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2013 A 204
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Deutsches Museum
1
Bibliothek des Deutschen Museums
057001184066
Johann
Valentin
Andreä.
Leben und Auswahl Ĺżeiner Schriften
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Julius Hartmann.
BIBLIOTHEK DES DEUTSCHEN MUSEUMS MÜNCHEN
2013
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X. AVE . A de
Johann Valentin Andreä.
Einhundert Jahre, nachdem Luther mit den fünfundneunzig Theſen den zündenden Funken in die Chriſtenheit hineingeworfen hatte, zwar an ſich ein unvollkommenes Menſchenwort, durch Gottes Geiſt und Kraft aber das edyte Gnaden- und Schöpferwort Gottes an die durch Jahrhunderte verwüſtete und verfinſterte Kirche * ) , muß der Mann , von deſſen Lebens bild in den folgenden Blättern ein treuer Abriß verſucht wird , ausrufen : Nachdem die Evangeliſchen das Joch menſchlicher Saßung abgeworfen, hät ten ſie ihren Naden unter das ſanfte Jody des Herrn beugen ſollen ; jeßt
* ) Evangel . Bollebibliothek. I. S. 25 .
574 aber werden menſchliche Saßungen mit menſchlichen oder vielmehr wenig menſchlichen Sagungen vertauſcht und mit verändertem Titel Wort Gottes genannt ; die Herrſchaft des Pabſts wird verworfen , und wir ſeben viele kleine Päbſte ein ; die feierlichen Gebete ſind abgeſchafft, und nun beten die Meiſten gar nicht mehr. Hatten jene theuren Gottesmänner, ein Luther, Melanchthon, Brenz, Zwingli, Calvin , ihren Beruf treulich erfüllt, Chriſtum und ſein Wort in die Gemüther der dem Evangelium völlig Entfremdeten zu pflanzen ; ließen fie ficy, bei allem Streben , die Schriftlehre auch wiſſenſchaftlich zu be gründen, getreu dem erhabenen Vorbild ihres göttlichen Meiſters herab zum Bedürfniß und Verſtändniß auch der Geringſten , der geiſtlich und leiblich Armen : ſo ging leider bald nad ihrem Hingang die vorherrſchende Rid ) tung darauf , die chriſtlichen Lehren in beſtimmte Formeln zu faſſen , die gewonnenen Glaubensſäße ſorgſam einzugrenzen und gegen jede irgend ab weichende Auffaſſung, gegen jeden freieren Ausdruck eiferſüchtig zu vertheidis gen . Die Kirche war, wie einer ihrer gründlichſten Kenner *) ſagt, eine theologiſche geworden, die Theologie ſelbſt , nach Andreä, durch den Einfluß ſcholaſtiſcher Meinungen und Zänkereien , wie durch die Einmiſchung der Myſtiker und die Anſteckung offenbar gottloſer Leute gar ſehr verfälſcht. Die Diener der Kirche warfen ſich mehr und mehr zu Herren auf ; die Prediger, die den Hungernden Brod zu reichen hatten, boten dem Volt Es konnte nicht fehlen, daß während die Geiſt vielfach nur einen Stein . lidhen um die Lehre ſtritten , das Verderbniß der Sitten alle Lebenskreiſe mehr und mehr vergiftete und die Abirrung von dem Worte Gottes ſich immer mehr verbreitete " * ). Auch im Vaterland des geiſtreichen und thatkräftigen Zeugen der Wahrheit, von dem wir berichten wollen , in dem durch Brenz's Wirkſam keit ganz beſonders geſegneten Württemberg war in der dem dreißigjährigen Krieg unmittelbar vorhergehenden Zeit , ja ſchon in den leßten Lebensjah ren des genannten Reformators die erſte Liebe zum Evangelium , die Wärme, mit der Fürſt und Volk , Geiſtliche und Gemeinden die neuerſchloſſene Heildquelle begrüßt und aus ihr geſchöpft hatten , erkaltet und einerſeits ängſtliche Zionswächterei und kirchliche Herrſchſucht , andererſeits fittliche Lauheit und Gleichgiltigkeit, ja bald tiefes Verderben bei Hohen und Nie deren eingeriſſen . Keiner hat die Krankheit ſeiner Zeit, ihre Gründe und Erſcheinungen richtiger erkannt , keiner ſie ſchonungsloſer aufgedeckt, aber auch kräftigere und zweckmäßigere Heilmittel dagegen verordnet, als Johann Valentin Andreä , ſchon zu feinen Lebzeiten auswärts viel mehr, als in ſeinem Vaterland geachtet, ein halbes Jahrhundert nach ſeinein Tod von Spener mit dem anerkennenden Nachruf beehrt : „ Könnte ich Jemand zum Beſten der Kirche von den Todten erwecken , es wäre Johann Valentin Andreä ! Ein Enkel des um die württembergiſche und deutſche Reformation hochverdienten Tübinger Kanzlers Jakob Andreä ( geb. 1528 , geſt. 1590 ) und Sohn des Defans in Herrenberg, nachmaligen Prälaten in Königs *) Richter, Geſchichte der evangel. Kirchenverfaſſung in Deutſchland, S. 199.
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bronn, Johann Andreä, war Johann Valentin zu Herrenberg geboren den 17. Auguſt 1586. Bei trefflichen Anlagen und lebhafteſtem Lerntrieb eignete ſich der in ſeiner Kindheit körperlich zarte und kränkliche Knabe un ter der Leitung ausgezeichneter Lehrer frühzeitig ſolche Kenntniſſe an , daß er noch nicht zwölf Jahre alt die Dichtungen Friſchlins, die ernſten und fatiriſchen Schriften des Erasmus , Livius römiſche Geſchichte und Mün ſters Erdbeſchreibung verſchlang. Dabei beſaß er eine große Vorliebe für mechaniſche Arbeiten und Mathematik und wurde auch hierin von tüchtigen Meiſtern ſchon in ſeinen Knabenjahren ſo gefördert, daß er ſpäter den Un terricht Mäſtlins , des Lehrers von Repler, mit beſtem Erfolg genießen konnte. Nach dem frühen Tod ſeines Vaters (1601 ) mit der Mutter nad Tübingen übergeſiedelt, fand der fünfzehnjährige Jüngling reiche Ge legenheit, bei Lehrern von anerkannter Gelehrſamkeit ſeinen Wiſſenstrieb zu befriedigen . Auch zeigte er don folche Beſonnenheit, daß die Mutter ihm ſogleich die Verwaltung ihres Haushalts überlaſſen konnte. Neben den al ten Sprachen trieb er franzöſiſch , italieniſch , ſpaniſch, um ſpäter ungehin dert ſeinen Reiſetrieb befriedigen zu können . In ſeinem ſechszehnten Jahr arbeitete er nach engliſchen Muſtern (wer denkt nicht an Shakspeare ?) zwei lateiniſche , für uns verloren gegangene Luſtſpiele aus. Aus derſelben Zeit ſtammt ſein ſchönes Lied : An die verborgene Liebe“ . Durch Privat unterricht, den er namentlich jungen Adeligen ertheilte, verdiente er ſo viel, daß er nicht blos ſich das Nöthige, Büder befonders , anſchaffen , ſondern noch ſeine Mutter unterſtüßen konnte. Verſchiedene Profeſſoren , nament lich der von ihm hochgeſchätzte, ſpäter zu ſeinem tiefſten Schmerz zum Kathos licismus übergetretene Chriſtoph Beſold , kamen ſeinen Studien durch die geſtattete Benüßung ihrer Bibliotheken zu Hilfe. Eine dunkle Wolke warf mit einem Mal ihren Schatten in den Helen Tag des froß aufſtrebenden Jünglings. Er , der ſechs Jahr keinen Wein trank, als das beſcheidenſte Maß bei ſeiner Mutter , und dies in einer Zeit herrſchender Völlerei, wurde in das ausſchweifende Treiben einiger leichtſinniger Gefellen ver wickelt, wodurch ſein bisher ſo unangetaſteter Ruf , noch mehr die Ruhe ſeines Gewiſſens empfindlich litt. Er verließ Tübingen , in deſſen Nähe er ſchon mehrmals gepredigt, und ging nach Straßburg, ſodann in's Badiſche und an den Rhein, eine Reiſe, die auch für ſeine Geſundheit förderlich war , übernahm eine Erziehersſtelle in Lauingen und kehrte nach Jahres friſt nach Tübingen zurück , um daſſelbe Geſchäft hier zu betreiben und fich in der Theologie weiter auszubilden . Als 1610 die Univerſität wegen der Beſt verlegt ward , reiste er in die Schweiz, wo er beſonders in Genf von der dortigen Staats- und Kirchenverfaſſung Eindrücke erhielt, die er durch ſein ganzes Leben feſthielt und ſpäter in ſeinem Vaterland zu ver werthen bemüht war. Ueber Lyon , Paris , Zürich und Baſel kehrte er in die Heimath zurück. Eine Hauslehrerſtelle bei den Herren von Gem mingen hielt ihn nicht ab , den regſten Verkehr mit trefflichen Lehrern , vor allen dem Theologen Hafenreffer, und tüchtigen Studirenden zu pflegen, ein Kreis, der ihn zu mehreren, mit entſchiedenſtem Beifall aufgenommenen ſdhriftſtelleriſchen Ergüſſen veranlaßte. Unter den Mittheilungen Hafenreffers von der Familie Andrea's mögen zwei , die derſelbe beſonders hervorhebt,
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hier in Kürze angeführt werden. Jakob Andreä, der ebenſo gelehrte, als praktiſche Kirchenmann hielt einſt als Badegaſt in Jebenhauſen unvorbereitet eine trefflidie Predigt. Als der Sohn , Valentins Vater, ſein Mitgaſt, ſte lobte, entgegnete der Greis : Haſt du nicht meine Angſt und Verzagtheit bemerkt ? In den höchſten , gelehrteſten Kreiſen ſei er nie einer Ohnmacht näher geweſen , als vor dieſen Bauern, bei denen er gemeint habe , keiner Vorbereitung zu bedürfen . Hüte dich, mein Sohn, und predige vor dem Volt Chriſti nie ohne vorhergehendes Nachdenken und frommes Gebet ! " Die andre Anekdote führt uns in die Tiefe eines Thurms , in die Jakob Andreä als junger Mann zu einem Böſewicht an einem Seil hinunterge laſſen wurde, dem zum Tod Verurtheilten geiſtlichen Zuſpruch zu bringen . Auf einen Vortrag über die göttliche Vorſehung , nach deren Willen der Böſewicht jeßt dem Tod geweiht ſei, entgegnet ihm dieſer tropig : wie, wenn ich dir jeßt den Hals bräche, wäre das auch göttliche Vorſehung ? Schnell fich von ſeinem Schreck ermannend, antwortet Andreä : Wenn es geſchehe, müßte man es allerdings der göttlichen Vorſehung zuſchreiben ; allein daß es geſchehen und daß es Gott dir erlauben wird, glaube ich keineswegs. Durch dieſe Geiſtesgegenwart wurde zwar der Verurtheilte ſo erſchreckt, daß er keine Hand an ihn legte ; Andreä ſelbſt aber ließ ſich durch den Vorfall warnen , ſich nicht wieder in folche Gefahr mit einem Verzweifelten zu begeben . Im Jahr 1612 machte Johann Valentin eine Reiſe nach Italien, wo ihn die durch ihre geſchichtlichen Reſte, wie durch ihre wiſſenſchaftliche und induſtrielle Thätigkeit merkwürdigen Städte Venedig , Padua, Verona u . a . beſonders anzogen. In Rom ſelbſt blieb er nur einige Tage ; war es einzig die große Hiße, er kam im Juli dahin die Furcht vor dem Fieber, oder nicht viel mehr ein an Luthers Eindrücke erinnerndes Gefühl des Unbehagens an dem zeitlichen Treiben der ewigen " Stadt und das Gelübde, fidh fo bald als möglich der Kirche zu widmen , “ das ihn trieb nach Hauſe zu eilen , wer will es entſcheiden ? In Tübingen erhielt er fofort freien Tijd mit den Repetenten , begleitete im nächſten Sommer einige Profeſſoren in's Bad Griesbacy, wo er theils durds ſeine in Padua erlernten Uebungen am hölzernen Pferd , theils durch Gaſtpredigten ſich Gunſt und reiche Geſchenke erwarb, beſchäftigte ſich eifrig mit den Werken Luthers und den Kirdenvätern , wie mit Mathematik und Mechanik, bis ihm nach gehaltener Probepredigt 1614 das Diakonat Vaihingen über tragen wurde. In demſelben Jahr verehlichte er ſich mit Agnes, Tochter des Joſua Grüninger, Pfarrers in Boppenweiler, und nahm ſeine Mutter zu fidh. In dieſe ſechsjährige Amtszeit fält die Herausgabe der Mehrzahl feiner im Ganzen mehr als hundert Schriften , die freilich großentheils nur wenige Bogen umfaſſen. Sein Amt ließ ihm die nöthige Muße , naments lich aber zog er ſich aus dem durch zwietracht und Sittenverderbniß ge trübten öffentlichen Leben gern in die häusliche Stille, den ſchriftlichen Ver kehr mit alten und neuen Freunden und die längſt erprobte ſchriftſtelleriſche Wirkſamkeit zurüc. Hier erſchien im erſten Jahr ſein chriſtlicher Herkules, ſein Turbo , ein aus Tübinger Unterhaltungen entſtandenes literariſches Allerlei, in den nächſten Jahren der Menippus, eine Sammlung ſatiriſcher Geſpräche, und ſeine Einladung zur Bruderſchaft Chriſti “, in welcher er,
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unmittelbar vor Beginn des dreißigjährigen Krieges, die Schäden der Kirche und des Vaterlandes ſo treu und fchonungslos bloßlegt, die verdienten Strafen des Himmels fo 'beſtimmt vorausſagt, daß man nicht ſelten einen Propheten zu Hören glaubt . „Unſer Vaterland ," ſo heißt es in der left angeführten Schrift, ſchon früher an einer lang dauernden Unfruchtbar teit leidend , macht die meiſten Arbeiten fruchtlos und gibt den Meiſten nur mit Mühe ihre Nahrung. Unſere Körper werden hier und dort von peſt artiger Seuche heimgeſucht und wie von der Ruthe der Hand Gottes ge fQlagen. Die Fackel des Krieges lodert und droht einen weiten , fQreck lichen Brand. Aber unter ſo großen Uebeln , welche vor Zeiten das Volt Gottes , die wahrhaftigen Chriſten , zu öffentlicher Traner , ' zu feierlichen, anhaltenden Gebeten , zu allgemeiner Beſſerung des Lebens geführt hätten, kümmern wir uns weder um Hilfe von oben , noch beſchränken wir unſern Lurus , unſere Gaſtmähler und Luſtbarkeiten im Mindeſten. Wir ſchicken kalte Gebete zum Himmel , und ſtoßen heiße Gottesläſterungen aus ; rich ten kurze Gottesdienſte, aber lange Saufgelage ein , und rühmen uns doch, Gott werde mit uns ſein und alle Uebel von uns wenden ; ja in dem Roth unſerer Laſter hoffen wir noch , er werde unſer mehr als barbariſches Lebent nidit nur billigen , ſondern auch beſchüßen und erhalten , und der Wächter ſo vieler gottloſen Städte ſein ." 3m Menippus fragt er : Iſt nicht die Gerechtigkeit Gottes nodi da ? B. Ja , aber Jeder thut , was er will. A. Die Religion wehrt dem Verderben. B. Der Reiche ſchlüpft jeßt durch ein Nadelõhr. A. Die Gefeße ſtrafen. B. 3a , die Fliegen , nicht die Weſpen. 4. Was thun nicht unſere Theologen ? B. Sie fechten. A. Aber die Prieſter der Gerechtigteit ? B. Sie ſeßen Schröpftöpfe an . A. Alſo bleibt den Aerzten wenig übrig ? B. Der gleiche Cod. A. So wollen wir an die Vernunft appelliren ? B. Ungeheuer entreißen ſie uns. 4. Bleibt denn nichts weiter übrig ? B. Nichts, als daß du mich ganz ruhig ſo läſfeſt, wie die verzweifelte Geſtalt unſerer Angelegenheiten mich gemacht hat. 4. Die Fürſten werden Hilfe bringen. B. Sie haben nicht Zeit vor weltlichen Geſchäften . A. Aber die Vornehmen . B. Ich habe kein Gold. A. So arbeite. B. Das hält mein Körper nicht aus. A. Bettle. B. Da müßte ich zu Grund gehen . A. Hoffe. B. Die Menſchen ſchrumpfen zuſammen und werden immer fteinartiger. A. Dulde. B. Das thue ich tapfer. A. Jekt bin ich milder gegen dich geſinnt. B. Aber womit willſt du mir Helfen ? A. Jd kann nicht. B. Was verſprichſt du ? 4. Ich bin eben ſo elend. B. Was räthſt du ? A. Laß uns die künftige Ewigkeit erwar ten . A. Wie wunderbar iſt es, daß zur Zeit der größten Gefahr die Men den gewöhnlich am ficherſten find ! B. So ſollte man ihnen das : Simonſolärſt du ? “ beſtändig in's Dhr rufen . A. Wer weiß nicht, daß Deutſchlands Anſehen und Stärke durch die Uneinigkeit ſeiner Stände matt und verächtlich wird ? B. Simon jdläfſt du ? A. Wer weiß nicht, daß die Religion ein Waarenhandel geworden iſt ? B. Simon ſchläfſt du ? A. Was iſt der Richterſtuhl , als eine Saat von Prozeſſen ? B. Simon idyläfſt du ? A. Die Prieſter füllen fich. B. Simon ſchläfſt du ? A. Der Hof iſt eine Cloake; die Obrigkeit tanzt; das Volk belacht, worüber es meinen , es beweint, worüber es lachen ſollte .... Unglückliche Erde, wo Evangel. Volksbibliothet. II. 37
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der Satan Fürſt, der Weltfinn Gaſtfreund, die Sinnlichkeit Lehrerin , die Heuchelei Rath , Eitelteit die Geſellin , Sorgloſigkeit die Gefährtin , Bosheit die Dienerin iſt! B. Simon ſhläfſt du ? Bermagſt du nid)t eine Stunde zu wachen ? A. Wer ſollte wachen , dem der Baud Gott, ſein Wille Geſek , Ehrgeiz der Führer, Verwegenheit Kunſt, Gewohnheit die Regel, ein Dunſt Lohn , Poſſen Lederbiſſen , die Knechtſchaft ein Ehrentitel, ſtarre Trägheit das Rubekiſſen , das Ende Verdammniß iſt ? B. Simon erwache, wenn es nicht ein Todtenſchlaf iſt, in dem du träumeſt! Offenbar iſt es eine und dieſelbe Abſicht: einerſeits auf die Schäden der Zeit , namentlich die Gebrechen der Kirche, beſonders auf die verkehrte Neigung zu ſchwärmeriſchem Geheimthun , andererſeits aber auch auf die Heilmittel aufmerkſam zu machen , mit welchen man jenen Uebeln zu be gegnen habe , was Andreä in den ohne ſeinen Namen erſchienenen , aber ohne Zweifel von ihm herrührenden berühmten Schriften über die Roſen kreuzerei verfolgte. Eine Bruderſchaft, ein Bund wird hier eingeführt, der ſdon ſeit Jahrhunderten beſtand, unter den Symbolen der Roſe und des Kreuzes, - bekanntlid, auch Luthers Wappen – im Beſiß von höheren Mitteln und geheimen Künſten ſei ; offenbar eine Satire auf die myſtiſche Geheimthuerei der Zeit , für geſunde, empfängliche Gemüther aber eine unt ſo kräftigere Einladung, dort die wahre Weisheit zu ſudjen , wo ſie allein zu finden iſt : im Wort Gottes , der einzigen Richtſdinur des Lebens und dem Grundpfeiler alles Heils. Je größer der Schrecken war , in welchen die Nachricht von ſolchem Geheimbund Unzählige verſeşte , deſto mehr glaubte Andreä ſeine Urheber ſchaft verbergen zu müſſen , deſto entidhiedener trat er aber audi in mehre ren Sdriften – wir nennen unter dieſen noch ſeine „ Beſchreibung des Chriſtenſtaats " – mit wirklichen chriſtlichen Rathídhlägen auf. Hieran reiht ſid, eine ſehr anziehende dyriſtliche Dichtung aus den zwanziger Jahren an : Die Chriſtenburg , die in unſerer Sammlung um jo mehr eine Stelle perdient, als die anonyme Ausgabe ( Freiburg 1626 ) ſehr ſelten , die durch v. Grüneiſen nad einer Stuttgarter Handſchrift veröffentlichte, bis jeßt mehr nur in eigentlich gelehrten Kreiſen bekannt geworden iſt. Die „ Chriſten burg“ iſt eine dichteriſche Erzählung des Urſprnngs und Wachsthums, des Verfalls und der Bedrängniß, wie des endlichen Siegs und Gedeihens des Chriſtenthums, mit deutlicher Beziehung auf die Zuſtände, Befürchtungen und Ausſichten in der erſten Zeit des dreißigjährigen Kriegs , reidh an kräftigen, für alle Zeit geltenden Mahnungen an die Glieder der Kirche, ſich von leerem Scheinglauben , gefährlidyer Halbheit , Spitfindigkeit und leichtfertigem Wandel zu ernſtem Sinn , lauterem Glauben , Heiligung des Herzens und Lebens zu ermannen . Von Vaihingen , wo er einen doppelten Brand erlebte, der einen bes trächtlidyen Theil der Stadt einäſcherte , 1620 zum Dekan in Calw beför dert, konnte ſid) Andreä fortan weniger der literariſchen Beſchäftigung wid men. Das praktiſdye Amt nahm ihn vorherrſchend in Anſprudy. Dagegen bemühte er ſich, ſeine Ideale von einer chriſtlichen Gemeinſchaft , wie er ſie längſt in ſich trug , möglichſt zu verwirklichen , und ſo finden wir ihn als : bald mit Verbeſſerung des Unterrichts- und Erziehungsweſens, mit Reges
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rerin, Boll Stu de Belen in Du Trigle went!
lung des Armenweſens und Einführung driftlicher Sittenzucht beſchäftigt. In erſterer Beziehung richtete er ſeine Aufmerkſamkeit auf eine fruchtbrin : gende katechetiſche Unterweiſung der Jugend und ſorgfältigen Unterricht in der bibliſchen Geſchichte. Auch in dieſer Richtung ſehen wir ihn drift ſtelleriſch thätig. Eine augenſcheinlich aus der Hand Andreäs: ftammende, vielleicht für ſeinen Gönner und Freund Herzog Auguſt von Braunſchweig beſtimmte Sammlung deutſcher Drucfdriften und mehrerer handſchriftlichen Gedichte desſelben *) enthält unter Anderem eine Chriſtliche Evangeliſche
Schile verkehr auf I zu & n, abe Nicfa rt, du nd del jöberte nitie ne ili
Kinderlehr , darinnen 1 ) der 5. Katedhismus ( von Brenz); 2) Chriſtlicher Unterricht für junge und einfältige Leut, fo zum Tijd des Herrn gegen wollen ; 3) die Hauptlehren Chriftlicher Religion , für etwas erwachſene in kurze Kapitel verfaſſet - Aus Heiliger göttlicher Schrift für die liebe Fu gend, inſonderheit aber getreue Schulmeiſter, Hausväter und Mütter zu jammengetragen " ( 1629) , und Die Augsburgiſche Confeffion , auf das einfältigſte in ein Kinderſpiel gebracht “ ( Straßb. 1631). Im eigenen Un terricht wußte der ernſte Mann die Kinder ſo zu gewinnen, daß, wo er ſich auf der Straße blicken ließ , ſie ihm freudig entgegenſprangen und die Hände reichten . Ein bis heute zu Calm im Segen beſtehendes Werk And reas iſt das Färberſtift, eine durch beträchtliche Beiträge wohlhabender Bürger zuſammengebrachte Stiftung zu Unterſtüßung armer Studirender, Lehrlinge und bedürftiger Handwerker, Wittwen und Waiſen , Kranker, Ver triebener u . 1. f. , die am Schluß des Aufenthalts Andreä's in Calm bereits auf die Summe von 18,000 F. angewachſen war , und ſich in den bald ausbrechenden Trübſalen des dreißigjährigen Kriegs als höchft fegensreidy erwies und Tauſende vom Untergang rettete. Selbſt ein Kenner und Liebe haber der bildenden Künſte, ſchmückte er die Stadtkirche mit ſchönen Gemäl den und Sculpturen . Nach einem im Ganzert noch ruhigen Jahrzehnt kamen die Stürme des Kriegs immer näher. 1630 hatte die Gemeinde noch mit frommer Rührung die erſte Zubelfeier der Augsburgiſchen Cons feſſion begangen ; im Herbſt darauf wurden ſchon die nach der Reformation in evangeliſche Bildungsanſtalten umgewandelte Klöſter von den Kaiſerlichen belegt und über 200 Kirchen- und Schuldiener vertrieben . Kurze Zeit dämmerte ein Hoffnungsſchimmer durch die Erſcheinung Guſtav Adolphe, dem Andreä eine ſeiner Schriften dedicirte, deſſen frühem Heldentod er einen anziehenden Nachruf widmete. Nach der für die Evangeliſchen unglüdlichen Schlacht bei Nördlingen (1634 ) brach das heftigſte, noch durch die kathos liſch gebliebenen Nadbarn in Weilerſtadt geſchürte Ungewitter über Calw aus. Andreä wurde aus ſeiner Wohnung vertrieben , ſeines Vermögens , feiner koſtbaren Bücherſammlung und Gemälde ( er beſaß eine Maria von
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Albrecht Dürer und eineit Paulus von Holbein ) beraubt , die Stadt durch Einquartirung , Brand , Raub und Peſt an den Nand völligen Untergangs gebrachyt. Raum konnte A., der ſich erſt mit den Seinigen , wie einſt Brenz, in die Waldungen geflüchtet, im folgenden Jahr mit Unterſtüßung ſeiner Freunde eine Hütte zu nothdürftigem Aufenthalt herſtellen , da er fich von ſeiner ſchwer bedrängten Gemeinde nicht trennen wollte. Als er heimkehrte,
* ) Auf der Wolfenbüttler Bibliothel , von da und gütigſt mitgetheilt. 37 *
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war der größte Theil der Stadt ein Schutthaufen ; 80 Menſchen waren ermordet, jene ungerechnet, die in den Flammen umgekommen waren. Die Kraft des Glaubens hielt ihr aufrecht, ſie, die ich nicht aus den Schulen der Stoiker oder Philoſophen , ſondern aus der Betrachtung der Eitelkeit alles Jrdiſchen und dem Anblic des vollendeten Lebens Chriſti und aus Luthers Schriften , beſonders ſeinem Herrlichen Commentar über den Predi ger Salomo geſchöpft, und die Gott ſelbſt durch ein unglaubliches Gefühl der Gemüthsruhe verſiegelt hat “. Die Sterblichkeit war furchtbar ange wachſen ; er fuhr trokdem fort, die Sterbenden zu beſuchen , die Todten zu beſtatten . An die Armen theilte er täglich Unterſtüßungen aus ; an arbeits loſe Tagelöhner und Bettler innerhalb drei Monaten über 7000 Gulden . Kranken verſchaffte er Betten und Arzneien , verwaisten Kindern ein Unter kommen . In welcher Gefahr er ſelbſt auch nad jener erſten Schredens zeit ſtand, zeigen die Worte über einem Handſchriftlich erhaltenen Gedicht von ihm , « Ad quinque vulnera Christi. Als der Autor von einem Soldaten einen tödtlichen Herzſtoß empfangen , davon ein Kipp gebrochen , und er nachmalen großen Schmerzen erlitten , " 1637. Aber mitten in der unmittelbaren Bedrängniß in ſeiner Nähe verlor er das Ganze nicht aus dem Auge. Je mehr durch die Entfernung der Geiſtlichen von ihren Stellen ſittliche und religiöſe Gleichgiltigkeit, vielfaches Verderben uim fick griff, deſto mehr glaubte er dafür ſorgen zu müſſen , daß die Pflanzſchule der Geiſtlichkeit, das theologiſche Stift zu Tübingen , mit jeßt noch 30, ftatt 180 Böglingen nicht ganz zerfiel. Auch für deſſen Unterhalt brachte er einige hundert. Gulden zuſammen. Den aus ſeinem Land vertriebenen Herzog Eberhard III. beſuchte er nicht nur in Straßburg, ſondern fchicte ihm 1200 Chaler, die er von Freunden entlehnte, um ſeine Wiederaus ſöhnung mit dem Raiſer zu befördern , eine Handlung , die uns an ein ähn liches Liebeswerk des ſtandhaften Vertheidigers von Hohentwiel, Konrad Wiederhold, erinnert, mit welchem Andreä ( päter in freundlichen Verkehr trat. Äls Herzog Eberhard endlich 1638 in ſein heruntergekommenes , noch großentheils von Feinden befektes Land zurückehrte , berief er unter Ande ren auch Andreä , ſeinen Rath über die Wiederherſtellung des Kirchenweſens zu hören , und ließ ihn in der Schloßtapelle predigen. Er erhielt ſolchen Beifall , daß ihm die Wahl zwiſchen der Hofpredigerſtelle, einem Lehramt in Tübingen und der Stiftsprädicatur in Stuttgart gelaſſen wurde. Kaum brachten ihn ſeine Freunde dazu , wenigſtens verſuchsweiſe die erſte anzu nehmen, worauf der Herzog einging. Nach neunzehnjähriger Wirtſamkeit in Calm , einer Zeit der größten Wechſel und Bewegungen , hielt er ſeine Abſchiedspredigt am Erſcheinungsfeſt 1639 , und legte, die Verdächtigungen ſeiner Feinde niederzuſchlagen , dem Conſiſtorium ſein Glaubensbekenntniß vor, in welchem er ſeine „ ungeheuchelte Anhänglichkeit an die Augsburgiſche Confeffion und die Bekenntnißſchriften der evangeliſch-Lutheriſchen Kirche über haupt, und ſeine Verwerfung ſowohl der Tyrannei des Papſtthums , als des Stolzes der Calviniſten , der Heuchelei der Wiedertäufer und anderer Setten “ ausſpracy, und als ſeine Aufgabe bezeichnete, , das Leben der Chriſten zu beſſern, bei welcher Bemühung ihn Chriſtus bis zu ſeinem leks ten Athemzug erhalten und ſtärken möge .“
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In Stuttgart hatte Anbreä mit vielfachen Hinderniffen , namentlich von Seiten der Kirchlichen Oberbehörde zu kämpfen . Die Auflöſung des Regiments während der nahezu vierjährigen Abweſenheit des Herzogs hatte Lauheit in Kirchlicher Zucht, Beſtechlichteit, Mißſtände aller Art hervorge: rufen . Andreä ſammelte die noch giltigen Kirchengeſeße und gab ſie unter dem Namen Cynoſura ( Polarſtern , zur Orientirung der Schiffer ) zunächſt als Sammlung eines Privatmanns, die aber bald amtliches Anſehen erhielt, Heraus. Vor Allem mußten die Gemeinden , obwohl die Seelenzahl von 345,000 auf 48,000 herabgekommen war , wieder mit Geiſtlichen verſehen , das theologiſche Stift mit Mitteln zu Unterhaltung des Kloſtertiſch aus gerüſtet werden , wozu eine Landesfollekte veranſtaltet wurde. Den Anbau der Aecker , die verwüſtet lagen , unterſtüßte man mit Saatfrüchten. Dane ben faßte Andreä das Studienweſen ' in's Auge , ſorgte für Hebung des Studiums der Mathematik und der hebräiſchen Sprache und für Reorga niſation des Stuttgarter Gymnaſiums, erhob laut ſeine Stimme gegen die Antaſtung des Kirchenguts und die ſchmähliche Beeinträchtigung der Kirchen diener, während Stalknechte, Tänzer, Jäger und andere Diener des Hofs im Ueberfluß ſchwelgten . Er ſelbſt nahm in den erſten Jahren kaum über 140. Gulden Beſoldung ein , ohne irgend weitere Zulage. Reichen Erſaß fand er in dem geiſtreichen Umgang mit den drei Prinzeſſinnen, ,, einem Klee blatt von guldgöttimen , Muſtern von Frömmigkeit, Unſchuld und Ein tracht,“ die in Muſik, welche auch Andreä gerne übte , und in Leſung klaſ fiſcher Bücher ihre Erholung und Freude ſuchten. Einen dreifachen Ring aus ihren Händen hielt er als Denkmal ihrer beſonderen Verehrung unter anderen Geſchenken , die ihm von verſchiedenen Seiten zukamen, vornehmlich hoch. Längſt ſchon hatte er ſich der Gunſt und Unterſtüßung des from men und gelehrten Herzogs Auguſt von Braunſchweig-Lüneburg, mit dem er in lebhaftem brieflichem Austauſch ſtand, zu erfreuen. Die ihm von der theologiſchen Fakultät in Tübingen verliehene Würde eines Doktors der Theologie nahm er dankend an (1641), obwohl er bekannte, daß es mehr einen ſchlechten als guten Haushalter verrathe , wenn er bei dem von allen Seiten erlittenen Verluſt zu einer Zeit, wo ein Zuſaß von Ehre für ihn weder wünſchenswerth, noch zu erwarten ſei, einen noch höheren Titel kaufe, der bald mit ihm begraben werden könne “ . Wirklich beliefen ſich die Koſten für dieſe Ehre auf ungefähr 100 Chaler , die ihm indeß ſein fürſtlicher Gönner in Braunſchweig erfekte. Nachdem er ſein ſechzigſtes Lebensjahr erreicht, glaubte er , nach einem vielbewegten amtlichen und häuslichen Leben, um ſo mehr, als ſeine Geſund heit ſehr wankend geworden war , ſich zurückziehen zu dürfen . Der Herzog forderte ihn jedoch auf, ſeine Dienſte, ſo gut es gehe, dem Predigtamt und dem Conſiſtorium zu erhalten , ein Wunſch , dem Adreä , was das erſtere betraf , treulich nachkam. Der „ Sklaverei“ in leşterem fügte er ſich nicht länger, da es ihm in neun Jahren „ nicht vergönnt geweſen ſei, einen wohl verdienten Mann durch ſeine Stimme zu einem Kirchenamt zu befördern , nod, einen Laſterhaften durch die Ängabe ſeiner Vergehen davon zu ver treiben “. In dem Brand, der die Stadt Weil 1649 zerſtörte, erblickte er die Nemeſis für ihr feindſeliges Verhalten gegen ſein theures Cali im
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Fahr 1635. Endlid 1650 wurde er ſeines Stuttgarter Amtes entlaſſen und auf die Prälatur Bebenhauſen befördert. Dem Hof gibt er bei ſeinem Scheiden das Zeugniß, daß er von ihm nie durch Worte, nodi Thaten be leidigt worden , demſelben im Gegentheil für viele Wohlthaten verpflichtet ſei. Die Canzlei aber „ habe ſeine Hoffnungen , ſeine Treue, feine Liebe nie unterſtüßt, noch ihn gegen Schmach und Verleumdung in Schuß ge nommen. Das könnte er verſchmerzen , wenn es nur nicht zum Schaden der Religion , der Kirchenzucht ausgeſchlagen wäre, deren großen Zweck er darum nie erreicht, während Simonie, Heuchelet, loſe Sitten triumphirten ". Aber auch im abgelegenen Bebenhauſen , wo mit ihm zwei Collegen an der Bildung von 34 Böglingen arbeiteten, fand er nicht die erſehnte Ruhe. Neue Ränke entſpannen ſich gegen ihn , ſo daß er klagt , daß , während es in angebauten Gegenden Hornvieh und Schafé gebe, in Wüſten es nicht an wilden , reißenden Thieren fehle. Auf dem Landtag nahm er im April 1651 ſeinen Siß ein , wurde auch in der größeren Ausſduß gewählt ; doch ſchlug ihm die ungewohnte Lebensart nicht zu und im Herbſt mußte er nach Hauſe. Von jeßt an wurde ſeine Stimmung immer düſterer. DB auch von außen Ruhe eingekehrt ſei , mit Sorge, klagt er , müſſe man auf die Zukunft blicken , die von den drei Ungeheuern , Atheismus , Bar barei , Sklaverei, und von innerem Krieg bedroht ſei. Der unbändige Lurus und Wucher verzehre die innerſten Eingeweide, die unzeitigen, bittern Zänkereien der Theologen untergraben die Religion , das Kirchengut werde beraubt, der Zaun der Kirchenzucht durchbrochen , ungeheure Schulden wer den auf die Enkel gewälzt, an die Stelle der gerichtlichen Formen treten militäriſche Ausnahmsgeſetze und ſchreckliche Erpreſſung. Der Glaube, das Bekenntniß , an fich fo lauter, ſei ohne Früchte , der Gebrauch der Sakra mente nur äußerlich und verdienſtlich Er habe den Uebermuth von Emporkömmlingen, die Rache der Nebenbuhler, die Treuloſigkeit der Freunde, den Undank von Schüßlingen zu erdulden. Dieſe Mißſtimmung wurde nidyt wenig erhöht durch einen im Juli 1653 in ſeinem geliebten Calw gemachten Beſuch. Auch hier bot fitd ihm das niederſchlagendſte Bild dar. Nicht wenig Erquicung und Aufheiterung gewährte ihm indeß außer man dhen frohen Familienerlebniſſen - Anſtellung ſeines Sohns Gottlieb als Helfer in Cannſtatt und glückliche Verheirathung ſeiner Töchter - der Ümgang und Briefwechſel mit alten und neuen Freunden , vor allem die ſich immer gleich bleibende Freundlichkeit und Freigebigkeit ſeines hohen Gönners in Braunſchweig. Das nächſte Jahr 1654 erlöste ihn endlicy von den drüdenden Verhältniſſen in Bebenhauſen , indem ihm die Abtei Adelberg mit dem Siß in Stuttgart und die Mitgliedſchaft des engern Ausſchuſſes übertragen wurde . Allein bereits auf's Aeußerſte geſchwächt, ſollte er in Stuttgart, das er vor vier Jahren ſo gern verlaſſen hatte, nach mehrmonatlichen ſchweren Leiden feinen Tod finden. Als er ihn her: annahen fühlte, legte er noch einmal ſeine geiſtliche Amtskleidung an , ge noß mit ſeiner gebeugten Gattin das heilige Abendmahl und fühlte ſich Das iſt unſere äußerſt geſtärkt. Reine irdiſche Sorge drückte ihn mehr. Freude, " rief er aus , daß unſere Namen angeſchrieben ſind im Buch des Lebens !“ Am leşten Mittag dictirte er noch einen Brief an Herzog
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Auguſt. Unter frommen Gebeten der Stuttgarter Geiſtlichen, feiner Frau und feines Sohnes, nachdem er ſelbſt noch die zwölf Artitel des chriſtlichen Glaubens ſeiner lieben Hausfrau nachgeſprochen , entſchlummerte er ſanft zur ewigen Ruhe. Eine Gedächtniſtafel in der Hoſpitalkirche zu Stuttgart, in deren äußerem Friedhof ſein Leichnam unter außerordentlicher Theilnahme beige feßt wurde, rühmt das Gedächtniß des Mannes, deſſen ganzes Leben Gott, der Wiſſenſchaft, der Kirche, dem allgemeinen Beſten gewidmet war;" eines Mannes , der nach Herder's ſchönem Wort und feiner Anſpielung ,,wie eine Roſe unter Dornen blühte" , und deſſen im Auszug folgenden Schriften , ſo wenigen Blättern aus einer ganzen Bibliothek, wir nicht blos freundliche und aufmerkſame Leſer wünſchen , die vielmehr Manden ein An: trieb werden möchten , das nur in ſchwachen Umriſſen entworfene und mit kurzen Auszügen aus einzelnen feiner Schriften umſchriebene Bild durch Lejung dieſer Werke ſelbſt zu vervollſtändigen. Verſchweigen dürfen wir hiebei allerdings nicht , daß dieſe meiſt lateiniſch abgefaßten Schriften großen theils auch für den dieſer Sprache Rundigen , theils der Kürze und Gez drungenheit des Ausbrucks wegen , theils beſonders wegen der Maſſe von Anſpielungen auf Perſonen und Sachen , die uns fern liegen , ſchwer zu leſen , nod; ſchwerer zu überſeßen ſind. at man ſich aber einmal in die oft feltſame Einkleidungsform eingearbeitet und die eigene Kraft, die Näth . fel zu löſen , geübt , ſo iſt der Genuß um ſo reicher, als ſich uns nicht bloß die vielfachſten Beziehungen darbieten , die oft wie für unſere Zeit ge münzt ſcheinen , fondern in Ernſt und Scherz, Spott und Strafe die geis ſtige, ſittliche Perſönlichkeit des Verfaſſers unſere volle Hingebung in An ſpruch nimmt. Als ein allgemein zugängliches Werkchen Andreä s nennen wir zum Schluß die von einem ſeiner Nachkommen 1845 verdeutſcht her: ausgegebenen : „ Kämpfe des chriſtlichen Herkules “ , mit trefflichen Erläutes rungen , die das Verſtändniß der Dichtung weſentlich fördern. Wir ſchlie: Ben mit einer Schilderung des chriſtlichen Kämpfers , der die Hinderniſſe, die fidy ſeinem Streben nach Bollkommenheit und Seligkeit entgegenſtellten , ſiegreid überwand. Wie Herkules in der Sage das Gebirge, das die Gär: ten der Heſperiden verſchloß, auseinander riß und ſo den Zugang zum Ort der Seligen öffnete, ſo arbeitete ſich der chriſtliche Kämpfer durch alle Hins derniſſe zum „Himmliſchen Vergnügen " hindurch. Er will aber auch Andern den Genuß verſchaffen und zeigt ihnen durch ſein ruhmwürdiges Beiſpiel: „ ächte Religioſität ohne Aberglauben , edle Freigebigkeit ohne eitles Ge pränge, ächte Wiſſenſchaft ohne todte Buchgelehrſamkeit, wahren Reichthum , nicht im Beſitz von vielem Gold beſtehend, aufrichtige Fröhlichkeit, die nicht in tolle Uebertreibung ausartet, Erduldung von Schmerzen ohne Kleinmüthigs teit, Hoheit ohne Tyrannei, Tadel ohne Zorn , Armuth ohne Ehrloſigkeit, Liebe ohne ſündliche Erregung, Streit ohne Bitterkeit , Krankfein ohne weicha liche Klagen, eine ruhige Erwartung des Todes ohne Furcht und Schreden “. Unſchwer finden wir in dieſer , wie ſo mancher andern Schilderung den Dichter, den edlen Job. Valentin Andreä ſelbſt.
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A.
Proſaiſches.
dus der Schrift: Pom beften und edelſten Beruf des wahren Dienſtes Gottes wider der Welt verkehrtes und unbeſonnenes Urtheil. ( 1615.) Iſt wirklich Gottes Regel oder Orden alſo ſchwer, daß wir irgend eine Urſady haben können , uns ob demſelben zu beſchweren , oder um rin geren Dienſtes willen der Welt Gunſt, Freundſchaft und Beförderung nicht zu verſcherzen ? Denn ſo der Welt Liebe uns zur Nahrung , zur Freud, zur Geſchicklichkeit, zur Ehr, zu ewigem Gedächtniß und insgemein zu allem Guten hochnothwendig, Chriſtus hergegen uns lauter Leiden, Kreuz, Ver achtung, Mangel, Einfalt, Abſonderung, Stilſdweigen, Faſten, Beten und Arbeiten aufleget: ſo iſts kein Wunder, ſo ſich unſer weiches Fleiſch, unſer gutes Geſchlecht, unſer ſubtiler Kopf, unſere ehrliche Nahrung, unſer gutes Recht, unſere langwierige Gewohnheit krümmet und dem Geſpött der Leute nicht untergeben will, ſondern lieber glaubt, daß auch dem andern Theil der Himmel vielleicht nicht ſo gar verſchloſſen ſei , wie ja auch ſchier der gemeinen Theologie nach ſcheinen will, als wäre Gott an ſo ängſtigem , ſorgfältigem Leben nicht ſo hoch, als etliche träumen , gelegen. Aber wie uns in allen Sachen nichts ſo ſehr drücket und peiniget, als unſere Thors heit und Unverſtand, damit wir ängſtig und mit Müh begehren , was wi der uns , hingegen fliehen, was für uns iſt, darum auch weder Tod noch Leben , weder Armuth noc Reichthum , weder Verachtung noch Ehr, weder Leid nod Lieb , weder Dienſt nod Freiheit redyt anſehen , ſondern wie hoch jedes uns dienen könnte , lieber jedes zu unſerer Ruthe und Geißel machen : ſo iſt uns nicht zu helfen und kann uns auch Gott keinen Stand anbes fehlen , darinnen wir uns ihn , die ganze Natur und die Ercellenz unſerer eigenen Seelen zu Nuß brächten und löbliche Glieder des Leibs Chriſti vertreten möchten . Es wäre ja nichts göttlicheres noch natürlidheres , als daß ein Menſch von Gott mit Vernunft begabet, in ſeinem Wort und Willen unterrichtet, aus ſeiner Unmündigkeit oder unbeſonnenen Jugend erzogen , durch menſdliches Wiſſen geführet , der Werte und Wunder Sots tes erfahren , von aller Verwunderung ab der Welt Eitelkeit gefreiet und durch ſtarten Arm aus der ägyptiſchen Dienſtbarkeit erlöſet — ſich nunmehr lauter und eigen ſeinem Gott als ein freiwillig Opfer darſtellen ſollte, mit ihm nach ſeinem Willen zu ſchaffen , ihn als ſeine Hand und Glied zu gebrauchen , ihn unter die Thür oder wo es ihm in ſeinem Hauſe ges fällig zu ſtellen , in Summa aus der Materia und armen Leimen ein Ge fäß zu unſerem Leb zu machen . Statt deſſen ſchreiben wir Gott ſelbſten eine Manier vor zu dienen , eine Art zu ernähren , eine Leiter zu erhöhen, eine Weiſe zu erhalten , und eine Form zu ſegnen - Ades , nachdem es
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unſer Stand , Geſchlecht, Runft, Ingenium , Leibsgelegenheit , Erfahrung, auch endlich die Farb und Art unſerer Kleider erfordert, oder doch unſerem Sinn nach wir werth und tauglich wären . Und dieſem Concept oder Mus ſter nach ringen und dringen wir vergeblich und mühſam die Tage unſeres Lebens. Zwar iſt mit jenem Dienſte Gottes gar nicht gemeint , als ob die Kegel Gottes nicht vielerlei Stände leiden möchte, ſonſten das Reich Chriſti einem Leib nicht wohl verglichen wäre , oder als hätte einer allein ſo viel große und hohe Privilegien vor andern, ſonſten wir alle uns billig darein begäben. Vielmehr wie die Welt gemeiniglich die am geringſten ſchäßet, die Gott am höchſten hält, und hergegen erhebt, was ein Greuel iſt und die Stände nur dem Geld und Namen und nicht dem Himmel nach ge fchätet werden : ſo iſt hoch Acht zu nehmen , daß uns nicht der gemeine Brauch verführe, Chriſti und ſeines Reichs Nothdurft, ſeinen vor der Welt Beruf zu vergeſſen. Wie wenige begeben ſich zum Predigtamt und iſt doch gewiß und unleugbar, daß auf dem ganzen Erdkreis kein Stand oder Weiſe zu leben höher , künſtlicher , ficherer , nüßlicher , ſchöner, gewiſſer, gelehrter, reicher, ruhiger, freier, freundlicher und gedenkwürdiger iſt, als nur der Menſch das verwirrte und unordentliche Regiment dieſer Welt und alles das, damit fich die Leut unter einander plagen, laſſen und mit gutem Ge wiſſen allein ſeinem Gott dienen, ſeinen Willen aus ſeinem Wort erforſchen und verkündigen, ſich und andere recht lebendig lehren, tröſten, erfreuen und ſättigen kann . Denn was kann Höheres erdacht werden, als daß der Hödyſte Schöpfer ſich mit ſeiner Kreatur alſo in Gemein- und Freundſchaft gibt , daß er ihm fein Wort , ſeine Wunder , ſeine Geheimniſſe, ſeinen Rath und das ganze Regiment ſeines Reichs vertrauet, ihn zum Verkündiger ſeiner Liebe, Gnade, Geduld, Macht, Gerechtigkeit, Weisheit, zum Erleuchter der Blinden , zum Wegweiſer der Jrrenden und zu einem Beſichtiger ſeines ganzen Weſens madt , ihn auch feines Dienſts in Ewigkeit mit Ruhm und Belohnung ges nießen läſſet ? Was kann Künſtlicheres ſein, als die ganze Natur mit dem Glauben bezwingen , die Wolken mit dem Gebet durchdringen , die ſteinhar ten Herzen mit dem Wort Gottes ( dhmelzen , den Feinden Gottes mit Macht das Maul ſtopfen , die betrübten Herzen mit lebendigem Troſt aufrichten , und dem ſchwachen Fleiſch zu Kreuz , Unfall, Marter und Bein ein vers wunderliches und übermenſchliches Vermögen machen ? Was kann Sichereres ſein , als Gott in allen Sachen zu feinem Prinzipal, Patron und Schüßer feßen , fein Fleiſch mit ſtetiger Erinnerung der Befehle Gottes bezähmen, der Welt und ihres Thuns können müſſig gehen , in aller Widerwärtigkeit fich ſeines Gott wohlgefälligen Berufs tröſten und im Tod und Leben das jenige , ſo er Andere lehret, practiciren ? Was kann Nüßlidjeres ſein , als der Seele mehr denn des Leibs, des Ewigen mehr als des Zeitlichen , der Wahrheit mehr als des Irrthums, der Vollkommenheit mehr als des Stück werks, der Werke Gottes mehr als der Menſdhenwerke, des Himmels mehr als des ganzen Erdbodens ſich annehmen , oder die Zeit feines Lebens da mit zubringen ? Was kann Gewiſſeres fein , als der mit Gott umgeht, deſſen Wort unfehlbarlidy, deſſen Zuſagung gewiß, deffen Prophezeihungen
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alle erfüllt werden , deſſen Freundſchaft und Schuß nicht gehindert, deſſen Gnade nicht gemindert, deſſen Regiment, Natur und Liebe gegen uns fidh nicht mit der Zeit verwandelt, fo wir nach ihm uns in Ewigkeit ſchicken und reguliren ? Was kann Schöneres ſein , als bei Gott ſehen die barms herzigſte Gerechtigkeit, die demüthigſte Hoheit , die einfältigſte Weisheit, die hilfreichſte Stärke, die freigebigſten Reichthümer, die freundlichſte Schönheit, die erpigſte Dreiheit ? Dabei die große Harmonie ſeines Worts, die über: natürlichen Wunder des Glaubens , die göttlichen Weiſfagungen fünftiger Dinge, die gewaltige Kraft und Geiſt des Wortes Gottes, das einmüthige Zeugniß der Bekenner Chriſti, die ſchönen Gaben der Kinder Gottes, welche alle mit nichts in dieſer Welt zu vergleichen ſind. Was kann Gelehrteres ſein , ais in dem Buch der Schrift, in dem Buch des Lebens Chriſti, in dem Buch des Gewiſſens oder ſeiner ſelbſt, und in dem Buch der Natur, das iſt, dem großen Weltbud) wohlberichtet ſein , wie ein jeglicher Buchſtab der ganzen Welt Kunſt zu Schanden macht ? Iſt auch beſſere Jurispru : denz , als ſeinen Nächſten lieben , wie ſich ſelbſt , oder eine beſſere Medicin , als arbeiten , nüchtern ſein , wachen , beten , oder eine ſchönere Philoſophie, als fid; ſelbſt, das iſt, ſeinen Urſprung , Mittel und Ende erkennen , oder eine verwunderlichere Hiſtorie, als die Werke Gottes an den Seinigen, oder eine beſſere Ethik , als das Leben und Erempel Chriſti, oder eine gelehrtere Phyſik, als die Ehre Gottes bei allen ſeinen Kreaturen , oder eine fünſt lidere Mathematik, als die Verwunderung ob der Weisheit Gottes , oder eine kräftigere Dialektik, als die Wahrheit Gottes, oder eine klügere Rheto rit, als das zweiſchneidende, durchdringende Wort Gottes , oder eine lieblidere Muſik, als das Loben aller Engel und Heiligen , oder eine gewiſſere Geo metrie , als das fleißige Abmeſſen unſeres Grabes , oder eine rühmlichere Urithmetit, als eine ſtetige Berechnung Beides, der Gnade Gottes und der Zeit , die uns abläuft ? Was kann Reicheres ſein, als die, deren Gott ihr Theil iſt, die nicht von der undankbaren Welt , ſondern von dem höchſten und reichſten Gut befoldet. werden .... ? Was kann Ruhigeres ſein , als ſich auf den Herrn verlaſſen und nicht ſehen auf Fürſten , Gott begehren zu gefallen und nid)t achten der Menſchen , Gott vertrauen und nicht han: gen an dem blinden Glück ? Iſt es nid)t wichtiger, die Geheimniſſe Gottes wiſſen , als großer Herren Heimlichkeit ? Iſt es nicht richtiger, das Him melredyt wiſſen , als die Landrechte und Gewohnheiten erforſchen ? Iſt es nicht füglicher , Gottes Befehle, als fürſtliche Mandata verkündigen , oder einen bußfertigen Sünder zu abſolviren , als einen Uebelthäter zum Tode verurtheilen , die Gaben Gottes wohl verwalten , als viel Geld verrechnen, für ſeine Feinde bitten , als wider ſie ſtreiten , von aller Welt und Kreatur lernen , als andere das ABC lehren ? Was kann Freieres ſein , als keinem Menſchen, ſondern allein Gott Rechenſchaft ſchuldig ſein , der Welt und ihrem Wefen unverbunden bleiben , ſein Gemüth von allem Irdiſchen und deffelben Verwunderung fönnen abſondern , ſeines Fleiſches und Begierden ein Herr werden .... ? Was kann Freundlicheres ſein , als Gottes inner : lidhe Kundſchaft und Beiwohnung genießen , ſeinen Nebenmenſchen mit brü derlicher Gleichheit, Liebe und Demuth entgegengehen und umfangen , fein Herz von aller Bitterkeit, Radh, Feindſchaft , Veradztung, Hochmuth 2c.
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ausleeren und durch wahre lebendige inbrünſtige Freundſchaft dieſes mühə fame Leben gleichſam überzuckern und einen Vorgeſchmack des ewigen Lebens empfinden ? Was kann Gedenkwürdigeres ſein , als der ſeinen Namen nicht auf Holz oder Stein, nicht auf Papier oder der thörichten Welt Zungen , ſondern in die bußfertigen Seelen , durſtigen Herzen , zerſchlagenen Gewiſſen , verirrten Sinne geſchrieben , der ihm in der Hungrigen Magen , der Nack ten und Armen Bröße ein Gedächtniß gemacht, welche mit der Zeit nicht unſere große Thorheit, wie Holz, Stein , Bücher oder Geſchwäß , ſondern unſeres Glaubens Früchte vor aller Heiligen Angeſicht ausrufen und be: zeugen mag ? O wie groß iſt es , daß uns Gott zu ſeinem Dienſt gebrauchet, wie gering und unfleißig iſt das, ſo wir ihm erweiſen ; wie ſchwer und mannig faltig iſt das , jo die Welt uns zumuthet, wie leicht und einfach iſt das, damit Gott zufrieden ; wie unruhig und theuer iſt das , jo uns unſer Fleiſch befiehlt, wie ſtill, ſicher und wohlfeil iſt das , damit eine ruhige Seele zu frieden iſt! Ad , Herr Jeſu Chriſte , hie ſind wir , mache du aus uns , was du willſt und wie es deinem Reich am beſten iſt! Wir kommen zu dir als Kinder , daß wir deine Milch ſaugen ; wir kommen als Thoren und ver ziehen uns alles menſchlichen Verſtands, daß wir von deiner Weisheit ganz anders unterrichtet werden ; wir kommen von aller Welt und Natur naift und bloß , daß du uns bekleideſt; wir kommen hungrig und durſtig , daß wir bei dir Speiſe und Trank haben; wir kommen als Kranke , Krüppel, Blinde, Taube, Stumme und unreine Leute, daß wir von dir geheilet wer den ; wir kommen uns ſelbſten feind, abgeſagt und zuwider, daß wir bei dir Freundſchaft bekommen ; wir kommen gar todt und vergraben , daß wir in dir leben mögen. O barmherziger Gott, der du uns die Wahl Lebens und Tods, Himmels und der Höllen , Chriſti und der Welt gegeben haſt, erzürne dich nicht, daß wir ſo langſam kommen und uns ſo ſchimpflich bedenken, ſondern laß uns herkommen und bei uns einziehen Jeſum deinen Sohn , dem wir das Herz einräumen ; laß uns der Welt immer und ewig abkünden und mit unſerem Bruder und Inwohner völlig uns genügen , in ihm uns er freuen , von ihm lernen und mit ihm ſterben und leben immer und ewig lich ! Amen .
Aus den chriſtlichen Apologen ') .
1619. (Nach dem Lateiniſchen .)
Die Chriſten. Täglich
hörte die chriſtliche Religion von Drohungen und Anfällen
?) Was fie wollen , ſpricht die nachſtehende Dichtung in ſchöner Weiſe aus.
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fürchterlicher Feinde; fie ging alſo einmal hin, auch ihre Bürger zu mu ſtern , die Waffen und Fertigkeit ihrer Streiter zu prüfen. Ueber alles Vermuthen fand fie diefelben gerüſtet. Ein großes Heer Bewaffneter , ſtarke drohende Rörper, Waffen , mit denen man ſchnell wie der Bliß erer cirte, und die wie der Bliß glänzten. Sie freute ſich hod , da ſie's von Weitem gewahr ward; aber als ſie näher kam , faſt fiel ſie ohnmächtig nieder. Was fie für Eiſen und Stahl gehalten , war Spielzeug; die Schwerter aus plumpem Blei, die Harniſche von zarter, bequemer Lein wand, die man bemalt hatte ; die Helme von Wachs , mit großen Feder büſdhen prablend , die Schilde von Papier mit Meinungen beſchrieben , die Spieße dünnes Rohr ſchwacher Conjecturen , die Fahnen Spinngewebe phis loſophiſcher Syſteme, das Geſchüß indiſches Rohr , ihr Pulver Mohnſamen . Aus träger Ueppigkeit hatten ſie die guten Waffen ihrer alten wadern Streiter verkauft und dafür dieſe gewählt ; ja ſie machten ſogar die alten Krieger , erprobt in Treue und Kraft, lächerlidy, verächtlich. Bitter weinte die Religion , als der ganze Haufe ihr zurief , ſie möchte guten Muthes ſein , fie wollten bis zum leßten Odem Treue beweiſen. Was hilft mir, ſprach ſie , eure Treue, da eure Werke nichts taugen ? Ich verſichere euch: als ich vormals nackte unbewehrte Streiter ins Feld führte, da galt mir Ein Märtyrer , Ein bis zum Tode treuer Striegsmann mehr, als hundert von euch übergüldeten , überſilberten , zarten , üppigen Worthelden. Sie wandte fich und nahm ihren Weg weiter.
Das Alter der Religiou. Die Religion freute ſich ihres Alters , ihrer noch ſo friſchen Glieder, ihres noch ſo glatten Angeſichts. Die Andact , ihre Schweſter, nahm Theil an ihrer Freude ; allerdings , ſprac ſie , haſt du Urſache, dich zu freuen, Schweſter; aber ja nicht zu ſehr , denn deine Jugend war in Manchem dodj anders . Daß nach ſo viel Anfällen mächtiger Feinde du noc woblerhalten und friſch biſt, haſt du Dem zu danken , der als Vater in der Kindheit dich pflegte, dem Gott der Wahrheit und Liebe; aber etwas haben deine Kräfte doch abgenommen , wie du ſelbſt fieheft. Einſt konnteſt du die Großen zähmen , die deinen Zaum jeßt gar nicht dulden , einſt die Armen nähren , die jeßt hungern ; Gefeße geben , die jeßt Jeder auf das ſchändlichſte abwirft; der Philoſophie gebieten , die nun über dich zu Herr ſden ſtrebet; das Voll bewegen , das jeßt reglos iſt; Gott vorſtellen auf
Die nadte Wahrheit. Die Wahrheit, eine einfache und freiſinnige Göttin, ging nadt umber und er innerte die ihr begegnenden an ihre Unſchönheit und ihre Gebrechen . Dies wnrde ſehr übel aufgenommen und ſelbſt mit Schlägen vergolten. Schon war ihr Leib mit Striemen bedeďt, als fie einen alten Bekannten , Aeſop , antraf. Dem flagte fie ihre Noth : ſchweige ich, ſo ſpornt mich Gott ; rede ich, jo ftrafen mich die Men ſchen; murmle ich , ſo quälen mich die Klügler ; traure ich, ſo lachen die Buben . Weſop erwiderte : mich dünkt , es ſtünde dir frei, nicht ſo ganz naďt einberzugeben ; ſo nimm dir dieſes Gewand der Märchen und Fabeln , wenn auch zu feinem andern Nußen , als dazu , daß du weniger Sdläge erduldeſt.
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Erden, deſſen Andenten und Ehrfurcht jeßt beinahe berfdwunden ; den Sa tan überwinden , von deffen Waffenträgern jeßt alle Welt voll iſt. Die Religion ſeufzte; ihr Seufzer war das ſchmerzhafteſte Geſtändniß. "Hab guten Muth, Schweſter , ſprach die Andacht weiter ; bedente, wie herabge kommen du vor einigen Jahrhundertent warſt, ' und wie dir Gott durch wenige Männer in ſo kurzer Zeit aufhalf. Gibt Gott dir deine erſte Ju dann wollen wir gend, deine alten Kräfte wieder - und er kann's jauchzen. Vorießt wollen wir demüthig ſein und nicht ablaffen zu bitten, zu ſtreben , daß er'8 bald thun möge. Das Grab der Wahrheit. Nur Gott iſt's , der die Todten erwedet , es ſei denn , daß er etwa ſeiner Lieblinge einem die himmliſche Gabe leihet. Wir thun wohl, ver ſtorbene Heilige wenigſtens im Grabe zu ehren und ihr Andenken unter uns zu erhalten. So kam man neulich an die Grabſtätte einer ſehr berühmten , der Sache nach hodyverdienten Perſon , der Wahrheit. Alle Merkmale gaben's , hier liege ſie, und ſo grub man ihr mit großer Be gierde und unermüdetem Fleiße nach. Man fand ſie endlich. Reine In ſchrift, kein Denkmal auf den Trümmern ihres zerfallenen Sarges , alß die wenigen Worte , die man herausbrachte : Zu meiner Zeit ". Ihr Leidynam war entſtellt , verſtümmelt, mit Unrath bedeckt. Reine Würze, kein Balſam um ihn her, ſondern Unrath, in den er zur Schmach verſenkt war, und den vom heiligen ſchönen Körper hinwegzubringen, Mühe machte. Siehe, da fand ſich endlids ihm unter dem þaupt eine eherne Tafel, mit der Inſchrift: 3d , die Wahrheit, Gotted Tochter , der Menſchen Freundin , Durch Satans Liſt und Trug der Welt, Durch Fleiſches Weichlichkeit und Tyrannei, Durch Prieſterträgheit, der Welttlugen Bosheit, Des Wipes Leichtfinn, der Gelehrten Karrheit Und Pöbels Starrſinn Lieg' ich erſchlagen hier , mit Koth bededt. Du Nachwelt, lebe wool ! Nach hundert Jahren Seh ' ich die Sonne wieder.
Wie erſchrať, wie freute man ſich , da man die Grabſdrift fand ! Man ſchalt die Vorzeit , man pries die glüdliche Nachwelt. Der Wahr heit ward ein marmornes Grabmal errichtet, Gewürze dufteten um ſie; ihr wurden Kränze geopfert, die prächtige Grabſchrift endlich hinzu gethan : Wären wir Zu unſrer Våter Zeiten geweſen ; Wir wollten nicht theilhaft ſein mit ihnen Matth . 23 , 30. An der erſchlagenen Wahrheit Blut.
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Grabmal und Schrift fielen ſchön ins Auge; die Wahrheit aber -er wachte davon nicht wieder. Man ſagt, fie ſchlafe noch in dem geſchmüdten Marmorgrabe und harre , bis ihre Zeit kommt. Die Disputation . Belial, der größte aller Sophiſten , hatte ſeinen feindlichen Gang mit Chriſto geendet – nicht nach ſeinem Wunſch. Nun ſchlug er einen andern Weg ein , ob er ſich nicht mit ihm ausſöhnen , ihn unter gewiſſen Ver gleichspunkten mit Liſt berücken möchte; er begab ſich alſo auf eine Ata demie. Hier ſchlug er , mitten unter Luftgelagen , Thefes an , über die er disputiren wollte. Der Tag fam , er ſelbſt ſtand als Präſes der Bertheis digung da. Es erſchienen Metaphyſit, Logit, Rhetorit und was ſich ſonſt aus allen Künſten und Wiſſenſdhaften mit dem großen Gelehrten und Erz ſophiſten , Belial, meſſen wollte. Scharf wurde geſtritten ; er blieb keine Antwort iduldig. Ueber und über mit Diſtinctionen behangen, entſchlüpfte er, wo man ihn angriff; ſeine Zunge war nie müſſig, nie verlegen ; wenn man ihn für beſiegt hielt , half er ſich am blendendſten hervor. Zulegt traten zwei Jungfrauen herein , ungeſchmückt, einfältig , edel; die eine nannte ſich Treue , die andere Liebe. Der Sophiſt erblaßte, warf ſich hin und her, zulegt verſtummte er, ergriff unwillig ſeine Papiere und ſtieg vom Katheder . Murmelnd ſoll man ihn ſagen gehört haben ; dachte ich doch, nur mit Schminke hier zu thun zu haben ; und da zeigen ſich die wahren Töchter der ungeſchminkten , unübermindlichen Wahrheit.
Der Mantel. Ein Feudyler kam in eine Kleiderhandlung und begehrte einen Man tel; es wurden mehrere Herbeigebracht, aber keiner geſtel ihm . Er verlangte nämlich einen ſolchen , der von demſelben Tuch auf der einen Seite weiß, auf der andern ſchwarz wäre und auf beiden Seiten getragen werden könnte. Der Händler wunderte ſicy , wozu ein foldjes Bertumnuskleid die nen ſollte, und weil er den Mann nach ſeinem Anſehen und höfliden Bes tragen für ehrbar hielt, ſagte er : was ſoll ich von dem denken , der ein ſo wunderliches Kleid ſucht ? Jener erwiderte lächelnd und mit geſenktem Haupte: Weißeſt du nicht , Einfältiger, in welcher Zeit und unter welchent Menſchen du lebſt? Wenn du immer daſſelbe Anſehen haben willſt, ſo biſt du verloren . Weißt du nicht, daß man ein anderes Kleid anlegen muß auf der Kanzel und außer der Kirche ? ein anderes auf dem Rathhaus, als außer den Sdranken ? ein anderes auf dem Ratheder , als außer dem Hörſal ? ein anderes im Hauſe , als außer demſelben ? kurz , daß man das Gewand ändern muß, je nachdem die Menſchen ſind auf die man ſtößt ? Denn wenn du nidt mit demſelben Munde beten und läſtern , mit dem felben Munde poſaunen und zijden, mit derſelben Zunge lecken und ſtechen, mit demſelben Hauche ein- und ausathmen kannſt, ſo biſt du für dieſe Erde nicht zu gebrauchen. Darauf ſagte der Händler, ein redlicher Mann : wenn dich im ſchwarzen Mantel der Teufel holt, wozu braudyſt du den weißen ?
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Die Antipoden. 6,474 ; Es war eine allgemeine: Kirchenverſammlung ausgeſchrieben worden. Die fernſten Nationen aller Welttheile hatten ihre Vertreter gefandt, ale endlich audy., gegen alle Erwartung der heiligen Väter , die Gegenfüßler erſchienen . Der Zuſammenlauf und das Staunen der Menge war groß. Ihr Körper hatte eine Stärke und Schönheit, ihr Auge einen Ausdruck von Ruhe und Würde der Seele , aus denen allein es ſich ſchon ſchließen ließ , fie müßten ganz das Gegentheil von uns ſein . -Sie nahmen Platz in der Verſammlung und antworteten auf die ihnen vorgelegten Fragen, wie folgt. Ihre Religion ? beſtehe darin , daß fie lieben Gott ihren Herrn von ganzem Herzen , von ganzer Seele und von ganzem Gemüthe , und ihren Nächſten als fidh felbſt. 3hr Syſtem der Politik ? laute : Sei ein braver Mann , thue Niemanden Leid und gib einem Jeden das Seine: Philoſophie ? ſei ' unter ihnen ſtete Vorbereitung zum Tode. Von der Ehe ? lehren ſie : Was Gott zuſammengefügt, ſoll der Menſch nicht ſcheiden . Gewerbe ? - Im Schweiß ihres Angeſichts eſſen ſie ihr Brod. Der Endzweck ihres Lebens ? – Hohe Glückſeligkeit nach dem Tode. Nun , lieben Herren Confratres ! ſprad, jeßt , als ſie abgehört waren , der präſidirende Biſchof zu der Verſammlung, iſt es hiernady ein Wunder, daß man an der Eriſtenz der Antipoden gezweifelt hat ?
Die Geſchidhte. Seither hatte die Geſchichte mit der gewiſſenhafteſten Treue die Jahr: bücher des Vaterlandes geſchrieben. Wegen einiger zu freien Neußerungen aber war ſie des Amts entſetzt worden und ſuchte nun anderwärts ange ſtellt zu werden . Ihre erſte Aufwartung machte ſie dem Fürſten . Was wollen ſie werden ? fragte man ſie. Vorleſerin , war die Antwort, um ſie redit oft an das Walten ihrer Ahnherrn und deren thätigen Eifer für Freiheit und Sittlichkeit zu erinnern . Lieber wollen wir die ganz vergeſſen, ļautete der Beſcheid, da wären wir ja zur Nachahmung verpflichtet . Nun „ Ich wandte ſie ſich an die hohen Collegien. „ Wozu zu brauchen ?" kann ihnen erzählen, wie bedachtſam ihre Vorgänger waren , kam es darauf an , Gefeße zu geben , wie gewiſſenhaft in deren Beobadytung, wie muthig , ſie ſelbſt gegen den Regenten zu jdüşen .“ “ „ Iſt nidit vonnöthen 34 wiſſen ; es iſt unterhaltender , im Lehnſtuhle fidy wiegend nichts zu denken, als fidy mit der Betrachtung ſo verdrießlicher Dinge zu langeweilen " . Von hier ging's nad der Univerſität. Worauf legen ſie ſich ? " Auf das pragmatiſche Studium der alten Literatur , das Genie , die Kenntniſſe und den Ruhm der Gelehrten voriger Zeiten zu erforſchen. „ Iſt ſehr entbehr lid ); die Täuſchung mit dem günſtigen Vorurtheil der Zeitgenoſſen iſt ſchmeidhelhafter, als das Selbſtgefühl der Schwäche , das ein Blick auf die Jeßt wollte ſie in der Stadt anfäßig werden . Vorzeit erregen müßte. As Inſpektor der alten Stiftungen . Kann „ Unter welchem Charakter ? " nicht aufgenommen werden ; wie leicht käme es da zu einer Viſitation der
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leeren Raſſen und Magazine ! Endlich wollte ſie ſich beim Bauer vermiethen . Als was ? Als Schulmeiſterin ; will euch erzählen, wie eifrig vor Alters die Leute unbebautes Land urbar machten ;" wüſte Gegenden bevölkerten , und wie geſegnet dafür : ihr Speicher an Früchten war. " Mögen's nicht wiffen , was hülfe es uns ? Arbeiten mußten unſere Väter und Große väter, arbeiten müſſen auch wir, und den Genuß davon hat der gnädige Herr. So irrt die Geſchichte noch heute umher.
Die Mitgift. Der Eheſtand mußte von allen Seiten her die bitterſten Vorwürfe hören . Jedem Schwäßer von Philoſophen und Schöngeiſt diente er zur Zielſcheibe ſeines Wißes und ſeiner Declamationen . Bei genauer Unter ſuchung bemerkte er, daß die Meiſten ſich über dem Uebermuth ſeiner Haus hälterin , der Mitgift, ausließen . Denn jede Ehefrau war um ſo eigent ſinniger, ſtolzer und verſchwenderiſcher, kurz, um ſo unleidlicher , je mehr ſie ſich auf das Anſehen von jener ſtüßen zu können glaubte. Er ſagte alſo dieſer herrſchſüchtigen Wirthſchafterin den Dienſt auf und dingte die Frömmigkeit, ein liebenswürdiges Mädchen aus der Familie der Tugend. Aber ſeine Hoffnung, durch dieſe Veränderung den Beſchwerden abzuhelfen ſchlug fehl. Umſonſt, daß die neue Haushälterin alle und jede gefällig und ſchonend behandelte und muſterhaft wirthſchaftetete. Kaum daß man ihre Vorgängerin , jene bubleriſche Dienerin der Freude, vermißte; kaum daß man anfing zu muthmaßen , Arbeit und Mäßigkeit ſollen wieder ges wöhnlich werden – alsbald erhob ſich ein ſo lautes und anhaltendes Ge ſchrei der Unzufriedenen, d . h . des ganzen Publikums, daß die Mitgift wieder in ihre Stelle eingefeßt werden mußte. Seitdem iſt ſie um fo übermüthiger und tyranniſirt die ganze Dekonomie des Eheſtands. Nidhte . Die Stadt Lavernia iſt wegen ihrer Induſtrie fo berühmt, daß immer viele Menſchen dort Arbeit ſuchen. Unter andern kam ein junger Mann hin , der ließ in die Zeitung ſeßen : Ein Künſtler , der aus Etwas Nichts machen kann , ſucht eine Anſtellung. Alles lachte über den Thoren. Nur die Staatsmänner mit ihrem Scharfbli & hielten ihn der Aufmerkſamkeit werth. Sie ließen ihn zu einer geheimen Unterredung rufen und legten ihm folgende Fragen vor : ob er ſich getraue, nichts zu machen aus großen Beid werden des Volts , aus großen Auflagen , Sporteln 2., nichts zu machen aus großen Ausſchweifungen , nichts aus der Hölle und dem jüngs ften Geridyt ? Zu allem dem erbot er ſeine Dienſte mit vieler Zuverſicht lichkeit und legte ſogar ſchon Plane davon vor. Ehre und Geſchenke über häuften ihn nun . Mit triumphirendem Lächeln ſprach er jeßt zu denen, die ſein geſpottet: Aus Nichts Etwas machen kann jeder - gewiſſenhafte Thor ; aber aus Etwas Nidts , dieſe glückliche Erfindung war unſerem Zeitalter vorbehalten .
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Die Schreibtafeln . Auf der leßten Meſſe hatte Jemand Sdireibtafeln feil.
Troß des
hohen Preiſes fanden ſie wegen ihrer Eleganz und anſcheinenden Bequem lichkeit viele Räufer. Aber bald ward der Handel damit unterſagt. Denn was man darauf ſchrieb, konnte nicht nur leicht ausgelöſcht werden, ſondern verſchwand von ſelbſt bald, da alle Blätter mit einem äßenden Stoff bes ſtrichen waren . Schreibtafeln braucht man, Soldes aufzumerken, was ſich am leichteſten vergißt. Die Käufer hatten alſo die Vorſchriften der Re: ligion , die Erinnerungen der Natur und anerkannte Fehler ihrer Sittlich keit drin eingetragen . Traf fie irgend ein widriger Zufall, dachten ſie dars um an ſich und die Gottheit, und wollten nun von ihrem Gedenkbuch Gebrauch machen, ſo fanden ſie leere Blätter. Ward dann allmählig jeder Gedanke an Religion und Menſchenwürde aus ihrer Seele getilgt, war jetzt ihr Leben ein Chaos von Laſter und Unglück: ſo gaben die Freunde der Unglücklichen den treuloſen Schreibtafeln die Schuld. Gleichwohl war man bereits an ihren Gebrauch zu ſehr gewöhnt, um ſie völlig abſchaffen zu können . Endlich fand ein erfahrener Greis dieſe Auskunft : jene ſchäd lichen Blätter können dem Wohle des Ganzen und dem Beſten jedes Be fißers äußerſt vortheilhaft werden , man merke ſich die Verſprechen der Gönner und die Beleidigungen der Feinde drin an ! Edict der Weisheit. Die Weisheit berathſchlagte mit ihren Vertrauten : Wahrheit, Freimuth, Ernſt und Edelmuth über die Mittel zur Glückſeligkeit für den Menſchen. Er glaube Nichts ohne Grund! begann die Wahrheit. Nichts verſchweige er ſklaviſd ! ſprach der Freimuth. Ohne Bedacht unternehme er Nichts ! fuhr der Ernſt fort. Er dulde ohne zu wimmern ! ſtimmte der Edelmuth. Und , ſeßte die Weisheit hinzu , Nichts ſei ihm neu ! Da vereinigten ſte fich denn zu folgender Anweiſung zur Glückſeligkeit für alle Menſchen : Forſche nie zu tief nach den Urſachen der Dinge : blicke nie zu hoch auf nach ihrer leßten Wirkung; ſei für die Gegenwart nicht weiſer, als du foluſt. Wenige Güter ſeien Gegenſtände deiner Neigung ; feines verführe dich, ſeinethalb ins Ganze eingreifen zu wollen . Alles beobachte ; wenige wähle dir zu deiner Welt; das Urtheil der Menge überhöre. Zürne nie und willſt du dich rächen , ſo ſei's durch Lächeln . Deine Luſt beſtehe in der Ueberzeugung ; nichts ſei in dieſem Chaos von ſchmerzlichen Freuden und fröhlichen Leiden deiner Wünſche oder Beſorgniſſe werth ; nichts groß und ſchön und bleibend , nichts gewiß , als dies Eine , daß alles Jrdiſche ungewiß iſt. Zene Welt. So mannigfach als gerecht ſind die Schidſale der Menſchen jenſeits der Thäler des Todes. Ohne den Lohn ſeiner Thaten empfangen zu ha ben , ſcheidet der ſtrafbare Sterbliche oft von der Erde. Aber es wird ihm, 38 Evangel. Boltsbibliothek. II.
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was er verdient. Das hört und ſah ich jüngſt an der Hand meines Schußengels im Geſicht eines Traums. Ish jah Tyrannen als Sklaven der eigenſinnigſten Herren ; einen Vielwiffer ohne Zeugen ; einen Eitlen , den kein Menſch ſieht noch hört ; Weidlinge, die in ewigem Froſte ſtarren . Ein Lügner mußte das Protokoll des wahrhaften Richters ableſen. Mit dem hellſten Mittagsſchein beleuchtete die Sonne jeden Schritt eines Ver leumders , der ſo gerne im Finſtern geſchlichen. Neider faßen neben dem Glüdlichen , Zeugen jeder ſeiner Freuden. Ein Geiziger fand ungeheure Schäße und mußte ſie mit eigener Hand austheilen . Ein Heudyler er zählte laut ſeines Herzens Geſchichte. Auch über den Aufenthalt der Se ligen ließ mein Genius mich einen Blick werfen . Groß und edel war einſt die Kraft dieſer Seelen , unendlich weiter muß jeßt ihr Wirkungskreis ſein . Sie umſchränkt nicyt , wie jene, ein Ort ; Myriaden Erden umfaßt ihr Weltenſyſtem Elyſium iſt nur der gemeinſame Name. Ein Armer, der einſt mit einem Bettler fein leştes Mahl theilte , ſpeist hier täglich Tauſende ſeiner Brüder. Ein Vater dreier Kinder und Herr eines Dieners hat ein Reich zu beherrſchen. Ein greifer Hirt hatte ehemals ſeine Nach barn mit guten Geſchichten vergnügt und gelehrt, jett klärt er eine Nation auf. Ein Erzieher hatte wenige reife Früchte ſeiner Saat und Pflanzung geſehen , nun bildet er beſſere Menſchen , fein geſchärftes Auge kann ihre Thaten Jahrhunderte durch wirken ſehen ; ſelig ſind ſie ſelbſt und uner meßlich iſt ihr ſegensreicher Einfluß auf ihre Brüder.
Bruchſtüde. Hoch zu den Sternen erhaben iſt die Burg der Weisheit. Man überſchaut unter ſich die ganze Fläche der Erde und über ſich hört man die Harmonie der Sphären . Das wiſſen die Gelehrten . Da klimmen ſie denn auf irgend einen Hügel und wähnen herabzuſchauen durch die Wol ken und - Wipfel von Bäumen ſind es , die ihnen die Erde verhüllen . Sie ſtehen den Wolken zu nahe, um die Erde betrachten zu können , und um die Himmel zu hören , ſind ſie vom Staube zu wenig entfernt. Man ſagt, unſer Leben ſei das Wandeln in einem Irrgang. Ja ! was es aber eigen hat , iſt, daß alle ſeine Krümmen faſt immer nur dazu dienen , den Pilger wieder dorthin zu führen , von wo er ausging. Der Gleichgiltige wird neugierig , er beobachtet, unterwirft Alles ſeinem Urtheil ; barob wandelt ihn Schwindel an und glücklich preist er ſich, kann er wie der zur Gleichgiltigkeit zurückkehren. Der Dürftige muß arbeiten ; Arbeit erwirbt ihm Reichthum ; Reichthum macht ihn übermüthig, Uebermuth macht ihn zum Verſchwender und Verſdwendung ſtößt ihn in die vorige Dürftiga keit zurück. Der Unwiſſende lernt, unterſucht, dünkt ſich alles einzuſehen , wagt fid, an Alles , irrt und irrt wieder und geſteht, er wiſſe nichts. Der Sklave wird frei, dann Herr , dann Deſpot, fällt, muß ſich nad Andern richten und iſt zuletzt wieder Sklave.
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Viel und wenig. Sieh viel, bewundere wenig; höre viel, glaube wenig ; wiſſe viel, ſprich wenig ; lies viel, ſchreibe wenig ; prüfe viel, behalte wenig ; dulde viel , bil lige wenig ; meide viel , fürchte wenig ; laß viel zu , liebe wenig ; erwarte viel, hoffe wenig ; deck viel zu , haſſe wenig ; theil viel mit , beſige wenig ; entſchuldige viel , klage wenig ; verſuche viel, verfolge wenig ; überlege viel, ſchließe wenig ; laß dir viel gleichgiltig ſein, verlache wenig ; tröſte viel, be daure wenig ; koch viel, iß wenig ; ſchüße viel, verwunde wenig ; arbeite riel, befiehl wenig ; bete viel, ſehr wenig !
Arnd. Johann Arnd , ein geſtrenger Anwalt der dyriſtlichen Gerechtigkeit, forderte in ſeiner Provinz den Tribut, der in guten Werken beſtand , ſehr ſtrenge ein. Darum fand er bald ſeine Gegner. Denn durch die Conni venz einiger Vorgeſeßten waren die Geſetze larer geworden und den Man gel an Opferwilligkeit für das Staatswohlgaben jene ſelbſt einfach der Schwäche der Natur Schulb, was Vielen behagte, die ſich nun auch ihrer ſeits damit begnügten , ſich für getreue Unterthanen auszugeben, im Uebri gen nach Gutdünken zu leben und für das gemeine Beſte nic ; ts zu thun. Arnd dagegen deckte die uralten Gerechtſame und Gefeße wieder auf, rei nigte ſie von Unrath und drang ſtrenge auf die Beobachtung deſſelben. Kein Wunder , ward er unerträglich geſcholten, von den Sophiſten, Feud : lern und Epicureern verleumdet und zuleßt zur Rechenſchaft vor Gericht gezogen . Aber nun trat es zu Tage , wie ein reiner Wandel ſchlecht und recht unter Gottes Hut ſteht. Denn nun wandten ſich mit einem Male die Herzen aller Gutgeſinnten Arnd zu und hießen ſeine Maßregeln für Aufrechthaltung der Zucht gut, daß ein Urtheilsſpruch gar nicht nöthig war , ſondern die Stimme des Volks es für Sdımach und Verbrechen er klärfe, den trefflichen Mann weiter anzubellen.
Befold . ( Bor ſeinem Abfall.) Chriſtoph Befold galt für einen Gelehrten , der Alles wiſſe, nachdem er nahezu aïle Wiſſenſchaft von den göttlichen und menſdzlichen Dingen ſtudirt. Da betheuerte er, Alen unerwartet , daß er Nichts wiſſe. nahm es verſchieden auf. Die Billigſten ſchrieben es ſeiner Beſcheidenheit zu und prieſen ihn darum . Er aber lehnte das Lob ernſtlich ab und ver fidyerte wiederholt, er wiſſe nichts ; denn in dem weiten Feld der menſch lichen Dinge habe er nicht einmal die Titel des Unendlichen gefunden , ge fdweige, daß er in das Weſen eingedrungen ſei. Beſſer ſei ' es darum, mit den einfältigen Hirten zu der Wiege und Krippe Chriſti zu eilen , als in dieſer finſtern Nacht, in ſo unfreundlidzem Wetter, unter dem Geblöcke der Schafe, dem Gebell der Hunde , den Nadyſtellungen der Wölfe an den 38 *
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Hürden zu wachen und zu frieren . Für ihn ſtand dies feſt, aber nicht überall nahm man es an . Die Pfaffen lachten , die Wortfuchfer plapper ten fort , die Politiker ſchalten , die Rabuliſten brummten , die Fettbäuche hechelten ihn durch, die Tagdiebe (pradien ohne weiteres über ihn ab . Be fold ließ ſich nicht irre machen : ich wußte voraus , ſagte er , welche Bürde ich mir mit Chriſtus aufgeladen.
Dürer. Albrecht Dürer
und Orlando Lafío , die erſten Meiſter in Malerei
und Muſik , waren einander in brüderlicher Liebe zugethan und ergößten fid oft an freundlicher Wechſelrede. Einmal fragte Lafío den Freund, wie er zu der beneidenswerthen Geſchidlichkeit in Handhabung des Pinſels, der Feder, des Stifts , des Meiſels und der Bleiwage gekommen, da jedes ein zelne dieſer Werkzeuge einen ganzen Mann in Anſpruch nehme ? Sage mir zuvor, erwiderte Dürer , wie dir , lieber Laſſo, Würde und Unmuth, Kunſt und ungekünſtelte Leidenſchaft zumal verliehen wurden , ſie die An dere kaum einzeln erreichen ? Laſſo geſtand , er wiſſe es nicht und ſchreibe es in Demuth Gott zu . Das ziemt auch mir , fuhr Dürer fort , der ich weder meinem Lehrer, noch meiner Zeit , nodi eigener Anſtrengung es ver danke, ſondern einzig Gott , der nach ſeinem Wohlgefallen die Gaben bald einzeln , bald zuſammen ausſtrömt, während Manche ihnen voll Ehrgeiz mit ſaurer Mühe nachjagen und doch die Ideale immer nur in weiter Ferne liegen ſehen. Und doch, fügte er bei, ſei nichts ſeidhter, als ſich von Gott gleichſam die Hand führen zu laſſen , da ſtröme Alles ruhig in leich tem Zuge ein und werde mit halber Mühe zu Ende geführt. Denn wo Gott der Meiſter iſt, werde leicht gelernt, was gelehrt wird.
Nikolaus von der Flüe. Zu Bruder Klaus in Unterwalden kam ein ſchmucker, kräftiger Jüng ling und bat , ihn entweder als Mitbewohner ſeiner Zelle oder als Nach bar anzunehmen , da Gott ihnen beiden dieſelbe Weltſcheu und Liebe zur Einſamkeit ins Herz gegeben habe. Aber Klaus [dlug das erſte ab und widerrieth das andere , weil ſolche Kraft und Schönheit der Welt ihren Dienſt ſchulden und es nicht ſo leicht ſei, bei ihm in der Verbannung zu leben , als eine Höhle zu bewohnen. Denn , ſprach er , da ich nun ſeit einundzwanzig Jahren Gott zu Hilfe nehme , um mir ſelbſt zu entfliehen und , obſchon ich meinem Leibe nie etwas zu Liebe gethan , dennoch nicht ſo wie ich ſollte, midh zu entäußern vermocht habe : was willſt du mit dem unbändigen wilden Pferde des Fleiſches , das du täglich auf die Weide der Eitelkeit und der wechſelnden Luſt führſt ? Sicherer iſt es, du wirſt durch die Zügel der Welt gezähmt, mit Sporen verwundet, mit Ruthen gezüchtigt, als in der Freiheit der Einſamkeit, die ſo reidh an Verſuchungen iſt, dir ſelbſt überlaſſen.
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Tauler. Johann Tauler zeigte ſich hödiſt ſelten unter den Leuten und war doch mit Adem faſt, was vorging , bekannt. Die Neugierigen beſchäftigte die Frage , ob er wohl Rundſchafter habe oder durch eine magiſde Kraft ſolche Kenntniß ſich verſchaffe. Denn es ging das Gerücht, er beſiße zu Hauſe einen Spiegel , in welchem man alle Vorgänge in der Welt ſchaue. Als dies dem frommen Tauler bekannt wurde , erklärte er , damit die Einfälti gen ſid, nicht ärgerten , das ganze Geheimniß des innerlichen Menſchen ( des Myſtikers ), wie dieſer in ſich einkehrend und auf alles Neußere ver : zichtend aller Künſte und Handlungen Urſprünge, Samen und Adern be ſiße und in dem Centrum heiliger Stille Alles ſchaue, ja ein großes Am phitheater in ſich trage, dem , wenn der heilige Geiſt ſich darin niederlaſſe, Nichts in dieſer Welt zu vergleichen ſei. Als dieſe Rede unter die Menge kam , ſammelten ſich einige Wenige um Tauler zu ſeliger Sabbathfeier, den Meiſten aber ward er in ihrem irdiſchen unruhigen Sinn und Trei ben zum Geſpött.
Die Frömmigkeit. Die Heuchelei , die Heilige mit der geſtrengen Miene , ſah die Fröm migkeit heiter und lächelnd, obwohl ſie eben von heftigen Schmerzen ge peinigt war. Wie, Unglückſelige, ſprad jene , du magſt bei folcher Heim ſuchung noch lachen ? Darauf die Frömmigkeit: Das eben iſt mein größ ter Gewinn , allezeit im Herrn mich freuen zu dürfen. Die Heuchelei fuhr fort : Ziemt dir nicht vielmehr , das Kreuz, d. i. die Schmerzen gelaſſen zu tragen ? Fr. Fern ſei es von mir , mich rühmen zu wollen , es ſei denn am Kreuze unſeres Herrn Jeſu Chriſti. Und dem Wechſel des Geſchids dich zu fügen ? Fr. Der Herr gibts, der Herr nimmts , der Name des Herrn ſei geprieſen ! H. Und Mangel zu leiden ? Fr. So wir Nahrung und Kleidung haben, laſſen wir uns genügen. $ . Und die Läſterungen hinzunehnien ? Fr. Chriſtus , da er geſcholten ward , dhalt nicht wieder. $. Únd bitteres Unrecht zu dulden ? Fr. Mein iſt die Rache, ich will vergelten , ſpricht der Herr. H. Und von Krankheiten fich martern zu laſſen ? Fr. Gerecht biſt du, Herr, und dein Gericht iſt recht. $. Von den Freunden verlaſſen zu werden ? Fr. Vater und Mutter haben mich verlaſſen, der Herr aber hat mich aufgenommen. $ . Und heftig ver fucht zu werden ? Fr. Wenn du zürnſt, Herr, gedenke deiner Barmherzig keit. Als ſie ſolches vernahm , erröthete die Heuchelei und ſchlich ſich von dannen ; die Frömmigkeit aber blieb heiter und fröhlich in der Nachfolge des Herrn . Der Tod . Der Tod , der größte Wohlthäter des Menſchengeſchlechts , war faſt Allen ein Schrecken , weil er mit fahlem Antliß und mit klappernden Bei nen umherging. Da hüllte er ſich in die Linnen , welche der Auferſtan dene im Grabe zurücgelaſſen , ging als Freund bei den Chriſten um und
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belehrte ſie mit freundlichen Worten , ohne irgend logiſche Schlingen anzu wenden , durch das unmittelbare Zeugniß des Geiſtes in dem Einzelnen . Iſt nicht Gott euer Vater ? ſprach er – fo ſeid ihr gar hochgeſtellt, des göttlichen Schußes ficher, in vollkommener Liebe verbunden . Was beſdim pfet ihr euer eigen Geſchlecht, beeinträchtiget Gottes Regiment , verrathet die Freiheit, verleugnet die brüderliche Liebe, Hänget am Erborgten , fürch tet, die ihr unſterblich feid , das Sterben ? Aber er predigte tauben Ohren . Ein Jeglicher war der Sklave ſeines Leibes , war nur auf deſſen Wohl und nicht auf das Sterben bedacht. Das erbitterte den Tod , er bewaff nete ſich und richtete unter den Sterblichen ein ſchreckliches Blutbad an . will doch, ſagte er, die hohen Herren Demuth , die Sophiſten Schwei gen lehren , den eitlen Gelehrten ihre Grenze weiſen, die Geizigen Sattſein , die Feindſeligen Friede, die Wilden Sanftmuth, die Fröhlichen Traurigkeit, die Unverſöhnlichen Nadigiebigkeit lehren . Und ich will verkündigen : Selig ſind die Armen , denn ſie werden reiďı ſein ; ſelig die Niedrigen , ſie ſollen erhöht werden ; ſelig die da Leið tragen , denn ſie werden getröſtet werden ; ſelig die Einfältigen, ſie ſollen unterwieſen , felig die Geduldigen, ſie ſollen erlöst werden. Ja ſelig Alle, denen Chriſtus ihr Leben geweſen , der Tod wird ihr Gewinn fein !
Aus dem Hahnenſchrei. ( Nach dem Lateiniſchen .) Wacht auf, wacht auf , ihr Chriſten , aus der tiefen Nacht des Irr thums und der Finſterniß , die nach dem Aufgange der Sonne des Evan geliums, dem der Mann Gottes , Martin Luther, ſein Leben weihte, der deutſchen Fürſten und Stände Muth und Standhaftigkeit Fortgang ſchuf, über die Religion wiederum hereingebrochen iſt und den lautern Duell der feligmachenden Wahrheit durch die Verderbniß der Sitten getrübt hat , alſo daß daſſelbige Verlangen , das vor hundert Jahren unſere Väter nach Frei heit von den Menſchenſaßungen hegten, nun nach Reinigung vom Schmuş der Laſter alle Guten erfüllt und Jedermann zu Hilfe rufen heißt, der dem Chriſtenthum aufzuhelfen im Stande wäre. Wacht auf , ihr Chriſten , aus dem bleiernen Schlaf der berrſchenden Sünden und feht, welche Mateln euch ſchänden . Denn ſo viel ihr in Reinheit der Lehre alle Geſchlechter der Erde übertreffet, ſo viel laßt ihr in Zügelloſigkeit des Lebens alle Sekten , alle Nationen , alle Völfer hinter euch. Oder wenn ihr ihnen gleich ſeib, ſo ſeid ihr doch darum verwerflicher, weil ihr euren eignen Lehren und Grundfäßen offen widerſtreitet und was ihr mit Mund und Confeſſion aufbauet , mit Hand und Profeſſion nieder reiſſet. Wacht auf , ihr Chriſten , unter dem Wirbelwind der Pragen und Sdläge Gottes , die euch hätten erwecken müſſen , euch aber nur in Er ſtarrung und tieferen Schlaf Berſeßt haben : die Münzverwirrung, die
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Theurung, die Seuchen , das Schwert des Herrn , das er wider den Leib nicht nur, ſondern auch wider die Seele hat wüthen laſſen. Wacht auf, ihr Chriſten , zur Morgendämmerung der göttlichen Hilfe; die ihr den finſtern Anſchlägen eurer Feinde verfallen unvermeint von Gott in ſeine ſchirmende Hand genommen worden ſeid , erkennet dieſe herrliche Gutthat an, bringet Dankopfer mit eures Lebens Beſſerung , und ehret euren Retter durch einen gerechteren Wandel. Was aber Alen geſagt iſt, ſcheint Niemand zu gelten . Darum rufe ich die Einzelnen auf, und zuerſt mit gebührender Demuth die Oberen , denen Gott das Regiment der Chriſtenheit befohlen hat . So wacht denn auf , ihr Häupter der Staaten , die Chriſtus von der Tyrannei des Pabſtes befreit hat. Gebt Gott, was Gottes iſt, oder laßt es ihm wenigſtens; denkt an Himmel und Hölle, an das Urtheil der Nach welt und der Geſchichte unbeſtechliches Zeugniß. Wacht auf, ihr Städte, und bleibet Chriſto treu, dem ihr zugeſchwo ren . Thut eure Pflicht und richtet, was ihr vor allen andern Ständen leichtlich könnet , Sittenzucht ein oder wieder ein . Wacht auf, ihr Kirchenvorſteher, und ſtellt uns ihn , den ihr in bei: ßen Kämpfen vertheidigt, in gelehrten Auslegungen erläutert, in beredten Predigten anempfohlen, in geiſtreichen Sdriften zugebracht habt, Chriſtum , durch euer Erempel dar. Habt Acht auf eure Heerde, führt, ziehet, drängt ſie mit Ermahnen, mit Drohen, zur Zeit und zur Unzeit, mit Zügel und Sporn , mit Bitte und Wehruf zum wahrhaftigen Chriſtenthum , unbeirrt durch der Welt Rauhigkeit oder Glätte : innen heiligen Feuers Gluth, drau fen aller Feinde Wuth . Wacht auf , 'ihr Beamteten , und gedenket, daß ihr der Kirche. Diener und Untergebene , nicht ihre Herren ſeid. Durch eudj ſteht oder fällt der trefflichen Geſeke Beobachtung und die Zucht des Lebens . Für euch iſt Wachſamkeit die höchſte Pflicht, Schläfrigkeit die höchſte Schande. Euer Erempel iſt der Tugend größter Gewinn oder Schaden. Thut eure Pflidit, und die Kirche wird euch die Wohlthat danken . Wach auf , du Chriſtenvolk , und gedenke, daß du Gottes Volt biſt. Schon haſt du , mein Deutſchland, die Art an dir geſpürt, die Aeſte gan zer Provinzen abgehauen , viel andere zerriſſen und Beſchnitten ; Magdeburg's. Afde iſt dir in friſchem Gedächtniß ; darum du fürchten kannſt , daß fie der Wurzel fidh nahe. So merf es doch und erhebe die Hände zum Hins mel, aber nicht räuberiſche und blutige, richt hinauf die Augen, aber keine troßigen, den Mund, aber keinen Fluchenden und läſternden, das Herz, aber nicht voll Neið , Liſt, Trug , Lug und Unrecht. Schuldig ſind wir gewiß, laßt uns auch Buße thun ; krank ſind wir, laßt uns der Heiligung uns unterwerfen . Wollet ihr nicht aufwachen , ihr evangeliſchen Chriſten ? Und doch wacht gegen euch mit Millionen Augen der alte Drache, es wacht gegen euch ein zwiefader Antichriſt, in Kirche und Staat, und befehdet euch hier mit hartnäckiger Tyrannei, dort mit neu gekräftigter Reßerei erfolgreicher, als vor hundert Jahren. Und alſo droht eurer Freiheit gleicherweiſe wie eurer Religion der Untergang. Schon wären wir verloren , wo nicht im
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mer noch für uns wachte frommer Obrigkeit Pflichttreue, gottesfürchtiger Kirchenvorſteher Eifer , andächtiger Gelehrten Scharfſinn , rechtſchaffener Bes amter Klugheit, waderer Eltern ſtrengere Hauszucht, unverdorbener Jugend reine Blüthe , wodurch noch einige Säulen der lutheriſchen Kirche uner ſchüttert ſtehen zum großen Aerger der Höllenpforten. Glück zu ! und führt mit ungebrochenem Muthe die Sache Chriſti, eure Sache, die Sache der Nachwelt. Ja , Chriſtus ſelber wacht für uns , er lebt und ſteht und hat durch ein herrliches Erempel vor unſeren Augen gezeigt, daß er ein unüberwind liches Reich beſißt. Verrathen , verlaſſen , gebunden, beraubt, beſiegt erſchien er, aber er hat ſich erhoben und herrſcht, ja er triumphirt. Das Unterſte war zu oberſt gekehrt, der Himmel dien zu wanken , die Erde fich zu heben , als Chriſtus ſeinen Helden * ) waffnete, mit Frömmigkeit, Gerechtig keit, Wahrheit, Tapferkeit, Mäßigkeit und mit gerechter Entrüſtung. Er iſt's , der wider unſerer Zeit Gewohnheit mit Scepter und Krone ernſte Frömmigkeit, hodiherzige Menſchlichkeit, deutſche Redlichkeit, bürgerliche Leut ſeligkeit, philoſophiſche Einfachheit vermählt, der in's Lager Gebet und Zudyt eingeführt, der die Welt belehrt hat, daß Königswürde und Chriſtus dienſt auf's Beſte zuſammen gehen . Heil dir , herrlicher Held , du neuauf gegangener Stern der Chriſtenheit, der von Mitternacht in die Nacht un ſerer Zuſtände ſcheint! Heil dir , Deutſdlands Retter , du Schrecken der Böſen , du Liebe der Guten ! Wir beſdwören dich auf's Demüthigſte , du möchteſt in den Landen , die du vom Jodhe der Tyrannei befreit, eine chriſtliche Lebensordnung einführen und die Reinheit der Religion mit einer edeln Sittenzucht ſchmücken . Unter deinem Königthum ſoll die Kirche ihre Runzeln ablegen , die Religion ihre Makeln abwaſchen, der Tempel des Herrn glänzen. Erhebe das Panier ernſter Frömmigkeit, die den Staat durch unumſtößliche Geſege und gute Sitten feſtige; was du in deiner Bruſt Sutes birgft, bring an's Tageslicht: den Städten gib ihre Zierde wieder, dem Lande ſeine Bebauung , den zerriſſenen Familien ihren Be ſtand , dem Geſeß ſeine Macht, der Obrigkeit ihre Geltung , dem Prieſter ſeine Heiligkeit, dem Vater ſeine Würde , dem Kinde den Gehorſam , dem Diener die Treue, Allen die ſo lange vergeſſene Gottesverehrung: ſie ſoll im Grund des Herzens wieder erwachen , fie fol Gott uns verſöhnen und gnädig machen . Ueberall ſoll man dem Herrn Gelübde thun , und dein Lob , gnädigſter König , ſoll im Munde aller Guten wiederballen ; Mund und Herz foll preiſen , was du an uns gethan . - Dies Licht leuchte uns in unſerer Finſterniß; bis die himmliſche Morgenröthe uns aufgeht und wir alle beim Schalt der Poſaune fröhlid, erwachen !
*) Guſtav Adolph von Schweden.
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Klagen aus verſchiedenen Schriften Andrea's. Nachdem die Lutheraner das Joch der Menſchenſaßung abgeſchüttelt, hätten ſie ſich fein unter das ſanfte Joch des Herrn beugen ſollen. Aber nun vertauſchet man eine Menſchenſaßung mit der andern , ja mit ſolchen , die nicht einmal menſchlich ſind. Der Titel iſt nur verändert und man heißt es nun Gottes Wort, die Sache aber iſt nicht beſſer, daß manchmal die Härteſte Sklaverei für ſolde Freiheit zu erwählen wäre. Die Gößen ſind hinausgeſchafft, nun betet man aber die Laſtergößen an. Des Pabſtes Herrſchaft verleugnet man und macht dagegen viel kleine Päbſtlein. Die Biſchöfe ſind zu Haufen getrieben, aber die Cyklopen feßen die Pfarrer ein und ab. Die Simonie wurde übel verſchrieen , wer weist aber eine ſchwere Hand jekund zurüc ? Man wirft den Mönchen ihre Faulheit vor, als ob man auf den Univerſitäten trefflich viel arbeitete. Die Klöſter hat man reformirt, daß ſie nun entweder gar wüſte ſtehen oder zu Viehſtällen ge macht werden . Die ordentlichen Gebete ſind abgeſchafft und beten jeßo die meiſten gar nicht. Man faſtet nicht mehr und hält das Gebot Chriſti da von gar für ein unnüş Wort - von Gottesläſterern , Ehebrechern und Wucherern gar nicht zu reden , die bei uns heutiges Tages ſo gemein ſind. Aber weil nun Alles unter einander gehet und das Kirchen -Regiment bei liederlichen Leuten ſtehet, ſo müſſen freilich die Sünden geringe gemacht, das Amt der Schlüſſel eingeſdränkt, alle Ehrerbietung aufgehoben und die Prediger lauter Sklaven werden , daß ſie dienen , wie es ihnen vorgeſchrie ben wird, nur damit ſie nicht Hunger leiden müſſen. Was hilfts nun , die Mönchskutte ablegen, wenn man die Krankheit der Verleumdung, Miß gunſt, Unverſchämtheit, Eigenliebe, Liſt und Betrug, Faulheit, Sdnarozen, Freſſen und Saufen , unnüße Neugier, Radygier und Zorn und Unbarm herzigkeit an ſich behält? (Menippus 1617.). Den erſten Kampf hat Saubert (Johannes S. , Prediger in Nürn berg, vertrauter Freund Andreä's , gab 1633 ein Zuchtbüchlein der Evan geliſchen Kirche heraus ) antreten müſſen, nicht ſowohl mit der Gottſeligkeit und dem böſen Leben der Rudloſen, als mit den Kirchenlehrern. Wie er denn viel Hartes hat erfahren müſſen von falſchen Brüdern, die, da ſie ſeinen Fleiß öffentlich zu ſtrafen nicht das Herz hatten , bei Gaſtereien und andern fröhlichen Zuſammenkünften mit üblem Urtheil, Afterreden und beim lichem Ohrenblaſen ihn angriffen , da ſie doch ſelbſt böſe Thiere und faule Bäuche waren, die es für ein Geringes hielten, das Wort Gottes zu vers fälſchen. Jedoch hat Chriſtus geſieget und theils durch geſegnete Unter weiſung der Jugend, theils Verſprengung der boshaffen Rotte ſeine Kirche gereinigt und beſſer gezieret, daß hingegen jene böſen Arbeiter Spott davon trugen , er aber feine Werkzeuge mit herrlichem Lobe krönete (Umbra Sau berti Theologi). Die reine Religion iſt zum Vorſchein kommen, darnadi das Regiment eingerichtet und die Studien wiederum emporgebracht worden ſind. Wir ſollten uns der Ueberwindung ſo vieler Feinde , als des Aberglaubens, des liederlichen Lebens und der Barbarei, rühmen können ; aber die verborgene
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Luſt des Satans plagt uns, daß unſere Freude keinen Grund hat und wir den Namen ohne die That übrig behalten. Denn während wir uns in Allem nada Chriſto richten ſollten , deſſen Namen wir tragen , geſchieht es durch unſere gottloſe Nachläſſigkeit, daß die Chriſten von den Weltleuten gar nicht unterſchieden ſind. Doch vermag jener Betrüger nicht alle zu berücken , nämlich die nicht, welchen ein Licht von Oben innewohnt, Männer voll heiligen Eifers , wie Gerhard, Arnd, Moller , wiewohl dieſer in dem Geheimniß vom Abendmahl etwas abirrt, fie, denen ich ſo viel verdanke. (Aus dem Vorw . zu Reip . Christianopol. descr. ) .
Mehr und weniger. (Aus dem Menippus.) Ich wollte allen und jeden etwas abnehmen und etwas zulegen . Den Fürſten wollte ich geben mehr Gottſeligkeit und weniger Verſchwens dung. Den Räthen mehr Muth und weniger Eigennuß . Den Conſt ſtorien mehr Barmherzigkeit und weniger Verkuppelung . Den Edelleuten mehr Tapferkeit , weniger Hoffart. Den Hofleuten mehr Mäßigkeit, weni ger Gottloſigkeit. Den Theologen mehr eremplariſd) Leben , weniger Ehrs geiz . Den Juriſten mehr Gewiſſen , weniger Gewinn. Den Medicis mehr Erfahrung, weniger Neid . Den Profeſſoren mehr Verſtand, weniger Ein bildung. Den Schulmännern mehr ſolide Bildung , weniger Schulfudsferei oder Pedanterie. Den Staatsmännern mehr Aufrichtigkeit, weniger Atheis ſterei. Den Studenten mehr Fleiß , weniger Ausgaben. Den Soldaten mehr Gotteswort , weniger Blutdurſt. Den Pfarrern mehr Wachſamkeit weniger Einkünfte.
Von der Gelehrſamkeit. (Aus der Reipubl. Christianopol. Descriptio 1619. ) Als ich nach dem Inbegriff aller Gelehrſamkeit fragte, nannte der Weiſe (in Chriſtianopolis ) Chriſtum , der gekreuzigt worden ſei; auf dieſen ziele Ales ab. Er ſchien mit Verachtung auf die Erde, voll Verehrung gen Himmel zu ſchauen ; denn die Erforſchung der Erde , ſagte er , bringe die Hochachtung des Himmels , die Erkenntniß vom Werthe des Himmels aber die Verađstung der Erde. Zugleich verwarf er alles Studiren , wel ches uns nidyt näher zu Chriſto brächte, und verfluchte es geradezu , wenn es von Chriſto wegbrächte. Alles Einzelne bezog er auf die Mirdie, welche ſo viel tauſend Jahre in dem Meere der Welt geſchwebt: ihr verdanke man alle Sprachen , alle Geſchichte , alle Denklehre, Natur- und Himmelskunde, von ihr werde endlid, die Gabe der ewigen Seligkeit erwartet. Die Chris ſten allein haben eine Wiſſenſchaft aus Gott; die Undern nur Geſchwäß, weil aus ſich ſelbſt. Das feßt mich höchlich in Staunen, weil ich das ver
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nichten hörte , was bei Andern nicht genug gelobt werden kann . Endlich ward ich doch überzeugt , als ich mid erinnerte, waruin wir in dieſe Welt geboren wären, damit wir nämlich Chriſti genießen möchten, als eines un entbehrlichen Guts in unausſprechlichem Gebrauch. So man aber lieber verderben will, ach was iſt das für ein unglückſeliges Studiren , welches nur auf wenige Tage mit Rauch geſpeist hat! Stehe doch auf , heilige Wiſſenſchaft, die du Chriſtum uns erkläreſt, daß wir ſolches hier lernen , das wir niemals wieder dürfen verlernen , ſondern das in alle Zukunft dauern und ſich mehren wird !
Aus dem Geſpräch Theophilus. 1649. ( Nach dem Lateiniſchen .) Theophilus führt die Schäden der Kirche auf den Verfall der chriſtlichen Zucht zurück. Solange wir dieſe vernachläſſigen , ſagt er, erwarten wir vergebens Heilmittel von der Auslegung oder Vertheidigung der chriſtlichen Religion. Denn wie der Zweck der Arzneikunſt ein doppel ter iſt, die Geſundheit des menſchlichen Körpers zu erhalten und die vers lorene wiederherzuſtellen : ſo erkennt die Theologie hinſichtlich der Seelen krankheiten eine doppelte Aufgabe an, zu zeigen nicht nur, wie wir uns von Sünden frei madjen , fondern auch wie wir uns in der Gnade erhalten. Wie daher die vernachläſſigte Praris der Medicin uns wenig heilt, ſo trägt die heut zu Tage verdächtig gemachte Praxis der Theologie wenig Sorge für den dyriſtlichen Körper und arbeitet weniger dem Verderben der Zeit entgegen, und unterdeſſen wähnen wir, unſere Sadje, während wir beſtän dig in Büchern ſtreiten , vortrefflich beſorgt. Democides : Achteſt du das gering ? Theophilus : Keineswegs ; es iſt recht gut, daß die Rechtgläubig feit in Büchern , gelehrtem Streit, Predigten und auf alle Weiſe vertheidigt wird ; aber man muß ſich auch bemühen, daß das Leben ein Abglanz des chriſtlichen Bekenntniſſes ſei, daß nicht überal viel Wiſſen, wenig Gewiſſen, viel Worté und kaum ein Funke von That ſichtbar ſei. Wenn Viele er glühen möchten im Eifer für die chriſtliche Religion, ſo erkalten die Meiſten in der Sorge für ein chriſtlides Leben ; wenn die Meiſten bekümmert ſind, daß keine falſche Lehre überhand nehme, ſo ängſtigen ſich die Wenigſten, daß ein ſchlechter Lebenswandel einreiße ; wenn endlich Alle ihr Bekenntniß gleichſam mit den Zähnen feſthalten wollen, ſo bemüht ſich kaum der Zehnte, das Bekenntniß des Evangeliums durch das Leben an den Tag zu legen . Dies ſollte man thun und jenes nicht laſſen , ſagt unſer Herr Chriſtus; man ſollte mit Chriſto reden und mit ihm denken, mit Chriſto glauben und mit ihm handeln , mit Chriſto wandeln und mit ihm dulden . Du ſcheinſt mir doch jene gelehrten Bemühungen um die Reli D.
gion zu gering zu achten . Th. Ich wiederhole es : id table nicht die Sache ſelbſt, ſondern ihren Mißbrauch. Wir bewundern euren Geiſt, ſchäßen eure Verdienſte und dul: den jenes Leben . Nur möge es auch uns ungeſtraft freiſtehen , Chriſtum
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zugleich auszulegen und zu empfehlen, in's Herz zu faſſen und durch die That darzuſtellen, ihn in uns aufzunehmen und ſeiner zu genießen . D. Aber ſicher kennſt du den Betrug des Satans, daß er dann be ſonders boshaft und furchtbar iſt, wenn er den Engel des Lichts ſpielt. Daher fürchten die Vorſteher der Rirdie nicht ohne Grund, daß der Vor wand eines gar zu frommen Lebens gegen die reine Lehre gerichtet und unfromm iſt . Durch dieſe Minen haben die meiſten Secten die Grund lage der Religion unterwühlt. Th. Ich billige dieſe Beſorgniß , wenn ſie mit Klugheit ſich paart und fern bleibt von Unbeſonnenheit; wenn ſie mit Leutſeligkeit verbunden iſt und nicht mit Hochmuth, mit Liebe und nicht mit Haß, mit dem Willen zu beſſern und nid )t mit dem Stachel des Neides und der Eiferſudyt, mit Geradheit und nicht mit Hinterliſt und Doppelzüngigkeit. Denn auch mir iſt ein geregeltes Leben bei ungeregelter Religion verdächtig, und die Heuch ler nenne ich der Kirche als ſolche, vor denen man ſich hüten müſſe. Nur ſollen wir uns nicht des Eifers ſchämen, den Lebenswandel zu beſſern, ſolche Verſuche nicht als verdächtig und aufrühreriſch ausſchreien . Was müſſen nicht die denken, welche einen geraden Sinn, eine reine Religion, den beſten Willen haben, wenn ſie des Einzigen wegen in üblem Rufe ſtehen, daß ſie von der Frömmigkeit des Volks abweichen , den Predigten häufiger beiwoh nen , mit den Dienern Gottes vertraulicher zuſammen kommen , ihre Reden treuer bewahren , reichlicher Almoſen austheilen , mäßiger in Nahrung und Kleidung ſind, irdiſche Güter weniger achten, die Uebel des Lebens gelaſſener ertragen , nach himmliſcher Nahrung und dem Himmel ſelbſt mehr trachten und überall der Seelenruhe ſich befleißen ? Wahrlich, wenn dies Reßerei, ein ungezügeltes und mit allen Laſtern beflecktes Leben aber Lutherthum iſt, ſo treiben wir das Chriſtenthum ſelbſt fort. Ich wenigſtens nenne umge kehrt das ein ächtes Lutherthum , welches die nicht verſtümmelte , ſondern vollſtändige Reformation eines Mannes von dem beſten Gewiſſen, der von Feuereifer brannte, darſtellt, eine Reformation , wodurch er ebenſowohl der Unwiſſenheit und dem Aberglauben abhelfen, als der Gottloſigkeit und dem Epicureismus fidh entgegenſtemmen wollte. Weil wir uns davon entfernen und ſtatt der Sadie den Schatten greifen, ſo iſt es kein Wunder, daß wir uns wechſelſeitig mit Schmähungen bedecken und uns auf beiden Seiten dem Sohn der wirklichen Reßer ausſeßen. Denn es erregt die Eitelkeit der Wiedertäufer, wenn der ein Wiedertäufer genannt wird, den nicht etwa Wiederholung der Taufe , nicht Verdrehung der rechtgläubigen Lehre, nicht ein zügelloſes Leben , ſondern das Ringen nach dem Himmelreich und nach beſſeren Sitten den heftigſten Angriffen ausſeßen. D. Dies wäre für Luthern Mäßigung geweſen, für ihn, der in ſei nem ganzen Leben gerüſtet ſtand und Bliße ſchleuderte und auf Sitten drang, die dem Staate Nußen brachten . Th. Bei Chriſto, darauf arbeitete er mit allem Eifer hin, damit feine Feinde nidyt mit Recht ſeiner Lehre Lockerung der Sitten vorwürfen. Wenn wir ihn hörten , ihm nachahmten , fo würde man weniger Schandthaten dul den , ohne daß es doch weniger gelehrte Streitigkeiten , weniger religiöſe Uebungen gäbe. Nicht geringer iſt die Tugend, Erworbenes zu bewahren ,
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als zu ſuchen. Errungen ſind die Hauptſtücke der Religion möchten wir doch auch religiös fein ! Errungen ſind die Thüren der Freiheit möchte ſie nur nicht in Zügelloſigkeit ausarten ! Errungen iſt wahre Bils dung des Geiſtes ( ingenii decora ) möchte nur die Rohheit (genii pecora ) fich nicht wieder eindrängen ! Summa, wir ſind ſtolz auf Luther, und doch würde er uns wohl kaum als die Seinigen erkennen ; wir brü ſten uns mit Chriſto, ob er uns ſchon niemals als die Seinigen anerkannt hat. Denn wo iſt Chriſti Mäßigkeit, Enthaltſamkeit, Geduld ? wo ſeine Liebe , Güte, Freundlichkeit ? wo ſeine Freigebigkeit , Gaſtfreundſchaft, Des muth ? wo ſein Glaube, ſeine Hoffnung, ſein Gebet ? wo ſeine Noth, Ver laſſenheit und Erniedrigung ? Etwa da, wo perſiſche Pracht, vatinianiſcher Haß, Endymionspolſter und Bacchuskeltern ſind ? Da mödjte ich lieber bei denen ſein , gegen welche Breven , Bullen , Anatheme am meiſten wüthen . Müſſen wir uns nicht ſchämen , daß wir weder ſelbſt in das Himmelreich eingehen wollen , noch es Andern geſtatten, ſo weit es bei uns ſteht. D. Ihr ſeid wohl fo feine Märtyrer, daß man an euch nichts tadeln , Alles anbeten fou ? Th. Nein , Vieles muß gebeſſert werden . Aber warum greift ihr nicht, wenn ihr Männer ſeid , die Herrſchenden Fehler mit derſelben Hiße an , wie die im Verborgenen ſchleidenden ( der „ Sectirer “) ? D. Verlaſſen wir dieſen Wortwechſel, durch welchen unſere Sachen um Nichts gebeſſert werden , und ſuchen wir zu den Heilmitteln zu gelangen. Th. Dieſe liegen ſehr nahe. D. Wie ? Vergiſſt du dich ganz ? Th. Es ſteht in der That bei uns, dieſe Mühe auf Gott zu wen den , unſer Leben zu beſſern . D. Das heißt mit jenen Verzückten, es vollkommen zu machen . Th. Nie hat man dieſes Wort aus meinem Munde gehört, denn ich bin mir meiner Schwachheit wohl bewußt, achte aber die Gefeße. D. Welche ? Th. Die unſerer Vorfahren , durdh welche ſie uns Ehrfurcht gegen den Gottesdienſt, Ehrerbietung gegen das geiſtliche Amt, Seilighaltung des Feiertags, Abſcheu gegen Gottesläſterung , Gehorſam gegen die Obrigkeit, Ausübung der Liebe , Zurücgezogenheit des Häuslichen Lebens , Mäßigkeit und andere Erforderniſſe eines chriſtlichen Wandels vor Allem und über Alles eingeprägt haben . Wenn wir nur mit derſelben Sorgfalt uns Chriſto darbrächten und bei ihm blieben, mit der wir unſere Einnahmen und Aus gaben , unſere Prozeſſe, den Aufwand für Komödien und eitles Gepränge beſorgen : gewiß das Reich Chriſti würde weniger öde ſtehen , das Wachs thum der Satansmacht, die uns faft erſtickt, würde abnehmen. D. Ich höre Klagen und nichts von Heilmitteln. Th . Aber ich, rufe um Hilfe. D. Wen beſonders rufft du an ? Th. Die Obrigkeit, wenn ſie anders eine chriſtliche ſein wil . Die Hauptſache muß ſein , daß fie mit Chriſto mehr übereinſtimme und nicht, wie wir oft ſehen, Grundfäße anwenden, die ihm ganz entgegengefeßt
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ſind, daß fie, was Gott entgegen iſt, nicht geringer achtet , als was den Menſchen zuwider iſt. Ich verlange ein Sittengericht, wie ich es irgend wo (in Gent) geſehen habe. Man erwählt aus allen Bürgern gaſſenweiſe Männer von unbeſcholtenem Rufe und, wenn es möglid iſt, von einigem Anſehen, welche über ihre Gaſſe oder Nachbarſchaft die Aufſicht führen und für ſie Sorge tragen. Wöchentlich wird ein Tag beſtimmt, wo Alle, welche ſich in den letzten Tagen vergangen haben , ermahnt , gerügt und beſtraft werden . Nur im äußerſten Fall bringen die würdigen Älten die Sache an die Obrigkeit D. Haben denn nicht auch die Geiſtlichen eine Rolle bei der Wieder
Herſtellung chriſtlicher Zucht ? Th. ja wohl ; aber auch ſie ſelbſt bedürfen einer großen Verbeſſe rung, wovon Jemand einen ebenſo frommen als genauen Entwurf gemacht hat , den ich dir gelegentlich einmal zuſtellen werde (f. unten ). D. Nimmt ſich kein wirklich Guter der Sache der Stirche an ? Th. Einige , von deren Religion Weniges in die Deffentlichkeit ge langt iſt. Einer aber zeichnet ſich vor allen, wenigſtens nach meiner Mei nung, durch ſein Wirken und ſeine Schriften aus , einſt der beſte Mann, der jegt ſelige. Johann Arnd , den mit mir viele gutgeſinnte und ein= ſichtsvolle Männer verehren. D. Der aber ebenſo ſehr Vielen mißfällt. Th. Ich weiß das und wundere mich , wie bedeutende Männer an ihm Anſtoß nehmen, manche ihn der Keßerei beſchuldigen mögen ; aber ganz unbegreiflich iſt mir, wie weder ich noch andere weit ſcharfſichtigere Männer ſolche baben finden können. Denn da man zu glauben berechtigt iſt, daß dieſe Ankläger weder vom Neide gereizt, noch von Unerfahrenheit getäuſcht, nody von Uebereilung hingeriſſen werden, weil ja ſehr viele Bücher ſie rüh men : ſo bleibt nur übrig , daß ich den Angeklagten ſelbſt höre ; an ihm aber finde ich durdjaus keine Schuld , wohl aber große Verdienſte um die Kirdie Chriſti. Seine Religion war das heiligſte Streben, die ſeligſte Arbeit in dem Herrn. Wie Vielen zog er das Blendwerk von den Augen weg !
Aus dem vierten Theil des Theophilus : Ermahnung an die Diener der evangeliſchen Kirche. Vor allen Dingen will ich und alle, die ſich Chriſto geweiht haben , daran denken, und immer wieder wollen wir uns das einprägen, daß wir uns Chriſto geweiht haben , d. h . dem , was den Griechen eine Thorheit, den Suden ein Aergerniß war, daß wir uns den widerſinnig ſcheinenden ewigen Grundfäßen für Leben und Sterben gewidmet haben , die keine Vernunft faßt, kein Anſehen bekräftigt, keine Gewalt aufrecht hält, kein Wille hervor bringt, keine Tüchtigkeit ausführt. Befremden mag es, daß Einige ſie an zunehmen wagten ; Andere fie lebren zu wollen , mag in Staunen ſetzen ; ſie gegen eine ganze Welt in Schuß zu nehmen, mag mit Recht ein Wun der heißen . Das Sonderbarſte aber iſt, daß man dieſes Gut ohne Unter:
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ſchied wie gemeine Kurzweil verkaufen, kaufen , vertauſchen, eintauſchen, ver langen und geben will. Dagegen ſollen wir mit ſolchem Gehorſam zu Willen ſein , daß es klar werde , nicht aus Unbeſonnenheit , ſondern nad eigener Wahl , nicht ohne Abſicht, ſondern von Innen getrieben ſeien wir in den verordneten Kampf eingetreten. So hat Paulus , ſobald er den Chriſten angelegt hatte, den Juden abgelegt, ſich und ſein Alles Chriſto geweiht, feinem Selbſt entſagt und gleichſam auf die Privilegien der Menſch heit Verzicht geleiſtet, die chriſtliche Kindlichkeit ſich zu eigen zu machen. Ueber den Willen Chriſti aber recht gewiß zu werden , dazu bedarf es einer ernſten oft wiederholten und ſorgfältigen Lectüre der heiligen Schrift, beſonders des Neuen Teſtaments, welches uns weniger von der unbeſiegten , überal mit ſich ſelbſt übereinſtimmenden Wahrheit überzeugen, als das Herz ſelbſt zum Einklang mit derſelben und zum Gehorſam führen, die Vernunft bändigen , die Leidenſchaften beſänftigen und uns ganz von der Gegenwart zur Zukunft ziehen ſoll. Wenn das Heilige Budy das nicht bewirkt, ſo wird es zwar das Gedächtniß füllen , die Sprache bilden , und die Ohren , welde es reizt, prächtig umraujdsen , niemals aber über den Schmuß der Erde erheben , und der Irrthum wird um ſo ſchädlicher ſein, weil der Schein der Frömmigkeit den Lehrenden und den Lernenden täuſcht. Wenn im Gegentheil der mit demüthigem Herzen erflehte heilige Geiſt hins zutritt, ſo wird er beſonders das bewirken , daß der Himmel vor jedem an dern Ort Reiz für uns habe und alles Schwankende uns wie Nichts er ſcheint gegen dieſes Ewige ; er wird unſere Dankbarkeit wecken, unſere Liebe entzünden, unſere Geduld aufrecht halten . Denn keineswegs darf die treue Verbindung mit Gott und die erneuerte Freundſchaft mit ihm im Verbor : genen bleiben , damit man nicht, wenn ſie nicht Früchte bringt, mit Recht ſage , fie habe den Saft verloren ; wenn ſie nicht glüht , das Feuer ſei er ſtickt; wenn ſie ſich nicht regt, ſie habe den Geiſt aufgegeben. Iſt aber eine brennende Liebe zu Chriſto eingekehrt, ſo wird es leicht, alle übrigen Pflichten eines Chriſten , zumal die eines Geiſtlichen , darauf zu bauen, nämlich zu glauben ohne Vorbehalt, zu handeln ohne Rückhalt, zu leiden ohne Murren , mit einem Worte , das ganze Leben der Lehre gemäß zu bilden und was man im Munde führt , durd Werke zu bezeugen. Von der Religion ſprechen und ſchwaßen kann ein Jeder ; ihr unterthan ſein, in ſie eingehen , für ſie eifern , von ihr ganz eingenommen , von ihr ge ſättigt werden, das iſt, glaubt mir, die Sache nicht Eines unter Tauſenden . Iſt es alſo zu verwundern , wenn wir bei dieſem Mißklang des Glaubens und Lebens weniger überzeugen , als wir wollen , da es offenbar iſt , daß wir ſelbſt noch nicht überzeugt ſind; daß wir weniger erreichen , als wir wünſchen , da wir es bei uns ſelbſt nidt erreicen ? Die Wahrheit liegt zwar vor den Augen Adler, aber mit Mühe erreichen ſie die Menſden ohne Führer und Beiſpiel : die Rechtſchaffenheit ſteht offen da , aber ſchwer erlangen ſie die Menſdhen ohne Unterhändler und Begleiter. In der That, wenn wir unſere Vorſchriften gerade ſelbſt übertreten und durch forgloſe Nachſicht gegen uns ſelbſt einreißen , was wir in Andern ſorgſam aufbau ten : ſo wird es ſcheinen , daß wir entweder zu der eigenen Sache wenig Zutrauen haben , oder daß hier ein Betrug, etwas Unrechtes vorgehe.
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Laßt uns , ihr Brüder , vor Allem zwei ſchreckliche Uebel ins Auge faſſen - Ehrſucht und Geiz , die ebenſo gewaltig das ganze menſchliche Geſchlecht, als die Kirche erſchüttern und in dieſem verdorbenen Zeitalter doppelt furchtbar wüthen . Wer ſollte es wohl glauben , daß ein dem dea müthigen Chriſtus geweihter Menſch , der Chriſti reine Demuth betrachtet, Demuth mit göttlichen Ausſprüchen und apoſtoliſchen Zeugniſſen empfiehlt, der zum Studium der Demuth rich bekennt, den Stand der Demüthigen erwählt hat - daß der ſich aufblähen , nach Ehrenſtellen jagen könne, ohne zu erröthen , wenn er ſeine Brüder darum tadelt ? Und wer ſollte es ſich einreden , daß ein gleichſam vom Himmel Gekommener, der Himm liſches preist, darbietet, auslegt, die Sterblichen dazu einlädt, für ſich auf der Erde etwas ängſtlich ſuchen , habgierig ſammeln , hartnädig bewachen werde ? 0 Thorheit, den Himmel zu predigen und nach der Erde zu verlangen ! o Schmach, den Reichthum zu verdammen und ſelber Schäße aufzuhäufen ! Es mag hinreichen , an dieſen beiden Beiſpielen zu zeigen , wie viel darauf ankomme, unſere himmliſchen Grundſätze durch den Einklang des Erdenlebens zu kräftigen und Andern als Beiſpiel des Seelenfriedens dar zuſtellen. Im Hauſe vor Allem , in der Familie muß das ſichtbar ſein ( 1 Tim . 3.) , follen wir Glauben und Gehorſam in der Kirche finden . Im Hauſe muß das Wort Gottes lebendig ſein , müſſen Hymnen ertönen ; hier muß Friede herrſchen , muß man freigebig Andere nähren , geduldig Anderer Fehler zudecken , fich mit Beſcheidenheit ſchmücken , fich mäßig fät tigen , um außer dem Hauſe die Welt ſchelten , die Laſter züchtigen , den Zehnten fordern , um Hilfe rufen oder auf Gehorſam dringen zu dürfen. Es iſt zu bedauern, daß manche geiſtliche Familien ſich von den weltlichen durch nichts unterſcheiden , daß ſie weder durch Kunde der heiligen Schrift, noch durch Anhalten im Gebet, noch durch Mäßigkeit im Genuß, Sittfam keit in der Kleidung , Anmuth der Rede , nod durch Liebe zur Eintracht, Ruhe im Dulden und andere Gaben des Heiligen Geiſtes ſich auszeichnen , fondern fid in allem Erdenkothe wälzen und dennoch bittere Klagen gegen die Welt erheben. Andere ſollen ſich anſtrengen , die Unſern Ruhe haben ; Andere ſchweigen , die Unſern laut rufen ; Andere enthaltſam ſein , die Un fern ſich mäſten ! Aber zu wiſſen , was man thun ſoll, und zu wünſchen , daß auch Andere es wiſſen , es der Welt zu verkündigen und Chriſto Treue zu ge loben – das iſt noch nicht Alles , wir follen auch unter allen Widerwär : tigkeiten ausdauern. Wird wohl der Ausleger des göttlichen Worts auf die Unfruchtbarkeit der Erde und auf die alles verſchlingende Zeit zürnen ? wird der Diener Chriſti die Reichthümer der Erde verzehren , der Seelen arzt die menſchlichen Lazarethe fliehen ? wird wer ſich um die Erde nicht kümmern ſoll ſeinen Aufenthaltsort oft nach einander verändern ? wird wer der Demuth nacheifert hohe Katheder ſuchen und wer der Belohnungen ge wiß iſt nach Ruhe geizen ? Gewiß , ein Land iſt nicht werth , daß die Kirche bei ihm wohne, daß es treue Diener Gottes höre und beſiße, wenn es kärglich befoldet, freigebig iſt Unrecht zu thun , geizig zu ſchenken , leer an Troſt, voll von Drohung, wenn es den Dank vergißt, des Haffes ge
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denkt, Anſtrengung fordert, Ruhe verſagt, das Verdienſt mißachtet, Belle rung nicht duldet – und wie immer die Schmach heißen mag , womit Chriſtus und die Seinen beladen werden. Aber dies zu erfahren und zu ertragen iſt keineswegs für uns unpaſſend, liegt nicht fern von unſerer Pflicht. Wenn jene uns verſpotten , geißeln , beſchränken, ſo handeln ſie nach ihrer Regel; wir handeln unrecht, wenn wir alles nach dem Richt maß gethan haben wollen , da Chriſtus uns befiehlt, und ſein Beiſpiel uns lehrt, daß wir die Vorſchriften der Welt weder dulden nods ausüben, noch ihnen uns unterwerfen ſollen . Den Soldaten ehren Wunden und ein fonnverbranntes Antliş mehr als geſchniegeltes Haar ; der Matroſe mag eher nach Salzwaſſer riechen , als von Wohlgerüchen duften ; der Pflü ger eher in geflicten als in geſtidten Kleidern gehen : warum ſollten dem Chriſten , dem Lehrer der Chriſten die Schläge des Satans , die Schwielen der Welt , die Male des erlittenen Unrechts nicht wohl anſtehen , wenn er ſie gerade ins Angeſicht erhalten , zum Zeugniß, daß er ernſten Kämpfen nicht ausgewichen ? O des trefflichen Paulus , der , um ſich als Diener Gottes zu bewähren , alles für nichts geachtet und nichts beſigend alles befaß ! Mit ihm Teppiche zu weben iſt angenehmer und nutzbringender, als mit dem Phariſäer Saulus Vollmachten zu erhalten zur Verfolgung der Frommen und bis nach Damascus zu reiſen . 3d bitte dich , Jeſus Chriſtus, du Sohn Gottes , du Weisheit vom Vater , du Zierde und Wohlthat der Menſchheit , Verföhner und Vorbild, Heil und Regel , Lehrer und Führer , du Weg , Wahrheit und Leben , daß du die Macht, welche du allezeit gehabt und in Ewigkeit im Himmel und auf Erden haben wirſt, auch hier nad deiner Weisheit und Liebe ausübeſt und uns deine Offenbarung als Wahrheit feſt glauben , die uns anver trauten Güter ſtandhaft bekennen , was du als falſch aufgedeckt, weislich entfernen , die Uebel, welche du entfernt, ſorgfältig vermeiden laſſeſt, damit wir die Wohlthat des Evangeliums mit treuem und gehorſamem Sinn ge nießen , zum Heil unſerer Seele, zur Bewahrung unſeres Leibes. Gib , daß wir, deine Diener, wahrhaft glauben , fromm leben , freimüthig reden, geduldig leiden , bereit ſind, auf uns zu nehmen und aufzugeben , daß wir uns dir heilig weiben , und dem Satan ' ganz entſagen ! Unterweiſe die Lehrer der Kirche, ſtärke ihre Führer , belebe ihre Pfleger, vermehre ihre Zöglinge, ſtütze ihre Säulen , ſtelle an ihre Helfer , vertreibe den Satan , tödte die Welt , unterdrücke das Fleiſch! Schenke den Glauben , entzünde die Liebe, belebe die Hoffnung, ſtärke die Geduld, unterſtüße die Kräfte, erhöhe den Muth , gib Standhaftigkeit und Ausdauer ! Leben des Lebens, gib, daß wir heilig leben, Tod des Todes , gib , daß wir ſelig ſterben ! Euch aber , theuerſte Brüder in Chriſto , bitte ich von Herzen bei der Liebe Gottes zu den Menſchen , daß ihr dieſe Worte , die aus ruhigem , redlichem Herzen fließen , annehmet ; daß ihr unterrichtet , die ihr durdy Weisheit ſtark ſeid, bildet, die ihr durd Klugheit hervorraget , ermahnet die ihr in der Anwendung geſchickt feid , daß ihr überzeuget, die ihr durch Scharfſinn vorangeht , zu Hilfe kommt , die ihr durch Raſchheit im Hans deln eud) hervorthut, Uebel abwendet, die ihr mit Scharfblick die Zuťunft 39 Evangel. Vollkbibliothek II.
610 vorausſehet, daß ihr helfet , die ihr durch die Würde eures Amts Gewicht habt - kurz , daß ihr Alle, die derſelbe Chriſtus, diefelbe Religion , die felbe Kirche, daſſelbe Amt, derſelbe Wille verbindet, mich zu belehren , zu bilden , zu ermahnen , mich zu lieben geneigt ſeid ., wenn ihr mich nicht ge lehrig, wenig geſchmeidig , folgjam , dienſtfertig, dankbar findet. Uebrigens wenn mein eigener Beitrag zur Förderung der Kirche und der öffentlichen Wohlfahrt auch noch ſo gering iſt und nur eine Seele in einem Augen blick auf einen heiligen und frommen Gedanken durch mich gebracht wors den iſt : ſo werde ich mich vor dem Altare des Herrn gerne zu einem heiligen Gelübde verpflichten.
Summariſcher Inhalt von Herrn Wilhelms Saluften von Bartas *) Triumph des Glaubens, in Hochdeutſch gebracht von J. V. Andrea, beides Figural und Choral in fünf Stimmen geſeket von Chr. Th. Walliſer, der Stadt Straßburg verordneten Mufico. 1627. Der Poet ſchaut alle die öffentlichen , heimlichen und vermummten Verfolger der Kirche und führt ſich zu Gemüth, wie dieſe wider ſie nicht vergebens ſtreitet, ſondern mitten im Tode den Triumph erhält , als einen Triumph des Glaubens , der da iſt die gewiſſe Zuverſicht, ſo die Kinder Gottes in die unfehlbare Verheißung des Himmliſchen Vaters ſeßen. Son ſten hat der Poet in ſeinem Schreiben ſich befliſſen, es dem Petrarca, als dem vortrefflichſten unter den italieniſchen Poeten, nachzuthun , indem er ſeinen Discurs in vier Chöre abtheilt. In dem erſten meldet er , es ſei ihm „ früh, als der Morgenſtern Herfürging, anzuſchauen der Sonnen Pur purglanz" , der Glaube als zierliche Jungfrau in prächtigem Siegesaufzug erſchienen und habe ihm befohlen , dieſen Triumph zu beſchreiben , der ſich alſo verhält. Dieſe himmliſche Fürſtin wird auf einem herrlichen Wagen hereingeführt und durch einen Adler gen Himmel gezogen. Sie iſt über die Maßen ſchön mit Augen bedeckt, beflügelt, einen Franz von Roſen auf dem Haupt. Die Wahrheit führet ihr die heilige Bibel in einem Fahnen vor. Der gottſelige Eifer iſt Hauptmann und Heerführer. Beſtändigkeit und Geduld treten ſeitwärts neben her, die eine ein zweiſchneidend Schwert, die andere den ſtarken undurchdringlichen Schild des Glaubens führend. Deßgleichen umgeben ſie die Liebe, Freundlichkeit, Hoffnung und Demuth. Vor dieſem Wagen tritt die inenſchlidse Vernunft gefangen herein, als eine abgeſagte Feindin des Glaubens, mit vielerlei Röcken verhüllet, ausſtaffiret mit Augen , Zungen, Flügeln, ſo jenen des Glaubens ganz zuwider. Vor ihr her geht eine große Anzahl Gefangener, mit Ketten angefeſſelt, gethei let in zween Haufen . In einem ſind die Verfolger, welche die Glaubigen am Leib ermordet, darunter Rain der erſte, auf welchen folgt Pharao und ) Guillaume de Saluſte du Bartas 1544-1590 , befang þeinrich IV ., in deſſen Dienſt er ſtand.
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die gottloſen Könige in Juda und Israel und nach ihnen die Tyrannen in Aſſyrien und Chaldäa, Antiochus , Herodes , taiphas , Hannas und Pilatus ; ſodann die römiſchen Kaiſer , die gothiſchen und vandaliſchen Ro nige , Mahomet, die Sultane in Aegypten und Türkei , aus deren Anlei tung der Poet Gelegenheit nimmt , die Chriſten zu verinahnen, daß ſie die gegen einander habenden Streitigkeiten beiſeitlegen und insgeſammt den Tür : ken bekriegen ſollen . Im andern Chor ſieht man den andern Haufen der Gefangenen vor dem Wagen des Glaubens vorherwandern. Dieſes ſind die argliſtigen heimlichen Verfolger und Weltweiſen, ſo auch in ihre Haus fen abgetheilt; in deren einem ſind die alten Weifen , im andern die Phi loſophen , welche redit und wohl die Patriarchen und Erzväter der Ketzer genennet werden. Im dritten Haufen befinden ſich die unglückſeligen So phiſten , weldie zu Zeiten der römiſchen Kaiſer , inſonderheit Juliani des Abtrünnigen , das Evangelium durch unterſchiedliche Schriften angefochten haben. Die Rabbiner und Talmudiſten machen den vierten Haufen . Im fünften ziehen auf die mahometiſtiſchen Lehrer. Der ſediste begreift durch einander eine ganze Rotte der Reber als Feinde Jeſu Chriſti und der himm liſchen Wahrheit. Auf welche folgt der Antichriſt und die große Hur lo auf ſieben Bergen ſißt, die von der wahren Kirche abgeſonderten Nottirer mit ſich ſchleifend. Im dritten Chor wird der Glaube eingeführt mit ſeinen Soldaten begleitet, als da ſind die frommen Patriarchen , Richter, Könige, Regenten , Prieſter, Propheten und Diener der Kirche Gottes , deren Vor trab ſind die heiligen Märtyrer der Kirche vor und nach der Zukunft Chriſti, wie nicht weniger die vortrefflichen Weiber, deren in heiliger Schrift gedacht wird, inſonderheit die heilige Jungfrau und Mutter Gottes. Im vierten Chor und vor dem Wagen trägt man große Tafeln , in weldien die denkwürdigen Siege des Glaubens nadi der Reihe vorgebildet werden. Etliche Sdyritte vor dieſem herrlichen Aufzug befinden ſid) Poſaunen, Pfeis fen und Trompeten des Glaubens, nämlich die beiligen Evangeliſten und Apoſtel, welche an allen Orten und Enden der Welt mit einnüthigem und immerwährendem Scall den Sieg und Triumph dieſer unüberwindlichen Königin ausblaſen. Darüber erwacht der Poet , beweinet das Unglück der Welt, in welcher gottloſes Weſen und Ungerechtigkeit mehr als jemalen im Sdiwang gehen . Doch läßt er das Herz nicht finken, ſondern in Betrach tung , daß der Glaube von ſeiner im Geiſt erſchienen Ehre das Geringſte nidyt werde verlieren , richtet er ſich wiederum auf , ſchöpft eine ungezwei felte Hoffnung, es werde die Kirche geneſen , und verſichert ſich durch die vor Augen geſtellten Kenn- und Merkzeichen , daß der Tag des endlichen Triumphes des Glaubens nicht mehr ferne ſei. Hierauf beſchließt er feia nen Discurs mit einem kurzen heiligen Gebet.
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B.
Boetiſches *) .
An den gekreuzigten Herrn Jeſum . Ich grüß dich, Jeſu, Menſchenheil, Ich grüß dich, Jeju , liebſter Theil, An dein Kreuz ich mich ſelber henk, Du weißt, warum ; ach ! mir dich ſchenk! Ach ! komm , als ſeh ich dich mit Augen, Ja, du biſt da, wie ich thu glauben ; Vor dir ich mich thu uiederlegen, Mein Sünde wollſt du mir vergeben . Die Wunden tief, die Nägel hart, Die Mal an deinem Fleiſche zart, Umfabe ich mit Anedacht, Und zitter doch vor deiner Macht. Deiner Liebe laß uns dankbar ſein, Für uns trägſt du die Wunden dein ; Die Sünder haſt du nit veracht, Was arm und elend, aufgebracht. Alles , ſo iſt in mir zerbrochen, Was zerſtreuet iſt und zerſtochen ,
Heile, o Jeſu , durch deine Kunſt, Denn ohne dich iſt Arznei umſonſt. Hilf, Jeſu , von der Die uns auf Erden Hilf, Jeſu, von der Die uns auf Erden
alten Schlang, macht ſo bang; ſchnöden Sünd, gar verblendt.
Hilf, Jeſu, von dem herben Tod, Der uns ſchredt mit der legten Noth ; Hilf, Jeſu , von der bittern Höű , Die uns droht ewig ungefäll. Hilf, Jeſu, vor der argen Welt, Die ſich zu uns mit Falſch geſelt; Hilf, Jeſu, von dem geilen Fleiſch, Das von uns ſo viel Böſes heiſcht. Hilf, Jeſu, von der Eitelkeit, Die uns ſchad't an der Ewigkeit; Silf , Jeju, bilf ! Ach , Seju, bilf ! Wer das begehrt, ſchrei, ſeufz' und gilf !
An Gott. Ach, mein Vater, Schöpfer und Herre, Zu dir fomm ich , dein Geſchöpf und Kind, Nach deiner Güte mich jeßt erhöre, Daß ich bei dir mein Zuflucht find. Gib mir ein Herz, das dir vertraue, Das sich aus deinen Worten lern, Auf eigen Kraft ja gar nicht baue ; Von eigener Liebe mach mich fern. Nicht laß mein Fleiſch in mir regieren, Daß ich volbring den Willen ſein,
Wenn mich's will in der Welt umführen , Daß ich mit ihr mich verunrein. Ein gehorſam Herz und wilig Gemüthe Verleih , und das demüthig ſei, Damit vor Frechheit ich mich hüte, Von Hoffart immer bleibe frei. Sorg und groß Acht meines armen Lebens Die kurze Zeit ſei fern von mir ; Denn durch die Lieb hab ich vergebens, Was mir Noth iſt, o Herr, von dir.
* ) Nußnahmeweiſe nehmen wir von I.V. Andreä auch poetiſche Erzeugniſſe auf, weil ohne dieſe B kein vollſtändiges Bild des Autors gegeben werden könnte. Einiges weitere hat bereits die poetiſche Der Herausgeber . Abtheilung unſeres Werkes (B. V. S. 281 fg .) mitgetheilt.
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Jeſus. ( Bearbeitet von Herder.) Sei gegrüßet, ſchönſte Blume, Aller Menſchheit Blume du ! Zu dir tommen alle Frommen; Gottes Gnade , Himmels Zter Wohnt in dir. Ich fomm auch , o wär ich kommen Lange ſchon uud hätte Rub' !
Lange bin ich irr, gegangen , Suchte Ruh an falſchem Drt. Meine Augen geb'n mir über Und voll Wehmuth iſt mein Herz, Iſt voll Schmerz. Denn ich ſuchte dich nicht, lieber ! Suchte mich nur hie und dort. Ronnt' ich, was ich ſuchte, finden ? Wo iſt Ruhe ohne dich ? Geiſtes quälen , Bergensqualen , Brunnen fand ich ohne Trank ! Dune Dant Martern fich der Menſchen Seelen, Martern oft fich ewiglich. In die Sdöpfung will Sprach ich , da iſt Gott Unter Blumen werd ich Der der Blumen Vater
ich gehen, gewiß . finden, iſt.
Wo du biſt, Laß dich, Vater, laß dich finden ; Hier, o Gott, biſt du gewiß. Ueberall ſah ich die Spuren Seiner naben Gegenwart, Ahnet ihn auf Thal und Höhen, Fragte rings die Kreatur : Seine Spur Sah ich : habt ihr ihn geſehen ? Wo iſt eine Gegenwart ? Sei gegrüßet, ſchönſte Blume, Du, der Gottheit Abbild, du ! Lilien und Noſen blühen Um dich, und dein Dornenkranz Iſt voll Glanz. Was ſoll ich mich weiter mühen ? Den ich ſuchte, Gott, iſt hier!
Kommt zu ihm, die ihr mühſelig Und beladen, ſuchet Rub ! Er, er wird euch Geiſtesleben , Unſchuld, Liebe, ſüße Kraft, Herzens aft, Gottes Nuh wird er euch geben ! Gott im Menſchen das gibſt du !
Chriftliche Gleichheit. Wem Loben iſt wie Schelten Ranns um Gott nicht vergelten ; Wem Scheiten iſt wie Loben , Der preiſ fein' Gott hoch oben. Wem Darben iſt wie Reichen, Kanns um Gott nicht vergleichen ; Wem Reichthum iſt wie Armuth, Der danke Gott für ſolches Gut. Wem Ebre iſt wie Schand, Der lobe Gott um ſolchen Stand;
Wem Schande iſt wie Ehr, Der preiſe Gott je mehr und mehr. Xem Weisheit iſt wie Einfalt, Der lobe Gott drum mannigfalt; Wem Einfalt iſt wie Weisheit, Der tant deß Gott zu aller Zeit. Wem das Leben iſt wie der Tod, Der preiſ dafür ſein'n treuen Gott ; Wem der Tod iſt wie Leben, Soll deß Dank ſei'm Gott geben .
Auf den Tod einer Freundin . Wenn wir die Welt mit Fleiß anſehn, Wie Alles thut durch einander gebn, Wie der Böſe herrſcht, der Fromme leidt, Der Narr viel ſchwäßt, der Weiſe ſchweigt,
Der Dieb wohl lebt, der Redliche faſt't, Faulheit bringt Lohn , die Arbeit Laſt, Frechheit gewinnt, der Sorgſam ' liegt, Wer viel hat, nimmt, wer nichts bat, gibt,
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Und läuft alſo, in einer Summ , Die Weltfugel im Cirkel um : So wird uns unſre Lebenszeit Zu lauter Pein und Herzeleid, Zu Kerfer, Ketten, Band und Strick, Únd ſehnen uns all' Augenblick, Wie wir wohl mögen Luft gewinnen , Daß wir der Dienſtbarkeit entrinnen , Daß wir in dieſem Jammerthal , Erhalten auch ein klein Labjal Drum máncher ihm ſelber nimmt die flucht Und nur Nuh in der Wildniß ſucht, Vermeint, was nicht bei Menſchenkindern, Wollt er bei wilden Thieren finden. Auta fein Hof, kein' Scul , kein Rath, Kein Sdimeichler, Heuchler, Arvokat, Kein Wuchrer, Künſtler und Sophift, Kein Wirth. Kriegsgurgel und Maulchriſt und was dergleichen Werkzeug ſein, Dadurch die Welt ihr macht viel Pein ; Zumal der Menſch ſein hoch Herkunft Macht ſchnöder denn die Unvernunft; Denn je die Thier' in ihrer Art Mehr Onüg’ und minder Widerpart Haben in dem , was Gott beſcheert, Wo's ihnen nur der Menſch nicht wehrt, Der ſie mit ſeiner Liſt und Pracht Auch ſeiner Unruh theilhaft macht, Daß Unvernunft, durch Wiß regiert, Noch mehr ein wildes Leben führt.
Alſo kam mir neulich zu Siun, Daß ich von Menſchen lief tahin, Und ſucht mir einen grünen Wald, Da ich ſo manch ſcheußlich Geſtalt, Der Menſchen Wert ſchlug aus dem G'müth, Und ſtillt mein Herz, das in mir wüth, Erbolt die Sinn, die gar verwirrt, Erforſcht mein Seel, die ſehr verirrt, Fragt die Natur um ihren Willen ünd ſprach mit Gott, der gern bei Stillen, Schauet den Dienſt der Kreatur Unð bejah mit Fleiß die ganze Uhr Der großen Welt, wie die regiert Mit Weisheit , Lieb und Macht geziert : Das macht mich bald ein'n ſolchen Herren, Daß ich al Gemeinſchaft woût verſchwören, Und säucht mich : ja , hie wär gut ſein, Danichtwär'n Löwen,Wölf’und Schwein', Füſſ' und Händ' in der Menſchengeſtalt, Sondern ein jedes ſein? Art behalt. Indem mein Seel fich Tu ergökt, Mein Leib fich auch im Schatten lépt; Meine Sinne rubten in ſanften Saus, Meine Phantaſie wollt fliegen aus ; Algemach mein Haupt fich neigt zur Erd,
Vor Sicherheit fein Sinn fich wehrt ; Die Augen blinzten ; Händ und Füß, Mein ganzer Leib ſeine Nerven ließ. Ich hört und hört' nicht, jah ohn' Ge ficht, Mein Lebert war wie ein Gedicht, Bis daß der ganze Blod ta liegt Und hat der Schlaf an mir geſiegt. Und ſorgt nun nicht, was Oſt und Weſt Uns bringen möcht für fremde Gäſt, Oder das fünft? Hauptkönigreich Glaub und Scepter werden machen gleich , Oder wer mach den großen Stein ? Wann lauf der ewige Haſpel fein ? Das Alles mich gar nicht verleßt; Aber ein Traum mich wohl ergößt.
Mich däucht, wie es faſt finſter wär , Viel Nacht und Nebel um mich her, Auch Schrecken , Furcht und Traurigkeit, Ein jedes ſcheint , als trüg’ e8 Leid ; Manch Vöglein ſeufzt , mand Täublein firrt, Und wurð' ein traurig Leben geführt. Es ſchien , als wollten Erd und Himmel Ein'n Zanf anbeben und Getümmel, Iind jedes Urſach' hab zu klagen Ich kann es doch nicht Alles ſagen : Denn mir in ſoldem Wunderding AU Muth und Wiß war gar gering . Zulegt bört ich ein weiblich Stimin : Mit Fried und Freud fahr ich dabin ; O treuer Gott, nach deinem Wort Führ mich hin in der Freuden Ort ! Die Wort batt' ſie kaum ausgeredt, Alsbald beweget fich die Stätt' Und ließ fich merken ein dunkler Schein , Gleich wenn die Sonn ſchier auf will ſein, Und faßt die ganze Natur ein Muth , Sjofſt, es ſoll wieder werden gut. Ach, wie gar mag ich ſprechen nicht, Wie fich's hält, wenn dies Licht anbricht, Und wird dabei gehört ein Geſang, Wie aller Freuden ein Anfang 11 Der lautet : Wohl dem Menſchen , wohl, Der die Welt tann verlaſſen ! Und lebet , wie ein Chriſt thun fou, Geht auf des Himmels Straßen ; Der wird zulegt
Des Leits ergoßt, Ju Freud geſeßt, Da ihn kein Feind nicht mehr verleßt, Drum fomm bieber, du Gottes Braut, Dich bolet heim, dem du vertraut. Wunder groß, was ſeb ich hier! Der Himmel macht eine helle Thür.
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Die Sonn muß vielmal heller ſein, Wil fie gleichen dem hohen Schein . Nun iſt das Erdreich ganz erleucht, AU Dunkel, Leid und Rummer weicht. Mein Herz, das hüpft ; ich bin entzündt Wer iſt die, ſo mein Geſicht nicht fénnt ? Wer iſt die weibliche Kreatur, Die ich dort jeh ſo klar und pur ? Wer je ſo großer Ehren "werth, Daß fich freut Himmel und die Erð ? Wie ich mich ſo entſeßet faſt, Eine Wolf gemach fich niederlast Von Farb gleich wie die Morgenroth , Von Geruch als der beſt Würzgart thät, Darbei hört man ein Mufif rein , Dergleich auf Erd möcht keine ſein : Dort beim Ewgen iſt der Nuß , Da iſt Freude, da iſt Schuß ; Alles kann der bei ihm faſſen, Der durch ihn kann Alles laſſen. Ich dacht: o web dem Menſchenkind, Das da viel ſucht, da man nichts findt! Indem hat ſich die Woll getrennt, Daß man nunmehr die Mufit fennt. Das waren zwölf Jungfrauen rein, Je zwo und zwo geſchloſſen fein ; Ihr Geſicht, Habit und ganze Art Zeigt wohl , daß es nichts menſchlich ward. 3hr hinimlild Lieb und Einigkeit, 3hr göttlich Freud und Freundlichkeit, Die gaben mir den ſchönen Bericht, Wie's ſei , wo Gottes will geſchicht. Hierauf die Seel nach meinem Sinn Erhub mit Freud nochmal die Stimm Und ſprach : D Herr, ich bin zu gʻring Deiner Lieb' und dieſer großen Ding ; Doch thu, Herr, wie du haſt geſagt, Hier bin ich, deiu' unwürdig ? Magd.
Hiermit der gang' jungfräulich Chor Rings um fie her ſchwebet empor.
Die zwölf Jungfrauen : Glaube, poff nung , Andacht, Liebe , Keuſchheit, Ge horſam , Freigebigkeit, Duldung, Einfalt, Alle re Demuth , Mäßigkeit, Arbeit den die Ankommende aufs Liebreichſte an , loben fie, krönen ſie mit ewigem Lohne . Aber was hör ich ? ich vernimm : Der ganze Chor ſingt mit heller Stimm : So geh nun ein ins Leben , Das dir von Anfang iſt bereit ! Nimm an, was Gott thut geben, Geneuß der ewgen Freud ! In Ruh, in Freud, in Wonne Tritt ein ins ewge Licht, Grgöß dich in der Sonne, Da nun dir nichts gebricht. Dein warten mit Verlangen, So in der Freud voran; Und werden's auch empfangen, Die du auf Erd verlan. Dieß war alſo die leßte Stimm, Damit fuhr all mein Freud dahin , Damit theilt fich der Himmel wieder Und nahm ſie weg ; ich blieb hienieder Und ſeufzte, ſehnte mich nach ihn'n Ach, daß ich noch im Fleiſche bin ! Ach, daß ich trag fo chwer Gewicht, Daß ich mich mag aufſchwingen nicht! Ach, daß ich noch mit Fletſch und Bein, Mit Stückwerk muß gebunden ſein ! Was Andre freut , mich nur betrübt, Was Andre ehrt, mich nur bemüht, Was Andre lehrt, mich nur verwirrt, Was Andre ſpeist, mich nur ſtets irrt.
Die verborgene Liebe.
Edele Liebe , wo biſt du bei uns verſtecket, Daß fich dein Urſprung ſo ſelten nur entdecket ? von Gott biſt du geboren, Gott ſelbſt hat dich erzeugt, Dem Menſchen auserkoren, Dem die Natur fich beugt.
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Liebliche Liebe , wo biſt du bei uns verborgen, Daß wir dein Saft und Kraft nicht ſchmecken heut noch morgen ? Die Welt thuſt du erfüllen Mit füßem Sonigfeim , Das größte Leiden ſtillen Durch deinen milden Schein .
616 Innige Liebe, wo biſt du bei uns verſchloſſen , Daß wir zu deiner Treu uns ſchiden ſo verdroſſen ? Alles fannſt du verbinden, Was irgend iſt gerſtreut, In dir iſt Al’s zu finden, Was Menſchenherzen freut.
Stetige Liebe , wo biſt du bei uns verloren, Daß du , ſtandhafteſte, nie tommſt vor unſre Dhren ? Du mußt den Bund erhalten, Den Bund der Menſchenpflicht: Denn Liebe mag nicht alten, Die Treu fann roſten nicht. Tröſtliche Lieb ',wohin biſt du bei uns vertrieben, Daß uns dein Muth nicht ſtärkt, wie viel auch aufgeſchrieben ? Du nimmſt dem Kreuz ſein Gewichte, Du nimmſt dem Relch die Gall, Daß ich ein Chriſt aufrichte, Stärt mit den Brüdern al .
Sprüche.
Wer fich demüthiget vor Gott, Der Menſch gewiß auch Gaben hat. Nichts Eitleres , als eigne Ebr ; Der Stolze iſt gewiß auch leer.
Wer fich verlobt zu Gottes Dienſt, Der Menſch hat immer, was er wünſcht ; Nichts Uermeres, als der Welt ſein hold , Undant und Schande iſt ihr Sold.
Wer weiſe zähmet ſeinen Mund, Dem Menſchen iſt ſein Herz geſund. Nichts ſchnöder, als Worte ohne That, Geſchwäße iſt der Iborbeit Verrath.
Wer fich vergnügt mit ſeinen Gaben, Der Menſch muß viele Gaben haben . Nichts Schreienderes als leere Töpf, Suchen obn Zwed macht Schwindeltöpf.
Meujahrslied. (1636.) A und D. Gottlob ! ein Schritt zur Ewigkeit Wenn ein bejahrter Baum zerbricht Iſt abermals vorbet; Geſchieht's mit Macht und Sturm ; Ach, bei dem Menſchen braucht fich's nicht, Sib Sott , dam ich in der Zeit Hiezu bereitet ſei . Denn ihn erlegt ein Wurm . Lent meinen inn- und äußern Sinn Er trägt die Fäulniß tief in fich, Auf's Ewige allein , Die täglich ihn verzehrt, Daß fich mein Geiſt nur richt' dahin, Bis ihn der leßte Todesſtich In Leichnam bat verkehrt. Wo ich mög ſelig ſein. Ach Gott, was iſt ein Menſchentind ? Nur Leimen, Aſch und Staub, Ein Strom , der täglich weiter rinnt, Zuleßt des Moders Raub. Ein fauler Hauch ſtürzt uns zu Grab, Ein jeder gift'ger Wind Wirft unſre Lebensblätter ab, So iſt ein Menſchenkind.
Er ſchleppt der Ketten ſchwere Laſt Als ein leibeigner Knecht, Er iſt mit Jammer ſo umfaßt, Daß er verzweifeln möcht. mtus gleich die Soffart nicht geſteht , Weg mit der Lügnerin ! Wiūſt du das Bild des Elends ſehr, Mal einen Menſchen hin.
617 Was Wunder , wenn dann ſein Gemüth Nach der Erlöſung lechzt, Nach dem , was er von oben fieht, Mit ſolcher Inbrunſt ächst ; Wenn er ſich innerlichſt erfreut, Frohlođend jauchzt und fingt, Daß ihn der flüchtige Lauf der Zeit Dem Ziele näher bringt !
Laß mich im Kreuz geduldig ſein, Das Geiſt und Leib hie drüdt; Sent deine Liebe in mich ein, Die mich allein erquidt. Beug Alles unter deine Macht, Was dir entgegenſteht, So wird dein Wil in mir vollbracht, Dein Reich in mir erhöht.
Db denn auch dieſes Jahres Lauf Faſt an dem Ende ſchwebt, Šo heb ich meine Augen auf, Durch Hoffnung neu belebt. Gottlob! es iſt ein guter Schritt Zum leßten Ziel gethan. Ach, guter Gott! geh ferner mit, Bis ich's ergreifen fann .
Wie deine Şuld ganz offenbar Bis hieber mich umfaßt, So ſei auch in dem neuen Jahr Bei deinem armen Gaſt ; Bis er nach ſeiner Pilgrimſchaft Dereinſt dein Bürger heißt; Gib ihm dazu ſtets neueKraft An Seele, Leib und Geiſt!
Himmliſch Loblied der zwölf Jungfrauen. Nun lob, o Seel, mit Freuden Gott Vater, Sohn und heiligen Geiſt: Ein End hat all dein Leiden, Sein Gnad und Wahrheit er dir leiſt, Waſcht dich von deinen Sünden Und deďt al Mängel dein , Zählt dich zu ſeinen Kinden, Die ihm ftets gaubten rein , Die ſeinen Willen ghöret, Gwandelt des Kreuzes Pfad, Die chriſtlich Kirch vermehret: Nun lebens in der Gnad.
So geh nun ein in's Leben, Das dir von Anfang iſt bereit, Nimm an, was Gott thut geben , Geneuß der unendlichen Freud , In Rub, in Fried und Wonne, Tritt ein in's ewig Licht, Ergöß dich in der Sonne, Nuninehr dir Nichts gebricht. Dein warten mit Verlangen, Die in der Freud voran, Und werden's auch empfangen, Die du auf Erd verlan.
Aus der Summarie über Johann Arnd's wahres Chriſtenthum . So thu nun Buß dem Teufel z'Truß, Willſt du, daß Chriſti Tod dir nuß, Gott's Ernſt und deines Herren Schmerz Solt dir doch wohl erweichen ’ 8. Herz.
Was hängſt am Gſchöpf ? Der iſt voll Guts, das Was Erd ! der simmel Deß iſt dein edle Seel
Was Dem Was Dem
Wil dein Fleiſch nicht, fo greif es an, Nimm ihm , was es nicht gern will lan ; Drück es mit Kreuz : was du hie laßt, Ju Chriſto bald viel beſſres haft.
iſts, daß du dein Chriſtum ehrſt, du ſein Wort im Wert verkehrſt, willſt von Chriſti Leiden han, du thuſt täglich Marter an ?
den Schöpfer ehr, Andre leer. iſt dir b'ſcheert, auch werth.
Denn Chriſtus hat nicht nur gelehrt, Sein Leben hat er ſelbſt bewährt, So folg nun dem Erempel fein, Und ſołt's dem Fleiſch noch härter ſein.
Wil dir zu hart ichier ſein der Streit, So nimm dein Chriſtum dir zur Seit; Ein ſchwacher Geiſt hat auch ſein Lob ; Nur laß das Fleiſch nicht ſtegen ob.
Stirb vor, dann leb ; leid vor, dann rub, Shriſto geht's nichts anders zu ; Die Schrift ſagt’s, die Natur bezeugt: Adams Cod Chriſti Leben geit (gibt).
Was dir von Gütern iſt beſcheert, Deß ſo viel den Leib ernährt ; Jſts mehr, wiß, daß sich Gott probirt, Sieh , daß dich nicht von Chriſto fähr.
618 Gut. dir thut, Traur nicht, was Gott auch Traur um dein Sind, dem Leib thu Leib, So fleuchſt die Höl und findſt die Freud.
Dein Guts nimm zu , dein Bös nimm ab, Dein Herz ſein Saft von Chriſto hab, So wächst du auf und Früchte bringſt, Gott gibt dir gern , darnach, du ringſt. Geh von der Welt, die iſt zu laut. Der Geiſt gern in dem Stillen baut; Trau deinem Gott, mert auf ſein Wort : Du bringſt ihn in kein unrein Ort.
Wer auch den Feind kann lieben recht, Gleicht Gott, iſt Chriſti treuer Knecht, Weist ſein groß Herz, bricht Feindes Liſt Und ſein ſelbſteigner Sieger iſt.. Wer liebet Gott, der liebt zugleich Freund, Feind , Groß , Klein , Arm oder Reich. Der mag auch kein Verſöhnung han, Der nicht zahlt, wo er falſch gethan. Alſo dem Frommen kommt zu gut, Nur was aus Glaub und Lieb er thut. Denn Gott urtheilt allein das Herz, Weh dem, der mit ihm treibet Scherz. Nun hör : wie Gott iſt, ſo warſt du, Wie Satan iſt, ſo biſt du nun. Chriſtus, der wendt sich wiederum , Folg ihm durchaus, ſo wirſt du fromm.
Adam und Chriſtus kämpfen ſehr, Jeder will ſein deines Herzens Herr. Wer ficgt, des Andern Knecht austreibt ; Tödtſt du die Welt, dir Chriſtus bleibt. Thu Buß : Gotts Gnad, des Sohnes Blut, Des Vaters Ruth, des Todes Hut, Des G'richtes Ernſt, der Höllenſchmerz, Des Himmels Freud klopft an dein Herz. Nicht irre dich des Neiders Stich, Ein ſtark Gebet treibts hinter ſich.
Das Fleiſch hat wohl hiedurch ſein' Ruth, Die doch auch bald verſchwinden thut .
Viel mehr ſoll uns gehn durch das Herz, Was Chriſtus hat gehabt für Schmerz : Der Sünden Laſt und Gottes Grimm , Der Welt Undank, manch Wund an ihm. o ſchnöde Sünd, o Urtheil hart, D brennende Lieb, o Gnadenart, D große Geduld, o tiefer Stand ! O Menſch, was hat Gott an dich gewandt! Welche Menſchen Werk aus Ehrfurcht quilt, Iſt Gößenwerk, Gortes Ehre ſtiehlt. Gott iſt allein das Gnadenmeer, Dahin Aus fleußt, davon Aus her. Der Menſch iſt an ihm ſelbſt ein Schatt, So von Gott alle Bewegung hat. Trennt er ſich da und weicht die Sonn, Im Augenblid iſt er davon.
Zu groß iſt Gottes Liebe gar, Daß fie eines Menſchen Herz 'erfahr; Darum fie nur bisweileu blickt, Die Seele unaysſprechlich erquict. Es ſcheinet aber nur dies Gut, Wenn leer die Seel, ftill iſt und ruht. Die ſchmeđt dann eine Himmelsfreud, So ihr die ganze Welt entleidt . Wie groß, muß ſein des Schöpfers Macht, Der alles hat aus Nichts gebracht Und niedrigt fich aus Lieb jo tief : D Menſch , fal nieder, Gott anruf.
Freilich hat Gott wider uns Recht, Die wir ſtets ſind unnüße Knecht. AU Engel und was du fiebſt an, Dein G'wiſſen ſelbſt bringt dich in Bann. Was von Gott iſt, iſt groß Weisheit In allem Werk von Ewigkeit, Doch iſt fürwahr die ' weifeſte That, Wie Chriſtus dich erlöſet hat .
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Aus dem Franzöfiſchen . Gott zuerſt, dann die Eltern ehr, Sei ſchlecht und recht, folg guter Lehr, AU Sach nach der Vernunft anricht Und wiß, daß Gott wird halten G'richt. Mit Und Am Lob
dem Tag fang dein Tagwerf an , lobe ſehr des Herren Nam , Abend hab von Arbeit Ruh, Gott : ſo bringſt dein Jahr recht zu .
Willſt du beten , ſo laß dir Weil; Denn Gott will fein Gebet in Eil ; Wer beten wil, der treib fein Scherz ; Jedoch von Gott fommt ſolches Herz. Sieh an, o Menſd), deine Hoheit, Und veracht der Erde Niedrigkeit, Darin du biſt eine himmliſche Pflanz, Die grünen ſoll in höchſtem Glanz . Deß magſt du dich wohl überheben ; Jedoch dein's Fleiſch's ſchäm dich dagegen, Gott, sein Vater, hat did hoc geacht, Nach ſeinem Ebenbild gemad) t .
Wer wollte doch den Menſchen trauen, Auf ein ſolch Schwach's und Sterblid)’s bauen ?
Dem größten König in der Welt Noch mehr Hilf, als dir ſelber fehlt. Ein weijes Kind ſeiner Eltern Freud. Willſt, daß dein Kind dir nicht mach Leid, Richt ſeine Jugend auf rechten Steg, Dodh dein Vorbild der nächſte Weg . Es iſt was, ſein von gutem Stamm, Der Eltern Lob ſich nehmen an , Doch beſſer, Licht den Seinen geben, Als von der Alten Schein nur leben.
Lerne, mein Kind, bis in das Grab, Und halt verloren jeden Tag, Darin nicht iſt etwas gedacht, Wodurch Kunſt und Weisheit wird ge bracht. Die Ehr mehr als das Leben acht, Das iſt : die Schuldigkeit betracht, Wozu nach Möglichkeit sich mahnt Gott, König, Recht und Vaterland,
Thu morgen nicht, was heut du fannſt. Die Art hat mancher faule Wanſt, Sieh auch, daß du nicht wirſt verführt, Läßt Andre thun, was dir gebührt.
Der Welt Urlaub. Unruhige Herz, wie lang willſt noch Mit ſo viel Müh und Zagen Dich ſchleppen mit der Welte Joch Und nicht einmal abladen Die ſchwere Bürd, fo Allen wird, Die mit der Welte buhlen Und für ihren Lohn mit Spott und Hohn In ' eitlem Wuſt umwühlen .
Ach biſt noch nicht betrogen gnug Durch ſo viel falſch Zuſagen Und fennſt noch nichtdie Liſt und Trug, Damit ſie sich thut plagen : Für Ehr groß B'ſchwer , für Kunſt los Dunſt, Für Reichthum Siechthum gibet, Für Freud groß leid, für Lohn bös B'ſcheid, Für Raſt die Laſt herwieget. 68 iſt noch um ein Kleins zu thun, So wird ihr Schand entdecket Und ihr bezahlt werden ihr Lohn ;
Denn das Ziel iſt geſtecket. Ihr Regiment wird gar zertrennt Und ihre Kind geſchändet, Die fich hoch g'acht und doch nie dacht, Daß fie ſo ſchnöd verblendet. Trau aber du dem Herren Chriſt, Der fann dich nicht betrügen, Weil er die Wahrheit ſelber iſt, Er ſagts und gibts ohn Lügen . Sein Lieb und Ehr je mehr und mehr In deinem Herz zunimmet, Sein Lohn und Gut, ſein Freud und Hut Nichts Zeitliches beſtimmet. Nun iſt doch je ein bldig Recht, Wer liebt, daß man ihn liebe, Wer viel anbeut, man nicht verſchmäht, Einen Freund man nicht betrübe . Wie wollſt du dann dem theuren Mann Sein emſig Bitt abſchlagen,
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Dein Herz zur Ruh ihm ſagen zu Und in der Welt umtragen ? So iſt die Summ, daß du dich ganz Gott in Gehorſam gebeſt, Das Fleiſchliche chlagſt in die Schanz,
Nach ſeinem Erempel lebeſt. Den willen dein laß deinen Feind ſein, Laß Gott ftets in dir leben ; Was nicht von ihm , gib vollends hin, Andre Schäß will Gott dir geben.
Aus der Chriſten Schul“. B. Beſtändige Treuherzigteit Und treubergig Beſtäntijfeit: Wo die kommen zur Einigkeit, So widerſtehens allem Leid.
6. Chriſten find hie gar dünn geſät ; Jedoch ihre Frucht niemals ausgeht, Ob auch manch Sturmwind fie anweht; Denn wenn ſie liegt, fte erſt aufſteht. F. Fromm fein beſteht in Worten nicht, Iſt auch nicht ſtets bei gutem Grücht, Sondern wo's Herz nach Gott gericht't Ihm folgt, wie ſaur's ihm auch geſchicht.
G. Gott iſt genug für Ehr und Gut Sicher für alle Stärk und Hut, Köſtlich für alle Freud und Muth. Wohl dem , der fich genügen thut .
Hör viel, red wenig, halt dich rein, Laß vtel, nimm wenig, acht dich klein, Fleuch viel, ſuch wenig, bleib allein, Dein Sach mit Gott nur hab gemein .
Leben und Sterben iſt eine Kunſt, Die uns herrührt aus Gottes Gunſt,
Daß wir nicht ſeien alhie umſonſt, Folgen allein des Fleiſches Brunſt.
M. Meid die Welt ; fannſt du's nicht, ſo leid, Bleib nicht ihres Sinns , dein Fleiſch abtreib , Was Gott dir gönnet, das verſchweig; So bringſt du ſchöne Palmenzweig .
Qual und Pein uns die Welt auflegt ; Wer ihr folgt, fich zu Tod dran trägt. Wem nun nicht Chriſti Joch bie ſchmeckt, Dem geſchieht recht, wenn die Welt ihn ftredt. R. Ruhe des Herzens iſt große Gab Und überwiegt all zeitliche Hab. Damit fommſt alles Umgaffens ab Und ſchicſt dich ſtill zu deinem Grab. Vertrau durchaus deinem Gott und Herren, Thu, was er dich im Wort thut lehren, Den Nächſten wolſt wie dich ſelbſt ehren, So wirſt dich nähren, wehren, mehren.
3. Zeit bringet Alles, was Gott will haben ; Darum zur Unzeit Viele graben, Die bald mit Schand zurücke traben ; Wann Gott wil, blühen ſeine Gaben.
Aus der Kreuzſchul. B'finn dich nit lang, Auch nit viel prang, Heb an dein Gang Dhn Gottes zwang , Macht dir ſchon bang Die alte Schlang, Bleib in der Chriſten Rang.
Ergib dich drein , Es muß doch ſein. Wiltu ſein rein Von falſchem Schein, Sagt dein Fleiſch nein, So zwing's in gheim, Gott wil dein Helfer ſein.
621 Die eitle Erd Hat lauter Bíchwerd ; Wer ſich dran fehrt, Wird bald bethört,
Doch wer Gott hört Bletbt unverſehrt, Wohl dem dies iſt beſcheert!
Vom rechten Adel. (Au8 : Adelicher Zucht Ehrenſpiegel 1623.) Adel ohne Tadel wird geehrt, Adel und Tadel iſt beſchwert, Adel iſt aller Tugend Summ, Unedel iſt ſchnör, frech und frumm. Ein edel Gemüth für alle leucht't, Ein Unedler die Sonne fleucht; Jedoch kein höher Adel iſt, Als der mit Ehren iſt ein Chriſt. Chriſti Bruder und Lebensmann, Der ſich läßt finden beim Kreuzfahn , Da er ſtreit't wider Blut und Fleiſch Und was nit thut Gottes Geheiß,
Uuch ſchüßt die Kirc mit treuem Muth, Opfert Gott wilig Gut und Blut, Erhält auch alle chriſtliche Zucht, Daß blühe die Jugend und bringe Frucht. Ein ſolch uralter Adel beſteht, Wenn ſchon die Welt zu Trümmern geht, Und hält Gott in ſeinem Lande Haus , Wann ſonſt Alles leid't großen Strauß, Daher all Ständ' er wohl orniert, Daher vor andern er regiert, Daher ein gut Land ihm geziemt, Da er ſein Theil mit Ehren nimmt.
Ad quinque vulnera Christi. Als der Autor von einem Soldaten einen tödtlichen Herzſtoß empfangen, davon eine Nipp gebrochen , und er nachmalen große Schmerzen erlitten . 1637. (Handſdriftlich .)
D Herr, mein Herz Mit Schmerz, So übergroß, Von einem Stoß Beſchwerlich war umfangen ; Treib mich für dich, Der du für mich Manch Herzensſtoß empfangen ! D Herr, mein Herz Trieb Scherz Mit lauer Reu . Daß fie werd treu, Mußt er (es ?) den Buff empfangen ; Denn dein lieb Herz In tiefem Schmerz Mit Blut iſt übergangen . O Herr, mein Herz Abwärts Vielmal fich kehrt. Daß ſolche verwehrt,
Liebſt du es zu dir ſtoßen . Denn auch deine Seit, Die Wunden weit, Waſſer und Blut ergoſſen. D Herr, mein Herz Beſchwerte, Wann er (es ?) ſout an Die Marterbahn ; Dein Stachel muß mich's lehren . Ein jeder Stich Mahne an dich, Deiner Seiten Stich zu ehren ! Herr, mein Herz Fürwärts, Ohn Heuchelſchmerz, In Kreuzejdymery Deins Herzens fich genüge ! Stoß und zerdrück’s , Bring, beug und füg's , Deins Herzens Wund' einſchmiege !
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Gebet . (Aus der Schtift: Vom beſten und ebelften Beruf 1615 ; redigirt von Hedinger.) Chriſt, mein Gott , erhör mein Flehen ! Sieh an meine große Laſt ! Vielmal will ich zu dir geben, Aber ach ! die Welt mich faßt, Dazu auch das arge Fleiſch Webret alles, was du beiſchſt. Ach! mein Gott, du wolſt mir geben, Dir zu dienen ſtets, im Leben. Heut denk ich mich zu bekehren, Morgen bin ich don verrückt. Alles Guts thuſt du mich lehren, Die böſ’ Art mich niederdrücft. Id ſeufz' unter folcher Laſt; Wo mich, Herr , dein' Hand nicht faßt, Muß ich leider drinn verſinken : Mein Herz fann nichts Guts gedenken. Rühr, o Gott, mein kaltes Verze, Weiche auf den harten Stein, Daß ich ja nicht halt für Schmerzen, Was mich lehrt der Wille dein ; Nimm mich mir und gib mich dir , Was von dir wendet, wend von mir : Denn ich will gern Alles laſſen, Daß ich dich allein mög faſſen. Iſt's dein Wil, daß ich dich ehre Und im Kreuz dir folge nach : Aci), mein Gott ! Geduld mich lebre, Meine Schwachheit ſelbſt verwach!
Gib mir deinen guten Geiſt, Der mir ſtetigs Hilfe leiſt! Ach ! es könnt kein Menſch beſtehen, Wann dein Geiſt ſollt von ihm gehen. Sollen meine Werf dich preiſen Und der Glaube ſein bezeugt, Auch dem Nächſten Lieb beweiſen : So alsdann mein Fleiſch ſich beugt, Wärm', o Gott, die kalte Lieb, Feure an des Glaubens Trieb ; Brauch mich, Gott, dir nach Befallen, Daß ich nüblich ſeie Allen !
Drüc in mich des Wortes Kräfte, Uebe mich in deinem Geß , Daß ich's leſ und in mir hafte, Mit dem Leben hernach rek ! Hier gilt weder Wiß noch Kunſt, Unſer Thun iſt Rauch und Dunſt. Ach ! wie gern will ich nichts wiſſen, Bleib' ich nur darin gefliſſen ! Laß mich fröhlich dir nachtreten, Treulich kämpfen in dem Feld ! Du , du kannſt allein mich retten , Daß ich überwind die Welt. Herr, ich komm zu dir ganz bloß, Nimm mich auf in deinen Schooß. Alles will ich gern verlaſſen, Geht's nur auf des Himmels Straßen !
Das gute Leben eines rechtſchaffenen Dieners Gottes. (Aus der Geiſtlichen Kurtzweil 1619.)
Als ich in meinen jungen Tagen Oft hört von guten Pfründen ſagen , Wie daß nit feiſtre Suppen wären , Als die man geb geiſtlichen Herren, Die möchten mit geſchmußtem Mund Umgaffen manche gute Stund, Da dacht ich : hat’s die Gelegenheit, So muß ich auch in's lange Kleid Und ſehen, wie ich's Cabin bring, Daß ich um lange Bratwürſt ſing . Denn ſollt' ich viel umgebu mit Rechten , So müßt ich erſt den Kopf ausfechten ; Solt' ich dann jeden Bauren (alben , So wär ich ſchmeckend (riechend) allent balben ;
Hie will doch auch keine Feder glüden Mein Sach wird ſich auf d'Ranzel ſchicken Da red ich, muß ein andrer ſchweigen ; Da poch ich, muß ein andrer leiden ; Da geh ich vor, ein andrer nach ; Da ſchlaf ich zu, ein andrer wach ! Hiezu war ich nun wohl gerüſt (et), Denn alle Künſt in mich geniſt( et) : Ich hatt' durchlernt der Logif Strick Und der Rhetorik Büchlein dick: Ich hatt erlernt des Himmels Sphär Und was die Phyſik fürbringt mehr, Und was von Sitten Ethik ſagt Und was somerus einbertagt
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Das funnt ich gar, als wär's nur Kraut, Kein Baur hätt' mir das zugetraut. Drauf fiel ich in's Compendium ") und kehrt mich auch drinn dreimal um, Bis ich von Kunſt ganz überging Und mir die Wiß zum Maul aushing, Auch mir mein Rörflein rauſcht daher, ; Als ob ich ſchon Decanus wär. Was ich nun ſah, das fonnť ich richten, Was mir fürkam, das konnt' ich ſchlichten, Was mir aufgeben , ward vollendt, Was die Augen geſehen, machten die Händ. Noch war keine Stell mir ausgeleert (er ledigt) ,1 Wiewohl ich wär der beſten werth ; Jedoch dacht ich : nit jede Pfarr Wird für dich ſein die lange Harr ; Gleichwohl muß ſein diaconirt Und dann bald drauf wohl paſtorirt, So gräth's dann auf das Decanat, Bis daß du wirſt, mein Herr, Prälat; Will man dich dann zum Probſt auch haben, So mangelt's doch nit an den Gaben . Doch bhüt mich Gott vor'm Harzen - Wald (Schwarzwald ), Den Bergen und den Klüften falt ! Denn mein Bauch iſt an Wein gewöhnt, Darum das Bacchusgäu mir ziemt, Da kann ich noch mein Glüd erſchleichen, Inzwiſchen mich mit Wein bereichen . Es geht doch ſo: wer wenig hätt, Der kommt nit von ſeiner ringen Stätt ; Soll ich den Karren weiter führen , So muß nichts mangeln an dem Schmieren.
Alſo hatt' ich mich ausgerüſt und fehlt' uur , daß man es auch wübt. Drauf zog ich ins gelobte Land, Da Wein wie Waſſer, Korn wie Sand, Und ſucht mir aus ein'n feinen Plaß, Da ich mich einließ ( pinbieß. ?) wie ein Rab . Ich fragt die Leut, wo war der Herd, Da man bätt, was man kur begehrt, Da Wein wär , Korn , Obſt , Holz und Weid. Ich hört nit allweg ,guten Bícheid. So wollte das Pflaſter in den Fleden Mich auch zuweilen laſſen ſteden ; Da gfiel mir nit der Kirchenthurn, Dort waren nit recht gericht die Uhrn ; Bald wollt das Pfarrhaus mir nit ein , Bei mir ſo Wit's wohl noch anders ſein. In Summa, was ich contemplirt, Das ward von mir all's reformirt ; Ich war der Mann , auf den gewart(et), Was man ſo lange Zeit geſpart.
In dem reist ich durch's grüne Gras , Weil da ein ſchönes Wiesthal was (war). Da ſah ich einen Alten ſtehn , Von Haaren weiß , von G'ficht noch ſchön Der ging mit einem Rechenſtiel Im Gras um , that doch nit gar viel. Einem Pfarrer er fich wohl vergleicht; Doch hätt' ich g'meint, er hätt' fich gicheucht (geſcheut), Mit grober Arbeit fich zu plagen, Und möchte lieber ein Buch wohl tragen. Drauf mußt' ich den Mann regiſtriren und in die Schul' erſt wieder führen , Sprach : Bona dies 3 ), alter Syerr, Noch mußt' ich einen Paß quittiren , Was habt ihr da für ein Geſcherr ? Daß ich auch möcht die Kanzel zieren. Semper quies 4) !er antwort ſchnell, Es gidwand ( bangte) mir manchmal vor Mein Domine, das Gras ich zähl, den Leuten Daß mir fein Sälmlein fomm davon. Und ging mir aus die Red zu Zeiten ; Ich dacht : mit dem Mann friegſt zu thun, Das Beſt' mir mand ,mal gar ausfiel Und fällt am meiſten auf die Stühl: Drauf ich mich räuſper und ſo anfang : Da mußt' ich Andre zu mir bringen , Ich weiß nit , ob ich irre gang, Die mehr umgangen mit den Dingen ; Mich denkt, ihr ſeid des Dorfs Paſtor. All die, ſo gute Poſtillen g’macht Er ſprach : ich bin's lang gweſen vor, Und ſonſt deren Namen hochgeacht, Eh denn der Herr die Welt erſehen, Die mußten mir wohl unter d'Preß, Vor vierzig Jahren iſt's geſchehen, Bis ich davon brächt alle EB ?) Und möcht nur wünſchen , daß ein Junger Und käm’ in mich die Quinteſſenz, Auch unter meine Bauern donner. Auch manch' unaufgeſucht Senteng, Denn mir entgeht all Kraft und Saft ; Damit ich wär für Groß und Klein Je matter Leib, je mehr man ſchafft, Je weniger Kunſt, je mehr man's treibt, Gewürfelt wie ein Müllerſtein Und ja kein Caſus fäm ' auf d'Welt, Je unwerther, je mehr man bleibt . Dem'ich nit hätt ſein Thema g'ſtellt. Ich ſprach : mein lieber alter Herr, Nämlich der Dogmatik. 2) Alles Weſentliche. 3) Guten Tag. 4 ) Dantender Gruß, - wörts lich : habt immer Rube !
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Ihr habt euch nun gemäſtet ſehr ünd habt der alten Baßen viel, Drum wollt ihr fehren um den Stiel. Das möchten doch wir Junge leiden, Die jeßund zehren auf die Kreiden, Erwarten Glück bei gſundem Leib, Ein'n guten Dienſt, ein reiches Weib . Der alt Herr ſprach : mein Studioſ , Mich dünft, eu'r Kunſt die mach' ſich groß ; Die Logik wird ſich in euch regen, Daß ihr mit mir red't ſo verwegen. Der Filz war mir ſehr ungewohnt, Ich wünſcht , ich hätt des Manns ges ſchont. Drum zog ich bald ein andre Pfeifen , Sprach : alter Herr, laßt das verſtreichen , Es war mein Ernſt ja nimmermehr, Bin euch zu dienen gewogen ſehr. Nun will ich was Beſcheidneres tagen (ver handeln) , De illo tempore 1) was fragen. Ihr könnt mir geben guten B'ſcheid: Was waren zu eurer Zeit für Leut, Die ſelbſt in Künſten wohl ſtudirt, Die Jugend löblich angeführt ? Šr ſprach : Ich denk der guten Tag', Da war an Gelehrten wenig Klag, Sollt ' ich die tapfren Leut' al nennen, Ich glaub', idy würde viel nit kennen ; leben nocy, Die Find nun todt und Nun leben viel und faulen doch Ich dank' ibn'n ihrer guten Lehr ;. Doch wie ich kommen bin bieber, Hab ich viel andres müſſen lernen : Die Hülſen brechen und den Kernen Mit bittrem Schweiß herfür gewinnen ; Das werdet ihr auch noch einmal innen. Ich ſprach : ihr gabt auf's Geiſtlich' acht Und der Philoſophie nichts acht (etet), Daher möcht es wohl fømmen ſein, Daß euch die Welt nit wollte ein . Er lacht und ſah mich höhniſch an ; Was meint ihr denn, daß ich gethan ? Ich war grammartig ) und war fein ünd pochet überzwerch hinein, Ich redt thörlich an manchem Ort und macht mich ma uſig immerfort, Ich log did , daß die Balken ſtoben, Und eď et aus , was frumm gebogen. Meint ihr, daß man zu unſern Zeiten Hab Meiſter (Magiſter) gmacht aus Efeld häuten Oder hab ' einen graduirt5) In dem, das er gar nie ſtudirt,
Oder hab' einen heißen treiben, Das er fein Lebtag würd verſchweigen , Oder hab ſo grob numerirt, Daß aus zwei über fieben wird ? Der alt Herr hat mich wieder gichredt, Und mir mein'n Meiſterſchrei beſtedt“ ). Noch wehrt' ich mich mit aller Kunſt, Daß ich nit hätt ſtudirt umſonſt, Und ſprach : So ihr die Künſt habt all getragen , Wie iſt's doch möglich, daß ein Bau'r, Der nur umgeht mit Arbeit ſau'r, Euch ſoll erſt anders informiren ? Er ſprach : Ja freilich deponiren 5), Bis daß fich packt der hübſch Schulſack Und nimmer quadt der Hacemack, Bis daß verſchwindt das Luftgebäu , Bis daß verdräut der Pappenbrei, Bis daß verraucht des Hirnes Dampf, Bis daß vertobt der Wiße Kampf, Und nun die Praktik kommt ins Haus, Die alle Theorie treibt aus . Da findt fich erſt, was wir gethan, Daß wir uns haben brauchen lan ; Die Ding mir ſpaniſche Dörfer waren, Ich hatt dergleichen nie erfahren . Wie, ſagt ich , ſollt der geiſtlich Stand Von Bauren haben ſein'n Verſtand, Soll nit die hohe Schul' uns weiſen, Wie wir bezähmen die Unweiſen ? Was wär dann Theologei Anders als eine Bauren -Kirchweih ? Er ſprach: Id muß euch das verzeihen, Weil ihr noch laufet unter den Freien , So ihr eingmals kommt in den Karren , Da wird man mit euch auders narren : Da werdet ihr ſein Dorfnarr, Pfarrnarr Und alles Rußes Ofenſcharr; Da müßt ihr glauben, wiſſen, thun, Leiden , laſſen, fürchten und hon ( haben), Was Niemand darf, kann, mag noch will , Und dieſes alles in der Still. Denn wer fich dieſes will beſchweren, Der mag ſeine Pfarr' einem andern leh= ren . Ich bat durch Gott ) den alten Herren, Er wollt die Sachen nur erklären, Denn ich fragt nit aus Uebermuth, Sondern wie" thät ein junges Blut ; Köunt' ich der Sachen han Bericht, Mein Tag wollt ich's vergeſſen nicht. Gern, gern, ſprach drauf mein alter Held, Die Weiß mir nun viel baß gefällt ;
1) Bon alten Zeiten. ? ) Anſpielungen auf die ſogenannten freien Künſte jener Zeit: Orammatil, Boetit,Rhetorit,Dufit, logit, Mathematit. ") Žum Magifter, Doktor c. gemacht. ) In die Schranken gewieſen . 5 Bon der vermeinten Höhe berunterziehen . Um Gotted wiúen .
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Weil ihr erſt fommet von der Preß, Seid ihr noch gar zu zapfenräß 1) ; So muß man euch ein wenig miſchen, Ich hoff', ihr ſollt es noch erwiſchen Und mit der Zeit den breiten Rücken Lernen in engen Stand zu ſchicken. So hört mit Fleiß , was ihr nit gewußt, Und büßet dann den Pfarrersluſt. Ich hab geſagt , ein Pfarrer glaubt, Das faum ein Menſch bringt in ſein Haupt : Er glaubt ein'n Gott , deß Niemand acht (et) Ein Jeder nach ſeinem Gößen tradit; Er glaubt ein'n Himmel , der iſt ver ſchmächt Ein Jeder gern hie ewig zecht; Er glaubt ein' Höll, die Niemand fleucht Ein Jeder die breite Straße zeucht; Er glaubt ein Gericht, das Niemand be ſorgt Ein Jeder auf die Rache borgt; Er glaubt ein'n Lohn, den Niemand will — Ein Jeder will hie Hül und Füll; Er glaubt ein göttlich Regiment Ein Jeder meint das Glück ſei blind ; Er glaubt ein'n Tod, der Alles ſcheid – Und Jeder pocht auf lange Zeit. So glaubt er, was die Welt vermeint Und ihren Augen ungereimt; Damit zeucht er den ſchweren Karren Und wird gehalten für einen Narren .
Darnach ſo weiß ein Seelenhirt , Das die Welt ungern inne wird : Er weiß : des großen Herren Pracht Bei Gott auf's Heußerſt wird veracht; Er weiß, daß großer Hirten Sdhlaf Dem Wolf liefert manch armes Schaf; Er weiß, daß große Leuteſchinder . Verflucht ſeien auf Kindeskinder ; Er weiß , daß große Klappermäuler Endlich werden zu Höllenheuler (n ); Er weiß, daß große Federhahnen Noch kommen in dem Pfuhl zuſammen ; Er weiß , daß die groß Ueppigkeit Der Welt gereicht zu Schmach und Leid ; Er weiß, daß jedes - falſche Herz Sich ſelbſt noch ſtreckt in ewgen Schmerz. Das weiß er, will's ſchon Niemand wiſſen, Und wird ſehr oft darob geſchmiſſen. Damit zeucht er den ſchweren Karren Und wird gehalten für einen Narren. Drittens ſo muß ein Paſtor thun , Das Jedermann will überſtohn %):
Er muß die Wahrheit Jedem geigen, Darüber zeigt man ihm die Feigen ; Er muß anfwiſchen jede Stund, Darüber man ihm üebles gunnt ; Er muß in d'Beſt und Lazareth, Da Mancher weit vorüber geht ; &r muß zum Feur, Galgen und Rad, Zum Gefängniß und der Syuren Bad ; Er muß verzweifelte Buben tröſten , Die Ruchloſen durch's Geſeke röſten ; Er muß Jedermann helfen, bitten, Rathen , warnen, fraßen, beſchütten ; Er muß in alle Pfüßen treten, AU Unluſt pußen und ausjäten. Das muß er thun ohn'allen Dank, Bis er drob alt wird, krumm und frank. Damit zeucht er 26. Viertens ein Prediger muß leiden , Dafür der Thurm ſonſt iſt beſcheiden ): & r leidt der Leut' Abgötterei, Aberglaub, Segenſprechen und Zauberei; Er leidt Verachtung der Gotteslehr, Dafür Wolluſt wird trieben mehr ; Er leidt Zorn , Neid, Rachgier und Grimm , Zank, Hader, Schelten , Ingeſtüm ; Er leidet Ehebruch, Unzucht und Schand, So man nur acht(et) für Narrentand ; Er leidet groß' und kleine Dieb, Betrug und was ihm ſonſt nit lieb ; Er leidet Lugen und Afterreden . Damit zeucht er 2 . Zum Fünften muß ein Prieſter la llen , Das die Welt liebt ohne alle Maßen : Er läßt dem Hof ſein weiches Kleid Und bleibt ihm die Kameelhaut beſcheid 4); Er läßt der Schul' ihre großen Wifi Und übt fich in der Liebe Hik ; Er läßt der Reichen Silbergſchirr Und trinkt die Bächlein in der Frr ; Er läßt der Aufgeblaſnen Wind und ſich bei Chriſti Demuth findt ; Er läßt ſein Recht , ſein'n Nuß , ſein's Fried, Begnügt ſich , daß er Chriſti Blied, Er läßt ſein eigen Fleiſch und Bein, Damit er mög bei Chriſto ſein. Das Alles muß er willig laſſen Und noch dabei ſich ſelber haſſen. Damit zeucht er 2c. Zum Sechsten fürcht’t ein geiſtlich Mann, Das ſonſt bei Andern leicht gethan : Er fürcht mit Scheu das End der Weſt, Dafür Mancher ſein Hauptgut 5) zählt ;
1 Undergohren. 2) Dem Jeder überhoben ſein will. 5) Kapital. Evangel. Dolkebibliothek. II.
; ) Beſchieden , beſtimmt.
) Beſchieden .
40
626 Er fürcht der Kirchen böſe Feind, Gewalt und Wiß, die Manches Freund' ; Er fürcht der Pergerniß Gefahr, Darin fich übt die größte Schaar; Er fürcht des Glückes gute Wort, Daß nit die Seele werd' bethort ; Er fürcht des eignen Gewiſſens Stimmen, Daß es nit ſchreie wider ihn ; Er fürcht der böſen Geſellſchaft Schein, Dhn welche Mancher nit kann ſein ; Er fürcht der hohen Gaben Glanz , Die ſonſt auch Gutes verblenden ganz. Das iſt ſeine Sorge, Furcht und Angſt, Welches alles die Welt verlacht vorlangſt ?). Damit zeucht er 26. Zum Siebenten ein Clericus, Was Niemand will, wohl nehmen muß : Er nimmt ſo wentg als Niemand glaubt, Denn der thut wohl , der Pfründen be raubt ; Er nimmt das Schlechtſte vom Pfleger fein , Die ſchwächſte Frucht, den ſau’rſten Wein ; Er nimmt mit Müh, was ſaur verdient, Noch hält man für Geſchenk die Pfründ ; Er nimmt mit Schmerz von ſeinen Bauren , Die ihn bezahlen , wie die Lauren ?) . Alſo muß er im Bettel reiſen Und endlich laſſen arme Waiſen. Damit zeucht er den ſchweren Karren Und wird gehalten für eiu'n Narren . Wie dünkt euch nun , mein junger Herr ? Steht euch zur Pfarr der Sinn noch ſehr ? Gelüſt(et) euch noch der Pfarrersbraten, Oder wollt ihr deß gern entrathen ? Ich ſprach : 0 liebſter Vater mein, Eure Reden geh'n ins Herz hinein ; Ich bin geſchlagen und verſtummt Und dank doch Gott für dieſe Stund, Daß ich durch euren weiſen Mund Erfahren ſoll den rechten Grund . Doch bitt ich, wollt mich weiter lehren , Wo ich mich nun hinaus foli fehren , Denn ich einmal Gott bin verbunden. Er ſprach : Der Weg iſt längſt gefunden ; Ihr habt gewählt den höchſten Stand, Der hat mehr Gfahr denn Meeresſand, Wird durch die Welt ſtets angerannt, Darum bedürft ihr Gottes Hand. Rein Stand auf Erd je werther war, Als der durch Gott berufen dar (zu), Sein Wort und Willen zu verkünden, Dadurch zu pflegen Gottes Kinden, Sein Wahrheit und Gerechtigkeit,
Sein Weisheit und Barmherzigkeit Fürtragen durch des Geiſtes Sprach, Den Frommen z'gut, der Welt zu Rach , Da Gott eines Menſchen Zung und Hand Gebracht gleichſam zu fein'm Beiſtand, Sein'n Geiſt und Pfand zu diſpenſiren "), Damit in fein Reich einzuführen. Dem wird vertraut Gott's liebſtes Gut Uud Jeſu Chriſti Fleiſch und Blut Und auch des Geiſtes Freudenöl, Um zu beſelgen manche Seel . Den Stand laßt euch Niemand verleiden, Vor dem alle andre Ständ fich neigen . Iſt nun der Stand ſo hoch und werth, So hat er billig ſein Beſchwerd : Der Teufel iſt keim Ding ſo feind, Denn wo Chriſti Pferch wohl verzäunt; Die Welt braucht nimmer mehr Betrug, Als daß der Pfaff werd gſchweigt mit Fug ; Das eigen Fleiſch läßt nit ſein'n Tück, Daß er ein fromm treu Herz berüd. So bringt der Baalspfaffen Schaar Der Kirchen erſt die größt Gefahr, Denn nie kein Blutvergießen hat, Wie Heuchelei, der Kirch geſchadt. In Summa, wer nit fleißig wacht, Der iſt in manch Gefahr gebracht. Je mehr Gefahr, je minder Sold : Eim Gottesdiener Roll (ziemt ) kein Gold ; Wer hie ſein Bſoldung will einnehmen , Den wird der Herr einmal nit kennen. Hie ſoll's ſein mühſam und unwerth, Dort wird's ſein ruhſam und hochgeehrt ; Hie ſoll's ſein arm , ſchlecht und bethört, Dort wird's ſein warm , recht und gea lehrt ; Kein Frommer legt hie Gilten an, Denn der aus u x machen kann ; Fromm Geld läßt fich nit z'Fuß ereilen, Wie bös Geld von den auf den Gäulen ; Fromm Geld vergnügt, wie Gott es fügt, Bös Geld verſtiebt, wie viel man trügt. Wollt ihr nun weiden Chriſti Heerd, So ſeht, daß ihr berufen werdt Durch Chriſti Ordnung, nit oblique, Durch Gſchlecht, Weib, Geld und ſonſt inique “). Gott b'ruft recht durch den obern Mund, Beruft auch in des Herzens Grund ; Und wie der fromme Luther g’meint, So ſtünd' auch ſehr viel bei der Gmeind. Eilt ntt zu ſehr, Gott weiß euch wohl, Euer Theil euch noch wohl werden ſoll. Laß laufen, was nit bleiben will,
1) Längſt, von je. 2) Laur : Schurke, Betrüger. 9) Auszutheilen . 4) Xuf krummen unredlichen Wegen.
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Gott findt die Seinen in der Still. Wahrlich, daß man viel Miethling duldt, Das iſt des loſen Laufens Schuld ; Den leichnam läßt man faum erfalten, So will ſchon einer ſein'n Dienſt ver walten. Seid ihr danu zu der Kirchen kommen, Den ſchweren Eid auf euch genommen , So rüſt't euch nun mit Herz und Muth , Daß ihr all’s nehmen wollt für gut. Weh euch, ſo man euch zu viel lobt, Wohl euch , wann die Welt heftig tobt! Weh euch , ſo euch der Dienſt wird füß, Wohl euch , ſo ihr findt viel Verdrieß ! Weh euch , ſo euch die Welt gefällt, Wohl euch, ſo fie euch Fallen ' ſtellt ! Web euch , ſo ihr nach Ehren ſtrebt, Wohl euch, ſo ihr im Niedern lebt! Weh euch , ſo ihr auf Titel ſchaut, Wohl euch, ſo euch wenig vertraut ( iſt )! Web euch , ſo ihr hie haltet mit, Wohl euch , ſo euch die Welt ausſchütt ! So könnt ihr Gottes Haushalter ſein, Der Welt ein Dorn, ein Ruth' und Bein. Noch müſſen wir das Hausfreuz tragen , Wie jeder Ehmann wird beladen. Was Jedem g'ſchieht, kann und auch werden, Al täglich Fäll gehören auf d'Erden. Wollt ihr doch hie den kürzſten Weg, Daß euch genüge Gottes Seg (en ): Laßt nit zu viel auf Erden gahn, Der Himniel ſteht euch beſſer an. Gewöhnt eure Leut zu ſchlichter Art, Nichts lernt fich eher als Hoffart. Laßt Arbeit thun , was eſſen will, Zur Ruh bleibt Zeit noch überviel. Traut nit zu wohl eim jeden Maul, Das Böſ ' iſt friſch , das Gut geht faul. Verachtet nit arme Geſtalt, Gott viel Geheimniß vorbehalt. das ſag ich vor Wißt nit zu viel Daß ihr nit ſeid des Dorfs Doktor. Glaubt auch nit Alles, was man leugt, Unzeitig Eifer manchen treugt. Ich gib euch auch noch zu Bericht: Verlaſſet euch auf Menſchen nicht; Gott ſei euch einig euer Scopus (Spiegel), Dazu der Menſch euch helfen muß . kurze Zeit und ſchnöde Freud, Wie manchem haſt du Gold gezeigt Und ihn geſeßt in tiefen Koth ! Der glaubt es, der’s verſuchet hat.
Ich ſprach : Mein lieber weiſer Herr, Wär ich doch früher kommen her ! 3ch hab gefolgt der Narrenzunft, 1) Die er als Magifter trug.
Da überherrſcht die Unvernunft; Ich meint', ein jedes Dorf hätt' Schäß, Die man nur fing' ohn Striď und Neß ; Nun nehmt ihr mir mein'n Ring und Hut ), Das Rödlein und das Sträußlein gut, Damit, wenn ich komm unter d'Leut, Ich nit umgeh als der nit g'ſcheid. Das ſchlug meinem alten Herren zu, Er ſprach drauf: Ich nichts lieber thu, Als jungen Leuten , die noch jähren, Was ihnen noch weit fehlt , zu lehren. Es mag es aber was noch glißt Und noch wohl hinter den Düren ſchwißt, Nit allweg leiden Doch muß ich leider auch bekennen , Und werde es mit Schmerzen innen , Daß nit was ſchwarz all's geiſtlich iſt, Daß nit all Geiſtlichs lauter Chriſt, Daß nit all Lauters iſt geſund, Daß nit all G’fundes iſt für'n Mund . Hierauf bat mich der ehrlich Mann, Ich wollt mit ihm zum Hauſe gahn, 1 Daſelbſt ein Süpplein helfen eſſen, Das Schwäben werd ſich nit vergeſſen ; Er müſſ' heimtragen an der Stangen, Den hübſchen Vogel, den er g'fangen, Und ihn ſeiner alten Mutter bringen, Die wiſſ' doch auch von dieſen Dingen, Sag Jungen oft umſonſt den Text ; Das Haus ſei doch zu allernächſt, Da er mit ſeinem Holderſtod Oft ſpalte manchen diđen Blod, Lieb und Leid wiliglich geleit, Manch tiefe Hauswunden geheilt, Vor manchem Sturmwind ſich gebuďt, In manchem Wetter fich geduct. Alſo ging ich mit Schamund Freud, Mein Herz war eng und ſich ansbreit(ete). Mein Kunſt war klein und hört doch piel, Mein Reu war groß, eilt doch zum Ziel. Ich wollt nit, daß ich welſche Land Dafür hätt gleben alleſammt. Denn ein deutſch Herz, jo man das findt, Iſt werther, als viel fremdes G'ſind. Der 2) ſagt, was fehlt, und räth biezu, Damit kommt man mit Gott zu Rub. Was aber nur ſchwäßt: mum, mum, mum , Und wirft den Brei im Maul herum, Das braucht viel Zeit, Geld , Müh und Sorg, Daß nian im Eitlen gar erworg ( erſtide).
Nun wünſch ich , daß all meine G’ſellen Ihu'n auch abtrennen lan die Schellen
2) Der Deutſche.
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628 Hiemit folg ich meim Alten nach, Wer Beſīres weiß, der beſire d'Sach!
Und geben ſich in Chriſti Drden, Der nie teim Frommen ſüß iſt worden .
Die Chriſtenburg. I. Eingang.
Gebet zu dem Herrn Chrifto.
Die Ankunft und das Regiment Giner Stadt , die Chriſtenburg genennt, Ihr Zunehmen und rechte Freud, Ihr Abnehmen und Herzeleid, Ihre Scheinbürger und falſche Freund', Ihre Glückwürger und alte Feind', Ihre Unruh und die blutige Schlacht, Und wie ſie wieder aufgebracht, Auch was gehört zu dieſen Dingen, Will ich mit wenigem fürbringen. Herr Chriſt, mein Trieb, mein Lehr, mein Kunſt, Gib, daß es nit ſei gar umſonſt; Ergeuß in mid dein'n wahren Geiſt, Der mir angeb, was dies erheiſcht, Damit dein ' wahre Chriſtenheit Sich auch erkenn zu dieſer Zeit, Da ihr ſo hart wird zugelegt, Heimlich und öffentlich verlegt, Und ſich in deinem Worte prüf, In Sicherheit ja nit vertief, Mit Wort und Schein ſich nit vergnüg , Zu ihren Feinden ſich nit füg , Sondern deiner Heimſuchung acht, Die abſtehende G’fahr betracht, Mit rechter Heu und Buß umkehr,
Wo fie von dir iſt ganzen fer (fern) , Den Glauben üb in guter Zucht Und bring wiedergeboren Frucht, Damit dein Leben auch bei ihr Ein ſchöne Nachfolgung einführ, Dein werth Erempel fie regier, Guts Leben gute Lehre zier ; Auf daß dein Rach ernſtlich aufwach Und ſchänden mög der Feinde Sach , Die deinem Namen ſein zuwider, Gern legten deine Kirchen nieder, Und durch Antrieb der alten Sdlang Eim jeden Frommen machen bang. Gib Herr, daß mein einfältig Red Dein einfältige Kind bered ; Gib, daß dies findiſche Gedicht Nur deine Kinder unterricht, Daß fie es an dem Ort anfangen, Darnach du herzlich trägſt Verlangen, Nit, wie die Welt, mit Spieß und Wehren , Sondern mit Neu und beißen Zähren, Mit Faſten , Beten, Büßen , Aendern, Berbejern , Abſchaffen und Mindern, Damit, fo du auf ihrer Seiten, Sie deine Feind' mögen beſtreiten.
II. Dedikation an den Patron und Vorbereitung des chriſtlichen Leſers. Auch ihr, mein einiger Patron, Der ihr umtraget Chriſtum ſchon Und wartet von ihm ſeinen Sold Für (vor) Ehr, Freud, Kunſt, Glück, Stand und Gold, Wolt von mir dies gering Gedicht So euch zur Kurzweil zugericht, Mit freundlichem Willen annehmen Und mich den Eurigen erkennen Auch beſchüßen vor des Neiders Mund Und des Läſterers bitterem Schlund, Die gar nichts anders mögen leiden, Als was ihn'n dient zu ihrer Kreiden, Die lachen , was nach Chriſto ſchmiedt, Oder der Welt ihr Schand entdeďt.... Endlich bitt ich mein Leſer all, Sie wollten auch in dieſem Fall
Mit ſanftem Geiſt mich thun verhören, Wo ich geirrt, was beſſers lehren, Auch mit chriſtlicher Geduld Strafen, ſo ich was hab verſchuldt, Jedoch mich ja nit übereilen , umſtoßen für ein einig Zeilen , Oder für ein ungefährtes Wort Ohn Barmherzigkeit treiben fort . Wohl mir, ſo ich hab ſolche Leut, Die Gottes Einfalt hoch erfreut; Wohl mir, ſo ich hab folche Richter, Die ſchon in Gottes Werken Schlichter; Wohl mir, ſo ich ſolch Leſer hab, Die auch vergnügt Gottes findiſch Gab . Wohlan, mit Gott wir wollen dichten , Ein fromm Herz woll ſich darnach richten !
629 III. Von Ankunft und Erbauung der Chriſtenburg oder Kirchen Gottes. Es in der Welt wildem Meer Ein Inſul ift begnadet ſehr, Beets im Himmel und der Erd, AU Guts und Wahrs iſt ihr verehrt, Drum heißts und iſts das Gnadenland, In aller Welt ſehr wohl bekannt. Denn als das Bös die Erd einnahm Und d’lugen Ueberhand gewann, Da mußt ſich ſchmucken, duden, weichen , Was noch mit Gott ſich wollt vergleichen ; Was noch dem Himmel war verwandt, Das floh Aus in das Gnadenland. Alda in einem engen plaß Der Höchſt geſammelt alte Shak Sein'r Güt und Mild, und den vertraut Ecclesiae, ſeiner werthen Braut, Die er durch höchſte Lieb erwählt, Mit Treu und Huld fie ihm geſelt, Daß fie all ſeinen Reichthum beſäß, Zu Dank ihre Ehridaß nie vergaß, Sondern mit wahrer Gegenlieb Die chlich Schuldigkeit ſtets üb . Alſo hat nun die Königin Ihr Reſidenz genommen inn, Und erſtlich nur in Hirten Hütten
Ein lange Zeit fich wohl gelitten ; Darnach ein Tabernakel gut Hielt ſie manch Jahr in guter Hut, Bis daß ihr grieth ein alte Statt, Darin ſie ihr Verwahrung hat, Auch bauen thut ein eigen Haus, Bis daß fie war getrieben aus, Darnach, als ihr Elend geend't, Auch ihr Unrecht gar wohl erkennt, Erbaut ſie wieder ihr Burgſtäll; Doch war ihr Bau nimmer ſo hell. Darum ihr Bräutigam fich naht Und ihr anfing ein neue Statt, Ganz ſchön und feſt aus alten Steinen , Dabin ſie möcht ihr Kind vereinen ; Verordnet auch klug Baumeiſter, Petrum, Paulum und andre mehr; Daneben Wächter früh und ſpät, Daß der Bau ſeine Sichrung hätt. Alſo ward es ein feſtes Neſt, Da Maur und Wall thäten das Beſt, Da Wacht und Wehr beſtellet wohl, Da Jeder that, was er thun joll, Da Proviant und Speis zur Gnüg, Da Alles b’reit zu Fried und Krieg. IV .
Vom Abgang , Berbeſſerung und wieder neuen Verwahrloſung der Chriftenheit.
Die Stadt, nun Chriſtenburg genannt, Der Bau noch manchen ſehr verdroß, Der meint's auf alle Weg zu hindern : War nunmehr weit und breit bekannt, Darum fie auch von manchem Stand Doch was Gott will, läßt fich nicht än dern . Aufs feindlichſte ward angerannt. Ihr thät Gewalt groß Ueberdrang, Wiewohl es koſtet manchen Mann ( 1547) . Noch viel mehr macht ihr Liſt ſehr bang , Zulegt der Bau beſchloſſen ward, Darüber mancher Thurm gefällt, Mit Ordnung und Geſeß verwahrt, Manch feſtes Bollwert ward zerſchelt, Und die Wacht wieder aufgericht; Manch tiefer Graben ward verſchütt: Ein Jeder hat ſeins Amte Bericht Solchs Alles ward ergänzet nit ; Bis daß die Ruh und Sicherheit Denn nach und nach die Wacht und Hut Bei Vielen Treu und Fleiß verleidt, Und Jeder ſucht, wie er fich mäſt't ; Der Burger weniger thät gut. Suchten dafür gute Gemach, Damit einſchleichen fremde Gäſt, Damit verfiel manch gutes Dach, So die Fortifikation Und ſchlichen ein untreue Leut, Des Schloſſes jählings nahmen davon ... Dadurch die Stadt gar kam in d'Beut. Doch mußt da ſein der beſte Nam, Deß ſeufzet mancher Biedermann, Der frommeſt. treueſt Burgersmann ; Mußt doch zu Lohn groß Schaden han , Lauter- Eck mußt ein Dedel geben Bis daß der Bauherr aufgemahnt, Zu manchem ungezognen Leben . Auch die Stein , ſo zum Bethaus b'ſtimmt, Sach nahm wieder an die Hand, Und richtet auf ein neu Kaſtell (1517 ), | Oft zum Tanzhaus werden verwendt; Auf das Gott großen Fleiß gewendt, Damit die Stadt blieb vor Ung'fäll. Lauter- & of ward genannt das Schloß, Ward nun durch eigne Beſaßung gidhändt.
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V. Bon fleißigem Aufſehen des Antichrifts und Begierd zu ſchaden . Als dies erfuhr der Antichriſt So der Welt ein Abkurzung (Abbruch) iſt, Gedacht er, nun wär's große Zeit, Daß er erhielt ein große Beut, Daß er den ganzen Bau zertrenn , Oder ein ſchwer Tribut abnehm. Darum ruft er der Fürſten drei, Die er nunmehr erfahren treu : Tyrannum , ein unbändig Thier, Hypocritam (Heuchler), noch ärger ſchier, und den Sophistam , einen Schwäßer, Drei auserwählte Glüdverheber . Drum zeigt er an ſein ghermen Willen, Wie daß er wollt in einem Stillen, Chriſtenburg mit Macht überziehen , Keinen Menſchen laſſen da entfliehen ; Die ganze Inſel auch verhergen (verheeren ), Und fie austheilen ſeinen Schergen ; Darum wollten ſie ſein bedacht, Daß ein groß Heer würd zuſammenbracht, Von Wilden, Falſchen und Maulthieren,
Dadurch die Welt wär zu verführen ... Hiezu erbot er all ſein Schäß, Die er hiemit willig aufſeß, So die unüberwindlich Stadt Ihr'n Untergang genommen hat .... Die Kapitans al' wilig waren , Sie wollten keinen Fleiß nit (paren : Ein Jeder hofft , er wär der Mann , So der Stadt wollte ſiegen an, Dieweil ſie waren wohlbekannt Mit manchem Burger, der Verſtand Mit ihnen hält, dadurch in Still Die Stadt verrathen würd nach Wil. Damit ſammlet Jeder ſein' Burſt ( Burſche ), Die han nach Schaden großen Durſt, Die han ein Freud, ihrn Muth zu fühlen , In Gottes Heiligthum zu wählen, Wünſchen, daß doch zu Trümmern ging , Was Gott von Anbeginn anfing. Alſo ward da ein großer Nuſt ( Rüſtung ), Ein Jeder dacht, ž’vüßen den Luſt. VI .
Von Sicherheit der Chriſtenburger und Bertröſtung himmliſchen Beiſtands. Zuleßt die fichre Burgerſchaft Auch dieſes Dings empfing Kundſchaft, Wie daß es wollt ein Krieglein geben , Da man dann ſtellet nach dem Leben . Es war gleichwohl nit zu verachten , Wo man nach Leib und Seel wollt tracha ten : Jedoch hatt es nit große Noth, Weil ſie zuvorderſt hatten Gott, Ein gut Gewiſſen, gute Sach, Ein feſte Burg und fichres Dach, Auch baares Geld und täglichs Brod, Ein friſche Mannſchaft, Kraut und Loth (Pulver und Blei), Und was mehr g’hört zu ſolchem Schimpf; Der Feind hett jedod keinen Glimpf, Ihr gute Ruh ibn'n zu verderben, Er muß gewißlich eb drum ſterben, Wie er das nun gar wohl verſchuldt, Weil man ſein Pochen lang geruldt, Und Zweifels frei kommen die Stund, Daß er mit Schanden geh zu Grund. Drum ſollten’s fein nur wohlgemuth, Die Sach die würde werden gut ; Der Sieg wär gwiß durch Gottes Hand , Der würde ſein ihr groß Beiſtand .
Nun wader her laßt den Feind lommen , Er ſoll erfahren , daß die Frommen Haben ſchwer Hand und ſtarke Schwert: Wehe dem , der es mit Schad erfährt ! Hie iſt des großen Gottes Haus, Da ſein Gemein geht ein und aus ; Hie iſt des Herren Rauch und Herd, Hie iſt auch Gideonis Schwert; Hie iſt St. Peters Schiff gerüſt, Das niemalen verſunken iſt; Ein ewig's Evangelium Iſt hie und Ehriſti Heiligthum, Sein Herd, Ader und Weinberg gut, Die er ſelb hält in ſeiner Hut. So laßt die Feind rathen und dichten, Gott wird ihr Sachen doch vernichten ; Laßt ſie dräuen, pochen und brüllen , Gott wird ſie doch mit Schand erfüllen ; Laßt fie kommen mit Schwert und Stan gen, Gott wird doch noch ob ihnen prangen ; Laßt fie verwagen Leib und Seel, Bei uns iſt doch Immanuel! In ihm mögen wir ſicher ſpringen, Mit Freuden Halleluja fingen.
631 VII. Von Sorgfältigkeit rechter Chriften und Wahrnehmung göttlicher Zeichen. Die Sach nit allen wollt zuſchlagen , So Achtung auf der Welt Läuf haben, Die etwas gleben in Gottes Werken Und der Leut Sicherheit vermerkten ; Die ſahen wohl , daß in dem Mund Gott wär , der nit im Herzensgrund, Daß man Gott wollt zum Ghülfen han, Und doch ohn Gott die Sach hub an .... Daß man auf Mauren Hoffnung hätt, Die man ſtets untergraben thät; Daß man vertraut der Bürgerſchaft, Die doch mit Untreu war bebaft't ; Daß man ſtets pocht auf den Vorrath, Daran auf kurze Zeit man hat ; Daß man nit acht der fremden Gäſt, Die uns geſeſſen in das Neſt; Daß man den Feind von außen wehrt, Den innern ehrt, der uns derzehrt. Wie, ſprachens, wann durch ſeinen Degen Gott wöllt einmal die Stadt ausfegen ? Wie, wann Gott in ſeinen Handen Die Ruthen , ſo am Himmel gítanden (Ko met 1618), Die Geißel nimmt in ſeine Händ,
Treibt aus , die ihm ſein Haus geſchändt, Durch Taubenkram und Wechslerei, Damit wir wieder werden frei Von Herodis und Raiphas Geſellen , Die uns mit Gwalt bereden wöllen, Weiß ſei ſchwarz, und was ſchwarz ſei weiß, Und gſcheh dieß aus auf Gottes G'heiß ? Das war nun die Sorgfältigkeit Der Leut, ſo dies Weſen nit freut; Und mußten doch nur fibiliren (zijchen, ſäuſeln ). Verdacht zu meiden bei den Ihren, Als die nit gut Chriſtburgiſch wären, Oder dem Feind nit wollten wehren ; Oder ſonſt fürchten ihrer Haut. Doch einer dem Andern ſolchs vertraut, Und wünſchten von Herzensgrund, Daß, wie ſich rühmen thät der Mund, Alſo das Herz in Gott fundirt, Zu allem Guten würd regiert, So würd die Sach wohl ausgericht't, ad Krieg und Widerwill geſchlicht't.
VIII. Von des Antichriſts Striegsmacht und erftlich der Zyrannei Zugethanen. In dem hat der Feind ſein Armaden Mit Volk und Kriegesmacht geladen , Und zu feim Admiral beſtellt Ignorantem , den tollen Held, Dem ſollten treulich ſtehen bei Vorgemeldte Oberſte drei, Tyrannus führt in ſeinen Schiffen Alle, die Kurzweil konnten ſtiften : Zechbrüder, Spieler, Kuppler, Tänzer, Jubilier, Maler und Fucheſchwänzer, Springer, Gaukler, Komödianten , B’reuter , Turnierer, Muſikanten, Schaueſſen- und Paſtetenbacher, Feuerwerk-, Grotten- und Aufzügmacher, Seidenſtider und Sammetſchneider, Goldmacher und ſonſt Geldvertreiber, Auch was mehr ghört zum Müfíggang.... Daneben führt aud der Tyrann Ein Schiff, darin wohl ander Mann : Sáuerſeher und gichmigte Köpf, So die Leut drehen um, wie Töpf : Politen und Ragioniſten , iner und Macchiavelliſten *), Kirchenräuber und Klöſterſtürmer, 1) Lauter politiſche Träumer und Ränkemacher.
Vertragbrecher und Befehlſchwirmer, Umlagausbringer, Grifferdenfer, Neuordnungſchneider und Gewiſſenbenker, Eigennusſucher, Baurenſchinder, Fluchjammler auf die Kindeskinder, Pfründenſchneider, Sdulenfeind, Pocher, Schnarcher undNiemands Freund ; Gottsläſterer und Sakramentirer, Tugendſchänder und Laſterzierer, Und was mehr aufhebt Treu und Recht Das waren all Tyranni Anecht: Damit hofft er die Chriſtenheit zu bringen bald in großes Leid, und ihr ein ſolch Joch aufzulegen, Daß ihr Nachkommen fich nit mögen Des Antichriſts Gwalt entſchütten , Sondern um Gnad und Urtheil bitten. Denn wo nur Freud iſt bei ei'm Herrn, Wer wollte dem nit dienen gern ? Will man dann nit die Kurzweil hon, So iſt der Ernſt nit weit savon : Das iſt einmal der Welt ihr Spiel : Zum Lachen ghören Zähren viel !
632 IX. Bon der Şeuchelei Striegsvolk und dero Berwandten .
Mucken ſeigen, Kameel verſchlucen, Die eng Pfort ſuchen ohne Buden, Alle Sünd thun mit gutem Gewiſſen, In Werken träg , in Worten g'fliſſen, Auffäßdichter und Spreißenrichter, Reichen -Lober, Einfaltvernichter, Trinfgeldbettler und Kirchweibgäſt, Und denen g’fält das Faßnachtfeſt... Die all zur Heuchelei geſchworen, Einzuſchleichen bei allen Thoren , Und Chriſtenburg mit Fug verrathen, Damit erweiſen ihre Thaten. Denn was kommt unter Freundſchaft Schein, Das läßt die Einfalt willig ein .. Wer Chriſtum fann mit Belial, Der iſt willkommen überall : Entgegen Ernſt, Eifer und Fleiß paſjet die Welt ungſtümer Beis ; Der Phariſäer bleibt im Haus, Der rauhe St. Johannes muß hinaus .
Der ander Fürſt, Hypocrita , Mit ſeinen Soldaten war auch da : Bracht mit ſich viel der Simoniten, Die ohn Beruf im Weinberg ſchnitten , Mtethling, Weidling und Bauches Knecht', Denen nie fein Ort noch Stelle recht; Beinhändler und die Behendjammler, Gnadpfeifer und Gelegesſtammler, Unzeitig Gifrer , Diſputazer, Armen - Filzer und Reichen -Straßer, Himmelverkäufer und Höllenſchrecker, Sündenentſchläfer, Baurenweder, Schwärmer, Träumer und neu Propheten, Und die das Fleiſch mit Fuchsſchwanz tödten , Schäßſammler zwiſchen lang'n Gebeten, Die leis hergehen und hart treten, Die nur gern fißen oben an, Verfolgen , wer ihn'n was gethan .. Almoſen ſtiften von Diebſtahl, Beten ohn Andacht ohne Zabl,
X. Bon des Geſchwäßes Soldaten und deſſen Beigepflichteten . Deßgleich Sophiſta, der Wirbolz, Bracht mit ſich ſeinen Haufen ſtolz: Lauter Leut aus dem Nebelland , Da fie gelernt manch Narrentand, Drer die gar im Himmel gweſen, AU Heimlichkeit darin geleſen , Den'n ihr Vernunft viel lieber iſt, Als der einfältig Jeſus Chriſt; Die mit Wörtlein Kaufmannſchaft treiben, Die Hörner an einander reiben, Sprachenſtümpler, Zeitverderber, Naturhümpler, Jugendmörder, Geldverſchwender, Serrenplünderer, Lifter finder, Feuranzünder, Schandendichter, Geiswollſchlichter, Unkrautfichter, faßwerteb'richter, Sternenguder, inrechtbuder, Freiheitdrucker, Lugenſchmucker, Titelbacher, Kittelmacher, Weisheitfracher, Wahrheitlacher,
Decretengeber, Spinnwebweber, Magenfeger, Galbeweger, Bücherſchreiber, Kappenſchneider, Einfaltneider, Sanftmuthmeider, Und was der Leut mehr hat die Welt, Damit ſie ihr Aemter beſtellt .. Dadurch all Einfalt würd bethört, Dadurch all Lugen würd gelehrt, Dadurch al Ungreimts würð eingſchwäßt, Dadurch all Friedlichs würd verhebt, Dadurch all Göttliche würd veracht, Dadurch würd pflanzt der eitelPracht.... Dies war alſo nur ungefähr Des Antichriſts verwirrtes Heer, Dadurch er dräuet Gottes Stätt, Weil er viel drinn der Seinen bätt. Doch irrt er ; denn Gott in den Dingen Weiß den Weizen vom Spreu zu bringen. Wann ſchon der Menſch zu Trümmern geht, Doch Gottes Wort ewig beſteht!
XI. Von der Chriſtenburg Gegenwehr und was fie der Tyrannei entgegenſegen wollen . Als nun der Krieg ward angeſagt, Hielt fich die Stadt gar nit verzagt, Beruft ihr Bürger, hielt ihn'n für, Wie der Feind ſchon wär vor der Thür,
Den wollten ſie männlich beſtreiten, Wie das geſchehen jeder Zeiten, Ihr Stadt halten in guter Acht, Fleißig beſtellen alle Wacht.
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Nun theilt aber der Capitan die Aemter auf? s Unzwedmäßigſte aus ; der , all wärtsgefügige“, fich in Ales ( chidende Anführer, Der ließ es geben , wie es geht, Wenn ihm nur ein Ausbeut geräth . Der „ Aufgefütterte“ Nähm gern ein guten Trunk mit Wein, Und ließ auch wohl fünf gerade fein . Der „ Wohlgeneigte“ ſchlecht Kumpan Nimmt ſich nit vieler Händel an ; Andere werden es wohl machen , Er will ſehen zu ſeinen Sachen . Der „ Verräther “, ein böſer Kund, Hatt all Tag feil ſeinen Mund, Nimmt Gnað, Ehr und ein wenig Geld, Und übergibt die ganze Welt. Der , Schredhafte“ (Zitterle) ſonſt nit bös War zn dem Handel gar nit rös Ach, ſchweiget , gebet , laſſet All's, Es möcht uns koſten unſern Hals ! ....
XII. Womit Heuchelei hat follen vertrieben werden. Da treten auf der „ Bekenner “, der ſagt, was er nit im Herzen hätt, der rauf den Namen Pochende“, der „ Luſtige “ Kann beten und kann auch ſchwören, Er mag faſten und darf auch zebren. Der „Gewohnheitsmann“, Man läut ihm aus , man läut ihm ein, So will er bei dem Haufen ſein. Der „ Glaubegern “, Glaubt, was man ihm auch fürſagt, Und nach dem Grund ſehr wenig fragt. Der , Verſtedſpieler " , Der iſt gar ein böſer Wicht, Thut was er gar glaubet nicht Die ſollten nun die Kirch bewahren Vor Hypocritae großen Schaaren XIII. Womit man dem Geſchwät wollen begegnen.
Dem ,,Meinungsträger ", der Konnt meiſterlich ausſinnen , Was in der Natur auß und innen. Dem Plapperer" , Der ſeine Zunge ſtatt der Hand braucht. Dem ,, Ergößling" , Nur mit Kurzweil fich ergògend, Dieweil all Sorg auf d' Seiten ſeßend . Dem ,,Wundergierigen ", Den dauert fein Roſt, kein Zeit, kein Gfabr, Daß er nur etwas Fremds erfabr. Dem „ Tölpel “, immer „ Müſſigen“, dieſen wird die Hut anvertraut.
634 XIV . Der Stadt Fortification und Wehren beſteben im Kreis in zwölf wohl befeſtigten Baſteien , deren erſte Juſtitia (Gerech tigteit) hieß , dann folgen Klugbeit , Liebe, Freigebigkeit , Mäßigteit u . 1. f. Das eigentliche Kaſtell hat ſechs Bollwerte, die Namen der Taufe, des Glaubens, Gebets, Abendmahle , Geſebes , Predigtamts tragend. Dieß Alles ſtund in tiefem Graben, Da man kein Zugang nit mocht haben : Der war genannt Religion , Wer nit nein ghört , folt hauſſen ftohn! So ſchön und feſt der Bau war , ſo war er doch vielfach verwahrlost. Viel war verroſt't und angeloffen , Daß man kein Stärke mehr fonnt hoffen ... Alſo geht's , wo Unachtſamkeit Nit hält im Bau , was wohl bereitt. XV.
Des Antichrifts Schiffrüftung. Auf einmal ſehen die Chriſtenburger das Meer rings von ſeinen Schiffen be deckt, die großen ,, Salern “ haben die Namen : Gewalt, Mammon, Bündniß (Liga), Wütherei u. ſ. w. Und wer wollt doch Alles erzählen, Was da ausgführt aus der Höllen, Was die Welt left Chriſto entgegen , Damit ſie ihm ſein Reich mög legen ? XVI. Von der Chriſtenburger unbeſonnener Freudigkeit . Es könne ihnen nicht fehlen , wenn es gelte , den Widerchriſt zu ſchlagen ; Gott ſelbſt müſſe ſie beſchüßen. Getroſt beſteigen ſie ihre Schiſſe, nicht minder muthig, als Der engliſch Drach , (1588) Da ihm Gott anbefohl die Nach Ueber die ſpaniſch ſtolz Armad, Die der Welt andräut ihr Ungnad ; Oder das Deſterreichiſch Blut ( 1571 ) Gelegt des Türken Uebermuth, Und das Meer war gefärbt von Blut, Der ganzen Chriſtenheit zu gut ; Dter Valetta , der theuer Held, ( 1565) In ſeiner Malta behielt das Feld ... Sie rufen : Dran, dran ! mit Gott gewagt ! .. Alſo manchmal der Menſch fich tröſt, Da Gott einmal darbei gewest . XVII. Mie Gott felbften über der Chriften Sicherheit klaget. Mit tiefer Betrübniß fieht Gott , wie ſo gar ficher und blind , auf ihren Na men prangeud, fie an’s Werk gehen . Beiſpiele aus dem alten Teſtament. Wann das Volt rich bei ſeim Gott laßt finden, So iſt es nit zu überwinden ; Thut es aber ſein's Glaß vergeſſen , So finden fich , die es auffreſſen.
635 XVIII. Beſchreibung der unſeligen Schlacht, da die Chriften unterlagen . Furchtbarer Anprall beider Flotten auf einander , Ringen des Tods mit dem Leben , das Meer mit Todten bedect. Mit der Nacht ziehen ſich die Chriſtenburger in ihren Hafen zurüd. XIX . Kleinmüthigkeit und Zagbeit der geſchlagenen Chriſten. Die ganze Nacht bittere Klagen , dumpfer Schred ; Drum war ihr allgemein Anſchlag, Daß man ſich mit dem Feind vertrag: Wann fie nur möchten han das Leben, Wolten ſie ſich willig ergeben.
XX . Bon Belagerung der Stadt und des Feindes Hilf. Rüſtung der Widerchriſten zum Sturm auf die Stadt. Aufbieten von Hilfs truppen : Der Verfolger mit Feuer und Schwert, der Sjunger, Ignaz mit ſeinen Feuergeſchoßen wird aufgerufen (Anſpielung auf Ignaz von Loyola , den Stifter des Jeſuitenordens). XXI. Wie Reformator ſeine betrübte Mitbürger wieder getröftet. Schon ruft der Haufe, man ſoll die Thore öffnen , um das Reußerſte abzuwens den , da Ruft ein alter frommer Mann, Der hatte gar feinen Gefallen dran : Das ſei ferne von unſers gleichen, Daß wir von unſrem Gott abweichen ! Das ſei ferne von unſerm Gott, Daß er uns laß in ſolcher Noth !. Wenn wir die Sünden ab uns laden, So ſoll uns alle Welt nit ſchaden ; Wenn wir mit Gott ung recht verbinden, Soll uns der Teufel auch nit ( chänden. Deß habt ihr Gottes Wort zum Pfand : Wer's mit mir hält, heb auf ſein Hand !
XXII . Bom rechtſchaffenen Umkehren , Buß und Gebet der Chriſtenburger. Der alte Mann hat die Wort kaum ausgeredt, Als bald fich Gottes Geiſte regt. Der gab neu Herz , neu Muth und Blut, Daß fie die Wort nahmen für gut , Und ſchrieen all mit lauter Stimm : Ach Herr, von uns das Böſe nimm, Und gib neu Sinn , neu Art , neu Werf, Neu Glauben , Lieb , Hoffnung und Stärt .... Daß wir in deiner Stadt verbleiben, Den Feind mit Ehren zurüde treiben ! Auch ihr , o lieber alter Herr, Weiſet uns recht in dieſer Gfähr. Wir find zu folgen ja bereit .... Wir wollen uns gern laſſen rathen. Wo wir in Abweg ſein gerathen.
636 Der Reformator fordert fie auf, mit ihm niederzufallen und mit Herz nnd Mund. zu Gott zu beten , daß er fich ihrer erbarme, Und brauch die Gnad für ſtrenges Recht, Nimm wieder an die arme Knecht . Und lehr ung deinen Willen achten , Dein theures Wort nimmer verachten , Daß nit dein Eifer uns verzehr .. Ach , daß wir deſſen würdig wären, Su wollen wir dein Lob vermehren , Daß uns dein Liebe früh und ſpat Gegeben hat Gnad , Rath und That! XXIII. Von Abſcheibung von der Welt eines wahren Chriften.
Als bald dies Bet nun war vollendt, Hat Gott ſein Hilf ſchon dargeſendt : tin dide Wolke niederließ, Damit er ſeine Stadt beſchließ, Die machet um die Maur ein Ring, Daß kein Feind wußt , wie es zuging. Sie räumen den von den Widerchriſtlichen ausgefüüten Graben aus , bewachen das Thor ſorgfältig , entſchloſſen mit Chriſto zu leben und zu ſterben ; wer ſo von aller Welt getrennt, Von Herzen fich zu ihm bekennt, Den nimmt er auf in ſeinen Schuß Und bíchüßt ihn vor des Teufels Truß, Rein Haar mag fallen auf die Erd ' Dhn ſein Befehl oder ohngfehrd. So laßt uns nun die Welt recht laſſen, Daß uns Chriſtus zu fich mög faſſen ! XXIV . Summariſches Bekenntniß und Glaube eines Chriften . Die Bedeutung der Bouwerke (ſ. XIV .) , Taufe , Glaube u . T. w. wird den Bürgern eingeſchärft, 3. B .: Der Glaub ſagt uns, worauf wir bauen , 1 Für Gott zu ſtehen jederzeit. Das Predigamt hält Gottes Stell, Gott Vater, Sohn und Geiſte trauen , Damit es uns warn vor der Höl, Wo unſer Kirch, was wir gemein, Und leite auf des Himmels Pfad, Wie wir errett't von Sünden Pein, Daßung der Welt Gemeinſchaftnitſchad... Wer unſer Fleiſch werð wieder geben, Und wo wir werden ewig leben ; Doch iſt die Regel Gottes Wort, Das bringt in uns ein Freudigkeit, Ohn dies ſoll Niemand ſein gehört.
XXV . Tugendſpiegel und Lebensregel eines Fürften. Wie Gerechtigteit zu üben fet , Klugheit , Liebe , Freigebigkeit , Mäßigkeit, Reuſchheit, Geduld, Demuth , Coffnung u . 1. w . XXVI. Bon der Gottesfurcht, als oberften Gefes eines Fürften . Weil Gott ſie ſo angeſehen , ſo ſei es billig , daß man fich namentlich in Bes ftellung der Aemter nach ſeinem Wilen und Gefeß richte. Erſtlich ſoll der Capitan ein gottesfürchtiger Mann ſein :
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Dann wer Gott förcht, regiert ſein Leut, Daß er ihn'n nit abzieht die Säut ; Wer Gott förcht, ſpricht ei'm jeden Recht, Hält die Leut nit wie gfangne Knecht... Wer Gott förcht, tilget aus die Sünd, Iſt nit in ſeinen Mängeln blind ; Wer Gott förcht, läßt ihm auch wohl rathen, Wagt nit alles auf ſeine Thaten ... Wer Gott förcht, ſchüßt auch Kirch und Schul,
Daß nit ein Jeder da umwuhl ... Wer Gott förcht, pflanzet gute Gaben, Laßt ihm uit guug ſein , viel zu haben Wer Gott förcht, zeucht die liebe Jugend, Daß fie nit grathe in Untugend ; Wer Gott förcht, thut die Sprachen treiben, Laßt's nit bei ſeiner Miſtſtatt bleiben ... Wer Gott förcht, faßt’s die Wahrheit Nit ein jedes frei Wort verdrießen.
XXVII. Womit Tyrannei vertrieben werde. Auch müſſen wir die Männer han, Die unſern Feinden widerſtan. Die abwehren mit Fleiß, Daß kein G'walt, Schein und Gíchwäß einreiß . So wird wider den Tyrannen (die Gewalt) Rectus, der Richtige, aufgeſtellt, Der nit zur Rechten oder Linken, Oder auf beide Seiten thu hinken , Sondern von ganzem Herzen halt, Sei'm Gott die Stell mit Treu perwalt. Ihm zur Seite gegeben wird der Enthaltſame, der Vorſichtige, der Dienſttreue, der Herzinnige“, der Einrichtige. XXVIII. Wie ſich der Heuchelei zu erwehren. Ihr wird Credens, „ Glauberecht“ , entgegengeſtellt, zu ſeiner Seite : Wirketreu, Wobleingericht, Vernünftig, denn : Rationalis brauch die Vernunft Zu aller Ordnungen Herkunft, Warum alſo der Kirchen Bräuch ,
Warum wir nit ſein alle gleich , Warum wir ſingen, beten, lehren, Warum wir Gottes Diener ehren .
Endlich noch Zeigegrund , Lebeſchlicht; iſt ein Schäflein mild, Das nit gleich einem Şunde billt, Das nit gleich einer Kapen fraßt,
leßterer (Candidus) Das nit gleich einem Maſtſchwein ſchmaßt, Das nit gleich einem Wolf zerreißt, Das nit gleich einem Fuchs beſcheißt.
XXIX. Wie unnüt Geſchwät abzuſchaffen ſei. Dem weiteren Hauptgegner, Sophista , dem Klagemaul, der alles weiß , fteht, hört und kann und Viele verführt, wird entgegengeſtellt Eruditus , der von Gott Unterwieſene , der in Gottes Spiegel Alles ſieht, Den Gottes Geiſt in d'Schul geführt, Die ganz Natur mit Gaben ziert. An ihn ſchließen ſich an : Redewohl (Eloquens), Stillſacht (Subtilis), Aler wogen (Aestimator), Scharfſinn, Unverdroſſen ; Wohl andre Leut an d'Seiten ſeßen, So fönnen wir Sophistae Schwäßen Mit beſſern Künſten von uns heßen, Die all ſein Freßen, Legen, Kreßen Und ihm bei allem feinem Weeu Nit einer Saſelnuß groß däßen .
638 XXX . Wie man auf dem Weltmeer fich mög erhalten . Daß man dem Feinde Abbruch thu , Wollten wir uns auf's Meer auch wagen, Als wir bisher uns han vermeſſen , Und mit dem Feinde draußen ſchlagen : 1 Des Unterrichts von Gott' vergeſſen. So ghören andre Schiff hierzu , Schwachheit , Armuth, Einſamkeit, Beſchaulichkeit, Menſchlichkeit, Vergebung werden mehr ausrichten , da ſie an Gott fich halten, fern von Troß, Härte, Selbſt ſucht den großen Kampf aufnehmen und durchführen. · Alſo dürften wir auch aufs Meer Zum Segeln gborjam Serze haben Uns vor der Welt nit forchten ſehr, ünd ruderen mit Gottes Gaben , Wann unſer Wind der heilig Geiſt Bis wir kommen zum rechten Port Und Gottes Wort den Wege weist, Und bfißen den beſcheerten Ort.
XXXI. Einred eines Wikbolds und Geſpött der Maulchriften. Während dieſe Vorſchläge den Beifall der ganzen Gemeinde finden, erhebt fich „ Naſeweiß “ : man werde doch nicht die Erde umkehren wollen ? Iſt denn der Greis allein geſcheidt ? Und wirft fie all in einen Pfuhl, War'n nit vor ihm auch weiſe Leut ? Und macht dafür ſpannene Doden, Wie darf er dann all ſein Vorfahren Die in den Winkeln umher hoden , Halten für pur lautere Narren ? Singen, beten, ſeufzen und dichten, Ihm gfällt kein Kirch , kein Hof , fein Leiden, laſſen, meiden und ſchlichten . . Sdul, Was helfe es , ſtatt deſſen Die wir auf Erd nimmer vollbringen ? Was uns die Vernunft bericht, Wir haben ja mit gutem Fug Zu bringen ſolche loje Gedicht Don Armuth und Gelaſſenheit, Des Regiments Regeln genug. So iſt der Lehr Confeſſion Von Contempliren und innern Freud, Gefaſſet in ein corpus ſchon ... Von Chriſti Nachfolg und den Dingen, XXXII. Abfertigung der Einreden und vom recht alten Thun . Der Weiſe erkennt die Verdienſte der Alten an ; Wir ſuchen je nichts andres mehr, Daß ſie mit Fleiß zu ihrer Zeit Als alt Recht, alt Glauben, alt Lehr, Das Gut mit Müh hervorgegraben Alt Lieb, alt Tugend, alte Zucht, Und uns den Vortheil glaſſen haben, uit Mäßigkeit , alt Chriſtenfrucht, Je mehr und mehr ſolchs zu poliren ; Die nun bei uns verroſtet ſein Aber wir thun es überſchmieren Durch Wort, Gebräuch und falſchen Schein. Mit Wahn, Sicher- und Eitelkeit, Gott geb den Vordern ewig Freud, Als ob das wär der Alten B'ſcheid. Da gelte für ungereimt, daß man regiere und fich nach dem Simmel ridte, für abergläubiſch, daß man der Bibel als beſter Regel folge ... XXXIII. Bom Ruten der Einigkeit und wie die Gaben müſſen zuſammen ziehen . Der Naſeweiß packt fich; die Gemeinde vertraut fich ganz dem weiſen Alten, der freilich bekennt : Dazu bring Jeder ſeine Steur ... Ich bin gar nit der Mann, Concordia hab Den ihr jepet zu vorderſt an.
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In unſrem Rath den Richterſtab, Die Alles habe zu dirigiren, Eins Jeden Gaben anzuführen ; Die weiß al Arbeit auszutheilen, Die weiß al Riß und Zwieſpalt 3'heilen ... Wo fich ein weiſer Salomon Eins Tempels wollte unterſton
Von lauter ſchönen Gottesgaben, Der Bau am Himmel würd erhaben, Und nit wie Babels Thurm geſchändt, Da Gott die Zungen hat getrennt, Darum auch noch die Kind der Welt In ſo viel Meinung ſind zerfäüt.
XXXIV . Von dem wahren Streuz der Chriſten . Bei der Kreuzesfahne ſollen wir unſers Eids eingedent bleiben , uns der Welt zu begeben , da wir hier nicht Bürger , ſondern nur Gäſte find, Daß wir nit ſuchen Ruh und Muß', Wie ſie die Ehren nit erreicht, Sondern Unfug, Müh und Verdruß ; Oder ein gemachte Hoffnung weicht .. Nit nach groß Wiß und Ehren trachten, Das ſein der gmachten Kreuz ohn Zahl, Laſſen für Narren uns auslachen . Die Chriſtus nit fennt überall, Auch niemals uns hat aufgelegt, Und noch die Feind loben und lieben, Auch unſer eigen Fleiſch betrüben Daran doch mancher ſchleppt und trägt ; Und im Gehorſam Chriſti iben, Aber nur eigene Thorheit iſt , Das iſt, ihr Brüder, der Kreuz-Orden, So ſchwer gemacht durch Teufels Liſt, Der manchem Heiligen ſauer worden .. Damit wir Chriſti Kreuz vergeſſen Nit, wie die Welt fich falſch beredt, Und uns jedoch ſo hoch vermeſſen, Ihr Kreuz ſei , wo ihr's nit fürgeht, Daß wir ſein lebend Märtyrer, Wo fie nit büßet ihren Willen , Die doch von Chriſto weit und fer (n ) ... Wo fie den Geiz nit mag geſtillen, XXXV. Von der wilden Weif dieſer Welt und ihrer Vermeſſenheit. Im Gegenſaß gegen die Buße der Chriſtenburger wird jeßt die Stimmung im Lager der Widerchriſten geſchildert: Da war groß G'ſchrei und Jubiliren, Freſſen , Saufen, Tumultuiren, Huren , Spielen, Tanzen und Springen, Raufen, Schlagen , Fechten und Ringen, Und was der Welt Unweis mehr ſein, Dadurch fie rennt in d'Höl hinein.
Da war kaum Einer, der gedacht, Daß Gott auch ſeiner Armen acht . all ihre Gedanken waren , Wie ſie mit dem Raub wollten fahren, Und den unter fich theilen gleich, Damit ſie würden alle reich.
Nun aber verwirrt Gott ihre Sinnen . Keiner hört mehr den Andern, nicht fein eigenes Wort. Die Stadt ſelbſt ſaben fie gar nicht mehr; Alles entſchwindet ihren Bliden . Ihr Plünderungsanſchlag wird zunichte. XXXVI. Pie Gott die Welt verblendet und was all ihr Discuriren . Gin Theil der Widerchriſten ſteht in dem Verſchwinden der Burg eitel Zauberei, die man durch Teufelskünſte bannen müſſe; ein Anderer ſieht darin Gottes Finger, am gerathenſten ſei es , zu fliehen oder ſich mit der Stadt zu vergleichen . Wieder Andere hoffen , das Traumbild werde ſchwinden, Es würden doch die armen G'fellen Sich noch wohl ſelber thun einſtellen, Und ſagen, wo fte ſein geſtedt, Oder wer fle ſo hab vergeđt ..
Aber dies kam vom Herren her, Daß fie nit folgten guter Lehr .. Denn Gott ſtraft wohl die Kinder ſein, Wirft doch die Ruthin's Feuer hinein.
640 XXXVII. Bon Gottes Schwert und Nach über die gottloſe Welt. Als nun die Nacht ſchier fam herbei, Erhub fich ein groß Feldgeſchrei, Als tam daher ein g'waltig Heer, Das der Stadt brächt Entſaßung her. Das war des großen Gottes Macht, Der wollt legen des Feindes Pracht. Da waren der Widerchriſten Zelt Mit einem Sturm zu Boden gfällt ; Reiner wußt, was er da anfing , Ein Schwert wider das ander ging, Ein Bruder da den andern mord’t, Und war ein ſchrecklid Brüllen ghort ; Was dem Meer zulief, mußt ertrinken,
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Was in die Schiff eilt, mußt verfinken ; Was auf Erd, zerſtreut der Wind, Auch fraß das Feurviel Haufen gſchwind... So übt Gott auf der Erden Rach An dem , ſo g'ſtiftet Web und Ach . Gott, du ſtarter Kriegesheld, Wie bald fannſt du b’halten das Feld ! Wann man dich nur zum Schußherrn hat, So iſt der Sach ſchon g'ſchaffet Rath ... Wenn dein Volf ſein Mifjethat erkennt Und ſich von Herzen zu dir wend't: So faßt du's wieder in dein Händ, Und nimmt ſein Dienſtbarkeit ein End .
XXXVIII. Von der Chriftenburger Faften und Stafteien . Den Chriſtenburgern war verborgen , Daß Gott ſo hoch thät für ſie ſorgen, Und ihre Feind ſchon hätt verzagt, Beil Niemand war, der ihn’n das ſagt. Drum ſtundens in großen Sorgen, Der Feind würd ſtürmen auf den Morgen . Drauf ward ein Faſten angeſtellt, Das man in größten Nöthen hält, Damit der Leib hätt eine Plag Und die Seel bei Gott führ ihre Klag ... Daß der Menſch , den ſein Sünde rührt, Auch fich ſelbſten disciplinirt ...
Wie Chriſtus ung hat angewieſen, Wie die Apoſtel han erwieſen, Wie jederzeit die Chriſtenheit Solchs hat gebraucht in großem Leid, Nun aber leider unbekannt, Drum's auch nit beſſer in dem Land. Dann gewiß hieran ſehr viel gelegen, Soll man des Vaters Herz bewegen ... Damit die höchſt Barmherzigkeit Würde bewegt in folchem Leid ; Er uns aus Noth mach wieder los, Damit ſein Nam und Ruhm werd groß ...
XXXIX . Offenbarung des herrlichen und himmliſchen Siegs. Nachdem die Wunderſchlacht vollſtreckt, Hat ſich die Wolken niederglegt, Und ging auf lichter Morgenglanz, So das Feld thät erleuchten gang. Da ſaben erſt die geängſt'ten Leut, Was da geweſen für ein Streit. Dann das ganze Lager war verwüſt't Und der Feind ' Muthwil gnug gebüßt : Kein Zelten ſtund da aufrecht mehr, Sich reget weder Mann noch Wehr , Und lagen da in großem Blut, Die erſt getobt in großer Wuth . Da war das Leid in Freud verkehrt, Da war ein Jubiliren g’hört, Und konnten doch kaum ihren Augen Ein ſolches großes Wunder glauben . .
Nun war dies ihr erſt Arbeit, Daß man die Körper thät beiſeit Und ſie raumt von der Inſel fort, Daß fie fämen an ihren Ort, Wie wohl im Meer der größte Haufen Durch Gottes Antrieb mußt erſaufen ... Dann ward der Raub in die Stadt getragen Uud ausgetheilt in wenig Tagen. Doch war ihn'n dies ang’legen mehr, Wie man Gott ſaget Lob und Ehr ... Darum kommen ſie bald zuſammen, Gott zu danken , ſich zu mahnen, Und fielen nieder auf ihr Knie, Der ſie errett' aus Ängſt und Müh, Sungen auch zu derſelben Stund Dies neu Lied mit Herz und Mund .
XL . Triumph- und Dankgeſang der Chriſtenburger. Ein großer Herr iſt unſer Gott, Ein gute Wehr und Waffen :
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Er ſah uns an in unſrer Noth, Die uns in Gil getroffen ;
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Die alt ſchnöde Welt Gar ſaur ſie ſich ſtellt, Mit Gewalt, Schein und Geſchwäß Uns ſtellet Strick und Neß, Vermeint uns zu bezwingen .
Paolo
ferrak
erlen itt: int,
Mit unſrer Wehr war nichts gethan, Wir haben viel verloren , Weil wir nit ſuchten unſren Mann, Den Gott ſelbſt hat erforen . Fragſt du , wer der iſt: Er beißt Jeſus Chriſt, Das Haupt ſeiner Gmein , Der er gibt Kraft und Schein, Wann fie ſein Regel haltet . Da nun die Welt voll Teufel war, Und wollten uns verſchlingen , Da ſtund Chriſtus bei ſeiner Schaar, Und ließ ihr wohl gelingen : Der groß Antichriſt, Mit Macht, Wahn und Liſt, Empfing da ſein Gericht, Wie Gottes Wort verſpricht, Sein Schwert thät ihn bald fällen.
md. 7201
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1 Evangel. Volkebibliothek. II.
Das muß er ihm Gott laſſen thun , Und groß Spott dazu haben . Lob ſei Gott Vater und dem Sohn, Dazu des Geiſtes Gaben, Der unſer Seel und Leib, Gut, Ebr, Kind und Weib Gefreit vor ſei'm Grimm, Und uns beſcheert den G'winn, Daß uns das Reich ſoll bleiben. Alſo hat dieſer Krieg ein End, Dabei man dann kürzlich erkennt, Wie ſchredlich groß des ' Teufels Macht, Deß doch die Sicherheit nit acht; Wie g’fährlich krieg die Chriſtenheit, Wo fie nit Chriſtum an der Seit ; Wie nöthig ſei ein rechte Reu, Daß man das Chriſtenthum erneu ; Wie mächtig ſei das göttlich Schwert, Wann er’s wider ſein' Feinde kehrt. Gott geb, daß wir es recht empfinden Und uns zu ihm von Herzen wenden, So wird er g'wißlich bei uns ſtohn. Wohlan, ich hab das mein gethon. Deo gloria !
Druck von C. Hoffmann in Stuttgart.