in Menge haben kan , ausfüllen ; andere hingegen , die eben ſo. gut GOttes Freunde find , ſich kaum deđen und nähren können ? Wer kan glauben , daß alle ſo häufige Gerüchte und Niedlichkeis ten nur für gewiſe Leute da ſeyen ; andren hingegen nur der Baſſerkrug und Brey.angewiefen ſeyn ſolle ? Alleine es iſt ein Unthier aus der Hölle aufgeſtiegen , welches ſich auf teutſch der Stand nennet , welches in jeder Lebensart zu unanſtändigen Dingen ein Recht haben will.
Dieſem ſolle man ſich gemås
bakten auch wider die Vorſchrift Chriſti.
Indem aber nach dies
ſem Stano, einige Hoffart treiben , andere nadet gehen , einige fich voll trinken , andere Durſt leiden ;
einige praffen , andere
darben ; einige ſpielen , andere ſeufzen ; einige ein herrliches, ane dere ein häßliches Ausſehen haben ; ſo iſt ſehr zu fürchten , es möchte ein anderer Stand in der Halle bevor ſeyn , zu welchem fich die geißige Inhaber der irdiſchen Vortheile werden beques men múffen ,
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XX . Brůz
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XX . Bruderſchaft. 3Fenu die Welt ihr Geprånge treibt, und eitle Orden aufs. ſtellet ; ſo hat Chriſtus aud) den Chor ſeiner Bråder: fcbaft. Dieſer Name iſt bey der Welt berhaßt und lächerlich . Chriſten aber ſollen ihn um ſo werther halten , und deſto emſiz ger ſuchen .
Denn da wir glauben , daß wir den Himmel der :
20 maleinſt gemeinſchaftlich haben werden ; ſo können wir uns des
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Mittheilens untereinander hier nicht entſchlagen. Da wir er: kennen , daß in dem Himmel einè Gleid )ſtellung ſeyn werde , ſo können wir keinen ſo groſſen und unendlichen Unterſcheid unters einander haben.
Da wir hoffent, elnmal ewige Gemeinſchaft zu
pflegen , ſo können wir den Stolz , Ehrgeiz und Rangſtreit" in dieſer Zeit nicht gut heiſſen . Wir wollen es alſo ein ſataniſch Affenſpiel beiffen , wenn ein Menſch fid fc fehr über andere era hebet, daß er ſeinen Urſprung und nahe Verwandtſchaft mit dem menſchlichen Geſchlecht vergißt, und ſich die GOtt allein gebührende Ehre, die bey Gott : allein ſtehende Gewalt , das GOtt - allein heimzuſtellende Gerichte herausnimmt, oder ſiche anniinmt, wenn ihm die menſchliche Blódigkeit dergleichen bena meſſen . Denn gewiß , nicht ſowohl die Groffen in der Welt , ſondern wir Geringe liegen in der Schuld . Denn es kan ihnen keine Zhorheit einfallen , welche nicht ihre Leute findet , die ſie
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gutheiſſen , rechtfertigen , entſchuldigen , bewundern , ausführen und mit Denkmalen verewigen . Es hat demnach Nero ganz recht nach dem Welt - Sinn geſprochen : Er allein habe gewußt, was ein Regente für Freyheiten habe. Daher muffen wir uns zur Bruderſchaft Chriſti wieder bringen laffen , welche zwar die gebührende Stånde des Lebens nicht vermenget oder ausſchlieffet, wenn wir nur nicht hochmüthig und hart gegen den Untergebes nen dadurch werden ; doch aber uns ſehr fleißig erinnert an jene Rechenſchaft, die wir dermaleinſt unſerm Oberhaupt zu geben haben . Denn da wird der ernſtliche Rechtshandel vorkommen , und entſchieden werden , nicht was den Obern erlaubt , ſondern wat
XXI . Bruderſchaft was ihnen anſtåndig geweſen feye ; nicht was die Unterges bene verfehlt, ſondern wie viel ihnen aufzulegen geweſen ſeye ; nicht was die Reichs- Rechte vergönnet , ſondern was die himms Itſche Geſeke vorgeſchrieben haben ; nicht was durch den Welts brauch gerechtfertiget, ſondern was von GOtt aufgegeben wor's ! . den ſeye. Man halte mir zu gut , wenn ich hier etwas von den Tis : tuln melde. Denn wir beneiden diejenige nicht, die ſich damit tüßein , ja wir laffen ihnen dieſe Eitelkeit gerne zukommen , und find froh , daß ſie ſich mit ſo leichtem und wohlfeilem futter Nur von Chriſten reden wir , welche höhere Gedanken haben ſollen , und ſich nicht mit dem Wörterbuch bes ' helfen , und mit Namen und Rebarten zu thun machen . Wir find nicht ſo dumm , daß wir alles untereinander mengen wolls abſpeiſen laſſen .
ten und fordern , daß kein Unterſchied in der Benennung bey und ſeyn ſollte. Wir geben auch nicht ſo abgeſchmakt mit der Jus gend um , daß wir es für unrecht hielten , wenn ſie durch die Hofnung höher zu ſteigen ermuntert wird , ſondern weil man heut zu Tag fo berſdywendriich mit Diteln iſt , daß die beſte Amtsnamen ſchon zu gering ſind , und man jeßo an den Titeln künſtelt mit den Beywörtern : Hodys Obers Groß- 2c. , ſo iſt ja das eine åbermachte Eitelkeit. Sollten unſere Borel. tern ( von Chriſto dem Meiſter der Einfalt nicht zu gedenken ) uns diß vorhalten können , in welchen Unwillen , ja vielleicht in weldes Selåchter würden ſie über uns ausbrechen ? Warum ift uns aber Chriſtus ro zuwider , daß uns an ſeiner Sprache fo ſehr edelt , und der Bruder - Name faſt unertråglide zu hóa ren iſt, und halb tetzeriſch ſcheinet ? Warum wollen wir alle Herren ſeyn , da uns Chriſtus zu Gieben : Dienern gemacht hat ? Meiſter heiffen , da Chriftus uns heißt Mitſchüler Warum fern ? Warum wollen wir Obmånner fenn , da uns Chriſtus zu Mitarbeitern berufen ? Es hat nid )t die Meynung , daß nicht einer mehr von GDtt þegabt ſeye , als der andere , oder daß fels mer
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XX .
Bruderſchaft.
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her dem andern gebieten , ihn unterweiſen und anführen ſollte. Nur ſoll es nicht das Anſehen bekommen , daß wir mehr auf Tituln , als auf Verrichtungen ſelber und auf die Aufnahme des Reichs Chriſti bringen .
Denn was wil das Ringen nach Bors
rechten , nach Verſiß , nad Vorrang , mit einem Wort nach dem Vorne:dran feyn anders bedeuten , als daß wix Sproßlinge Adams und Kinder der Hoffart ſeyen , ja daß wir den Hocheds len Namen aus Ott gebohren ganz verſcherzen.
XXI . Freyheit. Es iſt ein wahres Sprüchwort, daß jedem Tboren feine Bappe gefällt. Denn da uns GOtt nicht nur frey ers fehaffen , ſondern auch durch ſeinen Sohn wieder frey gemacht hat , ſo iſt es ja ſehr unverſtåndig , daß wir uns wieder in Feſs feln und Bande begeben . Denn was Welt - Bräude und Ges wohnheiten ſind , das halten wir gleich für Geſeke , und mers ,
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nen , man müffe ihnen dienen , da ſie doch nur ein Mein find.
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Daher gibt es gar wenige , die dieſe ſchwache Fåden zerreiffen , womit ſie ihrem Gemüth und Gewiſſen zuwider , auch wider ih
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re offenbare Bequemlichkeit durch Geſchlecht, Stand , Ehe , Berwandtſdaft , ehrliche Leute und gute Freunde angebunden
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find , daß ſie ſich deſto weniger nach Gott und ſeinen vollfoms menen Geboten richten , die Zeit aber hinausſchieben , und auf Gelegenheiten warten , auch manchmalen tief feufzen über dem vermeintlichen , Foch . Einigen feßt ſonſt nichts zu , als die Menſchenfurcht. Sie ſcheuen das Weltgelächter , und das ges håßige und berkehrte Maiſonniren . Einige ſehen ſich nach Vors oder Mit: Gångern um.
Gewiß dieſe alle find nur mit freys
willigen Feſſeln geſchloſſen , und ſie könnte, wo ſie wollten , wo. Denn man beträgt ſich fie jest wollten , nichts abhaltet . wenn man auf einige Weiſe der Welt zu Gefallen oder zur Ses nüge zu thun hoffet, oder ihrem Spott zu entgeben trachtet. Nur derjenige iſt verſtäubig , der ſich bey ſeiner wahren Freyheit von
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XXI .
Freyheit.
der Welt auslachen låſſet , und dasjenige, was er unter bein Joch Håtte ertragen müſſen , mit groſſer Serzhaftigkeit verach : tet.
Auch hat man GOtt als einen Racher für ſich , welcher
der Seinigen Sdımach ſich zurechnet, und der Seinigen Schimpf auf fich nimmt und aufſchreibt. laßt uns , o ihr Chriften , es wagen , unſre eigene Sjerren zu werdert ,
oder vielmehr Chris
fium zuni HẾrrn zu haben ! Laßt uns dieſe Spinnen - Gewebe zerreiffen , aus Egypten fliehen , aus Babel ausgehen , daunt es gibt nichts, das uns den Weg berſperren könnte ! Laßt uns eis nen Verſuch machen , damit wir einmal erfahren , wie alle Blendwerke der Einbildung weit unter dem Glauben ſenen ! Hier pflegt die Welt die Unvorſichtige für Narren zu hala ten , durch Fellbietung einer betrogenen Freyheit , då einer , det ſein eigener Serr feyn kann, ſich an keinen andern binden folle. Allein die Chriſten verhalten ſich anderft.
Denn wenn ſie ihreit
Innern Sdaß aus aller Verwahrung ( Arreſt) der Welt in die Sicherheit gebracht haberi , ſo überlaſſen ſie gern alles andere zum Nutzen und Gebrauch des Nebenmenſchen. Darüm iſt kein jo dienſtbarer Knecht auf Erden als ein Chriſt. Ér greift dass jenige an , deſſen die Welt fouſten ſich beſchåmet ; er beladet fich und entziehet ſich auch den niedrigſten Geſchäften nicht. Und eben hieben iſt er in ſehr groſſer Sicherheit. Denn då die Welt nur wichtige, lermenmachende , weitläuftige und ungeheure Dins ge aufſucht, ung auf ihre Schultern nimmt , worunter fie jåm. merlich gedrůdt und geplaget wird ; ſo begehrt ein Chriſt hur folche Dinge , welche weniger Sdyimmer und Geräuſch von fich geben , und weniger Neid erregen. Er führt daher ſein Leben it der Entfernung von jenen Werkſtätten der Eitelkeit und Miha religkeit. Denn ein Chriſt will lieber Einen ihme ånvertrauteit Meuſchen , nad, der himmliſchen Vorſchrift recht unterweiſent und nachbilden , als bey der Verivaltung ganzer Landſchafteri von der menſdlichen Gottloſigkeit úbermannet werden. Laufë alſo , wer da will , und ſuche Bißthüme , Rectorate , Präffa bena
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XXII. Vertåugnung.
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bentien , groffe Verwaltungen. Ein Chriſt ſchåmet fich nicht , ſeinen Glauben bey niedrigem Stand zu beweiſen , im Hauſe des HErrn zurüde geſchoben zu werden und an der Thüre zu warten. Genug wenn man GOttes Knecht iſt.
Wem diß zu gering iſt,
dem wird nichts iu der Welt vornehm genug feyn. Die Sorge für das Reich GOttes fod fich niemand beſchämen . Die Bes glúdten auf Erden , die ſich dieſer entziehen , und die Hohen itt der Welt , die ſie zu gering für ſich achten , bezeugen eben daa durch , daß der höchſte König ſie des Nahmens der Diener GOts tes unwürdig geachtet habe. Aber auch diejenigen , die von der Kirche erzogen ſind , und wenn ſie fett werden , die heiligen Aemter auf die Hunger : leider in Stolz abladen , das Sett von den Opfern aber für ſich behalten , werden der göttlichen Seims ſuchung nicht entgehen ,
XXII. Verläugnung. orntals war es rechtmäßig, auf dieſer Welt zu herrſchen ,, und eine Luſt, ſie zu befiben . Nun aber iſt am rathſam . ften , ihr abzuſagen , und gar keinen Theil darauf zu haben. Denn ſeitdem ſie vom Eiter der Sünde vergifftet worden , iſt derjenige der glückſeligſte , der ain wenigſten an ihr hat. Allein viele pflegen nicht nur ein klein landgütgen für ihren Theil am Erdboden zu begehren , fondern ganze Landſchaften , ja ſie wün: ſchen , daß die Sonne auf ihrer Markung nie untergienge. Unglüdliche Menſchen , welche zulezt eine ſiebenſchuhigte Grube einſdließt, und ſo endlich erſättiget! die Chriſten hingegen , die fich Chriſto ganz ergeben haben , abergeben alles, was fie fich hier mit einigem Recht anmaffen konten , der Hand ihres Heis landes , und ſind reich genug , wenn ſie wiffen , daß ſie nichts auſſer GOtt und ohne GOtt beſiken . Daher halten ſie es noch für zu wenig , wenn ſie nur das Neuffere in die Hand des Herrn übergeben
wo ſie nicht auch das Innere alled dem göttlichen
Bink überlaſſen.
Solchen Leuten fan nichts unerwartetes bes D gegnet
So
XXII . Verläugnung .
gegnen , da ſie die Streiche , Gefängniſſe , Marter , und alles , was bey der Welt (dyrócklich iſt, unter die Wohlthaten zehlen . Gute Zage ſind ihnen fürchterlich , die boſe aber halten ſie für eine Sicherheit. An harte Zufälle gedenken ſie mit Vergnügen , über Schlagen und Striemen rühmen ſie ſich einig und allein . Sie ſind ſo abgehärtet , daß ſie dafür halten , ſie thun hier nichts, und wenden die Tage übel an , wenn fie nichts zu leiden haben. Diß iſt ein rarer Bogel , doch läßt er ſich jezuweilen fehen . Indeſſen mag fich jedermann vor ihnen in acht nehmen , dann je williger ſie den Rücken darbieten , je gefåhrlider iſt es , ſie zu ſchlagen. Je mehr ſie den Narren gleich ſehen , je mißlicher iſt es , über ihnen zu laden . Denn da ſie nicht mehr ihr ſelbſt , ſondern GOttes find , ſo ſoll ſie niemand antaſten , auſſer mer da meynt , man köune ſich ungeſtraft an GOtt vergreifen. Denn GOtt handelt ſo , daß die Bosheit zwar die Hand aus: ſtrecken, aber nicht wieder zu ſich bringen kan ; der Arm erſtarret aber , und fühlet alſo , daß es eine Todſünde ſene , wo inan den Augapfel GOttes angreift. Die Gelegenheit heißt uns hier die Grone der Mártyrer betrachten. Dieſe wird felten den groffen , ſondern meiſtens deu Aubwürflingen des Erdbodens aufgeſeßt. O verborgene GOt, tes -Gerichte, da er ſeinen liebſten Freunden für die beſte Thaten, und Iblichſte Verdienſte die hårteſte Todesſtrafen ſamt der laſt der ſchåndlichſten Beſchuldigungen aufzulegen pflegt. Sie můr fen Plauderer ; Schelmen , Aufrührer , Zauberer , Schwermer feyn .
Und dieſe würdigt GDtt der Ehre des Marterthums ,
damit offenbar werde , der Welt Urtheil reye das leichtfertigſte. Doch finden ſich leute , welche dieſe Schnach) nicht nur willig ertragen , ſondern auch verlangen , ja mit Erbitterung der Welt darnach fireben ! O GOtt , wie nach weit etwas anders , neben und über dem Frdiſchen muß derjenige ſtreben und verlangen , dem kein Element , keine Zodes : Art ſchrottlich iſt ! Fa auch die Natur ſelber ligt unter , wo die Gnade des Marterthums beles bet,
XXII . Verfolgung.
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bet , geſchweige daß fie einen durch Drohen ſchröden , oder som Recht ablocken lieffe.
Unüberwindlich iſt , wer das Leben nicht
aditet , und bergebens ficht man wiber einen , der bereit.ift , ſeta
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nen Glauben mit Blut zu verſigeln . Was kan man einem Mens ( dhen rauben , denn alles Irdiſche nur wie Koth , und eine faſt tft ? Die ganze Welt iſt ihm eine Fremde , daher gilts thm gleich, wo er walle. Damit er nichts mit Widerwillen miſſen darf,
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hat er voraus gelernt , aller Dinge zu ermanglen.
Wer ſich
ſelber willig hinwirft , hat keine Sorge , zurüfgeſezt zu'werdert. Und was ſoll endlid ) einer der Welt Feindichaft meiden , der an dem Henker einen erwünſchten Freund ſieht ? o GØtt, verleghe uns ſolchen Muth , und befreye uns von aller Fordt :
denn die
du lieb haft , die låffeſt du hier durch viele Zeugen und ſcharfe Richter der Uebelthat überweiſen , Camit ſie , wenn ſie dir hier Irene bewieſen haben , von dir ſelber das Seugniß der Lautera keit bören dürfen.
1 XXIII. Erhabenheit.
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Billig folleinMenſch,die Gunfe dieſer Welt für nichts achteit.p den GOtt unter ſeine Freunde aufgenommen hat . Dennt
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geſezt, daß die Welt alles halte, was ſie den Ihrigen verſpricht, das doch ein ſehr ſeltener Fall iſt ; ſo iſt es doch in Vergleichung mit dem , was GDtt zu ſchenken pfleget , går wenig werth). Die Welt pflegt den Shrigen einen unſterblichen Nahmen zu berbeifTent , und macht dazu allerhand eitele Anſtalten , als ob der Tod das Leben geben , oder die Zeit die Ewigkeit gewåhrett konnte. Wenn ſie alles thut , fo verzögert ſie die Vergeſſenheit des Nahmens auf etliche Fahre ; aber auch das ſo ungewiß , ro zweifelhaft , ſo eingeſchrenkt, und mit ſo vielem Neid und Win derſtand , daß es nicht der Werth iſt, dieſe Chorheiten mit fo Faurer Mühe zu erkaufen . Welde aber GOtt aus den Menſcheit ausſondert , daß er ſie unter ſeinen Glaubigen bochberåbmt mache, die erfällt er zuerſt mit wunderwirdigen Gaben , das Die
XXIII . Erhabenheit.
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die Natur ſelbſt über ihnen erſtaunen muß ; darnach unterridtet er ſie durd) geheime Eiuſprache von allen Sadjen , und mache fie klug , daß man ſie anhört , als ſolche , die uicht nur dom Erdiſchen , ſondern auch vom Simmliſchen wiſſen , und als Eus gel geehret werden.
Dieſe ſind die Markſteine (Merkzeiden )
der Jahrhunderte , nad ) welchen GOtt die Weltzeiten abtheilet. Dieſe ſind Zierden ihrer Zeit , und daher um ſo ſeltener. Soldier Leute Ruhm kan die Geſchichte nicht verſchweigen oder unter: drucken , da der Erdkreis davon redet , und ihre groſſe Thaten nicht verborgen bleiben können .
Denn da GOtt ſeine grofferte
Werke durch die Geringſten , und zwar durd) Einfältige verrich . tet , ſo vermehrt eben dieſes die Verwunderung der Welt , und hilft zu jener Berewigung. Denn das Schickſal der Chriſten iſt von dem Schickſal der Welt unterſchieden . Wenn ſie nicht nie , drig ſind, werden ſie nicht berühmt ; ſind ſie nicht einfältig, ſo werden ſie nicht weiſe ; ſind ſie nicht ſchwach , lo ſiegen ſie nicht. Die Welt hingegen erhebt nur die Stolzen , Schlauen und Stars ken .
Aber je mehr dieſe erhaben werden , je hårter und jåma
merlicher fallen ſie herunter.
Denn nur diejenige figen ficher
in der Söhe, welche von GOtt ſelber zu Gott erbaben ſind. Unter andern ſonderbaren der Genreine GOttes verliehenen Saben iſt eine der erhabenſten , welche man die Gabe der Weiſ: Fagang nennet , da ein Menſch GDttes durch geheime Diffenbas rungen zu unbeſchreiblichen Dingen zugelaſſen wird , welche ſonſt der ganzen Welt verſchloſſen und verfigelt ſind , ß. E. der Verlauf der Jahrhunderte , die Entſtehung und Untergang der Weltreiche , die Auf- und Abnahm des menſchlichen Geſchlechts , die abwechslende Bewegungen und Veränderungen , die Leiden und Drangſalen der Kirche ſehen ſie lange vorher. Sie verkündigen folches unter der Hülle wunderbarer Uusdrücke , und ſtellen es verblümt unter verſchiebenen Bildern vor . Sie beweiſen der Nadwelt dadurch , daß diß eine Art göttlicher Wirkung feye. Und wer kan, zweiflen , daß zu ſolchen Geheimniſſen die reineſte Sees
XXIII. Erhabenheit.
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Eeelen gehören , welche durchaus unbeflect find , daß ſie die
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Stralen der göttlichen Vorſehung auffangen und durch Weiſſas gungen wieder ſcheinen laſſen ? Da nun die unſaubere Welt
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durch ihre unreine Sterndeutung und allerhand Wahrſagungen auch dergleichen verſucht , ſo macht ſie ſich lächerlich , und iſt unendlich weit dahinten gegen ſolchen Sebern. Wenn jemand
ly nur die Schreibart beeder Gattungen vergleicht, ſo muß er ſchon den Unterſcheid mit Erſtaunen ſehen . Die Welt kan nichts ges ben , das der Propheten Zunge gleich komme , ob ſie gleich mit ihrem Plato oder Pythagoras auftritt.
Alles iſt feurig und
durchdringend, was von Himmel eingegeben und aufgefangen iſt , und alles kalt und grundlos , was mit einem irrdiſchen Grifs fel geſchrieben wird. Eben ſo muß man vom menſchlichen Ges bør urtheilen . Denn die Dhren , die nicht von dem . Geiſt gereiniget ſind, vernehmen die göttlide Ausſprache nicht , und
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ſind ganz taub zu hohen Worten , oder wenigſtens halb taub , und verſtehen alles verkehrt und nach ihren "Muthmaſſungen . Nur die , welche ſchon zur göttlichen Einſprache angewöhnt ſind,
ei verſtehen die göttliche Sinnbilder , himmliſdye Sprache.
die Figuren und geheime
Dieſe ſind auch würdig , die göttliche Ratho
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ſchlafe zu vernehmen , die Liefen der gåttlichen Reden zu erfors
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ſchen , die Herzen zum Willen Gottes zuzurichten , und auch bey den Geſchäften GOttes auf dieſem Erdboden zuzuſchauen
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pub zu dienen .
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XXIV .
Sebet.
Obgleich dieſer vertraute Umgang mit Gott von ſeiner Wahl und Erkiefung alleine abhängt , ſo beſteht er doch fu einem fleißigen und ſtetigen Gebet. Denn dieſe Stúde fågen fidh immer aufeinander ; Weil Gott antwortet , ro fraget man ; weil er gerne nahe iſt , ſo ladet man ihn ein ; weil er ers håret , ſo bittet man ; weil er benſtehet , jo fleht man ihn an, Durch dieſes Anbalten ſind die Freunde GOttes in Gnaden ges foma D 3
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XXIV.
Sebet.
kommen , da ſie nach GOtt dürſteten , zu
Gott : ſchrnen , ben
GOtt mit Gebet anklopften und gleichſam ſtürmeten. Der guås dige Bater kan nicht abſchlagen , was ſeine Kinder fo inbrünftig begehren . Er kan gegen den Betern nicht hart ſeyn , und gegen Diß ſind die den Anklopfern ſein Herz nid )t verſchlieſſen. Wafen eines Chriſten , womit er nicht nur die Feinde überwina det , jonderli aud die beſten Freunde beſieget. Denn es geht bey dem Gebet ſo aufrichtig her , daß man kein Verfehlen , fets he innere Negung , fein Gebredien , keinen Kummer , keine Ules Begierde und Verlangen vor einem Gott verbirgt. wird vor den Augen GOttes ausgebreitet , und dem Baterberzen Solche Darlegung des Herzens anvertraut und empfohlen . liebet und erfordert GOtt übei allen Dienſt.
Es iſt aud) uns
möglich , daß nicht ſeine Huld, in der Erhörung gröſſer ſeyn ſolle te , als die Andacht im Anrufen . Denn er iſt nicht, wie die Welt , ſtreng gegen denen , die ihn anlaufen , verdrüßlich im Anhören , trokig in Antworten , gåhe in ſeinen Verheiffungen , unerbittlich zum Einwilligen ; ſondern er låßt alle , und allezeit , und ater Drten vor fich kommen : Er hört gnädig und gedula tig und zu rechter Zeit an. Er antwortet gåtig und oft und Er wila willfåhrig. Er verheiffet wahrhaftig und reichlich. fahrt gerne und zur Nutzen und mit Beſtand. 2Bie fouten wir nicht dieſen GOtt anlaufen , mit welchem ſich ſo gut umgehen , mit welchem ſich ſo herzlich reben låſſet , vor welchem zu wana. beln eine fo groffe Herrlichkeit iſt ? Niemand wird jemal ein vollkommeners Verzeichniß von ber menſchlichen Nothdurft geben , als Chriſtus , der wahrhafa tige Lehrer und Mittler zwiſchen GOtt und Menſchen gegeben hat in dem Vater : Unſer . Denn hier rufet der allerguådigſte Pater feine Schne zu fich , lenket ſie himmelwärts , und ladet fie ein zu dem Seiligthum feines Namens , warnet ſie auch nicht unheilig herzuzutreten . Hierauf nimmt er ie an zu Bürs ger ſeines Neichs , und bindet Ihnen neue ganz heilige Gebote.
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XXIV . Gebet.
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auf : Hernach fidßt er ihnen die Beobachtung ſeines Willens ein, und unterwetſet ſie von der Uebereinſtimmung des Himmels und der Erden. Auf dieſes beſorgt er ihnen die Nahrung , ſos wohl der Seelen als des Leiben , und dieſe Sorgfalt erneuret er tåglich. Er vergibt auch , unter der Bedingung der Liebe und Leutſeligkeit, die Fehle , die das Fleiſch macht. Er wens det ferner die Gefahr der Verſuchungen und die Nachſtellungen des Satans ab , und ſteht den Seinigen mit ſtarker Sand bey . Endlich verheißt er den Ausgang alles Uebels in dieſem harten Rerker und eine ewige Befreyung , und um dieſes alles eignet er ſich mit Recht alle Herrlichkeit des Reiches und der Macht zu. Sind wir mit dieſem Bollwerk der göttlichen Gnade umgeben , fo haben wir nichts mehr zu bitten , und über keinen Mangel mehr zu klagen. Und doch bilden ſich einige viel dabey ein , wenn ſie mit zierlichen Worten ohne Bewegung des Herzens GOtt vorſdywaszen können . Gewiß , wenn man nach vorges ſchriebenen Formeln beten will , ſo ſou und dieſe Vorſchrift Chris ſti vor allen gefallen , hernach die Vorſchriften der Heiligen GOttes , endlich diejenige , die dieſen am nächſten kommen , und wir ſollen nidt allezeit nach neuen , wie nach der Mode , begies rig ſeyn . Eines Chriften Leben ſoll ein ftetes Gebet ſeyn. Da ſeufzet er unaufhörlich zu Gott , und redet beſtåndig mit ihm. Denn wer mit ſeinem Reden und Thun , ja mit seinen Gedana ken allezeit GOttes Lob ſucht , der ſteht immer vor dem Altar GUtres , und opfert ein angenehmes und vor dem Jehovah liebs liches Rauchwert. XXV.
Rund .
ie Welt bildet fich ein groſſes fob und reiche Beute ein, wenn ſie eine Salle erdenfet. Denn weil ihre Leute alle fchlan ſind wie die Fidyſe, die ſich nicht leicht rangen laffen , ſo hat ſie kein gröſſeres Vergnügen , alb , wenn ſie einen fangt. Wie nun eine Liſt die andere ſdılåget, ſo iſt ein Chriſt allein dadurch D 4
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XXV .
Rund .
dadurch ficher , wenn er ſich rund inacht. Denn er fucht wie ein Igel feine { scher oder Fruinme HSten , ſondern er widelt ſich in fic) ſelber.
Da mag man ihn drehen , wie man will , ſo kan man ihm nicht zu . Es hat auch ein Chriſt ſeine Stacheln , wela che die zarte Hände der Welt nicht vertragen können. Auch die Kunde mogen nicht drein beiffen . Es mag nun die Falſchheit
die Gewalt untergraben , oder die Gewalt die Falichheit unters treten , oder die Schwabkunft dieſen beeden den Rant ablaufen , oder die beede der Schwankunft das Maul abhauen ; To kan zwar mancher darunter leiden müſſen ; ein Chriſt aber achtet fols ches ſataniſche Spiel nicht. Er weiß , daß nichts gutes von der Welt zu erwarten iſt, und daß wenig dran ligt , wer endlich die 1Oberhand behalte. Denn die Teufel ſcharniußieren miteinander, da auf beyden Seiten mit liſt und Gewalt gefochten wird. Ste haben aber nichts , das dem Weſen Chriſti gleich ſiehet. Denn ob ſie gleich die gemeine Wohlfarth , Religion, Wohlftand, Freys beit, und dergleichen ſcheinbare Namen ſehr oft vorwenden ; fo wird man dod ), wenn jemand folche Sachwalter des gemeinen Beffens unter der Haut betrachtet , lehen , daß fie fic , und nicht Chriſto , das Regiment beſorgen , und daß es einem redlis lidien Mann nicht anſtehe , mit ihnen gemeine Sache zu machen . Es wird aber das Haus GOttes unumgeſtoffen bleiben , und alle Stürme und Stoffe werden von ihm zurüfprallen , ſo ſehr auch manche ihre Hände abziehen , und ſich der Gegenwehr ents ſchlagen. Denn es iſt nicht mit Menſchenhånden gebaut , noch mit Menſchen : Hülfe bis auf dieſen Tag vertheidiget worden , ſondern Recht muß doch ewig Recht bleiben , und dem werben alle fromme Serzen anhangen . Es ligt was groſſes daran , daß man wife , was ein recht chaffener Mann ben zerrütteten Umſtänden zu thun habe. Denn einige laſſen ſich zu verwegen auf , andre fliehen allzu furchtſam auseinander . Dieſer Kummer hat auch beſcheidene Gemüther gequälet, wenn ſie zwar ſahen , wovon fie abs , aber nicht
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XXV . Rund.
nicht, wohin ſie ausweichen ſollten.
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Denn wo Parthien ſind ,
da hålt man ſelten Maſſe , und das Ungeſtimm des groſſen Kaufens übermannet den Glimpf des kleinen Håufleins. Wenn nun auch die andre Parthie ſtark und überwiegend wird , ſo ift nichts als Gåhrung zu erwarten , und kein friedliches Ueberein , kommen zu hoffen.
Diß beweiſen uns die Wunden der Kirche ,
welche mit bitteren Feindſeeligkeiten erweitert und offen da ftes hen . Was ſoll derjenige thun , dem die Heftigkeit beeder Theis le mißfådt, der den beederſeitigen blinden Eifer und offentliche Trennung mißbilliget ? Entzieht er ſich , ſo wirft man ihm vie Feigheit vor ; gibt er behutſam nad) , lo ſcheint er einzuwilligen ; tadelt er etwas , fo heißt er ein Abtrünniger.
Doch wollen wir
mit Gott beſchlieſſen , ein guter Mann müfle bey böſer Zeit feine Gegenmeynung aufë beſcheidenſte bezeugen , und , wo er tüchtige Heilmittel weiß , foldie anbieten . Diß haben die Rechts fchaffene jederzeit gethan , und damit zur Zeit wenig Dank, aber
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viel saß verdient. Dod) hat es die Nachwelt erkannt und geeha
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ret. Wer von jenen Murmlern lebet , nod) mit gutem Nachs rulem in den Zeitbüchern , geſchweige , daß er einmal in dem Buch des Lebens werde zu leſen - ſeyn ? Wenn diejenige , welche
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tapfer für das Vaterland geſtorben ſind, ſeelig und in der Welt geehret ſind , warum ſoll man nicht auch diejenige ſeelig preiſen , welche ſich über der Bekanntniß der Wahrbeit aufgeopfert ha. 1 ben ? Laßt uns das , was gut iſt, vortragen , aurathen , dara aufdringen , einſchårfen , bekennen , darnach handeln ! Hat es ſonſt keinen Nutzen , ſo retten wir doch unſre Seelen , und bea weiſen vor der chriſtlichen Nachwelt redlich , daß das überhands genommene Unheil in der Kirche nicht aus unſrer Schuld forta gewährt habe.
XXVI.
Sedult,
ie gerate Bahn des Chriſtenwandels iſt , wenn man dula det , was man nicht verbeſſeru ein , und ift nicht leicht cin
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XXVI. Gedult.
ein gefährlicherer Abweg , als die Ungedult . Denn wenn man vergebens widerſtrebet, ſo wird daöjenige , was nod) erträglis cher geweſen wäre , bitter , und wird , wo man die Welt erbits tert , noch mehr verſchlimmert. Viele , weldie ſich Luft idhafs fen wollen , laden auzuſchwehre Laſten auf ihre Schultern , und werden darunter erdrückt. Die Chriſten ſind viel kluger , als tie e leute. Nach dem wunderbaren Spruch ihres Meiſiers bies ten ſie dem , der ſie auf den rechten Backen (diriget , auch den andern dar , dem , der den Rock nimmt , laſſen ſie auch den Mantel , mit dem , der ſie auf eine Meile zwingt , gehen ſie zwo. Wir müſſen die Welt nie sor - ſo groß achten , daß wir fie nicht ſollteu ertragen können , und nie für ſo koſtbar , daß wir ſie nicht ſollten entbehren können. Sie mag thun , was ſie will , uns drücken oder von ſich jagen , fo foll ſich ein Chriſt nicht beſchwehren . Denn er kan überal wegbleiben , nur von Chrifto nicht, und alles ertragen auſſer dem Zorn GOttes. Eia nem wadern Mann muß vieles mißfallen , aber nichts ſoll ihn im Innern frånken . Was keine Heilung leidet , mag zu Schana den gehen . Was nicht vor fich gehen will , mag hinter ſich ge : hen . Was ſich nidit in die Höhe heben låſſet, das mag fallen . Was ſoll ſich ein Chriſt unter ſolchen Dingen bekümmern, wenn er dem Gewiſſen genug gethan , und des Creuße: Chriſti ge nug hat ? Die Leute wollen nicht nach unſerm Sinn leben , ſo laßt uns nach dem ihren leben , ſofern es die Aufrichtigkeit des Herzens leidet. Die Welt wird idylimmer ! Mie ? wollen wir die Welt vom alt: werden aufhalten , oder ihr kindiſch - werden verhüten ? Warum ſorgen wir nicht vielmehr , daß von uns nidits mit abgehe ? denn was nicht in unſerer Gewalt fiehet , pas mag auf anderer Anſtalt bleiben oder ſchwinden .
Wir wola
ſen nicht einen Seufzer gehen lafen , wenn der Allerhödylie uns thme nachfolgen heißt , und was uns unterwegs Beſchwehrliches vorkommt , dað wollen wir durch die Auſſicht aufs Vaterland leidt machen ,
28enn idon vorher die Marſruthe geſchrieben
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XXVI . Gedult. TAB
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iſt , daß er durch Hohn zur Crone , durch Mühe zur Ruhe, durch C:euz zum Glanz, durds Gedrånge zum Geprånge fich durcha ſchlagen ſolle , der muß ſich hier niemahl wobl feyn laſſen .
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Diejenigen , welche die Jank:Luſt in den Leuten unterhalten, und bey Serichten nur ums Brod dienen , die haben gewiß wes nig von Chrifto. Dieſe Seuche iſt unter den Chriften angewach fen, daß ſie ihre laſt ſelber nicht mehr ertragen können , und auch denen , die in der Welt verſunken ſind , mißfället. Es mag ja nicht unrecht ſeyn , daß man einen zweifelhaften Handel durch Aber uns billige Richter und Schiedsmånner ſchlichten laffe. endliche Wortkriege führen , und aus einer Zånferen eine andere ausbråten , das ſtehet nur einem Gallions - Richterſtuhl , und feelenſdådlide Sache teinem chriftliden Rathhaus an . wenn man ſich mit allem , was man wider den Nachften hat, ſchleppet, und mit leidigem Proceß : Gewöhr beſchwehret ! Uus zehlige Seelen find ben folchem unrechten Schein des Nedits
8 zu dein Fürften der Ungerechtigkeit hingefahren.
Wenigſtens
meidet ein Chriſt ſolchen Weg zum Recht zu gelangen ſo viet er kan. Er verabſcheuet die Luft nach Zánkereyen durchaus.
7.
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Denn er achtet einige Vortheile nicht ſo hoch , daß er ihrentwes gen ſeiner Ruhe Ungelegenheit zuziehe.
Er kommt lieber mit
feinem Bruder auf alle andere Wege aus , als daß er einen Rechts - Handel anfange. Gar geringe Dinge finds oft , wel : dhe die Menſchen entzweyen , und ſchlägt bernad) kein geringer
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Hader dazu: Es iſt auch keine geringe Schande, daß Clyriſten über ſolchen Kleinigkeiten einen Auflauf erregen . Doch wehe jenen Zungen : Dreſchern , welche von anderer leute Galle leben , und beebe Parthien qusplündern , bis ſie zufrieden geſtellt find Wohl aber den aufrichtigen Handhabern des Nied ;to , durch den ren Sanftmuth die Gemüther wieder vereiniger , und von sem verwegenen Hadern abgehalten werden ! Handelten wir alſo , lo würden weniger Rechtshandel reyn , und der Proceß . GOtte wider die Welt würde eifriger und mit mehrerem Fortgang gee tries
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XXVII. Barmherzigkeit.
trieben .
Nun da wir einander aufreiben , und den Widerſtant
gegen dem Satan aufſchieben , ſo iſt kein Zweifel, der Ausſprud werde wider die Sartnåkigter ausfallen.
XXVII. W
Barmherzigkeit.
enn unſre Sache unter dem Geleite der Gerechtigkeit in
Richtigkeit gebracht iſt , ſo müſſen wir uns nach dem ans dern Weg umſehen , welden man billig die Barmherzigkeit nennet. Denn da der vorige zu rauh und ſtreng ſcheinen kan , weil er alles ſo vollkommen fordert , ſo wird er durch dieſen ges mildert , da wir ſehen , daß GOtt auch gegen unſrer Schwach heit geneigt iſt. Denn da er uns nicht nur als ſeine Feinde , ſondern gar als Aufrührer , durch ſeinen Sohn unſein HEIT Chriftum mit ſich verfühnt hat , und nns nicht ſowohl aus dem Schlaf, als aus dem Tod erwec't , nicht nur als Schwache fondern als äuſſerſt Kranke geheilet , nicht ſowohl als Beſuoeltec ſondern gar als Durchfåulete ausgereinigt ; ſo muß der Triele der Erbarmung unendlich ſeyn , womit er uns Entfremdete . Berlegene , Kraftloſe und Stinkende tråget , und mit Flüs geln der Gnade überdecket. Er ſammlet fich alſo eine Ges meine nicht nur aus Weiſen , Klugen , Starken , ihrer ſelbſta måchtigen , ſondern er hat die allermeiſte darunter aus der Zahl der Einder, damit er ſich durchaus als einen Arzt erzeige , der fichs zum Geſchäft gemacht, diejenige zu heilen , die von den eingeriſſenen Weltſeuchen befallen ſind, und ſich vorgeſetzt, den herrlichen Weltruhm zu beſchämen. Denn die chriſtliche Relis . glon iſt nichts als eine Bekanntniß der Gnade des ewigen Vas ters , womit er das menſchliche Geſchlecht , welches durch des Satans liſt um das Ebenbild GOttes gebracht , und aus dem Belis des Paradieſes herausgetrieben worden , unter dem Vers bienft ſeines Sohnes wieder zu Gnaden angenommen , und durch einen neuen Glaubensbund ihme verbunden hat , damit alle FREE welde dieſes heilſameMittel ergreifen , von der ewigen Seelig teit
:
XXVII.
Barmherzigkeit.
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Peit und dem himmliſchen Erbe gewiß würden . Dieſer neue Bund und wunderbare Zeugniß der reineſten Liebe bey Gott Himmt die Sünder , und macht ſie zu Gerechten ; beruft die Ues bertreter , und befehrt ſie ; nimmt die Unreinen auf, und waſcht fie rein ; nimmt die Weltfinder auf, und macht ſie zu Chriſten. Denn wer unter dem neuen Bunde nach alten Sitten leben wolte , der ſpottet der gørtlichen Barmherzigkeit , und macht ſich der Vergebung unwürdig.
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Dahero miffen wir ‘oft an unfere Pflicht gemahnt werden , daß wir uns nie unterſtehen , die GårigkeitGottes zu verſuchen , und ſeine Langmuth zur Freyheit im Sündigen zu mißbrauchen . Denn obgleich Chriſtus auch diejenige, welche ſpåt zu ihm koma men , wo es nur ein Ernſt iſt , nicht wegwirft; ſo wird doch der , der ſolches gleichſam im Geſpött thun wil , in ſeiner Süns de ſterben . Doch iſt höchſtnöthig, daß diejenigen, die in gåttlis chen Dingen irren , ſie mögen im Irrthum Vorgånger oder Nach , folger ſeyn , auf den rechten Weg gebracht werden. Mich důnkt, daß einige in dieſem gottſeligen und nütlichen Geſchäft zu ſtreng Find , und die Riffe in der Kirchen mit unzeitigem Eifer erweis tern , und das zertrennte noch mehr zerreifen . Dadurch wird , welches zu bebauren iſt , bålder ein Keßer gemacht , als er es iſt, wd alſo geſcholten , ehe er ſich wirklich ſo beweiſet. Es iſt gefährlich , eine ſo ausführlidie und ausgeklügelte Religion aufzuſtellen , wider welche gud, der beſtmeinende fich aus Unbes Verwegen iſt es , über die Regel Chriſti mehrere Ausnahmen , Unterſcheidungen und Schlüfſe ans fliden , deren Wiffenſchaft man ohne groſſe Sünde nicht ermange len könnte. Låfterlich iſt es , ſeine Meynungen auf den Zhron
dachtſamkeit verfehlen kan.
zu ſeken , ſo daß der , der ſie läugnet , den Himmel und die Ges ſeelige Erſtlinge der Kira meinſchaft guter Seelen verſcherze. den , da man unter den Apoſteln einen türzeren Glauben und geldmeidigern lehrbegriff hatte, und den Bannt weniger forchten durfte ! Indeſſen muß man doch den 1351fen begegnen , deren
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XXVIII. Vergebung. unſere dem Untergang zueilende Zeit mehrere und greulichere hat ; man muß es aber mit beeden Hånden thun , nemlich daß mart theils die Glaubens - Wahrheit mit heilſamen Worten zum Grund lege , theils mit guten Werken drauf baue , und daß man ebett ſo ernſtlich begelyre mit löblichem Wandel, als mit richtigen Artikeln es den Kekern zuvor zu thun.
XXVIII. Vergebung. Diehe o Menſch , was du deinem Gott ſchuldig bift , mit weld )en du.auf unausſprechliche Weiſe verſöhnt biſt, deſs ſen Eibarmungen über alle ſeine Werke ſind ? Zöllner , ' siken und Mörder , welche aus dem Rachen des Feindes in einem Uus genblick herauegeriffen , und in den Schoß des Hirten aufgenoms men werden , machen dir Muth . Du haſt Gott ergårnet , Er verjóhut dich . Du haſt ſeinen Grimm gereizt , Er idjenkt die Frieden . Du haft verbrochen , Er hat gelitten . Du haft dich verſündigt , Er tråget did , noch. Bereueſt du es , ſo verſchonet Er. Kehrſt du um , ſo nimmt Er dich auf. Du zauderít, und er wartet. Er ruft dir , da du in der Jrre biſt. Er ladet dich ein , ob du gleich widerſtrebeſt. Er wartet dich aus , wenn du tråge biſt. Ér umfangt dich , wenn du wiederkehreſt. Er leha ret dich , da du unwiſſend bift.
Biſt du traurig , ſo tröſtet er.
Vom fal richtet er did ,) auf. Vom Fehltritt hilft er dir zurecht. Auf die Bitte gewähret er dir. Sucheſt du ihn , ſo låſſet er ſich finden . Klopfeſt du an , ſo thut er dir auf. DiB beugt die Seele völlig , daß ſie, wenn es GOtt nicht geredet , Gott nicht gethan håtte , bey ſich ſelber nimmermehr glauben würde , daß der allgåtige GOtt die ſchlimune Menſchen ertragen , ja eine Freude an Såndern haben könne , damit er den Reichthum ſeis ner Güte offenbarete. Er hat auch Rajende vernünftig , und bat aus reifenden 2081fen nicht nur zahme Schaafe, ſondern ſo gar Hirten gemacht. Unreine und Geile hat ei jul Muſtern und Lehrern der Keuſchheit aufgeſtellt . Sklaven des Mammons bat
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XXVIII. Vergebung.
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hat er zu freygebigen Herren ihrer Schåße und zu redlichen Vera waltern derſelben geſeßt. Ehrgeißige hat er beſtellt , Demuth zu lehren , und mit einem rchmåhlichen Tod zu bezeugen den wunderbaren Rath Gottes , welcher ( o Wunder ! ) die Sünder den Selbſtgerechten vorzieht , daß du , o Menſch ! nichts habeft,
deſſen du dich rühmen mögeft. Eben derjenige, den du heute verabiceueſt, weil er mit Sünden ganz beſudelt ift , kan dir morgen ein Lehrmeiſter der Tugenden werden.
Eben der , den
du beute berehreſt , weil er mit gemeſſenen Schritten und in glänzenden Kleidern daher gehet , kan fich morgen im Roth wels zen . Für manchen iſt ja ſein Såndenfall noch ein Glåd ges weſen , wenn ſie ihn durch innige Scham und ernſtliche Neue von nun an vor aller vermeſſenen Sicherheit verwahrt hat. Dennoch hat die Kirche auch ihre Zucht und Gefeße.
Die
Ueßertretende werden mit den gelindeſten Mitteln gebeſſert ; die Halsſtarrigen aber mit einem Bann belegt , der hårter iſt, als
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alle Lodesſtrafen. Das gottſelige und rechtſchaffene Alterthum hat es eingeführt, daß diejenige , die dem Satan Sehör gegeben hatten , wenn ſie durch Buſſe über ihre Vergehung , herumges
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holt worden , zuerſt bey GOtt Vergebung ſuchen , hernach mit Dieſer ſehr der beleidigten Gemeine ſich ausſehnen ſollten. Ibliche Gebrauch iſt nicht eher abgekommen , als bis die Frens heit zu fündigen eingeriffen hat. Dann wurde ein Menſch durch Offentliche Fürbitte in die Gemeinſchaft der Heiligen wiederbracht, welcher nun ſich um ein paar Silberlinge einkauft, und nicht in der Stille in die Kirche einſchleicht, ſondern trokig hereintritt.
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Schande für uns , o ſchimpfliche Lincerey ! Es hat auch ehmals die heilige Einfalt veſtgeſetzt, wie es auch die Billigkeit erheiſchet , daß das unrecht Abgenommene erſtattet werde, weil Denn ſo die Buffe mit Benbehaltung des Pfands , falſch iſt. konnte auch der Fuchs über der Gans trauren , und ſie doch auffreffen ; deegleiden ein Srokodil din Mord eines Menichen beweinen . Uber o wie haben diejenige ſo gut Glück , welche
beut
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XXIX. Ruhe.
heut zu Lage der Strafe entgehen und doch die Beute davon bringen , und von der Schuld frey geſprochen werden , jenen der Raub aber nicht abgeſprochen wird ? Diß mag beurtheilen, went es angebet , wir aber haben nicht Zeit , von dieſer Sache zu handlen . Viele můßten fehr arm werden , wenn ſie das erſtats ten ſollten ,was ſie auf einen unrechten Weg haben . Doch auch hievor iſt ſchon wohl geſorgt.
Niemand erkennt dieſen Weg .
Ein Chriſt iſt bereit , nicht nur vor der ganzen Kirche ſeine Vers gehungen und Fehler abzubitten , ſondern auch das Pfand ſelber , wenn ers mit Unrecht hat , wieder herzugeben .
Denn was ſoll
er fidh ſchåmen , ſeinen Brüdern zu bekennen , was einmal vor den Augen alles Fleiſches , der Lebendigen und Tobten offenbar fern wird ? Warum ſollte er nidyt eine Kleinigkeit hingeben , da er weiß , daß er alles , bis auf den Plunder ſeines beſchwehrs ten Gewiſſens , dahinten laſſen muß ?
1 XXIX .
Rube.
as die Natur dem Menſchen verſagt hat , das erſtattet ihm die Gnade und zwar reichlids. Doch iſt zwiſchent beeden ein groſſer Unterſchied . Denn da ſich die Natur dem Ars beitſanen verleyhet , ſo wird die Gnade durch Rabe erhalten . Da jene den Wirkſamen günſtig iſt, ſo wil dieſe nur Leidſame haben . Durch Rennen und Laufen fördert ſich ein Menſch iin göttlichen Lichte nichts , ſondern durd Stille - fiken und Zuhörent zu den Füſſen des HErrn . Still - fiben aber heiſſet auf Gott barren und ſich von dem Getůmmel der Welt nicht beunruhigent GOtt thut nicht immerdar" zu wiſſen , was er will ,
laſſen .
und wenn er es will , und eröfnet den Seinigen nicht, wohin er fie leitet , ſondern er geht mit den Gelichten krumme Umwege. Hier nuß unſer Fürwitz verſtummen , und nicht immer nad dem kurzen Weg fich umſehen , weil auch die Schrauben - Gånge dem weiſen GOtt gerad genug ſind.
Dft meynen wir , wir
gehen irr , und kommen am geradeſten für ſich.
Wir meynen , aufs
XXIX . Kube.
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aufgehalten zu werden , und werden gefördert. Wir meynen , Ftil zu ſtehen , und es iſt geeilt. Wir meynett , wir kommett hinter ſich , und nähern uns doch dem Ziel .
SU
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ſchon zum boraus beſtimmt hat , und in der beſten Ordnung fortgehen låſſet ! Daher behålt ein Chriſt immer die Feuerſäule in den Augen , derſelben folgt er nach) , wo ſie hinziehet , und ſorgt ſonſt får nichts . Er verlauft ſich auch nie is in die Unge dult , daß er meynte , es gehe ihm übel oder hart , oder Gott Talle ihn anlaufen .
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Viele haben einen
ſeltſamen Weg durch Gefängniſſe auf einen Thron , und durch Schande zur Ehre. Sey nur ſtille , o Menſd ), und ſtelle al: les GOtt heim , welcher feine Sache über all deinen Vorſtand
Denn er weiß , daß viele Gerichte GOttes
verborgen , keines aber unrecht iſt. Er hört alio , wenn Gott redet. Er merkt auf , wenn GOtt fchweiget. Er redet , wenit GDtt befiehlt .
Er gehet , wenn GOtt ruft.
wenn Gott ſtille ſtehet.
Er bleibt ftehen ,
Er gehorchet , wenn Gott befiehlt.
Er nimmt an , wenn GOtt darreichet.
Er meidet , was Gott
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verwehrt. Er kämpfet, wenn GOtt anführt. Er fliehet,wenn Gott warnet. Er lebet , ſo lang Gott will. Er ſtirbt, wenn
11.
To ftoßt er nirgend an , und verfehlt ſich nirgend.
16 IN
Diejenigen , welche heut zu Tag alle ihre Thorheiten , zum Aergerniß der Unſchuldigen im Staat ausbreiten , verdienen ei. nen ſchlechten Dank von der chriſtlichen Semeinde. Ich wollte
It 19
and dieſe meine Schrift hiezu rechnen laffen , wenn jemand das
ihn Gott abfordert.
1
Judeme er alſo alles nach dem Wink thut,
für etwas beſſers herausgåbe. ' Es iſt zit bedauren , daß Anlet leitungen zur Gottloſigkeit , Ungerechtigkeit , Geilheit , Schmeis cheley und dergleichen Verderben für die Menſchen offentlich feil find , und der Markt in der Chriſtenheit nicht fåuberer iſt, a's im Heidenthuw .
Der Schwall von ſchådlichen Büchern iſt heut
zu Lage ſo groß , daß es eine Sandfluth zu Erläufung der beſten Gemüther und redlichſten Seelen geben kait.
Der Welt wollen
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wir keinen Vorwurf machen , denit fie muß bojes reden und T RI ſchreis VE I N U K
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XXIX. Rule.
ſchreiben. Möchten ſich nur die Chriſten måßigen , und ihrent Kiel nicht in heidniſche Schwarze eintunken , und die Blätter der ſchönen Wiſſenſchaften nicht befleden. Aber wer wird es verbieten , da es faſt eine ſo groſſe Ehre iſt , ins Bücher - Ver zeichniß zu kommen , als in das Regiſter der seiligen ? Muß man denn ſo viel aus den Pfützen der Goten herholen , als man aus dem Brunnen Iſrael zu wenig geichöpft hat ? Soll man , wo das Del des Geiſtes fehlet , ben den irdenen ampen der Eitelkeit ftudiren ? Heilloſer, und für die Schüler Chrifti al lergefährlichſter Kram ! Denn wenn ſie ſehen , daß ihre Vor gånger dieſen Roth nicht geſcheuet haben , ſo ſchicken auch ſie ſich allmählich , ihre Hände zu beſudlen und dergleichen Unflat auszuwirken .
Ein Chriſt fanımlet aus vielem weniges , und
aus dem wenigen das niedrigſte, und nur das , was ſich mit dem Wort GOttes zuſammen binden und fügen låffet. Dennt er weiß , daß ſolche Welt - Arbeiten wenig zur Ruhe beytragen , und daß ſie andere Seelen - Arbeit veranlaßt , welche von der heiteren Gemüths : Ruhe zitr ſtürmiſchen Zerſtreuung jaget und aus dem Feeligen Sik des Gehorſams gegen GOtt austreibet.
XXX . Stille. der Stille iſt eine ſeelige Bewahrung der Gaben GOttes . Dieſe Tugend macht ihren Beſitzer ganz auf einen andern Denn die 28elt meynt , ſie wiſſe Weg reich , als die Welt. nichts , wenn es nicht jedermann wiffe. Ein Chriſt hingegen hålt ſeine Schåße für verrathen , wenn es andere Leute wiſſen . Es iſt aber wahrhaftig GOttes Wide , daß wir eine wohlge30s gene Zunge haben uud ſeine Geheimniſſe nicht leichtlich auss ſchwåken. Denn er kan eine plauderhafte Seele nicht leiden , ſondern will haben , daß wir den Gottesdienſt der Verſchwiegens heit andächtig und treulich halten . Gottes under ſollen zwar nicht verſchwiegen werden , und was der Chriſtenheit förderlich reyn kan , ſoll man nicht verbergen .
Es find aber noch andere Din:
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XXX . Stille.
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Dinge übrig , welche GOtt in einer ſtillen Seele beweget.
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find noch andre Geheimniſſe des vertrauten Umgangs mit Gott, da es vielmehr eine Eigenliebe und Leichtſinn anzeigt , wenn man fie offenbar werden låffet , als einen Fleiß für den gemeinest Nuken. Ja noch darzu , ſo verlaffen dieſe Gaben einen ſchwåta haftigen Menſchen in dem Augenblick , då er das Si gel ſeines Mundes bricht, daß man inte wird , Gott ſeye über die Ver ſehrung der Freundstreue unwillig. Betrachte die Heil gen GOte tes , wie måBiglich fie von fid) gedacht , wie beſcheiden ſie bon ſich geredet , wie gewiſſenhaftig fie die Verſieglung der gåttlichen Liebe bewahret haben. Niemand hat man weniger Wiffenſchaft und Kunſt angeſehen , als ihnen , ob ſie gleich am meiſten wuß:
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ten und konteii.
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weniger mittheile, und weniger vertrauė , da wir von allen Eeis ten überlaufen , und alles verſchwenden ? Sind wir denn nicht ſeelig genug , wenn Gott allein davon weißt , ob wir es
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Und wir wundern uns erſt , daß uns GOtt
auch nicht vor den Ohren eines Weibsbildes ausſchütten ? Man ſoll ſich chåmen , wenn man Gott nicht Verſchwiegen : heit halten kan , da kein Weltmenſch einen Freund vertråget , der das Herz auf der Zungen hat , und keitte Heimlichkeit ber ſich behålt. laßt uns lernen die erſte Proben unſerer Verſchwiegenta heit EOtt abzulegen , damit er , wenn er uns findet als Leute , die die Seimlichkeiten bexabren können , uns würdigen können eines uad) dent andern zu offenbaren und weiteres mitzutheilen ! Man fietet aud, nicht ein , daß nicht einige Rechtſchaffenté in Geheim und gleichſam eidlich zur Dreüe verbunden dårften .
ſeynt
Wenigſtens wird einem ſehr leicht , weiin inan einen
hat , in deſſen Schooś man ſich ganz auch mit ſeinen Sündent ficher und fren ausſchütten kan. Manches drådet und naget uns heimlich , welches beffer wird , weiin mans einem Freund entdedet. Man merkt, daß es der Wide GDitze nicht fene daß jeder ſeiner Faminer allein beidäue.
Der ſolche Liebe oder
innigſte verbindliche Freundſchaft abbricht oder Berſebret, der iſt berabe E2
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XXX. Stille.
verabſcheuenswerth , und ſowohl des Menichen : als Chriſtenis Namens unwürdig . Viele boſe Gedanken , eitele Anſchläge , verwegene Vorſåke , unnütze Begierden , Regungen unreiner Liebe und bitteren Haſſes , einfältige Furchtſamkeit , und derglei: chen heilloſer Eigendinkel des Herzens wird vertrieben , wo mait einen vertrauten Herzens - Freund und treuen Rathgeber hat. Daher iſt in alleivege den Chriſten zu rathen , daß ſie ſich aufs fleißigſte um einen ſolchen umſehen , mit dem ſie das Innerfte ihres Herzens theilen können . Es iſt eine delicate Sache , bey welcher etliche Proben fehlſchlagen können , die aber unter GOts tes Leitung am Ende nie anders als gut ausfällèt ,
daß man
burch GOttes Weiſung einen rechtſchaffenen Jonathan antrift. Und iſt keine gewiſſere Manier aufzuſuchen , als wenn man ſich auch von dem Heil . Geiſt das Weltgeroſe zu meiden , und die Seelenruhe zu finden , dringen låſſet. Denn dieſer macht die Szerzen gerad , ſtidlet die Affecten , erwärmet die Bruſt , daß man leichtlich zuſammen fließt , und nicht leichtlich wieder zer: trenuet wird. Nur die Verſchmåhung der Welt , und das Ver langen nach dem Himmliſchen , raumt tauſend Dinge hinweg , die die Herzen entzweyen ; und bringt ſehr vieles bey , über wels chem einer den andern liebgewinnet und alle Freude und Wonne an ihm haben muß , will und kann.
Denn wo Chriſtus zuſams
menfüget , da kan der Satan nicht mehr fcheiden .
XXXI.
Glaube.
er Kirchen - Schaß iſt der Glaube , oder eine gewiſſe und ſonderbare Zuverſicht auf Chriftum in unſern Herzen , die
durch göttliche Verheiſſungen , und von dem heiligen Geiſt fels ber angezündet, und mit heiligen Siegeln verſiegelt und bekråf tiget iſt, ſo daß ihr die Pforten der Höllen nicht widerſtehen , oder ſie die Verführungen der Welt überwältigen , oder die Ges brechen des Fleiſches , dem Chriſten zum Schaden , ſdhwachen können . Diß iſt jene Wurzel alles Guten , welche durch das Wort
1. XXXI, Glaube,
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Wort GOttes eingepflanzt wird , und unausbleibliche gute Früchte tråget. Diß iſt jenes heilige Seuer , we'ches , wenn
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es von dem heiligen Geiſt angezündet iſt, den Menſchen gewiß lich ermårmet. Diß iſt jene himmliſde Bewegung , die auf
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den Antrieb der höchſten
Bewegungs - Duelle entſtehet ,
und
nothwendig über ſich ziehet , obgleich es ſdeinet, daß der Menſch nicht dahin ſtrebe , ſondern mit etwas anders umgehe. Denn Ott ſchåpet nicht die Werke , ſondern den Glauben , obgleich auch ſolche nicht ausbleiben , auffer wider Billen und Hinders niffen wegen .
Daher unterſcheidet ſich die Frömmigkeit , Rede
lichkeit und alle andern Tugenden eines Chriſten von der welts lichen Redlichkeit dadurch , daß hier nur der Glaube die Quelle iſt, die Welt aber von andern Triebfederu , und meiſtens vor der Ehrſucht getrieben wird . Darinne aber irret man heut zu Lage ſchåndlich , daß manche fich von einem ehrlichen Leben das durch abhalten laſſen , damit es nicht ſcheine , ſie wollen fich damit ein Verdienſt bey GOtt machen.
Dieſe wollen mit tåg
lichen bsſen Werken beweiſen , wie wenig ſie auf gute Werke halten. Vielleicht hat man das denen Diſputirern zuzuſchreis ben , welche ſo ångſtig verhüten wollen , daß man ja den leuten keine Vorſchrift zu einem unſtråflichen Wandel einſchärfe , und dadurch den Srrthum einer eigenen Heiligkeit einführe. Und das bey kan die Welt , die mit der Ausübung guter Werke ſo theuer. iſt , ſolche heiſſen eben so ficher ſeyn , als fie idylåfrig find , fels bige zu fåen , zu pflanzen und zu begieffen , und endlich ſie zu fodern . In allewege erkennet en Chriſt reine unwürdigkeit , und beklaget ſie aufrichtig. Er verläßt ſich allein auf den Glaus ben.
Er ift aber eben ſo emſig , bereitwillig und geſchäftig in
allen Chriften - Pflichten , und Beweiſung der Glauben -Proben .
Wie eine erhabene Sache der Glaube fene , das iſt genug . bekannt an den Erempeln des gottſeeligen Alterthums. Es iſt aber leider heut zu Tag faſt nid )t fo wahrzunehmen , wie es ſeyn felte.
Ebemalen waren Meer , Felſen , Mauren , wildeThiere, E 3 Feuera
XXXI . Glaube.
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Feuer , luft, auch die Sonne ſelber und der ganze Himmel dem Glauben gehorſam . Und Chriſtus hat verſichert , daß aud Berge ſich werden verſeken laſſen , wo man nur eines Kornes groß Glauben habe.
Wie nun ? Sit heut zu Lage der Glaube
abgeſtanden , oder fehlt es an uns , nachdem wir von der Kraft ab- und auf die Worte verfallen ſind ? Ad unſer Ding beſteht in ſcheinbaren Namen . Fordert jemand Kraft und Wirkung , fo vernichtet und entkräftet man eß mit wißigen Ausflüdyten . So unverſdhåmt iſt man bei uas , daß man es får einen Vors zug unſers Fahrhundertes bålt , daß man die Wunderkraften des Glaubens nicht bebörfe. Man bringt vor , weil die Sache gewiß ſeve , ſo habe ſie ſolche Beſtåttigung durch Wunder nicht vonnöthen . Hieran aber hat ein Chriſt keine Genüge. glaubt einen Glauben , der von lo augenſcheinlicher Wirkſamkeit, und offenbarer Herrlichkeit iſt , daß er ſich unter jenem ungez02 genen Leben nicht kan verſtecken , und gleichſam in Moder vers graben laſſen .
Auch wird der Glaube bey der Bruderſchaft får
keine ſolche Schlafſucht, noch bey Gött für ſo nichtswürdig gea achtet , daß er unter jenen nichts gutes thue , und bey dieſem nichts gutes erbete. Wir halten es daher für eine liſtige Auss flucht, wenn man auch die ungewohnliche Wirkungen des Glaua bens entbehren will , damit man nicht nöthig habe , GOtt zu vertrauen . Warum klageſt du , du ſeneſt zu ſchwach , den Ars gen zu überwinden , der Natur zu gebieten , dem Nächſten zu dienen , welches alles Chriſtus dem Glauben zugeſagt hat ? Uber fo iſt es . Der Welt dienen wir , und vertrauen ihr von gans zem Herzen , von ganzer Seelen , von allen Kräften ; Chrifto Da mag aber raumen wir einen kleinen Theil von uns ein. dann das Feuer des Glaubens fold; kleinen Theil noch ſo ſehr wärmen und entzünden , ſo fan es doch gegen den übrigen eiss Kalten Blumpen nichts ausrichten , geſchweige ihn übermogen. ullo glauben wir , ſo lang kein Widerſtand da iſt ; wir trauen , ſo lang keine Gefahr da iſt ; wir lieben , wenn uns niemand bea leidis
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XXXII. Wort GOttes.
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leidiget ; wir geben , wenn uns nichts dabey abgeht ; wir leiden , menn wir müſſen ; wir theilen mit , wenn Gerpinn zu hoffen iſt; wir ſind widfahrig, wenn uns alles anſtändig iſt ; wir laſſen fahren , wenn es ohnehin entgeht ; wir ſterben gern , wenn wir nicht långer leben dörfen . So iſt kein Unterſchied zwiſchen Glaubigen und Unglaubigen .
XXXII. Wort GOttes . ie Richtichnur des Glaubens iſt das,göttliche voort, wela ches uns in der beiligen Schrift vorgeſtellt, und auf al lergnädigſte Bewilligung mitgetheilt iſt. In demſelben offeubas ret und entdecket fich Gott dem Menſchen , damit wir den dents ſidſten Begrif pon ſeinem Willen und Sinn gegen uns bekoms men mögen. Der Kern davon iſt der Meſſias oder Chriſtus , melcher durch ſolche Schale des Buchſtabens in unſer Herz ein zieht , eg bewohnet , weiliget , regieret, ſchütet und zur himmli: idhen Weisheit erhebet. Der wahre Ausleger und redite Doctor der heiligen Schrift iſt der Seilige Geiſt , welcher und aus der: ſelben Leben , Muth , Kraft und Feuer einflöffet, und ſeine Gea heimniſſe einpråget , auch uns mit wunderbarem lidst beſtralet. Die wahrhafteſten Siegel des Worts ſind das heilige Bad ( die Laufe) da wir mit himmliſcher Fluth vou dem erblichen Unflath, abgewaſchen , und im Namen der heiligen Drenheit zum neuen Gnadenbund und Liebes : Orden aufgenommen werden --- und das beilige Abendmahl , da wir mit dem Leib und Blut Chriſti
wahrhaftig geſpeiſet und getrånfet werden , und unſern Erlöſer mit allen ſeinen Wohlthaten anziehen . Die getreue Buchhaltes rin des Worts iſt die Kirche , welche dieſe Beylage über alle Schåbe der Welt , und über alle Bücherſammlungen auf dem Erdboden hoch ſchätzet , und vor aller Verfälſchung ſorgfältig bes wahret . Die würdigen Diener des Worts ſind die Knechte GOttes , welche den Menſden den willen GOttes vortragen , einen jeden zur Bekanntniß des Evangelii berufen , die Gnade SDta E 4
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XXXII .
Wort GOttes .
GOttes antragen , die Glaubigen mit den heiligen Siegeln bers ſiegeln , die Unglaubigen von den Schafſtal der Kirche abhals ten , die Augefochtene tröſten , die Halsſtarrigen bedrohen , die Tugenden in Aufnahm bringen , die Lafter ausreuten , die Welt ſchelten , das Gericht erinnern , die slle heiß machen , und auf mehr dergleichen Weiſe dem Reiche GOttes dienen .
Aber o wie
iſt zu bejammern , daß mau beut zu Tag weder die gehörige Ehrforcht für Chriſto hat , noch dem Geiſt Gehör gibt , voch die Sacramenten recht nutzet , noch der Kirche Glauben bens miſſet , noch auch manchmal treue Diener ſetzet; ſondern das meiſte im Leſen , Schreiben , Predigen und Diſputiren beſteht , und ein andächtiger Chriſt faſt nichts mehr übrig hat , als daß er das Wort GOttes in reinem Herzen trage , und ſeinen GOtt mit demüthigein Anrufen um den rediten Verſtand frage ! Die jekige betrübte Zeit führet mich darauf , daß ich eine einfältige Frag, vorbringe von dem Beruf zum Kirchen : Amt. Nach altem rechtmäßigem Herkommen haben die geiſtlichen Vors Ateher einen tüchtigen Maun zu berufen , die Obrigkeit' hat ihn gu beſtätigen , und das Volt zn genehmigen.
Wo nun eines
dieſer Stücke zurüde bleibt , und mit ſchåndlichem Verfahren zu Boden getreten wird , da fragt ſich , ob recht für die Kirche ges forgt ſeve ? Daran iſt kein Zweifel , daß ſolches GOtt fehr mig : fållig , dem Mietbling eine Gewiffeuslaſt , und für das Haus GOttes eine Zerrůttung ſene. Aber ob Gott durch ein ſolch unrein Gefäß wirke , darüber iſt man nicht einig. Die mit Fa antwvorten , ſagen , es ſeve doch einigermaffen ein Beruf , obgleich ! ein oder zwey Stůde daran fehten , wiewohl er vor jedermanu ( chimpflich reve. Es werde doch GOttes Thun nicht ausges ( chloſſen , und das Wort GOttes nicht obne Seegen dargereicht. Denn bey GOttes Gaben komme es auf unſre unwürdigkeit nicht an , ſonſt würde es gar keine ganz würdige Leute geben. Und in der That muß es alſo feyn . Alleine wer witd zweifeln , daß eines frommen Mannes Stimme der Stimme eines Gotrios fere
XXXII . Wort GOttes.
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fen vorzuziehen ferie ? Und wer wird nicht groffen Schaben für
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die Kirche von demjenigen beſorgen , welcher durch krumme Wes ge eingeſchlichen iſt , um recht zu lehren ; und übel gehandelt hat , um gut zu predigen ; der Hungrig baber's gekommen iſt , um andere zu weiden , und die Hurden zerriſſen hat , um den Wolf hinaus zujagen ? Wenigſtens iſt durch ſolche Werkzeuge ehmal die jüdiſche , hernach die chriſtliche Kirdje ins Gedrång gekommen , da ſie ſich GOttes rühmeten , und man doch weder
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in ihrem Munde noch Herzen noch Werken etwas von Gott ſpühren konnte.
Wenns nun heut zu Tag noch nicht ſo iſt , ſo
wollen wir kein Rühmens machen . Denn man geht Stuffens weiſe dem Verderben zu. Wo man durch keine Stimme Gets tes berufen wird , ſondern durch Bittſchriften Eingang ſucht , das iſt die Thüre für alle Tyrannen oder Spotter der Religion. So man die Kirche, nach der Beſoldung tarirt, und eine fette Bedienung einen Haufen Geiſliche lüftern und låufig machet ; da muß nur ein leichtglaubiger glauben , daß ſolchen das Wert
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GOttes am Herzen oder Gewiſſen liege. Trauren , trauren lafſet uns über unfrem Zuſtand , da man fiehet, daß Gott nicht
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mehr redliche Leute berufen wolle , ſondern die Sache den Mens fchenkindern überlaſſen habe , daß keiner mehr ohne Ungebühr ankomme ! Doch tråget ein Chriſt auch dieſes mit Großmuth
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und Gedult , dg er weiß , daß Chriſtus ſelber der Seinigen pfles gen , ſeine Schafe weiden , die Oberaufſicht über ſie haben , und mit ſeinem Steden und Stab reichlich trøſten wolle.
XXXIII. Betrachtung. schuldig , der uns, W ir ſind unſerem GOtt gar groffen Dank da wir das Ebenbild GOttes ſchåndlich verſcherzt, und uns dem Satan zu Fiffen geworfen hatten , nicht auch das Ges ſdhenke der menſchlichen Vernunft entriffen , ſondernt zum Troſt in unſerm Elend gelaſſen hat, 06 wir nun gleich dieſe gar ſehr mißbrauchen , und ſehr viele fie mehr als unvernünftig anle E 5 wena
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XXXII. Betrachtung.
wenden , ſo laſſen ſich doch diejenige , welche durch Chriſtum era neuret ſind , nidyt verkehren , ſondern ſie werden unter dem Gea horſam Chriſti noch mehr gezieret. Denn GOtt erlaubet einem vernünftigen Menſcheu die Betrachtung ſeiner Wunder : Werke daß er lauter Auge iſt , indem er auf dieſen groffen Schauplak herum wandelt , und die groffen Werke GOttes genau beſchauet. Wenn die Welt traumet , fie rene ſcharfſichtig, ſo irret , tappet . and taumelt fie doch ſo ſehr , daß man es nicht glauben ſollte. Denn da ſie ſonſt in allen Sachen gråbelt und Schwürigkeiten ſucht, ſo nimmt ſie es doch in denen Werken GOttes überhaupt , als ob in denſelben nichts merkwürdiges wäre. Ein Chriſt aber iſt mit göttlichen Beobachtungen ( Lehrſåben ), und mit dem Schlara fel Davids verſehen . Daher mag er ſich umſehen , wo er wil , fo gibts für ihn etwas zu bemerken , daß er auf GOtt achten , und ſeine Fußſtapfen wahrnehmen kan , Er mag geben , wo er will , ſo findet er offene Thüren der Werke GOttes , zu welchen er mit beſonderer Herzensluſt eingehet. Denn gleichwie auf eis nem Schiff diejenige , die auf dem Ruderbank fißen , weit uns terſchieden find von dem , der auf dem Verdecť mit Juſtrumena ten nach des Himmels Zeichen ſchauet ; alſo , weldie auf dieſem Beltmeer fahren , machen ſich zwar viele ſaure Arbeit , daß fie fbre laftſchiffe fortbringen , ſie ſind aber in den Himmelsgegena den unmiffend , und ohne Gefühl des göttlichen Anwehens , Gewiß ein gerechtes Gericht GOttes , da er diejenige verblendet, die ſich alle Einſicht einbilden ! Da ſehen ſie nicht , was ſie ha ben , und wiffen nicht , was ſie thun , nehmen auch nicht wahr, wo es mit ihnen hingehet.
Bey dem allem verlachen ſie im
Unſinn diejenige , denen GOtt das Geſicht geſchenket, und die Alugen geofnet hat, Ift auf dieſer Welt eine würdige Bemühung für einen Chriften - Menſchen , ſo ſind es die Schönheiten in der Webs Fanft und Chaturkunde. Von der erſtern wollen wir etwas
befehen .
Das GOtt alles nach Jabl, Gewicht und Mags ges ma.ht
XXXIII. Betrachtung.
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madit habe , hat er uns ſelber eröfnet , und die Sache ſelbſt bes weißt es. Niemand als ein Sinnloſer wird zweifeln , daß alle Dinge in ihrer Vielfältigkeit und Grenzen , Groſſe und Gleicha
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gewicht, Maaß und Gegenmaaß, mit unglaublicher Kunſt ge Teket ſeye. ' Und doc) verachtet die Welt diß alles ſo ſehr , daß ſie lieber Geld zåhlt , Laſten wiegt, Ziele und Markungen mißt, als die göttliche Harmonien unterſucht. Ja damit ſie ſich ja recht unmenſchlich beweiſe , ſo wird ſolche ſcharfſinnige Wiſſens ſchaft bey einigen klugen Köpfen mehr gedaldet , als gelobt , und in Aufnahm gebracht. Die geringſte Dienſte tragen am meiſten Geld ein , die ausgeſonnene Künſte werden am ringften bezahlt , und meiſt der Hunger , wo nicht etwa die Ruhmbegiers de iſt des Künſtlers Koch und die Fundgrube der Kunſt. * ) So toll iſt die Welt , daß fie das Ihrige nicht zu ſchåben weiß, und das , was beſſer iſt, ganz hintanſetjet.
Ein Chriſt gedenket,
das beſte und finnreichſte gehöre får ihn , nicht daß er ihm knechtiſd ) anhange und diene , ſondern , daß er ſich für einen Menſchen erkenne , dem GOtt den Gebrauch der Vernunft vers
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liehen , welche ſich nirgends offenbarer über die Thiere erhebet , als mit Rechnen , Wagen und Meſſen . Aber auch der Weltbau zeigt ſich beſſer durd , Inſtrumente . Es zeigt aber keinen Mens ſchert, ſondern ein Zhier , ja nicht ein Zhier , ſondern einen
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Stein an, wenn man ſolchen Bau niemals anſehen , niemals mit Fleiß betrachten will. Wenn einem andåchtigen Schüler GOttes noch ein Licht in die höhere Meßkunſt aufgehet, und die Tafel der göttlichen Harmonie , die wage und Gewicht GOttese die göttlichen Maaßſtäbe fidy dem Menſchen offenbaren , alss denn erſt wird das Dunkel der Sterblichkeit vertrieben , und die Finſterniß unſeres Kerkers zerſtreuet. Nichts übernatürlichers kan den Menſchen auf der Welt begegnen .
XXXIV . % ) Wenn der feel. Verfaffer in unſern Zeiten ſchrieben würde er dieſe Klagen nicht führen , aber andere eben ſo widtige Erinnerunge , geben.
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XXXIV . Creaturen . ieraus folgt die rechte Betrachtung der Creaturen .. Dieſe find den Menſchen als dem edelſten Meiſterſtål sOttes unterthan , und ſind das Buch der Chriſtenpflichten , weil er darinnen ſeines Adels und ſeiner Schuldigkeit erinnert wird . Das Licht, der Himmel , die Erde , die Geſtirne , das Meer, die Thiere , und abſonderlich , der Tag , die Sonne , der Mond, die Luft : Erſcheinungen , die Metalle , die Erdgewächſe, die Fiſche , die Vogel , das Vieh find GOttes Buchſtaben , durch welche er uns von ſeiner Herrlichkeit , Anordnung , Macht, Gute , Uners meßlichkeit belehret , und zu ſich rufet , daß wir ein Erempel an den Creaturen nehmen , und und weit rühmlicher , und uns ferm Borzug gemäß , verhalten und beweiſen rollen . Wer dieſe Zriebe nicht ſpührt , der iſt ganz tumm . Wer ſich durch den Gehorſam der Creaturen nicht zum Gehorſam gegen GOtt reitzen låffet, der iſt gewiß wie ein Stüd Holz. Wer ſich durch ihre Sebhaftigkeit nicht ermuntern låſſet, der iſt erſtorben . Ein Chriſt beherziget , ſo oft er die Eigenſchaften ( ber Geſchöpfe ) betradytet , ſeine Eigenſchaft, die in der Verehrang Gøttes beſtehen ſolle. So oft er die Furcht der Thiere fiehet , erkennet er feine Schuldigkeit Gºtt zu fürchten . So oft er die Frucht: barkeit aller Gattungen anſiehet , ſo oft fodert er ſeine Frucht von ſich , welche iſt Gøtt dienen , denn er weiß , daß alles ans bere fein , er aber Gottes feve; und daß alles aus bloffer Güre auf uns verwendet worden , damit wir weniger Anſtand niha men , uns Gott wieder zu übergeben . Es hat nemlich Gott ſeine überſchwängliche Liebe durch ſo viele Proben bezeuget , nur damit wir wieder lieben , und die Gemüths : Neigung gegen , auf und zu dem reichlichen Geber , weißeſten Regierer, måch tigften Erhalter , und unwandelbaren Vermehrer des Ganzert hinlenken möchten . Denn iſt es ſchon was ergoßendes um die didnteit , was erwünſchtes um das Gute , was liebliches uin die Bequemlichkeit und Nutzen , was erwünſchtes um das Gute , war:
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XXXIV . Creaturen .
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warum rollen wir nicht den , der der ſchönſte , der beſte, der religſte iſt , von Herzen lieben , ſuchen , ergreifen , und dann in GOtt gånzlich ruhen ? Das zweyte , gleichſam irrdiſches Ange des Menſchen , das biernächſt dienet , iſt die Unterſuchung der Etatur. Diß iſt die groſte Probe des menſchlichen Fleifſes und Scharfſinnigkeit , oder beſſer zu ſagen , das gewiffeſte Zeugniß der gåttlichen Mittheis Denn es iſt nicht zu ſagen , wie ſehr es uns in dieſer Sterblid;keit erhebe , wo man die Beſtandtheile der Creaturen aufloſet , die Bewegungen beobachtet , die Kräften unterſuchet ,
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und alſo zum Nußen des leiblichen Lebens unter der Mitwirkung und doch iſt die Welt und Einfluß des Himmels anwendet, hierinae eben ſo unbillig , als fonften .
Denn fie pfleget die ema
figen Naturforſcher entweder zu hindern oder zu ſtören , oder zu verlachen, oder wenigſtens niemals thuen nach Würden beyzu: belfen . Wir haben der Dorwelt viel zu danken , dann ſehr vie :
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les hat ſie durch unverbroffene Arbeit gleichſam aus dem Herz der Erde , und aus der Liefe des Meeres hervorgebracht. Uns wird die Nachwelt ſehr wenig zu banken haben , da wir ihr kaum
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das Ulte unverdorben hinterlaſſen , und mit wenig neuen Erfins Die groffe Geld - Begierde und weltliche dungen bereichern .
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Ueppigkeit hat alles beflect, daß man nicht fragen darf , war Des Leibes pfleget man zu um Gott weniger günſtig ſeyn .
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( chlimmen Uebungen und unreinen Werken , daß man ſich nicht wunderu darf , warum Gott wenig Gedeyhen zur Arzneykunft
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gebe. Dod) ſucht ein Chrift ſeine Luſt in dieſer Werkſtätte GOttes , und verlachet dad unordentliche Geſchrev der Welt.
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Er fiehet , fühlet und ſchmecket GOtt in ſeinen Geſchopfen , und wird durch die wunderbare Uebereinſtimmung des obern mit dem untern , des göttlichen mit dem menſchlichen , gerühret. Daher ſchauet er , während daß er den Erden - Corper ftüdweiſe beſich . tiget , oft gen Himmel , und unterſucht mit einer unſchuldigen Wißbegierde die Wahrzeichen GOttes hin und wieder. Seelig
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XXXV. Feſtigkeit.
ift , der nicht als wie ein Vieh die Gårten GOttes abweidet , und die ſo ſchöne als wohlriechende Blumen zertritt , ſondern mit einer menſchliden Zunge koſtet , mit menídlicher Naſen riecht, mit menſchliden Augen beſchant, mit menſchlichem Bers ſtand beurtheilet!
XXXV .
Feſtigkeit.
Seit dem die Welt ſteht, hat nie ein Feind der Kirchen bes greifen können , wie es zugehe , daß der kleine Kahn der Kirchen , weder durch die Wellen und die grauſamſte Stürme habe können verſenket , noch je durch andere Kunſtgriffe und Mits tel zerſcheitert und zerquetſcht werden ; ſondern daß ſolcher, og er ichon zum Sftern zerſtoffen und durchlichert, ja manchmalen vom Waffer hingeriſſen worden , gleichwolen noch da ſeye, und als wieder ausgebeſſert, die Schiffahrt fortſeße. Denn ſie haben nicht gewußt, daß dieſes Schifflein eine ſolche von GOtt vera liehene Feſtigkeit habe , daß es alles Wiðrige überwinden und gerbrechen , ja auch mit Bedult beſiegen könne , das aufferden freylich ſchon mehr als tauſendmal untergegangen wåre. Dar her haben die Tyrannen , nachdem ſie lange gefechten , und alle ihre Waffen und Muth darauf verwendet hatten , endlich eins geſehen , das fere ein Schiff , das ſich nicht verſenken laffe , und babens dann aus Scham und Verdruß aufgegeben .
Das nem:
liche Glück haben hernachmals auch diejenige gehabt , welche die unglückliche Unternehmungen aufs neue anfiengen.
Dann
die Kirche erholt ſich allemal nur deſto mehr und beſſer , fo oft fie zu Boden geworfen wird ; und wenn ganze Reiche völlig zu Grund gerichtet werden können , ſo bleibt doch dieſe kleine Heer: de , der Niederlage ohnerachtet , bey Leben , ja eben die Hinrich: tung fördert ihr Wachsthum , Kein greulichers Morden iſt, als welches die Sicherheit anrichtet, dann bey dieſer werden die Chriften lau , da ſie ſonſten unter dem Blutvergieffen erwarment. Sein Religionsfriebe iſt mehr zu wünſchen , als der mit gSttli. der
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XXXV . Feſtigkeit.
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der Genehmigung geſchloſſen wird , dieweil die irrdiſche Friedens: Tchlüſſe unſichere Fallen ſind. Daher begibt ſich ein Chriſt auf dieſis Schiff , weil er weiß , daß es durch kein Geichůß zertråms mert und durch keine Waffen erobert werden könne ; ja ſo gar wenig daran gelegen ſeyn , ob er mit vielen oder wenigen von den Seinen den Tod ausſtehe. Denn was er ohnehin der Nas tur ſchuldig iſt , das verwendet er zum 1dblichen Nußen der Kirs che, damit er auch von ſeiner Hinrichtung Vortheil und Huhm habe. Denn der Kirchen - Ader muß mit Blut gewaſſert renn , damit er reichlichere Frůdyte tragé. Wer ſolch Plut vergießt , der iſt der wahre Antichrift, und reizet Gött zur Rache.
Wer
es aufopfert, gehört zu den wahren Chriſten , und wird niemal ungerochen bleiben . Es iſt ſchon zum öftern vielen als ein Wunderwerf vors gekommen , daß nur ein Einiger Menſch bey ſo vielen Ges fahren und Anfällen noch übrig bleibe , und er , ob ihm ſchon
.
fo vielfältig zugeſeßt , und er von einer ſo groſſen Menge eingeſchloſſen worden , gleichwolen weder berührt noch ergrif: und noch mehr , daß ein folcher alle fen werden können
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Königreiche můde gemacht, und ohne die mindeſte Verlezung ſich ganzen Kriegéheeren entgegen geſeßt. Diß iſt die Wirkung des himmliſchen ſichern Geleits , und ein Muſter von der gotta lichen Stärke , da Gott ſeinen Werkzeugen die wichtigſte Ges
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fchäfte anvertraut , und ihnen , wo ſie ſich nur rechtſchaffen hals ten , die Sicherheit verheiſſet und gewähret , alſo daß ſie, ehe die Sache aufs beſte ausgeführt iſt , unmöglich fallen können , ſons bern zum gröften Verdruß der Welt ſtehen müſſen , ohne von einem Geſchoß verwundet zu werden. Dieſe höhere Wade , die wir, GØte wills aber nicht haben , benennen können, iſt einem Chriſten gleich einer ehernen Mauer , da er nicht fragt, was der ! Welt mißfåūt, ſondern was GOtt gefällt ; nicht , was ihm die Welt drohe , ſondern was GOtt ihm verheiſſe; nicht , wie die Welt angreiffe , ſondern wie Gott ſchüte
Alſo ikommt eines
Ehri.
XXXV . Feſtigkeit.
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Chriſten Stehen uud Fallen auf GOttes Willen und Verfügung an . Die Welt heiſſet ſchweigen , Gott aber will es nicht haberi . Die Welt ſtellt mit Hinterliſt nad ) , aber GOtt will nicht. Die Welt hångt gern Sd)andfleden an , aber GOtt will nicht. Die Welt fåūt das Totes - Urtheil , aber Gott wil nidit.
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iſt dann die Welt ohne den Rath und Einwilligung GOttes ein blofjes Nichts. Denn ſie kan nid )t , wie ſie will , ſie würde fonften idon lange über die Chriſten triumphirt haben , ſondern nur ſo viel , als ihr GOtt geſtattet ; Sa was GOtt haben will , da muß fie dran , wie ſie ſich immer frůmmen mag . Denn der wille GOttes läßts eben nicht beym blofſen Wünſchen bes wenden , ſondern dringt darauf mit aller Madt , gebietet und Wer ſich deswegen demſelben ganz zu: richtets zugleich aus. berſichtlich überlaſſet, der kan nicht eher von der Welt mit dein kleinſten Finger berühret , oder an einem Haar verletzet werden , als bis es GOtt für rathſam und dienlich achtet.
XXXVI. ann
vornials
diejenige
Eigenthum . ſich eines wahren Reid ,thumo
haben růlmen können , die da behaupteten , daß ſie all das Shrige bey ſid) tragen : mit wie viel gróflerem Recht kan das ein Chrift thun , der ewige Reichthümer und unverweßlis Es iſt nemlich che Schate in ſeinem Inwendigen tråget. alles andere in dieſer Welt etwas frembes , das uns nie zu Beſikern macht: Nur dasjenige allein kan wahrhaftig unſer ſeyn , was Chriſtus geſchenkt hat . Dieſe gewiſſe Beſitzung macht die Freunde GOttes ſo reich , daß ſie niemal Mangel haben , ſie mo: gen hingehen oder ſeyn , wo ſie wollen . Diß hat der Heiland das beſte Theil genennet , das niemals entriſſen werden köns ne. Da es nun die Welt verachtet , und ſchlechtere Sachen erwihler , ſo verråth ſie eben damit ihren Unſinn. Dann wie kan einer ſagen , das ſeye ſein , was er kaum
vorher vor atto
pern empfangen hat , auf einen kleinen Augenblid Lehend - weia le
XXXVI. Eigenthum . UK
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Pe befißét , und bald wieder anderu überlaſſen muß ! Er iffet heute , um ewig zu hungern , er triufet , um auf alle Ewigkeit bom Durſt gequålet zu werden. Heißt das beſitzen , was du alle Augenblicke verlieren kanſt, und auf alle Ewigkeit entbeh
& ren muft ? So iſts bey einem Chriſten nicht , Gott iſt ſein Theil , und die ewige Erbichaft ſeine Portion. Mit dieſein Cam
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pital wandert er durch die Welt , und fürchtet ſich nicht vor Dieben und Räubern ; hat auch keine Sorge, daß ſein Beutel můrb und (Schericht werde. Wo er nur immer iſt, findet er nicht der Menſchen ſondern GOttes Fußſtapfen. Er legt ſeis ne Waaren , die vor allem Schifbruch ſicher ſind , aus , und hat Merkehr mit den Fromnien. Wie aber ein lidt unendlich viel andere lichter anzündet , ohne daß es dadurch verringert wird : alſo zündet auch dieſer beglückte Kaufmann unzehlig viel andre mit himmliſchem Feuer an , und geht dadurch dem ſeinigert nichts ab. Mit unauslsſchlichem licht erleuchtet er nicht allein das Innerſte ſeines Herzens , ſondern leuchtet auch andern alſo vor , daß die Leute ſeine gute Werke fehen , und unſern Bater im Himmel preifen .
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B
Schande für Chriſten , baß fie von dem Epictet , der elit Sclav war , lernen müſſen , was Freyheit iſt , und vernehment , was in unſerer oder fremder Gewalt ſtehe !
Dieſer Mann hat
gewiß über das Heldenthum hinaus nahe zum Chriſtenthum hint geredet ; weil er ſo gar Niemanden das Seine unterwirft, auch keineswegs nach was Freindes begierig iſt , ja ſo gar aufrichtig M
all ſeine Weisheit in zwey chriſtliche Worte zuſammengezogent bat : Leide und meide. Uns ſteht es aber ſonderlich wohl an , daß wir den Weg einſchlagen , auf dem wir nicht nur folche Munterkeit des Lebens nadithun , ſondern auch übertreffen , und in Chriſto eine noch groffere Ruhe und Zufriedenheit erhalten , ſo daß unſere Gedanken , Begierden , übſcheu und alle unſere Handluugen in uuierer Gewalt und Regiment ſtehen , und nicht von fremder Willführ regiert werden , und daß wir uns tief eine
prås
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XXXVI . Eigenthum .
prågen , es ſene vou den zeitlichen Dingen nichts imfer eigen , und es könne aud ) ſolches uns weber nutzen noch ſchaden , fons dern nur dem Leib oder äuſſerlichen Umſtånden etwas beytragen oder benehmeti. Und da wir ſehen , wie auch unter den Heyden die Vernünftigere dieſe Welt für nichts geachtet , die Freyheit des Gemüths hingegen allen Cronen vorgezogen haben ; ſo ſollen wir Chriſten es nimmermehr dahin kommen laſſen , daß wir al : ſolche , denen noch herrlichere Dinge im Qimmel aufgehoben ſind, unſern Udel mit einem irrdiſchen Goch beflecken ; und als Reute , welche die Herrſchaft über alle Dinge behaupten , und keinem Dinge unterthan ſeyn können , von fremdem Urtheil abs hangen , und das Gutachten und Schåßung über Narrenwerk Wir ſollen von der Welt, als dein Narrens Konig erwarten . noch weit mehr , als der Weltweiſe ſagt: Anyt und Melit kóna nen mich wohl ums Leben bringen , aber nicht beleidigen , mit Chriſto růhmen : Welt und Satan fönnen zwar meinem Leib zuſeßen und verderben , die Seele aber können ſie nicht überwåls tigen , und Chrifto dem Erldſer entreiffen .
XXXVII. Genuge . iezu dient auch die Vergnügſamkeit der Chriſten. Dieſe Hiclåßt fich auf dieſer Erden nicht ins Groſſe und Weitläuffe
ein , ſondern bleibt beym Niedrigen und Geringen ſtehen , und iſt mit ſehr wenigem zufrieden . Denn hat einer die Freß-Kranks heit , ſo werden dem aller Welt Mahlzeiten nicht hinlänglich ſeyn . Einer aber , der wahres Genüge hat , ſchränkt ſich in allem ein , kan immer beſtehen und aufhören. Dieſer Hunger des menſchs lichen Herzens betråget viele , die ſo gar ſchlimm nid )t ſind, daß es ihnen ben aller Gelehrſamkeit , Biffenſchaft, Bücherleſen, Unterſuchen , Betraditung , Reiſen , Bibliotheken , Künſten Hausrath , doch niemals genug werden fan ; ſondern ſie find gleich wieder mit dem Immer - weiter da , und wiſſen nicht , daß dieſer unſerer Hiße ( Begehren ) durch
Abzieben und nicht durch
::
XXXVII. Genuge.
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durch Sinzathun , durchs Theilen , und nicht durchs Vermeha ren abgeholfen und ſie unterdrüdt werde. Denn wie das Feuer nicht kleiner wird , wenn man Holz zulegt , ſondern erſt dieſes hinwegnehmen muß , wenn mans ausisſchen will: alio wirft du
be
auch dein Gemüth niemals entweder durch Sehen , oder durch
!
Hören , oder auch durch Befigen måde machen , es wird viels mebr was anders und bald darauf wieder was anders verlangen ; ſondern du wirſt es ſtillen , wenn du Augen und Ohren zu- und
6.
FH
dich ſelbſt in Chriſtum einſchlieſTeft.
Auf dem Weg kommt es
dahin , daß wir zufrieden ſind , wenn wir in mittelmäßigem geringen oder in keinem Unſehen ſtehen ; wann wir måßig , wes nig oder kein Geld haben ; wann wir drey , einen , oder keinen wann unſere Kråfren nahe beyſammen , Freund haben ; ſchlecht, oder gar keine vorhanden ſind ;
wenn man ine
måßiglich ganz in geheim oder gar nicht lobt ;
wenn wir
eine Håtte von mittlerer Gattung , oder eine fehr kleine , oder auch gar keine haben . Oder daß ich alles aufs kürzeſte faſſe : wir werden genug haben an dem , was uns GOtt anweiſen wird ; und in welchem Ort , Zeit , Charakter , Beſoldung und Zeugniß uns GOtt aufſtellen mag ; - genug , wenn wir etwas find ; genug - werin wir wenig , genug wenn wir nichts find ; wenns nemlich Gött alſo gefället, und er uns nicht groß oder Denn wenn derjenige, der mit geſtůma anſehnlich haben wilt. melten Armen in der Schlacht-Ordnung ſteht, doch damit noch viel nuzt, wenn er nur im Glied bleibt , und das Feldgeſchrev mitmacht: warum ſollen wir , wann die Welt manche zurid ges fchoben , oder aus dem Weg geſchafft hat , nicht auch Stand halten , und mit ſchreven helfen ? warum ſollen wir nicht, wenut man uns auch den Mund beſdhließt, ſtehen , und mit Stitichweis gen das Unſrige thun ! Dann ein Chrift kan ſchon mit bloſſem Juhören, mit den Augen , mit dem Antlis , mit winken , mit ftiller Bebarrlichkeit , ja ro gar mit ſeinem Gang Gussen schaffen .
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XXXVII. Genüge.
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Damit alſo ein Chriſt ſich als ein Bind GOttes Beweiſe , fo iſt er über jeder Speiſe, die ihm der Vater vorlegt , frölich und vergnügt.
Er verlangt keine andere Gerichte , kein ander ,
Zimmer , keine andere Kleidung , aud ) teinen andern Namen , als die Familie ſeines Vaters hat. Fa damit er dem Leib nicht zu viel thue , und kein wildes und üppiges Weſen aufkommen laffe , lo entzieht er ihm vieles ; fchlågt auch viel Gutes- in die Schanz , das ſonſt erlaubt und auftåndig wäre , und bezåhinet Es ſollte einen wundern , daß fo ſich durch måßiges Faſten . viele Chriften von dieſer Sache nichts wiſſen , oder ſie verſuchen , wenn nicht die gemachliche Lebensart und Weltförmigkeit ſchon längſt in unſere Neligion eingeführt wäre. Daher muthet man ben Worten Chrifti , womit er uns das Faſten ſo oft und ernſts lich einſchårfet , eine freyere Erklärung zu. Ob nun gleich die Römiſche Tyranney dieſes zum Spott gemacht hat , ſo weiß ich doch nicht , ob die Reformation ſolche Freyheit im Eſſen und Trinken habe wieder einführen wollen , welche heut zu Tage zur Berachtung der Faſtenzeit im Brauch iſt . Die Mäßigung mag wohl den Chriften immer anſtehen , doch iſt deswegen die Ento baltung zu gewiffen Zeiten nicht unanſtåndig. Man kan nicht ohne Schauer erwehnen , wie unflåtig und ſchåndlich die Chris ſten ſich in Zechen aufführen , und wer redliches Herzens ift , erzittert billig darob . Eben ſo beſtehen unſere Feſt - Kirchweph : und alle fröliché Tage darinnen , daß man rechtſchaffen trinkt, zehrt und ein unordig Weſen führt , daß man ſich wundern muß, warum doch die Chriſten nicht ein wenig eingezogener find , als die Heyden . Diß hat aber dermaſſen überhand genommen , daß einer , der auf Beſſerung arbeitet , ins Anſehen kommt , als wole te er die ( gliedliche ) Verbindungen in der Welt zertrennen. Da nun die Welt alles aufs gelindeſte auslegt , und verwegen auf Gottes Gite vertrauet , ſo leidet die chriſtliche Religion Schadert. Und ſo bringt ſie (die Welt ) auch ihre Gottesdienſte (3.E. Szochzeiten , leichen uc.) bey vollen Krügen und Schäffeln 1
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XXXVIII . Beruhigung.
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gu , und will mit vollem Wanft zu der Pforte des Himmels
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hintaumeln. vol Geiſtel.
ent,
enthålt, als er nach den Speiſen GOttes hungerig und begierig ift.
Ein Chriſt aber hat einen magern Leib , und iſt Daher er ſich ſo gerne der Welt : Íractamenten
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XXXVIII.
Beruhigung.
11 der Welt iſt es voller Thoren , und dod) viel Prahlens von Weisheit. Bey Chriſto iſt es voller Weiſen , und doch lehrt man öffentlich die Thorheit.
Wer ſollte aber glauben , das
diejenige alber ſeven , die ſich mit den Regierungen der Erden , ihrer Einrichtung , Feldbau und Unterſuchungen zu thun mas dhen , und ſolches mit vielem Gepränge beſorgen ? Und wer kan glauben , daß diejenige weiſe ſeven , die da Weiber habeu , und doch find, als hätten ſie keine; die da weinen , als weineten fie nicht; die ſich freuen , als freueten ſie ſich nidit ; die da faufen , als befäfſen ſie es nicht; die dieſer Welt alſo gebrauchen , daß fie ihr nicht mißbrauchen ? Nun werden jene von ihrer Weisheit gewaltig gequälet , und von der Hiße ihrer Anid låge elendig, lich herumigetrieben. Dieſe aber befriedigen ſich bey ihrer Thorheit , und iſt ihnen ſehr wohl.
Die Welt will Jugen an
den Hånden haben , und nicht glauben , fie lehe es denn .
Ein
Chriſt ftüket ſich ſo feſt auf das unſichtbare , entfernte und zus kinftige, daß er darüber das Gegenwärtige und Sichtbare vera ( dymåhet. Die Welt raiſonnirt , und dringt auf Beweis ; der Chriſt traut den bloffen Worten GOttes .
Die Welt will Verſi
cherung, Unterpfand und Bürgſchaft haben ;
dem Chriſten iſt
die Treue GOttes , ſtatt alles deffen. Die Welt fordert allers hand Proben ; der Chriſt weiß die gøttlidie Gewißheit . Die Welt braucht viele Weitläufigkeit ; dem Chriſten iſt die bloffe Einfalt angenehm . Demnach lan GOtt viel leichter der ganzert Chriſtenheit recht thun , als dem Stolz , Zrreifeln und wundera lichen Einfällen eines einigen Weltmenſchen . Denn ein Chrift bat allezeit Grund genug , warum er den Worten GOttes glaue bet
88
XXXVIII. Beruhigung.
Bet , gehorchet und unterwürfig iſt. Hingegen gehen der Welt die Fragen , Zweifel , Ausflüchte , Einwürfe und Widerſtände nie aus.
Vieles verſtehen und ſehen wir nicht ein , wir urtheis Aber deßhalber mit GOtt rechten , iſt eine
len unridhtig davon.
Derjenige iſt am ſcharfſinnigſten , dem die einige Miſſeihat, Siimme GOttes alle Knoten aufldſet, alle Einwürfe widerlegt, alles Zaubern vertreibt .
Hiedurch wird das plauderhafte Ges
wålche der Vernunft geſtopft, und man lernet in Einem be : ruben. Nie hat die Sonne ein gröſſeres und wüſteres Ungeheuer geſehen , als einen låſterlichen Menſchen , der über einem zus geſtoſſenen Unglük nicht allein mit ſeinem GOtt zůrnet , ſondern auch ihme greulich flucht. Diß iſt eine gemeine Seuche ben den Chriſten , woran aud ), wie man ſagt, die Türken einen übſcheu haben , dann dieſe ſollen aud) über allen traurigen Zufällen GOtt loben. Gewiß , es iſt eine groſſe Schande für uns , daß dieſes ſehr groſſe faſter , ſolches duſſerſt uuperſchämte Verbrechen , ges ringer als alle andere Vergebungen geſchårt , ja an manchen Drten kaum geachtet wird. Wenigſtens wird ein Chriſt ſich nies mal unterſtehen , wider ſeinen GOtt zu reden , gefchweige ſein Maul mit låſterung ausbrechen zu laſſen , da er weiß , daß ihn Gott in Einem Augenblick zermalmen , oder in Abgrund ſtür: zen kan . Rein Verfehlen foll uns niemal belieben , vor dieſem Verbrechen aber rou man ſich äuſſerſt fürchten. Reine Sünde ſollen wir uns zu gut halten , aber dieſe Mifſethat ſoll und nicht Denn worüber ſollten wir auf Gott boſe in Sinn kommen. ſeyn dürfen ? wenn Er uns alle verderbete , håtte Er fich erſt ſeines Rechts bedient. Nun aber , da er uns Gutes thut , kan Er doch , unſer Schmahen nicht verhüten ! Und was nimmt Er uns denn , das Er uns nicht zuvor gegeben hätte , und das Er nicht mit reicherem Maas wieder geben wollte ? Womit hinter. gehet Er uns , daß es nicht unſer Vortheil wäre , und ſich bald bernach offenbarete, daß es zu unſerm Nußen geſchehen ? Und mo
XXVI . Beruhigung . XXXVIII
89
wo geht in der ganzen Welt etwas vor , das mit Gottes Belei Menſch , ſchlage dich auf dein Digung zu vergleichen wåre ?
Ei
fdilinmes Maul , ſo oft es ſide erfredet , Gott zu ſdhelten ! ja geſlagen , geſchlagen ſolleſt du werden , du leichtfertige Zunge , die du dich nicht ſdheueſt , GOtt anzugreiffen ! Lede deinen Speis chel auf , den du auf Gott ausgeſpien. Zrinke und verſchlinge Chriſt , beſchnei : das Gift , ſo du gegen ( Ott ausgeſchäumet! de deine fippen , daß ſie zu den Verfügungen des Schöpfers nie Errn reye gelobet ! anders antworten , alé : der Wahme des wir von der Hand wenn , heiffen Das muß erft Beruhigung das Geringe an , ſondern auch das Karte aufnehmen , und eben ſo willig den Rüden gegen ſeiner Ruthe entbloſſen und darbieten , als fertig wir die Hände ausſtrecken ,
GOttes nicht allein
ſeine Geſchenke zu empfangen. XXXIX .
Macht.
Die Wege der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit haben wir befehen . Nun iſt der Steig der Allmacht noch übrig ,
Jei
welchen GOtt in ſeiner heiligen Regierung , wiewol mit geheis men Kräften , zeigt.
HH
Es iſt aber bey dieſem ganz anders als
bey dem Weg der Welt. Denn dieſe thut nichts anderſt , als mit Gewalt und groffem Ungeſtůmin . GOtt aber fangt das Seine mit Gedult an , und führts auch ſo aus .
Handelt die
Welt mit Stolz und Troj , ſo behandelt GOtt alles in der Nie drigkeit. Zwingt die Welt und bannet ſie auch alles Widerſpen : ſtige, ſo führt Gott die groffeſten Werte durch Willens - Neis gung (Ueberredung ) aus , und lenket die Gutwilige. Daher B
iſt es ein Kennzeichen der wahren Kirche worden , daß ſie durch keinen Schein der Gröſſe anſehnlich , noch durd ) Gefeße und Poe lizer - Ordnungen furchtbar, und durch keine Gewalt und lift
8 gewafnet ſeye.
Denn das Reich Chriſti iſt nicht von dieſer Welt,
die.da meynt , fie habe nichts gethan , anch fein Reich angerich
IN NO
tet , oder keine Religion angepflanzt, wenn ſie nicht Schwerdter und F4
90
XXXIX . Macht.
und Seronen portråget , nicht mit Degen und Spieſſen blinket , nicht Gefängnifſe baut und Feſſeln ſchmiedet , nicht Råuke und
1 Neke zurichtet, nicht zügellos und unordentlich lebet.
Chriftus
hingegen hat die Welt mit beiden unter rein Joch gebracht. Er kommt nicht mit einem Sdywarm Räuber , oder Heer Sola baten , nicht mit einem Gefolg von Sof- Leuten umgeben , fons dern verſchenzt mit einem Haufen geſchlachteter Märtyrer.
Diß
hat nie jemand thun können , als der GOtt : Menſch . Nach dieſer Made richtet ſich ein Chriſt , und erwartet nie , daß Chris ftus ein irrbiſches Reid anridite , ivo' er aló Staats : Miniſter zur Rechten und linken fißen und andere richten könne. Nein , er ift långſt aus dem Gefeßbuch des chriſtlichen Reichs belehrt, daß er zum Creuzreich gehuldiget , und nichts anders , als allers band Gattungen von Drangſal zu erwarten habe. Schon ſeit etlichen Jahrhunderten hat dieſe Meynung viele gute Seelen verwirret , daß Chriſtus vor dem Ende der Welt ſich ein chriftliches Reich aus den beſten Leuten berſammlen , und die Gottloſigkeit auf dem Erdboden in Zwang nehmen werde. Es find auch einige ſo weit gegangen , daß ſie die Jahre , wenn dieſes hádiſte Reich angehen werde , ankündigen wollen . En ats lewege iſt dieſe Sadie ſehr ungewiß , daher fie mandie getäuſchet hat. Doch iſt eine in der Forcht Ottes gewagte Vermuthung nicht ganz zu verwerfen .
Saben doch unter dem Druck der
Kirchen viele Lieblinge GOttes die glüdliche Befreyung und Sturz der ſchåndlichen Inranney vorausgeſehen , weldes Leuten damals låchertich , ja audy låſterlich fårkam .
manchen Diejeni.
ge , die ſolche Leute gern verlachen , ſagen , man warte auf eine güldene Zeit , da lauter Glück fenn werde. Und in Wahrheit hat der Satan zu Münſter in Weſtphaleri gezeigt, wie weit ſeis ne Macht ' oder Abſicht gehe. Ein Chriſt verwirft nicht ſchlecha terdings , was er nicht faſſet, wenn es nur dem Chriſtenthum nicht gefährlich wird.
Es find viele Bilper dem Johanni in der
Pffenbarung gezeigt worden , die uns noch niemand tůchtig ers
XXXIX. Macht.
91 :
fet,
tlåret, und mit unſern Zeiten verglichen hat , von welchen than
lind rand
doch glauben darf , daß fie jego noch viel bedeuten .
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Bon der
Bekehrung der Juden , von der Schlacht der Gottloſen , von dem :) Streit Gogs und Magogs , vom Sturz des Zhicrs iſt uns vies Yes deutlicher verkündigt, als daß man es ganz beyſeit ſeßen , oder auf gegenwårtige oder vergangene Geſchidten ziehen könnte . Indeſſen hat Chriſtus die Finſterniſſe in'den lezten Zeiten , die Trubſalen , die Erfaltung , die Schredniſſe, und das unerwars tete Einbrechen ſeines Gerichts vorherverkündigt. *) Diß alles
ie
aber kan mit jener lezten Gludſeligkeit nid )t beſtehen . Den ſeye, wie ihm wolle , ſo wollen wir als Chriſten uns antereins
ti
Ander vertragen , wenn einer mehr auf eine oder die andere Meinung fich lenket , wo man nur in der Einigkeit des Glaubens zuſammenſtinimt. " Einem Chriſten iſt ganz wohl in GOtt , uno fehr übel in der Welt , und hat nie keinen höhern und groſſere Wunſch als daß er begebret aufgelößt und bey dein 30 feyn .
XL . Wunder,
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5 eren
al
Die Wandergabe iſt ein handgreiflicher Beweiß von den Rraften in der Chriſtenheit. Dieſe ſind verliehen worden
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te. Es ſind aber noch Merkmale davon bey GDtt : ergebenen Feuten vorhanden . Es iſt aber die Gaudeley und Betrug des
da die Welt bekehret, und die Abgötteren abgethan werden mugs
Antichriſts dazwiſchen gekommen , wodurch die ſchon abfållige Welt in kraftige Frrthümer gebracht worden . Da wurde alles angefüllt mit allerhand falſchen Wundern , Zeichen und Miras keln. Eine groffe Macht des Irrthums überſchwemmte daben den Erdboden . Doch wird ſich ein Chriſt dieſen Ruhm von nies mand nehmen laſſen , daß ſeine Religion Dinge wider und über die Natur vermocht habe , die keinem Sterblichen jemals vors liehen worden .
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Nemlich mit Worten alle Gattungen von vers
F 5 zweis gen laſſen , hat iing GRU e vereini Dinge dieſe fich wiefern * ) In in neuern Zeiten durch erleuchtete Ausleger gelebret,
XL . Wunder. Fweifelten Krankheiten zu heilen , und , welches über die Sterb : fichkeit weit hinausgehet , Loote zu erwerten , und Geiſter auss zutreiben . Dieſe Dinge rühren von einer höhern Gerichtsbarkeit her , als fich irgend ein Weltherr mit ſeinen Befehlen anmaſſen barf. Ga die Gottheit , welche folcbe Macht mittheilet, macht fich hierinne ſichtbar. Keine Religion hat ſich das einfallen lar: fen dürfen , auffer durch Blendwerk und Betrug , und doch hat auch das dem Chriſtenthum nicht dorfen unter Augen treten , Heut zu Tag gibt es auch Wunder von mittlerer Gattung .
Die
Welt will fie zwar mißkennen und verkleinern ; doch aber tan ſie bieſes als ein groß Wunder nicht verläugnen , daß die Kirche wider ſo viele Unfälle, Nadıſtellungen , Rånke , Stürme , Vera ſchmöhrungen , und gegen die Jeſuitiſche Parthie erhalten und geſchüßt wird . Aber auch in ſeinem Innern erfährt ein Chriſt die Bunderhand GOttes , welche niemal ab . , oder, wie die beyvniſdhe Drafel , nachläßt. GOtt thut tåglich Wunder , die wir nicht beobachten oder ſchåken , weil wir mehr um zeitliches Auskommen , als um das Reich und Rath GOttes beſorgt ſind. Da die Heiligen GOttes alle Wunderthaten im Namen Jes fu verrichtet haben , ſo können wir auch dieſes nicht unberührt Taffen . Anbetungswürdig iſt der Name , wunderbar iſt der Nas me , erfreulich iſt der Name , bor welchem ſich alles Knie im Himmel , auf Erden und unter der Erden beugen rolle.
Der
Name' JEſu iſt ein wahrhaftig wunderthätig Wort , und faßt alle Weisheit in fid ). Es iſt der Inbegriff alles Troſtes und göttlicher Freude. Vom Namen Jeſus erſcballen die Himmel , upr dem Namen Jeſus erbebet die holle. Den Namen Jeſus wolederholen die Heilige , vor dem Namen Jeſus erzittern die Berdammten . Der Name Yeſus bietet die Engel auf , der Nas me Jeſus ſchlägt die Teufel in die Flucht. Den Namen JE : foo verehret die Chriſtenheit , den Namen Jeſus meidet die Welt. Der Name Jeſus ift der Gottſeligen labſal, der Name Jeſus iſt eine Folter der Gottloſen .
Der Name Jeſus / bringt Heit. Der
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XL. Wunder. Der Name Jeſus vertreibet das Unheil.
93 Was brauchen wir
weiter ? Aller Himmel Himmel migen die Wunder des Namens Jeſus nicht ausreden , noch die ganze Welt ſeine Majeſtät bes greifen. Jeſu , um deines lieblichſten Namens willen rey tem
Chriften gnädig !
Jeſu , durch deinen wunderthätigen
Namen heile ihn ! Jblu , durch deinen allmächtigen Namen ſchůße ihn ! Djera , durch deinen Heils - vollen Namen befreye den Chriſten !
Jeſu , durch deinen leutſeligſten Namen nehme
den Chriſten auf.
Wer alſo im Namen Jefu als ein Chrift
beſeeliget , bereichert, geſtårket und befreyet, und angenehm ge macht iſt, der wird ſich nicht ſowol über den Wundern GOttes erfreuen , als über dem neuen Bevſtand des Himmels , und neuer Bottmäßigkeit der Creaturen.
Mit ſeinem Leib , der feiner Sas
taniſchen Vergiftung mehr ausgeſezt , und keinem Fleiſchlichen Gebrechen mehr unterworfen iſt ; mit ſeiner gegen alle Anfälle unüberwindlichen , und allem Widerwårtigen überlegenen Står ke ; mit ſeinem von allen Stricken befreyeten , und dem Kerter entriſſenen und erhabenen Herzen ; mit ſeiner zu den himmliſchen Erbgütern gelangten Seele wird er ſelbſt dermaleinſt vor der Melt ein Wunder reyn.
XLI.
Ewigkeit.
nter t allem dem , was den Chriſten am meiſten treibt ,, die Un Welt zu verſchmåben , iſt diß das vornehmſte , weil alles vergånglich iſt a und nur auf eine kurze Zeit dauren kan. Dieſe Alles iſt in dem 2Bechfel , und Erde hat nichts ftandhaftes. wenns eine Zeitlang da geweſen , ſo muß es binfabren , verge: ben und verſchwinden. So ſind die Weltreide aufgekommen und abgekommen , nachdem jedes ſeinen kurzen Zeitraum durch : Was ſoll alſo der Menſdy, dle Handvoll Erde , loffen hatte. ja das Ståublein , ſich verſprechen , da ſein höchſtea Alter unter
6 hundert Jahren iſt ? Und über was ſoll er ſich krånken , da er Alle Augenblicke die Hoffnung hat, abzuſcheiden ? Mau mag eta was
XLI. Enigkeit.
94
was zu thun aber zu leiden haben , ſo wird es ohne langen Vera zug geicheben .
Ein oder das Ladere Fahr , Lag , Stunde , Mis
nure madt alles aus.
Daher fiehet ein Chriſt nichts , das einis
ger Beångftigung oder Begierde werth wäre , wo er nichts fina det , das der Ewigkeit gleich fiebet.
Ehre, Gåter , Wollüfte ,
Leumund , und dergleichen Dinge geben wie ein Traum vorbey , auſſer daß man gemeiniglich eine Bitterfeit und Beſchåmung und Edel åber der Eitelkeit hintennach empfindet. Man ſoll ſich alſo idåmen , nach ſolchen nichtigen und hinfälligen Dingen entweder mit Fleis fich zu beſtreben , oder fie ſo ungern fahren Sdhåmen ſoll man fich , daß man einen einigen raus zu laffen ſchenden Augenblick um ſo viel Leibes- und Seelen : Verluſt eins fauft. Denn wie die Kunſt - Feuer mit viel : tågiger Arbeit und unſinnigen Unfoften bereitet worden , und in einem kleinen Aus genblic abbremen ; ſo iſt es mit dem der ſeine Beſchafftigung auf die Chorleiten der Welt verwendet , welche loßbrennen und zu Hauch werden , ehe man ein Wort ausſpricht.
Eine erhabes
ne Seele aber hålt die Ewigkeit , die Ewigkeit für würdig , daß fie fich ihr ganz widme, ihre Seeligkeit mit allem Fleiß und El. fer fuche und darnach ringe ; und hinwieder daß ſie, um ihrer Quaol zu entfliehen und zu entgehen , alles aufopfere. Denn es ift beffer , auf kurze Zeit Mangel leiden , damit man ewig reich feve, als mit einem ungewiſſen Beſiß auf etliche Tage geåffet Denn wie wir billig und in alle Ewigkeit darben . denjenigen den gröften Thoren unter allen Menſchen nainen ,
werden
ber eine armſelige Luft auf wenige Zeit um ewige Quaal eintang chet: alſo erkennen wir es für eine wahre Weisheit , wenn man mit Verluſt des Zeitlichen das Ewige gewinnt , ja vielmehr , ogs Zeitliche wohl auf die Ewigkeit anwendet.
Diejenige , welche die Kürze des Lebens mit denkwürdiger Chaten erſeken , und im Ehren - Tempel angeſchrieben ſeyn wol. len , zerkämpfen fich unterſchiedlid ) , daß ſie einen unſterblichen Namen erhalten.
Daher ſtudiren eiuige ganze Nådyte, daß fie E ihren
XLI. Ewigkeit. fers NE
95
fhren ſubtilen Kopf bey der Nachwelt aufweiſen. Undere hinters laſſen künſtliche Sand : Arbeiten ; andere richten foſtbare und pråchtige Gebåude auf. Alle dieſe überliefern der Nachkommen : fcbaft jeder ſein Beftes . Ein Chrift ſtrebet nach nichts dergleis
ile
TA
den , fondern hat vielmehr das Sprüchlein : Ade Welt , alles zeit im Mund und im Herzen , und wünſchet, daß mit ſeinem Abſcheiden von hinnen , auch ſein Angedenken der Welt benoms men werden könnte. Undankbare Erde ! ſagt er , du ſolleft nicht einmal meinen Namen behalten , und ſo ziehet er ganz von der > Welt aus. Es iſt aber noch etwas , womit er fich unſterblich macht, als das Almoſen - geben , nicht zwar ein ſolches , wozu man trompetet , zuſammenlåutet, wo man Fundationen und Stiftungen hat , Fahrzeiten und Robreden hålt. Nein ! mit ſola den Ehren : Krången , und was ſonſt Aufſehens macht , behån:
3
get er ſeine Frengebigkeit nicht. Sondern bey ihm weiß auch die linke Hand nicht was die rechte thut. Nur GOtt iſt ſeine
be
Gutthätigkeit offenbar , welche er beweiſet anſtatt des Aufwands auf Gaſtmahle und Trinkgeſellſchaften , und ſtatt des Ueberfluffes Seine Gaben ben und Pracht an Wohnungen und Hausrath .
eich
ini
thi
ſtehen nicht nur in übrigen Pfenningen , ſondern der ganze Chriſt gibt ſich hin . Er ſtiftet nicht Iteber in todte Kirchen , ſondern leget e3 an lebendige und wahre Tempel GOttes an . Aber wer diß von unſerm Weltalter erwartet, der darf nur die Hoffnung aufgeben . Denn die alte Einfalt iſt in dieſem abgeſchafft und verbannet , daß man auch an dem , was GOtt geheiligt war , ſich vergreift. Man hat ſich ſo weit gebeſſert, daß man fick mit überflüßigem Almoſen nicht verfehlen will. Man macht tåglich Bettel s Drdnungen , erdenkt alle Tage neue Wege und
Gelegenheiten , die heilige Güter anzugreifen . Der gottfelige Wille der Voreltern wird verandert und gebrochen . Die Stifs
din
tungen um GOttes Willen müſſen fråßige Wänſte füllen. Sa man darf fagen : die Welt iſt ganz geiſtlich geworden , weil ſie ble geiſtliche Güter aufgezehret. Uber - Elend får fie, wenn
nten
fie
XLII . Die Seele.
96
fie dereinſt vor Chriſti Richterſtuhl niemand antrift , der da bes tenne und zeuge , daß er von ihr geſpeiet , getrånket , bekleidet, befucht und getröſtet worden ; wenn ſie hingegen viele findet , welche klagen , man habe ſie ausgehungert, mit Durſt todtge martert , ausgezogen , hinausgeworfen und verlaſſen.
XLII. Die
Seele.
Die Welt lacht, wenn ſie ſicher , daß ein Chriſt ſeinem Leib ſo gar hart iſt, und ihn nichts von den Wolluſten dieſes Lebens foften låffet , und verachtet ihn als einen , der nicht zu leben wiſſe.
Aber ſo muß es allerdings gehen , wenn einer ſeine
Seele gerettet wiffen will, Denn da die Seele dem Leib mit dem Beding verbunden iſt , daß ſie die Herrſchaft über ihn habe, der Leib hingegen der Seele gehorſamlich diene ; fo beliebet dem Leib nichts mehr , als das Foch der Seelen abzuſchütteln , und ihr die hårteſte Dinge zuzumuthen. Da geht es darauf loß , daß , wenn ſich der Leib eine Weile in Wolüften wälzt und ras ſet , die Seele zugleich mit dieſem Wuſt beflect, und alſo endlich beede Theile der hölliſchen Quaal anheim fallen. Das Gegens theil geſchiehet, wo die Seele den Leib im Zaum hålt. Deur inan darf ihn , weil er ſeinen unſaubern Urſprung leicht vergißt, und ſeiner Natur nach zur Hoffarth geneigt iſt , niemals eine frenere Aufführung, oder völligeres Vermogen , oder beſſere les bensart ohne einen Maulkorb geſtatten , damit er nicht zu maft und ſtark werde , und fich wider die Seele auflaffe ; fondern er muß mit einem Gebiß im Zaum gehalten , und zu gehöriger Ur: beit angeſtrengt werden , damit er ben dem Bau GOttes ſeinen thm zugemeſſenen Dienſt thue. Diß iſt die Schule eines Chris ften .
280 er in dieſer zunimmt , einen den gåttlidien Geboten
gehorſamen Leib bekommt, und in dieſem ſeinem Zuchthaus ſich keine Ungebühr geſtattet , ſo achtet er diß hoher als , wenn er entweder Königreiche unter fich gebracht , oder ganze Wiffen : fchaften ausgelernt hätte.
Solte dann der Leib wohl leben und die
XLII. Die Seele:
97
die Seele (dmachten ? Solte der ausſchweifen , und die Seele In anden liegen ? Solte dieſer die Seele überwinden , und ſie jánimerlidher Weiſe im Triumph mit ſich zur Höllen ſchleppen ? Diß wolle Chriſtus nicht zugeben , dieſem ſoll ein Chriſt nicht Gehör gebeit'; ſondern den Leib , welcher wegen der Sünde zum Graben auf dieſem Erdbodeu verurtheilet iſt , mit knechtiſchen Arbeiten üben , zum Schweiß und Froſt angewöhnen , von den Welt : Feyertagen , Zechen , Lånzen , und andern Reißungen zur Uebertretung abhalten , und endlich zu Verrichtung debjenigen , was Gottgefällig und der Seelen heilſam iſt, fertig und bereit maden. Doch hat die Seele hier auch ihren Genuß an himmliſcher Speiſe und Trank.
Denn da fie alles Frrdiſche verſchmåhet,
und nichts tůchtiges für ſich da findet, ſo muß ſie vom Himmel herab verkaſtet und gelabet werden . Zu dieſer göttlichen Wohls that hat Chriſtus ſich ſelber verwendet , welcher in ſeinem heili: gen Abendmahl eine wunderbare Speiſe und Trank eingerezt hat , indeme er unter dem Brod und Wein ſeinen Leib , der für uns gelitten , und rein Blut , welches für uns vergoffen iſt, mittheilet und übergibt , daß er uns nicht nur zur Hoffnung der zukünftigen Seeligkeit aufmuntere , ſondern aud ) , durch ſeine wirkliche Gegenwart , die Seele ſtårke, erquide , belebe , und mit dieſem allerheiligſten Mahl erfreue. Sievon effen die Gotta loſen niemal ungeſtraft, die Fromme und Glaubigen aber werden mit unausſprechlicher Freudigkeit durchdrungen , daß ſie alle frrdiſche Banqueten und Schmauſereyen gern verſchmåhen , und erkennen , ihre Seele ſeye genug verſorgt, und ihnen Wohllebens genug bereitet. Aber o Finſterniß des menſchlichen Herzens, da ebeh diß Zeichen der chriftlichen Gemeinſchaft die Brüder zu unterſchiedlichen Parthien entzweyet hat , davon die meiſte mehr ſich ſelber glauben als Chriſto , und lieber den Zweifeln über dem Wort nachhången , als die heilige und geheimnißvolle Zeichen gebrauchen wollen.
Auch diejenigen ſelber , die ſich rühmen ,
daß
98
XLII. Die Seeles
daß fie Chrißo am alereiufältigſten glauben , wie kommen diese alb taltſinnige , feltene und beflecte Gåſte , wie ſpeien ſie die himmliſde Koft ſo gleich wieder aus ? Mir grauet über der viela fåltigen Untreue , die ſchon zur Gewohnheit worden iſt , daß man michts von allem dem hålt, was man Chrifto dem guten Wirth berſprochen hat . Ein Chriſt , ro oft er diß Manna , dieſe Speiſe ſeiner Seelen koſtet , er thut aber diß , ſo oft er kan , erſtaunet jedesmal über der liebe Chriſti, welcher die unwürdige Menſche belt ſo foſibarer Speiſe gewürdiget hat. Sa er regnet jedesmal feinen leib , daß es ihm vergönnet rene, diefen göttlichen Gaſt zu empfangen . Jedesmal wird er zu neuem Glauben, zu neuem Gehorſam , zu neuer Liebe , zu neuer Beſtåndigkeit, aufgeweckt, angetrieben , entzündet und beſtärkt,
XLIII. Alleine.
golfreicher der Schauplatz dieſer Welt iſt, deſto beſſer ges Lefåüt er ſich , und deſto luſtiger treibt er ſeine , Spiele. Das her haben diejenige, die an folches Getümmel gewóbnet ſind , Freude am Zuſammenlaufeu , und ſind allemal traurig , wenu ſie alleine und ohne Geſellſchaft ſind.
Denn ihre Sprache mus
nach der Weltſprache geſtimmet , und ihr Sinn und Aufführung nach der Welt -Mode eingerichtet ſeyn ; ſie haben nichts eigenes. Alles muß mit dem Fa oder Nein des Pobelo gleich lauten. Anders thut ein Chriſt. Er kan allein ſeyn . Sa wenn er unter bem gråſten Haufen leute iſt , da iſt er am meiſten allein . Denn durch das viele Getoß und den Druck und Gewirre ſo vieler Eis telkeiten untereinander ,, wird er eingetrieben , weil er unmöglich etwas davon gutheiſſen kan, und nothwendig von allem das Ges gentheil denkt. Denn nichts vereiniget und verbindet die Mens dhen mehr , als gleiche Gedanken und Meynungev.
Wer dars
innen etwas fremdes heget , der iſt unter einein ganzen Heer ſchon alleine und abgeſondert. Manche haben ihres Vorhabens perfehler , da ſie die Welt fliehen und das Getůmmel der Mens fchen
el
XLIII . Alleine.
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Denn ſie haben nicht Betrachtet, daß fie die Welt in fich tragen , und das Herz ſelber Unreinigkeit auss ſchaume. Wer der Erde abſagen will , ſage ihrer Hochachtung
fchen meiden wollten .
und Gleichförmigkeit ab , ſo wird er gleich alleine ſeyn , wenn er auch einen groffen Kaufen um ſich hat. Scipio hat gejagt , er ſeye niemal weniger alleine , als wenn er alleine ſeye. Ein Chriſt kan ſagen , er ſeye niemals mehr geſammlet, als unter einer groſſen Verſammlung , weil er ſein Herz von aller Ana Und wie Cocrates fich unter den hånglichkeit befreyet hat. Käufern und Verkäufern am beſten befunden hat , alio iſt eitt Chriſt unter einſtimmigen und zwietråchtigen Rotten im Frieden für ſich ſelber,
Gewiß es zeigt einen ſtårkeren Muth an , wer
bey ſid) jelber ſeyn kan , wenn man gleich ſcheinet unter deit Leuten zu ſeyn , als wer eine Einöde oder Gefängniß braucht, fich zu ſammlen. Chriſtus hat uns voraufgeſagt , daß wir int der Welt ſeyn werden , aber von der Welt zu feyn , bac er unterſaget, und daß wir nicht unter dem Schein des Ausgehens von der Welt , in unſrer Hole eine neue , Chriſto eben ſo unans genehme , Welt aufbringen. Die menſchliche Kühnheit iſt ſo weit gegangen , daß ſie ſich auch den & beſtand ( eine unſtreitige göttliche Einſaßung) vera boten hat. Gewiß eben ſo wie jener die Hoffart des Plato mit Alſo hat die Füſſen trat , aber mit einer andern Hoffart. menſchliche Zärtlichkeit mit einer andern Zårtlichkeit ſollen vera Das ehliche Leben hat ſo viel Bitterfeit als trieben werden . Irgend eines , fie wird aber durch die Aufnahme des Reiches Chriſti, und glaubige Gemeinſchaft reichlich erfekt. Daher ſolt
li
DI bood iers chen
niemand verändern , was GOtt weislich verordnet hat, und der Natur keinen Zwang anthun , wo keine göttliche Gebote vorhana den ſind . Doch hat vielleicht das noch lautere Alterthum dieſes gewollt, daß man ſeinen leib nicht eigenwilig in den Cheſtand ſtürzen ſolle, der noch freu feyn könne , und daß man die Blüthe ber Jungfrauſchaft gegen den Früchten des Eheftandes nicht ſo gar
XLII . Alleine.
100 gar verkleinern ſolle.
Aber aud ), daß das ehliche Leben ſelbſt ſolle nach ihrer Anweiſung keurd ) , måßig und mit Enthaltung unterbrochen ſeyn , damit es nicht ſcheiüet , man wolle mehr fidh ſelber als GOtt dienen , auch daß man alle Pflicht mit dem Haushalten erfüllen ſolle. Das Hausweſen mag ſeine Geſchåfa te haben , es muß aber auch Raum zum Gebet , Falten und Caſteyung übrig bleiben . Das Feuer zůdytiger Liebe mag glia hen , es ſoll aber nicht allzeit brennen , und auch die heilige und Gott gebührendė Dpfer verzehren. Ich weiß abei nicht, wars um fo viele fürchten, die Ehre des Eheſtands zu berleben , wenit fte die Jungfrauſchaft loben und anpreiſeu mochten , gleid ) als ob nichts heiliger und den göttlichen Befehlett gemåffer ſeve, als wenn das Fleiſd) freren Lauf habe. Gewiß wenn es lóblich iſt daß man den Wein nicht nach al feinem Durſt hinein ſchůtte , To ſoll man auch ben nicht ſchelten , weldher nicht nach der muthwilligen und allewege erbikten Brunſt zügellos handelt , ſondern gerne die Mittel , ſie zu vertreiben und durch andere vergnügliche Dinge zu zerſtreuen , anwendet. Denn ba die Gabe der Bearchbeit auch unter den Gaben GOttes iſt , ſo ſoll ſich niemand dieſer eigenmächtig annehmen . Doch iſt auch dera jenige dieſer unverſehrten Blüthe nicht werth , welcher mit feia nem Sehrten und Ringen , auch mit keinen Sålfsmitteln bie Hånde gegen der Anbietung Gottes ausſtreckt.
XLIV . Einfamkeit. Siehe alſo ein Mittel zur eblichen Seuſchheit bber jungfrđus lichen Reinigkeit. DiB iſt die Stille , wovon die After ſehr viel gehalten haben , und welche ein chriftlicher Menſch nicht berachten kant. Dieſe iſt eine Einſammlung des Gemüths zu ſich ſelbſt , oder in ſich ſelbſt, da man die duffere Dinge beyfeit ſezt, und ſich unterſucht, und , damit diß leichter bon fattent gehe , fid bort den leuten und von der Unruhe abzieht. Diß kan jedesmal geſchehen , ſo oft mian Zeit hat, am beſten abes wenn
D
jor
XLIV . Einfathkeit.
wenn die Natur ſelber ſtille iſt. Es kan geſchehen mit Weile und Unhalten ; bisweilen iſt es in Cinem Augenblick berrichtet. Wie eben die Gebete bisweilen lang , bisweilen Stoß- Seufzet ſind, alſo ſchränkt ſich dieſer Umgang des Herzens mit Gött ein , oder breitet ſich aus nach dem man faſt oder fuft unter dert Geſchäften hat. Niemand , der es nicht verſucht hat , kan glaus ben , wie viel Erleichterung, Beruhigung , Beſänftigung, Såte · tigung , Erfriſdung, Aufrichtung und Belehrung man von ſolo cher Prüfung hat. Man hat auch viele Beſchămung , Züchtis gung , Warnung und unterſchiedlide Gutthaten davon. Denn der Leib , das ſchlaue Thier , betrügt uns leicht , daß wir meis nen , biß oder jenes ſeve nothwendig zu thun oder zu unterlaſſen , biß oder jenes ſcheiné råthlich oder ſchädlid . Wenn man nun darüber in der Stille eine Unterſuchung anſtellt , aber auſſer dem Geſicht und Geſchrey des Pabels , und ohne Heucheley und Bes måntlung , ſo wird es ganz anders herauskommen , und ein richrigeres Urtheil ſich ergeben , denn es iſt ſehr gefährlich , wenn man ſich aus dem Stegreif mit der Welt einlåſſet, und nicht Zeit nimmt , Gott um Rath zu fragen , welcher in dem geheir men Rath Pråſident iſt. Und gewiß allemal kommt ein Chriſt klügér und wißiger bon dieſem Gericht zurüde.
So biel iſt
baran gelegen , ob man GOtt zum Rathgeber habe , oder ſich ſelber traue. Denn wer gewarnt iſt wegen der lift und Heuches ley des Fleiſches , der glaubt ihm weniger und geſtattet ihm wes niger. Er hålt es auch beſſer unter dem Druk , und beobachtet es mit einer geiſtlichen Wache. Wer Reſolution bom Himmel einholet, der führt all das Seinige am
ſicherſten aus.
Dein
ſeeliges und glückliches Conſiſtorium , wo das Gemiſfen klaget, der Geiſt bekennet , das Fleiſch um gnådige Strafe bittet , die Engel Mitleiden bezeugen , Chriftus Fürſprache thut, die Bufft Beſſerung zeiget, und GOtt losſpricht. Was hilft es , daß wir für uns alleine viele herrliche Peso tradhtungen haben , viel Gutes ins Gemůty faſſen , viele rechts ſchafa
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XLIV . Einfamkeit.
ſchaffene Vorſåke machen , und ſo gar Gelübbe vor Gott thunt , die wir aber , ſo bald wir von uns ſelbſt hingusgeben , ſogleich gånzlich vergeſſen und verlernen
nemlich jenes nur , ſiehe
nur , laß nur ein wenig , worüber der heil . Auguſtinus kla get , daß es ſeine gottfelige Vorfäße verzögert habe , das hält auf , bis das nur und nur das vollends kein Ende nimmt , und das laß mich ein wenig , weiß nicht wie lang währet. Es fehlet , ſage ich , an dem Entſchluß , die göttliche Rühruns gen anzugreifen und auszuführen . Dhne dieſen hat nie jemand GOtt Folge geleiſtet , wenn er ihn auch inehr als tauſendmal geboret hat. Am beſten machts derjenige , weld er , wie man im Leben Antonii lißt , fagt: , wenn ich will ein Freund Got: tes ſenn , ſiehe ſo werde icht wirklich , und fange es in dieſer Stunde und auf dieſer Stelle an , " und zugleich das Gemüth , aus der Welt , weldier er gedient , herausziehet. Würden wir dieſen edlen Schritt , ſo oft wir von der Einſprache GOttes her : kommen , nachthun , ſo würde es nie heiſſen : wollte Gott, o håtte ich dc. Wie ſind es ſo verwirrte und verwickelte Sachen , was die Welt zumuthet , und bisweilen wollen wir uns ohne Handleiter loßwideln , und ihn befriedigen ! Was GOtt unſerer in ſich gekehrten und von dem Irdiſchen abgezogenen Seele eingibt, das iſt das geradeſte und einfältigſte , und doch ſorgen wir , es möchte uns verwirren und in Irrthümer verwideln . Die Welt
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baßt ihre Leute , haſſe ſie den Chriſten aud ) , fie vemacht die ihs rige, verlache ſie den Chriſten auch , ſie beraubet die ihrige , be : raube ſie den Chriſten auch , und auf welche Weiſe fie der ihris gen nicht ſchont, fo mag ſie ſich auch an deni Chriſten vergreis fen : Wenn wir auf keine Weiſe entfliehen können , ſo wollen wirs init denen halten , denen ihr Schade, den ſie von der Welt leiden , durch die göttliche Gnadengabeit auf& reidlichſte vergola ten wird , und welchen dieſer geringe Sag , Hohn und Beichádis gung zum Vortheil gedeyhet.
Das ift eine angelebrige Seele , ple
XLV. Unendlich.
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die zwar Gott oft fraget und oft håret , doch aber nichts gått: liches behålt , und , unter dem Beyfall frommet , und dem Murs ren gottloſer Leute, mit Freudigfeit an das helle Lages : ficht bervorbringt.
XLV . Unendlich . $ ſtünde gut am daß menſchliche Geſchlecht , wenn es die von GOtt verliehene Gaben ſich nicht ſelber mißgónnete oder verhinderte , oder gar von ſich ſtieffe. Denn GOtt hat den Menſchen zum Unterricht fåbig gemacht, und ihm unendliche Dinge vorgelegt , darin er ſich üben , und das gröſſefte Vergnüs gen finden könnte . Nun da durch vieler Månuer Arbeit und
f
Fleiß , durch Gottes Hülfe eine groſſe Mannigfaltigkeit von Dingen geſammelt worden iſt , ſo iſt ſich zu wundern , wie un : geſchickt man damit umgeht, wie es einige rauben , andere vera wirren , andere zertreten , andere beſudlen , einige vorbeygehen , andere darauf hinauf ſißen , andere zu fich reiffen , andere zers trümmern , andere verderben , und auf alle Weiſe leichtfertig damit umgehen.
Diß iſt auch die Urſache , warum ein Chriſt
dieſe ſo groſſe und ſchwere Mühe und laſt des menſchlichen Pers ftandes weniger achtet , weil ſie nicht viel zum gemeinen Ges brauc , Ruhe und Förderung dienet , ſondern als ein rober Klumpe die Welt mehr anfållt und verſperret, als quốzieret. Würde ſie aber mit rechter Uebertegung und nach den Regeln des Chriſtenthums gebührend ausgebildet , ſo würde ſie kein ung ordentlicher Haufe mehr ſeyn , und ſich endlid als ein ſchoner und geſchmidter irdiſcher Dempet voller Zierrathen darftellen ,
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1
Denn es fehlt nicht an den Materialien und Gattungen , noch an allem Bau : Vorrath , auch fehlt es nicht an einer groffen Anzahl Arbeiter, ſondern die Baunieiſter halten ſich mit vielem Riffe : machen auf , ſind untereinander uneins , und verderben indeifen die Zeit. DHErr Chriſte , welch ein wichtiges und eis nem Monarcben anſtändiges Bornehmen wäre es die auf dem Erdboden zerſtreuete Saben GOttes , und die Erfindungen ges ſchits Ø 3
104
XLV .
Unendlich .
fchikter Köpfe unter Ein Regiment zu bringen , und ſo miteins ander zu verbinden , daß ſie ein einiges anſchuliches Werk und gleichſam eine verjüngte Welt ausmachten. Doch da bleibt es noch bey Wünſchen. Man kan eo eher für Träume als für uns fchläge halten. Daher geht ein Chriſt als ein ftiller Zuſchauer umber, und vergnüget ſich ſehr , theils an der groſſen Verichies denheit der Arbeiter , theils an der Stofibarkeit des Bau - Bora raths , theils an der groſſen Kunſt des Gemächts , ja auch an dem Geſchmat der Einrichtungen ; darüber dankt er GOtt dem Wohlthäter und Patron des menſchlichen Geſchlechts .
Indeſſen beſinnet er ſich , ob er ſich zu Linem der vors nehmſten Werkmeiſter niederſetzen und ſein Inneres ganz zur Lehrbegierde aufbieten wolle ; oder ob er ſeine Augen nicht flads berhaftig , ſondern mit guter Weile und Aufmerkſamkeit , unter allen herumlaufen laſſen folle, Bey beederlen Weiſe kan man Gott bewundern , weil alle Gattungen ihren Schopfer erkennen , loben und abøulden . Doch ſcheinet dieſes einem Erdengaſt ans ſtändiger , der nicht nur alle einzele Dinge in einer Stadt, ſons dern von vielen das Sonderbare zu betrachten , Luft hat. El gehört aber eine güldene Bette dazu , dadurch man die Verbina dung und Zuſammenfügung der menſchlichen Geſchäfte untereina ander erkenne, und nicht in verſchiedenen Gattungen herumflads dere , ſondern in einer feinen Ordnung von einer zu der andern fortſchreite, und mit fleißiger Rådficht ſein Augenmerk auf die Hauptſachen richte. Denn ſo bald man ſeinen Mittelpunkt aus den Augen verlieret , oder ſo weit ausſchweifet, daß man ſolcher mit der Hand nicht mehr erreichen kan , ſo verliert man ſich in pem Irrgarten dieſer Welt , und kommt nicht leicht wieder her : aus ohne beſondere Leitung GOttes.
Daher iſto auch ſicherer , ein einiges Meiſterſtůt zu befehen , wenn man es nicht zu abg
göttiſch bewundert. Szingegen vielerley zu betrachten iſt etwas höheres und wackerers, woferne man den Kopf nicht damit ana fåttet und verwirret.
Denn das Gemeng in dieſer Welt vermira ret
1 XLV.7 Unendlich .
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ein
ret manche , welche die Einſtimmigkeit nicht gleich wahrnehmen ,
I.
daß ſie , weil man überall zweiflen kan , endlid , gar nichts zu Ein Chriſt aber , der dieſe gange entſcheiden im Stand find.
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Welt nie höher hålt, als Gott eg haben will , låßt zwar ſols cherley Zeitvertreib gut ſeyn , doch aber nie ſein Herz davon aniş füllen. Es gefällt ihm , aber es nimmt ihn nicht ein. Et reizt ihn , aber es befißt ihn nicht. Denn er beſchauet wie in einem fremden Haus die ſchöne Mahlerey - und Bildhauer :Stů: đe , und lobet fie; er nimmt ſie aber nicht mit , und geht nicht mit bedauren und Sehnſucht davon .
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XLVI. Wiſſenſchaft.
.
nter penen , die am nüchternſten in der Weltweisheit gewes Unte ren find , iſt Socrates den Chriſten am nächſten gekommen .
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Von ihm mag diß ein ( oblicher Spruch ſeyn , da er bekannt hat , er wiſe nur das , daß er nichts wiſſe. Man glaube mir , daß diß keines tummen Menſchen oder Heuchlers Bekenntniß iſt, ſondern eines fold)en Mannes , deme es fchou gelungen war , fich aus allem heraus zu arbeiten , alles zu durchdringen und alles zu erforſchen . Hiedurch erkannte er die Finſterniß, Eitels keit und Ungewißheit in allen Dingen .
Er fand alſo die Nicha
tigkeit des Gößendienſts, die ungereimte Regierung unter der Tyrannen , die Thorheit in der Menſden Sitten , die ſchåndli che Gewohnheiten unter dem Pobel, die umine Waſchhaftigkeit der Weltweiſen . Dieſe Seuden zu heilen gieng er als ein uns glücklicher Arzt umher. Ein Chriſt weiß recht , daß er nichts piffe, auſſer was der Geiſt GOttes lehret , weldes freulich das gründlid ) ſte ift. Dieſer Lehrer braucht keinen klugen Kopf , ſondern ein lentfames Gemith ; Er iſt auch nicht immer an die Zeit geþunden , ſondern er nacht oft , wenn es ihm gefått , feinen Schüler in einem Augenblic vollfommen . Sehr viele find augenblidlich andere Leute geworden , da hingegen einige nad und nach unterrichtet werden . Das iſt aber zu bedauren , daß G4
106
· XLVI. Wiſſenſchaft.
daß einige in dieſer Unterweiſung hinter ſich lernen , und aus dieſer göttlichen Schule ausgeſchoſſen werden. Denn weldoe die Welt iuit ihren Scandketten hinreißt , die fünden denen Geiſies : Wenn dieſe Gaben auf , und bejuden die fajier: Schulen . durch die Peitſchen der Buſſe wieder herbeygeholt werden , o wie zittern ſie , wie bereuen ſie ihre Vergebungen mit Scham ! Uud gewiß es gebet hier nie ohne Striemen und da hervorflieſſenderu Eyter ab ! So gar haben wir eine verderbte Natur , daß wir , da wir erkenneth , wir wiſſen nidts , doch auch nichts leruen wollen . So boßhaftig ſind wir , daß wir alle leichtfertigkeit auffangen , höher freiben , uns darein verbilden , und darinne groſſe Lehrbegierde zeigen ; das Gute aber langſam , kaltſinnig . taub und ſchläfrig anhören , annehmen , bewahren , ausüberre Damit beweiſen wir , daß wir ganz zuin Bijen gebohren fenen , jum Guten aber nur durch Zwang kommen. Diejenige thun recht , welche die chriſtliche Wahrheit eins faugen , und zwar aus Chriſto der Quelle der QBahrheit , und doch denen auf der ganzen Welt gerſtreuten Bächlein mit chrift : lichem Fleiß nachſpühren , und alſo das Bahre vom Falſchen oder Fabelhaften , gleichſam zurückfordern und wieder einlöſen. Denn es iſt in dieſer Welt eine ſo einſtimmige Bekanntniß von Chriſto und ſeinem Evangelio , und ſo ein gleicher Schlag auf dem ganzen Erdboden , daß auch die didften Nebel , und aberta theurlichſte Mährlein die Spuren der Wahrheit nicht völlig ver , dunklen können , daß ſie nicht irgendwo hervorblicten , und die Meisheit der Welt bey genauem Qausſuch des fremden Pfands. überwieſen würde. Deun es iſt nie , wie einige ſagen , ein wahres Wort den Weiſeu dieſer Welt aus dem Mund gegangen, weldes nicht mit dem chriſtlichen Geſetz, das iſt mit der evana geliſchen Lehre Chriſti und der Apoſtel, paſſete, ſo daß ſie ihr auch wider ihren Willen Zeugniß geben můffen . Daher dienet der Alforan , der Talmud , die Metamorphoſen , die Drakel und Dergleidien Mißgeburten der Finſterniß , indem ſie angerswohin zu
1
XLVI. Wiſſenſchaft.
107
De
zu j'elen ſcheinen , gar nicht, die Wahrheit unter ihrer Düfterns heit zu verhillen , ſondern ſie geben hie und da einen anſehnlichen
wit
tet , daß das in fein Fach gehöre , und ſeinen HErrn Chriſtum angehe. Gin gleiches kan man von den Secten unſrer Zeiten
Schimmer davon , welchen ein Chriſt leicht kennet , und behaups
10
bir,
ſagen . Dieſe mögen ſich untereinander noch so ſehr beiffen und reiſſen , ſo kommen ſie doch in gar vielen ſoiden Stücken übers ein , welche einem Chriſten lieb ſind , und den Glauben an GOtt beſtårken . Bisweilen führen unterſchiedliche Herzen gleichlaus
eit
tende 2Borte.
BA
tene Worte auf Eines zuſammen. Dieſes braudyt der Chrift zu ſeinem Vortheil . Doch ſoll nie nichts dem Wort GOttes
Dis thut Schaden .
Bisweilen ſtimmen verſchie:
vorgezogen und drüber geſezt werden.
Wer dieſes in ſeinem Ina
neru hört , der macht den beſten und beſcheidenſten Unterſcheid unter dem , was Welt und Gott , Heyd und Chriſt, 'rechtglau : big oder irrglaubig iſt.
rit:
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XLVII.
Weisheit .
Jie Weisheit führt das Regiment unter den Menſchens Kindernt. Dieſe hat ſchwehrlich jemand ſo tüchtig bes
ſchrieben als Salomo der König unter den Weiſen. .
Denn er
ſagt (* ) ſie habe gewiſſe Erkenntniß alles Dingeb ; ſie wiſſe, wie die Welt gemacht iſt ; und die Kraft der Elementen , der Zeit
*
Anfang . Ende und Mittel ; wie der Tag zu- und abnimmt å wie die Zeit des Jahres ſich åndert ; und wie das Fahr herum
in
lauft ; wie die Sterne ſtehen ; die Art der zahmen und wilden Thiere ; wie der Wind ſo ſtürmet; und was die Leute im Sinn
er
haben ; mancherley Art der Pflanzen und Kraft der Wurzeln. Sie wiſſe alles , was heimlich und verborgen iſt, denn der , fo
$ el nd
aller Kunſt Meiſter ſeye, lehre ſie es.
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Es Pere in thr der Geiſta. 6
Der verſtändig iſt , heilig , einig , mannigfaltig , ſcharf , behend , beredt , rein , klar , ſanft , freundlich , ernſt , frey , wohlthtige leuts (*) B , der Weish. 7, 17 folgs.
1
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XLVII. Weisheit:
teutſeelig , veſt, gewiß , ſicher. Sie vermoge alles , Rehe alles und gehe durch alle Geifier , wie verſtåndig , lauter , ſcharf fie ſepen. Denn die Weisheit ſene das allerbeheudeſte , fie fahre und gebe durch alles , lo gar lauter ſeye fie. Denn ſie ſeye das Hauchen der göttlichen Kraft , und ein Strahl der Serrlidkeit des Allmächtigen. Darum könne nichts Unreines zu ihr kom. men . Denn fie ſeve ein Glanz des ewigen Lichts , und ein uns beflekter Spiegel der göttlichen Kraft , -und ein Bild ſeiner Gů : tigkeit. Sie ſeye einig und thue doch, alles ; ſie bleibe , das ſie tít , und verneue doch alles , und für und für gebe ſie ſich in die beiligen Seelen und mache GOttes Freunde und Propheten . Denn Gott liebe niemand , er bleibe denn bey der Seisheit . Sie gehe einher herrlicher denn die Sonne und alle Sterne , und gegen das Licht gerechnet, gehe ſie weit vor. Denn das Licht müffe der Nacht weichen ; aber die Bosheit überwältige die Wetes Sie reiche von einem Ende zum andern ges waltiglich , und regiere alles wohl. Was ſoll hierbey, ein Chrift thun ? Sol er nicht ausruffen : 0 GOtt , o mein Gºtt rens de fie berab von deinem beiligen Simmel , und 408 dem Thron deiner Serrlichkeit ; Sende ſie , daß ſie bey mir beit nimmermehr.
fey , und mit mir arbeite , daß ich erkenne , was dir woble
gefalle. So oft ich an die Lebensläufe der Weltweiſen gedenke, wels che von ihren Einfållen Handwerk gemacht haben , ſo muß ich. mich verwundern , daß man keinen dergleichen Verſuch in der Chriſtenheit macht , beſonders zu dieſer Zeit , da man eines 1 chriftlichen Weltweifen benöthiget wäre.
Wir begehren keinen
folden , welcher dem Ariſtoteles oder Plato eifrig anhienge, und alle Wiffenſchaft und Moral nach jener Männer Lehrjägen abs måte ; Auch teinen ſolchen , der in einigen Stúden dem Wort GOttes nachgåbe , im übrigen aber ganz an den Gedanken der Seyden hangen bliebe; ſondern ſo zu reben einen Arzt , oder wie
Beish. 9 , 10
XLVII , Weisheit.
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man vom Sokrates fagte, einen Mådter für das menſchliche
fi fab
Geſchlecht, welcher durch das mannigfaltige Kügen des H. Geir ftes die menſchliche Irrthümer einſehe , beſdåure , heile , und
N
verbeſſere.
M
ſchaffen .
Ein ſolcher Mann könnte gewiß vortreflidien Nußen Denn da die allerwenigſten Leute ihre Gebrechen und
Mängel ſehen , und unter dem Mantel der Sdhmeicheley , oder in dem Schlupfwinkel der Fahrläßigkeit , oder durch den Strom
.
31
der Gewohnheiten , oder unter dem Bann der Dienſtbarkeit ,
1
alles der wahrbeit zuwider geſchiehet ; ſo wäre ein chriſtlicher
.
weltweiſer nöthig , welcher dieſe Sorge auf fidh nåhme , daß. er die Leute aufs füglichſte und mit ſonderbarer Manier auf dasjenige aufmerken lehrete , was ſie ſelber nicht wahrnehmen , oder deſſen Abſcheulichkeit ſie nicht erkennen . Diß müßte unter der Hand geſchehen , weil die Menſchen ſo unleidſam ſind, daß fie ſich von keinem Arzt rauh oder hart angreifen laſſen , ſona dern mit zarten Sånden verbunden und gleidſam unter Scher's zen geheilt werden wollen . Wenn jemand fragte , unter weſſen Befehl und Anſtalt diß geſchehen müßte , ſo würde er ſich als einen groſſen Thoren blos ſtellen . Denn wir ſind alle dazu ge bohren und berufen , daß wir einander dienen ſollen . Es wird aber niemand , der einen Verſtand hat , läugnen , daß ſolches nirgend ſo offenbar nothwendig und ſo gewiß zu erhalten ſeve , als wenn die wahrbeit frey geredet und die Denkungsart vers beſſert wird . Ein Chriſt denkt nicht, daß er hiezu keinen Beruf babe , ſondern hålt es für ſeine eigentliche Pflicht, und wartet nicht erſt , daß er dazu von Menſchen beſtellt werde , ſondern freiß , daß es ihm von GOtt befohlen und aufgegeben leve.
XLVIII.
Vernunft.
bgleich der Erdenkreis der menſchlichen Vernunft antera than ift , ſo wird er doch meiſtens unvernůnftig regiert . Und da der Menſch ſich mit ſeiner Vernunftwohl gefådt, ſogar daß ſie ſich auch oft wider GOtt auflåßt, ſo verwirret er doch
oft
1
I10
XLVIII. Vernunft.
oft in der Unbernunft feine Sachen ſo ſehr, daß es nicht zu las gen iſt. Denn wenn jemand die Verfaſſung der Staaten , die Unternehmungen der Menſchen , ihre Bewegungen , Anſchlage , Thaten und Reputation , ja allen Weltruhm genau betrachtet , so findet er nichts vernánftiges . Sondern man ſiehet klar , daß alle : entweder durch Gewalt oder durch Praktiken oder durch Traktaten oder durd, den Jufau geſchiehet. Auch dasje nige, was einen Ruhm oder vielmehr ein Geſchrey der Weishelt und Klugbeit macht, hålt , wenn es nach der wahren Vernunft geprüft wird , die Probe nicht , und zieht ſich ſogleich in die Uudy felbf unſere Vernunft iſt ſelten vernünftig , ſo daß hier nichts gründliches zu ſuchen iſt. Ein Chriſt repetirt unaufhörlich bey ſich die Fragen : Warum thue ich das ? warum Finſterniß .
rede , begebie , meide ich das ? warum entſchlage ich mich hie und da ? warum thut die Welt das ? Sie ficht wider Gott , fie traut dem Satan , und thut vieles , das bey der erſten Nach frage die Eitelkeit beſchämt, und den Irrthum überweiſet. Für was iſt der Reiche ein Capitaliſt ? Warum der Gelehrte ſo bes Leſen ? Warum der Vornehme ſo ſtaatsmåßig ?
Warum
der
Vermögliche ſo wollüſtig ? Warum der Weiſe ro plauderhaft ? Warum der Regent ſo commod ? Warum der Prediger po ſelbſts klug ? Warum der Künſtler ſo affectirt ? Warum der Rieſe To brutal ? Und doch iſt diß bey uns das Adtågliche. Von ſolden Thorheiten iſt die Welt zuſammengeſetzt und dick - voll. Damit fie aber auch weiſe ſcheine, ſo will fie GOtt ausfråglen. War: um er die Welt nicht eher erſchaffen ? warum er den Menſden ſo gemacht, daß er habe fallen können ? warum er thn nicht anders als durchs Blut ſeines Sohnes erloßt ? warum er nicht jedermann ſeelig mache ? warum x .
Und wer wil den ungött:
lichen Fürwiß mit ſeinem ewigen Warumiſen allen erzehlen ? Hievor hütet ſich ein Chriſt ſorgfältig, ſo gewiſſenhaft er quch auf ſeine Gründe per vielmehr Ungründe in der Welt acha tung gibt,
Rein
.
XLVIII. Vernunft.
III
Stein grofferes Unheil iſt auf dem Erdboden als die Jane ge , das ſchlangenmäßige Ungeheuer , welches alle Formen und Menduugen annehmen kan. Die menſchliche Zunge kan alles , was ihr in Sinn kommt , bejaben , verneinen , beweiſen , wis
Adr od
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31 Et
derlegen , an- und abrathen ,, und das allemal mit ſo groſſem Schein und Nachdruck , daß ein Chriſt zur Einwilligung hinges , riffen wird , woferne er nicht eine eherne Mauer iſt. Der Zuns ge haben wir au unſer jåmmerlich Spielwerk zu danken . Denn wie ſie einen jeden anſtiftet , ſo richtet er ſeine Sprache und Gea Berden ein. Die Sof- Zunge rechtfertigt. den Pracht, die Schul: Zunge rühmt die hohen Worte , die Bauren : Zunge entſchuldis get das Gelerm , die Herren : Zunge preiſet die Galanterie. So hat die Zunge das Gebieten über jedermann , nnr über den Chriſten nicht.
Dieſer erkennet die Zunge als einen ſehr nåßlis
chen Hahnen oder Trichter wodurch die bebråifcbe, griechiſche und lateiniſche Säfte und Quellen auf uns abgeleitet werden , und wodurch die Lebenss Geifter ermuntert , und die wahre Un. Aber ein Chriſt erlaubt ſeiner Znu .
41
fierblichkeit erhalten wird .
Ft!
ge nicht , daß ſie ihr Waſſer unmåßig ausſpriße , und im Mutha willen jedermann , der ihr vorkommt , naß mache. Denn obs gleich die Duell - Adern unerſchöpft ſind, fo wollen fie ſich doch
illy 10
nicht, auſſer zum Nußen des Chriſtenthums, verſchitten , und gu unſaubern Wäſchen durchaus nicht mißbrauchen laſſen . Die Bunge rines Chriſten iſt ein Palmbaum und kein Spieß ; ein
i Oelzweig und kein Schwerdt; fie iſt ein Wel und fein Elfig ; Milch und nicht Schierling. Alſo werden durch die 'heil ame
1
*
Werkzeug viele geheilt , und niemand verwundet ; viele glimpfs lidh gemacht, niemand gereißet ; viele getröſtet , niemand beånga . ftiger ; ' viele verſShut, niemand zertrennt. Und endlich thut beb Chriften Zunge den Dienſt bey dem fob GOttes , bey Bildung der menſchlichen Lebensart , ben Erweiterung der Wiſſenſchaften .
1
>
Sie ſpricht die Zucht des Geiſtes aus , fie beſtraft den Betrug der Welt , fie breitet die Ehre Chrifti aus . XLIX .
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XLIX . Unwandelbar . Es iſt dem Chriſtenthum ſehr nöthig , daß man nicht nur mit Worten aufs beſte unterrichtet , ſondern auch mit 18 by lichen Erempeln geſtärkt werde. Ein ſolches iſt ein Chrift . Er iſt ein trefliches Muſter der Standhaftigkeit.
Er lågt fid
weder durch Gewalt noch durd) Einreden bewegen.
Denn wer
den Einn GOttes ernftlich anzieht , der iſt unwandelbar. Dennt er ſiehet und findet nichts beffers , als was er ſchon von Gett gelernet hat . Auf dieſem bleibt er , auf dieſem Grunde ftehet er. Die Welt mag thun , ſagen , drohen , ſchmeichlen , zwins gen , einreden , befehlen , flehen , wie ſie will, ſo bringt ſie nichts von dem Chriften heraus.
Niemand ſollte meynen , daß es fols
dhe Leute geben könnte , wenn es nicht ſchon bergleichen gegebent håtte , und die Welt es ſelber mit Unwillen bezeugete.
Dennt
ſo oft ſie die viele den Chriſten angethane Todes : Arten erzähe let , ſo oft wirft ſie ſich ihre ſtandhafte Beſieger vor. Diß iſt des Chriſten Ziel : keiner plage zu weichen und lieber das fes ben zu laſſen , als Wahrheit und Gerechtigkeit zu verläugnent. Aber wenige , o wenig ſolche ſind heut zu Tag zu finden , die fich mit Elia einem ganzen fand entgegen ſtellen ,
oder mit
,
,
ſtehen , und den heiſſen Ofen erwarten. Denn heut zu Lage iſt nichts gemeiner , als daß man ſich nach andern richteä , und nichts gewöhnlicher, als Heucheley und Verſtellung.
Wo der
rauhe Wind wehet , da beuget ſich alles , auch diejenige , die man får Säulen des Glaubens gehalten hat , ja die bey , ſtils tem Wetter fich für ſolche aus- und das Maul weit aufgethant haben. Der Beamte gibt nad ) , der Pathsherr gibt noch , der Geiſtliche gibt nach. Was ſoll man noch vom Pábel ſtandhafs tes erwarten ? Wiewohl man in der Zhat unter geringen Leus ten bålder folche findet , welche dem Baal kein Knie beugen als unter Hohen und Ungeſehenen.
wie ſtandhaft ſind dieſe ,
wie ichwady find jene ? O wie nißlich ſind dieſe,
wie ſchädlich jene,
XLIX . Unwandelbar,
113
jené , welchen eher ein Mühlftein an den Hals gehånget wers ben ſollte , als eine güldene Kette , oder ein Ordensband ! D
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GDtt , gib uns Gnade , daß wir die Unbewegliche lieb haben , wenn ſie noch ro berad)tet ſind . Gib daß wir an den Unbes .
bil ſtåndigen kein Vergerniß nehmen , wenn ſie noch ſo erhaben ſind. Gott gib , daß wir dir ſtand halten , bekennen , wagen , deuren und Ausbarren . Was hat ein Chriſt zu thun , wenn die unbillige Gewalt von oben die gandes : Rechte , beſonders aber die Glaubens Sreyheit treulos únd widerrechtlich umſtoßt , und die Unſchuls digen verjagt ? Soll er weichen , wenn die gemeine Wohlfarth , deren er berpflichtet iſt , auf dem Spiel ſtehet ? Soll er die
al ſchwachen rathloſen Gernáther im Stich laffen ? Wo hat Gott diß Sebct gegeben , daß jubermann das , was Einer får wahr hält , glaubent, oder das Land raumen folle ; daß alle , welche Ein Kopf tod haben will , gleich den Hals darbieten fotlen ; daß das , was GOtt allen gemeinſchaftlich gegebent hat , unter eis
10 nes Einigen Wilkåhr ſtehen ſolle ? Nichts dergleichen iſt Gött si
in den Sinn gekommeú , entweder és Einem zu geſtatten , oder es den andern allen zu befehlen. Es iſt aber menſchlidie Bosheit und Zhorheit , wo man dergleichen unter dem Vorwand des Res ligions - Scrupels fordern will. ten die Vorſorge , Wohlfarth ,
GOtt hat den hohen Obrigkeis Schuß und Schirm über die
anvertraute Unterthanen aufgegeben , fie aber nicht ſclaviſch uns N terworfen , oder ihr Blut und Gut preiß gegeben , bielweniger das Gewiſſen , ein ganz freyes Gut , in die Dienſtbarkeit übere
fil geben .
Dieſe Edelmüthigkeit hat ehemal die maccabảer ere
EN meckt , daß ſie ſich wider die Grauſamkeit des Antiochus geſeßt. Sie hat die Schweizer von einem harten Foch befreyet; ſie hat
bat in neueſten Zeiteu die Wiederländiſche Freyheiten wieder herges ſtellt. Aber hier hat man fidh ſehr vor der Einmengung des
m gleiſches zu hüten , daß wir nicht, indem wir die -Religion ober EMA Freyheit vorſchúten , hintennach. offenbar werden , daß wir-das lick Uns #
XLIX .
114 Unſere ſuchen.
Unwandelbar.
Diß iſt manchen ihr Untergang gewereir. Gott
will lautere und einfältige Abſichten haben , und daß man dazu auf den aufrichtigſten und geradeften Wegen gelange. Alles muß mit Gedult und hochfter Sanftmuth gewürzet ſeyn , daß es keinen Geſchmack von Aufruhr habe , welchen GOtt haffet. Wer anders handelt, wird einen Fall thun , uiid ſeiner Sofs nung verfehlen. Dem ohngeachtet führt doch GOtt durch Reds lichere Rein Wert fort, und bringt es endlich nach vielen wuns derbaren Wendungen zum Ziel. . Indeſſen iſt ein Chriſt im . Irauen nicht fühn , aber im Handeln muthig : er geht langſam bran , aber er treibt es inermüdet fort. Er iſt nicht gern wis derſeklid , aber , wenn er ſiehet , daß es wirklich GOttes Wils le ſo ift, ſo beweißt er herzhaften und naddrücklichen Widerſtand ,
L.
Armuth.
Damit ſich der Chriſt durdsaus als das Widerſpiel der Welt beweiſe, ſo erwehlt er die Armuth vor allen Schå. Ben. Nicht zwar eine ſolche , welche gar keine Güter und Vers mögen hat , ſondern diejenige , welche den Menſchen ſelber in den Dieſe Armuth kan inter fronten Augen GOttes vernichtet. und Eceptern , und unter groſſen Schågen feyn . nur
Denn ſie iſt
eine Armatb des Geiftes , oder eine Bernichtigung , da
der Chriſt ganz von GOttes Barmherzigkeit abhangt , nichts für ſein Eigenthum , ja fid ſelber als ein Sichts erkennet. DiB haben unſere Teutſchen ehemal die Gelaffenbeit genennt , worinne ſich ein Menſch ganz Gott übergeben ſolle , daß GDtt thn brauche , wie jedermann feine Hand braucht, und er von keiner eigenen Regung , Achtung , Begierde und Leidenſchaft wiſs fe.
Wie nemlich unſere Glieder nicht wiſſen , was ſie thun ,
ſondern ſid ) von der Seele regieren laſſen.
Sie ſehen , hören ,
fühlen , und zwar weder durd) Zwang , noch auf eigenen Ruhm . Mlſo wer es ſo weit bringen kan , daß er weder aus Lohnſucht um den Himmel , noch aus Forcht vor der Halle SDtt gehorche. ſons
L. Armuth se
tis
fondern aus freyem Millen , und weil er ſein Echopfer iſt, auch von keinem Eigenwillen und Eigenliebe nichts weiß oder fühlet , der iſt wahrhaftig von ſich ſelbſt abgeſchieden und hat ſich über die Anfälle des menſchlichen Fleiſches hinaufgerdy wungen . Doch eft diß mehr eine Pollfommenheit in den Gedanken , als daß es irgend einem Sterblichen eigentlid ) zukommen könnte.
Dennoch
dient dieſe Vorbildung einem Chriſten dazu , daß er ſeine Uns vollkommenheiten beſſer erkenne , und mit allem Ernſt und Eifer $
Be
der Vollkommenheit entgegen komme. Denn dieſe Armuth ift der gróffefte Reichthum , da man ſich von allem , was für den Adel der Seele zie niedrig iſt, abzieht , und drüber erhebet , das mit man etwas liebe und beſike, welches das edelſte und beſte iſt. Diß aber iſt GOtt.
Er iſt der höchſten Liebe eines Menſchent
fo hoch würdig , ſoviel alle Creaturen zu unwirdig ſind. Denn alles muß von ihm herkommen und wieder auf ibu zielen ; und das gezweyte oder getheilte iſt GOtt åuſſerſt zuwider. Gott fordert den Menſchen ganz und völlig , ſo daß er keinem Ting weber im Himmel noch auf Erden verhaftet ſeye. Diß hat die teutſche Andacht artig an gedrukt ; da es heißt , Gott ſage: Entweder ſeye ganz mein , oder laß es gar reyn .
TOI
HE
Heut zu Tag ſteckt niemand weniger in der Armuth , als
nid
die Bettler, und doch ſteckt niemand hårter darinne. Denn einera feite haben ſie bollauf an Brod und auch an Wolluſt , andrers
21 cus
ſeits ſind ſie doch bloß von Religion , Ehrbarkeit und allem vers nånftigen Leben. Diß greuliche Lafter fållet auf uns , weil wir,
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ube
um die Darbenbe nicht ſpeiſen , und die Unordentliche nicht ana gewöhnen zu dörfen , ſie zu ſolcher leichtfertigen Lebens : Urt treia ben , da ſie unter dem traurigen Mantel des Bettelſtandes von allen menſchliden und göttlichen Geſeken entbunden wordeu. Denn da gibt es Abgötteren, Zauberen , Räuberey , Unzucht und Ehebruch , Dieberey , Fluchen , Faulheit, Schwelgen ; und alles was ſonſt nirgends u ceftraft ausbrechen darf , wird hier aus gemeinem und beſonterem Almoſen unterhalten. D Leichtſers
rigo
116
L. Armuth .
tigkeit des menſchlichen Geſchlechts , welches ' unter dieſer jämta merlichen farve eine Auskunft , und gleichſam einen Freybrief findet , allem was recht and gut ift , zu entſagen , und frems den Sdweis , fremde Sparpfenninge , fremde Schåße zu vers praſſen , und durch Fürſprache des chriſtlichen Mitleidens hers auszuloden . Daher liegt dem menſchlichen Gefchlecht ſehr viel daran , daß dieſes ſehr leichtfertige Volt gebeffert , und durch chriſtliche Mildthåtigkeit verhütet werde , damit nicht andere eben dabin gerathen . Was iſt aber das für eine ungerechtigkeit,wenn man Praſſern und Schwelgern zur sufferſten Verſchwendung an: hilft , und ſie hernach fortjagt, wenn ſie aufgebeutelt ſind ? Warum ſorgen wir nicht dafür , daß niemand Herz oder Gelea genheit habe , ſeine Haushaltung zu Grund zu richten , daß hins gegen die Dürftigen die Nothðurft befonmen ? Doch dafür mi gen andere ſorgen. Ein Chriſt iſt gerne blind , wenn man ihni um GØtres willen bittet , und macht anderer Unwürdigkeit nicht zum Deckel feiner Genauigkeit.
Sollten wir allen unſeru
Aufwand und Ausgaben mit gleicher Schårfe abwägeri, wic die Zehrpfenninge får dic Armen , ſo inůßten wir vieles einziehen und abbrechen . Bey Werken der Gottſeligkeit will jederman åuſſerft fürſichtig und flug ſeyn ; bey eitelen Ausgaben aber ſchůzt mant die Einfalt und Gleichgültigkeit für. Wo beobachtet man das Verbot Chriſti, daß man , werin man ein Mittags : oder Abendmal machen werde , nicht die Freunde , Geſchwiſtrige, Verwandte , Nadybarn , noch die Reichen einladen wolle , damit ſie einen nid )t wieder einladen und es bergelten ? Und das Gebot, hingegen die Armat , Krüppel , Lalment , Blinden zu laden , da: mit man ſeeltg reye , weil ſie es nicht zu vergelten haben ? Denn ſolches roll werden ,
in der Auferſtehung der Gerechten bergolten LI.
GOtt.
Wir kommen endlich zu dem Thron der Gerechtigkeit, Barme herzigkeit und Atmacht ſelber. Dieſer iſt miteinem Res gen
LI. GOtt.
jgenbogen umſchloſſen , anzuſehen wie ein Smaragd.
IIZ Und der
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darauf ſizt, iſt gleich dem Stein Jaſpis und Sardis , mecher heiſſet U und 9 , und hat den Namen : König der Könige und Berr der Erren . Dieſer iſt umgeben bon tauſendinal zehens
31
tauſend und von hundertmal zehentauſend Engeln , und von vier und zwanzig gekrönten delteſten , die ohne Unterlaß rufen : Beilig, beilig , heilig iſt der 5ERR GOtt Jebaoth . Menſch : liche Augen und Ohren und Herzen ſind hierzu zu blöde , alles iſt zu hoch für den Menſchen , daher hat man ſid ) nur zu beus
ogen und anzubetení zu beſchreibeu vermag man es nicht. Wir wiſſen nur ſo viel, als er uns it ſeinein Wort geoffenbäret hat,
nemlich daß Er Anfang und Ende , das Erfte und Lezte, lauter his ! Güte ; Hoheit , Gerechtigkeit, Gnade und Madyt reve. Was er dem Moſes, Paulus , Johannes und andern Kuiligen hievon ges
#
offenbart , das haben ſie ſelber nid) t ausſprechen können , und kommt uns in dieſem Leben nicht zu. Denn wir ſeheni nun durch
ia
einen Spiegel in einem dunkelen Wort , alødenn aber von Ninge.
101
ſicht zu Ängeſicht. Jezt erfeninen wirs zum Thell , denn aber werden wir és erkeûnen , wie wir erkannt ſind . Wer Sott liès, bet , der erkennt ihn genug.
Wer Gött nachfolget, der håret
ihn gènug. Wer GOtt genießt , der hat ihn genug. O serr, gerr 6 tt gnädig ünð barinherzig , gedultig und von groſſer Gnade und Treue , der du vergibſt Sünde und Ues
ER M
bertretung und Miffithat in tauſend Glied , und ſuchert die Sünde der Våter heim an den Kindern bis ins dritte and
54
vierte Glied .
20,
Sohnes
Un des unſchuldigen Bluts willen deines
Jeſu Chriſti, und deiner uns bezeugten üner:
meßlichen guto erbarme' dich über uns , uni der Ehre und
ol
BAT
Majeſtát willen deines Etamens erbariné dich über uns. Diejenige , welche ffenbarungen von Gott fordern , ind die Augen mit Beſchauung der GOttheit gleichſam weiden wolé len , verläugnen die chriftliche Einfalt unið Demuth . Gott iſt nie ferne von den Seinigen , von deneti aber , die Anſchläge mide cheti H 2
118
LI . GDtt.
chen ohne ibn , ift er inimer ferne.
So eigenltebig tit der
Menid ) , daß er an ſeiner Aufnahme, Erldſung, Wiedergeburt, Erneurung nicht geuug haben will , wenn er nicht auch unge. wöhnliche und sonderbare Dinge erfahre. Der falſche Chriſt blå : het ſich dermaſſen auf , daß er fordert, die unaudiprediliche Dins ge der zukünftigen Welt rollen ihme ſogleich verlieben und bars geſtellt werden . Delender Menſch , merfeſt du den Satan nicht, der eine Engel6 s farve borget ? fühleſt du nicht das Judeu sou dem menſchlichen Fürwiß ? Iſt dir die Einfalt des Worts GDt. tes ſo veráchtlich), ong du einen Engel forderſt, der mit dir res de , der dir überall den geheimen Sinn auswifle , und dir eröfa ne , was der Kirche GOttes verſigelt iſt ? Biſt du ithon ſo viel heiliger wordeh , als alle deine Mitbrüder , daß dir die tborich , te Predigt uicht mehr gut genug iſt ? Biſt du ſchon mit allen Geboten GOttes ſo gar fertig , daß du hören wilt , was nod übrig repe, das dir vom Himmel befohlen werden mife ? Ar: mer :Menſch , lage id) , was thuſt du , und wie ſtürzeſt du didy mit deiner geiſtlichen Soffart oder hochinůthigem Geift zur HSL: le , und folgeſt dem Teufel nach ? So , ſo müſſen verfallen alle, die ſich erfahnen in der Gemeine der Chriſten , hoch herzufahren, und ſich über den Stand der Sdůler Chriſti hinaufzuſchwingen. Gott hat ſeine Schauer , er hat ſeine Tiaumſeher , er hat ſeine Propheten , er gibt ſeine göttliche Finſtrahlungen und mauchen Porſchmak von der Ewigkeit.
Aber eë muß diß alles bey ſeis
nem freyen Willen ſtehen , und fein Sterblicher darf es fordern. Genug , wenn man ein aufrichtig Herz und demüthigen Wans del hat , wenn man in der Zuverſicht aufs, erhabenſte , in der Einfalt aber aufs niedrigſte iſt ; wenn das Herz fingt und ſpielt, die Zunge aber geſchwaiget iſt ; wenn man im Mitleiden weich , im eige :: en Leiden hart iſt ; wenn man im Gewerb nicht zu haushåltig ; in der Dienſtfertigkeit emſig ; im Urtheilen furchts fam ; im Gehorſam ſorglos ; im Geber brünſtig ; im Klagen Faltblütig ; an Sråften (dwach ; am Glauben unüberwindlich ift.
LII. Kira
119 LII.
Kirche .
ebu
Endlich fehließt ſich ein Chriſt mit der Kirche an , welche zwar auf der ganzen Welt zerſtreuet , id mit unſichtbaren Baule
AN
den des heiligen Geiſtes zuſammen gebunden iſt , doch aber ir gendwo eigene Herbergen bewohnen , und in fauterkeit des Worts GDttes , wie auch Austheilung der Sacramenten fich offenbar ſehen laſſen muß . Mit dieſer glaubt, betet , arbeitet und leis det ein Chriſt , und dienet au der Pflege dieſer heiligen Hausges nofenſchaft. für dieſe opfert er Gut und Blut und ſeinen leih auf . Dieſe boret , beobachtet und ſchüßt er und geleitet ſie bis zum Himmel. O herrliche Proceffion , in welcher die Våter , Patriardhen , Propheten , Apoſtel , Lehret , Märtyrer und Bes Penner in feiner und ununterbrocjener Reihe bis auf uns , Chris ſto nachgehen , wohin er geht , und Sjalleluja anſtimmen , und unſern GOtte Heyl , und Preis und Ehre und Madht geben ! güldene Stadt Gottes ,
gleidh dem
reinen Glas , deren
ur: Maureu von Jaſpis , die Thoré von zwölf Perlen ſind , deren Tempel und Licht das Lamm iſt, daß ſie keines Lempels oder Some bedarf! heilige und reine Geſellſchaft , die keine Huns
de , Zauberer , linflåther , Mörder und Abgðtter duldet , und fets herrliches 5aus , da es nen , der die Lügen liebet und thut ! min beſſer iſt , Thürhüter zu ſeyn , als die Welt - Patåſte zu bes del wohnen ! ſicherer Schafftall , zu welchem ſich der bouliſche
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Wolf zind brüllende Löwe uidit nahen darf ! O veſtes Schloß B
und Davids Burg , zur Qehre zugerichtet, da tauſend Schilde
Du und aller Krieger Köder aufgehånget ſind! dir , o Jungfrau und B Braut GOttes , perlobt ſich ein Chriſt,mit dir vermåhlt er fich , a dir weyht er alle ſeine Arbeit und Mühe , bir überläßt er die
hele Beurtheilung über al rein Neden und Zhun , dir verpflichtet er id fich zur Treue und Aufrichtigkeit bis in den lezten Athemzug . ; So nehme alſo du den Chriſten in deinen Nutterfchouß auf
# fåuge, wårme , låutere , erwede, leite und ermuntere ihn , und wyo diß begehrt er fehnlich von dir , daß du ihn mit deinem o brånſtigen und kräftigen Gebed Gutt anbefehleft. Cin $2 3
120
LII . Kirche.
Ein Chriſt iſt ſeinem Schopfer gar groſſen Dank ſchuldig, daß er ihu hat laſſen als einen Menſchen gebohren , und der Vers nunft theilhafiij werden , da er mit gleichem Recht in die Claſſe der wilden und unvernünftigen Thiere zu reken geweſen wäre, Hernad ), weil er ihn aus einem ſolchen Volk laſſen gebohren werden , welches ſchon von pielen hundert Jahren ber das liebe wahre Wort Gtres bewahret , md von dem greulichen , fi: chern und rohen Weien anderer Lånder frey geweſen iſt , und zuerſt der Joch des Antichrifts abgeworfen hat. Eudlid , daß ex ihn unter ſolchen Leuten auf die Welt kommen , und das licht erhliden lajien , welche den Chriſten : Namen erkennen und bes kennen , und ſich mit dieſem Kennzeichen von allen Völkern uns terſdeiteit. Wie aber der Mißbrauch der menſchliden Vernunft vielfältig iſt, und auch der Glaube und Lauterfeit der Boreltern erkaltet , und über das der Chriſten : Name vieler Gottloſigkeit Dedel ſeyn muß , ſo erkennet er noch dieſe groſſe woohltbat , daß man in den Schaafſtal der Kirche eingeſchloſſen , und unter diejenige aufgenommen iſt , welche mit dem Licht des Evangelii erleuchret , zur Gnade angenommen , in den Geboten unterrich tet , zur Bekanntniß geſtimmet , zur Nachfolge geworben , und mit dem Zeugniß verſiegelt ſind.
Wie nun dieſes ein Siegel
unendlicher Erbarmung iſt, alſo tröſtet es einen Chriſten unter allem Creuz , ſtårket ihn unter allen Umſtånden , macht ihn unter allen Gefahren muthig , erquikt ihn unter aller Edmach , Tehret ihn unter allem Verzug gute Hofnung und veſtes Ver: trauen haben. Er fürchtet ſich alſo nicht , wenn gleich die Erde erbebete , und die Berge mitten ins Meer fånken , und die Mee: res : Wellen mit folchem Ungeſtůmm tobeten , daß von ihrem Wallen die Berge zitterten , weil die Stadt GOttes , da die het: lige Wohnungen des Höchſten ſind , doch mit ihrem Brúnnlein luſtig iſt. Denn weil Gott bey ihr drinnen iſt , ſo wird ſie wohl bleiben , denn Gott hilft ihr frühe. Daber mögen die Volker toben und die Königreiche fich empåren , die Erde mag über der StimmeGOttes zergeben . Der Err Jebaoth ift dem Chriſten nabe ; des Chriſten Schuswehr iſt der Gøtt Jacob Job
Joh . Valent .
Andreå
Gutachten
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von
le 041 der
Geburt
ohr eines
Chriſtlichen
Welt - Pilgrims.
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Jerem . 10 , 2 . So ſpricht der HERR : Ihr ſollt nicht der Henden Weiſe lernen, und ſout euch nicht fürchten vor den Zeichen des Himmels , wie die Seyden ſid ) fürchten.
Aus dem Lateiniſchen åberſeze.
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Jeſ. 44 , 24. 25 . Id bin der HErr , der alles thut , der den Himmel ausbreis tet alleine, und die Erde weit machet ohne Gehülffent; der die Zeichen der Wahrſager zunichte, und die eifſager toll madet ;
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der die Weiſen zurück Fehret, und ihre Kunſt zur Thorheit machet,
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Cap . 47 , 13. 14. 15 . Lab hertreten , und dir helfen die Meiſter des Himmelsslaufs, und die Stern - Gucker , die nach den Monden redinen , was über dich kommen werde. Siehen ſie ſind wie Stoppeln , die das Feuer verbrennet ; ſie können ihr Leben nicht erretten vor der Flamme. Denn es wird nicht eine Glut ſeyn , dabey man ſich warme , oder ein Feuer , dabey man herumſißen möge.
AI: 10 ſind ſie , unter welchen du dich bemühet haſt , deine Hands thierer von deiner Jugend auf, ein jeglider wird ſeines Ganges
bie und daher gehen , und haſt keinen Helfer. 4 Buch more 24 , 17 . Es wird ein Stern aus Jacob aufgehen und ein Scepter aus Iſrael aufkommen ,
und wird zerſchmettera die Fürften der
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Moabiter , und verſtören alle Kinder Seth,
1
122 * O * 00X09 * 6092
933 * Q® * 60 *
Vor rede. Do es gleich durch den leidigen Sündenfall dahin gekommen , daß per ſchöne ſichtbare Nimmel , der vormals einen beträchtlis dhen Theil unjerer Herrſchaft ausmachte , uns zum Regenten und Peiniger geſezt worden iſt , der ſowol unſere Leiber mit unend . lidh viel Krankheiten quålet und verderbet , als auch das Ges müth ſelber durch allerhand Frrthum und Umwege umtreibet : fo hat doch Chriſtus ben ſeiner eben ſo herrlichen als heilsvollen Er cheinung ſich ſelber auf keine Wetſe dem Geſtirn unterworfen, ja er hat ſo gar atte , ſo viel ihrer ſeinen Etamen annehmen wurden , von der Gewalt und Verrſchaft des Geſtirus völlig bes frenet.
Daher handlen diejenige unter ihnen Chriſto und der
chriſtlichen Freyheit ganz zuwider , die ſich entweder für dem Himmel fürchten , oder ſich als überwunden hingeben ; ſolche aber madyen fich gar der Låſterung ſchuldig , und ſind nimmer zum Vertragen , welche ſich bey dem Geſtirn Raths befragen und nachforſchen , was ſolches von ihnen ausſchlage und weila fage. Denn da wir an dem HErrn Chriſto einen ſolchen Mann haben können , der nicht nur die Vorſchrift und der Regierer un fers Lebens ſeyn , ſondern auch aufs ſorgfältigſte uns verpflegen wil , bey dem alles Gute im Ueberfluß iſt , der alles Bdſe von ung abwenden fan , mit einem Wort , der der Inbegriff aller Glådſeligkeit iſt ; könnten wir uns wol ſchåndlicher verhalten , als auf die Weiſe , wenn wir nachfragen , was das Geſtirn uns ſertwegen thun oder beſchlieſſen werde , wie günſtig es uns ſeyn werde , und ſolchem Glaụben zuſtellen ? Und da wir unter der Dbhut und Schuß Chriſti Satan , Welt , Lod , Fletſch und als les Widrige und Feindſelige verachten und Zroz bieten können , könnte auch was fchimpflichers für uns ſeyn , aks eben das , wann wir mit einem ſchåndlichen und gottloſen Fürwiz die Krafs ten und Einfluß der Himmelo - Körper unterſuchen , in den Schuy und
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V or rede.
123
und Verwahrung Obrifti ein Mißtrauen ſetzen , und der hochften Freyheit entſagen , die allein den Chriſten eingeråuint ift ? Es iſt daher kein Wunder , wenn ſolche Ueberlåufer und Deſerteurs aus der unåberwindlichen Burg Chriſti , von dem Geſtirn übel empfangen , knechtiſch gehalten , und durch mancherley Betrug umgetrieben werden .
Denn diejenige find wirkliche Söhne des Mars , Mercurius, Saturnus , oder vielmehr ihre Sclaven , die ſich geweigert haben , Sihue GOttes zu ſeyn , und des nien Chriſtus viel zu gering geweſen , als daß ſie ihr Leben bin der Geburt an bis zum Tod håtten von ihme aufs bea ſte , weiſeſte und heilſamſte regieren laſſen ; Sondern die lieber den geheimen Rathſchluß des Himmels erforſchen wollen , damit ſie ihr künftiges Glů & in groſſer Hofnung erwarten , und wegen dem künftigen Unglück für groſſer Furcht zittern , ja ſich deſto eher nach dem Himmel als nad Chrifto richten könnten . Doch damit will ich eben von der Stern - Deuter - Run nidyt ſowol behaupten , daß bey derſelben lauter Unwiſſenheit , Ungewißheit , Betrug , Sdilupf-Winfel und Auswege anges troffen werden , als vielmehr daß ſie meiſtens auf der Einbils WBåre es dung , Meinungen und Såben der Heiden beruhe. möglich , fie ſelber würde gewis über dieſe Art leute klagen , die ihr eine ſolche Gewale andichten , die ſie doch nicht hat , hinges gen aus groſſer Unwiſſenheit ihr diejenige abläugnen , die ſie wirklich hat ; die nicht auf ihre Stimmen achten , womit ſie die
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Firmißige auf Chriſtum verweiſet ; die noch weniger eine Ein:
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ficht in die Harmonie haben , die ſie mit Chriſto hat, ja die ſo gar fich weder nach ihr , noch nach der Natur , noch nach der Mernunft , noch nach Chriſto richten .
als
Wir haben zwar gar keine entſcheidende Kenntniß in die Stern - Deuter - Kunſt , und wir konnten uns audy niemals in
his
dieſelbe einlaſſen , wenn man ſchon in uns dringen wollte: allein es würde ſich doch übel ſchicken , wenn wir als Leute , die mit bem Himmliſcheu umgehen , gar keine Aſtrologie ( Sternkunde ) båts 5
124
V or rede.
håtten , fa elu Chrift könnte und dürfte nicht wohl chne dieſelbe Reyn, doch darf er - eben keine andere baben , als die beilige und göttliche , die ſich für die Hoheit der Chriſten ſchickt; feine , die nichtige Dinge entweder verſpricht oder drohet , ſondern die wes fentliche Dinge wirklich darbietet ; keine, die von künftigen Sa: chen was vorſpiegelt und heridwåzt, ſondern die gegenwärtige Dinge vor unſere Augen hinſtellt ; die ſo gar eine göttliche Vers miſchung unſers Leibes formiret , die Sitten bildet , die Ehren. ftellen , Vermögen und Bedienungen austheilet ; die uns endlich Sicherheit und Ruhe vor dem Tod ſelber verſchafft, Wir wollen ein kleines Spielwerk in HErrn haben , und das Falide bey der Zeichen - Deuter - Kunſt und das Qahre in der gøtrlichen Lehre , das Zweifelhafte und Gewiffe , das Betrig. liche und Weſentliche , das Nichtige und Dauerhafte , das Una göttlidie und Heilige miteinander ſtreiten laſſen . Wird da die Vortreflichkeit der göttlichen Lehre kaum in etwas hervorbliden und fich zeigen , ſo wird uns die knechtiſche und findiſche Untere würfigkeit unter das Geſtirn ganz berächtlich ſeyn ; wir werden auch diejenige nimmer dulden , welche nach dürftigen Geſchöpfen fowol die edle Seele , als auch den vortreflichen Leib , deſſeur Adel noch weiter erhöhet werden ſolle , prifen und beurtheilen ; ja wir werden auch alle unſere Gedanken , Bemühungen und Wiffenídaften auf eine weit höhere und recht göttliche Betrada tung anzuwenden ſuchen . Es hat zwar unſer Neugeborne , der ein chriftlicher Pilgrim auf Erden ſeyn ſolle, die menſchliche Sdywachheit und Elend mit andern gemein ;
aber er iſt durch die erbarmende und
zuvorkommende Gnade eine neue und wiedergeborne Creatur ges worden . Er ſchickt ſich in das Gegenwärtige gedultig , und firebt nach dem Zukünftigen. Er verhålt ſich gegen dem , was auf Erden iſt , nicht nur als einen Gaſt , ſondern iſt demſelben abgeſtorben , ja er hat auch bey und zu dem , was er beſizt , nicht das geringſte Geſchid ;
die Spötter halten ihn deswegen für
I. Vom HErrn der Geburt.
125
id für ein Übendtheuer , GOtt aber hat ſeine Freude an ilm . Und freulich iſt fein Leben nicht in dieſe Welt , ſondern anderswohin gerichtet. Denn er hat keine äuſſere , ſondern innere Freude ;
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hing
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was er weißt , iſt keine Wiſſenſchaft im Kopf, ſondern im Ins merni . Nach ſeinem Wunſch und Abſichten begehrt er nichts , was vor der Welt groß , berühmt , erhaben , auffallend oder koſt lich iſt ; ſondern er wird ganz allein durch ſolche Dinge befriedis
un
get und geflillet, die übrigens niemand ein Genüge thun , die nemlich nod) ferne ſind , die man erſt hoffen und glauben muß , und die nach dem boshaften Spottgeiſt der gottloſen Einbilduns gen und Phantaſien heiffen. Doch wir wollen ihn uod ) genauer
10
betrachten nach den Ubtheilungen , wie ſie in der Sternkunde porkonimen .
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11
I. Vom HErrn der Geburt. Es ſind zwey höchft verſchiedene Menſchen , die miteinander um die Herrſchaft der Geburt oder des Hauſes ſtreiten , nemlich Adam und Chriftus. Der eine iſt leiblich , der andere geiſtlich . Fener iſt faul, ſchläfrig , ſchwer , ungeſchikt; dieſer aber hurtig , munter, erbaben , weiſe. Jeder von beeden will Inhaber des ganzen Hauſes fenn , denn keiner kan den andern leiden. Allein Chriſtus gewinnto , und zwar durch die Wünſche, Seufzer und Verſuche oder wirkliches Angreiffen des wiedergea bornen , doch nicht ſo , daß er nicht immer nöthig håtte , die Nachſtellungen vom Widerpart mit Gewalt abzutreiben. Er hålt aber die tågliche Unfälle Adams dergeſtalten aus , daß er ihm von dem geliebten , auberwehlten und geheiligten Haus oder Lempel nie das geringſte einräumt. Denn er verſtopft dieFena ſter , Rißen und lidher der Simen und Neigungen , daš reino Feſtung noch verwahrter und befeſtigter wird , und ſie ſich gegen deren zwey andern grimmigften Feinden , Satan und Welt, hale ten und deſto ficherer widerſeken kan .
Daher Þehalt jener beila fame
126
n . Vom Temperament.
fame Jacobs - Stern , die Sonne der Gerechtigkeit , der Rufa gang aus der 5øbe die Oberhand. Die andere Unglüts - ters ne aber , die weder Gutes vorbedeuten noch geben können , fino beſto unvermögender , und werden durch tauſendmal tauſenb Zeugniſſe überwunden . II. Vom Temperament. Wie Kinder Adams haben ihrer Geburt nach vier Qualitäten
oder Eigenſchaften , nemlich eine hißige , feuchte , kalte Die higige ( choleriſche) macht zornige , ſtolze
und trodtene.
und unruhige Leute. Bey der feachten ( ſanguiniſchen ) ſind die Menſchen leichtſinnig , verſchwenderiſd ), Sclaven des Bauchs Die kalte (phlegmatiſche) fiefert gotiloje , Ben der trucenen (melancoliſden ) faule und tumme leute. finden ſich die Geißige, die Unnüke, die unbarmherzige. Von allem dem kommt nichts mit Chrifto , noch mit einem Chriften und der Bolluft.
überein , ja felbften die beſte Miſchung gibt noch kein ſolches Temperament, als fichs für einen Wiedergebornen ſchikt. Es múffen alſo ganz andere Qualitäten bey ihm ſeyn , und dieſe wollen wir nun angeben .
Ben ihm iſt die Sibe: die liebe , die
Andacht , die Erduldung des BSfen , die Verbrennung der Eitels teit.
Die Kålte : dad Nachſehen , die Gelindigkeit, die Bergers
fenheit des Böſen , die heilige Einfalt.
Die Seuchtigkeit : die
Wåfferung vom göttlichen Wort , die Bächlein der Freygebigkeit, eine in GOtt geſchmolzene Seele , die Schiffart zum Hafen . Die Tradenbeit: die gedultige Ertragung des Creuzes , die uns empfindlichkeit gegen der Welt, die Feſtigkeit, die Beſtändigkeit , die Wahrheit. Kommen dieſe Eigenſchaften zuſammen , ſo gibts Dieſes gibt dann bey den Seinigen das Abenbilo ottes. dem Willen , der Liebe und Ehre den vådligen Abſchied , und vers fiegelt ſie wieder in die Hände GOttes ; es ftellt gleich einem Epiegel ſeinen GOtt vor ; Er iſt der Gegenſtand ſeines Vertans gens, Geſchmacks , Abſehens und aller Bemühungen , und es Tuhet in ihm
111. Bout
/
1
127
III. Von den Sitten und vom Verſtand.
Man kan von daher leicht auf die Sitten eines Wiedergebore nen ſchlieſſen. Dieſe beſtehen in einem geſezten und ſtils len Weſen , in der Niedrigkeit, Einfalt, Geradhett , und kommen går nicht mit der Art und Weiſe der Weltmenſchen überein . Daher wird er ſich nicht leicht über was verwundern, auffer úberChrifium , den er für ſein höchftes under hålt , und liebt er ſchon alle Menſchen , ſo wird er doch wenige , und auch an dieſen ſehr wes niges loben . Er wird ſelten ſeyn , wo es unter den leuten lus ftig zugehet. Er wird fich nicht offentlid freuen , ſondern ins Die Armuth nerlich an ſeinem HErrn Chrifto fich ergoßen . wird er nicht fürchten ; noch die üble Nachrede und Schimpf råchen . Er wird ſich nicht in offentliche Aemter eindringen. Vor dem Tod wird er ſich nicht entſeßen . Was er hat, wird er vor andere haben , er aber wird ſich deſſen , was andern gehört, Er wird leiden , nicht anmaſſen , noch ihn darnach gelüften . aber nicht ſchlagen .
Und bey dem allem wird er meiſtens
ſchweigen , viel bey ſich ſelber ſeyn , und zum dftern ſeufzen . Anbelangend feinen Verſtand , ſo wird er ſich in der Schule Chriſti fåhig erzeigen , im Umgang einfältig wie die Zauben ; auf der Wache gegen die Feinde Schlangens klug ; beym Rufen der Welt ganz taub und tumm ; hauptſächlich aber als den als lerfleißigſten , klůgſten und arbeitſamſten in Ausfegung und Wegs ſchaffung des Unflats , den ihm Adam als der Bater , die Welt als das Baterland , das Sleiſch als die Schweſter verurſacht und auf einen Haufen gebracht haben.
11 IV .
Von
der Natur,
Geftalt und
Beſchaffenheit des Leibes.
e Menſchen haben dieſen gemeinſchaftlichen Vorzug , daß AdUle fie auſſer der Zhfers . Geſtalt noch einen aufrechten,Leib
11 har
128
IV . Natur, Geſtalt u . Beſchaff. des Leibs.
haben , der den ganzen Weltbau im Kleinen vorſtellt, und dent durd das geraubte Gut von den Creaturen alles das reichlich erſezt werden kan , was gleichſam die Natur ihm fårglich zuge : Allein unſer Chriſt hålt in der theilet oder gar verſagt hat. Zhat einig und allein das für den höchſten Ruhm , daß ſeint HErr Chriſtuš.einen Leib von gleicher form , Geſtali, Gatut und in demſelben gewandelt und Dürftigkeit angenommen habe ; Daß er über alle Himmel erhöhet , und zut Rechtent GOttes aufgenommen worden reye. Seiten Leib aber beweine dert er unter Zittern und Verehrung , nicht in ſo fern er allein mit den Ohren GOtt reden höret , und er mit den Augen die groſſe und herrliche Thaten GOttes anſiehet , und durch die Zunge mit GOtt ſich unterredet , und ſie ſein Dolmetſcher iſt ; ſondern in ſo fern ſolcher die Herberge und ein Tempel des gotts lichen Leibes iſt.
Dieſen regieret er dergeſtalten , daß er ihui
zutheuerſt lieber einåugig , verftůmmelt, lahm in die verheiſſe : ne himmliſche Freude hineinbringt , als daß er ihn durch die (chådliche Weidlichkeit ganz erhalten , und von der jo unaus : (prechlichen Verklärung des menſchlichen Fleiſches ausſchlieſſert follte.
V.
Von
der
Geſundheit
und Krankheiten . ter gibts feine Krankheitert , denn Chriſtus, jener vollkonts Hier Jedoch mene und immer glüdliche Arzt , iſt zugegen . wenn man ſeiner Drönung im Eſſen und Trinken und der vorgeſchriebenen Cui' zuwider handelt, fo fezt man ſich nicht nur der Krankheit auß , ſondern auch die Krankheit felber iſt die gefährlichſte. Die Welt : luft , die Welt- Koſt , die Welts Berührung iſt hodiſt ſchädlich , keiner aber bleibt davon unbes rührt und utangeſtedt, der von ſeinem HErrn Chriſto hiria us: geht. Daher muß einer zu Haus bleiben , und bey ſeiner Seele wohnen ,
It
wenn er vor dieſer Peſt ,
Auſfall id fieber fis cher
VI. Von Leibes's Zufällen. ther ſeyn will.
EM Di
Perachtet einer das
129
Gegen : Gift Chrifti , ſo
Tou er nur auf kein Arzney) Mittel irgendwo Rechnung mas chen . Die Geſundheit iſt zugleich Chriſtus. Aufler Chriſto gibts lauter Krankheiten , welche die Menſchen auf ihrem Betts
1 Tein herumwerfen, plagen und martern. Der Wiedergeborne iſt deswegen immer geſuund und wohl auf , dann ihn treffen die Krankheiten nicht. en
Sie ſind nur eine Geiffel für das Fleiſch ,
End ſtreiffen die Haut ab.
Sie ſind wie der taftliche Myrthen
ein gutes Bermahrungs - Mittel wider die Fäulniß , und crðs nen ſelbſt diejenige, die ein Muſter der wahren Standhaftiga keit , einer beſtåndigen Gedult und der gedultigen Hofnung und
ic
Vertrauens ſind , mit einem herrlichen Sieg.
7; VI . Von andern Leibes - Zufällen , als
Glück
und
Unglück ,
Gefängniß ic.
Ser Weg , worauf der Wiegergeborne wandelt , iſt ſehr eng und holpericht , voller Dornen und Felſen . Daher ſtehet er immer in Gefahr zu fallen und die Füſſe anzuſtoſſen. Jedoch iſt Chriftus da , welcher ihrt aufrichtet und die Anfangs lo bes ſchwehrliche Schlåge ( Stiche) dermaſſen mildert , daß ſie ihm in der That fuß werden .
Von der Welt hat er alſo nichts Gus
tes zu erwarten , auſſer unempfindliches und kaltſiuniges Weſen bey allem Unglüd. Allein ben Chriſto wird er alles verwahrt , leicht, angenehm und ſicher haben ; unter ſeiner Aufſicht wird
X
er nirgends ohngefehr anftoſſen . Wird er geübt , ſo wirds jes derzeit rein Vortheil reyn ; wird er auch zu Boden geworfen , ſo
min Ti
wird er doch nicht verlaſſen werden . Fhm werden auch alle die Drohungen von Gefängniſſen nichts ſchaden , fo Fleiſch , Welt und Satan als Unglüds - Sterne zuvorſagen , noch die Bande ,
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die aller Orten auf ihn warten.
Que
lange gebunden halten , bis der ſchwere und låſtige Lelb die Seele endlich ganz frey und himmliſch heraus laſſen wird . Denn werden jene zwar wider ihren Willen ſehen , daß ein Chriſt ,
Sell
Denn ſie werden ihn nur ſo
130 ,
VII. Von Eltern und Verwandten .
Chriſt , ter von Chrifto bem Erlöſer errettet iſt , wieder in die vorige und vollkommenere Freyheit geſegt werde.
VII. Von den Eltern , Bluts - Freunden und Verwandten . an muß zwar eingeſtehen , daß unſer Neugeborne von deit Mar allerſchlechteſten Eltern herſtamme, die verworfen und fogar in die Acht erklärt ſind , und zum Vater habe Adam den Sünder , zur Mutter aber die verfludite Bide , von denen er nicht das geringſte Vermögen noch Unſehen hoffen darf.
Alleiut
der Stern Jacob weiſſaget ihm die himniliſche Kindſchaft, und verſchaft ihm GOtt zum Vater , und die Gemeine zur Mutter. Daher ftehet nicht nur die Seele von wegen der himmlichen Ges burt in der Verwandſchaft mit GOtt , ſondern auch der Leib in der Bluts - Freundſchaft mit Chriſto.
Wer nun in dieſe Familie
( Sefdylecht) eingetragen worden , gibt gleich ſeiner ſchandlichen Geburt den völligen Abſchied , und iſt aufs fleiſſigſte beſorgt , daß er nicht möge durch etwelche Ueberbleibſel der erſten Geburt die herrliche Kindſchaft beſudlen , und GOtt dem Vater , der eis nen Abídheu daran bat, vors Geſicht bringen .
Ja er geht dem
himmliſchen Vater niemalen unter das Geſicht , er ſene denn mit dem Kleid feines HErrn Chriſti bededt , und darein eingehuur. So höchft - widrig iſt die Gegenwart des garſtigen Adams am himmliſchen Hof und im Reich Chrifti ! So edelhaft und vers haft iſt er ! Dieſer Hochmuth iſt bey dem allem die tie ſte Nies drigkeit.
Wolte Gott , daß wir alle auf die Art ſtolz wåren ,
und der unglüdlichen Erbſchaft von Adam im Hochmuth auf tündeten ! VIII. Von den Brüdern , Schweſtern ,
Schwägern ac. Weil die Våter unterſchieden ſind , ſo gibts aud) eine dope pelte Linie von Brüdern und Schweſtern . Die eine ift
bont
VIII. Von Brüdern , Schweſtern ,
c.
131
bon Jacob , die andere von Erau . Sede von beeden iſt der Ans zahl nach beträchtlich , doch aber ſind der Jacobiten allezeit weit weniger. - Unter dieſen herrſchet Liebe , Eintracht, Unterweiſung, Handreichung . Mitleiden , Gelindigkeit, Gleidheit in Chrifto : unter jenen aber Verſtellung , Grimm , Mord , Raub , Hab . Verleumdung , Zwietradht, Hochmuth , Litul , und eine bis zur Schande niederträchtige Rangſtrittigkeit. Dort bey der fis nie Facobs ehrt ein Bruder den andern als einen Bruder in Chrifto ; er adytet ihn als einen Vater oder Lehrer ; er liebt
+
ihn als einen Sohn ; er trågt ihr als einen Menſche : und beſſert ihn. Hier bey der Linie Eſau betet einer den andern als einen Abgott an ; tritt einer den andern wie ein Vieh zu Bodett, ſchlachtet und martert ihn ; einer reibt den andern auf und langt ihn bis auf& Mark und Blut aus. Der Wiederge : borne erkenner daher nur die Jacobiten für Brüder , mit den übrigen hat er Mitleiden , meidet ſie aber und nimmt ſich vor
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ihnen aufs åuſſerſte in acht. Er verehret heiliglich , aufrichtig und beſtändig diejenige Brüderſchaft, die Jeſus, der erſte und höchſte Bruder geſtiftet hat , und macht mit den übrigen Glies dern einen einigen , einträchtigen und göttlichen Leib aus.
IX . Von den Freunden , Gefehrten und Vertrauten . er Wiebergeborne wird niemand , denn Chriftum zum Sreund haben . Dieſer iſt ihm alles. Ben andern Freurs den , wie ſie auch beſchaffen ſind , kommts nie zu einer volls kommenen wahren Liebe.
Dieſer Freund liebet , lehret , verbeſs
fert und trågt den Wiedergebornen , ja er entſchuldigt und de: fendirt ihn ſogar, und macht ihn durch ſeine kräftige Fårſprache frey , wenn er vor dem Gericht GOttes von aller eigenen und fremden Hülfe verlaſſen iſt. Nun fordert er aber dafür wahre Gegen - Liebe, die weit über alles , was man hat , es heiſſe Eta tern , Kinder , Weiber , Freunde u . f. w . vornehmlich aber über Me
132
IX. Pon
Freunden , Gefehrten * .
die liebe zu fich ſelber , fid) erſtrede , und welche die Probe in Feuer und Waſſer , am Stri& , beym Schwerdt , beym Mara tern und allen andern Verſuchen , ausſtehen könne. Der Wies dergeborne wird ſich auch gerne zu Gefehrten geſellen , aber zu roldhen , die auf der heiligen Lauf- Bahu ſind. Dieſen wird er ſudien es in der Andacht und Eifer zuvorzuthun , und auf fie die Gnadenſtrahlen zurückwerfen . Selbige aber werden ihm Ges fellſchaft leiſten im Gebet , in den Betrachtungen , bey heiliger Arbeit ; ſie werden ſeine Geſellen und Cameraden in der Schule des HErrn reyn ; Cameraden in Abſicht auf die Erdultung , Stands haftigkeit und Verachtung der Welt ; keine Cameraden aber im Freffen und Sauffen , im Herumſchlagen , im Herumſchwermen , Elite im Vertraute Freunde aber hat er ſehr wenige, theils darum, weis len es dabey nicht ohne namhafte innere Befleckungen und Schaa den abgeht , theils aber auch weilen der vertraute Umgang zwis fchen Chriſto , auch nur natürlich betradytet , alzuſehr geſtdlys ret wird. X. Von den Feinden und Widerſachern . einde , gibts überall genug , und ſelbſt auch der getreueſte Feinde gibt überati Welt : Menſch iſt vor ſolchen nicht ſicher. Denn die Welt ift nicht minder ſpottiſch , håhniſch und feindſelig gegen diejenis ge, die ſie am meiſten braucht , die ſich als die Dienſtfertigſte verhalten , und die ſie hervorzieht und erhebt. Dabero gereicht nur derjenige Haß zum Ruhm , der aus dem Haß gegen Chrifto herfommt. Durch dieſen låßt ſich der Wiedergeborne im ges ringſten nicht rege machen , aus der Faſſung, bringen und böſe machen , weil ihm die liebe GOttes ein reichlicher Erſat ift . Dahere wenn gleich unſer Wiedergeborne durch håbniſches Uubs lachen , Verleumden , lügen , Uusichelten , Drohen , Bdſes ans wånſchen , Solågen , Verhinderingen , Martern , Verſuchuns gen , angegriffen wird , ſo bringt ihn doch nichts ab , ſondern
X. Bon den Feinden und Widerſachern.
133
einer dringt ben allem Plaudern der Neidiſchen , und ben aller Ge.
He Nie
waltthätigkeit der Bushaftigen, und troz aller griffigen und gifs tigen Schriftſteller wider ihn hindurch. Denn er weißt gewiß
1 i
daß kein Pfeil und Kugel den ſo harten Felſen eines Chriften zerſpalten , ſondern alle auf diejenige zurücprallen werden , die fie losgeſchoſſen haben . Eben ſo wird ihn auch kein Feind mit einer verftellten Liebe hintergeben , weil der Chriſt reine Augen
ii
von dem geraden und richtigen Weg niemals abwenden , ſons dern alles für feindlich halten wird , was nicht eine Stärkung für den Geiſt und auf die Ewigkeit ift. in
702
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2013
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XÍ.
Von der
Ehe.
Cine Ei n gåfliche Ehe kommt vom HErrn , und auf dieſer beruht hauptſächlich die Glütſeeligkeit der Menſchen . Eine uns gläfliche Ehe iſt ſchon ein Zod , ehe man ſtirbt, und ein Vors ſpiel von der Halle. Doch wir nehmen jeħt was anders für uns nemlid) die heilige Ehe , in welcher die Seele mit dem Leib iſt;
Die weit mehr geheiligte
Ehe
durch
welche der geſunde
Glaube mit dem heiligen Leben verbunden iſt ; ja die hochheis lige Ehe , in welcher die verlobte Seele mit ihrem Bråutigam Chrifta ftehet, und Sie das Band der innigften Vereinigung ers fordert. Auf der einen Seite hat man guf das Recht des Mannes , und auf der andern auf die Schuldigkeit des Weibes ſein Augenmerk zu richten . Wenn nun ein oder der andere Theit von dem , was ihm zuſtelyet , abgeht , ſo wird der liebliche Ges nug der ehelichen liebe aufgehoben. Geniß , die Uneinigkeit iſt die Mutter von allein Gewirr und Unruhe , ſo bey uns entſtes het. Das erfahren wir, wann wir unſere Gedanken , Begiero den und Handlungen auf das , was des Fleiſches tft , hinricha ten ; oder die Heiligkeit nach unſerer Wiſſenſchaft , Einbildung
UN oder Kunſt abmeſſen ; oder wann wir Chriſtum ( den Ehemann verachten , und uns mit Ehebrechern einlaſſen ; oder wann wir
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mit den Göten unſers bojen Herzens Ehebruch treiben .
Mit ets tient
134
XII. Von der Fruchtbarkeit 26.
nem Wort : wo dieſe Eheſcheidung ſtatt hat , da iſt Fanimer ; wo man im ledigen Stand ſich befindet , da iſt man unfrucht. bar , wo aber die Ehe ihre Richtigkeit hat , da findet ſich auch die
Ausſteuer und Heurath - Guth
2.) die ſeelige Kindſchaft ,
1. ) die
heilige Rube Ben
3. ) die ewige Herrlichkeit.
dieſer Glükjeeligkeit erfährt der Chriſt nichts vom Ehe : Joch , ſondern genießt tågliche Hochzeit - Freude.
XII . Von
der Fruchtbarkeit
und
den Kindern . Dieſe dreyfache She iſt ſehr fruchtbar, denn mit ihrer zahl reichen Familie füllt ſie den Himmel an. Der erf geborne Sohn iſt das böchſte Gut. Die hernach ebenfalls erſtgeborire Züchter ſind die Rechtfertigung und Seeligkeit. Ihre Brüder
und Schweſteru find alle menidilice, chriftliche und göttliche Lugenden , die unter den Sterblichen ihren Glanz von ſich wers fen . Sie heiffen : Vermehrer ( Auguſtus ), glütſeelig ( Felix ) , beglåkt ( Fauſtus ), Friedenreich , liebhaber des Friedené ( Fries derich ) , gnädig ( Clemens ) , lebhaft ( Vitalis ) , Ueberwinder (Vincentius) , gütig ( Benignus), frey ( liberius ), ſanftmüthig ( Manſuetus ) , wader (Vigilius) , der hart und veſt über ſeiner Ehre hålt (Erhard) , ernſthaft ( Erneſtus ) , ſtarf ( Valens ), groß Unter den Töchtern leuchten hervor : die Königin (Magnus). (Regina ) , die Reine (Clara ) , die Kluge ( Prudentia ) , die Sieg: hafte ( Veronica ), die Eintråchtige ( Concordia) , die Einfältige ( Simplicia ), die Gottes-Gabe ( Dorothea , Theodoſia ) , die freundliche ( Blandina ), die Alte ( Prijca ) , die Froliche (Hila: ria ) , die Mütterlich -gefinnte ( Materna ). Dieſe alle ſind ſo gar Cohne und Tochter GOttes , Unterthanen des Reichs Chrifti , Soldaten bey der heiligen Armee , Bürger der himmliſchen Stadt, Erben der ewigen Güter. Dieſe Trauben gibts in dem Weins berg deß HErrn , ſolche Luftåpfel ſind die gute Früchre von dem Als guten Baum und die Zierrathen des gåttlichen Paradieſes . 16
XIII . Vom Geſind und Dienerſchaft. .
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le find hübſch , wohlriechend , ſchmadhaft und heilſam . Doch aber ſind aus allen Todtern , welche der Glaube alb die Muts ter gebieret , Gott vor andern die Wiedrigkeit und Sreygebig . keit die lieblichſte , angenehmſte und ſchätzbarſte.
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XIII. Vom Geſind und Dienerſchaft. Ja vielleidit mancher nicht weißt, was für eine weitläufe Familie und anſehnliche Dienerſchaft der Chrift habe , lo fou er wiſſen : 1 ) ſtehen ihm die Engel ben , welche die mách .
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tigſte Geiſter find. Sie geben auf ihn acht, und begleiten ihn bey allen Vortheilen , die er hat und erhält , unter frðlichen
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Zurufe.
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bot. Zu allen ſeinen Erfindungen gibt ſie ihm die benöthigte Materie , und läßt ihn in ſeiner Art einen Gott auf Erden vors ſtellen. 3 ) die weltweisheit in ihrem ganzen Umfang iſt ihm
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unterdienſthaft.
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Erfindungen ; und was ſonſt über alle andere herrſcht, muß ihm dienen. 4 ) ſelbſt auch ſeine Glieder dienen ihm , und ſind nicht
2) dient ihm die ganze Gatur , und ſteht ihm zu Ges
Shm dienen alle Wiſſenſchaften und mühſame
Taigi ro ſtürmiſch , ausgelaſſen , ausſchweifend und fürwißig , ſondern mi richten ein jegliches heiliges Wert aus. Die Augen ſehen nicht, was ſie nicht feben ſollen ; die Dhren hören nicht, was ſie nicht
.. !
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hören ſollen ; die Zunge redet nicht , was nicht geredt werden folle ; der Bauch nimmt nichts unverdauliches zu ſich ; der ganze Leib läßt nichts zu , was weg ſeyn ſoll. 5) bedient er ſich auch
B der Handreichung und Dienſtwilligkeit ſeiner Bråder . Und ſo wird durch die fämtliche Arbeit eines jeden ein Haus und ein
W Reich des Friedens. zu Stand gebracht. 10! XIV . Von den, wilden und unvernünftigen
Thieren.
Da die Stern's Deuter auch von den wilden Thieren zu welle 18 fagen pflegen , ſo wollen wir fie nicht vorbeygehen , zus malen als eß in unſerem Zeitalter unter den Menſchen viel mehr I 3 Bes
XIV. Von wilden Thieren .
136
Beſtien dann Menichen gibt , und ſchwerlich Einer einen Meris fohen unterſcheiden kan , wenn er auch am hellen Mittage eine Fackel anzündet. Es hat dahero der Chriſt viel mit Beſtien zu ſchaffen . Kommt ihm faum einer um der Geſtalt willen als ein Menſch für , ſo erfähret er ihn doch bald darauf, als einen biſs figen Hund, als einen geilen Bod , als ein garſtiges Schwein , als einen tolpiſchen und faulen Eſel, als eine falſche Schlange, Menn er ſchon redet , bören ſie ihn nidit; ob er gleich lehret , lernen ſie doch nichts ; wie er bittet , kan er doch nichts erhalten . Dieſe Thiere haben zu ihrem Futter : Meinungen , Gewohnheis ten , eigene Willkühr , vorneinlich aber Gift und Unrath. Doch Find ſie dabey ſo vergnügt , daß,wann jemand ihnen widerſpricht und einreden will , ſie darauf grunzen , bellen , ſchreyen und brüllen . Die Heerde Chrifti aber beſtehet aus Schafen .
Dieſe ha :
ben einen unſchädlichen und unſchuldigen Leib , welcher vornema Iich durch die Wolle , Milch und Fruchtbarkeit , und nach dem Zod durch die Haut , Fleiſch und Nerven groffen Nuken Idafft, denn er wird allein auf der luſtigen und geſunden Weide des gotts Itchen Worts genåbret und geſtårket. Bon dieſen Schafen her hat unſer Wiedergeborne ſein Einkommen. Ihm wird aber auch kein Umt weder auf Erden nod ) in Himmel ſo viel eintragen , als das Hirten : Amt , weil folches das Amt der Patriarcher , Propheten und Chriſten iſt.
XV .
Von der Profeſion und Lebens - Art.
[nd wer mag wol derjenige feyn , får den GOtt und die Na: Uno tur fo beſorgt iſt ? Was für ein Amt wird er verwalten ? Dem ſo bald einer von GOtt auser : Gewiß ein anſehnlicheb. leſen iſt , der bat das Geſchick und die Würdigkeit, daß ihm
geiftliche Aemter anvertrauet werden können . Es iſt eben nicht eines jeden (eine Sache , die meiſte von den Befen nicht ausgea homs )
XV. Profeßion und Lebens - Art.
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. 137
nommen , fo von allem Irdiſchen ſich zu entziehen und los zu reifen , damit er GOtt allein frey und ledig ftebe. Nicht ein jeder kan der Dinge entbehren , die andere nöthig haben ; noch in und bey demjenigen ſich freuen , was andere traurig macht; noch an dem , was andern abgeſchmadt vorkommt , ſeinen Ges
ni Dahero iſt der Wiedergeborne 1 ) ein Gefanda ter GOttes , der ihre Jrthümer frey entdecken ſolle. 2 ) ein
ſchmack finden .
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Sitten -Richter , der alle Ungebühr piuftlid ) bemerken und ahns den ſolle . 3 ) ein wachter der Menſden , der bey ihrem hers einbrechenden Unglück ein lautes Geſchren machen ſolle. 4 ) ein
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Arzt , der überall herumgehen , und bald einem die Uder ofnen , bald einem andern vorſchreiben rolle, wie er ſich in Eſſen und Zrinken zu verhalten habe , und bald wieder einem andern den
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Magen und Kopf ausreinigen rolle.
Insbeſondere aber 5 ) ein Muſter von einer vorzüglich angenehmen , guten und ftillen Lebens : Art , damit er durch das Verhalten gegen ſeinem Leib
andere von ihrem Unſinn überzeugen möge. So laßt dann , o ihr Thoren , den Argwohn fahren , den ihr von dem Wiedergebornen habt , als werde er ein Mißiggåns ger werden , ober doch ganz für ſich ſelber leben , Denn es iſt unmöglich , daß einer , der die Liebe ſich zur Pflicht madt , ein Mißiggånger werde. Das laß ich wohl gelten , daß das ge meine Weſen an dem Wiedergebornen keinen Tagldhner oder Sandwerksmann , hingegen aber einen Baumeiſter habe,
XVI. Von den Würden . Jer Wiedergeborne hat auch groffe und anſehnliche Würder, I ) iſt er ein König. Als ein folcher regieret er nicht nur die kleine Welt , ſo daß er darin nichts ohne ſein Geheiß beimlich , vielweniger wider ſeine Reichs - Gefeße vorgehen , und eß auch weder an Beſtrafung des BSſen , noch an Belohnung
El des Guten fehlen låßt , damit es ja keinen Lermen und Aufſtand geben möge ; fonderu er nimmt aud vermog ſeines Rechts la piel 3 4
XVI. Von den Würden .
138
viel aus der groſſen Welt , als er nöthig hat. Er herrſcher über fein Sdidjal und über das Geſtirn . Aus feinem hohen und himmliſchen Schloz befiehet er das menſchliche Weſen , und ver: adtets.
Bey allen Bewegungen , die es unter den Meniden gibt, bleibt er unvermengt und unbeweglich. 2) ijt er auch ein Richter , der ganz freymüthig von gegens
wärtigen und zukünftigen Dingen urtheilet , und ſich weder durch die Metrheit deren , die anderſt denken , noch durch ihre Groſſe und Anjehen , noch durch ihre Pralerey irre und abwendig ma chen läßt , ſondern der eben ſo unpartheviſch das Böſe verwirft, als er das Gute zu seinen Schåken ſammlet. 3) iſt er auch prieſter. Sein Prieſter - Rod iſt die Unſchuld Chrift , ſeine Opfer das Gebet ; fein annehmliches Rauchwert die Liebes:Werke ; der Ultar jelu Nächſter ; der Tempel die Ges meine Chriſii; Chriſto.
das Allerheiligſte die Wohnung der Seele bey
In dieſem ſo hohen Ehrenſtand triumphirt er ewiglich. XVII, Vom Slúch. W
as kan pas Glüd einem Menſchen nußen oder ſchaden
den gar nichts anregt , und der auſſer der Herrſchaft Chris. fti unter keiner andern ſteht ? Wie es ihm nichts gegeben , ſo Das Glück kan wol mit ſeis kan es ihm auch nichts nehmen. nen Gütern ſpielen , nieinals aber mit den Gütern des Chriſten . Das Seinige nimmt er fo in acht, damit es das Seinige bleibe. Fremde Säter aber , die auſſer ihm ſind , überlåßt er gerue dem Epiel des Glåds. Doch iſt er bey ſeinem HErrn Chrifto der Gludſeligſte , denn was andere durch unendlich viel Wege und Umſchweiffe ſuchen , das beſigt er wirklich in guter Ruhe und Sicherheit. Ich meyne das höchſte Gut. Nun wird zwar das Unglüd nicht ausbleiben , allein davor mogen ſich die Hohe und Bornehme in der Welt fürchten , nicht aber der Chriſt, als wel : cher
XVII. Vom Slud.
139
cher nichts fürchtet , und von der Welt weder Gutes verlangt nod ) erwartet , weil er aufſer ſeinem HErrn Chriſto ſonſt nichts bedarf. Dahero wenn andere mit den Gaben des Glide ſich
Pille
belåſtigen und ſchmücken , ſo ladet er ab , und macht ſich auch
ge
von denen Sachen frey , die ihm von ſelbſt zugefallen , damit er nicht durch irgend eine Anhänglichkeit an dieſelbe gefangen , und dem Glück unterworfen werden möge.
Er lebt alſo , nicht
als einer , der diß oder jenes ungern verliert , und ſo manches
#
mit Kummer entbehret ; ſondern als ein ſolcher, der hurtig und fertig iſt, in welchem Augenblick er die ganze Welt und ſeine kleine Hütte , den Leib , verlaſſen , und nach der Zurückgabe des Geliehenen in das Eigenthum und in die Erbichaft eintreten ſolle,
ed
es
XVIII. Vom Reichthum . Gold, Silber und Edelgeſteine nebſt andern Eteinen und Erzt find nur Koth , und madyen den Reichthum nicht aus , deſſen unſer Wiedergeborne würdig iſt.
So reicht auch alles
das , was die Kunſt und der Verſtand hervorbringt , bey weitem nicht zu , denn ſolches iſt ja nod) geringer , als die Kråuter , Pflanzen und Thiere. Dahero gelüftet den Wiedergebornen nach teinem von allen , vielweniger gibt er darüber ſeine Bewunde:
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rung und Ausſdilag , das ſonſten die Beſchäftigung der ganzen Welt iſt , ſowol bey Gelehrten als Ungelehrten. Denn er hat ein anderes und zwar ſehr groſſes Vermögen , das im Wehrt
in *
ſo viel ausmacht, als alle Creaturen und die Menge der Werke GOttes. Dahin gehört das Lob GØttes , die Zeuguiſfe vont der menſchlichen Vortreflichkeit , die innere Harmonie. Der vors nehmſte Schak aber iſt das Wort Gøttes. Dieſes iſt von eia nem ſolchen Umfang , daß es alles in ſich begreift, was die Welt
all
koſtbares hat.
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refte zugerichtet worden , welches die Vorbilder der fünftigen
Man findet darin , wie der ganze Bau aufs wela
I
Dinge ſeyen , wie die Zeiten ſo richtig zutreffen , und wie alles
melie
feine Uebereinkunft mit Chriſto habe.
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Dieſes Wort , das alles
durdo
1
140.
XIX. Von den Reiſen .
durchbringet, das Wort , das ſich in der Kraft bewetſet, und allezeit gleich bleibet , das Wort , das innerlich überzeuget und beweget , hålt er hoch und ergotet ſich darau. Warum ſollte aber derjenige nicht reich ſeyn , deffen Bibliothek aus dem Buch der heiligen Schrift, dem Buch des Lebens , dem Buch des Ges wiffens und aus dem Buch der Natur beftehet ? und dem GDtt, die Natur und alle Creaturen ihr Vermögen mittheilen ? XIX. Von den Reiſen . Saß unſerem Chriften der Name Wandersmaun in der That zukomme , und er durchaus nicht unter die Wollüſtige gea hdre , zeigt ſich aus ſeinen vielen Meiſen am deutlidiſten. uea
+
beral trift er ſolche Verbergen an , die unſicher , unluſtig und beſchwerlich ſind , wo man ihn aufhält , und weit årger nach ſeinem Geld ſtrebt , als irgend ein Wirth , der einen ums Geld zu bringen weißt. Sodenn hat er auch groſſe Gefabr vor Rårs bern , Schelmen und Dieben , als welche , ſo viel ſie können , ihn um die Zeit , Betrachtungen , Gebet und chriſtliche Uebung unbermerkt bringen oder abſtehlen wollen . Der Weg an_fid ) , den er gehen muß , tft rauh , der Fußſteig idh und ichmal, doch
1
macht ihm der Wegweiſer uno das licht Chriſtus ſolchen anges mehm und leicht. Das Weltmeer thut ebenfalls das Seinige. Er iſt darauf zum 8ftern in der größten Gefahr , doch aber kommt er auch zutheuerſt durch Schiffbruch nicht um , ſondern er fichwimmt, wann ſich ein ſolcher zutragen ſollte , in den Hafen , und bleibt ben allen Ungemachen und Gefahren des Himmelsa auf Erden , im Waffer uud Feuer unverſehrt bey. Leben .
Er
hat auch ungetreue Reiſe- Gefährten , die ihn , wenus Gefahr Alle hat , im Stich laffen , ja ihn auf Neben : Wege loden . Bolfer , die er bey ſeinem Durchzug antrift, die Sitten , die er an ihnen bemerkt, findet er nach der Welt : Art ; die Welt aber, daß ſie immer die alte leve , und eben Satan zu ihrem Monars chen habe , hingegen Chriſtus unbekannt, ja gar ein Vertriebes mer in ihr leye. XX . Pont
141
XX . Von den Tråumen . M
enn die Stern - Deuter ſo gar aud) mit den Tråumen fich abgeben , wie vielmehr darf es unſer Chriſt thun , der
doch , was andere für einen Traum halten , das heilige Wort GOttes hat, welches der Verkündiger des göttlichen Willens iſt. Andern , wenn ſie ſchlafen , und in threr Eitelkeit ſchnarchen , tommen nur ſolche Bilder im Traum vor , welche die Meinuna gen , Gerohnheiten , die Zhorheit und Bosheit ausdünſten, ? Dieſer unſer Chriſt aber ruht und ſchläft völlig in der Vorſicht, Beſchirmung , und Willen und Befehlen GOttes , uud wird durch die Offenbarung des Rathſchluſſes GOttes in Abſicht auf die Fronime und Gottloſe und durch die Erklårung ſeines Vorſake vergnüget.
Shn wecken die Sorgen , von wegen ſeines Leibes , Güter oder heimlichen Nachſtellungen nicht auf. Sein Herz
ll
wad t einig und allein zu GOtt. Alles andere aber an ihm iſt gleichſam vom göttlichen Wein trunken gemacht und eingeſchlå fert. Auf dieſe Weiſe bringt er die Nacht dieſes Lebens ganz
M
ruhig hin , ohne daß ihn jemals die Schreden der Finſterniß ans wandelten , oder er eine Beunruhigung von Geſpenſtern erfah ren dürfte. Bricht endlich die Morgenrothe an , und die Sonne der Gerechtigkeit, Chriſtus , gebt den Frommen wieder auf, ſo werden die Glieder aufgeweckt , und dieſe gehen dann mit neuer und weit gröſſerer Munterkeit an ihr Geſchäfte , das iſt ; ſie wer: den frölich fern und rühmen die ewige Ruhe , wobey man doch voller Bewegung iſt , rühmen die ſtille und ruhige Bea wegung , und Chriſtum den Urheber derſelben ,
9
$
XXI.
Von
dem Tode.
dieſe Welt die groſſe Grab : Stätte , wo wir alë Toda Es : iſt te unter den Todten , und ſogar unter den Haffern Des waha ren Lebens uns aufhalten. Und wir ſuchen annod den Zob und klagen über unſern Dod , den wir in uns tragen , und der zätheuerſt durch das Leben ſelber oder durcb bie Geſundheit und tóda
142
XXI.
Von dem Code.
tödtet ? denn mit jedem Tag , den wir durchgelebt haben , has ben wir zwar einen Zuwachs von Lebenss Jahren erhalten , aber eben damit iſt auch unſerer Codes : Stunde ein eben ſo betrådt: licher Vorſchub geichehen .
Hat einer das Drittel ſeiner Lebenes
Zeit hingebracht , ſo iſt er um eben ſo viel beym Ablaufderfelben ; der aber die helfte ſeiner Fahre erreicht hat , hat juſt noch ſo weit bis zum Ende derſelben . Doch bey dem Chriften verhålt fiche ganz anderſt. Er fürchtet keinen Zod , er erkennet keinen , ſondern er gelangt vielmehr , von dem Tod zum
und zwar in jedem Augenblid näher Was alſo antern fürcha
Leben hin.
terlich iſt, wie der Zod , und was die Wikige das Ende des elenden Lebens heiſſen , das hålt er für einen Aufruf zum Leben , zur Freyheit , zur Glüdſeeligkeit , zur Vollkommenheit.
Dieſe
Etimme håret er ſo gerne , als gerne er ſein ganzes Leben dars um anſtellen , feines Leibes Gefängniß gedultig ausſtehen , und alle irrdiſche Dinge nur für fremd und als ein ſehr kurzeb Dars
7
Tehn halten wollen , damit er dieſelbige ( Stimme) vernehmea und auffangen könnte. Allein er muß , ſo lang er lebet , einen andern Zob leiden , durch welchen Adam , der GOtt ſo beidhmer , lich und verhaßt iſt, umgebracht, aller Wille erftidt und die Eigenliebe getödtet wird.
Noch wird er jemals leben können er lebe denn in einem andern , und ſterbe dem Seinen ab . Diß iſt unſers Chriſten leßte , gewiß wunderbare , aber rühms liche That.
So weit gehet anſer geiſtliches Urtheil von unſerem Cbriften oder von dem Contrefait eines Menſchen , der auf dies ſer Erden nur zur Herberge iſt , und bey ſeiner Reiſe zum Himmel immer weiter kommt. Ulein wir ſeben von Velbi ein , daß wir damit denen woelt : Bürgern lächerlich vors kommen werden . Denn immer an ſich za gedenken , in Cbriftam , an den Tod , ift ihnen eine Thorbeit , ja denen Marimen und Regeln der Welt ſchnurſtraks entgegen .
Die Welt
1
XXI. Von dem Code
143
Welt fehwist yon nichts anders vor , denn von Ruhm, Reich : thum , Leben , Ehrens Gedächtniffen , Arbeiten , Kånſten, idarf ſinnigem Weſen , Anſehen und Zitul.
Bey ihr trift man
keinen an , der auf den geraden und einfältigen Weg der Gottſeeligkeit , oder wenigſtens nur auf den Weg , hinwiefe, führte , und darauf vorliefe , den vormals' die weltweifen betreten baben ; ſondern auch bey den beſten Anſchlagen bleibt es beym Geſchwaz , und bald darguf fangt man das Spiel und Comodie der Welt von neuem an . Wenn du alſo unſern Welt : pilger ſucheft , ſo wirft ou feinen andern denn einen geſchriebenen und gemahlten finden , der nemlich auf dem Papier Hebet , und die Leute vergeblich anſchreyt, weil fee taub ſind , und von ibrem ronellen Rennen in den Irrs thum nicht einmal nur am ein klein wenig abgehalten wer : den können , es ſeye dann , daß ſie den Kopf da und dorten , viel hundert und tauſendmal verſtoffen haben.
wie glát:
TS ſeelig find diejenige , denen die Augen beyzeiten aufgethan ,
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1
and die Angefällte Ohren durchbobrt werden , daß ſie eis nen geſchidtern und glücklicheren Unterſchied zwiſchen dem Guten und Böſen , dem Weſentlichen und Eitelen , dem wahren und falſchen Anmerken , und ſich in einen ſichern , ruhigen , friedramen , freyen and heitern Ørs begeben köns nen , wo ſie die noch ábrige Augenblide ihres Lebens sto bringen mogen ! wie glükſeelig
daß ſie den Båndel der
Ritelkeit, des Irrtbams, des Blends and aler innerlichen Unrube nicht als alte und aberwitzige Leute zu ihrer Bes ſchåmung bis zu der Thår des Todes hinbringen , und og erſt den Ablauf des anglůkſeligen Lebens bepeinen , und sich noch ſehr wenige Tage zur Beſſerung and Buffe wüng fchen Dörfen . Doch es ift nar vergebens.
Keiner fteht auf , es richa
te ibn denn Gºtt auf ! Keiner kan die Laſt wegwerfen , Aaffee
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XXI. Von der Tode.
Auſfer GOtt nebme ſie ihm ab.
So groß iſt das Llend ist
der Welt , daß , wenn ſie Tchon heute voin antichrift , mas bomed , mammon , Rubm , Glåk , Ariſtoteles , kurz , von der Eitelkeit befreyet wurde , fie morgen wieder neue und weit årgere Peiniger aufftellen würde.
Es werden deßwe.
gen die Knechte der Dienſtbarkeit , ungeachtet alles deſſen , was ihnen die Vernunft, die Fatur, die Welt : Weisheit , die gottliche Lebre zaruft , doch immer den größten Saufen qusmachen , die Kinder der Sreybeit aber werden allezeit die wenigſte und verachteſte reyn , über die man lachen wird. Um gaf den rechten Weg zu gelangen , hat man noch eis nige Vortheile vor fid ), als die Frómmigkeit der Leitern die Bequemlichkeit eines Orts, eine glükſelige Seit, den fleiß bey der Auferziehung , das Gewiſſen bey denen Unterrichtes ten , der frommen Gebet , Meidung der Gelegenbeit , fleira ſiges Arbeiten , reifes Alter , vornemlich die Uebung durcho Creuz. Diß. find lauter Mittel , wodurch unſere bosbeit und Jågelloſigkeit gebrochen wird , daß wir endlich nach manchem widerwillen und Swang klug werden , und ſtate der falſchen Freyheit und Einwilligung in alles Böſe mit der ro nothigen Enthaltung uns zu thun machen . Je wilt liger wir uns zu dieſem Streit verſtehen , deſto bålder ges langen wir zum Sieg. Wer nun bey ſich dergleichen Regungen ſpåbret , dan ihm die Welt mit all ihrem Thun edelhaft ift , and er merkt , daß er bereits ein erhabeneres und richtigeres Uta theil von den Sachen und Bemábungen der Sterblichen bekommen habe ; der glaube zuerſt , daß er ſeelig reye bernach , daß ihm der Weg zu einer nach groſſerer Glüts Reeligkeit offen ſtehe. br rege kein Sclav mebr , weder von den Bewegungen des Himmels, noch von dem Stand
<
des Geſtirns , noch von den Veränderungen auf dem Eros boden ,
XXI.
Von dem Code.
145 .
boden , noch von den Gewohnbeiten der Menſchen , noch
30
von ſeinen Geigungen , nach von der Thiers · Arc : ron . dern voll Sroblodens und Jubilirens åber den Porrrechten ded Chriſtentbams trachte er nicht nur nach der Serrſchaft, die ihm von Chriſto angeboten iſt , ſondern er ergreiffe ſier und mache ſich ſeine Geburt ( wie bisher gezeigt worden ift) zu bugen . Denn es ift keiner gebunden , als nur von ihm ſelber und von ſeiner Leitelkeit. Kun kan aber kein Dienſt elender and anwardiger reyn , als wo einer ſich ſelbſten dient. So bald wir daher von ans ſelber wer: den befreyer werden , and wir allem dem , was nicht uns
7
fer iſt , willig entfagen ,
ES
Weg , das ans an dem Eingang in die vollkommene Glåk: Feeligkeit hindern könnte.
ſo ſtebet
uns nichts weiter im
So mogen denn andere anderswo ſuchen , was in der That Gutes irgendwo ift , and fie anzutreffen glauben ; ſie werdens doch nicht finden , ſondern beym ſuchen verliegen, und bey der Verlegenheit es bejammern , and bey dem . Bejammern verzagen , und über dem Verzagen zu Orand
1
geben , und ſich aus den Ketten des Verderbens nimmer berauswideln . Wir aber werden viel bålder und leichter Rube , Frieden , Stille , Ueberfit und wifenſchaft finden and erlangen , wenn wir ſolches innerhalb
uns
ſuchen .
3
Die Freyheit wird unſer Himmel ſeyn , die Sonne Chriftus ,
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der Mond die Gemeine , die Planeten die Pehrer , das Geſtirn die Schaar der Auserwählten , die allgemeine Bewegung das Alters
#
thum , die beſondere Bewegung, die Zeichen der Zeiten , der Mittels Punkt das Wort GOttes ,das Feuer der Glaube, die Luft die Seufs zer und Gebet , das Waſſer unſere Dhnmacht , die Erde das
#
Bornehmen , der Tag die Seele , die Nacht der feib.
Alles
das wird uns weit mebr am 5erzen liegen als jener groſs Here Bad , der uns zur Ehre und Zierde geſchaffen worden 1
146 ift.
XXI. Bon dem Tode. Durch eben dieſe Stern . Kande werden wir auch zu
dem , wobey die Welt unglådlich zu werden , und hinters ſich zu kommen glaubt, am båldeſten kommen . DAR, WANN ibre Knechte beym wiſſen unwiſſend , bey dem Beſig arm , bey der Ruhe geſchäftig , bey der Sreyheit dienſtbar ſind , wir hingegen bey der Uuwiſſenheit die Erkenntniß , beym Wirken den beſig , bey der Geſchäftigkeit die Rabe , und bey dem Dienst die größte Freybeit unter den Mens fchen baben .
7
Der
147
3 Der
gute Bauer ,
Johann Daumont.
3,
Vorbericht. u Rennes , in der franzöſiſchen Provinz Bretagne, iſt im
3
Sahr 1869. ein Buch heraus gekommen , unter dem Li tul , DAS geſchlachtete gamm , [Abrégé de l'Agneau
occis , ou Methode d’Oraiſon . ]
Der Verfaſſer wird zwar
nicht daben genannt ; fein Name aber iſt geweſen Johann Dau , mont , ſeines Standes ein armer Bauer und Weingårtuer , der zwar hernach ſich auch in Paris aufgehalten , und verſchie : denen Seelen , worunter ſogar Gelehrte waren , als Anführer im geiſtlichen Leben gedienet hat .
In den Werfen des P. Ri
goleuc , pag. 405. gibt dieſer fromme Gelehrte folgendes Zeugs niß von demſelben : ,, Unter denen , die niit Arbeit und Geſchäfs ten ſich aufhalten müſſen , findet man bisweilen fo brünftige Seelen , welche durd) die innere Gemüths - Saninifung, woriu ſie ſich üben , ſo genau mit Gott , ihrem Urſprung , Dereiniget werden , daß ſie durch aller Menſchen und der ganzen Welt Res den und Lermer , wovou fie inimer umgeben ſind , eben fo wes nig im Geiſt gerühret und geföhret werden , als vom Hauſchen des Bindes oder des Waſſerd. Hiefelbft haben wir eine Magt ( er verſtehet die Armelle ,) und in der Nachbarſchaft einen guteu Bauer , (er zielet auf unſeru Daumont,] die iu dieſem Stande , ja , noch viel weiter gefördert find. : "}
Sd wills doch verſuchen , ob ich uidit, bey dieger Gelegen :
heit , aus dem Buch dieſes guteu Bauern , einen kurzen Abrig feiner Lehre und Einſidsteu ; mit ſeinen eigeneu Portai ., meinen teutſchen Mitpilgern darlegen fan . Der erleuchtete sirt und die gute Armelle ſollen hernach dem guten Bauren folgent,
Das
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Der gute Bauer .
Das 1. Capitel.
Von dem wirkſamen oder Betrachtungs -Wege. Ott iſt das höchſte Weſen , von weldem alles abhångt , und in welchem alles beſieht. . . . Er iſt uns inniger gegen: wärtig als wir uns ſelbſt ſind ; er iſt in einem jeglichen von uns , und zwar für einen jedeu insbeſondere, um ſein Königreich und die ſelige Herrſchaft ſeiner Liebe in uns aufzurichten . Dem ohneradhtet iſt GDti , als GOtt , unzugänglich ; er hat ſich aber zugånglich gemacht durd JEſum Chriſtum. Dieſer iſt ſelbſt der Weg der Siederkehrung von uns ſelbſt zu ihm , der noth: wendige Mittler zwiſchen dem Vater und uns , um dajelbſt in uns wieder jüßiglich uns zu verſöhnen , und wieder ſeinen Bund zu erneuren , der ſchon von Anfang der Welt durd die Sünde gebrochet worden , 2. Wir müſſen dann einkehren in uns ſelbſt , zu JEſu als htetgereiniget annJEſu Leidend , um ; zu alá um erleuc zu werdenzu; werden und ſod zu se uferſtanden ,, inguferſtanden
feiner Guttbeit , um auf ewig mit ihm vereinigt zu werden . Das Königreich GOttes iſt inwendig in uns , dazu find wir auserwählt vou Ewigkeit, daß unſer Inwendiges ein Friedens. Scönigreich GOttes werden ſollte ; wann wir nemlich durch den Geiſt ſtark geworden am inwendigen Menſden , dann will Chri: ftus wohnen durch den Glauben in unſerm Herzen . 3. Solches zu erfahren , muſt du dann allmählig trachten fanft und jüſſiglich einzukehren in den Grund deines Herzens , um daſelbft im Geiſt und Glauben Jeſum Chriftum dir vor, zuſtellen , und ihn da zu betrachten in dem einen oder andern Stůd ſeites heiligſten Leidens (*) und Sterbens ; alles aber ohs nie ( * ) Der Verfaffer ſpecificiret hier alle beſondere Theile der Paſſion , vertheilt ſolche auf alle Tage in der Wochen , und fedit darüber ganz beweglidje Betrachtungen an,
no
10
3
TI
Cap . 1 .
149
ne Anſtrengung , Beunruhigung und Verbruf ; fondern ſuche in aller Einfalt, auf eine möglichſt liebreide und freye Urt , dein Gemåti, zu dieſer inneren Einſammlung und füffen Umgang an. zugewdbuen , pa du alle deine Seelen Krafte , alle Gedanken , Simen , Gemüths : Bewegungen und Begierten , SEju unter die Füſſe legen , und dich üben muſt in denen Thaten des Slaus bens , des Vertrauens , der licbe , der Dankbarkeit , der Des muth . des Mitleidens , der Dienſtfertigfeit ; alles aber in eben der Einfalt , als manu du den Heiland hebt , als im Grunde deines Szerzeno, leiden und ſterben füheſt. 4. Zu diejer Uebung fant du ohngefehr ein halb Stundgen de3 Morgens, and ebeu ſo lang Abends , Zeit nehmen ; auch danu und waun den Tag über einen Augenblick deine Andacht zu ihin hinein fehren , und im Grunde dei : es Herzen
zu ihm
(predien : Mein Schmerzensvoller Jeſa , fiebe, bier bin ich ganz får dich , and ganz der deine ; verleihe mir die Gnade, dich zu betrachten and in meinem 5erzen zu haben , und dich in deinen heiligen Schmerzen unaufbórlich
und mits
leidigt begleiten zu mogen . 5. Der Apoſtel Paulus wollte nichts wiſſen , als JEſum Chriftum den Gecreußigten : aber wie ſo wenig mi d jekt der : felbe erkannt, auch von denen , die fich Chriſan nennen ! Danu es iſt ein Geheimniß , das in dem inwendigen Meuſcheu , in Scooß der neueu Creatur, verborgen iſt, das nicht fan gefun den noch erkammt werden , wo man nicht ſich ſelbſt abftirbet und in ſic) felbſt einkehret.
Die mehrefter Menſchen aber ſcheinen
nur ihren Gefallen zu haben am Serumſchweifen im Neufſern ; wo ſich ja auch einer den äuſſeren Vergnügungen entziehet . To bleibt man doch nur ben fich felbſt ſtehen . Und daher entſtehen fv viele verſchiebeue Meynungen im Geiſtlichen . Und diefes als tes kommt uur daher , weil ſo wenige fidh zum Herzen famm leu , und einkehren zu der Einbeit , zu der Wahrheit , zu dene ins Fleiſch gekommenen Fidt.
ISO
Der gute Bauer.
6. Yeſum Chriſtum den Gecreußigten , beſagterntaffen fide im Glauben als inwendig in uns vorzuſtellen und zu betrachten , iſt das Mittel aller Mittel , zur göttlichen Vereinigung zu kome men ; und faſſet in ſich , in der Perſon JEfu Chriſti , den Ans fang, Fortgang und die Vollendung ; der uns als ein ſolcher ge geben iſt zum Verwurf unſers Herzens, damit wir dergeſtalt zu feinen Wunden nahend , unſere Reinigung möchten finden in ſeiner Gnade , unſere Erleuchtung in dem Glauben , und unſer Wille ſeine Brünftigkeiten finden möchte in der göttlichen liebe", ... um deninad ) w.riidelut zu können im Wege des Geiftes , und zu leben im unſterblichen Leben , welches ein durch den Geiſt Jeſu Chriſti wiedergebornes Leben iſt, das nidyt bloß beſtehet in der Erkänntniß Gottes und unſer ſelbſt , ſondern in der inne . ren GOttes - Verehrung und ganzen Aufopferung an ſeine Liebe, durch die übernatürliche Uebung unſers , mit ſamt unſerm Her : zen , unterthänig gemachten Seiftes an den Geiſt der Gnaden , welcher der wirkende Grund : Anfang aller guten Geiſtlichkeit iſt. Und eine ſolche Geiſtlichkeit kan nicht ſtatt haben in der Seele , wo ſie nicht von der Sünde und weltlichen Gefälligkeit erlåſet iſt.
Das 2. Capitel. Von dem theils wirkſamen , theils
Teidentlichen Zuſtand. Shret die Seele fort in dieſer Uebung , und iſt fie ſchon ges
Herzen , dann werden ihre Wirkſamkeiten darin allgemach viel edler und vollkommnet ; fie wird theils wirkend theils leidend in ihrer Gebets - Uebung .
Nachdem nemlich die Seele fich im
Glauben , Hofnung , Liebe , Demuth , u . ſ. w. eine Weile mit ihrem leidenden JEſu im Gebet beſchäftiget gehalten , und ihn im Grund ihres Herzens angebetet hat , ſo hålt ſie eine kleine Pauſe, fie bringt ihre Seelen . Kräfte ſanft zur Ruhe , fie ſtilt
ihre
To
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Cap. 2 .
ISI
ihre eigene Wirtſamkeiten , und thut zu dem Ende weiter nichts , als daß ſie dem ewigen Vater das jåmmierlich · leidende Anges ficht ſeines Sohnes , feines Geſalbten , gleichſam reben läßt und ruhig aufopfert. Sie laffe dann demüthig und ehrerbietig auch fich ſelbſt dabey reben mit aller ihrer Schwachheit und Armuth , Sünden und unvollkommenheiten , fie Ofne ihm dann allda ihr Herz und Schooß , entdede ihm alle Wunden , in dem Auſdauen der Wunden ſeines Sohnes. Dicies alles aber ge dehe in aller Einfalt , Glauben und Vertrauen , daß es ihr werde wiederfah ren , was ſie durch den Sohn vom Bater begehret,
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2. Bey dem allem aber muß das Herz fich ſtets zur innern und äuſſern Ruhe und Stille neigen , daß es ganz aditgebend und bereit ſes zu empfangen , was GOtt etwa möchte belieben Es muß ihm gleichſam Zeit geben , ſein
der Seele zu geben.
Opfer anzunehmen , und ſich ganz ſtille und ruhig halten , das mit die Seele unterwieſen und GOttes Eindruck in ihr möge gewurzelt werden. . . . Und nachdem die Seele , kraft der ins wendigen Zueignung der unendlichen Verdienſte Jeſu Chriſti in ihrem Herzen und allen Kräften , Raum und Plak gegeben hat allen dieſen göttlichen Eindrüden , Tugenden und Einflüſſen der Gnade, ro fou fie dieſelbe auch ruhig und ſtille in ihr wirken laſſen , nach ihren reichſten Auswirkungen und innigen Mittheis lungen , die uns inwendig rühren , anlocken , und uns leidentlich achtgebend machen auf ihn , mit il'm und in ihm , um ihn gleich : ſam einzuladen , und in uns überleiten zu laſſen alle die manuig faltige , heilſame und göttliche Eindrücke, und wunderbare Eins flieffungen ſeiner ewigen Gedanken , die er nemlich vor aller
A
Zeit über uns gehabt hat ; wodurch dann in der Seele ein ganz
Hi
brånſtiges Verlangen aufſteiger nach dem inwendigen Königreiche GOttes in unſern Seelen , wie auch ein Verlangen gern aushara ren zu wollen in dieſer Ruhe und Stilfand ihrer Seelen: Kråf te , ſo lang diefe Wirkung währet. $ 3
3. Mera
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Der gute Bauer.
3 .. Merkeſt dit aber nicht mehr dieſe Wirkung oder göttli: chen Zug , wodurch du gerufen und eingeladen wirſt zum Wuhans gen an ihm , und biſt wie au dich ſelbſt überlaſſen , dann mache es wieder inie zuvor , mit Aufopſern , Darlegen , und leidentli : dem Erwarten ; alles aber geld;che im Geiſt , und als einkehrt im Grund des Sverzeng . Auf eine jegliche dergleichen That der Aufopferung , muß wieder eine Pauſe der leidentlichen Erwar: tung folgen , da du dich immer fiille und innig dem HErrn of feu halten muft , Glauben ,, Gnade , Liebe , und was ihm dir einzuftoffen beliebt , empfangen
zu können ; und zwar in ſoldier
Faſſung , daß , ſo bald ein Zug der göttlichen Liebe durc ) einige innere Bewegung darzwiſden kommt, du dabey ganz und vol: lig leidend und ſehr ansådhtig bleibeit , ſo lang bis eine folebe Wirkung vorüber iſt, und du weiter nidits Uebernatürlidies in dir gewahr wirft. 4. Uebeſt du dich hierin treulich und demüthig in den Gruns de deines Herzens , init einer gånzlichen Unterrrerfing deines Ganzen unter das Ganze von jEju , dann wirſt du bald erfab. ren , daß alle deine Gemüths: Kråfte werden beſeelet und erfüllet werden mit eben den Eigenſchaften , Tugenden , Neigungen und Geſinnungen deines leidenden JEſu. : . . fiommt ein Anjall oder Verſuchung , ſo nimm mur deine Zuflucht zu JEfu im Grunde deines Herzens, um ſolibe zu überwinden , und ſprich zu ihm , nid ) t fo rehr mit dem Munde als mit dem Herzen : Mein Sdomerzensvoller , ſiegreider Jeſu , fiebe, bier bin ich ganz für dich ; hilf mir dieſe finnliche Ergoglichkeit ( oder was es ſeyn mag ) überwinden
durch dein heiliges Reiden
und Sterben , und bewahre dich daber ganz ſtille, ruhig und andächtig , daß er dir ſeine gåttlich - reinigende Kraft einfloffen, und did ) vom Boſen ſelbſt befreyen möge. Alles Boie muft du verláu.jnen , ohne dich mit Willen dabey aufzuhalten , geſetzt , daß du es auch fühlen inůßteſt. Die Sünde fühlen , das geht zum Leben ; aber in die Sünde einwilligen , das geht zum Tod. 5. Uebet
Cap. 2 .
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5. Uebet ſich nun die Seele in dieſem allem treulich und leidentlich , da wird fie bald erfahren , daß alle ihre Sinnen und Seelen - Sräfte ſich von ihren Eigenheiten enthidſfet , und hinge . gen angefallet, beſeelet , und bekleidet finden werden mit denen Eigenſchaften , Tugenden und Neigungen des deinúthigen leidens den JEſu , die in ihrem Juneren werden hervorkeimen machen ein unüberwindliches Verlangen , ihm in allem und überall auswendig und inwendig , gleichförmig zu werden , z. E. in der N
Armuth , in der Erniedrigung , in Unterwerfung ihres eigenen Urtheils , in der kindlichen Einfalt , in Unterwerfung ihres eis genen Willeus , in der Verlåugnung und Drangebung alles deſſen , was nicht gott oder für Gott iſt. 6. Wer aufſteigen will, der ſteigt herunter ; wer aber mit JEſu herunter ſteiget, ja , herunter bis in den Grund ſeiner Seelen , der ſteiget hinauf zu Gott. Wer allezeit und überal den niedrigſten Plak erwählet , der madits nach JEſu Rath weis :
Til lich); danu Gott hat ſeine Luſt in den Demüthigen , er theilt ſidh ihnen mit , und wohnet gern bey den Kleinen .
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37. Sich ſelbſt zu verlåugnen , ſich ſelbſt zu verlaſſen , glaubt man unmöglich zu ſeyn ; und doch iſt die Schwierigkeit darin
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nur gerade ſo groß als wirs uns einbilden. Man ſtellte einds mals die Bundes - lade des HErrn neben den Göken Dagon ; des Morgens aber fand man den Dagon herunter geſtürzt. Wollt ihr alle Untugenden zerſtören , und alle eure Schwierige keiten gehoben fehen , dann fehret ein in euch ſelbſt , in euren
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inuern Tempel , leget da den Göken eurer Selbſt- liebe zu den Füſſen dieſer lebendigen Bundes .: Lade , id ) meyne die Heilige Menſchheit JEfu Chriſti, ſo werdet ihr bald alle eure Unklebuns
igen und Beluſtigungen auſſer GOtt berunter geſtürzt und zers ſtiret ſehen . i
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Der gute Bauer.
Das 3. Capitel. Von dem pur Leidentlichen Zuſtand göttlicher Vereinigung. inn aber alsdann die heilige Giebe die 23irkſamkeit in
dir henimet , und dich in das pur Leidendliche einfülret , da muſt du dich nach ihr bequement , und ihr hinführo leideuds lích amhangen . Dann bis dahin hat GDtt ſich nach der Seele bequeinet nady ihrer eingeldrånften Weiſe , und hat ſich von ihr in ihr ſelbſt beſitzen laſſen ; jekt iſt es ihre Zeit , daß ſie ſich nad) ihin und nach ſeiner unendlichen Weiſe bequeme, unb_fidh göttlicher Weiſe von ihm beſitzeu laſſe in ihm ſelber. 2. Nicht als wann in dieſem leidendlichen Stande die Sees le gar nichts wirfte ; allerdings kan ſie wirken , aber nicht aus ihr ſelber ; ihre Wirkſamkeiten haben thren Grund und Saupt : bewezang in der Straft JEſu , welche die Kräfte der Seelen be herrſchet. Der Scele ſind dieſe 2Birkſamkeiten nicht zuzuſchrei: ben ; fie thut ihrer Seite weiter nichts , als daß ſie ſich leidend : lidh dagegen hält , und ſich übernatürlicher Weiſe bewegen lågt durch die Kraft des Heil. Gelftes , der uns eben zu folcbetet Zwed durdo die Verdienſte JEfu Chriſti geſchenket iſt. Demuach wird auch weiter nichts von uns begehret, als daß wir uns das ben mit uns ſelbſt ganz unbeſchåftigt halten , um uns nach fets ner göttlichen Art von ihm bewirken zu laſſen. Da eigentlich Seele alle Anklebung und Gefälligkeit ihres eigenen Lebens, um ihr einzufloſſen das Reben der Auferſtehung Eſu Chrifti; vernichtiget auch alle An : Klebung an den Gaben GOttes , welche beyde Stücke ſie noch in ihr ſelbſt and in ihrer eingeſchränkten Weiſe halten , daß ſie ſich noch nicht gnugſain Gott und feiuce göttlichen uneinges forånkten Weiſe [zu wirken] überlaßt. Zwar ſind die Wirka famkeiten einer ſolden Seele ſchon göttlich , weil ſie von GOtt in ihr herrühren ; aber ſie können noch nicht ohne einige Eigens helt feyn. 3. Db
Cap. 3 .
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3. Ob wir nun gleich hier der Seele zuſdireiben eine Berau bung aller etgenen Wirkſamkeit , ſo iſt darum die Seele nicht můßig zu nennen ; niemals hat fie edler und beſſer gewirket ; fie wird bewirket ; der menſchliche Fleis hat dem Göttlichen i
Auch iſt dieſes zu merken , daß dergleichen müffen weichen. göttliche Gunſt : Beweiſungen und Hemmung ihrer Wirkſamkeit nicht ſo fiets ohne Abwechslung währen. Auſfer dem Gebet , und wann die Seele gleichſam an ſich ſelbſt überlaſſen iſt, da , kan und da muß ſie einige innere Serzens - Thaten des Lobs , der Dankſagung , u . d. gl . ausüven , welches ihrem leidentlichen Stande nicht nachtheilig iſt , ſonderlich da ſolches alles geſchieht in der Abhånglichkeit von der göttlichen Bewegung ; und falls felbige darzwiſchen kommi , ( daß fie in ihrer Wirkſamkeit ges
zu!
hemmet wird ,) da muß die Seele nachgeben , ſelbige machen laſſen , und ſich leideutlich verhalten . Und in eben ſolcher Abs
PT :
hånglichkeit kan eine im leidentliden Stande fich befindende See
yrei
le wirkſam ſeyn in der Liebe und Dienſt : Beweiſungen in An ſehung des Nachften . 4. Auch weiß ich , daß Gott bisweilen die Seele in ein ges · wiffes Unvermogen , ihrem Bedinken nach , zu allem Guten les
hi
Bet , auch ſo går im Gebet ; ja ſie meint in ſolchem Zuſtande wol , daß fie GOtt in ihrem Gebet mehr verunebre als ihm Dienſt erweiſe, der Armuth und des Unvermögens wegen , worin ſie
MBT
als nur , daß ſie , ohne Beunruhigung und ohne Anſtrengung ,
fid befindet.
Sie fan aber zu ſolcher Zeit weiter nichts thun ,
auszuhalten und ihren Stand leideutlid ) zu tragen ſuche. 5. Im leidentlichen Stande iſt die Seele ganz ihr ſelbſt ab: geſtorben , und demnach unter dem Glauben , unter der Gnade, unter der göttlichen Liebe , in der Ausübung und genauen Ges meinſchaft ihrer heiligen Freyheit , dann wo der Geiſt Gºttes wirket , de ift Sreybeit; wie es dann auch alſo dem heiligen
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Umgang zwiſchen Bråutigam und Braut gebührend iſt.
Eine
folche Seele bedient ſich aller Dinge auf eine heilſame Weiſe ; fie 5 rahic
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Der gute Bauer.
ſchicket ſich in alles , ohne Eigenheit; fie leidet alles im Unſehen GOttes ; ſie weigert ſich alles deſſen , was uidt Gott iſt und nicht zu Gott führet; fie nimmt an und tråget alle Sd merzen um der Liebe GOttes willen ; und in dieſem Geiſt der Liebe lebet, wirket, leidet , genieſſet und beſißet ſie alles ohne Anklebung ; fie begehret und dringet ſich zu nichts : und in dieſer ſtillen und füfſen Beſchaffenheit ihres Gemäths , läßt ſie in allem bervor bliden die heilige Freyheit ihres vereinfältigten Geiſtes. 6. Auch in dieſem dritten , ganz leidentlichen Stande , iſt Seſus Chriſtus der Liebes - Vorwurf unſers Herzens , und das Fundament aller geiſtlichen Saden , die dieſem Stande eigen find. Da aber die Seele ihr ſelbſt ganz geſtorben , leidend und überlaſſen iſt, ſo hält ſie ſich nicht auf bey einiger eigener Uns terideidung deſſen , was in ihr vorgehet. Sie febret nicht wies der zurück zu denen eigenen Wirkſamkeiten der vorigen Stånde ; obgleich die Liebesvollen Eindrücke des heiligen Geiſtes fic ifters dariun åben , ſo geſchieht doch ſolches jedesmal dieſen leideutlis dhen Stande gemåß , das iſt, übernatürlich . Die Seelë be: kümmert ſich nicht darum , daß ſie ſich der bildlichen Vorſtels lung des leidenden oder verherrlichten JEſu beraubet fiebet ; ges nug , daß ſie allem ſtirbet , um nur zu leben für ihn und von ihm nach ſeiner Weiſe.
Einm Chriſtum , 7. Es hat eine foldhe Seele nichts , als zu ihrer Stüße ; nichts, als feine Gottheit , zu ihrem Endziel ; und ſeinen Geiſt zum Lehrmeiſter : welded wir nennen die Vers einigung der Vollendung ; wohin wenige Seelen in dieſem Leben gelangert, weil auch wenige ſid ) wahrlid) verläugnen , und wes nige ſich der göttlichen Wirkung leidentlid ) überlaſſen ; weil ſie nicht vollenden das Sterben ihrer ſelbſt , ro gehen ſie auch nicht ein in das Leben GOtres , in welchem dieſe Vereinigung vorgehet . 8. Eine ſolche Seele iſt GOtt gleichſam ein lebendiger Sims mel , beſeelet von feinem Leben , in welchem er ſein unendliches Wobla
ya und
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Cap . 3.
IS7
Wohlgefallen hat. Sie beſchauet alle Dinge in ihrem göttlichen Spiegel , da ihr vereinfaltigtes Geſicht alle Dinge durchdringet , ohne ſich zu vervielfaltigen , oder auszugeben aus ihrer Vereini: gung , als wodurch ſie fähig gemacht iſt , einzugehen in alle Er: kenntniſſe , ohne eigene Anklebung ; ſie genieſſet den Anfang und das Ende ohne Mittel ; ſie kan zugleich drauſſen und drinnen ſeyn . 9. Dieſe Seele tråget in ihrem Grunde ben ſich eine wun: derbare und friedíame Gleidimithigkeit , als theilhaftig der gött lidhen Unveränderlidhkeit , ſo daß in dieſer göttlichen Freyheit ihr leidentlider Stand nicht geſtöret wird der Begebenheiten wegen ; ſie fiehet nichts aló GOtt in allen Dingen , und ihr Stand iſt durch Glauben , Gnade und liebe , erlaben über alles Geſchaf
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fene und Endlide , kraft dieſer ihrer Vereinigung.
ie: *కడకుడుకుకలకతవకతవకపోతే Der
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06
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erleuchtete
Erſte
Hirt.
Unterredung.
Die Hiſtorie von diejem unbenanten Hirten , iſt eine wahr, haftige Gedichte von demjenigen Gelehrten * ) beſchrieben worden , der die Geſpräche ſelbſt niit ihm gehalten . 2. Da ich , ſpricht derſelbe Autor , aus meinem Vaterland 309 , traf ich in der Land - Kutiche ein folde theure Seele an , dergleichen ich nie gekant , und von welcher id) gar wunderbare und Gittliche Geheimniſſe gelernet. Es war ein Jüngling von 18. oder 19. Jahren , war jegt ein Hirte , und hatte vorher ei: nem * ) der Pfarrer Buzin , meldet in einem Schreiben an einen andern Geifilichen , daß er ſelbſt derjenige fey , der mit dieſen Hirten dieſe Geſpräche gehalten.
158
Der erleuchtete Hirt.
nem Prieſter gedienet.
Er war ſehr einfältig , dabey von gros
ber Sprache, hatte auch nie was von Wiſſenſchaften gelernet , war aber inwendig mit aller Gnade und ſo hohen Gaben erfül let , daß id nie dergleichen geſehen. Im geiſtlichen Leben hata te er nie einen Lehrer gehabt als nur GDtt ; dennoch hat er das von mit mir ſo erhaben und ſo gründlid geredet , daß alles , was ich ſonſt davon geleſen oder gehöret, nichts iſt in Vergleis chung deſſen , was er mir geſagt. 3. So bald ich dieſen Schatz in dieſem Menſchen entdedet hatte , ſo ſonderte ich mich von der Geſellſchaft ab , fpeiſete mit ihm , und fiieg in denen drey Zagen , die wir miteinander reis ſeten , oft mit ihm vom Wagen ab , um ganz allein mit ihin rés den zu köunen . Auffer deuen Geſprächen , die wir mit einander hielten , war er ohne Unterlaß im Gebet begriffen . Die Grunda Stellung feines Herzens war eine grofie Einfalt ind tiefe De: muth .
Durch dieſe reine Einfait hat er mir viele Wunder
entdedt , obgleich ſeine Demuth mir viele derſelben verborgen gebalten. Sobald ers gewahr wurde , was er mir ſagte , wvolte er ſich vor mir niederwerfen ; dann er hielte dafür und verſiderte, daß er einer der größten Sänder auf der Welt fey , bate mid auch , daß ich es gewiß glauben mögte.
4. Ich brachte ihn in dieſen dreyen Tagen auf alle Stúde des geiftlicben lebens. Einen ganzen Morgen redete er mit mir von den verſchiedenen Standen der vollkommenen Vereinigung mit Gott , von den Mittheilungen der drey Götrliden Perſos nen mit den Seelen ; von der unbegreiflichen Gemeinſamkeit GOttes mit reinen Seelen ; von denen Geheimniſſen , ſo Gott ihn von ſeinen Eigenſchaften erkennen laſſen , ſonderlich von ſets ner Gerechtigkeit gegen ſolche Seelen , die zwar ein Verlangen haben nach der Vollkommenheit, aber nicht dahin fördern , deßs gleichen von den unterſchiedenen Ordnungen der Engel und Heiligen .
5. Er
1. Unterredung.
Et
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3. Er ſagte, daß eine Seele am beſten zur Vollkommenheit befördert wurde durch das ſich ſelbſt erkennen und Verber ſern ; daß es nicht gnug wäre, um die Vollkommenheit zu bit: ten , ſondern man müſſe ſid) aud) Gewalt anthun .
Daß es Jammer und Schade wäre , daß man ſich die #leibliche Leiden und Schwachheiten , durch welche doch Gott viel Gutes vorhåtte , nicht recht zu Nuß machte ; daß Gott ſich mit der Seele weit vollkommener vereinigte in den Schmer: zen als in den Beluſtigungen ; die gar zu groſſe Sorge für die Geſundheit fer eine groſſe Kinderniß darin. Daß das wahre Gebet nicht darin befinde , daß man von
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GOtt etwas empfange , ſondern daß man ihm gebe ; und To man was von ihm empfangen , man es ihm aus "Liebe mies der gebe. 6. Ich legte ihm vor alle Zweifel meines Fuwendigen unter
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einer dritten Perſon , ( dann ſonſt hätte ich nichts aus ihm brints
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gen können ,) worauf er mir ein ſoldies Genage that , daß ich nicht anders mennte , er måſte ein Engel ſeyn ; von welchem Wahn ich aber befrewet wurde , als er zu Pontoije beichten und
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communiciren wollte ; dann die Sacramente ſind nicht für die Engel. Niemals wollte er mir verſprechen , GOtt für mich zu bitten , ſondern ſagte, er wollte thun , was ihm würde möglich feyn ; es ſtünde ſolches nicht bey ihm .
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7. Das merkwürdigſte, was ich an dieſem Jüngling gefuns den , war eine wunderbare Klugheit und auſſerordentliche Kraft in ſeinen Worten . Er ſagte , daß das übernatürliche Licht,
welches GOtt einer Seele eingeußt, derſelben alles , was ihr zu thun zuſtehet, viel klårer zu erkennen gebe , als das Sonnens Licht die ſichtbaren Dinge entdeckte; und daß ſelbiges eine grofa fere Menge der Sachen im Inwendigen entdede , als die ganze duſſere Welt in ſich håtte ; daß GOtt mit aller ſeiner Herrlich , teit daſelbſt wohne , fich auch in demüthigen , reinen , einfälti. gen und getreuen Herzen , fühlen und empfinden lieffe,
8. Da 3
16
Der erleuchtete Hirt.
8. Da ich nun auf thn drang , er ſollte mir ſagen , ob ihn dann nicht jemand unterwieſen båtte ? da ſagte er , zein , und daß es Seelen gåbe , denen die Creaturen nur Scaden bråchten , daß , wann gleich das Evangelien : Buch ſollte verloh , reu gehen , ihn Gott genug daraus gelehret håtte zu ſeinem Herl; daß GOtt ſolchen Seelen ſtets gegenwärtig ſey , und ſonſt nichts in ihnen wohnete als er , und daß , wenn ſie gleich aus liebe mit dem Nächſten Umgang hätten , fie dennoch ſehr groffe Wirkungen von Gott erführen ; ſogar des Nachts , wenn man ſchlafen måſte, gieng ihuen ſehr wenige Zeit verlohren, Als ich ihn fragte , wie doch das zuginge ? gab er mir zur Ants wort , das wußte ich ja beſſer als er , er wäre der Atterunwiſ fenfte. Sonderlich habe ihu ett gelebret , den Nächſten zu entſchuloigen , und ſich nichť zu ärgern , 9. Er ſagte mir auch ganz beſondere Dinge zum Troft und Unterricht einer Seelen , die gern beten und heilig leben ipolte , aber durch) leibliche Schwachbeit darin aufgehalten würde : daß Gott von joldier eine ganz Engliſde Geduld forbere ; blie: be ſie dann nur getreu , fo würde ihr GOtt alles in einer Stuns te wieder erſeßen . Einer von ſeinen erhabenſten Diſcurſen war dieſer, wie GOtt in dem Juwendigen der Seelen alles wirke durch das Wort , und wie ſie in allen ihren Beſchaffenheiten , ſelbſt in ihren Leiden ,
durch dieſes Wort ihre Beziehung auf
Gott habea miſten . Gelehrte, ( oder ſo genannte Geiſtlicher ) weldie die Luſt , von der Welt gelobt zu werden , nicht be. ſtritten , würden Gott vimmermehr ſchauen ; ſie waren nur Diebe ; ihre Finſterniß nihme ſolchergeſtalt immer zu. Die Freyheit des Herzens werde gehindert durch eine gewiſſe anges wohnte Verſtellang , wodurch es wie gebunden werde. Diß find ſeine eigene Worte. 10. Wie ich endlich von ihm
gieng ; da bat er mich tauſend :
mal um Vergebung , daß er ſo hoffårtig mit mir geſprochen : danu weil er ſo ungeichidt wäre , Gott durch Worte zu loben und
II, Unterredung.
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und zu ehren , ſo müfte eß von ihm nur durch einen einfältigen und demüthigen Wandel geldehen. Die Gemeinſamkeiten GOttes mit den Seelen wolte er geheim gehalten haben . Das 190
her 'ich die Worte faſt von ihm ſtehlen muſte. Ich ſagte ihm aber , ich konnte nicht immer reben , die Liebe verpflichte ihn , daß er aud ) was erbaulid es mit mir rede , da er dann weiter nicht nachdachte, foudern , von der Liebe ganz entzündet , redete wie es ibni ums Serz war. Sobald aber hatte ich ihn nidyt erſucht, für mid) zu beten , ſo geriethe er in ein Mißtrauen , * und nahm ſid ) mit Reden wieder in acht.
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zweyte Unterredung . Das zwente mal, wie ich mich mit unſerm Hirten unterredete , fprach er nur von den täglichen Uebungen der Cugend.
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Er
jagte, wir můſten tåglich einmal unſre Augen werfen auf den Sinn und die Zuneigungen des HErrn Eju , ſolche zu berehren und darnach zu verlangen .
WH 2. Er ſagte , wenn er ſich im Gebet einen guten Vorſatz neha me, ſo ſage er nie : Ich nehme mir vor , hinfüro dieſe Tu. gend auszuüben , oder jener Untugend zu widerfteben ; dann das ſey eine Bermejenbeit ; fondern er übergebe ſich Gott als ein ſchlechtes Werkzeug in ſeine Hände, um durch den Bey : ſtand ſeiner Gnade dem Böſen zu widerſtehen , und das Gute
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auszuüben . Wann er nun alſo jemien Zweck erreichet hatte, ſo danke er Gott , daß er ſich ſeiner bedient habe; wo aber nicht , fo beunruhige er ſich nicht, ſondern fage : Es iſt auch ſo gut ; GOtt war nicht ſchuldig , rich meiner zu bedienen . Die einzige Barmherzigkeit , fagte er , unterſcheidet uns von den
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Teufeln , dergeftalt, daß alles , was die Engel und Menſchen gutes haben vor den Teufeln , daß haben ſo wohl ſie als wir
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Data
bon der puren Barmberzigkeit GOttes . 3. So oft er fit ), fagte er , den leidenden Efum vorſtelle,
#fo ftelle er ſich auch vor den ewigen Pater , wie er ihn zum Zod Rrurs
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Der erleuchtete Hirt.
verurthelle : alſobald halte er inne , und verehre die Gerechtigkeit des Vaters in der Verurtheilung ſeines Sohnes ; ſodann ſåhe er an ſeine fündliche Seele ; ... und kehre hernach wieder zur Betrachtung der Leiden des verurtheilen Sohnes , ſaint alle der: fen Leibes : und Seelen : Sdymerzen , und verehre fie. Es ſen aber nicht genug , ſagte er , die Leiden des HErrn JEſu zu ver ehten , ſondern man müſſe aud ſeine Gedanken und Abſichten , die er , um unſert willen und uns zu gut , im Leiden und Stera ben gehabt hat , verehren . Endlich ſagte er , daß wir uns múſ ten oft JEſu aufopfern , und ihn bitten , daß wir durch die Gna : de , die in ihm ift, mogen eingeleitet werden in ſeine Geduld , in ſeine Demuth , in ſeine Liebe , in feine Sanftmuth , kurz, in alle die Zugenden , die wir in ihm erkennen und verehren ; und wenn wir in dieſelben eingeleitet wåren , müßten wir erkennen , daß wir es nicht unſerm
Fleiß , ſondern bloß der Gnade , zu
danken hätten . Dritte Unterredung. Er ſagte , daß die Unruh des Geiftes bey ſo vielen guten See: : E len daher entſtünde , weil ſie ihre Gefangenſchaft unter dem Gerets der Sünden , und ihre Untüchtigkeit zu allem Guten,
Kicht erkenneten ; daher GOtt zuliefie, daß fie oft lange Jahrein Wahrnehmung mandjer Uebungen und Regeln , bey ſtetigemi Verlangen nach der Bollkommenheit , zubråchten , ohne doch eine einzige Untugend zu töten , oder eine einzige verlangte Zus gend zu erlangen ; bloß zu dem Ende , damit ſie ihre hnmacht gründlich erkennen , und die Kraft zu allem Guten auſſer fich * [ in GOtt ] ſuchen imögten. Alle die Gedanken , die wir von einem in und ſich befindenden Vermögen oder Tugend båtten , fenen nichts als Vermeſſenheit und Betrug. Alles Vermögen nach dem Sündenfáu , wäre nur ein Vermögen fündigen zu kous men und Does zu thun : ales dieſes unſelige Vermögen von Adam her , müften wir verlåuguen ; es les fein anderer Weg zur Seligkeit, als daß wir den Adam , der in uns ift, verlåug neten ,
III. Unterredung.
163
meter , um an deffen Stelle den Geiſt Jefa Chrifti zu erlane gen , mit aller davon abhangenden und daraus flieſſenden Kraft, Muth , Tugenden und Lidyter. 2. Wenn wir nur , fuhr er fort , ein wenig rechtichaffenes und ſeine
Verlangen båtten , uns mit Chrifto zu berbunden ,
leibeigene Knechte zu ſeyn , ſo würden wir mit luſt der Herrs. fchaft des alten Adams über unſre Natur , und dem Rechte lo wir über unſern Geiſt haben , entſagen , um dieſes Recht Chris fto feerlich zu übergeben ; indem er ja durch ſeine Rend werdung und Tod fich alles Redit über die Sånder erworben båtte. Kaun hatte unſer andådytige Hirte dieſe lezten Worte von der Oberbereſihaft , welche ſich JEſus durch feinen Tod über uns erworben , ausgeredet , ſo hub er ſeiue Augen und Sånde gen pimmel auf , und blieb faſt eine Viertelſtunde wie verzůckt ſtehen . Endlich fieng er mit einem ftarken Seufzer wieder an folgendergeſtalt mit inir zu reden : Weil dem dann alſo iſt , weil
dem dann alſo iſt , daß der Sohn Gettes mich mit ſeinem Blut Serkaufet , und durch ſeinen Tod midh ihm erworben hat, da dies fes Blut mir zu gut iſt angewandt worden , ſo bin ich , der id ſo ein geringer elender Hirte bin , denn doch auch ein angenoms mener Sobu des natürlichen Sohnes GOttes. Ich bin dann Ich bin fein Eigenthum nach Redt und Gerechtigkeit, jo unumſdrånft unter ſeiner Herrſchaft , daß ich mich , ohne die grsne ungerechtigkeit zu begehen , davon nicht wieder entziehen tan . Ebeu darum müſſen wir mit aller Sorgfalt uns alle deß entſchlagen , was auch nur im geringſten uns von der Verbinda lichkeit und Herrſchaft , die ſich Eſus über uns erworben , mögte abziehen wollen ,
3. Ich far mein Herz, fagte er , ihm nicht entziehen , und es der Gewalt eines andern untergeben , oder einen andern in #mid ) einnehmen , ohne Betrug und Diebſtahl zu begehen , es feia 1 dann unter folgenden Bedingungen : 1 ) daß ich eine folde Creas
di tur ſo liebe , wie Er fie Itebet; er liebet ſie aber , und uimant fie
164
Der erleuchtete Hirt.
ſie ein in ſein Herz , weil er Gefallen hat an dem , was gut iſt : 2) daß ich ſie licbe , weil er mirs befiehlet, daß ich ſie aufneha men , oder mid ) zu ihr fügen ſolle mit ihm : 3 ) daß ich ſie auf die Art und Weiſe liebe , wie er ſie liebet ; er liebet aber in dem vernünfrigen Geſchopf die Natur und die Gnade, als ihm zus gehörende Dinge. 4. Weiter ſagte er , wir müſſen gleichſam drey Herzen haben : 1 ) Gegen GOtt , ein ehrerbietiges Herz; 2) gegen den Giách : ften , ein mütterlich - mitleidendes Herz ; 3 ) gegen uns ſelbſt , das Herz eines ſtrengen und gerechten Richters. Wenn wir ges wahr würden , daß eine Creatur uns liebte und diente aus pu : rer Sinnlichkeit , ſo müßten wirs bedauren , daß ein Herz , wels des GOtt lieben könnte , dergeſtalt finnlich auf uns fiele , und müfren uns recht betrůben , daß wir in ſeinem Herzen denjeni: gen Plak in Beſik båtten , den unſer oberſter Liebhaber und Er: Idſer einhaben mußte. Dieſem Uebel zu widerſtehen , müßten wir unſerin Freunde ein Zeichen oder Merkmal unſers Heylandes, der in uns iſt , darſtellen , damit er darauf ſeine Augen und zarte Liebet : Neigungen richten möge. 5. Zum Beſchluß dieſer Unterrebung ſagte er , daß manche chriftliche Seelen , die von Natur tråg und zaghaft waren , den Weg der Vollkommenheit aus Furcht vor der Abtödtung der Natur und Eigenliebe verlieſſen. Nein , ſagte der Hirte , ents feßet euch nicht ; GOtt fordert nicht , daß wir die Natur gar tädten und alle Eigenliebe zerſtören ſollen . Dann ohne die Na: tur können wir nicht da ſeyn ; und ohne Eigenliebe könnte die Natur ihr Wefen nicht erhalten : in jedem dieſer beyden aber iſt Unordnung , Verwirrung und Berberbniß , zu finder ; dieſe Uns ordnung muß verbeſſert werden . Die aus der Erbjůnde entſtes hende Reißungen und Neigungen der Natur , müffen wir bezáha men ; und in Anſehung der Eigenliebe , måſſen wir uns deß wegern , was uns nicht zukommt , und uns dasjenige nicht zu: eignen , was nicht unſer‘iſt : und dieſes nennet man die Ver läugnung
1V . Unterredung.
165
läugnung ſein ſelbft , oder vielmehr deſſen , was nicht als von uns herkommend , oder uns zugehörig , kan geſchikt und anges Leben werden , es ſey in Anſehung der Gaben der Natur , oder der Gnade , oder der Herrlichkeit. Vierte Unterredung . Nachdem mir Gort die Gnade gethan , daß ich dieſen Hirten angetroffen , ſo hatte er mir derniaſſen das Herz eingenommen , daß ich alle andere Geſellſchaft und Sorge dran gab , um mich nur mit ihm unterreden zu fönnen. Weil ich ihu nun ferner von 10 hoben Dingen , die meine Feder nicht beſchreiben und mein
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Berſtand nid) t faſſen konnte , hatte ſprechen hören , ſo konnte ich mich nicht enthalten , ihn hödlich zu bitten , daß er mir in Pics be und Vertrauen ſagen ſollte, durch welchen Weg er zu ſoldem
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und
himmilitiben Licht gekommen. 2. Worauf er mir unverweilt und lächelnd antwortete , daß Tein anderer Weg dazu wäre , als die Reinigkeit der Seelen und der Umgang derſelben mit Gott. Dann , ſprach er , durch die Reinigkeit des Spiegels unſerer Seelen , bleibt ſie im Frieden , und wohl geſchickt das belle Angeſicht GLites in ſich zu empfan , geni , weldies ſich mit den ſchönſten Zügen dahinein drůdet, wo durd) ſie ihn , ſo weit es in dieſem Leben möglich , erkennen lernet . Durch den Umgang aber und gemeinſame Unterredung, To ſie mit ihm und er mit ihr hålt , gewöhuet ſie ſich an eine folche Ehrerbietung , und an ſo zarte und geziemende Worte , die
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fich am beſten ſchicken für den Hof eines folcheu Fürſten , und für die Geſchäfte und Geheinniffe , die daſelbſt gehandelt werdent.
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Daher kommts dann , daß ein båuriſcher Hirte , wie id bin , ein ſehr beredter Theologus , das iſt , ein Redner von göttlichen
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Dingen werderi kan .
Und diß iſt die königliche hohe Schule ,
worauf ich unterwieſen bin. 3. Ich fragte ihn , ob er ſich dann nicht etwa eines geifilis chea Buchs oder eines Führers bedienet habe ? Er antwortete ,
ja ; er habe ſie aber in der
Quelle genommen , und die Bäche fahren
166
Der erleuchtete Hirt.
fahren laſſen : rein geiſtliches Buch ren das Evangelien - Bud, und ſein Seelen : Führer , derjenige , der des Evangelii Urheber wäre. Er habe zwar Verlangen gehabt , ſich auch menſchlicher Uebungen zu bedienen , habe aber geſehen , daß , was der eine aufbaute , der andere wieder niederriffe ; woraus er dann ges ſchloffen , daß folde wider einander laufende Meynungen und Führungen , nidht vom Geiſte GOttes ſeyn könnten , weil der ſich ſelber nicht zuwider wire ; daher er fich dann an den obers ften Führer und an deſſen Wort gehalten. 4. Dann , ſagte er , weil das Gebet eine fo edle Beſchäftigung iſt , daß es auch die Seelen adelt durch den vertraulichen Ums gang , den es ihnen am Hofe des Königes der Herrlichkeät vers (dhafft , der Sohn GOttes uns auch ſolches mit Wort und mit ſeinen Erempel anbefohlen , auch die Art und Weiſe, wie wir uns dabey zu verhalten , gelehret, ſo muß ich ja nur demſelben folgen ; und wann ich ben ſeiner Anführung nicht darinn zuneh . me , dann tan ichs aud wol nie,! von der Anführung der Mens ſchen hoffen , die in ihren Meynungen ſo intereBirt ſind. Doch will ich deswegen nicht alles Leſen guter Bücher, oder die Ans führung erfahiner Männer verwerfen ; ich laſſe einem jeden ſeine Freyheit ; nur das wünſchte ich gar ſehr, daß alle die , welche andere Seelen führen , ſich auch ſelbſt durch den Geift Gottes führen lieſſen . Was mich inſonderheit anlangt , ſagte er , der ich inwendig mit GOtt umgehe ,, und åuſſerlich mit meinen Schåfgen und Låmmergen , die mich nicht verhindern , ſondern vielmehr auf mancherley Art unterweiſen , ich will das nicht in der Stadt ſuchen , was mich GDtt in der Einſamkeit finden låßt.
5. Ich fand , ſagte er , in der Offenbarung Johannis ein bes Dieſes ſonderes Büchlein , von innen und aufſen beſchrieben . kleine Büchlein nahm ich vor mich : aaswendig ſtellet es mir den Schöpfer, und inwendig den Erlöſer vor. Id verlangte dann weiter fein Buch mehr, id ergrif damit meinen Hirtens Stab
IV . Unterredung.
167
Stab , folgete meiner Speerde aaf die Weide , und ſagte zu mir Miehet felbft : Um dieſes doppelte Buch zu leſen , habe ich von aufen lib
kein ander licht vonndthen als das licht der Sonnen , welches
a mir in der groſſen Welt die merkwürdigen Fußſtapfen der Volls 11 * kommenheiten meines Schöpfers entdeckt; und von innen brau: dhe ich kein anders als das Licht des Glaubens , welches Ineiner
M
Seelen JEjum Chriftum zeiget , und mich an ihm die trefliche Eigenſchaften des Erlojers , nemlich ſeine Gütigkeit , Liebe und
1 Barmherzigkeit , ſamt allen ibrigen Lugeuden , die er auf eine göttliche Art ausgeübet hat , ſehen läßt.
blo 6. Von der Uebung des Gebets gab er mir einen weitläufs be tigen Unterricht. Das Gebet , ſagte er , iſt eine Unterredung m des Geiſtes mit GOtt , theils , um von GOtt etwas zu bitten ;
mi theils , da wir ſeine Vollkommenheiten verehren , ihn deswegen per zu loben und ihm unſere Erkenntlichkeit zu bezeugen . Ihr he's můfſet euch vor allen Dingen GOtt übergeben , damit ihr mit
Da dem Geiſt des Gebets möger begabet werden , und zwar nacha dem es ihn gefällt , és mag nun gleich mit Zerſtreuung und Dürre , mit Unruhe oder mit Ruhe , begleitet ſeyn. Hütet euch,
daß ihr euch nicht dem Vater in eurer eigenen Perſon vorſtellet, oder in eurem Namen betet ; ſondern wir müſſen kommen , 1 ) in der Perſon feines Sobnes, 2) in dem Geift ſeines Sobnes , 3 ) in der Wabrbeit feines Sohnes ; weil wir ja
feiu Recht haben zum Vater zu nahen , als durch ihn , und wenn X wir uns mit ihm bekleidet haben . Dann kraft unſerer Ueberges bung , haben wir unſer Herz und Willen in die vollkommene Beſikung JEſu Chriſti åberlaffen . Wann wir demnach bey dem Vater Audienz haben wollen , ſo müſſen wir uns zueignen und überkleiden mit der Perſon und den Berbienſten yeſu Chriſti, nicht aber mit unſern Verdienſten oder Gültigkeit ; dann der Eohn hat es uns verdienet . 7. Zum andern , müſſen wir zum Vater nahen in dem Geiſt feines Sohnes . So hat es der Sohn ſelbſt , als der beſte Füha ret , 43
A
168
Der erleuchtete Hirt.
rer , die Samariterin gelehret : Die wahrhaftigen Anbeter be: ten den Vater an im Geiſt und in der Wahrheit.
Ume: Geiſt
iſt viel zu gering und 'zu weit von GOtt unterſchieden , als daß wir denken jollten , wir konnten ihn mit unſern natürlichen Ge: danken und Nieden würdiglid) im Geſpräch unterlalten ; dann , wie Paulus ſagt, wir ſind nicht vermogend aus uns felbft Uus mit einem Geit zu unter : reden , haben wir einen görtlichen Geiſt voruðthen , der in uns ſerm Verſtande GDit würdige Gedanken formire. Uuſere ſchlech : etpoas Gates zu gedenken.
te und gefinſtelte Reden müſſen wir beyin Gebet verlåugiten , und von JEſu Chriſto den heiligen gåttlichen und beredten Seif erbitten , wodurch er hier auf Erden terredet hat . Dennoch iſt nicht eben die en Geiit haben , ebe wir zu beten ti wir uns ihm in einfältigem Glauben
ſich mit ſeinen Vater un: nöthig zu wiſſen , daſs wir anfangen ; genug , wann ergeben , um uns von ihm
führen und beſißen zu laſſen. 8. Zum dritten , müſſen wir den Pater in der Wahrheit an : beten , und uns mit dein Geiſt der Wahrheit und des Glaubens belleiden . Wir müſſen uns nemlich ein Geheimniß oder eine görtliche Voltommenheit nicht vorſtellen nach dem Erkenntniß ro wir davou haben , welches viel zu gering iſt, und nach dem Marile unſers Verſtandes ; ſondern ſo , wie ein ſolches Geheima niß oder gørtliche Vollkommeuheit in fid ) iſt, und wie ſie es würdig iſt ; und das geſchieht nur durch den Glauben ; und wenn wir den Raum geben , dann iſt unſer Geiſt mit Wahrheit be: kleidet , weil er die Sadien nicht betrachter wie fie in ſich ſelbſt ſind , ſondern wie ſie in ihin ſind. 9. Sebet , jolchergeſtalt erhebet fich die Seele zu Cott , fich mit ihm zu unterreden und ihn anzuberen.
Man nimint eine
oder die andere Tugeiid , Eigenſchaft und Vortreflichkeit Gottes, mit Nachdenken vor fid ), 3. E. die vollkommenheit feines 20e feus , ſeine Gütigkeit , ſeine Schönheit , ſeine Macht , feine Weis: heit , ſeine Liebe , ſeine Kraft , ſeine Herrlichkeit u . f, w . und das Hennt
IV .
Unterredung.
169
nennt man die Betrachtung. Wann nun etwa eine dieſer Voll kommenheiten vor andern cenr Gemůthe erofnet und wichtig wird , ſo hålt da der Verſtand inne , beidhauet foldhe mit Bes wunderung ; und dieſes nennt man die Beſchauung. Endlich thut die herzlid) - liebende Kraft einen glåkliden Uebergang, und gehet ein in dieſe göttliche Vollkommenheiten , welche der Ver. ſtand beſdauer ; und da wird dann den Verſtand ſein Wirken , unterſagt , und der Wille ſtattet reine Ehrbeweiſung ab gegen dieſe Boulfominenheiten , die er in ſeinem Schöpfer verebret , worinn er , wie geſagt , durch die Liebe heimlid) iſt eingegangen , und jezt mit denſelben bekleidet , und ſolcher göttlichen Eigenta @
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21
ſchaften theilhaftig wird. In In dieſer lezteren That und glücklis s , beſtehet eigentlich das wabre ang Willen des chem Ueberg Gebet. Dergeſtalt kan mans aud) niadjen in Anſehung der nas
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türlichen und übernatürlichen Tugenden und Vullkominenheitert der Menſchheit Eju Chrifti, und und mit ihnen bekleiden . 10. Vor allen Dingen nehmet wohl in acht , daß man muſs
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ſe verharren in demjenigen Stande , der mit dem Geiſt ( oder Beſchaffenheit) übereinkommt , womit eure Seele fich im Gebet bekleidet fühlen möchte; es ſey nun ein Geiſt der Demuth , deb Leidens , der Freude , der Traurigkeit , der Liebe , oder welche andere Beſchaffenheit es auch ſeyn möchte ; und zwar dieſes durch eine Gleichförmigkeit mit dem göttlichen Willen , ſo wie der Heyland es machte im Garten , und ſprach : Kiicht wie ich , ſondern wie du willt. Die Seele Chrifti bekleidete ſich mit
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39 this
denen Schwadheiten und Leidenſchaften , welde über ſie kamen, und elyrete dieſen Geiſt ( oder Beſchaffenheit ) , fo hart auch ber's ſelbe war , durch eine Gleid förmigkeit ſeines Wollens und Nichts
4 wollens.
Darinu folget dem HErrn JEſu nad) , fo werdet ihr
euch über nichts zu beunruhigen haben ; alles wird euch zum Beſten dienen .
24
Fünf
170
Der erleuchtete Hirt.
Fünfte Unterredung. Da mir nun inzwiſd en eine Weiſfagung vom bald vorhanden feyenden Ende der Welt zu Sanden kommen , brachte id; ſelbige zu unſerm Hirten , der , wie er fie leſen borte , eine beſondere Freude bezeugte , und unter meinem
Leſen fáuft ſagte : daß es noch heute geſchåbe! o daß es noch beute geſchåbe! lo daß ich mid nibt enthalten fonnte , ihn zu fragen , warum er nicht vielmehr rreinete und zittente, anſtatt ſich zu erfreuen , da ſogar die größten weiligen ſich vor dieſem Tag entſeket, da die Barmherzigkeit über die Unbußfertigen nicht mehr ſtatt finden würde ? Worauf er mir aber eine ſo vortrefliche, erhabene und rührende Antwort gab , daß ich ſie die Zeit meines Lebens nid)t vergeſſen werde. 2. Er ſagte mir nemlich , daß die Heiligen , welche ſich vor dieſem Tag entebet , Damals nur Feyen angetrieben worden von einer Viebe , dic an dem Verderben der verdainmten Sün : der Theil genoinmen , deren Sayidjal ibuen ſelbſt ungewiß war , und darin nur ſahen auf die Strenge des Richters und das Uus glück der Verdammten . Mich aber anlangend , ſagte er id fa. ge ab dem Futereſſe , zu welchem mich die Eigenliebe ſo wohl wegen meines als ihres Verderbens bringen mögte , und nehme mich allein an des Intereſſe des Richters , welches ſo wohl er als die Nusermählten voy dieſem Tage haben werden . Ich muſs te wohl feine Liebe zu dieſem gerechten und liebreichen Richter haben ,
wann ich nicht dieſen Tag , an welchem alles ſein
Verlangen ſo wohl an Engeln als Menſchen wird erfüllet wer: den , init groſſer Begierde verlangen ſollte. 3. Id lase noch mehr , daß in gewiſſer Abſicht dieſe zweyte Zukunft des Erldſers viel ſebulicher zu winſchen iſt , als ſeine erſte Zukunft je von deu Vetern iſt gewinſchet worden. Bey feiner erſten Zukunft hatte es das Anfehen , als wenn der Sohn GOttes der Soheit ſeines Weſens abgeſagt håtte , er erniedrig
V. Unterredung. te ſich ſelbſt , und nahm Knechts - Geſtalt an ſich .
171 Es ſchien
als wenn er entſagt håtte der Hoheit feines Reichthums und
tud ſeiner Ehre , ja , er entſagte in der That , die drey und dreyßig
EN Jahre ſeines ſterblidien Lebens , demjenigen Mitgenuß , welchen
*
der untere Thril ſeiner Seelen , ja , aud) fein feib , mit höchs fiem Recht hätten fordern können an der Herrlichkeit, kraft der Vereinigung und unzertrennlichen Verbindung ſeiner Menſchheit mit rem glorwürdigen voort. Bey dieſer andern Zukunft aber wird er im vollkommenen Beſitz der doppelten Sjerrlichkeit des Leibes und der Seelen kommen , und nicht mehr in der Vers ådhrlichkeit der Sünder , noch in der Schwachheit dieſes fterblis den Lebens ; ſondern er wird vollkominen leben und regieren in ſeiner eigenen Majeſtät, Glorie und macht , und in der Aus torität ſeines Vaters.
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4. In der erſten Zukunft kam er nur um der Menſchen wils
den LI
len , und unterwarf ſich ihrem ungerechten Gericht : in dieſer andern Zukunft wird er um ſein ſelbſt willen kommen , und ſich
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Mer:ſchen und Engelu als Richter darſtellen , die er auch alſo richs ten wird , daß ſeine Herrlichkeit und Ehre dadurch wird beförs
# 1 3
Bert werden . Wenn ich demnach ihn nur ein wenig liebe , ſolte ich dann nicht wünſdzen , daß dieſer Zag bald kommen moge ? Wir ſind ja verbunden . Jejum mehr zu lieben als uns ſelbſt , und ſein Jutereſſe dem unſern vorznziehen. 5. Wenn ihr die herrlichen Zhaten , ſagte er , die an dieſem Lage sorgehen werden , wüßtet , ihr würdet ihn ſo ſehr als id )
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verlangen : und wollte GDtt , daß alle Menſchen , beſonders aber die Geiſtlichen , wie ihr ſevd , die wenige 28iſſenſchaft das
von hatten , die mir ſeine Güte davon mitgetheilet hat ; gewiß , ſie wurden in ihren Gedanken keine juffere Betrachtungen baben wollen . Ich glaube aber , daß die Göttliche Weifheit dieſe Dinge den rigen der Klügſten dieſer Welt ( die in ihrem eiges to nen lidt bhind find) verberge, und ſie den Einfältigen und Duminen , wie id bin , offenbare. 6. Dieſe £ 5 #
in 4
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Der erleuchtete Hirt.
6. Dieſe Worte entzündetent meinen Geiſt dergeſtalt mit Verlangen , um die Gedanken , welche unſer Hirte vom jüngſten Gericht hatte , zu wiffen , daß ich ihn erſudite, mir dieſe ſo ges heime Gnade , welche GOtt ihm erzeiget , und deren ich mich nad Würden bedienen wollte , zu vertrauen. Worauf er mich auf die Erde neben ſich fißen hieß , nahm mich bey der einen Hand , und zog mit der andern ſeinen Huth ab , um mit deſto groſſerer Ehrerbietung von dieſem Geheimniß zu reden , und fieng folgendergeſialt an : 7. Erſtlich wird ſich unſer HErr JEſus Chriſtus den En: geln , Teufeln und Menſchen darſtellen , daß er als der Richter ber ganzen Welt , erkannt werde.
Geſelet cud) von nun an den
Eugeln und denen zur Seligkeit Verordneten bey.
Stellet euch
aud) 'JEſum Chriſtum bor als einen zornigen Richter ; geſellet euch zu ihm , nehmet ſeinen Eifer und ſeine Zuneigungen an ; Jajet euch ſein Intereſſe angelegen ſenn , und bezeuget , daß, wo er zuſchlagen werde , wollet ihr auch zuſchlagen ; was er herab: Rürzen werde , wollet ihr auch herabſtürzen ; und wo er ſich hins neigen werde , wollet ihr euch auch hinneigen . 8. Er wird , zum andern , die ganze Adamiſde Welt zu Boden werfen ; zum wenigſten wird alles , was der Adamiſchen Unreinigkeit gedienet hat , erneuert werden . Es wird ein neuer Himmel, eine neue Erde , Sonne und Mond , da ſeyn . Siehe, ſpricht er , ich mache alles neu. Auch wird er in uns alle Un: ordnungen , fo von Adam berkommen , und welches der alte Menſch iſt , abthun . Geſelltet demnach euren Eifer dem ſeinis gen bey ; übergebt euch ihm mit alle dem , was in dieſer Adas miſchen Welt unrein iſt ; werfet von nun an die Creaturen , deren ſich die Menſchen , und ihr auch ſelbſt , ihn zu beleidigen , bedienet , herab .
Ergebt euch ihm dieſe Stunde in feine
all
mådytige Sand; laſſet euer Serz in das feinige übergehen vou geredyten Zorns wider die Unordnungen , die ſowol er , als ihr ſelbſt , in euch erkennet, 9. Er
1
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-3
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V. Unterredung .
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9. Er wird an dem Tage zerſtören die Herrſchaft , welche die Sånde über die zur Seeligkeit Verordnete gehabt hat. Er wird aufheben die Sperrſchaft , welche der Teufel über die zur Seeligkeit Verordnete , wegen der Sünde Adams und angebor: nen Unordnungen, gehabt hat. Er wird aufheben die Herrſchaft des Eleiſches und die Herrſdaft des Todes . 10. Vergeſſet aber nicht , in Jefu Chrifto anzumerken und zu verehren den Brunnquell , woraus er ſein Leben mit der Fül le und Ueberfluß deffelben Tchöpfet, durch welches er die ganze Welt dem Tod entreifjet und in ein ewiges lében verſeket. Der Brunnquell des lidts , iſt der School der Sonnen ; und der Brunnquell des Lebens Jeſu Chriſti, iſt der Schooß des Vas ters , woraus er ſein ewiges Weſen und Leben nimmt , derge : ftalf , daß , wenn er diejęs ewige Leben des Vater3 , weldes in ihm iſt, in die Verſtorbenen eingehen låßt , ſo machet er ſie les bendig in ſich und durch ſich . Depwegen ſagte er einsmals : Ich 1 bin die Auferſtehung und das Leben, II . Wer iſt demnach , der Jejum Chriftum nur ein wenig liebet , der nicht dieſen Tag zu ſehen wünſchen ſollte , an wels dem er dieſes Vergnügen haben wird , dergeſtalt fein Leben Herrſchen zu ſehen über den Tod ? Mid ) anlaugend , ſagte der Hirte , wann ich dieſes göttlidie Leben , welches in den verſtor: ben : geweſenen Glaubigen berriden wird , verehre , ſo entſage ich dem meinigen gar , als einem ſolchen leben , welches des Namens nicht werth iſt , und bitte meinen Erlöſer und Richter , mir die unordeutlidie Zuneigung zu benehmen , welche ich zu dieſem lebenden Zod oder ſterbenden Leben fühle ; übergebe mich i hm rodanit , damit ich von nun an ſchon einigermaſſen eingeben möge in dieſes neue Reben , welches von dem Tod nicht unters brochen wird , und worin ich einen Anfang madje meiner epiga währenden Anbetung .
12. Wann JEfus alle Todten wird lebendig gemacht has ben , dann wird er das Urtheil der Verdammniß und der Sees ligs
174
Der ecleuchtete Hirt.
ligkeit über die Engel, Menſchen und Teufel , fprechen. Die Engel wird er in ihrem ſeeligen , und die Teufel in ihrein unſes ligen Zuſtand beſtätigen ; den Berdammten wirb er ein immer ſterbendes Leben , und den liuberwählten ein ewig lebendes Les ben mittheilen. 13. Weiter ſage ich , daß an dieſem lekten Lage JEſus alles Verlangen der Engel , der Nuserwählten und ſeines Bas ters erfüllen wird . Das Verlangen der Engel iſt , daß ihre Stellen wieder erfüllet , ihre Geſellſchaft vermehret , und die Herrichaft des Erlöſera vollkommen werden moge ; welches dann an dieſem Tage geſchehen wird. 14. Die Uuserwählten , oder Kinder GOttes werden an dieſem groſſen und für ſie glütlichen Tage , alle ihre Abſichten und Verlangen erfället finden , welches in dieſem Leben nidt geſchehen konnte .
Sie haben mit Recht und in Unſchuld verlan :
get die Vereinigung und die Nube ihres mit Empfindlid )feit und Bernunft begabten Herzens, in einem liebenswürdigen Vorwurf, der allein in fich hatte , was die Empfindlichkeit und Vernunft vergnigen konnte , auf daß , wann fie in deſſen Vereinigung blieben , ſie durch viele Vorwürfe zugleich konnten beluftiget wets 1 h den . In JEfu Chrifto nun werden ſie dieſen Vors lic f doppelten ind t au f ſ r p r i ih em , wo Ge is und vernüuftiges Herz fich fåßiglich zur Ruhe niederlegen wird, i gungen genieffen werden , die ihre Sinnen und ihr Geiſt je has ben verlangen können . 15. Wie unſer Hirte dieſes geſagt, hielt er lange inne, und blieb wie beſtürzt.
Wie ich nun dachte, diß wår es alles , und
ihm eine andere Frage , die mir in den Sinn kam , vorbringen wollte , da faßte er mich hart ben der Hand und ſagte : Sachte, mein Pater , ſachte , das iſt noch nicht alles. ... An dieſem Lage, ſo fuhr er fort, wird der Sohn GOttes , als Sohn , als Ers
V. Unterredung. Du
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Erldſer und als Richter , alles Verlangen ſeines Vaters erfüls len. Das erſte und machtigfte Verlangen , welches der ewige
Bater je gehabt, war dieſes , daß er fein natürliches gloridſes Wefen in ſeinem Sohne beſtåtigen (oder ihm geben ) mochte, wela ches geſchabe, als er ihn zeugete .
Dieſes war eine innerliche
That oder Handlung , welche von einer andern begleitet wurde , da nemlich der Bater mit ſeinem Sohn die Perſon des H. Geis ftes hervor gebracht. 16. Das zweyte Verlangen des Vaters war , daß er dieſes ſein Weſen quſfer ſich den Creaturen mittheilen möchte durch dieſen feinen Eohn. ... Ade Dinge haben das Weſen bon dem Vater durch das Wort empfangen , ohne welches feine Creatur es würde empfangen haben .
dot
17. Gleichwie er aber durch die Schöpfung nur ſein ng .
a
tårliches , nicht aber ſein herrliches Weſen , wie es in ſeinem Eobne ift , durch ſein Wort und Sohn der Creaturen mittbei : let , ſo hat er auch noch , drittens , ein Verlangen , dieſes berra liche Weſen in ihnen aufzurichten , nach dem Maaß ihrer Ems
in
pfånglichkeit; und diejes wird ſeine lebte dufſere Handlung ſeyn , welche folglich auch durch den Sohn muß verrichtet werden , ſo
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wol weil er ſein Sohn iſt, als auch weil er es durch ſeine Un. terwerfung verdienet hat.
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gleich allmächtig , und ſo wenig unterthänig als ſein Vater ; er
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konnte ſich ſeine unerſchaffenen und unabhänglicheu Weſens ,
18. FEjus Chriſtus, ift , als Gott und GDttes Sohn ,
das er durch die ewige Geburt vom Vater hatte , nach Gefallen pie bedienen ; wie auch ſeines geſchaffenen Weſens , welches er durch
LEBO
194 til
ſeine Empfängniß und Geburt in der Zeit von ſeiner Mutter hatte. Weil er aber dieſes nie thun wollen , als nach dem Urs theil und Verordnung ſeines Vaters , mit welchem er jederzeit
inte eines Willens war , und dem er fidh auch freywillig unterwors fen bis zur Entåufferung ſeines herrlichen Weſens in den Crea turen ,
Der erleuchtete Hirt.
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turen , lehet , deßwegen wirð er au pieſem
Tekten Lage ; an
welchem das Verlangen ſeines Vaters an alle dem , was er era ſchaffen , ſoll erfület werden , ihn auch zum Richter verordnen , Yowot feines eigenen Intereffe , als aller feiner Creatuxen , da der Bater rein herrliches Weſen , durch den Sohn und mit dem Sohn , allen ſeinen Creaturen einfidſſen und ſo mådhtig eindrus den wiid , daß er durch und mit ihm ſein Königreich aufrichten wird für die ganze Ewigkeit.
Dennod) wird die einem jiden
eigene natürlidie Beſchaffenheit der Creaturen , von ihn nicht verändert werden , ſondern er wird in ihnen eine ſolche Serrlich keit aufrichten , die dem natårlichen Weren gemäß iſt , we cies er übernatürlich erhoben , und ihm erhabene Eigenſdaften , Adel, und göttliche Gemeinſchaft mittheilen wird. 19. Er wird ſeine Serrlichkeit befeſtigen an dem 5immel, an der Sonnen , an dem Mond und an den Sternell, indenizer ihre natürliche Klarheit durch dte gåttliche, welche ihuen Duroy Sejum wird gegeben werden , erhöhen und verſtärken wind,
Er wird ſeine Herrlichkeit in der Erde befeſtigen , indem er ihre ſchattigte Eigenſchaft in eine durch deinende erhoben wird , ohne doch das natürliche Weſen der Erde zu zerftoren : Er wird ſeine Jerrlichkeit befeſtigen an unſern Leibern auf eben dieſe Art , und noch durch andere herrlideSaben und Ei: ge: chaften , indem
er unſere Sinnen und Gleder zu einer jo
groffen und empfindlichen Zårtigkeit erhöhen wird, weldie dieje: nige , ſo ſie jetzt habent, unvergleichlich weit übertreffen wird.
len .
Er wird dié . Serrlichkeit Gottes befeſtigen in unſern Sees Das herrliche lidht des Waters , das in ihm iſt , wird er
unſern Verſtändniſſen mittheilen ; und weil dergeſtalt die Hert:
1.
lichkeit dem Weſen ( des Verſtandes] beygefåget worden , ſo wird der Verſtand recht veradelt und verwandelt werden . Er wird ſeine Herrlichkeit befeſtigen in unſerm willen , als der Mutter der Liebe , und , ohne deffen Natur zu verändern
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V. Unterredung.
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feine herrliche Liebe , oder die Herrlichkeit ſeiner liebe , unſerer Liebe zufügen , wodurch dieſelbe wird veradelt, erhöhet , geſtåra ket und in ihrer Wirkung gottförmig gemacht werden . 20. Da nun alſo der Sohir Richter iſt über ſeines Vaters Intereſſe , ſo wird er , nad dem Verdienſt und Beſchaffenheit einer jeden Creatur, urtheilen , in welchem Grad der Serrlichs keit er die glorioſe Herrſchaft feines Vaters in einer jeden unter ihnen befeſtigen werde. 21. Ein anderes Geheimniß iſt, daß JEſus Chriſtus allen ſeinen verborgenen Verrichtungen , die den Menſchen zu gut find gethan worden , Geredirigkeit wird wiederfahren laſſen , das mit ſie in den Seelen der Erldjeten ſo ergeblich , ehrwürdig und herrlich befeſtiget werden , als ſie ſchmerzlich und ichmählich in der Menſchheit des Erlöſers ſind gewirket worden . . ; . Er wird alsdeun die verborgenen Geheimniſſe ſeiner Empfängniß und Geburt , die uns unbekannte Verrichtungen ſeiner Kindheit, ſeint Leiden , ſeine Betrübniffen und feine Gedanken , die er unſertwes gen gehabt bey ſeinem Lodes: Kampf im Garten und am reuß , alles dieſes , ſage ich , wird er auf eine ſehr hohe und liebliche Art in die Seelen der Auserwählten eindrucken . 22. Wer ſollte demnach dieſen groffen Tag nicht winſcher und verlangen , wann er Eium Chriſtum liebt , da ja alles dieſes zu ſeiner groffeſien Ehre gereicher ? Deßwegen (lagte der Hirte ) wollte ich , daß er gleich jeho káme; ich liebe ihn , ich verehre ihn , und alles was daran vorgehen wird , ſollte es auch zu meinem Nachtheil ſeyn .
Iſt es doch zur Ehre GOttes uit .
fers Schöpfers , des Sohnes unſers Erldſers , des V. Geiftes unſers Heiligmachers , und demnach der ganzen H. Drey . Eins Veit . . . . Ich verehre und bete an meinen Erldſer , als den einigen Richter über alles Intereſſe ſeines Vaters , über ſein eigenes , das meine , und aller außerwählten Engel und Menſchen .
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** Philippi
Fieri * )
unter wei fungeri. I. Wer Ser fördern will, muß gar nichts aus der Welt machen . Er muß jedermann hoc achten , ſich ſelbſt verachten , und ſich nicht darum befimmern , wann er von andern beradytet wird . 2. Es iſt ſehr núßlich , daß man unterlaffe das Raiſonniret. und Urtheilen der Vernunft , welche ſich ſtets verniffet zu urs theilen , nicht allein über das Thun der Menſchen , ſondern gar åber die Werke GOttes .
Man bånbige feinen Verfand , taß er
ſeinen eigenen Gedanken nicht leicht glaube , ſondern ſie für vers dåchtig haite , und deren Vernieſſenheit bezwinge. 3. Von GOtt follen wir glauben , daß er alles gut mache, wann uns gleich die Urſache deſſen , was er thut , unbekant iſt : nach dem Urtheil und der Meynung anderer , ſollen wir uns gar gern bequemen , im Reden ibre Partey auch wider uns ſelbſt annehmen , und alles zum Beſten deuten. 4. GOtt hat zu aller Zeit den Geiſt der Demuth und die Ges ringſdyårung ſeiner ſelbſt , in den Herzen der Menſdien aufgeſucht ; und nichtë mißfått ihm mehr , als wenn er einen Menſchen fies het, der durch Achtung ſeiner ſelbſt aufgeblaſen ift. 5. Der Teufel iſt ein hochmüthiger Geiſt , und kan daher nicht beſſer überwunden werden als durch die Kerzens : Demuth , und daß man ſeine Sünden und Berſuchungen einem erleuchtes ten und erfahrnen Kinde GOttes einfältig und gerad heraus erofnet. 6. Wann * ) Er war der erſte Stiftet der Congregation de l' Oratoire in Statien ,
Phil. Neri Unterweiſungen.
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6. Wann man in eine Sünde fått, oder einen Fehler begeht, da iſt es ſehr ſchädlich , wenn man es entſduldigen will : wir ſollen gedenken , Gott habe es zugelaſſen unſerer Einbildung wegen , und von Herzen ſagen : Wäre ich demüthig geweſen , ich würde nicht gefallen ſeyn . 7. Wann einer ſeines Fehlers wegen beſtrafet wird , dann nahme er die Beſtrafung frolich und mit Demuth an , weil oft die Traurigkeit , welde der Hodymuth iber die Beſtrafung ers
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reget , viel gröſſeren Schaden thut als der Fehler ſelbſt.
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daß man deb Endeb , wozu die Mittel angeordnet ſind , darüber vergeſſe. Deßwegen irren diejenigen z . E. febr , welche nur bars auf denken , wie ſie ſich üben ſollen in allerlen leiblicher Strens
# 8. Man muß ſich nicht dergeſtalt binden an die Mittel ,
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ge , und dann meynen , nun håtten ſie die ganze Sache gethan , und wiſſen nicht, daß alles dergleichen nichts nißet , wann wir nicht dadurch befördert werden in der Furcht GOttes , im willis gen Gehorſam gegen GOtt , in der Demuth , in der völligen Vers låugnung der Welt , und in dem Dienſt GOttes von ganzem Herzen . 9. Man muß nicht alles thun wollen in einem Lage , ober vermeynen , man wolle ſo in vier Lagen ein Heiliger werden ; ſondern man gehe nur iinmer ſo ſadyte fort von Staffel zu Staffel. 10. Es iſt ſchwerer , diejenigen zu curiren , welche zu viel thun wollen , als diejenigen anzuſpornen , welche zu wenig thun.
II . Wann einer ſeinen eigenen Willen weiß zu brechen , und feiner Seele ihre eigene Neigungen zu verweigern , der ſtehet in einer rechten Stuffe zur Zugend : hingegen wers nicht ſo macht, und ſich nicht übet es ſo zu machen , der frågt ber fid) eine Pflanz. Schule von tauſend Perſuchungen , wird ſelten frðlich Teyn , ſondern die mehreſte Zeit ſchwermüthig , verdrieblich und geſtört in allem , was ihm begegnet.
12. Die
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12. Dle & uſfere Andacht beweiſet nicht die inwendige Ans dacht; die Thränen ſo gar beweiſens nicht : dann manche weis nen ſehr leicht , und find deßwegen doch keine Heiligen. 13. Wer da verlanget , daß man ihm woh! gehorſam ley , der muß wenig befehlen . 14. Das iſt ein guter Gehorſam , wann man ohne Bernünfs teln gehorchet, und ganz gewiß dafür hålt , daß eben das, was uns befohlen wird , das beſte fey , das wir thun können . 15. Es iſt nid)t genug , daß wir unſere Obern ehren : wir follen auch die ehren , welche uns gleich , ja , welche unter uns ſtehen . Wir müſſen immer die erſten ſeyn wollen , andern Sh. te zu erweiſen . 16. Diß iſt der Tugend beſonders eigen , daß ſie alles Sons berliche fliehet, und fich nicht zeigen will, als wann ſie beſſer wåre , oder ein mehreres thåte als andere . 17. Laßt uns nicht aufſchieben Gutes zu thun , dann der Lod ſchiebt nicht auf, zu kommen . Glückſelig iſt der in den Jugend - Fahren , welchem GOtt die Zeit vergönnet , viel Gutes verrichten zu können . 18. Der Müßiggang iſt die Peſt für einen Chriſten. Dar um muß man ſich immer was zu thun machen , pornemlich wann man allein in ſeiner Kammer iſt : man ſoll entweder bes ten , oder tu der Bibel oder einem andern geiſtlidien Buche leſen , oder fein Zimmer , ſeine Bücher , u. d . gl. aufräumen und in Ordnung bringen , oder ſonſt was nůžliches thun , damit der Teufel uns niemnalen müßig finde. 19. Dir Schwermuth und Beunruhigung des Geiftes , thut der Seelen groiſeu Edaden ; da im Gegentheil eine frohe Muts terfeit das Herze ſtårket, und in der Gottſetigkeit beſtåndig macht: barum ſollte ein Dieter GOttes billig immer frölich ſeyn .
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20. Gar ſehr müſſen wir alles Scrupuliren vermeiden ; dann dadurch wird das Gemüth beunruhiger und traurig ges macht. 21. Wann GOtt uus iuwendig eine Gnade beweifet , da ſols
1c len wir ſolche nicht bekannt werden laſſen , ſouſt verlieren wir folche, 22. Ber hingeht, Kranken zu dienen , der fielle ſich vor , als wann der Kranke , dem er dienet , yEjus Chriſius wäre, und daß alles , was er dem Kranken thut , er foldes Jeju fels
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ber thue ; dann ſolchergeſtalt wird er ſeinen Dienſt mit weit grófferer Liebe und Nugen verrichten . 23. Wer ſich in die Gelegenheiten wagt , und fpricht: Ich habe keine Gefahr; der fått insgemein am gröbſten , zum Sdias Den ſeiner Seelen . Darum wer nicht in Sinde fallen will , der vertraue aicht auf ſich ſelbſt und auf ſeine eigene Kräfte., ſon : dern Tage zu Gott : HErr , verlaß dich nicht auf mich , und erwarte nichts von mir als nur böſes ; dann wann du mir nicht deine Hand reicheſt und hilfft , dann werde ich gewig
18 fallen . 24. Wann die Seele den Händen GOttes åbertaffen , und mit dem , was Gott will , zufrieden iſt , dann iſt ſie in einer guten Sand , und kan verſichert ſeyn , daß es ihr gut gehen wers de. Inſonderheit muß der , welcher noch ſchwach ift , fich Gott
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fehr überlaſſen und zu ihm ſagen : HErr , willſt du mich nehe . men (und brauchen , ] Tiehe, hier bin ich , ob ich gleich kein Guteð gethan habe , mache mit mir was dir wohlgefällig iſt. $ 25. Wer etwas anders will als JEfum Chriftum , der weiß micht was er will : wer etwas anders von GOtt bittet als Es fum Chriftum , der weiß nicht was er bittet ; wer arbeitet , und thuts nicht für Jefum Chrifinm , der weiß nicht was er maduto M
26. Mau
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26. Man muß ſich au keine einzige Sache dieſer Welt, fie mag ſo klein reyn als ſie immer wolle , anhången , ſondern ganz los und blos unter den Creaturen bleiben. 27. Wer zeitliche Gåter ſucht, wird nimmermehr geiftlich werden .
28. Zehu freye, und von allert Abſichten der Welt ledige Menſchen , würden die ganze Welt bekehren können . 29. Eine Seele die ſich ganz und gar GOtt ergiebet , die ift GOttes ; demnach die Liebe , welche man zu ſeinen Verwands ten , ſeinem Fleiſch und Blut,
ſeinem Studiren , und zu fich
felbſt [mehr als zu Gott ) trågt , die raubet man Gött. 30. Ein Menſch , der GOtt mit einer wahren Liebe liebet und über alles Hochſchårzet, der fühlet bisweilen in ſeinem Ges bet einen ſolchen Einfluß der Gnaden , und ſolchen Ueberflus geiſtlicher Süſſigkeiten , daß er genöthiget wird zu Gott zu ſa: gen : HErr , høre auf.
1 . 31. Die Gedult iſt einem Diener GOttes udtbig , und er muß fidh nicht betrüben zur Zeit der Irůbſal und Beångſtigung , ſons dern mit Sedult den Zroſt erwarten : dann GOtt chickt nie eis ne Zrůbſal oder es folget eitt Zroſt darauf.
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Kurz geſagt, das
leben eines Dieners GOttes iſt anders nichts als jekt Troft dann Arbeit , darnach ein anderer Droſt und darauf wieder eine andere Arbeit. 32. Wann einer eine ihm von GOtt geſandte Trůbſal nicht mit Gedult tråget , zu dem mag man ſagen : Du biſt nicht werth eines ſo groſſeu Guts , und daß GOtt dich beſuchet. 33. Junge Leute müſſen ſich in acht nehmen vor der Süns de der Fleiſches : Cuſt ; die Alten aber vor dem Geiß : die ers ſtere Sünde überwindet man durch Fliehen , die andere durchs Wider , gen. 34. QBir ſollen fets in Furcht wandeln , und nie auf uns ſelbſt vertrauen ; dann der
Teufel iberfällt uns unverſehens und
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und benebelt den Berſtand.
Wer ſich nich fürchtet, der iſt ſchon
überwunden , dann Gott ſtehe ihm nicht bey. 35. Es iſt dem Menſchen nichts bejſer als das Gebet.
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ne Gebet wird unſer geiſtliches Leben nicht lang währen : 'darum
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follen wir tåglich zu dieſem heylfamen und kråftigen Hülfta Mittel unſere Zuflucht nehmen. Ein Menſch , der fich nicht åbet Sim ebet , iſt ein bernunftlojes Zhier.
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36. Der böſe Feind fürchtet nicht ſo ſehr, über nichts wird er unwilliger , und nichts ſucht er mehr zu verhindern , als das Gebet. 37. Im Anfang , wann die Seele zu Gott bekehret wird ,
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pflegt die Brünftigkeit groß zu ſeyn ; darnach ſcheinet felbige allgemach zu finken , und als wann ſogar GOtt die Seele vers laſſen håtte. Man habe aber nur Geduld und halte feffen Fuß, es wird ſchon wieder kommen . 38. Das iſt eben kein Hochmuth , wann man wünſchet hela liger zu ſeyn als der allerbeſte; dann wünſchen heilig zu ſeyn , iſt ſo viel als wünſchen GOtt zu lieben und zu ehren über alles . Ein ſolcher Wunſch und Verlangen folte ſich billig , wann es möglich wäre , unendlich erſtređen , weil GOtt'unendlicher Eh . re würdig iſt , ſo wie er auch unendlich iſt in ſeinen Polkoms menbeiten . 39. Um wohl feſt zu ſtehen im Guten und im Dienſt Goto tes, iſt ein guter Umgang fehr nüßlich , und oft nöthig . , 40. Wann eine Verſuchung vorüber iſt, muß man von hins ten nach nicht wiſſen wollen , ob man in das Böſe eingewillis get habe oder nicht ; weil dadurd ), ſonderlich die fleiſchliche Vers ſuchungen , nur zurůd gerufen und genähret werden . 41. Eine fróliche Munterkeit iſt einem Diener GOttes gut ; man muß aber alle Ungezogenheit dabey verhüten , und ſich ja vom Poſſen : Geiſt nicht hinreiſſen laſſen.
Dien welche an Pola
ſen und unordentlichem Weſen ihren Gefallen haben , die machen 3 fico
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fich auf immerdar des Geiftes GOtteb unfähig , und wo fic was Gutes haben , ſo werden ſie es gar bald verlieren . 42. Damit man von dem Leſen geiftlicher Bücher rechten Nußen habe , ſo muß man ſie nicht aus Vorwitz und übereilt, ſondern allgemach und mit Bedacht leſen .
Såhlt man ſich dann
gerührt , oder wird man zur Andacht bewogen , da rol man nicht weiter leſen , ſondern das Buch zuthun , fille halten , und dem Geiſt der Andacht Raum laſſen . 43. Wann einer in verdrieblicher oder übel beſtellter Faſſung iſt, und ſeine ſinnliche verkehrte Neigungen und Begierden ſich erregen , ſo muß er ja den Muth nicht verlieren : dann wana Gott willens iſt uns eine Tugend zu ſchenken , dann pflegt er und vorher durch die gegenſeitige Untugend verſuchen zu laſſen , damit wir durch Streit und Gegenſtand der Zugend fåhig werden . 44. Wer noch in ſeinem
Eifer und geiſlichem Leben ein
Neuling iſt , der unterwinde ſich doch nicht, andere bekehren zu wollen ; er ſorge nur , daß er erſt ſelbſt befeſtiget und ſtare werde in den Verſuchungen ; er demüthige fidh fein , und glaube doch nicht , daß er was groſſes ausgerichtet habe , damit ihn der Hochmuth nicht erhaſche. 45. Ein Diener GOttes muß eben ſo gelafſen ſeyn , die Ofttliche Süßigkeiten und Tröſtungen zu ſchmåden , als ſolche zu entbehren ; und eben ſo bereit und wilig zur Freude , als zur Draurigkeit.
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