Johann Valentin Andreae - Dichtungen zur Beherzigung unsers Zeitalters, 1786

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Beherzigung unſers Zeitalters.

Mit einer Vorrede

von

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HER DE R.

Leipzig bey Georg. Joach. Göſchen. 1786.


1

!

BIBLIOTHECA

REGIA MONACENSIS .


1

Ein Brief an den Ueberſetzer:

orgen Sor gen Sie nicht,

m . H.,

daſs Ihre

Ueberſetzung der Apologen des Ver: dienſtvollen dreä

dem

Weg trete ,

Johann Valentin An kleinen Denkinal das ich

ihm

Schriften zugeſagt habe.

aus

in

den

ſeinen

In keiner an

dern Abſicht geſchahe es , daſs ich ſein Andenken aufzufriſchen ſuchte und das her Gedichte , Fabeln , Geſpräche von ihm hic und da ausſtreuete, als daſs die Aufmerkſamkeit guter Menſchen auf ihn gerichtet werden , und auch unfre Zeit den Mann kennen möchte, der in ſeinem Jahrhundert wie eine Roſe unter Dornen blühte.

Es kann mir alſo nicht anders,

als herzlich lieb ſeyn , wenn ein andrer thut


İV thut , was ich noch niclit thun konnte : denn die Zeit zu dem ichs im

Sinne hatte ,

Denkmal, vie

iſt noch nicht da

und jede Bekanntınachung mit dem Geiſt des liebenswürdigen Mannes arbeitet die fer wünſchenswerthen Zeit vor. Noch mehr freuete es mich aber , da, ich aus den erſten ſechs gedruckten Bo gen Ihrer Ueberſetzung ſah , daſs Sie den kühnen , menſchenfreundlichen Gedan ken gefaſst hatten , Ihren Autor nicht nur unſrer Zeit , ſondern auch für un fre Zeit zu geben, ihn derſelben durch Auswahl und Umkleidung ſeiner ſchön . Iten Stücke gleichſam zuzueignen , wie ſie ihn ſehen könnte und brau chen ſollte .

Valentin Andreä zu überſetzen, iſt wahrlich keine Kleinigkeit , und ich wüſste beinah keinen alten Schriftſteller,

der


V der dem

Veberſetzenden hie

und

da

fchwerere Arbeit machte , Seine Schreib . art iſt ein feines Gewebe von Anſpielun gen , theils auf Bücher, die er las, theils auf Geſchäfte, die er ſah und trieb, theils

1 auf Charaktere und den geheimen Geiſt feiner Zeit , den er durchſchauend kannte .

Wie es nun viel leichter ift,

allgemeine Wahrheiten und Speculatio nen , die vielleicht eben deſswegen für alle Zeiten zu ſeyn ſcheinen , weil ſie für keine recht ſind , als jene feinen , in dividuellen Beobachtungen ans Licht zu ſtellen ,

die aus dem innerſten Gefühl ,

aus anſchauender Betrachtung des Geiſtes der Dinge um

uns her entſpringen : ſo

wird dieſe Arbeit noch ſchwerer in der Manier , Alles wird Dichtung:

die bei

Andreä

wählte.

ihm Einkleidung und

ſein Witz. triſt fein , a 3

aber auch


VI

auch flüchtig , wie der Sonnenſtral: das leichteſte Gewand iſt ſeinen ätheriſchen Geſtalten immer das liebſte.

So wenig

alſo das Erklären und Paraphraſiren feia ne Sache iſ : ſo wenig erlaubt ers ſeinem Ueberſetzer.

Dieſer muſs ſeiner Kunſt

nachbuhlen, eine finnreiche kleine Dich tung , die im ſchärfſten Uinriſſe gedacht iſt, ſeiner Zeit ſo anſchaulich zu machen , wie ſie auch ſelbſt in den Zeiten Andrea's es vielleicht nur für wenige

war und

ſeyn ſollte.

Ueberdem lebte Andreä in Zeiten , die vom gothiſchen Geſchmack

nicht

frei waren , ja in denen ſich dieſer Ge. ſchmack eben auf die verführendfte Art zeigte.

Die neueren Sprachen , deren

Lectiire er vorzüglich liebte , waren die Italiäniſche und Spaniſche ; die

berühmteſten

.

gerade aber

Schriftſteller

dieſer Spra.

1


VIL Sprachen floſſen damals von dem füſſen Schaum über , der der Geſchmack des fiebzehenten Jahrhunderts heiſſen könna te und ihm allein eigen bleiben 'möge, von dem alſo auch unfer Andreä nicht ganz

frei war .

Sie müſſen es beim Ue.

berſetzen oft gefühlt haben , wie manche Feinheiten feines Styls kleine Subtilitäa ten ,

überladende

Putzwerke

verden .

Seine Manier iſt ſinnreich : er fage init wenigen viel , er will aber in dem Um riſs einer engen Einkleidung mit zu we nigen zu viel ſagen und da die ein kleidenden Schriftchen dieſer Art in ſeine jüngern Jahre fallen und fein geſchäftiger Geift nie die Muffe gewann , fie nach Regeln der alten griechiſchen oder rö miſchen Simplicität auszufeilen ; freilich ſo ſtehen feine Geſpräche in Abſicht des Reinigkeit des Styls hinter Erasmus Gew ą 4

fprä


VILY

ſprächen , ſeine Apologen hinter Ochins Apologen , ſo hoch er ſich übrigens in ſcharfſinnigen , feinen Witz ,

infonders

heit über den letzten emporſchwingt. Ein Ueberſetzer für unſere Zeit ſieht ſich alſo in einer Verlegenheit , deren Mühe die wenigfen Leſer erkennen oder ihm verdanken.

Er will das fchöne Blumen ..

und Rankenwerk nicht verfchneiden und muſs es doch , wenn Andreä für uns lesbar werden ſoll ;

und doch muſs er

es immer nur fo fern , daſs das ſchöne lebendige Gewächs nicht nur nichts von ſeinem ganzen Wuchs verliere , ſondern auch unſern Augen da ſtehe, als ob es

1 vor ihnen entſproſſen wäre.

Wenn hie

zu nicht ein treffendes Auge und eine leichte

glückliche

Hand

gehören ,

ſo

wüſte ich nicht , wozu ſie gehören foll ten ; denn den Andreä wie er iſt , mit

jedem


jedem Kleinften feiner veralteten Zeita umſtände mit

jedem Spröſsling feines

Witzes und Styls in unſre Sprache zu bringen , hieſse eben ſo viel als ſeine begraben . Wahrheit * )

mit alle

dem Moder ans Licht zu führen , vomit ihre Zeit die Unverwesliche bedeckte. ' Um fo mehr alſo , m , H. , vird Ihnen jeder Verſtändige danken , daſs Sie ein Gärtchen voll ſchöner , aber hie und da zu üppiger Pflanzen eines vorigen Jahr, hunderts in das unſrige init vorſichtiger Gärtnerhand zu verpflanzen ſuchten , ja den ſchönſten Lohn hierüber wird Ihnen die überwundene Mühe und der erquis ckende Wohlgeruch der Blumen ſelbſt gewährt haben .

Wahrlich , Andreä ilt

ein ſeltner und lieber Geiſt, ſowohl am Verſtande als am

Herzen ,

Seine Organis

as * ) 5. 5. dieſer Ueberſetzung.

fatian


fation muſs ſo fein geweſen ſeyn , wie fein moraliſcher Sinn es iſt : denn ſein Witz ,

ſeine Bemerkungen , die ganze

Richtung ſeiner Empfindungen im Leide und in der Freude , felbft ſeine ſchärfſteir Urtheile , ſeine bitterſte Satyre find alle , mal aufs feinſte moraliſch.

1

Der un.

ermeſsliche Vorrath von dem , was er vuſste , die ſonderbare Biegſamkeit fei nes Geiſłęs für alle Kunſt, für alles Wiſ ſenswürdige und

Schöne,

noch mehr

aber die zerſtreuende Geſchäftigkeit, in

1

der er lebte , ſein früher Zuſammenhang und Umgang mit ſo mancherlei Men

!

fchen , die die Gährung des vorigen Jahr hunderts hervorbrachte ; nichts von alle dieſem

1 1

konnte ihn von jenem Einen

Wahren entfernen ,

das allenthalben

1

der Geiſt feiner Schriften iſt und aus jeder

1 Einkleidung wie eine Blåthe emporſteigt. Der


Der Lefer , der Andreä nicht kennt, wird ihn aus Ihrer hiſtoriſchen Einlei. tung über ſein Leben kennen lernen und wenn er ein Mehreres begehrt , darf eſ nur zu dem Denkmal gehen , das ilım von der biedern Hand eines feiner pa . triotiſchen Landsleute im Wirtenbere giſchen Repertorium * ) iſt geſetzt worden .

Einen Mann , wie ihn , muſs

man zuerſt in ſeinem Leben kennen , elio man ihn in Schriften kennen lernt: deng überhaupt Schriften , folch ein verräthe, riſcher Spiegel fie für manchen ſind , zeis gen doch immer nur die Oberfläche uną fres Herzens und Geiſtes, Aber auch als Schriftſteller unfres

Vaterlandes verdient Andreä das Anden. ken und die Liebe ſeiner Nation vorſo vielen , die mit ihm lebten .

Thoma, fiusa

*) S. 374 u . f.


XII fius , jener helle Kopf, dem unſer Jahr hundert mehr ſchuldig iſt ,

als manche

és glauben , theilt den Inhalt einiger ſei. ner Schriften ziemlich ausführlich und mit der theilnehmenden Wärme mit, die völlig zeigt , daſs er ihren Werth fühl. te ; *)

aber es war doch nur ein Auszug.

Arnold pries ilin nach ſeiner Weile an und nutzte im Artikel von den Roſen kreuzern die Nachrichten , die ihm Tho . mafius mittheilte ; vurde Andreä

** )

dadurch

aber

noch mehr verdächtig.

.

Fiſchlin hatte ihn unter einen Haufen andrer, zum Theil ihm ſehr unähnlis 1 cher Theologen zum zweiten mal begra ben .

1 1

* ) Summariſche Nachrichten von erleſenen Büchern der Thomaſiſchen Bibliothek

Halle 1715. 1716 . ** ) Thomaſii Cautelen für einen Studiofum juris S. 324.

1 1


XIII

ben . * ) feinem

Weismann gab Auszüge aus Leben und

beklagets , daſs die

Ausgabe ſeiner Schriften , an welcher der Abbt Zeller mit vieler Sorgfalt gear beitet hatte , nicht zu Stande gekommen ſei.** ) In der Streitſache über die Roſen: kreuzer geſchah Seiner hie und da, rechts und links Erwähnung und ich weiſs, daſs eben auch daher in den neueren Zeiten mancher Verſtändige neugierig geworden iſt, den merkwürdigen Mann aus feinen Schriften felbft kennen zu ler nen.

Auſſer dem aber und was etwa ich

hie und da ausgeſtreuet habe, iſt er un frer neueren leſenden Nation , die ſicli um lateiniſche Schriften ſchwerlich be. kümmert , ſo gut als unbekannt geblie. ben : * ) Memor . Theolog. Wirtenberg. P. II.

p. 129. ** ) Hift. Ecclef. T. II, p. 932 feq.


XIV ben : denn es ſcheint Einmal der Deuts ſchen Natur zu ſeyn, daſs ſie ihre eignen Schätze nicht achten. Doch warum , i . H. , ſollten wir dies glauben und nicht vielmehr der be fchcidnen Vergeſslichkeit unſrer Landes: Icute 'entgegen arbeiten , wo ſie ihneri felbft fchaden könnte ? Valentin An drcä gehört ſo eigentlich für unſre Zeit; daſs ich ir Vielem , Vielem

ihr jetzt einen

Andreä wünſchte.

Unläugbar haben

ſich zwar feit

Jahrhunderte die

einem

1 Stralen der Aufklärung fehr vermehrt : einzelne Menſchen in allen Ständen den ken gut und fein und vernünftig ;

das

alte Gerüſt aber von Vorurtheilen ; voi Miſsbräuchen und Verderbnillen in allen Geſchäften und Ständen fiehet in vielen Ländern

und

Provinzen

Deutſchlands

noch ſo da , wie es zu des guten Andreä Leia


XV 1

Zeiten da ſtand !

Die öffentlichen Ein:

richtungen ſowohl in der Kirche als im Staat, die Verwaltung oder Veruntreuung der Wiſſenſchaften und Geſchäfte iſt in hundert Sachen noch eben jene , die ihm von Jugend auf leid that und zuletzt das Herz fraſs:

Ja endlich die Gährung

ſelbſt , in der fein Zeitalter war , hat ſie nicht mit der unſern eine auffallende Aehnlichkeit und Gleichheit ? Nicht nur, daſs hundert Sekten ,

inſonderheit die

Roſenkreuzer damals ihr Gewerbe trie : ben, ( mit welchen letztern er wenigſtens in dem Verhältniſſe ſtand , daſs beinah keine ſeiner Schriften mir vorgekommen iſt, in der er ihrer nicht; hoffend , ſpota tend oder warnend gedächte :) nicht nur dieſe gährenden Sekten ſelbſt , ſondern auch die unſichtbare Hand,

die

fie damals führte , find ſeiner und unſrer


XVI vrfrer

Zeit

Thurm

gemein : : ſo

daſs

ſein

zu Bábel ; ſeine Warnung

vor der Neugierde,

ſeine magi

ſche Unterweiſung für Neugie. rige , ſein turbo und ſo manche andre ſeiner Einkleidungen wahre Arznei für die geheimen Wunden unſrer Zeit wä . ren , wenn eine geſchickte Hand ſie mit Andreas Geiſt , Witz und Zeitenkunde für uns zuzubereiten wüſste.

Ich will

1 nicht läugnen , daſs ich , ſo wenig ichi mir dieſe Gaben zutraue , mit meinem verſprochenen Denkmal auch dahin aus. ging ; aber die Gährung iſt , wie mich dünkt, noch nicht reif ,

und wer hat

inich endlich zu einem Geſchäft beru. fen , zu dem ich viel rüſtigere Werkzeu: ge vor mir ſehe ? Indeffen kann ich imeinen Brief nicht ſchlieffen , ohne auf die Stelle Rückſicht zu


XVII

zu nehmen , da Sie der Unſchuld Ihres Autors an der Roſenkreuzerei erwähnen . Meine Meinung , |

die ich darüber im

Teutſchen Merkur ( März 1782. ) | nur ſo fern es die Veranlaſſung foderte, beiläufig äuſserte, hat im Wirtenberg. fchen Repertorium einen doppelten Widerſpruch gefunden , der ſich ſelbst ſo aufzuheben ſcheinet: daſs meine Mei nung in der Mitte ſtehen bleibet. ruhmwürdige

Verfaſſer

der

Der

Lebensbe

ſchreibung unſers Andreä glaubt , daſs ich ihm nicht gnug Antheil an dieſer Verbindung einräume; der Verfaſſer ei ner

neuen

Erläuterung der Ge

ſchichte der Roſenkreuzer * ) be hauptet gegentheils, daſs ich und andre ihm viel zu yiel eingeräumt haben ,

da * ) Wirtenberg. Repertor. S. 512 u . f b


XVIII

da er auch nicht einmal der Urheber der beriichtigten fama fraternitatis ſei, die damals fo vielen Lärm erregte. Daſs er der Verfaſſer dieſer fama ſei, glaube ich noch jetzt und hoffc es einmal aus ſeinen eignen Aeuſſerungen ſo wahrſcheinlich zu machen , als irgend etwas der Art ge macht werden kann . Daſs die ihr bei. gefügte Reformation der Welt aus Boc calini ſei, wuſte ich ſchon damals , fo wie ich aucli alle die Schriften der Ro fenkreuzer kannte , die der ungenannte

Verfaſſer Aber

was

Erläuterung anführt . * ) hindert uns Boccalini ?

der

Kein damals lebender Autor hat ſo viel Einfluſs auf die Manier unſers Andreä gehabt, als eben Er ; und die ganze My tho * ) Auch die meiſten der andern literari.

fchen Muthmaailungen find mir aus Fifchlin u. a . wohl bekannt geweſen ,


XIX

thologia Chriſtiana , aus der Sie , i . H. Ihre Apologen überſetzten, hat nicht, wie Sie meynen , mit Zwingers theatro hu manat vitae , Boccalini

aber wohl ragguagli

mit des

di

Parna

1 fo * ) die unverkennbarſte Aehnlichkeit ; ſo unverkennbar , daſs ich dem Andrea oft, ſehr oft ein reineres Vorbild gegönnt habe . Vergleichen Sie die Manier beider Schriften und es wird Ihnen kein Zwei. fel bleiben .

Gerade alſo, daſs jener An

hang der fama ein überſetztes Stück aus Boccalini iſt , könnte uns auf Andreä bringen ,

wenn uns auch keine andre

Gründe darauf brächten : denn eben die Stelle , aus welcher der Verfaller der neuen

Erläuterung

b 2

ſeine

Entde ckung ,

* ) Der erſte Theil der Ragguagli iſt 1612 . dem Cardinal Borgheſe, der zweite Theil 1613. dem Cardinal Cajetano zugeeignet.


XX

ckung , daſs die Reformation

der

Welt * ) aus Boccalini überſetzt ſei, her hat ; von wem iſt ſie ?

Von An .

dreäs gröſseſtem litterariſchen Freunde Chriſtoph Beſold .

Der iſt der Her

ausgeber von Campanella's Spaniſcher Monarchie (Tübing . 1624.) Der muſs te es alſo wohl wiſſen ,

woher jenes

Stück fei ? und was es bedeute ? ſpricht

darüber

Und er

gerade wie

Andreä ,

gleichſam aus ſeinem Munde.

„ Als fol.

,, ches Phantasma ( die Brüderſchaft der „ Roſenkreuzer)

kaum

ausgeſchloffen

„ var , ohngeacht auch deren Fama und „ Confeflio in vielen unterſchiedlichen „ Orten

klärlich

bezeuget ,

„ diefes alles ein ' luſus

daſs

ingenii

„ nimium laſcivientis gewelen u f.“ Dies Ingenium laſciviens kannte Befold wohl: denn es lebte nahe bei ihm . Uebri. *) Wirtemb . Repert. S. 5 ! 2. tl. f.

1 1


XXI

Uebrigens hat niemand in der Welt gezweifelt, daſs auch ſchon vor Andrea das Kreuz und die Roſe beliebte Sym. hole geweſen ; * ) niemand hat gezwei. felt, daſs lange vor ihm es ein Gewirr von Sekten gegeben , mit welchem ſich ja ein groſser Theil der Literargeſchichte des XVI und XVII . Jahrhunderts beſchäf. tigt , die Frage aber iſt, woher machte eben um dieſe Zeit dies Phantasma, die.. ſer Name auf einmal ſo viel Bewegung ? Wer wars, der den unſchuldigen Jugend roinan V. Andreäs, Chriſtian Roſen . kreuz ſein unſchuldiges Familien - Pet ſchaft und die fama zum Aushängeſchild eines ſolchen Lärms und ſo manches be trügenden Wahnes machte ? Hätten wir aus Andreä Papieren das geheime , treue b 3

Jour

* ) Ich habe dieſes in gedachten Briefen im T. Merkur deutlich geſaget.


XXII Journal feiner Reiſen ein

( wenn er

folches geführet) und dieſes zwar

von 1607. an , da er in Lauingen unfern Dillingen var , bis 1612 . da er in Italien auf einmal das feierliche Gelübde Haufe zu Kirche

that ,

nach

eilen und ſich ſeiner

in den

Arm

zu werfen :

freilich ſo wüſten wir von feinen gehei. men Verbindungen oder Nicht- Verbin dungen mehr als wir jetzt wiſſen und es vürde ſich manches aufklären , was jetzt nur im

Nebel durchſcheinet.

Das Phä

nomenon der Roſenkreuzerei aber im grofsen Ganzen diefes Zeitrauins klärte fich damit noch nicht auf : denn offenbar var dabei eine viel gröſsere 'Triebfeder rege.

Jene Triebfeder näin

lich , die feit der Reformation , inſonder heit aber zu Anfange des vorigen Jaðr hun


XXIII hunderts

ſo auſserordentlich

wirkſam

var , daſs ſowohl im Staat als in der Kirche , an Höfen und in den Wiſſen fchaften fie auch dem fumpfften Auge des Geſchichtforſchers dieſer Zeit unver kenubar bleibet , jene unſichtbare Hand , die ſo gern im fymboliſchen Nebel wir . ket , die die verſchiedenſten Menſchen mit ihrem eignen Wahn betäubt und zu dieſer Abſicht das Verſchiedenſte zu ge brauchen wuſste ; ſie wuſte auch die fa ma fraternitatis und den unſchuldigen Chriſtian Roſenkreuz zu ihrem Zweck zu gebrauchen und dem guten Andrea blieb nichts übrig , als in hundert und Einkleidungen

abermals

hundert

Welt zu

ſagen , daſs ſie betrogen

werde.

Merkwürdig, äuſserſt merk

der

würdig iſt in dieſer Rückſichtdas Titel kupfer

ſeiner Apologen ,

b4

für den näm


XXIV

nämlich, der dieſe Symbole verſteht und in andern Verbindungen

fie

kennet.

Sa pienti ſat. Ich wünſche, m. H. , daſs Ihnen zu den

übrigen

Schriften

des

redlichen,

mürbe gemachten Andreä bald ein Ueber ſetzer folge, der daraus gebe , was für unfre Zeit dienet ; noch mehr aber wünſchte ich mir den Vorrath aller , in. ſonderheit

jugendlichen

Briefſchaften

Papiere

unſers Autors ,

die

und aber

längſt verlohren oder vertilgt ſeyn mö gen .

Weimar , den 5 Mai 1786.

J. G. Herder.

Einige


Einige Nachrichten von Andrea und der Bearbeitung der Apologen

En Andreä den Leſern bekannt iſt , darf ich nicht vermuthen , daſs fie ihn in ſo aufmerk . ſam betrachten ſollten , als es der groſse bie dre Mann verdient, Dieſer Aufſatz iſt daher zunächft für die Leſer ſeiner Apologen be ftimmt. Ich betrachte ihn hier nur als Schrift. fteller , ungeachtet ich weiſs , daſs er weit mehr als das war. Schriftſtellerei diente ihin nur als Mittel zu ſeinen höhern Zwecken, war ihm nicht eigentlich Zweck. Die Pe. riode derſelben dauerte bis 1620 , ein Jahr nach der Erſcheinung ſeiner Apologen , und ſo weit gehn meine ausführliche Nachrichten . Das wenige von da an bis zu ſeinem Tode, ſchrieb ich für die, welche ihn vielleicht noch gar bs


XXVI

gar nicht kennen. Eine tref'liche Quelle aus der ich für den Verſuch einer Geſchichte fei ner Bildung zum Schriftfteller faſt alles ſchöpf te , war ſeine handſchriftlich hinterlaſsne Le bensbeſchreibung, deren Gebrauch ich der zit vorkommenden Güte des Herrn Generalſuper. intendent Herders zu danken habe. Sic ift ruir die eigentliche Geſchichte feines Geiftes zwar minder reich als man wünſchen könnte , ent: hält aber doch viele zerfireute Data von Be lang .

Der erſte Entwurf davon ward zwi

fchen 1614. 1620. verfertigt; nachher ſcheint er fie periodenweiſe, dann nach Jahren , zii letzt nach Halbjahren fortgeführt zu haben . Sie geht bis nabi an ſeinen Tod.

Der eigentli.

che Zweck bey ihrer Abfaſſung war eine Dar ſtellung ſeines abwechſelnden Schickſals in bürgerlichen Verhältniffen und Rettung ſeiner Rechtgläubigkeit.

Von 1620. an benutzte

ich vorzüglich, ( Herrn Peterſens) Leben Joh . Val. Andreas in zweiten Stück des zu früh unterbrochenen

Wirtenbergiſchen Reperto riums S. 274–385. bei dem die Vita mann fcripta


XXVII

fcripta gleichfalls zum Grunde liegt .

Das

Verzeichniſs von Andracäs Schriften zwiſchen 1614–1620. iſt aus Arnolds Kirchen- und Ketzer - Hiftorie und der kritiſchen Bibliothek (Leipzig 1749. )

1. Band S. 153-176 . 24

fainmengetragen . Grad jetzt vor zweihundert Jahren ( den 17 Aug. 1586.) ward der Mann geboren , der auch ohne die Bildung unſers Zeitalters ge noffen zu haben , als Menſch und Gelehrter keinem von den erſten groſsen Männern der lieuern Zeit weit nachſteht. Sein Vater Johann Andrei, ein Sohn des aus der Concordiengeſchichte berühmten Ja cob Andrea , war damals Prediger zu Herren berg in Wirtembergiſchen und ſtarb nachher als Abt zu Königsbrunn.

Das erſte wohl.

thätige Geſchenk der Vorſchung für ſeinen Geift erhielt Tohann Valentin an der überaus feinen Organiſation des Körpers.

Daher ent

wickelten fich bei ihm ſpäter als bei gewöhn . Jichen Kindern die thieriſchen Kräfte des Men fchen.

Im zweiten Jahre erft komte er auf den


XXVII ! den Füſſen ftehn .

Aber früher auch und in

einem höhern Grade äuſſerte ſich die Lebhaf, tigkeit ſeines Geiſtes.

Zeitig hatten ihn des.

wegen Erwachsne gern um fich ; und zwar Männer von Jalıren und Geſchäften ; aus deren täglichen Umgange der Knabe gewiſs eben fo viel mittelbaren Vortheil erhielt, als ſie uni mittelbares Vergnügen an ihm

hatten .

Im

fünften jahre kam er mit ſeinem Vater nach Königsbrunn. Schon in Herrenberg hatte er einen Lehrer gehabt . Es war ein guter Mann “ iſt alles, was der ſonſt ſo dankbare

1

Schüler von ihm zu rühmen weiſs.--- Jetzt er. hielt er, theils fuir den öffentlichen theils für den häuslichen Unterricht, in kurzer Zeit ſechs Lehrer hintereinander. An keinem von ih nen gewann er etwas, als in ſo fern jeder ein neuer war . Sein Geift ward durch ſie nicht ſo weit gebracht als er fähig war ; die Ah. wechſelung aber verhinderte wenigſtens doch, daſs er nicht ganz ftill ſtand. Ungleich mehr, ihn in Thätigkeit zu erhalten, trug wahrſchein lich ſein täglicher Gefellſchafter bei , Iohann Stäud .

}


XXIX Staudlin den Andreas Eltern als einen Waiſen mit ihren Kindern erzogen. Er war uin zwei Jahr jünger als Valentin ; von ſehr anfgeweck tem Geiſt, immer heiter und von ausgezeichne . ten Talenten, die ihn in der Folge blofs des wegen nicht hoben, weil er zu raſch empor wollte. Sein Thätigkeit ward Unruhe und jene Kräfte rieben fich umſonſt ab . Ein jun ger Arzt , Johann Hartig , den der Abt als Hausmedicus

und Hauslehrer zugleich auf

nahm , war der erſte wahre Lehrer andre is. Mit einem liebenswürdigen Enthuſiasmus be kennt dieſer, ihm faſt alles ſchuldig zu ſeyn . Er beſchreibt zwar die Methode deſſelben nicht genauer ; aus der Art aber, wie Andreä nun bald vor fich zu ftudiren anfieng , ergiebt fich's, daſs es keine alltägliche ſeyn konnte. Er

1

fieng nun an , fich mit der Lectüre zu beſchäfti. gen . Schon jetzt entſtand ſeine Vertraulichkeit mit Erasinus und Frifchlin , und ihre fatyriſchen Schriften hatten für ihn gewiſs alle Folgen ei. nes abſichtlichen Unterrichts ; fo wahrſchein lich es iſt, daſs bloſs dic Caterhaltung, die fie

ge

1


XXX

gewähren, ihn zu ihnen hinzog. Am fichtbar ften ift ihr Einfluſs in Andreäs Liebe zum Dia log und ſeiner Fertigkeit darin .

Um diefelbe

Zeit ( alles noch vor dein zwölften Jahre ) las er auch Livius Geſchichtbücher und Münſters Erdbeſchreibung ; und fié wurden das für den Gelehrten was jene für den künftigen Schrift feller waren . Frühe hiftoriſche Lectüre macht einen guten Kopf durch das lebhaftere Ideen {piel, das fie - veranlaſst, empfänglicher für Polyınathie , und durch die Menge von Gegen . ftänden, die ſie ihm nur im Halbdunkel zeigen kann , begieriger darnach . An den Hang zur Geſchichte, deflen Grundfäden in Andreas Ta . lenten lagen und durch die Befchäftigung mit Erastuus nothwendig ausgeſponnen werden muſsten , knüpfte ſich natürlich die Erdbe . fchreibung ; an dieſe, mit einem ihrer Enden die Mathematik .. Noch vor dem Tode ſei. nes Vaters, der 1601 erfolgte, hatte Andrea ſeinen Hartig verlohren. Er ſelbſt kam nun , zwiſchen dem vierzehnten und funfzehnten Jahr, mit der Mutter nach Tübingen , und ward


XXXI ward Student.

Hier war er ſo glücklich ,

nebit ſeinen Brüdern , Repetenten zu erhalten , deren Kenntniſſe und Liebe unr durch den Eifer, beide ihm ganz zu widinen , übertrof . fen werden konnten. Einer aus ihren beför derte vorzüglich ſeine Fortſchritte in der Ma. thematik .

Durch

dieſe ſchon vorbereitet ,

gewöhnte er, im Umgange mit dem Sohn ei. nes Stahlfabrikeninſpectors, namens Feſel, fei. nem wärmſten Buſenfreund, ſeinen Geſchinack nun um ſo eher an Aufmerkſamket für mecha niſche Arbeiten. Dieſe, vereinigt mit ſeiuein natürlichen feinen Gefuhl fürs Schöne , und durch nachherige zufällige Verhältniffe beför dert, leitete ihn in der Folge der Zeit auf jene auſſerordentliche Liebe zur Kunſt und zu Kunſtwerken überhaupt, vorzüglich zu Ge mälden , welche ihm vor ſeinen Zeitgenoffen ſo ausſchlieſslich eigen war und dieſen auch würklich an cinem Thcologen ſo ſehr Phäno men dünkte , daſs sie deren ſogar in ſeiner Grabſchrift erwähnen . Er machte ſich jetzt mit


XXXII mit Künſtlern aller Art bekannt und beſuchte ſehr fleiſsig ihre Werkſtätten .

Mit dem zweiten Jahre ſeines Tübingiſchen Aufenthalts, im ſechszehnten ſeines Alters fieng er an zu ſchreiben. Die erſten Ver . fuche waren zwei lateiniſche Schauſpiele : Die entferntere Eſther und Hyacinthus. Urſache,

warum er grad in dieſer Gattung

auftrat , liegt in der frühern Lectürc ;

die

nähere war , wie er ſagt: anglicorum hi. Beide Stücke übri. ftrionum aemulatio . gens find verlohren .

Hyacinth hatte aber noch den Beifall des Mannes . Reſultate ſei.

ner Beleſenheit und des genauern Nachden kens über manches vom Geleſenen varen : Julius, fiue de politia I. 3. und Judiciuin aftro . logicum contra aſtrologos. Schon jetzt hat ten ſeine Dichtungen einen höhern Zweck als bloſs das zu ſeyn, als bloſs zu unterhalten. Sie dienten von nun an faſt immer nur, ern. ftere Wahrheiten- nicht anzubringen beiher, fondern ganz eigentlich zu lehren. Schon jetzt

VSE


XXXIII verfertigte er die Chymifche Hochzeit, ungeachtet fie erſt 1612 im Druck erſchien. Er rechnet dieſe Schrift namentlich unter ſei . ne Jugendarbeiten vor 1605 in denen er fich feiner

mannichfachen

Lectüre

geſammelten

entledigt habe.

durch

die

Kenntniffe

Noch immer liebte er

Erasmus und Friſchlin ; verband aber nun da mit das Studium des Cicero und Salluſt ; über . hanpt

kritiſches

Studium

der lateiniſchen

Sprache. unter Anleitung von Briffon Turnen bus, Lambinus, Scaliger und Heinfius. Ein Ungefahr machte ihn jetzt auch mit Lipfius Werken bekannt.

Sie feſſelten ihn bald fo

ſehr , daſs er von nun an jedes Blatt dieſes Schriftſtellers, der ihm gefallen muſste, kaum daſs es erſchienen war, ſchon geleſen hatte,

„ Vielleicht hat mir Lipfius

den Styl verderbt eine ſehr gegründete Beſorgniſs !) aber den Vortheil hatt ich ,

daſs er inich mit dem Alter

chume bekannt machte , de : Sene ca und Tacitus fchätzen lehrte, und C


XXXIV und mich in eine männliche Philo fophie ein weihte" find Andreas eigne Worte. Und würklich bedurfte es für einen Jüngling , der als Jüngling ſchon und wie weit mehr

ch als Mann ſoviel für Sittlichkeit

that, einer Philoſophie, deren Würkungskreis fich über den Lehrfiuhl hinaus erſtreckte, die, ohne den Geiſt im ewigen Zirkel von Diſtin ctionen und Syllogismen abzuftumpfen , ihn zum Denken ausbildete und zugleich mit männlichem Eifer zum Handeln belebte. Auch die Dichter der Leſer hat ſie vielleicht ſchon vermiſst ?

1

alte und neue , hatte er

alle geleſen und las fie jetzt.

Er wundert

fich , daſs dem ungeachtet aus ihm kein Dich ter worden ſei; und wurklich ſcheint das fon derbar.

Talente befaſs er im hohen Grad.

Den Beweis davon ' giebt jedes ſeiner Wer ke. Bau' des Ganzen , Anordnung einzeler Theile , und Schmuck der Ausführung zeugen von viel umfaſsender Dichtkraft ,

üppigem

Reichthum an Ideen und pittoresker Aſſocia . tion derfelben. Einiger eigentlich poetiſchen

Ver

}


XXXV Verſuche, wie er im Chriftlich Gemäl und in Geiftlich Kurzweil geliefert hat zu geſchweigen . Warum er deſſen ungeach tet nicht mehr Dichter im engern Sinn war, davon lag ſonder Zweifel der Grund in der ſo eignen Lage .

Er gehörte in jene zweite Claſ

fe von Dichtergenies , welche die Anlage ha ben , es werden zu können und es gemçi niglich auch werden ,

ohne es werden zu

müſſen aus jenem innern unwiderſtehlichen Drange, der nur das Antheil ſehr weniger iſt. Durch die Wahl der Bücher zur erſten Lieb lingslectüre verbreitete fich die Theil. nehinung ſeines Geiftes zu früh und zu raft los über zu mancherlei Gegenſtände der würk lichen Welt , um nachher alle ſeine Schnell. kraft auf die ideale concentriren zu kön. nen . Schon war jene Anlage ohnehin ver theilt, und war ſie es auch noch nicht, ſo kam doch der thätige Jüngling , vom achtzehnten Jahre an , in zuviele beſchäftigende und zer ftreuende birgerliche Verhältniſſe , als daſs Muſse ihn zum Dichter hätte veranlarlén C 2 können .


XXXVI können .

Und veranlaſst muſs das Dichter

genie des zweiten Rangs werden , ſoll es fich An der Dichtkunft ausſchlieſslich widmen . gemeſsner der ſchon erhaltnen Richtung feines Geiftes , verträglicher mit den Plichten des handelnden Lebens und intereſſanter für ſeine fich ſchon äuſsernde Begierde , die Welt zu ſehn , war das unermüdete Studium der Ge. fchichtſchreiber und Geographen , beſonders der gleichzeitigen. Er nennt aus ihnen : Bem

1

bus, Jovius, Guiccardini , Sigonius ; Ortelius Theodor de Brys , Mercator , Merula und Thuanus. Letziern liebte er ſo ſehr, daſs er noch in ſpätern Jahren einen Auszug aus def fen

Geſchichte

unternahm .

Vorzüglichen

Fleiſs wendete er auf Zwingers Theatrum

1

huinanae vitae das ſeiner Neigung zur Men ſchenkunde und Geſchichte gleiche Nahrung gab.

Vielleicht ſteht dieſs Buch in einem nä:

hern Zuſammenhange mit der Mythologia chri ftiana. Auch ſeine mathematiſchen Kenntniſſe vervollkommte er immer mehr , unterſtützt mit Büchern, Inſtrumenten und Unterricht von ſeinen

1


XXXVII feinen Lehrern David Magirus und Johann Möftlin .

Ueberhaupt hatte er bei ihnen nicht

nur, ſondern auch bei andern angeſehnen Ge lehrten Tübingens freien Zutritt. Andreä verſtand franzöfiſch , italiäniſch und ſpaniſch und in allen drei Sprachen war Chriſtoph Be fold ein vornehmer und geſchmackvoller Ju rift ſein Lehrer geweſen . Derſelbe befaſs ei ne ſehr ſchöne Bibliothek , die vorzüglich an ausländiſchen Werken reich war ; und Andrea durfte fie brauchen wie ſeine eigne.

Johann

Lindanus, ein um der Religion willen ver triebner Niederländer leitete ihn in den hiſto. riſchen Studien .

Auf deflen Antrieb überſetze

te er verſchiedne hiſtoriſche Schriften ? auch cinige ernftere moraliſche. Letztere mochten , dem unbeſchadet, daſs er fie Uebungen im Styl nennt, mit dazu beitragen, ſeine bereits ſehr männliche Denkungsart iminer feſter zu ma chen . Man ſieht leicht, wie viele Zeit die ſe Beſchäftigungen allein , ſchon erforderten . Selbft ſoviel hätte er nicht thun können, wär es nicht auf Unkoften der Erholung, zu grof fem c 3


XXXVIII ſem Nachtheile für feine an ſich ſchwächliche Geſundheit geſchehn Den Tag über trieb er Wiſſenſchaften ; des Nachts las er , inſon derheit die Clafliker.

Eine Anftrengung , de

ren Folge keine gelindere ſeyn konnte , als daſs er fich blöde Augen und Schlafloſigkeit zuzog. Gleichwohl wurden nun ſeiner Ar. beiten noch inehr. Er unterrichtete ; theils weil ſeine ökonomiſchen Umſtände ihn dazıı nöthigten , theils von ſeinen Lehrern aufge. muntert , und aus Neigung . „ Auch lebte ich ſo ſtets

unter den Augen der Vorgeſetzten .“ Ein Zwang , deffen es

bei ihm nicht bedurft hätte ! Seine Mutter ſcheint immer für ſeine Sitten ungemeine Sorgfalt getragen zu haben . Und bei einem Jünglinge ,

der

im

ſechszehnten Jahre

den groſsen Gedanken einer Weltverbeſſerung ausbilden konnte , inuſste dieſe Sorgfalt fo wenig fruchtlos bleiben , daſs ſie ihn vielleicht zu ftreng machte .

Seiner vertrauten Freunde

waren wenige ; aber dieſe deſto inniger mit ihm

verbunden .

Ihre

gemeinſchaftlichen Ver :


XXXIX

Vergnügungen waren literariſch , oder fie blieben doch in den Zirkel des fillen häusli. chen Lebens eingeſchränkt. In fechs Jahren trank Andreä keinen Wein als bei ſeiner Mut ter ; und man erinnere fich an den Modeton jenes trunkenen Zeitalters .

Noch vor ſeinem

zwanzigſten Jahre erwarb er ſich ſchon 100 Fl . jährlich und unterſtützte damit feine Mut. ter.

Dieſe hatte ihm bereits , nach dem Ab

leben des Vaters , das Hausweſen anvertraut, funfzehn Jahr alt und und er war damals hatte ältere Geſchwiſter.

Ein Umſtand , der

den bewundernswürdigen jungen Gelehrten auch als Menſchen ſehr achtungswerth macht. Auch ward er in ganz Tübingen allgemein geliebt und hochgeſchätzt. Sein eigentlicher Zweck war , Prediger zu werden .. Er hatte ſeither unter Michael Schäfer Theologie ftu dirt, auch ſchon mehrmals und mit Beifall ge. predigt . Geſchicklichkeit und Gönner und die Verdienſte feines Grofsvaters lieſsen ihn daher eine ſehr baldige Verſorgung erwarten . Auch zeigten fich ichon vortheilhafte Ausſich ten C4


XL ten in der Nähe und

plötzlich verliefs

er jetzt Tübingen ; und gieng nach Strasburg , von da nach Baden . Seine Begierde die Welt zu fehn , mochte freilich etwas dazu beitragen ; aber ſie allein konnte das nicht veranlafsen ; warum wollte er fonft in Baden unter die Candidaten des Predigerames fich aufnehmen laffen . Die Hofa nung, verſorgt zu werden , hätte ihn zwar gewiſs nicht an Tübingen gefeſſelt; denn inan denke fich die Nebenbegrifie aus ; die in dem verſorgen für einen Geift von Andreas Edelmuthe liegen muſsten ; aber vertrieben von dort eben fo wenig. · Der Aufenthalt alla da ward ihm

unerträglich , weil er

von

feiner Achtung verloren hatte, wie und durch was fiir Veranlaſſung diefs geſchehen , kann man aus feiner Biographie nicht mit Gewiſs heit beſtiminen .

Seine Erwartungen täuſchten ihn zwar inck cr kain nach Tübingen zurück ; er verlieſs es aber fogleich wieder und beſuchte Frank . furt, Heydelberg , Maynz, Speyer and Worins ; Z!!

!


WL zu ungemeinem Vortheil für feine durch Stur diren und Krankheiten faſt zerrüttete Gefund . heit.

Eine Hofineifterftelle in Lauingen fixir

te ihn wieder. Er ſchrieb hier verſchiednes, unter andern einen Beweiſs fiir die Wahrheit der chriſtlichen Religion .

Seine Eleven gien.

gen in ihr Vaterland zurück ; er wollte nicht folgen , und ward in Tübingen von neuein Hofmeiſter, Schon in Lauingen hatte er mit einem Maler viel Uingang gehabt ; hier ſetz te er ihn mit Künſtlern andrer Art fort. Mu

fik diente ihm von nun an 'zur Erholung. Sei . ne Umftände waren nicht die beſten ; er er . hielt aber von einem Verwandten Unterfti . zuing ;

und zwar in Geſchenken für feine

ſchriftlichen Aufſätze , die er ihm mittheilen Unter andern verfertigte er jetzt muſste . einen Erziehungsroman Theodofius in zwei Büchern ; defien Verluſt um ſo mehr zu bedau ren iſt, da Andreä ſelbſt diefs Werk für ſeine beſte Jugendarbeit erkennt.

Nach und nach

hatte er ſich einiges Geld geſammelt, eine ein reiſsende Seuche gab ihm einen ſchicklichen Vor. c5


XLII Vorwand ſich zu entfernen ; und er trat nun ſeine erſte gröſsere Reiſe an . Sie gieng nach Frankreich über Ulm, Coſtanz, Bern , Freyburg, Lauſanne, Genf Mehr Einfluſs, als die ganze übrige Reiſe vielleicht, hatte für fein nachheri. ges Leben der Aufenthalt in Genf. Er trug gewiſs das meiſte zu den bittern Stunden bei, die Andrea als Religionslehrer hatte. Ein be trächtlicher Theil ſeiner Lieblingsgedanken -war hier in den ſtrengen öffentlichen Anſtal. ten für die Sittlichkeit der Bürger genau aus geführt. „ Ewig hätte mich die Gleich förmigkeit meiner Denkart an Genf gefeffelt , war's nicht die Religion der ich nicht ganz beiftiinmen konn te.

Wenigſtens beſtrebte ich mich

mit unermüdetem . Eifer in unfern Kirchen etwas ähnliches nachher

einzuführen“

Die Menge ſeiner Gegner,

·beſonders aus den höhern Ständen kann lei der als Beleg für die Wahrheit dieſer Verſiche rung gelten ! Von Genf gieng er , in Gefell ſchaft eines reformirten Geiſtlichen von vie ler

1


XLIII ler Sprachkenntniſs nach Lyon , von da nach Paris, ſo dann über Zürich und Baſel zurück nach Tubingen . Eine neue Verbindung als Hofineifter dafelbft brachte ihn in genauere Bekanntſchaft mit einem Profeſſor der Theo . logie Hafenreffer, der ihn das Lateiniſche und und Hebräiſche und Theile der angewandten Mathelis mit neuem Eifer 21 ftudiren veran laſste. Selbſt die Tiſchgeſpräche waren vor. bereitete literariſche Unterhaltungen . lin Jahr 1612 reiſete er nach Italien durch Oe ſterreich über Venedig . In Pavia und Verona verhielt er fich einige Zeit Studirens halber, reiſete auch nach Rom , aber die Hitze nöthig te ihn, fich von dort ſehr bald wieder zu ent fernen . Auf der Rückreiſe nach Hauſe ver. weilte er ſich bei einem Grafen von Oettingen , den er durch beigebrachte Liebe zu den Wif. ſenſchaften von ſeinen bisherigen Ausſchwei fungen abzog. Der Graf lag ihm ſehr an , die Theologie aufzugeben ; er miſsgönnte ihr vielleicht einen ſolchen Kopf. Aber vifonft ! Mit dem Vorſatze , fich ihr nun ganz zu wei. hen


XLIV

hen , kehrte A. in ſein Vaterland zuriick .

Er

machte dem Herzog ſeine Aufwartung. Auch dicfer aufferte ernftlich den Wunſch , ihn in Staatsſachen brauchen zu können , aber auch jetzt lehnte er dieſs ab ; und blieb Theolog. Dieſe Bcharrlichkeit iſt wirklich ſonderbar. Schwer konnte es einem jungen feurigen Manne von ſo viel Kenntniffen warlich nicht werden, fich in die Staatswiſſenſchaften über zu ſtudie ren, und der Gang ſeiner Thätigkeit war hier weit ungehinderter als dort.

Die Theologie

ſeiner Zeit hatte gerad alles , was ſeinen Geift und ſein Herz von ihr entfernen muſste ; ihre Speculationen waren äuſserſt unfruchtbar an Reſultaten von Werth, deſto crgiebiger aber ihr Feuereifer an literariſchen Scheiterhaufen für Andersdenkende . Von Lauingen aus hatte er um ein Predigeramt angeſucht, und den be ſcheid erhalten , er dürfe nie auf Verſorgung der Art im

Wirtembergiſchen hoffen.

allen ungeachtet wählte er

Dem

den geiſtlichen

Stand jezt noch zu dem Punkte , von wo aus er auf das Wohl der Menſchheit wirken woll.

1 1


XLV te . Und wahrſcheinlich deswegen , weil er da ain ficherften wirken zu können glaubte ; 1 vielleicht auch , um die Fehler der höhern Volksklaſſe mit inehrern Freimuth zu rügen. Andere Waffen ſind die der Buchſchreiber ; an dre die der Höflinge; welches die ſtumpferen ſind, liegt am Tage.

Auch hatte er eine zu

belehrende Erfahrung gehabt ; hatte

durch

widrige Zufälle zu reizbar für gewifie Leiden des Lebens werden müſſen , als daſs wir feine eigne Aeuſserung hierüber : „ Ich war des Irr diſchen überdrüſsig, nicht mit in Anſchlag brin gen ſollten. Ein in Italien gethanes Gelübde i iſt -- die letzte Urſache ſeiner Anhänglich . keit an's theologiſche Studiun. Er ward nun auf herzoglichen Befehl examinirt, und ſo zer ſtreut er durch ſeine Reiſen muſste geworden ſeyn , ſo ehrenvoll für ihn fiel doch das Zeug . niſs der Examinatoren aus; unter denen er nicht blos Freunde hatte.

Luthers Schriften

und die Patres wurden jetzt ſein vorzügliches Studiuin .

Auch ſchrieb er einen kurzen (ge

druckten ) Religionsbegriff, und predigte. Wie entfernt


XLVI

entfernt er aber ſich dabey immer von den Vorurtheilen ſeiner Zunftgenoflen hielt , be weiſst eine Anecdore, die man ſich vielleicht auch heut zu Tag noch mit Befremden erzäh len würde./ Der Candidat des Predigtamts gab jungen Adlichen öffentlich Stunde im Vol. tigiren , welches er in Pavia gelernt hatte. Ei. ner zieulich ſtarken Anzahl Freunden ertheilte er Unterricht in der Mathematik ; und er ſelbſt Jieſs ſich von einem Uhrinacher in ſeiner Kunft förmlich unterweiſen .

Da die Erwar

tungen auf ein Aint in Vaterlande noch immer ſo ungewiſs blieben , ſo war er fo eben im Begriff, auf Empfehlung eines Freundes zum Prinz Moritz von Oranien zu gebn , als er 1614 Diaconus in Vaihingen ward.

Er blieb

es bis 1620 . Dieſe feclus Iahre find Andreas eigentliche Schriftſtellerperiode.

Sein Aint gewährte ihm

Muſe ; und die Verhältniffe ſeiner Bürger ge. gen einander deren inelar als er wünſchte. Es herrſchte ſo groſse Zwietracht im Städtchen, daſs Andreä ſah , auch das wenige Gute , was fein


XLVII fein eingeſchränkterer Wirkungskreis ihm er . laubte zu ſtiften , werde unterdrückt. Han. deln konnte er jetzt alſo nur wenig in Gröf. fern, drum ſchrieb er und dieſs um deſto un erinüdeter .. Kein Tag ſei während dieſer Zeit vergangen , verſichert er, daſs er nicht gefchric, ben oder gebellert hätte ; und, auch ohne es von ihm ſelbſt zu wiſſen , würde man diefs vorausſetzen müſſen , um fich die Menge ſeiner jetzt erſchienenen Schriften erklären zu kön nen . Sie machen über die Hälfte von feinen übrigen aus, die über vierzig ſteigen . Unter ihnen iſt auch das Buch , aus dem gegenwär tige Dichtungen für unſer Zeitalter Einige Stellen in Herders Briefen über find das Studium der : Theologie veranlaſsten den Entſchluſs zu einer Auswahl aus dieſemn Buche. Es erſchien 1619 zu Strasburg unter dem

Titel : Mythologiae Chriſtianae , five Virtutum et Vitiorum vitae humanae ima, ginum Libri tres, und enthält ohne die erſte Vorrede 272 S. in 12. Jedes der drey Bücher beſteht aus zwei Manipulis , und der Manipus

lus


XLVIII lus enthält funfzig Apologos.

Iedem ' Buche

iſt ein längerer Auſſatz beygefügt Daher : Das Gericht des Phöbus *). Die Wahr heit im Exil und die Metamorphoſis habe ich weggelafion ; ſie wären für uns zu fremd ; dürften es auch wohl für den guten Geſchmack feyn . Voran bey jedem Buche ſteht eine eigne Dedication und Vorrede. Letztere beſtimmen den Gefichtspunkt des Schriftſtellers genauer und vertheidigen ſeine Manier , Sie enthala ten trefliche Stellen .

Der Inhalt der Sticke

felbſt iſt der mannigfaltigſte ; und verbreitet lich über alles faft , näher angeht.

was nur die Menſchheit

In der Religion dringt er auf

cin thätigeres Chriſtenthum , und ſucht den Eifer der Chriſten von dem unſeligen Schulge Länk ſeiner Zeit abzuleiten , auf die Befolgung des Beiſpiels , das uns der Stifrer unfrer Reli. gion lieſs. So ſtreng er in den Forderungen an die Sittlichkeit iſt, ſo duldfam zeigt er ſich gegen

*) Ich lieſs dieſs körnichte Stück , wie ich'3 fand, uin ſo eine Art von Eſprit d'Andreae zu liefern .


XLIX gegen beſcheidne Zweiflcr und Andersdenken Die Heuchelei geiſielt er ohne Schonung , und stellt fie in aller ihrer Schandblöſse dem

de.

öffentlichen Abſcheu dar.

Mit erſtaunenswur.

digem Muche rügt er den Despotismus der Fur ften, die falſche Staatskunit ihrer Diener, und die Ränkeſuche der Hoflinge.

Die Pedanterie

der Literatoren , ihre ſeichte Wortgelehrfamn . keit und ernfte Vorſtellung, die Wiflenſchaften doch wirdiger zu behandeln, iſt ein Hauptge genſtand Alchemie , Aftrologie , Myſtik und Sylbenſtecherei macht er lächerlich ; warnt vor dem Miſsbrauche der Polymachie und Dicht. kunft , und empfiehlt mit aller Warme eines vertrauten Freundes tieferes Studium der he bräiſchen und griechiſchen Sprache, Mathema. tik , Oekonomie , Phyfik ; überhaupt zweck Lieb mäſsigere Methoden in der Erziehung lingsideen , die er immer wieder in neuem Schinucke vorfuhrt , find : Theodicee uber das widrige Schickſal einzelner Menſchen ; Eh . renrettung der edlen Seelen , die an groſsen Unternebmungen ſcheiterten ; Vaterlandsgeift, am yernehmlichsten in den Ermahnungen, deut d ſcher


L ſcher Natur und Wahrheit treu zu bleiben ; Eintritt des Menfchen in die bürgerliche Geſell. fchaft, Abwege nach den verſchiednen Verhält niffen ,Elend und Rückkehr zum Glück ; Demuth und Gottergebenheit , oder, will man lieber Selbſtverläugnung und Reſignation in Morali. fchen , Literariſchen und Politiſchen , zum Beften des Ganzen und für eigne künftige Vollkoinmen heit.

Der Form nach könnte man ſeine Apolo

gos : hiſtoriſche Paramythien nennen . Gröſstentheils find ſeine Perſonen aus der ei. gentlichen Geſchichte genonimen , was er lie thumn läſst, iſt ihrem Charakter angepaſst , oft znn Theil ein würkliches Faktuın, nur (für's gegenwärtige Bedürfniſs modificirt.

Die Zu

ſammenſetzung der Stücke iſt zu eigen , um Claſification derſelben in eine bekannte Ruta brike zu erlauben ; und doch lich ſo ungleich , daſs ichs nicht wagen durfte , eine neue zu machen ; weil es viele Schwierigkeit gehabt haben würde, eine Theorie feftzuſetzen . Der Apolog ( dieſen Namen hätte ich gewählt , hätt' ich nicht dabei Undeutlichkeit für's groſse Pu blikum und die eigenmächtigen Theorien man .

chc


LI cher Kunſtrichter gefürchtet) liegt mitten inne zwiſchen Allegorie Fabel und Epigram , ſo daſs fein Gebiet in aller drei ihres mit eingreift. Einige find eigentliche Fabeln , manche profai fche Epigramme.

Der Ton

der

Erzählung

hat einen Anſtrich von ſchlichter Bonhomunic. Da fich dieſe aber felbft zu oft in Laune und Witz verliert , und das Geſagte in jenem

Ge

wand jezt zu alltäglich ſcheinen würde , ſo war ich nicht immer ängſtlich , ihn beizube halten . Die Mythologie ift Inbegriff aller fei. ner Betrachtungen über die Angelegenheiten der Men.chheit. Viele derfelben fuhrte er nachher in beſondern Schriften weiter aus. Ich habe den Geiſt der Mythologie darzuſtellen geſucht, und damit zugleich den ſeiner wich tigſten Schriften zum Theil dargeſtellt. Der cigentlich willenſchaftlichen find nur wenige. Die übrigen machen von ſelbſt zwei Gattun gen .

Es

find

Opfer der Freundſchaft und

Dankbarkeit dargebracht , und Geſchenke an die Menſcheit . Nie ſchrieb- vielleicht irgend ein Menſch ſo viel für feine Freunde, Apologien bei d 2


LII bei Lebzeiten und Ehrendenkmäler nach dem Tode.

Aber ich kenne auch keinen Men .

fchen in der Geſchichte , fuir den die Freund ſchaft überhaupt ,

mehr Bedurfniſs geweſen

wäre. Seine Lebensbeſchreibung beweiſst vielleicht durchaus nichts ſo ſtark als diefs.

Er macht ſichs zur Pflicht , uns in je.

dem ſeiner Verhältniſſe die Namen der Perſo nen, die er liebte , mit denen er wenigſtens freundſchaftlich umgieng , herzuerzählen ; und der Mann war mir nie intereſſanter als in den ſo langweilig ſcheinenden Namenliften . Auch da er nichts weiter ſchrieb , ſchrieb er noch auf ſeine Freunde. Sehr natürlich aber , daſs im Einzelen uns die zweite Gattung anzie hender ſeyn muſs. Schon ihre Titel geben viel Aufſchluſs über den Inhalt Ich ſetze ſie hier von denen aus dem

Vaihingiſchen Zeit

raume her. Sie ſind zum Theil weit älter ; aber jetzt erſchienen fie do h erft :

1614. Summa doctrinae Chriſtianae. 1615. Herculis Chriftianae luctae XXIV. Chriftianismus genuinus.

1616.


LIIT 1616. Theca gladii Spiritus

Chriftianopolis. 1617. Chymiſche Hochzeit Chriſtian Roſen creutz: Invitatio fraternitatis Chrifti ad Sa.

cri amoris candidatos . 1618. Invitationis ad fraternitatem Chrifti pårs altera paraenetica. Peregrini in patria Errores, Utopiae , Veri Chriſtianismi ſolidaeque Phi loſophiae libertas ac oppofitum ei mundi fervitium , icem Theolo. giae encomium Nazareno facrum

& bonae caufae fiducia . Menippus five dialogorum fatyrico rum centuria . Inanitatum noftra . tium ſpeculum , in Grammatico rum gratiain caftigatum . Cosmo poli. Menippus pofterior. 1619. Geiſtlich Kurzweil. Turris Babel , fiue judiciorum de fraternitate roſaceae crucis chaos. Civis Chriftianus , five peregrini quondam errantis reſtitutio, My. d 3


LIV Mythologia chriftiania : 1619. Reipublicae Chriftianopolitanae de.

fcriptio. 1619. Memorialia , Benevolentium honori amori & condolentiae data. Cosmoxeni genitura, 1612 , 1019 , 1906

Curiofitatis pernicies.

1

1620. Chriftianae focietatis idem , Chriftiani amoris dextera porrecta, Turbo, five molefte & fruftra per cuncta deſudans ingenium , in theatruni productum. iuxta Parnafſuin .

Helicone

Der Zweck derſelben war , wie ſchon ge. ſagt, Verbeſſerung der Erziehung im Morali ſchen und Literariſchen , chtes praktiſches Chriſtenthum in einer ſtrengen Sittenlehre , Mildchatigkeit insbeſondre und Abziehung von der Sinnlichkeit, Geiftesfreiheit und Abneigung gegen die ſchwärmeriſchen geheimen Geſell ſchatten fines Zeitalters, cindringlichſt zu em pfehlen .

Zwar thut er das ſehr oft gerade zu


LV

und mit hinreiffender Beredſamkeit; im Gan . zen aber bediente er ſich am öfterften und eben ſo glücklich der lachenden Laune und des bittern Spotts über die entgegengengeſetz ten Thorheiten . Er iſt der ſtärkſte Beweis, daſs Spott und Enthuſiasmus fich allerdings zuin Wohle der Menſchheit vereinen können . Er ſpottete ; und handelte dabei wärmer, als jene , die das ſo entſcheidend läugnen declamiren. Aber eben dieſer Ton war wahrſcheinlich zunächſt mit den kriegeriſchen Unruhen jener Periode, da eine Provinz nicht auf die andre würken konnte, weil Deuthſch land noch fich fremd war, und feine gemein ſchaftlichen Söhne nur durch Grauſamkeiten fich kennen lernten , Urſache von dem engbe. zirktern Würkungskreiſe des foraftlofen Schriftſtellers. Er hatte zwar Einfluſs ; reinc Schriften erregten Senſation und ſtifteten Gu tes ; fie bildeten den würdigen Pädagogen 'Amos Comnenius, aber immer würkten fie fiir ihre innre Kraft noch zu wenig. Und das lag, glaub' ich , in ihrer Manier. Ein Publicnm , das durch menſchenfreundlichen Spott geleitet wer d4


LVI werden ſoll, muſs ſchon auf einer hohen Stufe der Ausbildung ſtehn . Und Andreas Zeitalter war dieſsfalls nur fiir betäubende Schwärine. reien einer , der derbe Schwänke andrer Seits empfänglich . Und dieſe Andreä eigne, die Lehre der Wahrheit fo lebendig daritellende Manier gab . die Idee zuim Leſebuche für unſer Zeitalter, Meine Wahl fiel auf Stücke, die mir für paffend fchienen , und von denen ich hoffen konnte, fie dem Leſer geniesbar zu machen , denn oft konnt' ich ſeiner fehlerhaften Einkleidung durch keine Umkleidung einen Anftand ver ſchaffen .

Doch enthalten die Bruchſtucke das

vorzuglichfte aus der Art Apologen. Ich lie fere alſo keine Ueberſetzung , ( in der ſich , auch mein Autor kaum mit Vortheil würde zeigen können ) es ſind Andreas Gedanken in Andreas Manier, mit Abänderung des Anſtöf figen und Unverſtändlichen, dem ich durch Umarbeitung und Vergegenwärtigung der An. ſpielungen abzuhelfen geſucht habe. Mit wel chem Glück diefs geſchehen, muſs ich der Be. urtheilung eines billigen Publikums überlaflin , von


LVII von ihm erwarte ich die Entſcheidung, ob ich die eine nachfichtige Aufnahme hoffen darf Sürigfte, die ich erwarten kann , Unterſuchung , ob und in wiefern es ihm mit der Roſencreutzerei Ernft war, ge hört nicht in meinen Plan .

Und auch dann

würde ich ſie zu vermeiden geſucht haben . Der Streit darüber iſt zwiſchen zu competen ten Richtern gefuhrt worden, als daſs ich Par tei nehmen durfte ; zumal da ich mit der Sa che ſelbſt zu wenig bekannt bin . Nach meiner jetzigen Ueberzeugung aber iſt er ganz una" fchuldig. Meine Gründe ſind : Andreä ſchrieb die Chymiſche Hochzeit im funfzehnten Jahr ; ſeine Reiſen waren für Ordensreiſen zu Auch tig ; von der Fama hat er ſich feierlich losge • ſagt, auch in ſeiner Biographie findet man kei ne Spur geheimer Ablichten , wer daher das Gegentheil glaubt , wird mir- es verzeihen, das ich um Andräcs edlen freien Charakter willen ſeiner Meinung noch nicht beitrete. Unter raſtloſem Beſtreben, etwas für die Glückſeligkeit ſeiner Brüder zu thun , hatte der chrwürdige Mann nun fechs Jahre in Va . chin. ds


LVIII chingen gelebt. In ſeinem vier und dreiſsigſten Jahre ward er 1620 Superintendent in Calw. Nun verdunkelt der Glanz des handelnden Mannes den Schriftfteller.

Hier iſt mein Ziel

und ich lege die Feder -nieder; aus Eliro furcht ; - von jetzt an könnte ich noch weni ger als feither ihn ſeiner würdig ſchildern aber traurig über mein Selbſtgefühl der Schwäche bei ſo vielem Eifer des Willens, auch andern fühlen zu laſsen , was ich fühlte, als ich ihnin feinen Thaten und Leiden bis ans Grab hin begleitete, und meine Würde als Menſch ſo innig empfand. Einige lefer kennen ihn vielleicht aber gar nicht.

Für dieſe ſeien dieſe we.'

nigen einzelen Züge. In Calw blieb er neuuzehn Jahr.

Er ftif

tete hier eine Societas Chriſtiana ; die den Na. men des Färbergeſtifts führt.

Es wurde aus

milden Beiträgen der Bürger ein Capital ge. fammelt, von deffen Zinſen ficifsige Handwer ker unterſtützt, Arme Kranke und Gebrech liche Verpflegt, dürftige Studirende unterſtüzt und

eine Stadtbibliothek

errichtet

ward.

Durch Klugheit und rafloſen Eifer vermehrte er


LIX er es ſo ſehr, daſs, fo fürchterlich die allge meine Theurung w r,welcheder dreiſsigjährige Krieg bald veranlaſste , er dennoch nicht bloſs den Armen ſeiner Stadt, ſondern auch fremden Nothleidenden helfen konnte. Eine Menge Kinder wurden auf Koſten der Gefellſchaft, geſpeiſet, unterrichtet und zu Handwerkcrni gethan. Binnen fünf Jahren dankte über ci ne Million Menſchen dieſer Stiftung Almofen und Pflege. Auch die von den kaiſerlichen Soldaten 1630 vertriebnen Prediger und Schullehrer genofsen der Früchte ſeiner Mene Calw wurde endlich gleichfalls

ſchenliebe.

verheert ; und Andreä muſste nun felbft darben . Sein Haus war in Flammen aufgegangen ; mit demſelben alle ſeine Handſchriften , Malereien und ' andre Kunſtwerke ; deren Betrachtung zeither ſeine einzige Erholung geweſen war. Der Briefwechſel mit ſeinen Freunden hörte ganz auf; unter ſeinen Bürgern herrſchte die fchrecklichſte Zerriittung ; das Armuth ver ſchinachtete vorHunger und Krankheit ; Schaa. ren

von Waiſen jamınerten nackt auf den

Straſsen nach Nahrung ; und Niederträchtige unter


LX unter den Vornehmen benutzten diſs Elend nach Willkühr zu ſchwelgen und zu tyranni. firen .

Andrea felbft , der ihnen als ftrenger

Sittenlehrer und thätiger Chriſt ſo oft läftig worden war , ' yard von ihnen gedrückt.

Und

doch nahm er die Uberrefte ſeines Verinögens, ſammelte unter unglaublichen Schwierigkeiten Beiträge und verſorgte achtzig Waiſen .

Auch

fonſt 'bewieſs er unerſchütterlichen Muth . Kaum daſs er im Amt war, nahm er fich ei niger unſchuldig unterdrückten Bürger an und ohne die Cabale ibrer mächtigen Gegner zu ſchauen , drang er für fie beim Fürften durch, Selbit bei den feindlichen Kriegern erleich terte er das Schickſal der Stadt oft durch ſeine Verwendungen . Er ſoll ſogar , um im Fall cines plötzlichen Ueberfalls feine Gemeinde aufmuntern zu können , zuweilen mit dem Schwerdt unter dem Mantel gepredigt haben. Am nachdrücklichſten nahm er ſich immer der Jugend an ; gleich anfangs verbefferte er ſehr vieles in der Methode des öffentlichen Unter richts ; und war ſo ſehr Kinderfreund , daſs die Kinder auf dem ernſten ſtrengen Manne auf


LXI auf der Gaffe entgegen hüpften , und ihm die Hände küſsten. Im lahr 1639 berief ihn der Herzog nach Studtgard als Hofprediger. Er weigerte fich ſehr ernſtlich , der Fürſt aber und ſeine Freunde zwangen ihn hinzugehn. Was ihn wahrſchein . lich am meiſten dazu aufmnnterte , war die Ausſicht, dort einen weitern Würkungskreis für ſeine Plane zur Verbeſſerung mancher wich Der Furst war tigen Dinge zu erlangen . ſchwach , feine Stellvertreter hart und eigen mächtig , Andreäs Gehülfen träg oder neidiſch . Von allen Seiten ſtellten ſich ihm Hinderniſſe entgegen ; und doch that er ſehr viel.

Das

theologiſche Stift, eine fruchtbare Pfanzſchule würdiger Männer , war völlig eingegangen . 1641 unterhielt es durch ſeine Vorſorge wie der funfzig Zöglinge. Er gab ihm nach und nach eine ganz neue Geſtalt, ſetzte zwei neue Lehrer für die Mathematik und für die he . bräiſche Sprache dabei an , und beſoldete ſie ſelbſt durch geſammelte Beiträge. Auch das Gymnnaſium zu Studtgard richtete er wieder auf, erſetzte die Lehrer und ihren Gehalt. Die Kir .


LXII Kirchendiener cntchrten durch niedriges Be . tragen die Würde ihres Standes ; er half ih rem Mangel ab, machte aber deſto ſtrengere, doch nichts mehr als gerechte Forderungen an ihr Leben . Die Simonie wuthete damals allge. mein ; ſie zu unterdrücken verniochte er zwar nicht ; denn ſie kam von Hof aus, aber er ar beitete ihr doch aus allen Kräften entgegen. Dabei lag die Laſt feines Amtes doppelt auf ihn . Sein College war krank oder bei Hofe, Er inuſste fur zwei arbeiten, und doch betrug feine Befoldung in drei Jahren nicht über 140 Gülden . Die Cammer muſste ſich dieſsfalls einſchränken , um die Gage der Jäger und Stall ineiſter , uud die Geſchenke an Gaukler be . ftreiten zu können .

Seine auswärtigen Freun

de , vorzüglich Herzog Auguft von Braun ſchweig unterstützten ihn . So konnte ſein Halis noch immer die Zuflucht der Hülfsbea dürftigen bleiben ; und er immer noch meh rere von den Kindern ſeiner Verwandten und Freunde erziehn.

Und doch blieb ſvine Liebe

zum Vaterland immer zu ſtark , als daſs er es hätte, verlaſſen ſollen ; ſo dringend ihn feine

Nürn .


LXIII Nürnberger Freunde und Herzog Auguft ein . luden , zu ihnen zu kommen. Er wollte im Wirtembergiſchen bleiben , ſuchte aber we nigſtens um Entlaffung von ſeinem Dienſte an. So wenig man ihn unterſtützte , ſo ver . kannte man doch ſeine Gemeinnützigkeit, und . war hart genuig , ihm auch das zu verlagen . Endlich ward er aber doch 1650 als Abt nach Bebenhauſen verſetzt; und wenige Wochen vor ſeinem Tode noch zum Abte von Adels berg ernannt.

Aber alles erſchien ihm jetzt

in einem düſtern traurigen Schatten ; ſeine Heiterkeit war finſtrer Unmuth worden , und er lebte nur noch um peinlich zu fühlen, dais er gelebt hatte . Sein Eifer für die Menſch heit hatte noch jugendliche Stärke; aber feine Kräfte waren die des Greiſes. Freundſchaft war ein fo weſentliches Bedürfniſs zu feiner Glückſeligkeit und alle ſeine innigern Ver. trauten ſtarben um ihn her ; er blieb allein übrig und um ihn her waren lauter fremde Sein Mut war binweg ; tief Menſchen . beugten ihn nun die Verfolgungen ſeiner Wi derwärtigen ,

und ſchmerzlich fühlte er jede Ver


LXIV Verläumdung beſonders die , feiner ſo heftig yon jeher angefochtnen Rechtgläubigkeit. Und alles das lieſs ihn ſeine gänzlich zerrüttete Geſundheit doppelt fuhlen .

Er genoſs die

letzten Jahre nur wenige erträgliche Wochen. Wie verzeihlich , wie menſchlich waren nun allo feine bittern Klagen und fein inniger Wunſch in ein beſsres Leben überzugehn . Das letzte Labral ſeiner Tage war noch die Freundſchaft des edeln Augufts , die er durch den fleiſsigſten Briefwechſel unterhielt. Sein fehnlichſter Wunſch war , ihn noch einmal zu ſehn.

Er war znr Reiſe bereit , als ihn eine

heftige Krankheit aufs Todtenlager warf Den 27 Junius 1654 dictirte er noch einen Brief an ſeinen Freund ; jezt wollte er ihn unter ſchreiben . Er ſchrieb zwei Buchſtaben und verſchied.

Die


BIBLIOTHECA

REGIA MONACENSIS

Die

M a s ke n.

U. nlängſt gieng ein Gerücht, Auguſtin , Pa . pinian ,

Hippokrates ,

Ariſtoteles ,

Eukli.

des, Tacitus, Cicero , Virgil, und einige an dre Oberhäupter der Gelehrtenrepublik , wie ren auf den Rückwege von einer Schmauſe . rei einem Truppe muthwilliger Purſche , Sa tyriker genannt, begegnet, und von ihnen ge miſshandelt worden. Die Sache machte viel Aufſehn ,

und man erkannte Ge allgemein

der ſtrengſten Ahndung würdig. Doch ſo tra giſch fie begann , ſo komiſch war der Aus. gang. Es hatten näinlich einige Harlekine Kleidung und Maske von jenen Männern A

ange


angenominen , fen durchzogen , Trunkenen

mit Pechfackeln die

Straf

und alle Thorheiten der

begangen .

Farce mochte ſeyn ,

Die

Abſicht

der

welche fie wollte , -

entweder mit den Einwohnern einen Scherz zu treiben , oder die wiirdigen Greiſe zu ver unglimpfen : - der Schluſs war für die Spie ler nicht der angenehmſte. Einige Patrioten, denen es fonderbar dünkte , fo angeſehene Männer hier als Nachtſchwärmer zu finden, unterſuchten es genauer, und der Betrug ward entdeckt. Es kam zu Thätlichkeiten , und init Beihülfe verſchiedener andrer machten fie der Maskerade ein Ende. Dieſer Vorfall gelangte bald dem Pöbel zu Ohren ; aber, wie gewöhnlich , nur zur Hälfte , und veranlafste alſo mancherlei bittere Anmerkungen über die eigentlichen Perſonen selbſt. Es hatte un gemeine Schwierigkeit, das Volk eines bef- .. fern zu belehren, bis endlich jene Väter der Stadt öffentlich becheuerten, daſs ihnen kein Leid geſchehn ,

und im Gegentheil die Sa

tyriker ihre vertrauteſten Freunde wären. Ihre


3 Ihre Afterkonterfeien aber wurden an den Pranger geftellt , wo nur Menfcher , deren Blödſinn fo groſs var, als jener Unverſchämt heit, fie mit den würdigen Urbildern ver wechſeln konnten .

Die Antipoden

Es war ein allgemeines Conciliuin ausge. ſchrieben worden . Die entfernteften Natio nen aus allen Welttheilen hatten ſich bereits dazu

eingefunden , als endlich auch , gegen

alle Erwartungen der heiligen Väter, die Ge Der Zuſammenlauf genfuiſsler erſchienen . und das Anftaunen der Menge bei ihrem blick war unbeſchreiblich . A 2

An.

Ihr Körper hatte ei :ic


4 eine Stärke und Schönheit, ihr Auge einen Ausdruck von Ruhe und Würde der Seele, aus denen allein es ſich ſchon ſehlieffen lieſs, fie müſsten ganz das Gegentheil von uns ſeyn . Sie nahmen Platz in der Verſammlung und ant worteten auf die ihnen vorgelegten Fragen, wie folget. Ihre Religion ? - beſtehe darin , daſs fic

liebten Gott ihren Herrn von ganzem Her zén , von ganzer Seele und von ganzem Ge müthe, und ihren Nächſten als ſich ſelbſt. Ihr Syſtem der Politik ? - heiſe : Sei ein bra ver Mann , thu niemanden Leides, und gieb cinem

jeden das Seine . ſei unter ihnen ftete Vor Philoſophie ?

bereitung zum Tode. Von der Ehe ?

lehrten fie : Was Gott

zuſammenfugt , ſoll der Menſch nicht ſchei. den . Gewerbe ? .

Im Schweiſs' ihres Ange.

fichtes erarbeiteten fie ihr Brod , Der Endzweck ihres Lebens ?

Hohes

Glück nach dem Tode. Nun

from

di


5

Nun lieben Herren Confratres ! ſprach jezt, als ſie abgehört waren , der präſi dirende Biſchof zur übrigen Verſamınlung : Ift es fonach wohl ein Wunder, daſs man an der Exiſtenz der Antipoden gezweifelt hat ?

Die begrabene Wahrheit.

irgendwo viele Anzeigen fan daſs hier die Wahrheit begraben ſei, lieſs man aufwerfen, und entdeckte, nach eini Als fich

den ,

gen Tagen Arbeit, einen Sarg. Er war ganz ein. fach . Man hob ihn herauf, konnte aber keine Aufſchrift ausfündig inachen, als : Zu mei. ner Zeit. Die auseinandergeſchlagenen Bre. ter zeigten einen Leichnam , verſtümmelt, ſchmuzig und überſchüttet mit Dingen , nicht ohne A 3


6 ohne Ekel zu nennen . Es ergab ſich , daſs er nicht mit Salben und Gewürzen , ſondern mit mancherlei Unrath war einbalſamirt worden ; und nur mit vicler Mühe lieſs er ſich ſäuberni. Da fand man denn endlich zum Haups' ein eherncs Täfelchen mit dieſer Inſchrift:

Hier liegt die Wahrheit eine Tochter Gottes durch Tücke des Aberglaubens Gift der Verführung und Entkräftung der Sinnlichkeit Deſpotismus der Fürſten Trägheit der Prieſter und Verſchmitzheit der Staatsmänner

Leichtfinn der Geſchichtſchreiber Pedanterie der Literatoren

und Dummheit

des Volks

ermordet und hier im Unrathe der Lügen begraben.

Nach


7

r

i 6

Nach hundert Iahren ſieht mich die Sonne wieder Gegrüſſet ſeiſt du mir Nachwelt ! Freude mit Betrübniſs vermiſcht war die Empfindung, welche dieſe Grabſchrift , als fic bekannt ward , erregte. Man war unwillig auf die Vorzeit , und priefs die Gegenwart glücklich.

Es ward nunmehr ein prachtiges

Denkmal von Marmor errichtet , Wahrheit mit vielem Prunke darunter wieder begraben .

und die

Iene Inſchrift

ſtellte man über der Gruft auf, und ſchrieb mit aller Selbſtgenugſamkeit drunter : Wären wir zu unſerer Väter Zeiten geweſen , wir hätten nicht Theil genommen mit ihnen am Morde der Wahrhcit.

A4

Die


Die Bimsfteine.

Auf der groſsen Meſſe des menſchlichen Verkehrs hatte fich einmal auch die Zeit ein Gewölbe gemiethet. Man war voller Erwar tung, welche Koſtbarkeiten da zur Schau aus . geſtellt ſeyn würden ; und fiehe da ! fic legte nichts aus, als – Bimsſteine. Aber welchen Nutzen , fragten einige Neugierige , hat der Ankauf dieſes Artikels ? O gewiſs den gröſs ten ! erwiederte die Zeit. Man glättet da wit.

Er thut alſo ganz vortrefliche Dienſte

gegen die ungleiche rauhe Aufienfeite der Neulinge in einem jeglichen Verhältniffc , Po lirt damit die jungen Theologen, die alle Ke in einem Jahre mit Strumpf und

tzerei

Stiel ausrotten , und alle Gewiſſen an einen Faden reihen die jungen Staatsmänner, die aller Sitten beffern und alles Hergebrachte ändern

die jungen Gelehrten , die jede Spur


Spur von Barbarei vertilgen , und den ganzen Ozean menſchlicher Kenntniſſe ausſchlurfen die jungen Ehenjänner , die das ganze Haus weſen felbft überſehen , und alles in der pünkt. lichften Ordnung halten - die jungen Künſt ler, welche überall den feinſten Geſchmack einführen , und alles zum Ideal der höchſten Schönheit erheben - wollen , und es vermeſſen . Mag zu thun, ſich gar höchlich es vorher noch fo bedenklich geweſen ſeyn , ſich mit ihnen zu befallen ! o ! wenn dieſer

1 Bimsſtein der Erfahrung fie polirt liat, laflen fie fich gar bequem behandeln.

A 5

Die


10

Die Hypochondrie.

Eins flieſs die Neugier auf Xanthus , der dem Knocheninann ' ähnlicher als einem Mon fchen , unherſchlich , und unit feiner verdorr ten Haut die Straſsen durchklapperte.

Ohne

daſs ſie den Philoſophen kannte , rührte lic ſein erbärmliches Anſehn. Mein Freund ! was thatet Ihr , fragte fic ihn , daſs man Euch an den Karren ſchmie dete ?

Für wen ſieht man mich an ? er.

wiederte Xanthus , und runzelte ſeine Stirn auf und ab.

Hi !

für einen Menſchen ,

leere oder ift.

der zur Ga zuin Schulkatheder verdammt

Keins von beiden bin ich ! So

iſt Er Küſter bei

einem

hypochon

driſchen Superintenden ! - Eben ſo wenig ! Sind


II Sind Sie etwa mit hungrigen Magen in der Antichambre nach einer Verſorgung herun gekrochen ? - Da ſei Gott vor ! Möcht'

ich

denn

doch

willen ,

wofür

man Sie halten ſollte ! Waren Sie viclleicht ein Goldınacher; und find da mitten unter ih ren Träuinen von Ueberfluſs bei den Oefen und Retorten zuſamniengeſchrumpft ? Xan . thus lächelnd : Dazu hatte ich weder Zeit noch Gelegenheit. Nun ! ſo müllen Sie eine von den Hof. crcaturen geweſen ſeyn, die wie logel Strauſs, kleine Köpfchen , lange Halle, ciſerne Magen , unnütze Flügel und ſchmutzige Chauſliire haben ? Auch hierauf ein : Nein ! Die Neugier drang in ihn , er folle ihr doch die Urſache feines Hypochonders von felbft fagen . Unter Weinen und Schluchzen erfolgte die Antwort : Ach Gott ! ich hab ' ein böſes Weib ! Noch hatte er dieſe Worte nicht völlig aus. geſprochen , als die Fragerin fich kreuzigte und fegnete , geſchwind ein Stofsgebetchen ge

gen


12 gen böſe Anzeigen herftammelte, und mit dem Zuruf: „ O Heiliger entſündigt auf Erden ! für dich braucht es keines Fegfeuers !“ von dem Märtyrer eilfertigen Abſchied nahm ,

Die Geſchichte.

Seither hatte die Geſchichte mit der gewif ſenhafteſten Treue die Iahrbücher des Vater landes geſchrieben . Wegen einiger zu freien Ausdrücke aber war ſie ihres Amtes entſetzt worden , und ſuchte nun anderwärts angeſtellt zu werden . Ihre erſte Aufwartung machte ſie den Für. ften , und empfahl fich bei einer erledigten Stelle zu Gnaden, Was wollen Sie werden ? fragte


13 fragte man fie. Ihre Antwort war : Vorle ſerin ; um Sie recht oft an die Macht Ihrer An . herrn und deren thätigen Eifer für Freiheit und Sittlichkeit erinnern zu können . Lieber wollen wir die ganz vergeflen , erfolgte der Gegenbeſcheid , ſonſt wären wir zur Nachah inung verpflichtet. Nun wandte fie fich an die hohen Colle „ Wozu zu brauchen ? CG " „ Ich

gieri

kann Ihnen erzählen ,

wie bedachtſam Ihre

Vorgänger waren , kam es darauf an , Geſetze zu geben , wie bieder in deren Beobachtung, und wie muthig , fie felbft gegen den Regen ten zu

ſchützen.

„ Ift nicht vonnöthen zu

wiſſen ! es iſt unterhaltender, iin Lehnſtuhle ſich wiegend nichts zu denken , als ſich mit der Betrachtung von ſo verdrüſslichen Dingen zu langweilen. Von hier gieng's zu

den Univerſitäten .

„ Worauf legen Sie ſich ?“ Aufs pragmatiſche Studium der alten Literatur, in Hinficht auf Genie, Kenntniſſe und Ruhm der Gelehrten voriger Zeiten , - „ Itt fehr entbehrlich ! die Tiu .


14 Tiufchung mit dem günſtigen Vorurtheil' un frer Zeitgenolien für uns iſt ſchmeichelhaf. ter , als das Selbſtgefühl der Schwäche , das ein Blick auf die Vorzeit erregen müſste. Iczt wollte ſie in der Stadt anſäſsig werden . „ Unter welchem

Charakter ? Commercien . rath und l'olizeiinſpector alter Stiftung. „ Kann

nicht kam

aufgenommen werden !

Wie

leicht

es alsdann zu einer Viſitation der Ban.

ken , Caffen und Magazine , und die find ja leer. Endlich wollte ſie ſich beim Bauer vermie . ther . „ Als was ? „ Als Schulmeiſterin ; und da will ich Euch erzählen , wie eifrig vor Alters die Leute unbebaute Aecker beurbarten , wüſte Gegenler bevölkerten, und wie geſegnet da fuir ihr Speicher an Früchten war . “ Mögen's nicht willen ! was hülf" es uns ? Arbeiten muſsten unire Groſsväter und Groſsgroſsvä. ter , arbeiten millen vir, und den Genuſs da. von 12at doch niemand als der gnädige Herr. Su irrte die Geſchichte ſeit Andreaes Zeiten uinher, ohne irgendwo eine bleibende Stätte ጊ u


15 zu finden.

Ihre Aemter wurden mit Biogra.

phen und lyriſchen Dichtern beſetzt. Endlich ſprach ſie : Will ſich niemand durch die Tha ten der Vorzeit beſchämen laſſen , ſo erzähl ich die Begebenheiten des Tags.

Auch ohne

Vergleichung mit jenen wird man über dieſe erröthen. - Sie führte ihren Entſchluſs aus , und diefem ihrem Eifer für Gemeinnützigkeit verdanken wir jetzt : Schlözers Briefwechfel und Staatsanzeigen , Nicolais Reifen , die Ber . liniſche Monatsſchrift , das lournal von und für Deutſchland, den deutſchen Zuſchauer und Beckers deutſche Zeitung.

Wic


16

Wie es herzugehn pflegt.

O lieber Freund !

ſprach ein Stummer zu

einen Blinden , wenn fie einen geſchickten Harfeniſten fehn , thun Sie mir doch ja den Gefallen , und weiſen Sie mir ihn zu : mein tauber Sohn möchte gern einen Zeitvertreib haben .

So eben , war die Antwort des Blin

den , habe ich einen Virtuofen von der Art ge fehn , wollen Sie ihn aufſuchen laffen , ſo ſteht Ihnen inein labmer Läufer zu Dienſte . Der Läufer erhielt Auftrag, und indem er Straſse auf Straſse ab galoppirte , ftieſs er auf einen Harfeniſten ohne Arme. Man ward Handels eins, und der Tonkünſtler engagirte ſich zur Capelle des Tauben . Er machte der ihn er wartenden Geſellſchaft fein Compliment und ſpielte , ohne zu ſpielen , ſo ſchön , daſs der Taube vor Entzücken ganz Ohr war , der Blinde ſogar die Geitalt des Mannes Schön ſand ,


17 fand, ' der Stumme ein Bravo ! nach dem an . dern ihm zujauchzte , der Lahme in Entre chats nicht auf die Erde kam , kurz das ganze Haus von der lauteſten Freude wiederballte. Dieſs hörte ein vorbeigehender Tollhäusler, drängte fich gewaltſam binein , und ſchlug, uin's Concert vollſtimmig zu machen , beim Anblick der Verſammlung ein gar weinerli. ches Gelächter auf. Auch die Weisheid ward von dieſem Vorfalle benachrichtigt ; fie gieng hin, und betrachtete zwar die ſämtlichen Akteurs des Poffenſpiels mit vielem Ver gniigen , ſagre aber endlich : Was it's nun

weiter ? Sieht man dieſs im menſchlichen Le ben doch alle Tage !

B

Der


18

Der Eid des Amtes und Standes.

Mit

ungemeiner

Feierlicikeit und

einer

ſehr ehrwürdig gerunzelten Stirn lieſs ſich der Schlendrian den Eid der Treue ſchwören. Eidlich gelobten demnach die Diener des Hei . ligthums reine Lehre und muſterhaften Wan del ; die Pfleger der Gerechtigkeit unparteiiſche Ausſprüche und Abfehen vor Geſchenken ; dic Wächter des Staats Eifer für Freiheit und Hafs gegen den Luxus ; die Schüler der Weislicit unermüdetes Forſchen in den Fundgruben des menſchlichen Wiflens ; die Geſchichtſchreiber Achtung für das künftige Zeugniſs der gleich zeitigen lugend und Geineinnützigkeit für die Nachwelt; die Staatsmänner Auswahl der edelſten Mittel zu Erreichung der edelſten Ab . fichten ; die arbeitende Volksklaile Brauch barkeit fürs gemeine Leben und Kaltfinn ge .

gen


19 gen Grübeleien ; fogar das andre Geſchleclit ſchwur auf die Wolluſt der - Unterthänigkeit und die Ruhe der Zunge. Alle ſchwuren ; und alle ſuchte man zu überzeugen, auf Beob.. achtung ihres Eides gründe fich die Sicherheit des Staats, ja das Wohl der geſammten Menſch heit. Unter andern hatte Simplicius geſchwo. ren : der Verachtung der Religion , der Aus breitung des Laſters , Angriffen auf Tugend und der Verringerung ſeines Gehalts fich inuthig zu widerfetzen . Ueber den letztern Punkt hielt er ſo eifrig als über irgend einen . Das erſte demnach , was er that , war , daſs er der Härte und Gewiſſenloſigkeit ſeiner Zahlmeiſter widerftand ; ohne jedoch obzuie Iezt wandte er ſich an ſeine hohen gen , Obern , und klagte über die Hinderniſſe , die

man der Haltung ſeines Eides entgegen ftellte. Er für ſeine Perſon glaubte nichts gewiffer, als daſs die Eingriffe in ſeine Gerechtſame mit exemplariſcher Strenge geahndet werden wür den : von Seiten eines hochwürdigen Colle giums aber fiel, ſobald ſie ſich vom Lachen B 2 über


über ſeine Einfalt wieder erholt hatten , der Beſcheid dahin aus : „ O Sie fonderbarer Mann ! glaubten Sie denn, es wäre Ernſt mit jener Ceremonie ?

Die Bedienten . 1

Das ganze Heer von Bedienten eines Satra pen gieng einſtmals über die Straſſe,

1

So ſehr,

durch die Verſchiedenheit ihrer auffallenden Geſichtsbildung und Tracht, cines jeden Neu gier gereizt werden muſste, ſo wagte es doch niemand, über dieſen Auftritt näbere Erkun digung einzuziehn , als der einzige Diogenes. Meine Herren Buntröcke, ſprach er nach ſei ner gewöhnlichen Freimüthigkeit zu ihnen , ich


21 ich werde die Ehre haben , Sie zu begleiten ; dürfte ich aber vorher nach Ihren Charakte ren fragen ? Man kannte den Philofophen zu gut, als daſs ſeine Dreuftigkeit bätte auffallen können . Der Zug hielt ohne Weigerung. Wifle deinnach , nahm der Erſte das Wort, daſs ich zu meines Herrn Ehre prahle. Der Zweite :

Und ich ſtehle für meines Herrn .

Beutel.

Der Dritte : Und ich lüge zu ſeiner

Entſchuldigung. Der Vierte : Und ich praffe für ſein Luftre. Der Fünfte : ihn zu unter halten , bin ich Schalksnarr. Der Secliſte : Ich kupple in ſein geheimes Kabinet. Der Sic bente : Und ich verſchwende auf ſeinen Bang kerot los. Noch waren drei Bediente vom unterſten Rang’ übrig. „ Was thut Ihr, Hungerleider ? “ Leiſe und ſchüchtern antwortete der Erfte : „ Ich bete für ihn .“ „ Und ich ſtreite, “ ſprach ſein Nachbar.

„ Ich arbeite , “ der Dritte .

Nun wahrlich ! rief Diogenes ziemlich laut aus, Euer Herr hat gut dafür geſorgt , defe ika B 3


ihm nichts zu thun übrig bleibt ; aber ciner fehlt doch noch . Wenn dieſe Comö . die aus iſt, wer fährt für ihn zum Teufel ?

1

Einer

für Alle.

Vor or kurzem war ein Landtag im Reiche der Menſchheit. Aus allen Gegenden hatten fich die Weifen ſehr zahlreich eingefunden , fämtlich mit anſehnlicher Bagage von Be. Ich werden ihrer Mitbürger. Sie ſelbſt hatten fich zur Reiſe mit den Waffen der Freiheit, zu den Verhandlungen mit den Kenntniffen der Erfahrung verfehn . Das ganze Land hatte die freudigſte Erwartung von allgemei. ner


23 . her Glückſeligkeit.

Auf allen Kanzeln ward

für die Verſammlung gebetet ; man verord nete fogar deshalb eigne Andachtſtunden . Jetzt nahinen die Seſſionen bey verſchlofsnen Thiren den Anfang , mit dem feierlichften Stillſchweigen und dem ernfteften Nachden ken . Von ungefähr war Simplicius mit ein geſchloſſen worden . Er wagte es nicht, fich zu zeigen , und blieb alſo hinter den Tapeten verſteckt. So wenig dieſs abſichtlich geſche hen war , ſo frente er fich doch , ſeiner Be. ſorgniſs entdeckt zu werden ungeachtet, gar ſehr über dieſe Gelegenheit, von den gemein ſchaftlichen Verhandlungen , Unterredungen , Widerſprüchen und Schlüſſen der Weiſeften im Volk Zeuge feyn zu können .

Die Reful

tate davon, hatte er feither immer gedacht, werden uns mit Recht als Götterſprüche auf gedrungen ; ſie ſind die Quinteffenz von der Weisheitmaffe der Nation . Allein wie groſs war ſein Erſtaunen , da er nun ſah, wie alles durch Einen gieng ; wie dieſer Einzige Vorſchläge that, fie genehmigte, einregiſtrirte und rechts

B 4

krifrig

.


24 kräftig machte , und wic alle übrigen blofs la ! nickten. Er fand endlich ein Mittel, fich unbemerkt Die Einwohner zogen

herauszuſchleichen .

fo eben in Proceſſion zur Kirche. Für einen , für cinen laſst uns beten , lieben Freunde, rief er ihnen zu. Aber für den defto eifri. ger..

Ift Er ein Patriot, wohl uns ; wo nicht,

dann wehe ! wehe dein armen Lande!

1 Doctoren


25

Doctoren und Magiſter.

Der Staat begegnete jüngſt der Akademie. Schon in der Ferne hieſs fie feine unwillige Mine und der verdoppelte Schritt Vorwürfe erwarten . Auch war in der That ſeine An rede nicht die gefälligfte. Drej herrliche Ge. lehrte haben Sie inir da neulichſt wieder zu . geſchickt!

beim Himmel!

denen kann ich

meine Geſchäfte anvertrauen .

Die

Akademie

gerieth in

Verlegenheit.

Scham und Unwillen veranlaſsten ſie , zu er wiedern : Nun ! ſo laſſen Sie ſich Ihre Bedien ten vom Prometheus drechſeln ! Eine Antwort, welche den Staat noch mehr aufbringen muſste ! - Soll ich Ihnen Ihre Po lyhiftors ſchildern ? Meine erſte Frage an den Doctor Iuris war ; Sie haben vermuthlich auf der Univerſität mit l'apinian und Hommel ge. nauen Umgang gehabt ? Bitte um Verzei. hung ! ich könnte mich nicht entfionen , fię auf B 5


26 auf einem Kaffeehauſe gefehn zu haben O nein ! Schriftſteller find es ! ſollten Sie die Erlauben Sie , ſprach er nicht kennen ? nach einem Beſinnen von etlichen Secunden , daſs ich nachfehe.

Er brachte einige kleine

Büchelchen herbei, blätterte darin , und mit Befreindung ſagte er endlich : Auch in keinein der diesjährigen Mofenalutriache finde ich fia Nach

ihm

Aufwartung

machte

mir ein Arzt

feine

Welches Syſtein ſcheint Ihnen

das beſte ? Stahls oder Boerhav's ? Meine Schmetcerlinge, lifpelte er, habe ich nach ci nem eignen geordnet. -- Hin ! hm ! haben Sie die Zergliederungskunde nicht ftudirt ? - Dank Mutter fei’s meinen Schuzgeiſie ! Nein ! M Natur tchuf mich gefühlvoll für Schönheit. Abgeftumpft in den Cadavern hätt ' ich all mei nen Sinn daruir

hingemordet die Tau .

fende von Liebesgöttern , welche meine Seele fich wcihten zum Roſenhain und wäre

elend und ſtrafbardurch Myriaden Aeonen hin Plötz - ich licbre und liebe ! durch ; cem lich fah ' er nach der Uhr, und mit einem : Heilige

1


27 . „ Heilige Sympathie ! ſchon eine Minute zu ſpät, und mein harret Luiſe ! Luiſe !“ trippelte er zur Thür hinaus. Mein Zimmer dufect noch heute · von ſeinen Parfums. Den Beſchluſs machte ein Doctor der Welt. weisheit und der freien Künfte Magifter. Ich wollte ihn rechnen laſſen . Das habe er ſchon längſt wieder vergeſſen . Algebra läge auf fer ſeinem Gefichtskreis . Phyſik ? - Noch vor Endigung dieſes Collegiums habe er einer In formatorſtelle wegen die Akademie verlaffen . Philoſophie ? - er habe ſeine Manuſcripte zu Hauſe vergefien, aber auf Erre ! ſie wären ſehr vollſtändig und ſauber geſchrieben. Pä . dagogik ?

darüber würde nicht geleſen.

Geſchichte ?

Sein Profeſſor ſei in der Univerſalhiſtorie nur immer bis zum Bürger

ineiſteramt des Ciceronis gekommen . Alte Li. das ſei ſein Fach . Er habe bei teratur ? ſeiner Promotion per Diploma ein Exerci. tium ftyli chne einen einzigen Donatſchni. tzer gernacht, und doch weiter keine Beihülfe gchabt,


28 gehabt, matik,

als ein Lexikon und

eine Gram

Ich bedaure von Herzen , verſetzte die Aka demie , daſs Sie grad auf ſolche Ignoranten ftoſsen muſsten.

Hundert andere in jedemu

Fache würden Ihnen Gnuige geleiſtet haben . Aber , ich verlieſs mich auf ihre Diplome. Juris Utriusque Doctor ! Medicinae Doctor ! Philoſophiae Doctor und noch obendrein Ar. tium Magifter !. -- la das ſollten Sie nicht ! Sol. che Documente kann man ſich ſo gut auf der Poft ſchicken laſſen, als Geburtsbriefe, Der Staat brach in ein bittres Gelächter aus.

So ! ſo ! Alſo nach zehn verſtudirten

Jahren ,

nach unzähligen Privatſtunden und

Collegien , und Teſtimonien von Rectoren und Profefioren muſs man Ihre Leute vors erfte doch immer noch fragen : Ob ſie etwas gelernt haben ? Schlieilen Sie nur nicht von einigen auf alle , lieber Freund ! Sic wiffen ja , Doctoren und Magiſter lind mir fur Geld feil. Wer

will

1


99 will mirs nun verdenken , wenn ich zuweilen einige in den Kauf drein gebe ?

1 Die Mitgift.

Der Ehſtand muſste von allen Seiten her die bitterſten Vorwürfe anhören , ledem Schwätzer von Philoſophen und Schöngeiſte diente er zum Ziele ſeines Witzes und ſeiner Declamationen . Bei genauer Unterſuchung der Sache bemerkte er , daſs die meiſten fich durch den Uebermuth

ſeiner Haushälterin ,

der Mitgift, beleidigt fanden .

Denn jede Eh

frau war um ſo eigenſinniger, ſtolzer und ver. ſchwenderiſcher , kurz , um ſo unleidlicker , je mehr ſie ſich auf das Anfehn von jener ftü tzen zu können glaubte.

Er ſagte alſo dieſer herrſch


30 herrſchlüchtigen Wirthſchafterin den Dienſt auf, und miethete die Frömmigkeit, ein lie. benswürdiges Mädchen aus der Familie der Tugend.

Aber ſeine Hofnung , durch dieſe abzuhelfen,

Verinderung den Beſchwerden ſchlug fehl.

Umſonſt! daſs die neue Haus

hälterin alle und jede gefällig und ſchonend behandelte und muſterhaft wirthſchaftete ! Kaum daſs man ihre Vorgängerin , jene buhleri ſche Dienerin der Freude vermiſste ; kaum daſs man anfieng zu muthmaſsen , Arbeit und Mäſsig keit folle wieder gewöhnlich werden - fo gleich erhob fich ein ſo lautes und anhalten des Geräuſch und Geſchrei der Unzufriednen , das heiſst , des ganzen Publicums, daſs die Mitgift ihre vorige Stelle wieder erhalten muſste.

Seitdem iſt fie um

ſo übermüthi.

gerund deſpotifirt in der Oekonomie des Eh ftandes , die fie ganz unter fich zu bringen ge wuſst hat , bis zur Tyrannei .

Nichts.


31

Nicht s. i

Die Stadt Layernia ift wegen ihrer Manisa facturen ſo bertihmit, daſs immer viele Ment Ichen dort Arbeit ſuchen . Unter andern kam da ein junger fiarker Mann hin , der lieſs in die Zeitung ſetzen : Ein Künſtler, der aus Ec was Nichts inachen könne, wünſche bei einer Fabrik angeſtellt

zu

werden .

Aller Welt

fchien es ſehr lächerlich, fich mit einer Kunſt empfehlen zu wollen , die durel Alchemiften und Bonvivants fchon etwas Gemeines gewor den ſei. Nur die Staatsmänner , mit ihrem tiefeindringenden Scharfblick , hielten ihn der Aufmerkſamkeit würdig.

Sie liefen ihn zu

einer geheimen Unterredung rufen , und leg . ten ihm , nach wiederholtem Verſprechen von feiner Seite, folgende Fragen vor. Getraut Er fich , nichts zu machen aus groſ ſen Beſchwerden des Volks ? nichts zu machen alls


3

32

aus groſsen Auflagen, die es giebt ? nichts zu machen aus groſsen Sporteln , die wir neh men ? nichts zu machen aus groſsen Ausſchwei. fungen ? nichts zu machen aus der Hölle und dem jungſten Gericht ? Zu allem dein erbot er mit vieler Zuver . fichtlichkeit ſeine Dienſte ,

und legte fogar

fchon Plane davon vor. Ehre und Geſchenke überhäuften ihn nun .

Mit triumphirendem

Hohnlächeln ſprach er jezt zu denen, die vor : lier lein ſpotteten: Aus Nichts Etwas machen , kann - - jeder gewillenhafte Thor ; aber aus Etwas Nichts, dieſe gluckliche Erfindung ward unterm Zeit alter vorbehalten !

Das


33 Das Geſpenſt.

Jungft lieſs fich ein Geſpenft fehn.

Um's

Haupt herum war es in ſchwarze und weiſse Binden eingehüllt, feurige Hände hatt' es und Pferdefüſse ; und den übrigen Körper über deckte inancherlei Spielzeug famt ſymboliſcher Malerei. Es trug umgekehrte Waffen , und weinte, als ob es lachen wollte. Exorciften kommen .

Man liefs

Lang mühten fie fich

vergebens um ſeinen Namen, endlich nann es ihn . „ Leichenbegängniſs heiſs ich ! " Aber ſo eben kam der Tod dazwiſchen. Der wollt es nicht für ſeinen Bruder erkennen.

Man

betrachte, ſprach er unwillig, inich einfaches Wefen und dich Kleidermaffe , und richte ! Das Geſpenſt rufte Pfarrer und Küfter her bei , die ſeine Geiſtigkeit bezeugen ſollten ; und als das gültigfte Document dafür lieſs es die Leichenpredigten, in denen ſeiner rühm lichft gedacht war ,

unter den Zuſchauern с uinher


/

34 umher gehn. Zum Unglück ward es befragt, ob es den Begräbniſſe des Stifters unfrer Religion und ſeiner erſten Schüler und ſeiner Blutzeugen beigewohnt habe.

Da verſtummt

es . Wirft du dereinſt am groſsen Gerichtstag entſchied jetzt ein freiwüthiger Chrift die Sa che

mit allem diefen Prunke getroft dein

Richter nahn , dann ſollſt du ein Bruder des Chriſtentods geachtet ſeyn : bis dahin dulde, daſs man dich als das thörichtſte Geſchöpf der thörichten menſchlichen Eitelkeit beruitleider.

1

Dic


Die Alchemie.

:

1 Die Rivalin der ſchaffenden Gottheit , jene Kunſt, welche die langſamen Schritte der Na tur zur Vollkommenheit beflügelt , und der Sonn' an Lebenskraft gleich, das QueckGilber, auf imner ſteigender Stufenleiter, zum Gold er höht, hatte ihre reiche Kaffe erſchöpft , und Verachtung und Hunger drückte ſie jetzt. Die Billigften ſpotteten ihrer , von den Muthwil. ligen ward ſie geſchimpft, und das Urtheil der Strengern erkannt ihr ſogar Strafen zu, Noch traf fie der Verdacht von Münzverfäl. ſchung und jeder Art Betrügerei der Banke. roteurs . Man fragte ſie , warum ihr glück . liches Pulver , das Reſultat ſo raſtloſen Stre bens , und ſo manches Verſuchs nur kärglichſt fie nähre ? Seufzer, und Klagen über das Dun kel ihrer Geſetzbücher, über die Zerbrechlich lichkeit ihres Werkzeugs ,

über ungünſtige

Conftellation und ungluckliche Miſchung der C 2 Erden,


36 Erden, waren ihre Antwort und Entſchuldi gung

Hofnung und das innere Vergnügen

cines forſchenden Geiſtes, fuhr ſie fort, ent fchädigen inich für die Schmach von Seiten des Pöbels. So viel vergeblicher Aufwand ? kränkt mich nicht. Ohne Opfer dringt kein Sterblicher ins Allerheiligſte der Natur. Was mich ſchmerzt, ist, daſs mit dem letzten Gro fchen auch das letzte Fünkchen des heiligen Feuers dahin war. •

Und iminer bleibt mir noch gnug übrig. Ich erfand Arzneien ; das erhält meine Ehre.

Ich kann betteln gehn ;

Mittel gegen den

Hunger ! Und mein Talent zu Verheiffungen wird mir ſtets einige Schüler aus den Einfal tigern in Volke zufuhren .

Die

*


37 Die

Unverbeſſerlichen .

Auf Befehl der Tugend muſsten die Weiſen verſchiedne Inſtrumente verfertigen , um den Krümmungen in der Moralität des Menſchen . geſchlechts damit abzuhelfen . Würklich hat ten auch vieler deshalb angewandte Bemühun gen glücklichen Erfolg.

Was Zeit und Ge.

wohnheit ſchief gemacht hatten , groſsentheils wieder grad richten .

liefs fich So wur

den z . B. die aufbrauſenden Köpfe , die Viel wiffer, die Verſchwender, die Schwätzer, die Flatterhaften und andre , deren Sittlichkeit durch den Leichtſinn der Jugend eine falſche Richtung erhalten hatte , mittelft der Erfah rung, glücklich verbeſſert.

Aber zwei Gat.

tungen machen jeden neuen Verſuch zur Ab. änderung ftets fruchtlos Sei es , daſs der Goldmacher Verſtand Geld und Geſundheit

verlaborirt hat , er iſt ein ewiger Sklav der C3 Hofnung.


38

Hofnung.

Und die Eitelkeit der ſchönen Ge.

fchlechts — laſst allen Spott der Weiſen , al len Deſpotismus der Fürſten , und alle Dro. hungen des Mangels fich gegen fie verſchwö ren ; immer wird ſie der Geiſt der Kleinlich . keit ſchützen und der Reiz der Neuheit erhe. ben !

Sie neigt ſich auf dieſe Seite, un im

Augenblick auf die entgegengeſetzte zu ſchnel len . Eher erfinden wir die Quadratur des Zirkels als eine Kleiderordnung fürs ſchöne Geſchlecht.

Der


39

Der

Lateiner.

Ein Sebulinann war der griechiſchen und -he bräiſchen Sprache begegnet, und , nach Ge wohnheit der Monarcken , vorbeigegangen , ohne den Hut abzuziehn .

Längſt ſchon wa .

ren jene auf dies Geſchöpf nicht wohl zu ſpre chen , fie benutzten alſo dieſe Gelegenheit, es zu äuſſern . Sic holten ihn ein , und cinç tüchtige Tracht Schläge vertrat die Stelle al ler unnützen Vorwürfe. Man beſchuldige fie deshalb keines Mangels an Lebensart. giebt Menſchen , deren Conſtitution jede an. dre Arznei unwirkſam macht, die Panacee des Stocks ausgenommen . Der Pädagog machte Lärn , und rief Himmel und Hölle zur Hülfe, Es eilten zwar Leute herbei, aber ſie koni ten vor Lachen keine Hand rühren . Endlich hörte die lateiniſche Sprache , wie es ihrem Lehrjungen ergehe, und kam C4

ihm zu helfen . Auf


40 Auf ihre Fürbitte lieſsen ihre Freundinnen Inquiſiten ſogleich frei. Aber was that euch der arme Schelm ? fragte ſie nun. Klä gerinnen

( daſs ſie vorhero ſchon Rich

terinnen geweſen waren ,

thut dieſer Rolle

keinen Eintrag) - erzählten alſo wie unhöflich der

Dummkopf fich

gegen

fie

betragen.

Auch habe er in ihren Collegien nicht ein einziges mal hoſpitirt, geſchweige , andern hineinzugehn gerathen oder erlaubt ! Er propfe dagegen den jungen Leuten den Kopf mit einem Wuſte von Regeln voll , und leere dafür ihre Beutel ; verſpreche goldne Berge, und in ſeinem Willen und Verınögen ſtünde kaum eine Hand voll Kiefs.

Lieben Schwestern ! erwiederte Latia lä chelnd. - Bosheit iſt's warlich nicht ! Dem Selbſtgefühl feiner Schwäche rechnet es an . Erreichte auch ſein baufälliges Leben die Dauer eines Seculunis ; er verſtiege

Gich nicht bis zu euch.

Seit vierzig gano

zen Iahren lernt er bei mir Latein ,

lernt wenig


41 wenig oder nichts als dieſs , und glaubt ihr denn, daſs er es richtig ſpricht oder ſchreibt ?

Die

Untergönner.

Zwei Freunde von

demſelben Stand und

Verdienft hatten einen Gönner, auf deſſen Güte fie beide gleichviel rechneten . Der Eine that alles für ihn was er konnte , bat ihn bei jedem Vorfall um ſeinen Rath , kurz be zeigt ihm auf alle Weife ſeine Ergebenheit. Aber nur dem Herrn ! auf die Diener nahm Ein Stoſs von Ihm, er keine Rückſicht. t acht' er , elektriſir den ganzen Haufen d23033

durch , C 5

Der


A2 Der Andre wuſste ſich aber auch durch Ge. fchenke und kleine Gefälligkeiten die Gunst aller Leute im Hauſe zu erwerben . Was ihtn fein Gönner zugedacht hatte , erhielt er auf der Stelle ; auch konnt er ſogar ſeine ungefähren Launen nutzen . Denn von allein ward cr benachrichtigt . Kaum die unbeträcht lichſte Kleinigkeit Freund 21 Thcil.

hingegen

warid ſeincus

Es kränkte dicſem, daſs er von der Gunft des Manns, den er ſo eifrig dicntc , ſo we. nige wetendliche Vortheile hatte ; daſs aber die Schuld daron blos an den Zwiſchenperſo nen läge, datan daclit' er ric . ihu cinst cin Pekannter.

Da begegnete

Es war des Abends.

Denna klagt er ſeine traurige Lage. Schn Sie cinmal, fiel ihm dicferin die Rede, indem er die Laterne , die er grad bei fich hatte, in die Höhe hob , wie es Ihnen geht ! Durch dieſe Blechfireifes a dringt der Schim . mier des Lichts nur in einzelnen Punktchen : durchs Glas neben an ftralt es in ſeinem vol. len Glanze. So


43 So viel beruht darauf , wer zwiſchen Ihnen und Ihrem Gönner mitten inne ſteht !

Der Zweifel.

WEie gefährlich es iſt, , da noch Mängel zu finden, wo der groſse Haufe die höchfte Voll .

kommenheit anſtaunt, davon nachte der Zwei fel die traurige Erfahrung.

Er hatte übri

gens den Ruhun eines Mannes von Geiſt und Kenntniffen und cines eifrigen Verehrers der Gottheit.

Unbelcholten war fein Charakter

und ausgezeichnet ſeine Beſcheidenheit. Nur bei Dingen, die er noch nicht hinlänglich ein . fah , war cr bedenklicher als er vielleicht follte.

Er

lebte

im

Gebiet

der

'Thco

logie ;


44

logie ; aber da war ihm ſo mancher Wider. ſpruch zwiſchen Lehre und That unerklär bar. Nicht lang ! und er ward als Ketzer und Religionsſpötter in den Bann gethan . – Von hier nahm er ſeine Zuflucht zu den Staats männern ; doch kaum daſs er Mine machte, fich der Decke der politiſchen Geheimniſſe zu nähern, ſo ſchalt man ihn : Rebell ! und es Nun erfolgte die Landesverweiſung . wandte er ſich zu den Gelehrten . Sein ſchar. fes Aug' entdeckte in den Syſtemen über Him. mel und Erde und Menſchen Lücken und min derhaltbare Theile. Noch hatte er ſich nicht völlig darüber erklärt , und ſchon nöthigten ihn Folianten und Federmeſſer , in Sicher Endlich wollt heit fich zu fluchten . er unter dem gemeinen Volke wohnen .

Er

fand die Sitten deſſelben zu rauh, die Einſich . ten zu dürftig. Fort mit dem Schwärmer ! er 'ſchallt es jezt aus allen Hütten , und angeſchlof ſen im Tollhaus ! Dort ſei er weiſe für ſich , nur plag' er nicht andre !

So


45 So war der Biedermann von der geſamm ten Menſchheit ausgeſtoſsen. Umſonſt ,

daſs

er

betheuerte ,

weder

dem Gewiſſen der Religionslehrer , noch Genie der Ruhe des Staats , noch dem der Literatoren , noch den Bedürfniſſen des Volks zu nah getreten zu ſeyn. ihn gar nicht.

Man hörtę

Allgemein verdammt berufte

er fich , im Bewuſstſeyn der Unſchuld , auf das Urtheil des Weltenrichters.

Und nicht

vergebens ! Der Bote der Gottheit

dem

Leidenden ſo erwünſcht als furchtbar dem Ueppigen , ſchon durch ſeinen Namen : Tod ! erhielt Befehl, den Dulder zu hefreien .

Der

Ewige verzieli ihm , wo er gefehlt hatte, und Seligkeit vard ſein Theil. In deren Genuſs’erharrt er am Throne Got . tes den Tag des groſsen Gerichts. Dann wird der Allgerechte im Angeficht aller Völ. ker ſeine Feinde ilin verklagen und ihn fich vertheidigen laſſen , und felbft jene rufen dann aus : Er war unſchuldig ! Seligkeit ſei fein Lohn ! Der


46

1

Der

Eine

Menſch .

Allegorie.

; Die Natur, eine ſehr reiche Wittwc , hatte 1 cinen Sohn , den Geiſt, den ſie unter allen ihren Kindern am zärtlichſten liebte, und am forgfaltigſten erzog. Als er mannbar wore den , vermälte ſie ihn mit einem für ihn ganz gefchafinen Mädchen , der Materie. Ver nunt's war von ſeiner , Wille von ihrer Seite das Einbringen ; und beides fehr anſehn lich. Sie fiengen jetzt die Haushaltung des Lebens mit einander an . Das Gedächt nifs ward Haushofıneifter . Unter ihm ftan den fünf ralehe arbeitfame Bediente , die Die glücklichſte Eintracht zeigte Sinne. ſich als der erſte Vortheil dieſer Anſtalten , und die reicliſten Schätze von Weisheit und Tugend waren der Ertrag.

Hierüber erhielten


T

46 erhielten drei der erfahreriften Männer die Auflicht, der Ehrtrieb , der Nutzen und das Vergnügen .

So herrſchte überall die

ſchönſte Ordnung.

Der Gatte befahl feiner

Gattin als Freund ; fie gehorchť ihm aus Willkühr. Die Diener dienten aus Neigung. Der Hofmeifter war ſparſam , und doch ſchien er nur freigebig. Die Unteraufieher ſchrie . ben diels und jenes vor ; und doch ſchienen fie nur Winke zu geben. Aber leider ! war das Glück auch dieſer Ehe nicht von Dauer ! Sie ward eitel ; und Er ein Schwelger.

Die Bedienten

machten

nun ſchon hier und da Fehler ; und ihr Vor geſetzter vergaſs es zu ahnden , oft bewerke er's auch nicht. Am längſten widerſtand die. ſem Verderben der Ehrtrieb ; doch endlich muſst er weichen , und eine Pandora mic Ue beln nahm ſeine Stelle ein. Von fclbſt ent. fernte fich bald auch der Nutzen ,

Das Ver

gnügen , durch alter und Krankheit entnervt, war lebendig fchon

todt.

Vergeudet war

der Reichthum , verlohren die Ehre, wüſt der

Kopf,


48 Kopf, eingeſchrumpfet das Herz ,

zertreten

das Gewiſſen , verſchwunden die Scham , aus getilgt jede Spur des vorigen Glücks. Buhle. rinnen und Ehebrecher füllten das Haus, und Poffenreiſser unſchwärmten fie. Aber auch von allen Seiten her drängten die Gläubiger Alle übertrugen ſie endlich ihre

fich zu .

Anſprüche der Verzweiflung.

Ihr hatte

ohnedem der Hausherr ſich längſt ſchon ver ſchrieben . Und ſie ſchleppte ihn , gefeſſelt in eherne Bande, hinab ins ewige Gefängniſs des Tartarus. >

Der


Das Weibcrorakel .

Auf dem letztern Reichstage hatte das weiß liche Geſchlecht eine Bittſchrift eingegeben , des Inhalts ; Sie hätten eine Menge von Klug. heitsregeln ,

Hausmitteln ,

Vorbedeutungen

und Geiftergeſchichten nach und nach ausge dacht , in den langen Nächten des vorigen Winters beim Spinnrocken geſammelt, und wünſchten ſie jetzt unter dem Titel : Wej. berorakel, dem Publicum bekannt zu machen. Sie bäten alſo eine hochweiſe Verſammlung um Cenfur und Privilegien. Alle Künfte der Suada, vom entſchleierten Buſen roligter Mäd chen an bis zum himmelaufſchielenden Blicke des Mütterchens, wurden angewandt. Und doch fanden viele Reichsſtände die Forderung Die Ignoranten unſtatthaft und verwegen . muſsten von der weiblichen Panfophie gar nichts wiſſen ! Andre verlangten, die Samm . D lung


so lung müſſe erſt vorgeleſen werden , ehe man Und dieſe Partei drang dagegen ſtimmte.

durch .

Man hörte denn alfo Regeln über

Windeln und Wiegen und Klappern und Hös chen ; Stoſsſeufzerlein gegen Donner uud Ha gel, Beſchreien und Behexen und Liebesträni ke ; Orakel aus ' Bici and Salz und Kaffee . * fatz und allen rothen und ſchwarzen Kalcn . derzeichen ; Rccepte von Kreuzen dreimal in die Queere geſchlagen, von Wurzeln gegra ben um Mitternacht, von Waſſer geſchöpfet an heiligen Abenden , von Sympathie und An tipathie ; Vorbedeutungen durch Träume und Katzen und Hafen und Todtenuhren ; Gefchichten endlich von Kobolden und Ni. sen und allen Raçen Gefpenftern, zum Haut ſchauern ! letzt gewann die Sache ein ganz andres · Ariſehn. Viele Männer hörten hier ihre eigire Arcana tind ihr ganzes Glaubensbekenntniſs bei Nacht.

Sie fanden

nun alles wahr und

fchön und neu . Die Uebrigen gaben aus E kenntlichkeit nach. Dennam meiſten zeichnete fiche


51 fich die weibliche Weisheit in dem

bei

gefiigten Kochbuche aus ; und davon , dach. ten ſie , haben wir ja ſo manchen Genuſs. Das Werk padirte alſo die Cenſur, weil, wie das deshalb ausgefertigte Zeugniſs lautete, Männer daſſelbe thäten....

glaubten

und

Völlig im Druck erſchienen iſt es aber bis jetzt noch nicht. Vielleicht weils zu volumi. nös ift . Neucre Bruchſtücke draus ſind Gül denfalks. hundert Transmutationsgeſchichten und verſchiedne Anecdötchen in den andach tigen Magazinen. Ziehens Chevilla enthält vermuthlich die ſpeculative Kosmologie,

D 2

Theorie


Theorie und

Praxis.

1 Der Staat jhatte beſchloſſen , eine Gränzfe Aung aufzuführen. Glücksburg Collte fie heiß fen . Ein Name, der zugleich ihren Endzweck andeutet ! Eine ungeheure Suinme ward zur den Koſten beſtimmt.

Kaum daſs es bekannt

ward, ſo ftrömten von allen Orten Menſchen herbei, die ihre Dienfte erboten. . Die Staats kunft fchickte Zimmerleute und Steinmetzen ; fie hält viel auf's Behauen ! - Die Philofo phie Drechsler, aus ihrer Realſchule der Lo. gik .

Die Philologie Handlanger.

Die Juris

prudenz, die ſo gern Lücken büſst, Mäurer. Die Medicin Töpfer ; ihre Waare iſt zerbrech lich ! - Die moderne Theologie Glaſer. Der Hof, wo man ſich aufs Miniren und alle Art Artillerie ſo gut verfteht, Stückgieffer. Aus der Gerichtsſtube kamen mit der abgehärteten Fauft die Grobſchiniede ; aus den Kaſernen bramar


53 bramarbaGirten die Schwerdfeger hervor. Dic Bürgerſchaft, gewöhnt an miihſelige Arbeit, lieferte die Ziegelbrenner, die Werkſtätte die Dachdecker, das Theater die Tapezierer. Zu folge der Menge und Verſchiedenheit der Ar beiter hätte man glauben ſollen , es müſſe im kurzen ein herrliches Gebäu , vollkommen von innen und aufſen da ftehn, Und doch fehlt es , als das Werk beginnen ſollte , an nichts als an Arbeitern. Nein ! ſagten , als fie Hand anlegen ſollten , alle befremdet: ar beiten können wir nicht ; nur die Auflicht führten wir immer. Was fie thaten , war ,, Plane und Ueberſchläge machen und Riffe Noch überdieſs widerſprachen

zeichnen .

dieſe fich ſo ſehr, daſs , fie zu prüfen , es ei ner Ewigkeit bedurfte ; und im Preiſe ftauden , nie ſo hoch , daſs fie zu bezahlen die volle, Kaffe bei weitem zu leer war. So unterbleib' alles ! ſprach der erziirnte Bauherr. Und ihr, unwiſſende Praler! mir aus den Augen ! Hun dert Arbeiter gegen einen Baumeifter brauch '

D3 :.

ich ,


54 ich , nicht tauſend Baumeifter gegen

einen

Arbeiter ,

:

Dic

Candidaten des

Adels.

Jüngſt hatten die vier Erbfcinde des Staats, Atheisinus, Wucher, Wolluft und Luxus ei men Clubb . Das Geſpräch fiel auf ihr jetzi. ges Verhältniſs gegen Deutſchland. Ich habe, einen Vorſchlag , nahm der Atheismus nach einigen Minuten Stillſchweigen lachend das Wört, es iſt zwar ſchon lang her , daſs man uns hochſchätzt ; in den beften Häuſern , wo hin -nur die Betſchweſter Tugend font kam, haben wir Zutritt : Da ſind aber noch einige Schwarzröcke und Skribler, genannt Morali ften,


55

die unfrer mit ihrem Gefchwätz nie ln fchonen , Wie? wenn wir ... uns ade ften ,

Jieſien ? Die Koſten ſind ein Spottgeld . Und find wir von und zu ; dann nahe der Pöbel , fich nur !!! Und, wagt er es auch , - an ei fernen Stirnen kumpfen fich die ſchärfften Pfeile ! • dt . Auch halten wir in : Loch eigne Bälle ; und wenn die Bürgerlichen mit bezalt haben

und machen trefliche Mariagen ;

wärs auch, wie jüngſt in Pommern geſchali, mit, dem Säbel in der Fauſt, Herrlich ! Brüderchen, herrlich ! riefen die andern , lezt Geld her ! Im Hui war die Summe voll. , Nun gieng's zum

Finanzdirector ,

der gegenwärtig den

Adelshandel gepachtet hat. Zum Unglück war, er nicht zu Hauſe. Er hatte vor kurzein ei. nen Grafen in den Fürſtenſtand erhoben, und war ſo eben bei ihm , um fürftlich Bauern Schinden zu lernen.

Sein Thürſteher aber,

der Biederfinn ( chmals , eh es Finanzen gab , Verwalter der Staatseinkünfte, bei jetzi. ger Aufklärung kaum zum Thorwartgeſchickt) fragte nach ihrem Anbringen. D4

Sie eröfneten es


36 e's ihm .

Haben Sie dem Lande wichtige

Dienſte geleiſtet oder können Sie es noch ? Was man gereiniglich ſo nennt , nicht : aber rtellere, erwiederte der Atheismus ; ich ver treibe die Göttheit von der Erde , damit die Menfchenkinder die allein haben . Der Wu.. cher : Ich preffe den Reichen die Louisdore, den Armen die Pfennige aus ; ſo wird der Geldumlauf befördert. Der Lutus : Ich bringe die Einwohner an den Bettelſtab ; das macht frugal.

Die Wolluft: Ich ſchwäche Leib und

Geift; - Cultur und Verfeinerung ! Sonach ſteht es gut mit Ihnen. Melden Sie fich wieder. Mein Herr hat ſo ein kleia nes Projectchen , den Staat in den Abgrund zu calculirer ; Sie find , als Männer von Talen. ten , gut dabei zu brauchen . Nächſtens adelt er Sit !


37

Er

hat

Recht.

Der. Biederlinn hatte einige Schurkereien der Groſsen gerügt. Das verwickelte ihn in ei

nen peinlichen Proceſs.

Er muſste fich vor

Gericht ſtellen . Man legte ihni die Puncte der Klage vot, und er erkannte ſie an . Hier fteh ' ich , fügt' er hinzu, Gott helfe mir ! ich kann nicht anders.

1

men.

Man ſammelte die Stim

Der Erfte : Er hat Recht ; der Schwä.

tzer ! aber, ohne vorwitzig zu feyn ,

konnt'

er's nicht erfahren , und, ohne Gefahr für uns, darf ers nicht wiffen . Alſo hinweg ' init ihm. Der Zweite : Er hat Recht ; muſs denn aber die Nachwelt unſre Schwächen kennen ? Der Dritte : Er hat Recht; doch ift's immer ſehr unbeſonnen, die Erften im Staate çu , belcidi, gen .

Der Vierte : Er hat Recht ; allein , wer

fieht gern feine Häſslichkeit geſchildert. Der Fünfte : Er hat Recht ; aber welch ein Wag. hals D5


58 hals das feyn muſs , ſo etwas zu ſagen ! Der Sechfte : Er hat Recht ; beſſer wird es aber doch nicht, wozu nun dieſer Lärm ? Der Sie . bente : Er hat Recht ; aber wer hat ihn zum Richter geſetzt ? wag er ſich um fich kümmern ! Der Achte : Er hatRecht : doch höchftens un ter vier Augen und nicht da vor aller Welt hätte er's fagen ſollen . Der Neunte : Er hat. Recht ; nur nacht er die Sachen árger als fie find .

Der Zehnte : Er hat Recht ; nur mit

einer beſſern Art follte er's geſagt haben . Der Eilfte : Er hat Recht ; aber blos ' der Neid fpricht aus ilım . Der Zwölfte: Er hat Recht; doch wer ſchützt uns nun gegen den Spott des Pö bels ? Endlich ſprach man das Urtheil : Recht hätte er zwar ; nur hätte er ſchweigen ſollen . In Rücklicht auf künftige Befierung folle er Pardon erhalten ; um fein böſes Maul aber doch in etwas zu züchtigen , erkenne ihm die richterliche Milde vierzig Backenfreiche we. niger einen hierinit zu, Er litt fie geduldig , und alles, was er ſprach ,

war : Hab' ich übel


59

übel geredet, ſo beweifet es mir ; hab ' ich aber recht geſagt, warum ſchlaget ihr mich..i Wäre nicht blos vom Bicderſintnc die , ſo follte man meinen , Andreä habe hier die Schickſale der Publicität geweiſlagt.

1

Beitrag zur Zeitgeſchichte.

Die Hummeln klagten , man babe fie aus den Bienenftöcken vertrieben , wo ſie ſchon Jahrhunderte durch gewohnt hätten . Schweigt unnütze Geſchöpfe ! vertheidigten fich Be. klagte , die Käfer : Ihr ſaugtet die Blumen aus, und doch fali' man nie Honig von euch ; nur in freinden ſchwelgtet iır immer. Be . Ichwerlich war allen Nachbarn euer Geſumm und


60 und furchtbar allen euer Stachel.

Die Rich

ter : Und wenn und wie und von wem wur. den, ihr Klager ! die Stöcke einſt euer ? Vor langer langen Iahren , war dic Antwort der Hummeln , wohinten die Bienen darin , eine wehrloſe Gattung Inſecten , und doch unerträglich durch das Geräuſch ihrer tändeln . den Arbeit. Sie muſsten uns weichen. Das Recht des

Stärkern und feierliche Verträge

ſicherten uns im ſo erworbnen Belitz, bis der Käfer Gewaltthätigkeit uns daraus vertrieb. Lobenswürdiges Geſtändniſs ! hohnlächelten dieſe ; ſo richten wir ja nur die Schinach und Unſchuld der Bienen an euch

Aber ſpra

chen die Richter , beſitzen die Bienen ihre Stöcke nun wieder, und ward ihnen der Ho-' nig

erſtattet ?

Keins

von

beiden ,

nahm

jetze der weifefte Kafer das Wort, wofür hät ten wir die Gerechtigkeit " gehandhabt, wäre nicht das vorgefundne unrechte Gut der Lohn unfrer Mühe geweſen ?

Dicfc


61 Dieſe Fabel könnte als Vorrede zur Ge ſchichte mancher Kloftereinziehung dienen .

Die

Anſprüche.

E. ' war eine fette Pfrinde offen worden . Faſt

ſchwebte der letzteHauch dem Sterbenden noch auf der Lippe ; und Schaaren von Candida . ten drängten ſchon fich herbei, Viele erhiel - ten gar kein Gehör, und die Vebrigen alle zu nennen das würde , fürcht' ich , uns eben ſo langweilig ſeyn, als es jeden von i h nen intereſſiren muſste, ſeine Mitbuhļer ken . nen zu lernen . Wir heben die vorzüglich Aten aus, Bei keingen unter ihnen war der Name


63 Name allein ſchon Anſpruch ; allo - blos ihre Anſpriiche !

Ew. Hochwürden geruhen wegen des Faffes Bacharacher, vor dem Hauſe , Befehl zu ge ben ; es iſt freilich kein Tokaier , aber der Herr Präſident fanden ihn nicht ſchlecht. Man hat mich ſo lange vertröſtet ; jetzt nö. thigen mich eine kränkelnde Gattin und acht unerzogne Kinder, zudringlich zu werden . Meine Talente waren ſeither ein vergrab. nes Pfund. Das Beſtreben nach einem ausge breiteten Wirkungskreis iſt Pflicht für mich . Ich hoffe, mir init der Unterſtützung von Seiten meiner Familie nicht vergebens zu ſchmeicheln , Sollte Ew. Magnificenz noch mit einigen Exeinplaren von meiner Denenſelben jüngſt dedicirten Schrift gedient ſeyn, ſo haben Höch dieſelben nur zu befehlen .

Mein Verhältniſs zu meiner Gemeinde ift nicht das angenehmſte ; eine Verſetzung bei gegenwärtiger Gelegenheit würde die ganze Lage der Sachen ändern. Ich


63 Ich beſitze den Schlüſſel

zu

dem Buche

Des Erreurs et de la Verité, 'und mit ihm die " Gewalt über alle Kräfte der Natur.' Dero Forſchen nach Wahrheit iſt mir bekannt. Was Ihnen die Loge in X verweigerte , ' nen Sie von mir erwarten . Der Wunſch, meinem Vater in Amte fol. *gen zu können , ift fehr verzeihlich ; un ſo ' verzeihlicher bei den Uniftanden , in denen er ſeine Witowe ind mehrere Waiſen hinter. licſs. Die Fürſprache fo würdiger Männer , und die Bitte ſelbſt der Einwohner des Orts wer den hoffentlich die gewünſchte Wirkung nicht Verfehlen .

Dürfte ich mir das hohe Urtheil Dero Ma. gnificenz über meine Widerlegungen von le rufalem Semler und Eichhorn unterthanigft ausbitten ? Meine Frau laſst ſich dem Herrn Onkel ut. terthänigft empfehlen, und bittet um Erlaub nifs, Ew . Hochwürden ihre Aufwartung ma *cher zu dürfcu . Mein


64 Mein Freund meldete fich nicht ſelbit, und lieſs fich nicht melden . · Aber einſtim . mig zeigte ihm der Ruf: er ſei ein ächter Chriſt, und doch tolerant felbft gegen Athei ften ; äuſſerſt ftreng in ſeinen Sitten und äul. ſerft ſchonend im Urtheil über andrer Chą. rakter ; gelehrt und beſcheiden :

ein Mann

von vieljähriger Erfahrung und doch aufmerk . ſam ſelbſt auf die Winke des Neulings ; ein Vater der Armen, der Freund ſeiner Kinder, das Ein und alles ſeiner Gattin . So ſchil. derte ihn der Ruhm dem Präſidenten des Col. legiuins, von dem die Beſetzung der Pfründe abhieng. Dieſer verglich das Gemälde mit dem Original, und was an jenem ihm miſs. fiel,

war die fchwächere Darſtellung aller

Schönheiten von dieſein .

Mein Freund er

hielt die Pfründe. Doch nöchigten die übria gen Mitglieder eines hochwürdigen Colle giums Sr. Excellenz. einen Revers ab , daſs ſo etwas als ein Eingriff in ihre Gerechtſane nic wieder geſchehen folle. Denn, ſagten fie und hatten nicht Unrecht, je höher der Werth des

1


65 des Verdienſtes ſteigt, deſto mehr fällt unfre Gunft im Preiſe.

Das Riedgrafs und der Weinſtock.

Ich Ich habe Mitleid mit dir , pralte das hohe Riedgraſs am Rand eines Sumpfes gegen den Weinſtock des angränzenden Hügels.

Dein

Boden iſt ſo dürr und treibſt du ja noch einen Spröſsling, fo kommt der Menſch und ſchnei det ihn ab.

Was er übrig läſst , dient bloſs

dich anzufeffeln . Sogar deine Wurzeln be , unruhigt ſein Karſt. Sich mich ! welch fettes Erdreich ! welch ein Ueberfluſs an Saft! wie ungeſtört mir das alles bleibt !

E

und

Der


66 Der Weinſtock ſchwieg. Es kam der Som mer. Schon dic mildere Wärme hatte das Riedgraſs gewelkt ; denn ausgeſaugt war fei ne Wurzel vom üppigen Stengel. Jetzt glühte die Sonne heiſler. Da vertrocknete der Sumpf und

diirr war das Graſs.

Dic

Heerden von der Weide ſtampften es in den Grind . Der Weinſtock war des trocknen Bo dens gewohnt. Selten erquickte auch ihn jetze ein Regen , aber er hatte des Saftes in fich , Heiter lächelte das Grün ſeiner Blätter , und lieblich blinkten die Trauben drunter hervor. Und im Herbite labt er den Menſchen mit

1

einer Fülle von köſtlichem Getränk ; und er hielt dafür den ſüſſeften Dank :

geliebt zu

werden . Wenn uns kärglich das Glück bedachte, und künftig mannichfach das Schickſal prüft, Muth ! Brüder Jünglinge ! Weinſtocks denken .

laſst uns des

Die


67

Die

Cabale.

Der Hafs der Cabale gegen das Wohl des Staats war jetzt im Begriff in offenbaren Krieg auszubrechen , Aber Sie warb allo. nicht auf öffentlichen Platzen , und nicht je den , der ſich darbot. Ihren Beifall hatte nicht der Muthige , aber der Ränkevolle ; nicht wer laut ſprach , ſondern der Zifcheln. de ; niche der Mann von offner Stirn und fe Item Schritt , nur der Schleicher mit dem erd wärtsgeſenkten Blick . Je niederträchtiger die Seele , je kriechender das Aeuffere , je ver worfner das Geſchöpf überhaupt: deſto hö her ſein Rang in ihrer Gunſt. Wer ſich ihr fo cmpfahl,

den nahm

fe in eine düftre

Höle , wohinab eine Fallthüre brachte. Hier flüſterte ſie ihin noch einige Fragen zu .

Z. B. Ob er den Patrioten der Landes ver


6S verrätherei, den Chriſten des Atheismus , den Märtyrer der Tugend geheimer Lafter ver dächtig zu machen im Stande ſei ? Ob er Freiheit iin Denken und Schreiben zur Sünde gegen

die Menſchheit

und Bigotterie und

Sclavenſinn zum Ideal der Glückſeligkeit um zuſchaffen vermöge ? Ob er mit Küſſen der Liebe vergiften und mit dem Handſchlag der Treue die Bande der Pflicht zerreiſſen kön ne ? Ob er endlich die unbiegſamen Falten der Schurkenphyſiognomie in die Maske ei. nes Grandiſonis zu zwängen , und auf der La ger des Todes die Zuckungen des Gewiſlens, dieſes Vorgefühl der Hölle, ins heitre Lächeln des hinſchlummernden Edlen aufzulöſen fich getraue ? - Die Anzal der erprobten Recru ten aus allen Ständen überſtieg die Erwartung der Cabale ſehr weit. Sie ſchwuren zur Fahne des Eigennutzes und erhielten die Rü. ftung der Bosheit . Und wo ~ fragten jetzt einige Vertraute

die Gebieterin

wo ſtellen wir

uns

in

Schlachtordnung ? Nirgends! war die Antwort. Jeder


69 Jeder bleib? an ſeinem Ort und in ſeinen his herigen Verhältniſſen , und ſei da thậtig für Inich ; dann iſt der Sieg am gewiſſeften unſer.

Euklides. Ein Beitrag zur Literärgefchichte

1

des vorigen

Jahrhunderts ,

Vor dem Zeitalter der Newtone, Leibnitze und Wolfe kan der Euklid das Verlangen an , die cultivirten Länder Europens zu durchrei ſen. Einſt hatte man ihn allgemein verehrt. Jetzt , war ihm geſagt worden , wären die Wiſſenſchaften wieder hergeſtellt. Auch mei nen Namen alſo , dacht' er , wird man mit Ehrfurcht nennen, und lautes Frohlocken muſs

E 3

micha


TO sich überall empfangen . Es iſt doch eines herrliche Sache um den Ruhm ! Schon war er auf der Erde angelangt ; und nun denke man ſich fein Erſtaunen ! Unter tauſenden kannte kauin einer ſeiren Namen ; und dieſer eine wuſste nichts von ihm zu ſa gen , als daſs über ihn zu reden , der Mühe nicht lohne. Das kränkť ihn tief. Doch ! wie konnt' ich auch vom Pöbel etwas erwar . ten ? ſprach er , um ſich ſeine Beſchämung zu verbergen , und gieng nach einem Gymna. fiuin . · Meld' er doch Freund ! dem Herrn Rector, rief er dein erſten zu , der ihm begeg . nete, Euklides ſei vor der Thür. Nun, glaubte er , wird die ſtudirende Jugend mich in Pro cellion , einholen . Beinah reut' es ihn ſchon ſo viele Ungelegenheit veranlaſst zu haben . Der Bote kain zurück.

„ Hier ſchickt ihm der

Herr Rector zwei Kreutzer ,

er wiſſe von

keinem Euklides. ,, Der Mann muſs falſch ge. hört haben , murmelte unter Kopfſchütteln der verblüffte Euklides ; doch , wär's auch , ſo verſtiefs er

immer gegen

den

Wohlſtand. Das


71

! Das verdient Strafe.

Sieht er dieſe Zeichen

mathematiſche Figuren, die der Philoſoph ſo kommt er auſ . ſo eben in den Sand malte ſer fich vor Unwillen , daſs er mich nicht kennen lernte. Leider ſchlug auch dieſc Hof. nung fehl. Bemerkt wurden jene Linien Viereck' und Zirkel vom Rector ſehr bald ; aber nun hielt er den Bettler für einen Zau berer. Man muſst' ihm nachſetzen, er ward eingeholt und ins Gefängniſs geworfen . Kaum daſs durch ſeine Vorbitte ein gerciſe " ter Bürger des Orts , der mechaniſche Werk . zeuge verfertigte , den Unglücklichen vom Feuer zu retten vermochte.

Aufnehmen und ' mit aller Achtung

be

handeln würde man dich gewiſs, kämſt du jetzt zu uns , eitler Euklides. Ob aber dei. ne Verehrer viel mit dir zu ſprechen wüſsten , das müſst' ich erſt hören , eh ichs verſichere.

E 4

Die


72

Die nackte Wahrheit ,

Im Gewand der Natur gieng die Wahrheit unter den Menſchen umher. Schon die Nackt heit ihres tadelloſen Körpers , und ihr feſter fch iminer gleicher Schritt erinnerten jeden der ihr begegnete feiner Flecken und Fehltrit. te ; aber lauter noch thaten es ihre Rügen . Das empfand man aber ſehr übel und Schimpf wörter waren die glimpflichſte feltenfte Ahn dung dieſer Unverſchämtheit. Gemeiniglich drückte ſich die Form der Werkzeuge oder Waffen , die jeder ſo eben bei fich hatte, auf ihrem Körper ab . Narben und Striemen über deckten fie ſchon , als ſie jetzt ihrem alten Freunde Aeſopus begegnete.

Bedauernswür dige ! rief er , von feru noch , ihr zu, warum

wagteſt du dich unter Paviane und Meerka tzen ? Einen Tag noch und du biſt Krüpel! Aber Theurer ! was ſoll ich thun ? war ihre von


73 von Seufzern halb erſtickte Antwort. Schweig ' ich, ſo ruft mir im Buſen, mächtigen Schalls, die Stimme Gottes ! „ Rede!, Red' ich, iniſs handeln mich die Sterblichen. Lispele ich's leiſer, ſo quält mich die Neugier des Vorwi. tzes. Weini'ich, ſo lachen die Buben. Du biſt zu nackend; fo bemerkt man dich inchr. Nin : m diſs Gewand der Fabel und Erzahlung um dich --- du fuhlft dann wenig. fens die Streiche minder . „ Doch wird man durchſchauen ! Kennſt du jene Luchsaugen nicht, die auch im Kieſel Feuerfunken ſpähn ?“ meine Freunde. Aber Wohl kenne ich lie

wenige find ihrer ! und frir dieſe konnteſt du auch nackend ſicher gehn.

E 5

Bruch


* 74

Bruchſtücke.

Erfte

Sammlung .

Thoren und Böſewichter , denen von der Wahrheit das fcheue Ohr gellt, ihr vergleicht die Satyriker mie Hunden ? Das ſei euch ver Alle Mittel der Rache, ſelbſt die wel. che nur ihr gebraucht, euch rauben zu wol. ziehn .

len , wäre grauſam . Aber , dreifache Tho ren , die ihr ſeid ! daſs ihr ſie ſo gern an Ketten legen möchtet.

Je edlerer Art der

Hund ift , defto furchtbarer Dieben und Mör dern macht ihn die Kette. S. 238 . Hoch zu den Sternen hinauf erhaben iſt die Burg der Weisheit.

Man überſchaut unter

fich die ganze Fläche der Erde, und über ſich hört man die Harmonie der Sphären . Das wiffen die Gelehrten .

Da klimmen ſie denn ·

' nun auf irgend einen Hügel, und wähnen hcrab . zu ſchavien durch die Wolken , und Wipfel von Bäumen ſind es, die ihnen die

Erde


75 Erde verhüllen .

Sie ſtehn den Wolken zu

nah, um die Erde betrachten zu können ; undi um die Himmel zu hören , ſind fic voin Stau . be zu wenig entfernt. S. 58 . Im groſsen Spitale der Welt wird dic Nah. rung auf einer Wage gewogen . Und wun . derbar iſt die Gleichheit der Verhältnife. Mag die eine Schale der Mühſeligkeit noch ſo viel in fich enthalten : der da wägt, weiſs in die andre von Einbildung, Sinnlichkeit, Gei . fteskraft, Gewalt,Reichthum , Ehre, Schlafticht oder Eſslust genau ſo viel zu legen , daſs je. der ſein Theil für's beſte hält ; bis slie Ur holdin Neid zu ihm geſchlichen kommt. Von ilir lernt er fich mit andern vergleichen, die Gerechtigkeit des Austheilers bekritteln und fich unglücklich machen . S. 122 . Jſolirt ſei der Atheiſt und er betet ; der Blutſauger und er iſt gerecht ; der Dumukopf und er macht den Denker. Aber laſst ſie ſich vereinen , und — Frömmigkeit, Gerechtigkeit uud Willenſchaft find todeswürdige Verbre chen . S. 64. Wie


76 Wie du lehrft ſo handle, wie du fichft fo urtheile, wie du liefert fo verſteh, wie du liebſt ſo bilf, wie du haft ſo gieb , wie du denkſt ſo ſprich : lautet das Geſetz der Weisheit. Welch einförmiges

Ganze wäre dann

das

Leben ! rufen ihre einfichtsvollern Schüler, zum Glück iſt es nicht ſo . Andre lehren andre handeln , andre fehn andre urtheilen , andre leſen andre verſtehn ,

andre lieben

andre helfen , andre haben andre geben , an dre denken andre ſprechen . So wird jeder einzele Zweck erreicht , und doch im Gan zen , welche unterhaltende Mannichfaltigkeit !

S. 49. Wie viel iſt wohl Unterſchied zwiſchen ei. sem

Höflinge und jenem Tollhäusler , der,

um

in

die Lüfte ſich zu erheben , auf das

Dach eines hohen Pallaftes ſtieg , in der Hof nung vom ſtarken Rauche der Eſſen empor getragen zu werden ? Mit Lebensgefahr klimmt er hinauf, oben verdarb ihm der Rauch das Geſicht, und -trug ihn nicht mit empor. Am ganzen Körper beſchädigt, von den Zuſchauern ver:

1


‫לל‬ verſpottet oder bemitleidet , gelangt' er küm . merlich wieder herunter. Ihn brachte nian doch nun an den Ort ſeiner Beſtimmung ; jener bleibt der Willkühr des Ungefährs überlaſſen . S. 133 . Alles iſt für Geld zu haben , und faſt nur für Geld .

Für Geld

feil ift Religion und

Gerechtigkeit, für Geld die Würden und der Anſpruch auf Würden ,

Kenntniffe.

Liebe,

Freundſchaft, Macht , Freiheit, Adel, Geſund alles um Gold ! Wie heit , und Leben unglücklich niuſs alſo die Armuth ſeyn ! und doch wie glücklich iſt fie ! Sie ift fromm ohne Heilsordnung, bieder ohne Rechtspflege, .

ehrwürdig ohne Rang , von gefundem Urtheil

1

ohne Gelehrſamkeit; iſt, ohne die Erlaubniſs dazu erkauft zu haben , geliebter , mächtiger, freier , edler , geſunder , als wir ; eben des

:

;

halb , weil ſie die Erlaubniſs es zu ſeyn , nicht gekauft hat. S. 65 . Begleite fie in das Innre ihrer Wohnungen ,

16 11

die Ideale der Tugend, die ſich auf geiſtlichen und weltlichen Lehrſtühlen als Muſter dir

11 dar


78 darſtellen .

Du fichſt dann in ihnen jene

Schönheiten , weiche , find fie in Schlatge mach , die Reize, womit fie in der Affemblce bezauberten , Büchſen und Schächtelchen an . vertrauen, und bis zum Morgen weniger noch als allcügliche Weiber find. S. 139.

Man ſagt , unſer Leben ſei das Wandeln in einem Irrgang.

Ja ! Was es aber eigen hat,

iſt , daſs alle feine Kriimmen faſt immer nur dazu dienen , den lilger wieder dorthin ' zu führen, von wo er ausgieng. Der Gleichgil tige wird neugierig ; neugierig beobachtet er ; alles unterwirft er nun ſeinem Urtheil, darob wandelt ihn Schwindel an , und glücklich preiſst er fich , kann er wieder zur Gleichgül tigkeit gelangen . Der Dürftige muſs arbeiten ; Arbeit erwirbt ihm Reichthum ; durch Reich. thum wird er übermüthig ; Uebermuth macht ihn zuin Verſchwender , und Verſchwendung ftöſst ihn in die vorige Dürftigkeit zurück. Der Unwiffende lernt, unterſucht, dünkt ſich alles einzuſehn , wagt ſich an alles , irrt und irrt wicder , und geſteht, er wille nichts. Der Sclay


79 Sclav wird frei ,

dann Herr , dann Despot ;

fällt, muſs ſich nach andern richten , und iſt zuletzt wieder Sclav. S. 173 . Ihr Glanz Unſre Schriftchen ſind Blitze. ſchafft hellen Tag ; im Hui aber iſt er dahin . Die Bücher unſrer Väter glichen dem Mond . Sanfter war ihr Licht , aber es ſcheinet noch heut. Doch beider Einfluſs auf die Menſch heit genau zu beſtimmen ,das dürfte nur wa. gen , weffen Blick , extenſive und intenſive Kraft und Würkung auf Jahrhunderte hinaus verfolgen könnte.

Gieb dem Blinden die beſten Augengläſer, und er ſieht doch nichts . Mag der Gelehrte glauben , er könne noch ſo viel auf ſeine Lo. gik und Acſthetik rechnen ! hat ihm nicht die Natur bei ſeiner Geburt wohlthätig die Au . gen des Geiſtes berührt , hat nicht manche andre Wiſſenſchaft ihm ſie geſtärkt: ſo ftöſst der Myop um ſo öftrer an , je fichrer er ſich auf jene Augengläſer für Scharfſichtige ver. liefi.

Der !


80

Der

Triumph.

Blick eines Sehers in die Nachwelt.

Freiheit und Unſchuld waren endlich beſiegt und der Despotismus hielt in die Stadt der ſieben Hügel einen römiſchen Einzug . Es war am Tage der Blutlihuldenfeier des Men fchengeſchlechts.

Eine lange Proceſſion

von Druiden und Afſallinen gieng dem Sieger entgegen Der Zug kam . Voran Gemälde von der Bartholomäusnacht , Scenen aus der Geſchich te des Edicts von Nantes, und aus der Bekeh rung Ainericas, Autodafees und des Duc d'Al. ba Wappen in erhabner Arbeit,

Dann die

Spolien von der Freiheit und mancherlei Beute aus den Hütten der Unſchuld , ſämtlich in Blute

gewaſchen .

Hoch hervor aus

dem Haufen ragten nun die Geſchenke des finſtern Unterreichs , die geweihten Schwerd ter


81 ter des Mörders vom Anfang und die Pech kränze der Hölle. Hinter ihnen kamen Läminer , an Stricke gekuppelt und Kä fichte mit girrenden Tauben . Feile Sclaven , die ſich Prieſter der Geſchichte nann . ten , jauchzten unter Trompeten- und Pau. ckenſchall, Siegsgeſänge und Lügen . Eine unabſehbare Heerde von muthigen Löwen , wachen Hunden , arbeitfamnen Stic ren und edlen Roſſen ward hinter ihnen her getrieben , pfer.

der Göttin Verzagtheit zuin () .

Mord in Auge und Blut an der Fauſt

fchritten die treuen Diener des Despotis inu's einher: Manches Land von Europa

würde erröthen , neinte ich die, welche mein Blick hier erkannte. Aber ich ſah unter ih nen auch Märner aus einem Volke , das mir ſo theuer iſt laſst mich ſeufzen und ſchirei. ģen !

In eherne Feffeln gekrümint folgten die Gefangnen ; je zwei und zwei . Ári ihrer Spitze : Religion und Tugend, Freiheit und Edellinn , Wohlfeyn und Selbſtgefühl, Hohnlachend Weisheit und Freimuth , F prang


82 prangten hinter ihnen des Siegers Günft linge: Ragion di fato , le plaifir du Roi, Machtſpruch , Geſetzloſigkeit , Gewohnheit und Gewalt , auf ſtolzen Roſſen .

Purpur be .

kleidete fie und um ihr Haupt wanden ſich Eine ſüſstönende Kränze von Stechpalmen Muſik wirbelte aus dem nächſten Haufen , der aus Schmeichlern , Kupplern , Zeitungs ſchreibern und Dichtern beſtand , laut em por. finn ,

Zwei Schergen , Beifall und Sclaven verkündigten den nahenden Selbft

Acht Tieger zogen ihn .1 Sein Haupt , von Menſchenblut trunken , wankte herrſcher.

unter einer Krone aus Dolchſpitzen künſtlich gefertigt.

Der Thron , auf dem er fich brü..

ftete , hatte die Geſtalt eines Scheiterhaufens. Sein Gewand war das Gewand der Nacht, von Blutflecken furchtbar durchglänzt.

Um ihn

her lagen Todesurtheile , Lettres de cachet Zuletzt der Trofs und Contributionsliften . von Freigelaſsnen ; unter denen fich die Angehörigen der Intoleranz Verftellumg und Ränkeſuclit beſonders auszeichneten . So


83 So gieng der Zug in die Burg der Grau . ſamkeit. Dem Volke wurden Freiheitsbriefe zur Zügelloſigkeit in reicher Spende ausge. worfen . Ein lautes : Es lebe der Kö . nig !!! erſchallte, zu Ehren ſeiner allgewal tigſten Majeſtät , von zehnmalhunderttauſend zum Todtfehlag

nen.

beſoldeter Menſchmaſchi

Der Geift der Finferniſs erhielt ein

prächtiges Opfer an einer Million Blutzeu gen der Wahrheit und ein Gaftin al in ca. raibiſchem Gout befchilofs die Feierlichkeit,

} Wir


84

Wir und

Sie.

Die Vorzeit begegnete der Gegenwart.

Je

ne , eine würdige Matrone, war mic ſchmack , doch fehr einfach gekleidet.

Ge In

ihrer Enkelin aber fand fie ein leichtfertiges buhleriſches Dirnchen , an welcher ihr der bunte Flitterftaat eben ſo stark auffallen muſste als das üppige Trager. des Körpers, der alle Künfte der Verführung ftudirt zu ha ben ſchien , und zu jeder Art von Genuſs ein. lud.

Sie konnte ſich nicht enthalten , ihre

Unzufriedenheit zu äuſſern .

Doch Gewandt.

heit der Zunge war auch nicht das letzte ge weſen , worauf das Töchterchen fich befliffen hatte. . „ Aber Mama ! welch ein Mangel an Schönheitsgefühl! welche bäuriſche Einfalt! wie ſo gar altfränkiſch das geſprochen war.“ So begann ſich der Strom ihrer Rede zu er. gieſsen , und lange lange ergoſs er unaufhalt bar


85 bar fich fort. Kurz Mama ! waren die letzten Töne ihrer ſchnellen Zunge , die bis jetzt nicht einmal ein voller Odeinzug auf eine Se cunde gehemmthatte, kurz ! fie müffen es erkennen , wie gebildet mein A euſſeres , wie verfeinert mein Geift ift. Mein Witz Ó ! der hat fie gewiſs längſt entzückt , und wein Körper - o ſehn fie ! ſehin fie ! In zehn Mi nuten hatte ſie alle ihre Künſte geniacht, und doch iſt deren Namen Legion .

Gemach Toch.

ter ! ſprach jetzt die eroſte Vorzeit. Zeige fie ? mir einzeln jene Vorzüge, deren ich entbehrt haben ſoll. Mamſell fand das zu methodiſch zu ennuyant, Nur nach langem Weigern ver. ftand fie fich dazu. Da lief denn alles endlich auf ein gewiſſes geziertes, geſchraubtes, täu ſchendes , unnatürliches Weſen hinaus , fiir deflen einzele Aeufſerungen fie keinen Na men , geſchweige eine ächte Empfehlung auf. zufinden im Stande war.

1

Dirne ! ! ! erwiederte voll Unwillen und

1 Verachtung die Mutter.

Das alſo iſt deine

geprahlte Glückſeligkeit ? dieſs die Fortſchritte F3 des


86 des menſchlichen Geiftes zur Vollkommenkeit ? Als hätt' ich davon nie gewuſst !

O ! ich

ſchwöre dir zu : oft dacht ich mir dieſe Thorheiten , aber bald erkannt' ich fie da . für ; oft verſucht' ich ähnliche, bald aber fand ich fie unnütz ; oft nahm ich gleiche auf, aber bald verftiefs ich fie wieder. Und erprobte Erfahrung lehrte mich endlich : nichts fei für Menſchenglück fichrer an Dauer , ergiebiger an Vergnügen , reicher an Vortheilen , hin würkender auf die Seligkeit der Zukunft , als Natur und Wahrheit.

Mittel


87

Mittel zur Gröſse.

Ein neuer Grandiſon hatte den Gipfel voll kommuner Glückſeligkeit erſtiegen, und genoſs jetzt iin Tempel des Ruhms der ſüſsen Ruhe. Andre lockte daſſelbe Ziel ; aber fie waren mochte Mangel an Willen oder an Kraft die noch weit unten. Sehr na Schuld haben

türlich demnach, daſs ſie den Sieg ihres glück lichern Gefährten jedem Mittel zuſchrieben , nur grad dem rechten nicht ! „ Es begünſtigten ihn die vortheilhafteſten Umſtände als er ſeinen Weg antrat.“ „Das blinde Glück faſst ihn von ungefähr ; da ſprach es : Folge mir ! er folgt ihm und ſtand oben . “ „ Man weiſs, wie viel er der Unterſtützung ſeiner Gönner zu danken hat ! "

„ Er wäre nicht was er iſt , ohne den hülf reichen Arm ſeiner Freunde . “ F 4

Mit


88 Mit Lächeln vernahım der Beneidete dieſe ụnd ähnliche Aeuſſerungen der Miſsgunſt, die fich für Verſuche in der Cauſalphilofophie ausgaben Lang ſchwieg er, Endlich aber hub er einſt an : So hört es denn von mir, welche Stufen zuin Tempel des Ruhms mich trugen . Die Vernachläfligung bildetę meine Talente ; denn da niemand mich leitete , ſo muſst ich eignes Gangs zu gehn mich üben. Meine Fertigkeiten

dank ' ich der Armuth,

Sie verſagte mir den Unterhalt , hatt ' ich ihn nicht in fauerin Schweiſs' erarbeitet. Meinen Charakter formte die Verläuindung. Mit hundert Augen beobachtete fie mich und all ihre tauſend Zungen ſchwatzten von

mir.

Nur Gutes alſo durft? ich jene ſehn laffen , ſollten dieſe nur Liigen plaudern . Man fand geringfügig was ich that. So erhielt mich durch den Zwang, ſie zu beſchämen , die Miſs, gunft in raſtloſer Thätigkeit . Der Wohlſtand meines Vermögens ſchreibt ſich vom Undank her. Dieſer machte mich miſstrauiſch gegen alle , und ich verſchwendete nun nichts an Un .


89 Unwürdige.

Meine Geſundheit endlich ward

durch die Giftmiſcherei der Leidenſchaften crhalten ; denn aus Vorſicht genoſs ich auch dieſer ihre ſchwächenden Sülligkeiten nicht. Seinen Blick ganz von dem Glücklichen zu wenden, wie hätte das der Neid verinocht ? Aber er kleidetę nun ſein Gefühle in die Sprache des Mitleids.

„ Der arme Mann !

was er hat dulden müſſen ! kaum lohnt der Ertrag die Mühſeligkeit des Erwerbs !

Die

Schreibtafeln .

1

Auf der letztern Meffe hatte jemand Schreib . tafeln feil. Des hohen Preiſses ungeachtet fanden ſie wegen ihrer Eleganz und anſchei. nenden Bequemlichkeit viele Käufer. FS

Aber ; bald


90 bald ward der Handel damit unterſagt. Denn was man drauf ſchrieb , konnte nicht nur leicht ausgelöſcht werden, ſondern verſchwand von felbft, indemn alle Blätter mit einer ätzenden Ma terie beſtrichen waren. Schreibtafeln braucht man Sachen aufzumerken , die ſich am leichte ften vergeſſen . Die Käufer hatten alſo die Vor fchriften der Religion , die Erinnerungen der Natur und anerkannte Fehler ihrer Sittlich keit drin eingetragen. Traf fie irgend ein widriger Zufall , das heiſst, dachten ſie an fich

4

und die Gottheit, und wollten nun von ihrem Souvenir Gebrauch machen , ſo fanden ſie leere Blätter . Ward dann allmählig jeder Ge. danke an Religion und Würde der Menſch heit aus ihrer Seele getilgt, war jetzt ihr Le. ben ein Chaos von Lafter und Unglück ; ſa gaben die Freunde der Unglücklichen den treulofen Schreibtafeln die Schuld. Gleich wohl war inan bereits an deren Gebrauch zu ſehr gewöhnt, um fie völlig abſchaffen zu können. Endlich fand ein erfabrner Greifs dieſe Auskunft: „ Jene ſchädlichen Blätter kön nen

1


91 nen dem Wohle des Ganzen und der Ruhe je." des Beſitzers aufſerft vortheilhaft werden. Man merke ſich die Verſprechen der Gönner und die Beleidigungen der Feinde drin an .'

Der

Dünkele

Der Dünkel, dieſs ſelbtlüchtige förrige Ge. ſchöpf iſt ſo unglücklich ! und doch hat und will er kein Mitleid.

Mag er in noch ſo una

wegſame Wüften ſich verirren , weit ab von den ebnen Pfaden der Natur , ſein Weg iſt der einzige rechte ! Du warnſt ihn ; ein lautes Hohngelächter wird dir zur Antwort: Vor Augen zeigſt du ihm die Gefahr; er ſieht fie und fchreitet ſeitwärts ; aber bündigſt be weiſst er dir , daſs keine da war,

Dui er bie


92 bieteſt dich ihm zum Wegweiſer auf eine eb nere Straſse ; feine mühſamen Schritte ver . doppeln fich .

Du nimmſt ihn bei der Hand ;

er reiſst ſich los und -

giengſt du mit ihm

zehn Fuſs weiter jenſeits, ſo ſtürzte dieſer ſein gewaltſamer Stofs dich in den Abgrund.

Er

hört die Harmonien der Sterne ; ſein Blick überſchaut die Erde bis in den Mittelpunct ; er kennt genau den Boden des Meers. Wic follt er deiner , eines Menſcheri auffer ihm, bedürfen ? Er iſt Prophet und Staatsmann und Arzt und Philofoph und Künſtler. Zwar weifſagt er ohne Erfolg , und ſtiftet Republi ken ohne Menſchen , und heilt ohne Mittel, und denkt ohne Gehirn und arbeitet ohne Werkzeug : aber dafür iſt er unabhängig von allem , was Menſch heiſst , und bedarf zu fei nen . Unternehmungen nur ſeines Willens

!

Er

ift fich ſelbſt das höchſte Gut und der Inbe.

1 griff der Dinge. Alle fpotten ſein und alle verachtet auch cr . Aber eine Dienerin hat er , mit dieſer

theilt er Haus und Herz ; was ihr gefällt, geo : fällt

1 1 1


1 93 fällt auch ihm , und was ſie gebeut vollzieht er. Es iſt die Gewohnheit. Ihr klagt er's, ſo oft er ſich verirrte und ſo oft er fiel. Muth ! Lieber ! lächelt ſie dann und küſst ihn. Geſchah's doch oft ſchon und ſchadete dir nichts. Laſs dich's nicht kümmern und wan. dle fürder deinen Weg zum Glück.

Und er

wandelt fürder ſeinen Weg zuin Glück. Einft Atürzt er in den Abgrund unabſehbaren Un glücks. Fürchterlich begrüſst ihn dort unten die Selbfterl'enntniſs mit : Wehe , wehe über wehe , wehe über mich !!! dich ! und jammernd finkt er in den grauſen Arm des Todes !

1 i Der


94 1 Der

Mantel.

1

Ein Kopfhänger kam in ein Gewölbe , wo Kleider feil waren , und verlangte einen Man . tel . Man zeigte ihm deren verſchiedne vor , aber keiner war ihm recht. „ Ich brauche einen ,

der auf dieſer Seite ſchwarz ,

auf

der andern weiſs, übrigens von einerlei Tuch ift.“ Sonderbar ! ſagte der Kaufmann . Ih rem Geſicht nach muſs ich ſie für einen Bie. ' dermann halten, und ſie verlangen da ſoll ich ſagen ? frei heraus ! menrock .

wie

einen Schel

Aber mein Gott ! erwiederte der

Käufer und lächelte dazu unter feinen dicken Augenbraunen ſüſslich hervor ,

aber mein

Gott ! guter lieber Mann ! wiſſen Sie denn gar nicht, in was für einer Welt wir leben ? Mit einer Tracht konimen Sie nicht fort! Einen andern Rock verlangt die Kanzel, einen an dern das Kaffeehaus , einen andern die Ge richts

.


95 richtsſtube , einen andern das Schreibzinimer , einen andern das Kacheder , einen andern das Muſeum , einen andern die Affemblee , einen Begegnen ihaen andern das Schlafgemach. in fünf Minuten hinter einander zehn Men . ſchen , ſo kann ſich's treffen , fie müffen zehn Kann wohl feyn !

inal den Rock unkehren .

murmelte der Kaufmenn, ein ſchlichter Deut ſcher, aber holt Sie der Teufel im ſchwarzen Mantel , was hilft ihnen da der weiſse ?

Edict

der

Weisheit.

Die Weisheit berathſchlagte mit ihren Ver trauten : Wahrheit, Freifinn , Ernſt und Edel. muth über die Mittel zum Glück für den

i Menſchen. Er glaube nichts ohneGrund ! be gann


96 gann die Wahrheit.

Nichts verſchweig' er

ſclaviſch ! ſprach der Freifinn . Obne Bedacht muſs er nichts unternehmen der Ernſt. Er dulde ohne zu wiminern ! war die Stimme des Edelmuths.

Und ,

ſetzte die Weisheit

hinzu nichts ſei ihm neu !

Da vereinigten fie

fich denn endlich zu folgender Anweiſung zur Glückſeligkeit für fichen :

alle Menu

Forſche nie zu tief nach den Urſachen der Dinge ; blicke nie zu hoch auf nach ihrer äuſlerfteri Würkung . Sei für die Gegenwart nicht weiſer als du follit ,

Wenige Güter

ſeien Gegenſtände für deine Neigungen ; und keines verfuhre, dich ; feinethalb ins Ganze eingreifen zu wollen.

Alles beobachte.

We

nige wähle dir zu deiner Welt ; das Urtheil der Menge überhöre.

Zürze nie , und willt

du dich rächen , ſo fei's durch Lachen. Deine Wolluſt befteh in der Ueberzeugung : nichts ſei in dieſem Chaos von ſchmerzlichen Freu. den ' und frohen Leiden deiner Wünſche oder Beſorgnifle würdig .

Nichts groſs und ſchön und


97

1

und bleibend ! Nichts gewiſs als dieſs einzige; daſs alles Irrdiſche ungewiſs iſt,

Eine Erzählung vom Jahr 2440,

Man weiſs , daſs unſer Zeitalter fand, was alle Jahrhunderte fuchten ; immer aber mit verlohrnem Aufwande von Koſten und Men Die Länder am Süd- und Nordpol ſchen . Aus den Nachrichten unſrer

find entdeckt.

Columbe iſt es bekannt,

welche Barbarei

fich dort vorfand, Religion , Sittlichkeit und Staatsverfaſſung var bei ihnen --- ganz anders als bei uns,

Europa nahm den lebhafteſten unglücklichen Schickſale ſo vieler DICTIOTHECA

Anthsil an dem

REGIA HOSACENSIS


98

vieler Millionen.

Man eilte, ihnen alle Hülfs.

mittel der Cultur zu verſchaffen , und lehrte fie deren Gebrauch .

Die Mächtigern der Na .

tionen machten fehr bald die glücklichſten Fortſchritte zur Aufklärung. Bündiger Be. weiſs davon war ihr Betragen gegen das Volk . Sonst dienten fie ihn als erwählte An führer : Despoten.

jetzt wurden ſie deſſen tyranniſche Glauben, forſchen , gebieten , ge

horchen , ſchmauſsen , faſten , leben, ſterben , alles hieng von ihrew Winke nun ab. Widerſtand gegen fie war um ſo ſchwerer, je ſpäter man bemerkt hatte , daſs er nöthig fci,

Die Kraft des Volks war bereits äuſserſt

geſchwächt. Doch erhöhere Klugheit und An ftrengung ſie wieder. Sie kämpfte nun geu

gen ihre Unterdrücker und ſiegte. Das Joch ward zerbrochen , und frei das Volk wie eh mals . Jetzt wollt' es den Lehrern feiner Fürften danken . Da fandt es ein Gemälde nach Europa , das folgende Gruppen enthielt : Der Wolf weidet die Schafe ; ein Fuchs pre digt Gänſen ; Fröſche vom Storch angeführt ; der


'99 der Kater , Richter zwiſchen zwei Mäufen , der Hund convoyirt einen Trupp Haſen . Dic Unterſchrift hicſs : CVLTVR,

Literäriſche

Polizei.

Jünget war ein Landtag in der Gelehrten . republik.

Da erſchien ein Weib in Ketten ,

die bat vorgelaften zu werden.

Man hielt ſie

dem Anzuge und Eiſengeſchmeide nach , für einen Flüchtling aus der türkiſchen Sklaverei. Es ward ihr ein Almoſen angeboten , ſchlug es aus . Ich geh Ihnen Edle Verfammelte !

ani, als Sie vermuthen .

Sie

näher

Mein Name iſt Bib.

liothek , und mein Geſuch inuſs Ihnen fo

G2

wich


ICO

wichtig ſeyn als mir.

Ich bin zur Gefangen

ſchaft verdammt; niemanden darf ich ſehn , und wenige nur fehn mich durchs Gitter. Ewiger Krieg gegen die Motten iſt mein Ge ſchäft; und als Geſellſchafter ſchwirren mir die Fledermäuſe um die Ohren . Doch ! das Man feſſelt fei ! ich liebe die Einſamkeit. mich an ; Riegel und Schlöffer verſperren den Zugang , und zeigt man mich irgend einem Fremdling , ſo wird mein altfränkiſcher zer riſsner Anzug durch ſeinen Spott ein neuer Gegenſtand der Kränkung für mich. Auch diefs noch wollt' ich dulden. Aber, daſs ich in meinem düſtern Kerker bei alten Pedanten ſchulmeiſtern

muſs ,

daſs mein Unterricht

blos zu Doctordisputationen , Schulprogram men und Synodalſchreiben verſchwendet wird , höchſtens noch die rüſtigen Finger eines Meſs. polygraphen beflügelt - das vermag ich län ger nicht zu tragen . Die Repräſentanten einiger deutſchen Uni. verſitätsſtädte fanden dieſe Klagen völlig un gegründet.

Man belehrte fie uber bald , daſs G ***


JOI G*** L** I** H** und wenige andre eine feltne Ausnahme machten . Bei weitem der gröſre Theil der Anweſenden , beſonders Reichs- und Reſidenzſtädter und Deputirte von Klöſtern verſicherten , im Ganzen ſei dies das Schickſal der Klägerin . Nur habe ſie es in etwas übertrieben . Aber gute Frau ! nahm jetzt ein alter Anwald , zugleich ſeines Orts Bibliothekar , im Namen der übrigen das Wort - das gemeine Beſte und die Be - 4 quemlichkeit der Aufſeher verlangen dieſe Einrichtung. Die Herrn Gelehrten ſind zu wilsbegierig ;

ihre ewigen Fragen würden

dir bald überläſtig werden .

Sie ſind zu un

vorſichtig ; Beiſpiele giebt der häufige Miſs brauch den man oft ſchon von deinem Unter . richte gemacht hat.

Sie ſind zu ſehr Liebha

ber , um nicht dieſs und jenes vielleicht zu entwenden ; und — das wichtigſte – fie find ſo unachtſam , daſs deine ſchönen Kleider leicht fleckig werden könnten. Die Biblio thek machte eine tiefe Verbeugung :

„Mit

dem innigſten Dank erkenn ich ihre Sorgfalt für G 3


IO2

für meine und

meiner Freunde Sicherheit.

Strenger könnte die Polizei nicht ſeyn , und wäre meine Wohnung ein Aufenthalt von Freudenmädchen ; genauer nicht ihre gütige Sorgfalt und hätte ich in jedem meiner Freun de einen geſchwornen Verderber zu fiirchten. Sie ſprach's und gieng in ihr Gefängniſs zurück . Gern hätte man fie durch die Schaar.. wache begleiten laffen .

Aber dieſe hatte

nie gehört, wo es fei, und den Richtern war's zum Unglück längſt wieder entfallen .

Das Auto da Fe. 1 1

Es ergieng aus dem geheimen Cabinet der Heuchelei ein Befehl, alle verbotnen Bücher zu vertilgen .

Man errichtete alſo einen 111l

ge


' 103 geheuern Scheiterhaufen.

Neben an ward

eine Art von Bühne gebaut , und von da her. ab das Verzeichniſs der ketzeriſchen ſeelen verpeſtenden Schriften vorgeleſen. Es war ſo beträchtlich , als man es bei den jetzigen Zei. ten des Abfalls vermuthen kann. Ich zeich nete mir die Titel von einigen auf. find fie :

Hier

Erweis , daſs die Fürſten Gott Rechenſchaft ablegen müſſen

Ahitophel , eine Tragödie.

Sr.' Excellenz

dem Premierminiſter , Grafen von Ab- y z zugeeignet. Von den Vorzügen des Lebens vor der Lehre.

Dic Vorrede zu einem chriſtlichen

Religionsſyſtem beſonders abgedruckt. Preiscourante des Menſchenbluts zum Ge. brauch der Lieferanten nach Amerika. Ueber die Eingeſchränktheit des menſchli chen Verſtandes. Eine antimetaphyfifehe Vorleſung. Geſchichte der Verirrungen des menſchli chen Herzens, hundert Foliobände.

G4

Ob


104 Ob irgend eine Art von Tauſchung dem Volk zutraglich fei ?

Beantwortet im Namen

einer Loge Exjeſuiten . Von dem Inhalte der hier genannten Schrif. ten läſst ſich auf die übrigen ſchlieſsen. Zu. gleich erräth man ihr Schickſal . Sie wurden als meuteriſch , planlos und ſchwärmeriſch ſämtlich ins Feuer geworfen. Schüchtern verbarg jezt ein frommer Laie unter den Zuſchauern ſeine Bibel im Buſen . Denî , flüſterte er ſeinem Nachbar ins Ohr, wie würde es ihr erſt ergehn , da ſie alle jene Rügen zuſainmen in fich enthält.

Das

hörte ein Geheimreferent des hohen Colle. giums, der unter den Haufen geſchlichert war , Ketzer ausfindig zu machen . Da ſprach er lächelnd , zwar leiſe für ſich , doch laut genug , daſs ichs hörte ! O des Thoren ! wofür hätten wir unſre eigne Hermenevtik, ſollten wir noch die Ausſprüche der Offenba fung fürchten ?

Er


105

Er

allein .

Egoismus , nicht eben ausgezeichnet durch Geburt und minder noch durch Talente, hatte einen glücklicken Augenblick liftig benutzt, und war nun das Factotum des Fürſten . Nicht ſeine Schmeichler nur ſagten ihm :: er ſei Kopf, Herz , Mund und Hand des Regenten : die Wahrheit dieſes Zeugnifles ward vom ganzen Lande befeufzt. Was , auch als Ge. ſchäft für Mehrere, nie in ſeinem ganzen Um fang ausgeführt werden kann , das war bei ihm , durch ein :

So will ich's ! gethan.

Ob er darauf abgezweckt hatte , weiſs ich nicht ; aber ſein war im kurzen das Mark des Landes . Furchtbar war nun dem Herrn ſeine Macht , läſtig den Freunden ſein Stolz, und unerträglich der Volke,das Joch der Be Er aber faſs auf dem nimmer drückung. wankenden Throne des höchften G5

Glücks ; und


106 und wiegte im Schooſse die ben ſeine Kinder.

künftigen Er

So dinkt es ihm , und er hatte nicht be. merkt , daſs ſein Thron , von ihm

allein er

baut , Kartenbau ſei, und von ihm allein be wacht , Speiſe der Holzwürmer worden war,

1

Das morſche Gerüft ſtürzte zuſammen , und die Glieder des zerſtümmelten Leichnamis fanden in den Trümmern ihr Grab.

Dürftig

war das Vergnügen aus ſeinen Unthaten ; un ermeſslich find deren rächende Qualen in je ner Welt : kurze Zeit erklang ſein Ruf; ewig hallt ſeine Schande wieder.

Der


107

Der Religionsvereiniger.

Ein Augur, ein Rabbi , ein Derwiſch und ein Meſsprieſter trafen ſich -- der Himmel weiſs wie ! an einein Orte. Dem erſten Bli eke , den jeder auf einen der Uebrigen warf, folgten Vorwürfe über Stumpflinn und Be trug , die jeder dem andern zurückgab . Nur 1 Der meinte keiner , daſs Ge ihn trafen . Heide muſste fich alſo an ſeine Mythologie, der Jud' an den Talmud, der Moslem an den Koran und der Päpſtler an die Heiligenle gende erinnern laſſen . Jeder fand drei dieſer Bücher äuſserſt abgeſchnackt und boshaft, und grad das , welches Er ausnahm , ſetzte ſein Nachbar unter den Verirrungen des menſchlichen Geiftes oben an. Da erbot fich endlich ein Fremdling zum Ein Menſch , gottesfürchtig Schiedsrichter.

wie ein Heidle , redlich wie ein Jude , fanfc wie


108 wie ein Türk , und blöde wie ein Mönch ; kurz, ein Jeſuit, und hier, kraft der neuften Modification ſeines Ordens, Religionsvereini ger. Jedes der vier Syſteme wollte er unum ftöſslich als das einzige wahre darthun und dann fie alle vereinen. Dem Schein nach ein ungeheurer Widerſpruch ; fuir ſo einen Kopf aber die natürlichſte leichteſte Sache von der Welt, hätt' er es nur ausführen dür. fen .

Allein ſein General unterſagte es ihm ; (und welchen andern könnte der Orden , der im Finſtern ſchleicht, haben , als den Furſt der Finſterniſs ?) Nicht, als hätte er Miſstraun in ſeine Kräfte geſetzt! - er kannte fie als zu groſs dafür. „ Jene Secten , ſchrieb er ihm ,

haben ſo 1

vieles gemein , daſs , fie in eine zu bringen , wohl ein Aufklärer vermöchte. Dein harret,

lieber Schüler ! ein würdigeres Geſchäft. Ver . eine die Gottesverehrung des Forſchers mit der Bigotterie des blinden Glaubens , vereine Proteftanten und Katholiken , und du follit, vom Mitarbeiter an der Mainzer geiſtlichen Mo.


109 Monatsſchrift, emporfteigen zum Oberſten der unbekannten Obern des mächtigen Ordens der Weltbürger.

Vorzüge der Armuth .

1

Der Ueberfluſs theilte feierlich Geſchen ke aus. Einer bekam diefs, der andre das. Jenem gab er Macht, dieſem Weisheit ; eini. gen Leibeskraft ; Rubm.

vielen

Geld ;

manchen

Die Armuth muſste bis zuletzt war

ten ; und da ſchüttete er ihr endlich den we. nigen Reſt ſeines Füllhorns in den Schooſs. Sie nahm es mit freundlicher Mine ; dankte fo innig wie immer , und , ohn' ihr Geſchenk qu verkünden , gieng fie hinweg.

Wer


110 Wer müſsig und neugierig gnug dazu war , machte Tun Muthmaſsungen . Einige riethen auf Kunſtfeifs , andre auf Indolenz, andre auf Hofnung. Je genauer man fie beobachtete, deſto mehr irr' an dem fonderbaren Weibe wurden die Beobachter .

Sie gieng in Kir

chen und Gaſthäuſer ; in den Pallait des Mi. nifrers und in die Werkſtätte des Handwer kers ,

und gieng dorthin wie hierher, und

hierher wie dorthin ;

ganz ohne Umſtände.

Weder Bücklinge noch Trankgelder hielten fie auf . War fic bei der Mahlzeit , fo fetzte fie fich , und aſs , und es ſchmeckte ihr tref lich : Gleichwohl liatte ſie ſich vorher nicht mit ihrem Nachbar um den Rang geftritten , und niemand nöthigte ihr die Speiſen ein . Endlich ſo ſchlief ſie die Nacht über ſo ſanft, To feſt und ſo ſicher, daſs ihre geehrtern wei fern und reicheren Nachbarn dieſs nun ganz unbegreiflich fanden .

Man legte dem Sokrates das Räthſel vor . Láſst ſehn ! fage er , welches iſt unſer Loos in den Dingen , die uns an ihr auffallen ? Uns ma


SII machen tauſend Convenienzen zu Sclaven ; wir find überfatt, eh wir zu eilen anfangen ; ftets müd und nie ſchläfrig fie erhielt

Was gilt es,

was uns fehlt ! .- Freiheit , Efs

luft und Schlaf.

Die Buchdruckerei.

Die ganze Nachbarſchaft hatte fich längſt fchon beſchwert , die Buchdruckerei halte in ihrem Hauſe eine Menge unnützes böſes Ge findel von Pfaftertretern und Majeſtätsbelei digern , Grüblern , Beutelſchneidern und Irr lehrern ;

und * ) Hunde, die Menſchenhirn fräſ

* ) Man ſehe das Titelkupfer zu Blumnauers tra veftirten Aeneis.


II2

fraſsen - ein Zuſammenfluſs von Geſchöpfen , von welchen , die Schande ungerechnet , der Stadt das ärgfte zu fürchten ſtünde. Beklagte hielt immer ofne Tafel, an der ſich die Vor nehmſten , geiſtlichen und weltlichen Standes, einfanden. Auch Fremde genollen ihre Gaſt freiheit. · Allgemein ſtand fie alſo in Gunft ; und ſie war ſich deren bewuſst genug , um jenes Gekläfflang überhören zu können . Antwortete ſie ja zuweilen , ſo verlangte fie, den Gebrauch und Miſsbrauch , den man von ihrer Milde machte , abzuwägen gegen einan. der, und dann --- gerecht zu ſeyn , Deffen ungeachtet ſah ſie ſich endlich zur gerichtlichen Verantwortung genöthigt. that es, wie folgt:

Sic

Die härteſte Beſchwerde, wegen jener nach Gehirn ſo lifternen Hunde , trift mich nicht, Fürſten haben die Nachdrucker mit Gewalt mir cinquartirt.

Sie ſind bei den Finanzcollegien

curer Titufe verpflichtet, um das geſtohlnę Gut des Landes durch geraubtes aus fremder Herrn Provinzen , kameraliſtiſch zu mehren, Ich


113 Ich weiſs es , ſie zerfleiſchen am Ende mich felbft; wie könnte ich alſo freiwillig fie dul. den ? Wegen der übrigen Punkte ſollten viel leicht meine anerkannten Verdienſte mehr Nachſicht inich erwarten laſſen.

Allein , ich

mache mich anheiſchig, in Zukunft, wenn ei ner der mir angeſchuldigten Böswichter und Narrn , auch nur meine Schwelle betritt , da. für zu haften , ſobald ich den Hof ohne Speichellecker , die Armee ohne Metzen , den Gerichtsſaal ohne Makler, die Akademie ohne Schwätzer , den Bürgerſtand ohne Tagdiebe, und das Landvolk ohne Betrüger finden werde. Die Richter ſahn ſich unter einander an , hatte ihren Beſcheid . und ſie

H

Der


I14

Der Volksdichter.

Die Wahrheit durchzog als Volksdichter das Land . Auf jeden Stand hatte ſie ein fei. nes Liedlein gedichtet , von deſſen Mängeln und Gebrechen , und ſpielt es dazu auf der Leier.

So hatte ſie eignen Sang und eigne

Sangsweiſe

für Miniſter und Pfarrer , für

Richter und Philofophen , für Männer und Weiber , für Jünglinge und Greiſe. Auch für die verſchiednen Charaktere in jedem Stand eignen Sang und Sangsweiſe. Dabei verſtand fie fich trefflich auf Phyfiognomik , und nach dem ſie von jedem , was er ſei, ur theilte , nach den fang fie diſs oder das Lied chen ihr vor.

Einige ergötzten sich dran ; viele überhör ten es , aber bei weitem , der gröſsre Theil ward zornig. Man bedrohte fie, man ſchimpf. te , man ſchlug.

Kaum daſs die Sängerin mit


uus mit ganzen Gliedern entkam : ihre Leicr war zertreten . Himmel und Erde rief ſie zu Zeu . gen über das erlitene Unrecht,

Ich mein

es doch ſo redlich ! auch fagt' ichs ſo glimpf. Hätte ich lich ! und es iſt ja mein Beruf! wenigſtens nur nicht alle Stände inir zu Fein den gemacht , nicht auf alle gedichtet ! Das war der Fehler nicht, gute Frau ! un . terbrach ein Vorübergehender ihre Klagen. Auf alle muſst du ein Liedlein haben ; aber bei demu ſing das Liedchen auf jenen , bei je. nem das auf den ; bei uns das auf den Nach bar, beim Nachbar das auf uns ; und ſei ver . fichert, allgemein iſt dann dein Beifall und reichlicht deine Belohnung.

H 2

Zunge


116

Zunge

und

Herz.

Heiter laclitê der Himniel des Glücks. Da fehwatzte weidlich und frei die Zunge , und nannte das Freimuth und Bicderann. Auch fand fie Schmeichler , denen es preifswürdig ſchien , dieſs ihr Gewäſch über alles und 1 gegen alle. Scepter

des

Einſt war unter deth cifernen Despotismus

die

Menſchheit

furchtbar vom Unglück beftirmt worden. Ein Geſpött war da die Religion , eine Schan . de die Gerechtigkeit ,' verwielen irrte das Ehr gefühl umher , und Hunger faugte die Gei. fteskraft aus ; von den Leichnamen ihrer von Hafs , Mangel und Gram

ermordeten Freunde

überdeckt, ſchmachtete die Tugend dem letz ten Athemzug entgegen ,

Frei von Feſſeln

und unerſchüttert an Muth war das Herz da geblieben.

Jetzt


117 Jetzt wandte es fich zur zügelloſen Zun ge. Glück żų Sprecherin ! unaufhaltſain ift deine Beredtſamkeit ; auch will ich ſie nicht hemmen ; nur dich erinnern , wie du vor kurzem noch ſchmeichelteſt, heuchelteft, logſt und krochit , und jeder Niederträchtigkeit feil warft. Ich bat dich , meine Dolmetſche rin zu ſeyn , da ſchauderteſt du Memme zu. rück . Jetzt entehrſt du , was ich damals dachte , indem du es ſchwatzeft - ein Weib ! Nicht Drang der Ueberzeugung ent preſst dir , was du ſagſt; die Ausſicht zum Beifall loekt dir es ab . Doch ! quäle jetzt, immerhin das Ohr der Weiſen ! Die rauhen Tage kommen wieder ; da fchweigft du Wie andre Fröſche.

Und ihr , Freiheitsapoſtel in den Journa. len ? 1

H 3

Geift


118

Geiſt

der

Schule.' 3

Ein Laie kam in die Werkſtatt der Philoſo phen.

Er fand die Denker in einem Gewübf

von Allgemeinbegriffen vergraben , und fah da die gröſsten Revolutionen des Weltfyftems Mit Staunen

unter ihrer Reiſsfeder entſtchn .

fand er hier Zeit und Raum und Subſtanzen und Prädicate ; Cometenbahnen , Uranustra banten , Mondsvulcane , Sündfluten , Feucrs brünfte, Schlachten , Seuchen , Trimmern von Monarchien , Rifle zu Freiſtaaten , Morralitäts tabellen , Probftückchen von Städten , Familien und Atome zu Menſchen in wunder gruppen ſamen Gemiſch, und ſämtlich dem Wink ihrer Schöpfer gehorſam . „Alle dieſe zufälligen Dinge liegen auſser dem Geſichtskreiſs der Weiſen , " ſprachen die Weifer und hatten Kopf , Herz und Hand einzig und allein dieſen zufälligen Dingen gewidinet.

Dabei wan .


IIS

wandelten fie ftolz in den Lüften umher, und hüllten das Haupt in Wolken . Aber plötzlich ſchreckte fie alle ein Unfall

jetzt auf die Erde herab. Ihr Aufwärter zer . ob er fie fallen lieſs, oder einer der brach Denker an ihn ftolperte, weiſs ich nicht Ge er zerbrach die Suppenſchüffel. wils erhob ſich kein ſchwaches Gepolter im Olymp als die Titanen Sturm hinaufliefen ; aber Käfergefumm war das , gegen den Lärm der in der Schule der Gemüthsruh entſtand , als bekannt ward : die Suppenſchüſſel ſei zer . brochen !!! Man ſeufzte über die Bosheit des Menſchen , man ſchalt den Töpfer einen Be trüger , man klagte über die Zerbrechlichkeit des Thons, man berechnete die verſchwende ten Koſten , wan predigte gegen das Bedürf. niſs , welches fo ein Gefäſs nöthig machte, und , wär der Bediente nicht davon gefchti chen , man hätte in Hinſicht auf ihn wohl noch mehr gethan . Der Fremde hatte dem allen nicht ohne 4 Kopfſchitteln zugehört ; noch entſchuldigte ers H4


120

crs aber .

Sonder Zweifel litten die guten

Leute , dacht er , einen unerſetzlichen Scha den ; wer weiſs welch wichtiges Hieroglyphen Symbol dieſe Schuffel war. Doch konnter ſich nicht enthalten zu fragen. Es ſtand da einer init ſo bedeutendem Lächeln ; an den wendete er ſich : „ Was muſs es doch ſeyn, worüber Männer jammern können , für wel che die Revolutionen der Himmel und der Erden alltägliche Spielſachen ſind ? " „ Eine Suppenfchüffel, Freund ! war es , und

1

nichts anders, “ ſchwur jener ihm zu . Aber weiſe zu ſeyn , kommt es auf Weltenſyſteme, Erdbegebenheiten und Abſtractionen über Seyn und Denken und Handeln an , und kin difche Thorheit zu äuſsern , bei Dingen , die um und neben uns jetzt würklich ſind , dieſs , muſst du wiſſen , iſt der Geiſt der Schule,

Die

1 1


INI

Die

Verläumdung.

An der Heerftraſse des Lebens lauert ein Ungeheuer, vielköpfig und giftigen Zahns, das dem Wandrer, fich , und dem Zuſchauer Ver . derben bereitet .

Es heiſst Verläum dung.

Jeden , der ſeines Berufsweges daher komint, fällt ſie wütend an. Doch ihre Zähne find ſtumpf; drum können ſie den Mann von fer fter Haut blos ftreifen. Aber da hat ſie ei. nen langen Schweif, den wühlt ſie in Sümpfen herum und ſchlägt damit nach dem , der des Zahns ſpottet. Befleckt ihm der Schmutz auch nicht das Geſicht, ſo beſudelt er wenig. Itens die Kleider. Und fie weiſs , der Pöbel hält dieſe Flecken für Spuren eigner Unrein lichkeit. Schwer iſt es , fie abzuwaſchen ; und um es noch ſchwerer zu machen , beſu. delt ſie ſo gern den Rücken des Wandrers. Denn lange geht er dann , ohn' es zu wiſſen , und H5


122 und wird er's endlich auch inne, ſo kann er fich doch nicht ſelbſt helfen , und andre weichen ihin aus , Einſt kam ein wackrer Chriſt die Straſse. Die Hauer gleiteten ab an ihm . Da ſprützte der Koth um ihn her. Erſt duldete er's und ſchwieg.

Dann ruft' er um Hiilfe ; danız

droht' er. Alles umſonft. Jetzt nahm er die Geiſsel der Wahrheit , ein Reiſegeſchenk aus den Händen des Freimutits , und geiffelte das Unthier , bis es unter lautem Geheul im eig nen Blute fich krümmte. Fabel des Landes.

Nun ward es die Ha ! knirſchte es einft,

als ein Trupp Wandrer von fern ſchon ſein lachte, ha ! wie bitter iſt es, fonft andern Lü.. gen angedichtet zu haben , und dann von fich weit ſchlimmere Wahrheiten hören zu müffen .

1

Das


I 23

Das Sterben.

Das Menſchweſen rühmte fich prahleriſch einſt ſeiner fo gebildeten Anlage zum Erwerb aller Art von Kenntniſs und Fertigkeit. Und biſt doch ſo äuſserſt ungelehrig ! unterbrach eine ernfte Stinime den Eitlen . Es war der Tod. So lange Jahre hindurch lehre ich dich $ inich kennen , und je älter du wirſt , deſto fremder dünke ich dir. Nur zu laut ſprichſt es die Erfahrung : Niemand ſchauere mehr vor mir, als die mich andern empfehlen müf ſen ; niemand weiche mir bänglicher aus , als die mich anweiſen ; niemand kenne mich we.. niger als die mich beſchreiben , und zu wem ich komme, der ſchicke mich anders wohin. Der Menſch : Alle übrigen Fertigkeiten find. wie ganz wi natürlich ; das Sterben aber der die Natur !

Und


124 Und doch iſt es ihr zweites Grundgeſetz ! das du auf der Stirn von allem was Odein hat liefeft , Leichtſinniger ! Selbſt ihr erſtes Gebot :

Lebe !

kommen ,

befolgft du nur dann voll.

wenn du immer dieſes andern

eingedenk bift.

Was gegen meine Gebie

terin die Natur ſtreitet , das ſind jene wi.. dernatürlichen Künſte , durch die du ihr er ftes Geſetz über die Zeit ſeiner Dauer aus. zudehnen verſuchſt.

Tauſend Qualen tau

ſend Tode achteſt du nicht , um dir zu fri. ften , was du Leben nennſt.

Zerrüttung dei.., ner Körpermaſchine wäre dir wohlthätiger als ſolch eine Erhaltung .

Und richte felbſt , ob

das Scheiden von hier ſo unnatürlich ſeyn kön- , ne ! Einfach iſt die Roſenguirlande ,

womit

die weiſe Natur dich an die Erde knüpfte : tauſendfach und eiſern find die Feffeln , wo mit Eitelkeit und Wahn und Sinnenluft und wie fie alle heiffen , jene Sclaven der Unnatur an den Staub dich anſchnieden . le weniger von dieſen Ketten dich halten , deſto leichter wird dir's hinwegzugehn ; je mehr ihrer find, deſto


125

defto fchmerzlicher verwundet meine dich hinwegreiffende Umarmung.

citari Die moderne Kabala . "

Ein junger Fretuid der Aufklärung priefs eint die Fortſchritte des menſchlichen Geiſtes in die ſein Jahrhundert. Da erwähnte er auc jener Wiſſenſchaft , deren Licht Dunkel war und deren Weisheit in Aberglauben beftand. 'Und doch ! welch Mühe verſchwendeten die vorigen Jahrhunderte an die Kabala ! feufz Dals

te er und zuckte mitleidig die Achfel . '

eine Wiſſenſchaft wie dieſe, die nie im Lichte der Schriftftellerei erſchien , nur in den dü. ſteren Köpfen weniger Thoren polterte , fo bald wieder dahin war , wundert mich nicht ;

1


126 nichts unbegreiflich iſt es , aufkommen konnte. Gleichwohl

wie fic jemals

fiel ihm lächelnd ein An

weſender in die Rede (es war der Oberprie fter der Kabala , doch um unerkannt zu ſeyn , brauchte auch er Griff, Zeichen und Wort der Aufklärung ) dir zu :

gleichwohl fichre

ich heilig

Nie waren ihrer Schüler ſo viele als jetzt ; nie mannichfaltiger und fruchtbarer ihr Un terricht , als in dieſen Tagen der Wiſsbegier. Ueberall muſst du die Zauberin ſuchen , nur in den Hörſalen nicht , wo ſie zu wohnen, elimals vorgab. Durch wen ſonſt hienge der Aberglaube fein Schandzeichen der Ver nunft an ? Wer macht Teluiten zu Maurern , Maurer zu Jeſuiten und das Laienpublicum bei fehenden Augen blind ? Wer lehrt Fürſten Sprechen wie Vater und bandeln wie Tyran nen ?

Woher ſonſt die jetzige Anerkennung

der Rechte der Menſchheit und deren Unter drückung , die man einſt verbarg jetzt laut vertheidiget ? Von wem haben die Weiber ihre

1 1 1


127 ihre Sclavenherrſchaft und die Weifen am Ruder ihre Goldınacherkunft ? Lehrten Bücher euch dieſe Geheimniſſe , würde die Menſch . heit ſich noch ſo täuſchen laſſen ? Aber geheimer Unterricht iſt es !

mündlich

ertheilt unter myſtiſcher Hülle im heiligen Dunkel der Loge (auch Schlafgemächer und Beichtfühle Logen firid ) und fortgeflü . Atert yon Mund zu Mund von Ohr: zu Ohr. Nun wähnt der Haufe fich frei und ringsum feffeln ibn Ketten an .

Er prahlt , das Ganze

in allen ſeinen Triebfedern überſchaut zu ha ben , und man hatte ihm ein Gaukelſpiel vor gekünſtelt. Er glaubt an Würde der Menſch . heit, und dient , in der Hand des Eingeweih ten , zum Werkzeug , auch die letzten Spuren davon rein auszutilgen.

Selbft Du - Du

ſprichft und ſchreibſt und handelft für Auf klärung. Ueberall aber umgeben Dich jene Freunde der Nacht; Sie wiſien die Würkung deiner Worte , Schriften und Thaten zu lei- ' ten und ſo - inuſst Du ſelbſt beitragen,

dic Finſterniſs dichter zu inachen.

Ich ſagte


128 ſagte Dir jetzt alles dies und

man wird

Dir bündigft erweiſen , ich habe geſchwärınt. Sieh da die neue Kabala !

1

Der Vaterlandsgeiſt.

Maan n wuſste ,

der Glückstand würde

nächſtens ein prächtiges Gaftmal geben ; und es war dereit eine groſse Anzahl die dabei zu ſeyn hoffen .

Aber er lud blos die Söhne und

Töchter des Vaterlands : Religion , Geſetz, Gerechtſame, Geſchichte, Sitte und Ertrag. Ain urwilligften über ihre getäuſchte Erwar tung war die Fremde. Immer ward fe zu allen Gaſtmälern gebeten , ſehr oft um die An ordnung des Ganzen erſucht, und hier ſah lie fich zum erſteinnale ganz ausgeſchloſſen.

„ Nun


129 4 „ Nun ja doch !“ nüſſelte ſie durch die ge rümpfte Naſe , indem ſie das zu dieſem Gaft. mal beſtellte neue Kleid in die Garderobe

hieng , - es mag ein fuperbes Diner feyn ! ſo ein lourd Baron allemand , und die Bauern ſeines Dorfs zuſammen ha ! ha ! ha !

Dieſe Spöttelei ward dem Glücksſtande Da gab er lächelnd zur Ant hinterbracht. wort : Eine ehrwürdige Prophetin , Erfah rung, weiſlagte mir einſ : So lange Du dic Religion des Vaterlands ehrſt , und dein Gefctze der Vaterlandes ge. horchſt und die Gerechtſame des Vaterlands fchützeſt und init der Geſchichte des Vaterlan des vertraut biſt, und die Sitte des Vaterlands nachahınſt, und gniigen dir läſst an dein , was der Ertrag des Vaterlandes Dir giebt, ſo lange nur ſo lange ! dauert Dein Wohlſeyn und Sorglos vertraue Dich den Erzeugten deiner Lenden ; vorſichtiger Stiefkindern , miſs trauiſch angenommnen , aber niemals niemals untergeſchobnen Laftarden ! I

Die


1

130

Die Mildthätigen .

Ehmals hatte die Mildehätigkeit den Gebrauch einmal im Iahr ihren Freunden öffentlich den Segen zu ertheilen .

Sic fand die Anzal

derer, die Anſpruch darauf machten, iinmer ſtärker und doch wurden die Klagen der Ar men über Mangel immer lauter.

Auch hat.

te fich die Achtung des Volks für dieſe Feier lichkeit wo nicht verlohren doch ſehr gemin dert. Das nächſtemal alſo hielt ſie vorher Mu fterung unter der lobbegierigen Menge. Da fand fic unter ihnen Leute, die an Seiltänzer, Taſchenſpieler, Goldmacher , Caffetiers und Ma .. quereuſen ihr Geld verſchleudert hatten.

Ihr

" verdientet öffentlich beſchäint zu werden, ſpraclı fie voll Unwillens zu ihnen, doch ihr befchämt euch felbft ; hinweg aber aus mei nen Augen. Durch ſelbſtgefälliges Lächeln und zudringliches Geſchwätz machte ſich ihr eine

.


131 eine andre Gattung verdächtig. Sie hatten ihr Vermögen an Maler und Virtuofen , Bild. hauer und Baukünftler verſchwendet, und zuin Gewinn den Namen Dilettanten crhalten. Doppelte Thoren und doppelt Strafbare ! war die unerwartete Anrede der Göttin an fie, ihr entehrt die Kunſt und ſpottet meiner. Ihr nennt allmoſen , was ſie als Tribut heiſchen kann ! was ihr drüber thatet war Opfer für eure Eitelkeit und für beides ſoll ich euch

danken ? Das Weib hat kerien Geſchmack ! fagten die Dilettanten , trillerten die geſtrige Opernaric und gingen hinweg. Andre hat. ten Pfaffen gemäſtet, Rabuliſten geflittert, Reimer penſionirt ,

und Tagdiebe ernährt. Geht jenem Truppe dort nach , lautete der Be ſèheid den ſie erhielten , und lernt von ihnen

wenigſtens Thoren von gutem Ton ſeyn . Sie gähnten die eigen finnige Richterin an und fchlichen dabin.

Nun war nur ein kleiner'

Haufe noch übrig ;-unter dem fich einige hagre Kopfhänger so Ja !

gar

merklich

auszeichneten .

fromine Stiftungen ſind ein verdienftli I 2 ches


132 ches Werk !“ keuchte der eine feinem Nach bar zu , und nun kannte die Milde ihr Leute . Es waren Wuchrer, Advocaten , und Financi. ers , ihr ganzes Leben hindurch Blutſauger der Armuth, die aber, mit einem Fuſse im Grabe, jetzt ihre Teſtamente gemacht hatten .

Zwall,

zig Thaler etwa waren dem Hospitale beſtiment und hundert zu einein neuen Altartuch . Die Milde fprach ſehr hart mit ihnen von geſtohl nen Capitalen und gottgeweihten Procenten, und manches ar.dre Wort der Gerechtigkeit, Die Heiligen muſsten endlich weichen ; fie ap pellirten an ihre Leichenpredigt. Und wir , fagten die übrigen , ihre ver trauten Lieblinge von langer Zeit her , wir

kamen nicht , unſer Lob zu hören , ſondern unter der Menge von Zuſchauern bei dieſer Feierlichkeit irgend einen Hülfsbedürftigen zu entdecken . Auch anderwärts können wir dieſe finden ; entweihen .

laſs deinen Segen nie wieder Seitdem hat jener Gebrauch

aufgehört.

1

4 Die

.


133

Die Theorie der Praxis.

Kein Amt oder Aemtchen im Staat ift ſobald : erledigt, als ein Wettlauf von Candidaten dar. ' nach beginnt.

Was die Urſache davon ſei

ob der Glücksſtern unfers Jahrhunderts, das folch einen Ueberfluſs an brauchbaren Män nern hat, oder die Verwegenheit des Haufens, der den wichtigſten Geſchäften fich ſo leicht gewachſen glaubt , oder bald Trägheit, bald Geitz der Vorgeſetzten , die ſo die wenigſte Mühe und den meiſten Gewinn dabei haben laſs ich unentſchieden .

Jüngſt waren wieder einige Aemter zu be ſetzen .

Da übernahm es zu groſsein Leid

weſen der Herrn Curatoren die Praxis in eigner Perſon . Sie trat auf : Laſst euch nichts kümmern ! unter euch · will ich wälen, zahlreiche Candidaten ! aber mein Fürſt inuſs, mit Decius fich ſeinen Bür I 3

gern


134 gern aufopfern können . Mein Prediger, gleich den Blutzeugen der Kirche , auch am Marter pfahle noch lehren und tröſten .

Mein Rechts

verſtändiger noch im Angeſichte des Beils mit Papinian Recht Recht nennen. Mein Krie ger, ein zweiter Cocles, allein die Feinde auf halten. Mein Arzt auch in der Peft noch Arzt bleiben ; ' mein Philofoph im Nothfall den Todtengräber zu machen verſtehn und mein Litcrator in ſeinem Syracus wichtig wie Tau ſende ſeyn , So wie ich nur den Bürger, der es furs Ganze mit Curtius ſeyn könnte und nur den Sohn , der beim Brand feines Trojas zuerſt die greiſen Eltern rettete, aus den Myria den Menſchen, die ſich Bürger und Söhne nen nen , als dieſes Nainens würdig auslebe. Jetzt hatte ſie ihre Anrede geendigt und fah fich allein. Die Candidaten hatten fich ſämt. lich davon geſchlichen . Das war es, was fie gewollt hatte. Sie kannte Perſonen , wie ſie deren bedurfte ; aber dieſe hatten ſich nicht unter den Haufen gedrängt.

Jetzt ſuchte lie

dieſe in ihrer Einſamkeit auf, und mit ihnen wurden die Aemter beſetzt. Das

1


135

Das junge

Genie.

Lieblich ſchofs in ſeinem Lenze das glück ſiche Genie auf aus dem milden Boden ; ſchön waren ſeine Zweige und Blätter , und ſüſs duftete feine Blite. Da tränkte man das hol de Bäumchen , und ſchneidelte, ftützte und umzäuntes . Das Kind ward ein muntrer gewandter witziger Knabe , und belohnte die Sorgfalt ſeiner Freunde durch unzähliges Ver gnügen, das er ihnen inachte. Aber nun war er allmählig zum Jüngling gereift. Kühn drang jetzt bald ſein beobachtender Forſcher. blick ein in die Verhältniſſe der Geſellſchaft, in die wechſelſeitigen Pflichten und das wech ſelſeitige Betragen der Menſchen gegen einan der ; und da befremdete ihn manche Lücke und mancher Auswuchs. Er ſagte das ohne Zurückhaltung , und liefs fich weder beſchwä. tzen, noch blenden , noch unterjochen , noch ſchre . I 4


536 ſchrecken , noch betrügen , noch erkaufen, noch einſchläfern, noch verköftigen, noch er müden . Nun reute es die geſetzten Leute, die er unabſichtlich mit ſeinen Bemerkungen bitter beleidigte , gar ſehr , ihn unterfützt zu haben . Sie fürchteten und haſsten ihn.

Man be

rathfchlagte fich wie fein hoher Geift un terdrückt , ſein Scharfblick geftumpft, ſeine Schwungkraft gelähmt, feine Wärine verkäl. tet ,

wenigſtens dem allen die Würkfamkeit

unmöglich gemacht werden könne. Aber alle Verſuche mit Güte und mit Gewalt waren fruchtlos. Da übertrug man das Geſchäft dem Ungeheuer Verläumdung, fich befriedigt.

und fah

Der >


137

Der

neue

Samariter.

Allegorie.

Ein in Jüngling gedachte aus der Refidenz des guten Rufs in die Handelsſtadt des geſello Muthig , faſt fchaftlichen Lebens zu reiſen . forglos wanderte er auf der Straſse des guten Gewiſſens dahin . Da überfielen ihn plötzlich drei Räuber, Verläumdung, Neid und Betrug, Sie nahmen ihm alle ſeine Geräthſchaft des ſeitherigen Betrageris, beraubten ihn der Klei der des guten Zeugniſfes und ſchlugen ihm tiefe tiefe Wunden der Lüge und Bosheit . Er rang mit dem Tode der Schande. Da kam das Vaterland die Straſse daher. Es hatte gegen den Verwundeten mannich Es ſah ihn und mur . fache Verpflichtung.

melte etwas vor ſich hin , ob Klagen oder Scheltworte , konnte man nicht deutlich ver nehmert, und ſchritt gleichgültig weiter. Bald 15


138 Pald nachher kam die Verwandtſchaft. Sic geſtand es heimlich fich felbft, der Unglück liche könnte Anſprüche an ſie machem . Mit ſchüchternem Ohr, daſs er nicht jetzt jetzt fie um Hülfe anflehte, gieng fie ganz leiſe bei ihm vorüber . Ihr folgte die Erziehung ; ein biedres Weib und ehmals beſtens verdient um den ull glücklichen Jüngling; aber etwas argwöhniſch und hart. „Hatteſt du meiner ſo ſehr vergeſſen , daſs dich dieſe Strafen deiner Ausſchweifun gen treffen muſsten ? Laſs dirs zur Beſſerung dienen ! " eiferte ſie und lieſs ihn liegen . Schier hätte den Armen die Wehmuth vol lends entkräftet; aber das matte Aug’ erblickte von fern die Bekanntſchaft. Er ſtrengte alle noch übrigen Kräfte an , und wintelte uin Erbarmen . Aber die Freunde fangen in ih rem frohen Muthe fo eben ein Liedchen vom Lebensgenuſs, darüber verhörten fie fein lei. feres Flehn .

! Der Seufzer, den er ihnen nachſandte, foll te , hofter , ſein letzter feyn. Da kam das Aus


139 Ausland.

Es hatte ſchon ſonſt von ihm ge.

hört , und keine Nebenbetrachtung hinderte es die wahre Urſache ſeines Elends zu finden . Es verband ihin ſeine Wunden , erleichterte ihm die Genelung auf alle Art , und ſtellte ihm die den Räubern entriſsne Geräthſchaft wieder zu. Bald befand er ſich wieder im blühendſten Wohlſtand ', und durch ihn ward auch das Ausland wohlhabender und geehrter. Nun pralte ſein Vaterland , daſs es ihn er. zeugt habe ; die Verwandtſchaft war ſtolz auf ihn ; „ all ſein Glück dankt er doch eigentlich mir !“ ſagte die Erziehung ; und die Bekannt ſchaft rühmte ſich Vertraulichkeit.

überall der chenialigen Aber niemand von ihnen

allen geftand : ( was doch ſo wahr als irgend eine ihrer Verſicherungen war ) beruhte ſein Wohl einſt einzig auf Hilfe von uns , ſo war cs längſt um ihn gefcheln !

Die

1


140

Die

Arzreicu ,

Es verhcerten mancherlei Krankheiten unſre Stadt.

Die Aerzte lieſsen es an Aufmerkſam

keit und unermüdetem

Eifer nicht fehlen ;

1 .

auch ward der Arznei gnug verbraucht; und doch verzögerte fich die Geneſung allgemein . Man gab die Schuld bald der Luft , bald der Jahrszeit , bald dem Clima.

Damit war aber

den Kranken immer noch nicht geholfen , und es wurden andre Aerzte angenommen .

1

Sie unterſuchten die Krankheiten , ſchrieben Recepte , ſahen keinen Erfolg und -ſchüt . telten den Kopf.

Endlich kam der alte Aes

culap. Sein erſter Gang war in die Apothe. ke. Er fand da ſehr niedliche Büchschen und Flaſchchen , ſchön bunt bemalt und mit viel verſprechenden Aufſchriften . Er fah hinein, und die Arzneien hatten die gehörige Farbe, ' das erforderliche Gewicht ,

und ſtanden im ge

I


141 gewöhnlichen Preiſse. Sie waren alſo ächt Da fand er ſie ſämtlich bis er ſie koſtete. verfälſcht und verdorbeni. Wo Freigebigkeit ſeyn ſollte , war Ver . ſchwendung. Statt der Sparſamkeit Geitz ; ftatt des Muths Tollheit ; ftatt Demuth Nie derträchtigkeit ;, ſtatt Wahrheit Vorurtheil ; ſtatt Weisheit Geſchwätz und ähnliche Be. trügereien.

Der be. . Man zog den Apotheker, ein . ſchwerte ſich über die Aerzte , fie verſchrie ben die Arzneien für andre Krankheiten als für welche ſie gehörten .

Die Kaufleute brin

gen ja gar keine andern Ingredienzen , war die Entſchuldigung der Aerzte . Wie könnten wir's auch ? fagten die Kaufleute , die Erde trägt nur dieſe Gewächſe. Und das muſs ein fchr unwiſſender oder ſekr boshafter Botani. ker ſeyn ,

ſprach Aesculap , der ausgefandt

ward , wohlthätige Kräuter zu ſuchen , und auf einer weiten Flur , wo deren die Fülle fehn , aber unteriniſcht mit giftigen Gewäch . fen , nur für letztere Augen hat, Selbſt


142

Selbſtling

Selbfling der bisher alles vermocht und alles gewuſst und alles gethan hatte ward von einem Fieber aufs Krankenbette geworfen - zu fei ner groſsen Befremdung ! Er befehligte die Aftrologen nach dem

Himmel zu ſehn ; und

die Phyſiker , die Erde zu beobachten , welche Revolucion bevorſtände. Sie verſicherten ihm einſtimmig weder am Himmel noch in der Er. de etwas ungewöhnliches bemerkt zu haben ; alles gienge ſeinen Gang. 0 ! ihr bemerktet zu flüchtig, rief er ; ganz gewiſs verirren ſich die Sterne unter einander und die Erde erbebt vor Warten der Dinge, die da konimen fol. len . Nun lieſs er die Aerzte holen . Er ſtelle te ihnen nachdrücklich den Verluſt vor , wel. cher der Welt mit ſeinem Tode bevorſtünde : Ich beſchwöre euch, liegt euch das Wohl der Menſchheit am Herzen , fo macht mich ſchleu

nigſt


143 nigft geſund ! Die Aerzte aber blicben ganz kalt , behandelten die Cur ſehr gleichgültig, und lieſsen endlich der Krankheit freies Spiel. Der Kranke ward' es inne und lieſs im voraus eine Landtrauer anſagen , und die beſten Kö pfe der Nation auf Standreden und Odeni ftu . diren . Und nun rief er die Nachwelt vor , fich , und vermachte ihr, ein höchft koſtbard's Geſchenk, diinkte ihm, an ſeinem Geiſte und Ruhm.

Wozu dieſe Kleinigkeiten, ſprach fic

init mitleidigem Lächeln , und lieſs es in den Staub fallen .

O Neid ! Neid ! welch ein Ungeheuer biſt du , ſeufzte der Sterbende und verſchied am Bufen des Selbſtgefühls.

Die


144

Die Pilger.

Es iſt ſehr ſchwer , den rauhen Pfad des Le bens glücklich zu durchwallen ! um ſo ſchwe. rer, je leichter die weiſefte Vorſicht des Wan drers, ift fie auch nur ein wenig zu genau, ſeines Zwecks ihn verfehlen macht. Da ſchreiten einige in ſchönen weiſsen Ge wanden einher und meſien die Schritte und zählen lie ab, und ihr Auge ſieht nie von der Erde auf. Darüber befällt fie bald ein Schwin del ; ſie ſtoſsen ans kleinſte Steinchen , ſtürzen 21 Boden und das ſchöne Gewand iſt un kenntlich

vor Schmutz.

1 !

Unbekümmert um

Staub und Kleid und Antofse laufen Andre ſo raſch ; fie gerathen oft auf Kieſs und Dornen, aber um ſo ſchneller wird ihr Schritt drüber hin ; fie haben keine Muſse zum Schwindel und erreichen das Ziel. Andre haben ein fcharfes Auge, das vermag fich nicht einzu. ſchrän

1


145 ſchränken auf den Weg vor ihnen . Sie ſchauen vorwäres , ſchauen rückwärts ,

ſchauen ſeit

wärts, verwickeln ſich dabei in jedes Geftripp und bleiben weit zurück hinter ihren Brüdern die rücklings dahin giengen .

Manche eilen

und eilen 'bis fie ſchwitzen und keuchen und in Ohrmacht fallen ; gemächlich und oft ru . hend folgten ihnen Andre ſpät nach , uud jetzt werden ſie von dieſen überholt. Unbela . ftet zu ſeyn , mergeln jene fich durch ftete Enthaltſamkeit ab und der geſchwächte Körper vermags länger nicht auszuhalten ;

Dieſe ge

nieſsen von den Gaben der Natur ; und ju gendlich munter klimmen fie Berg auf und hüpfen Berg ab. Es iſt ſchwer den Pfad des Lebens zu wal len , aber nicht unmöglich .

K

Das


146

Das geächtete Lafter.

Das Lafter war aus den Staate der Menſch heit mit Staupenſchlag verwieſen worden . Jüngſt begegnete es in fürſtlichem Prunke und Geleit der frommen Einfalt. Und du Schouſal für Himmel und Erde, rief die Er. ſtaunte , darfſt dich noch ans Licht wagen ? Wünſcht man es doch allgemein ! antwortete das freche Laſter. würde man mir von allen Orten her ſo reiche Geſchenke inachen , wär es Ernſt mit meiner Aechtung geweſen ? Ich verdanke dem Hofe Völlerei und Jrreligion ; dem Gerichtsſale Chikanen und Mäkelei ; der Kirche Indolenz

und

Menſchenſcheu ;

der

Akademie Pralerei und Geſchwätz ; dem Adel Stolz und Zügelloſigkeit ; dem Volke Unem pfindlichkeit und Lüfte ; Jeder Claffe Maskerei und Bauchdienſt.

Das alles hilft mir noch.

wendig ſehr auf ; und ſo werde ich reich und mach.


147 mächtig gnug , um den Angriffen der Offen babrung und Vernunft glücklich wiederfehn zu können ; und dieſe meine Macht habe ich, wie du fo eben gehört haſt, von den Dienern der Offenbahrung und Vernunft.

Die Gegen gifte in der Geifter. welt.

Preiſs und Dank gebiihrt der Natur , daſs fie wohlthätige Kräfte zutheilte , allem , was die ſchuf : aber lauter tön' ihr der Lobgeſang, daſs fie für alles was ihren Geſchöpfen Ver derben droht , ein hcilſames Gegengift wer den hieſs. Dem Menſchen ſei er Herr der Creatur oder nur Sprecher derſelben -- ge . zient K 2


148 ziemt die Erfüllung der ſüſsen PAicht . uns Brüder !

Laſst

ein Jahresfeſt anordnen zum

feierlichen Danke auch für dieſe Wohlthaten ; viel ſind deren ; doch vor allen laſst uns fie preiſsen , daſs ſie dem Despotismus den furchtbaren . Zufall entgegenſetzte , dieſen Anfang des ernften Gerichts , das dort einft ſeiner erwartet ;

und der Heuchelei das

Selbſtbewuſstſeyn gab , das im Innern fie nagt , und vor dem dreuſten Fuſse des Vorwitzes beſchämende Abgründe fich öfnen läſst'; und die Wolluſt mitren auf dem von ihr verpeſteten Blumenpfad im Moore der Krankheit verſenkt; und dem Gei tze vom Unge fähr die crkargten Schätze vor ſeinen Augen vergeuden heiſst; und der Eitelkeit an dem

Spotte einen Feind ſchuf, der fie dem Hohngelächter der Verach

tung Preiſs giebt ; und daſs fie zur Wehr ge gen unterdrückenden Stolz das Freiheits gefühl uns ſehenkte , deffen unbezwingliche Götterkraft keine

kriechende Schmeichelei,

kein feiges Schweigen, keine thörichte Leicht

gläu


149 gläubigkeit ,

kein

ſchändlicher

Sclavenſinn

jemals ſich unterjochen kann .

Herkules

bei uns.

Herkules kam jüngſt vom Olymp herab; die Erde noch einmal von Ungeheuern zu be freien. Am verderblichſten für die Menſchen waren der Despotismus, die Sophifte. rei und die Heuchelei, die die Länder verheerten , welche ehmals Herrſchaft, Weisheit und Menſchenliebe regier Schon hatte der Held viele kleinere ten. Monſtren, ihre Brut beſiegt;

jetzt rüſtete er

fich , mit all ſeiner geſammelten Kraft auch fie anzugreifen . Aber ſchon hatten fie ſich in die düſtre Burg der Unwiſſenheit verſchanzt. Es K 3


150 Es koftete dem Belagerer unſägliche Mühe fie zu erſteigen . Und da es ibm endlich gelang, fand er ſeine Mühe verlohren . Die Bekrieg. ten waren geflüchtet. Die Herrſchaft Weisheit und Menſchenlie . be hatten ehmals ,

verfolgt von den Unge

heuern , im Schloſse der Aufklärung Zuflucht gefunden .

Noch immer waren ſie drin und

auſsen herum hatte ſich das zahlreiche Heer ihrer Freunde gelagert.

In jenes Schlofs hat

ten ſich jetzt die Ungeheuer zu ſchleichen ge wuſst , die drei Götterkinder ermordet und fich in ihre Gewänder gehüllt. ihnen gefolgt.

Herkules war

Aber ein heftiger Angriff des

/ Heers vor der Burg, das ſeine Gebieter zu vertheidigen wähnte , nöthigte ihn , fich un verrichteter Sache , vorjetzt wenigſtens, zurückzuzichn .

Jene


151

Jene

Welt.

So mannichfach als gerecht ſind die Schick fale der Menſchen jenſeit der Thäler des To des ! Ohne den Lohn ſeiner Thaten empfan gen zu haben , ſcheidet der ſtrafbare Sterbli che oft von der Erde. Aber muſs er auch ak les hier zurücklaſſen , ſo nimmt er doch Ge ficht und Geſtalt mit fich ins Schattenreich ; die genauſten Ankläger für das forſchende Aug' eines Acakus. Ein Blick auf ſie ! und.com ihr Schickſal ift entſchieden .

Diefs alles hört' ich und ſah es jüngft an der Hand meines Schutzengels im Geſicht ei nes Traums. Ich fah Tyrannen als Sclaven der eigenfin nigften Herrn ; einen Vielwiſſer ohne Zeuge ; einen Eitlen den kein Menſch ſieht oder hört noch beredet ; Weichlinge die in ewigem Pro fte ſtarren.

1

Ein Lügner las das Protocoll des KA wahr ,


152 wahrhaften Richters ab. Mittagsſchein

Mit dem hellften

beleuchtete die Sonne jeden

Schritt cines Verläumders, dieſe Peft die ſo gern im Finſtern ſchlich . Neider fafsen ne ben dem Glücklichen , Zeugen von jedem fei ner Genüſse.

Ein Geitziger fand ungeheure

Schätze und inufste fie mit eigner Hand aus. theilen . Vorwitzige tappten in undurchdring. lichem

Dunkel und hörten ein wunderfames

Gemiſch von Stimmen , das fich entfernte je mehr ſie ihin nahten. Ein Heuchler erzählte laut ſeine geheime Geſchichte. Auch über den Aufenthalt der Seligen lieſs mein Genius mich einen Blick thun . Groſs und edel war einft die Kraft der glücklichen Seelen ; weiter muſs ihr Würkungskreiſs ſeyn. Sie umſchränkt nicht wie jene ein Ort ; My. riaden Erden umfaſst ihr Weltenſyſtem, Ely fium iſt nur der gemeinſchaftliche Name.

Ein Armer, der einft mit einem Bettler ſein letztes Mal theilte, ſpeiſet hier täglich tauſen de ſeiner Brüder . Ein Vater dreier Kinder und Herr eines Dieners , hatte ein Reich zu be


1S3 beherrſchen .

Ein greiſer Hirt hatte ehmals

ſeine Nachbarn mit guten Geſchichten ver gnügt und gelehrt ; jetzt klärte er eine Nation auf.

Ein Erzieher hatte wenige reife Friich

te ſeines klugen und raftloſen Säens und Pflan zens geſehn ; nun bildete er beffre Menſchen ; fein geſchärftes Auge kann ihre Thaten Jahr hunderte durch würken ſehn . Seelig find fie felbft ; und unermeſslich iſt ihr wohlthätiger Einfluſs auf ihre Brüder. Alles was ich gefehn hatte , verkündete mir : Gebrauchte Kraft wird unbeſchränkte Wür. kungsfähigkeit ; miſsbrauchte Stärke quälen des Schwachheitgefühl.

K 5

Bruch


!

134

Bruchſtücke.

Zweite

Sammlunng.

O ! es iſt ein ärmlich Ding nicht irr gehn können . Grofs und edel iſt es einen eignen nähern Pfad zum Tempel der Wahrheit ſuchen , muſs man auch mühſam über Felſen klimmen, wo oft der Fuſs ftrauchelt ; geht man auch irr zuweilen ! Nur ſchwache Seelen laſsen ſich durch alle Krümmen der von Haufen befchli chenen Heerſtraſse in Sumpf und Koth um herſchleifen .

Der Forſcher darf fragen ; der

Nachbeter muſs glauben. Jenem find Bedenk lichkeiten geſtattet; für dieſen iſt blinder Ge. horſam Pflicht ; jener kann prüfen was man als Bedürfniſs ihin darbietet, diefer muſs alles unbefehn mit Danke hinnehmen.

Jener ver

mag fich ſeine Welt zu ſchaffen , dieſer hat fich täglich in neue fremde Verhältniſse einzu. krümmen .

Der Forſcher empfindet, wenn'es ihin

1


153

ihm miſslang, in ſeiner Schwäche, daſs er ein Sterblicher ist ; aber er fühlt auch am

ftarka

ften , die Würde der Menſchheit, weil was ihm miſslang, nur ein groſses Unternehmen ſeyn konnte. S. 16. Auf der Bühne der Erfahrung tragiſche Rol len fpiclen zu können , iſt leider ein Vorzug der Erften der Menſchen . Der Menſch von ftumpfen Sinn und ſchwacher Kraft bleibt am Staube kleben , und muſs es , und verliehrt fich unbemerkt im Staube. Jenen gab die Na. tur Schwungkraft, die Selbſtbildung Stärke , das Glück Muth, die Bewunderung Kühnheit. Sie erheben ſich auf von der Erde, ſchweben unter dem

Himmel umher , laſſen jetzt fich

nieder anf irgend einen reizenden Hügel ; flie gen im Augenblick unter den Sternen ; ſchwe. ben forglos auf und ab ; und jetzt -- ftofsen fie an einen nicht bemerkten oder verachteten Felſen . Der Weiſe ſchaudert zuſammen bei ih rem Sturze uud ſeufzt: So nahe gränzen fir die Serblichen der Pfad zum höchſten Glück, und der tieffte Abgrund des Unglücks ! S. 87. Aus


156

Aus den Vorreden .

Ich war ein raſcher feuriger Jiingling ; und mein Schickſal brachte mich in mancherlei inimer neue Verhältniſse. Da wurden mir denn ſchon von frühen Jahren die Bande der hergebrachten Gebräuche in Dingen , wo nicht Gebrauch, fondern Recht die wichtigſte Fra ge war, Jäftig bald überläftig. Ich ſtrebte, fie abzuwerfen ; aber die Laft war zu ſchwer für meine Kräfte. Denn an fich waren die ſe zu ſchwach ; und erhöht durch die Nachei ferung konnten ſie nicht werden . Alle um mich her lieſsen es ſich in ilirem Käficht recht wohl ſeyn.

Hierzu kam die Achtung für den

Chriſtennamen , mit ihm verdeckt man jedes Gebrechen ; der Ruhın unſers Zeitalters, es iſt ja das erſte unter allen an Vollkommenheit und Glück ; endlich auch die Erwartung des nahenden Weltgerichts . Ich argwohnte, dic


1 157 die Lauterkeit der Religion ift durch Menſchen zuſatz verfälſcht; aber ich hatte die Gewiſ ſenhaftigkeit ihrer Lehrer gegen mich.

„ Viel

leicht, daſs die Staatskunſt mehrere Krümmen hat , als ſie brauchte " aber , dacht ich dias kann nicht ſeyn ! Sind doch die Staatsleute ſo biedre ſchlichte Menſchenfreunde .

„ Der Um

fang unſrer Gelehrſamkeit iſt ſehr wäſsig ge gen den Ruf dayon " ; und doch welchen ungeheuren Haufen von Büchern umfaſst ſiç . Man iſt jetzt zu nachfichtig gegen , unfre Sitten , aber

weiſs die Geſchichte von einer ge.

nauern Strenge ?

Zwei. Arten von Leſern fürchte ich gar Die allzeitfertigen Rhetoriker und die

ſehr.

allzeitfertigen Dialektiker.

Jene können mich

überreden was ſie wollen ; dieſe aus mir machen , was ihnen beliebt. Gewöhnt an ih. ren Kreiſs von allzeitfertigen Gläubigen , wer• den mir die Redner bündight darthun , die Wölfe hätten fich eine Faften auferlegt die Füchſe


158 Füchſe mit den Gänſen ausgelöhnt, dic Krähen wären in Nachtigallen verwandelt und was fei nicht alles geſchehn ! das Feuer erkälte , das Eiſs brenne , die Kohlen würden weiſs , die Kreide ſchwarz. Alles ſei wie es ſolle, höchſt. vollkommen. Beruf ich mich auf Augen und Ohren , und zweifle , ſo zürnen fic. Denn unſer Zeitalter iſt religiös, ehrlich und witzig tie nie eins war. · Die Dialektiker find noch um etwas ſchlimmer . Ihre Cornuten machen inir Hörner ; ihre Soriten ſchaffen mich zum Majeftätsbeleidiger und Ketzer um und bei des befürchte ich erſt wenn es geſchehn ift. Man höre ihre Schlüſſe; „ Würden ſollte man nicht an Jan Hagel verſchwenden Alfo heben wir künftig allen Unterſchied der Stän „ Sprachen gchören unter das erſte

de auf.

Bedürfniſs des jungen Gelehrten . “ zu den Garainanten reiſen. nicht zuviel auf Studien “

So ſoll er

„ Man verwende Damit wir künf.

tig Schuſter haben . „ Die ungeheuern Titu laturen lind gegen allen Geſchinack . “ Wenig ftens gegen Carlſtadts. Menſchen dürfen

nicht


159

nicht wie Vich behandelt werden . “

Alſo

giebts keine Herrn mehr. „ Der Körper ver zärtle fich nicht.“ Er mergle fich auf Haut und Knochen ab. „ Menſchenliebe iſt unfre heiligſte PAicht" und Roſenkreutzerei hiermit eo ipſo empfohlen. „ Der Menſch fühle fich frei“ und durchbreche alle Schranken der Ge. fellſchaft.

,,Spotte der Religion nicht " du

biſt ein Wiedertäufer ! „Schmauſse nicht im „ Treib nicht mers du biſt ein Mönch ! Unzuche du biſt ein Shwärmer.- „Plaudre nicht ! “ du biſt ein Schwenkfelder . - „ Ver ehre die Bilder nicht“ du biſt ein Calviniſt. Woher dann Raths ? Alles wär ich , wenn dieſe Conſequenzen wären , wofür ſie ſich aus. geben, richtige Schlüfte !

Mit Scham und Reue denk' ich zurück an jedes Urtheil das ich über irgend einen Men . ſchen je gefällt habe.

Ob ich dann und wann

recht hatte , weiſs ich nicht ; das weiſs icla aber ,

daſs ich mich ſehr oft ganz und gar

trog.

1


160

trog.

So kann es andern ebenfalls ergehn;

wollten fie nur die Gefahr erkennen und ihr auszuweichen ſich bemühen ! Was man über und gegen mich geſagt hat , das traf mich nie oder nur ſehr von weiter ; meine würkli. chen fand man nicht auf.

Wer hätte denn die ſchmutzigen Ohren , den beſtriemten Rücken und den häſslichen Schwanz gekannt ,

wenn es der Efel nicht

telbſt geſagt hätte , fie wären ſein .

Sie gehö.

ren im Grunde ihm ſo wenig als einem an , dern ganz zu ; aber wer wird mit dem Erel zanken ! Er betheuert es ja mit ſo kräftigen Schwüren ; laſst ihn recht haben.

Man ver

liehrt ja nichts von Belang an den Ohren und dem Fell und dem Schwanz, die er fich zu. cignet.

Das


161

Das

Gericht des Phöbus.

Ueberall hörte man die Klagen der Sterbli chen über das Leben und deſſen Einrichtun gen .

Es war zwar Hofnung gemacht worden

zu einer Generalreformation, welche den Zu ſtand des Ganzen in ſeiner erſten Vollkom-' menheit wieder herſtellen ſollte : aber man fand die Sache zu groſs und fchwierig , die Hofnung verſchwand und man ſuchte nun ein zele beſondre Wege einzele Riffe zu verſto . pfen , und ſo den Uebeln in etwas wenigſtens abzuhelfen . Demnach liefs Phöbus , Ober aufſeher des Erdballs ,

den dreiſsigſten Fe

bruar anni currentis zum Termin beftiminen , an welchem ſich alle vor ſeinem Throne ein. finden

ſollten

denen die

geſellſchaftlichen

Verhältniſse überlästig wären .

Sie würden

da die Mittel erfahren den Gebrechen abzu helfen. Die Wirkung dieſer allgemein er freu . L


162 freulichen Nachricht aufierte ſich verſchieden . Man hüpfte vor Freuden über die Gittc des Phöbus , inan ſehnte ſich höchlich nach dein glücklichen Tage , - man ſtützte ſich feſt ein jeder auf ſeine gerechte Sache , und drohte fchon ſeinem Gegner alles Böſe. Da nun der Tag des Segens anbrach, ftrömte

nicht eine Menge, nicht ein Heer,

eine Welt ſtrömte zuſammen und ſtellte jenes Chaos dar, von dem die Dichter ſo viel und ſo ungeheuer fabeln . Phöbus fand das zu unordentlich und lieſs den Haufen in Claf, ſen abtheilen wie menſchliche Genauigkeit und Gewohnheit fie vor Zeiten eingeführt lat. Den Vortritt hiệſs Er den Herrn der Welt, den Monarchen .

Sie ſollten zuerft ihre

Ihr Sprecher Nicolaus Klagen anbringen . Machiavell beſchwerte fich allo in ihrem Na men

vorzüglich iiber zwei Dinge über das

1 1 1 11 1

Wort Gottes und das Gewiſſen . Jenes beunrulige ſie durch ſeine eherne Stimme von aufien her, dicís im lonnern ; und föhre den Genoſs ihrer glücklichen Uncingeſchränktheit. Noch

1


163 Noch ſtimmten einige Kopfhänger und Son derlinge in das Geräuſch ein, inden fie Geheim niſse der Staatskunft ausplauderten und damit den Vorwitz des Volks reizten , ins Innre derſelben eindringen zu wollen . Dem kann abgeholfen werden, entſchied Phöbus, durch Atheismus ; und Despotismus, jener ſchläferé ein dieſer unterdrückt. Aber etwas hätten ſie

immer

noch zu fürchten ,

den

Tod.

Sie inöchten -es mit ihm ausmachen , daſs ſie nic aus dem Leben zu ſcheiden genöthigt wiir. Nach den Herrn kamen die Sclaven , den . die kleinen Grosherrn , denen es, zufolge der Klage Sejans, miſsfel daſs ſie gleich den Planeten mur in geborgten Lichte glänzten, und, da lie nichts Eignes hätten , mit ihrer Sonne un . tergiengen und verfinſtert würden , dann jede Schmach des Pöbels zu dulden hätten .

Ich

wundre mich über eure Unleidlichkeit, anit -wortete Phöbus, ihr habt ja Eignes genug ! - Es iſt längſt bekannt wie gut ihr euch beim Sonnenſchein

gegen

die Wolken

verſaht.

Ihrhabtſchöne Schätze aufgethürmt, nur fürcht' ich , L 2

!


164 ich, der Wurın des Fluchs wird fie uud euer Haus verzehren. Es folgte der Adel. Er trug durch Craſſus vor, es gäb ein ſehr böſes Beiſpiel, daſs heut zu Tag ſo viele geadelt wir. den. Die Menige, erſchöpfe den Reichthum des Landes und yerwäsſere das edle Blut. Sic erhielten zur Antwort : Vorher müſse jeder von ihnen ſeinen Adelsbrief zuſamtden Ver dienſten aufweiſen ; dann ſollc entſchieden wer den, wer die Unwürdigen ſeien deren ſich der Adel zu ſchämen habe. letzt traten die Financiers hervor. Der Marquis de Rosny bat, man möchte ſie doch in Zukunft reich licher befolden. Sie brauchten zwar ſehr we nig zu ihrem Unterhalt ; weil Ge aber deffen ungeachtet in kurzer Zeit ſett würden ,

fo flü

ſterten ihre Neider von Sporteln und Diebſtahl. · Phöbus : Freilich ein Räthfel! aber für mich iſt es zu fchwer, es gehört für den Richter ſtuhl II, wo folehe Knoten am leichteſten ge . löft werden . Diefen Zug fchloſsen die Sol daten: Es ſei doch traurig , itellte Therfites vor , Körper von Fleiſch eiſernen Geſchoſs

ent


165 entgegenzuftellen ; man folle fie unverwund. bar machen .

0!

für euer Leben lebt ihr

ohnhin zu lang ; und ſterbt ihr, ſo find eurer würdigen : Nachfolger nur zu viele. : Nun ward eine andre Clafle abgehört. Die erſten daraus waren die Pfaffen , die durch , Tetzel den Geitt ihrer Kirchkinder verdamme ten .

Phöbus ſah fie lächelnd an.

Haltet euch

ruhig, guten Leute : rath ' ich euch . Noch theurer läſst ſich Schall und Rauch wahrlich nicht verkaufen.

Zum zweiten die Juriſten ,

Ihrer nahm Cépolla fich an gegen die Verrä. therei des zanikſichtigen Parthenius, Sie wird cuch nichts ſchaden , tröftet fie Phöbus . So lang des Teufels Blasbälge noch gehn, haben eure Lungen immer gnug zu athmen . Zum dritten die Aerzte. te

Ihr Sprecher beklag

fich , daſs die Metzger vom Viehſchlag

reich würden , die Aerzte nach ſo beträchtlie chen Haufen Leichen immer noch Hunger lit ten.

Zu ihrein Troft erlaubte ihnen Phöbus noch nebenbei das Todtengräberamt zu ver walten.

Zum vierten die Philoſophen , in L 3

deren


166 deren Namen Porphyrius gegen die chriftliche Religion declamirte ' mit Vorwürfen über ihre Paradoxen und Abgefchmacktheiten. Sie er hielten zur Antwort: Sic möchten immerhin frir dieſe Welt weiſe ſeyn , die Chriſten wären es für die zukünftige. Zum fünften die Polyhiftoren , denen theils das fo ungleiche Verhältnifs zwiſchen der ſo groſsen Anzahl von Dialektikern und der ſo kleinen von Mathe watikern mifsfiel, theils das , dafs man ihnen sricht die Weltregierung anvertraute .“ „ Hü tet euch vor dem Schickſal des Flohs beim Virgil “ ! Zum fechften die Philologen , ein Trupp, der fich durch Priscian als die Dol inetſcher der Götter ankündigen licfs. „ Ihr verſteht ja

die Sprache des einigen wahren Gottes ſo wenig , und habt hiermit euern Be . ſcheid . Zum ſiebenten die Poeten, die der blinde Homer anfülirte , und dein

Phöbus

zu Maitres de Plaiſir anempfahl. Der Rich ter ſah fie an und fand fie lahin und blind und krüpplig." „ Maitres de Plaiſir ? nun ja ! meldet euch nur ein anderinal wieder. Zum

achten

1


167

achten die Geſchichtſchreiber .

Gern hätte ih

nen Beroſus den unbedingteſten Glauben zu erftreiten geſucht, wäre er nicht ſo oft von Ge ſpenſtern und Meerwuudern erſchreckt und aus dem Concept gebracht worden. Auch die Goldmacher fanden mit ihrem Hermes ſich ein ; eine Gattung Menſchen , die über die menſchliche Schwachheit und Einge. " ſchränktheit des Erdelebens erhaben find und fonit iminer unſichtbar zu ſeyn pflegen. Sie wünſchten das Einzige, unter Schutz und Pri. vilegien ihre Schätze auskramen zu dürfen , und daſs dein Scharfrichter nie mehr erlaubt würde, ſo heilige Häupter anzutaften , oder Ganz gern ganz, gerir; gar aufzuknüpfen . ſprach Phöbus , und gab ihnen folgenden Frei brief ! „ Wer den Stein der Weifen wirklich zu verfertigen weiſs foll unyerlezlich ſeyn , alle Windbeutel hängen. " Endlich blieben auch die Buchdrucker , Buchhändler und Buchbinder nicht aus, Sie : Es iſt doch ſchlimm , daſs die Welt der Lü . gen und des Geſchwätzes nie fatt wird , wir kön L 4


168 können ihr nicht verſchaffen gnug.

Er : O !

eher verſchlingt die Tiber das Weltmeer, als es euch an Stoff zu Lügen und Geſchwätz mangeln wird .

Eine andre Claſſe ward aufgerufen , die Die Dikaſterien wünfchten alle ftädtiſche. geſchriebne Geſetze abgeſchaft um alle Gerech , tigkeit aus dem Schrein ihres Kopfs und Ge wiſsens hervorzulangen . Man könne nur ſich auf wurmſtichiges Holz zu wenig verlaſſen , entſchuldigte Phöbus feine Bedenklichkeit. Die Conſuls erſuchten , durch Markus Antonius in Hinficht darauf, daſs man es doch den Mül lern nicht übel nähme wenn ſie mehlftaubig wären, um Erlaubniſs, fich mit dem Mehle des Fiscus pudern zu dürfen. Nehmt euch nur in Acht, daſs wenn euch der Rock ausgeklopft wird, der Rücken nicht zugleich den Stock mit fühlen muſs. Dann die Syndici. Ihr Spre cher meldete, fie wollten in die Minen die fic in den Grund der Stadt gearbeitet hätten, nun das Pulver einftreuen. Es iſt viel Gefahr da

bei,

.


169 bei, warnte fie Phöbus ; ihr wiſst ja noch nicht ob das Pulver vor - oder rückwärts ſprengt. Dann

die Rathsherrn.

Ein Senator von

Schildburg bat, man möchte fie doch ihre Vota würfeln laffen, da fie die Gegenſtände immer nicht kennten. Ich wehr' es euch nicht, ' ant. wortete Phöbus, nur dürft ihr nicht trinken, fonft könnt ihr die Zahlen nicht erkennen ; Dann die Pfandverleiher. Es wäre doch ſchön , meinten ſie, wenn viermal des Jahrs Carneval wäre, da gäb' es doch mit Kleidern etwas zu fchachern . Sind doch ſchon , feufzte Phöbus, alle chriſtliche Fefte zu Carnevals worden, wiſst ihr eine Jahrszeit, wo noch eins hinyer . legt werden könnte ? Dann die Speiswirthe. Apicius klagte über einige Herolde der Mäſsig . keit , die bald alte Gaſthäuſer öde machen würden . Laſst fię ! wiſst ihr nicht, daſs mehr gefchmauſst wird , bei verſchloſsnen Thüren als wo die Schilder neben dem offnen Thor weg hängen. Dann die Künſtler. Ihr Advo. cat Plinius ſchalt auch auf die Barbarei des Zeitalters das keinen Sinn für die Kunft hätte . L 5

Phö.


170 Phöbus gab zur Antwort : So ein

altes Müte

terchen wie jetzt die Welt iſt, darf fich nicht putzen wollen , Giebt es ja ohnedem derer die ihr das Haar kräuſeln ſo viele gegen die wenigen , die für ihre baufällige Geſundheit ſorgen . Die Landleute verlangten durch Varro Rech nung über Soll und Empfieng von den Städtern . Bringt ihr aber auch , befehligte fie Phöbus, euer Conto über Religion und Menſchenliebe her.

Die Schiffleute warfen , mit Palinur,

dem Waſſer feine Treuloſigkeit und dem Wind ſeinen Ungeſtiim vor. Waruin ſeid ihr ſo habfüchtig und verwegen , ſchalt fic Phöhus. Endlich, traten, (mit da febt ihr ſelbſt zu , Reſpect 'vor einem ehrſamen Publicum ! ) die mitleidigen Nachrichter hervor.

Sie bedauer

ten die armen Schelme, die fie hängen müſs ten und verlangten daſs difs künftig nur den groſsen Dieben , den groſsen Mördern , den groſsèn Ehebrechern geſchehe! fie hoften , da mehr Profit davon . Der Beſcheid den ſie er hielten , war :

hinzugehn und zu thun was man


171 man ſie hieſse; der Teufel müfse doch auch etwas zu thun haben . Auch dieſe Claſſe war abgefertigt; und ward von den Religionsparteien abgelöſst. Den er ften Platz nahmen die Juden , nicht Abrahams Söhne ſondern die Baſtarde der Synagoge. Sic theilten fich in zwei Haufen ab, hier unter le roboam die Samariter , Pharifaer, Ellaer , Sa. + ducäer , Ainmoniten u , f. w .; dort unter Mu hamed, die Schiten , Suniten , Hindus, und Man furiten . Sie erkundigten ſich , wenn denn ihr Wohlleben im Paradies und ihre ewige Hoch zeit angienge.?.vor der Hand baten lie im Er, laubniſs die Probenächte halten zu

dürfen,

Auf der Erde, entliefs fie Phöbus, ift nichts für euch zu thun ; das fefte Land iſt ſchon für Mu, hameds Maulthier zu klein ; und die Erde für den Behemoth des Talmuds. Ihnen

folgten die Heiden .

Vater Cain

brachte die Anbeter der Bilder , der Teufel, der Thiere, der Sterne und der Kräuter, zu ſamt den Epicureern , Stoikern , Magen Bra inanen und Jammabos herbei geführt. Siç flehten


172 Achten gar innig, ewig leben zu dürfen oder im Tode

vernichtet zu werden .

Sterben

müſst ihr, ſprach Phöbuis, uin den künftigen SchandAecken des menſchlichen Geiftes Platz zu inachen ; aber vernichtet werden könnt ihr nicht, wo bliebe ſonſt eure Strafe .

Nach

her kamen Chriſten , aber denen Chriftus un bekannt war unter der Anführung Simons des Zauberers, Jakobiten , Maronitën, Neſtorianer Aethopier cte, und die tauſendförmigen Jeſui ten . Es wäre doch ſchimpflich einen Gekreu . tzigten anzubeten ; ſie wollten ſtatt Cliriftúš den Chryfius (Goldmann) ehren . Jener Na me, war der Ausſpruch des Richters, mufs euch ſo ſehr zum Deckmantel dienen, daſs Klugheit und Dankbarkeit ihn beizubehalten , euch ra then , Nun ſchritten die Verfolger einher, Kaiſer Julian war höchſt unzufrieden mit der Fruchtbarkeit der Religion , die nach zahllo. fen Wirbelwinden , Dürren und Hageln und Verſägen und Umhauen immer neue ſchöne re Zweige trieb .

Schade, ſagte Phöbus, daſs

es grad ihre Natur fo init fich bringt, daſs ſie nur

1


173 nur in üppigem Boden und bei immer hei . tern Himmel und ganz vor dem Beil ficher, verdorren kann. Zuletzt präſentirten ficb die Ketzer ,

ein

zahlloſes Heer , mit den ungeheuerften Nainen. Ihr Sachwalter Apollyon verlangte, man ſolle einen jeden friedlich und frei in ſeiner Hütte wohnen laſsen , übrigens zu ewigen Frieden und Bröderfchaft mit den Nachbarn helfen ; das wechſelſeitige Anfeinden hindre nur den vollen Genuſs der Ruhe, Ehre und Reichthum . Phöbus verſicherte , dieſer Friede gefiele ihm gar ſehr ; auch ſtünde er des nächſten bevor, ſobald alle Winde aus einer Gegend her drehten. Es folgten die Nationen,

Die ſämtlichen

Fürſten Aliens befahlen noch einer Lobrede auf ihre Weisheit, weil Afien zuerſt bewohnt und bebaut und gebildet nnd aufgeklart wor, den ſei, daſs weil doch fie allein die Augen recht zu brauchen gewuſst hätten , dieſe un . nützen Glieder den Bewohnern der übrigen Welttheile , die ja ſo nur einen ſchwachen Schim.


174 Schimmer hätten , ausgeſtochen werden ſoll ten.

Thr ſeht bei alle dem zwar nicht das

milde Licht Chriſti das auf der ganzen Erde verbreitet iſt , aber ihr verlarigtet im Grunde doch nichts Unbilligeres , als man erwarten konnte. Europa that ſeine Verdienſte dar und machte wegen der Eifer für die Reli gion , wegen der Cultur feiner Wüſte und wegen des tapfern Gebrauchs der Waffen , Anſpruch auf die Herrſchaft über die ganze Welt.

Dieſe iſt vorlängſt Philipp dem Zwei

ten, zeicherigen Könige von Spanien beſtimmt ; ich zweifle nur , daſs die Zeit den von ihin gemachten Plan irgend jernanden wird aus: Die Afrikaner wolleen alle ſüliren lafen . Staaten zuſavinien Schmelzen und ein Götzen in etwas neues zur Ana Erz und Leim , lächelte betung zu haben. Phöbus , durfte ſich ſchwerlich verſchmelzeni bild daraus gieſsen ,

lafleri , oline vom crften Regenguſs zu zer lava fallen ." 1 Amerika feufzte über die Grauſamkeit feia ner Eroberet und Apoſtel. , Phöbu's : Bera higt


175 higt euch , jene follen kommen wie Cäfar, dieſe wie die Märtyrer.

Die Arktiker zank :

ten mit den Holländern , daſs dieſe fie von Europa trennen wollten. Phöbus : Geht nach Hauſe und friert ; auf dein Papiere trennt fichs leichter als auf dein Eiſe . Die Antarkti . ker klagten den Magellan der Verrätherei ani, fie ſähen fich nun der furchtbaren Grauſam. keit der Chriſten ſo wie Amerika, ausgeſetzt. Laſst euchs nicht kümmern ; die Bilder von deur menfchenfreffenden Rieſen haben fie fürchten gemacht, fie kommen nicht wieder. Den langen Zug der Menſchenklaffen ſchlofs jetzt die Geſchichte mit ihrem Sekretär dem Schriftzeichen Sie beſchwerte ſich über die Verſchiedenheiten

in der Art zu ſchreiben.

Im Orient ſchreibe man von der rechten zur linken , im Occident von der linken zur rech ten ,

im Norden von oben herunter, im Süd

von unten hinauf; Phöbus möchte doch uin den Erwerb der Kenntniſſe zu erleichtern , cine allgemeine schreibart cinführen . einer neuen Welt , ja !

,,I11

End .


176 Endlich ward auch die Staatskunft vorge laſſen, die mit der Gottheit felbft unzufrieden

var.

Sie beſchwerte fich , die künſtlichften

Gebäue ,

die genauften Berechnungen , die

feinſten Kniffe würden von ihm zu nicht ge macht ; durch ihn würde das Heinlichfte of fenbar, das Kligfte zum Geſpött, das Stärkſte ſchwach , und ſelbſt was ewig dauren ſollte, vertilgt . Phöbus lachte. Dich mit der Gott heit zu vereinigen , ſprach er , das kannſt ; du ; ihr dich aber widerſetzen , das ift ohne deinen Nachtheil unmöglich . Der Tag hatte ſich geneigt und die letzte Clafle trat auf. Es war die der Allgemein Den Anfang machte die Natur be gleitet von Inſtinkt und Vernunft. Nach hef heiten .

tigen Ausfällen auf den Menſchen bat ſie, wenn die Menſehen nun ja zum Vieh werden woll ten, ſo möchten die Thiere Vernunft erhalten . Phöbus : Das dinkt inir nicht gut.

Hat die Erde ſchon von einer Gattung vernünftiger Weſen ſo viel auszuſtehn , was läſst ſich von ſo

vielen

Arten

erwarten ?

Es folgte die Kunſt


e

179 Kunft, mit Genie und Bildung.

Sie ſchakt

ihre vorgeblichen Eingeweihten, denen es an Kopf und Hand fehlte, und die ſich doch über Werkſtätte ſetzen lieſsen . Phöbus ſtellte ihr vor , die Natur pflege wohl die Kinder mit vorgekauter Speiſe zu erzieln, die Kunſt aber wachſe ja ohnedem von ſelbſt auf. Die Crea . tur janimerte über ihr Alter und ihre Kraftlo figkeit und über die Undankbarkeit der ſo begehrlichen Menſchen, und erhielt vom Phö . bus den Troſt, der Tag des ernſten Gerichts ſei nicht mehr fern . Aufgemuntert durch die fe Verſicherung, begann die Zeit : Auch ich hätte vieles zu beklagen , da ich aber höre, daſs der Tag unſrer Befreiung bevorſteht, ſo über feh ' ich jetzt den Groſsen die Tyrannei, ihren Dienern die Bedrückungen , dem Adel feinen Stolz, den Calleninhabern ihren Unterſchleif, den Soldaten die Zügelloſigkeit , den Pfaffen die Heuchelei, den Rabuliften die Chikanen , den Aerzten ihre Todeſchläge, den Denkern den Schwindel, den Künſtlern die Ungeſchicke heit, den Literacoren ihr Stottern , den Dich M tern

1


180 tern die Stelzen, den Geſchichtſchreibern das Gefabel, den Goldmachern ihren Rauch , den Buchhändlern die Maculatur, den Dicaftercien die Gewaltthätigkeiten , den Secretären die Verrätherei, den Rathsherrn das Janicken , den Wuchrern Ueberſatz, den Speiſewirthen die Betrunkenheit, den Handwerkern . Pralerei , dem Landmann das Bevortheilen , derf Matro fen ihre Ruchloſigkeit, den Nachrichtern den Blutdurſt, den Juden den Wucher , den Hers den die Blindheit , den Chriſten die Gotteslä Aterungen , den Verfolgern das Jnquifitionsge richt, den Irrlehrern die Trugſchliſse ; Afien ſeine Verwandlung, Europa ſeine Lüfte, Afrie ka ſeine Bigotterie, Amerika ſeinen Schwach finn , dem Nordpol die Kälte, dem Südpot die Riefen, der Geſchichte die Firlefanze, der Staats kunft ihre Träume, der Natur ihre Schwäche, der Kunſt die Unbedachtſamkeit, der Creatur ihre Runzeln .

Ich meiner Seits, fuhr ſie fort,

werde meine Abwechſelungen und Leiden dulden , bis der Herr der Welt ſich bald des zerrütteten Ganzen annimmt. Wohl,


181

i Wohl, liebe Zeit , endigte Phöbus feinen Gerichtstag , wohl , daſs du mich des allge meinen Gerichts über dieſen Haufen überho ben haft. Uebrigens haben uns den heutigen ganzen Tag die ſchlechten Menſchen geraubt ; noch find aber in allen Ständen der Edlen vie . le übrig, wir entlaſsen alſo jene mit verdien . ter Schmach und dieſen beſtimmen wir den morgenden Tag zum Termin , an welchem fie das verdiente Lob hören und würdige Beloh pungen erhalten ſollen .

BIDIOTECA

MONSCONSIS





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