Sant Kirpal Singh
Dienen vor dem Selbst
Rundschreiben Nr. 29 vom 21. Februar 1964 (drei Wochen nach dem Ende der zweiten Weltreise)
Meine Lieben, durch die grenzenlose Gnade meines Meisters war es möglich, diese Phase der Mission des Meisters, die etwa acht Monate fortgesetzten Reisens durch viele Länder des Westens erforderte, erfolgreich zu beenden. Die liebevolle Unterstützung von allen Seiten war eine Quelle großer Freude und Inspiration und hat die Aufgabe sehr erleichtert. Ich bin wirklich allen dankbar, die sich große Mühe gegeben haben, die Reisen zu organisieren, Programme festzulegen, die täglichen Vorträge und Treffen zu arrangieren, und mir auf verschiedene Weise geholfen haben, den Wahrheitssuchern die spirituelle Botschaft zu bringen.
Das Werk des Ruhani Satsang ist durch die Errichtung neuer Zentren an vielen Orten des Auslandes beträchtlich angewachsen. Deshalb wird es angebracht sein, die Angelegenheiten auf konstruktivere Weise zu verwalten. Es wird mir darum Freude machen, euch allen im weiteren Interesse eures spirituellen
Fortschritts und ethischen Wachstums, wertvollen Rat zu geben.
Liebe, Leben und (inneres) Licht sind die heiligen Attribute der Höchsten Kraft — des heiligen Naam — der sich zum Ausdruck bringenden Gotteskraft. Dies ist die heilige Dreieinigkeit, welche sich den wenigen Begünstigten offenbart, die sich unter göttlicher Führung spirituell entwickeln. Diese Tugenden reflektieren das innere Wachstum des spirituellen
Aspiranten und werden als ein Geschenk durch die Gnade des
Meisters verliehen. Die heiligen Meditationen über das Licht- und Tonprinzip bringen eine gründliche Wandlung unserer Sicht des Erdenlebens mit sich. Trübe Zweifel und Skeptizismus vergehen, wenn wir den göttlichen Ruf vernehmen und erwachen. Man tritt in eine neue Welt ein, in der die gnädige Meisterkraft Glück, Frieden und Harmonie großmütig austeilt. Die innere Empfänglichkeit, die durch unbedingten Gehorsam und liebende Hingabe allmählich wächst, enthüllt die unsagbaren Schätze der Gottheit, die bereits in uns liegen.
Ein liebevoller Lehrer in der Schule freut sich über einige wenige kluge Schüler, die ein starkes Interesse an intellektuellem Wissen und Wachstum zeigen. Wie behutsamer und sorgsamer wird dann der lebende Meister auf die allseitige spirituelle Entwicklung seiner Kinder achten, die er nach Seinem göttlichen Willen angenommen hat.
Die entwickelten Initiierten haben das Vorrecht, sich der göttlichen Führung im täglichen Leben zu erfreuen, und werden wiederum zu einer Quelle der Hilfe und Inspiration für ihre weniger begabten Brüder und Schwestern. Die Initiierten, die mit der liebevollen strahlenden Form des Meisters im Innern gesegnet sind, können von seiner unfehlbaren Führung Nutzen ziehen. Er ist sehr darauf bedacht, euch fortschreiten zu sehen. Den wirklich aufrichtigen und verlangenden Seelen öffnen sich bessere Erfolgschancen, und viele der Lieben haben schon diese heilige Wahrheit bezeugt.
Die Repräsentanten und Gruppenbeauftragten haben eine große Verantwortung, um die Satsang-Angelegenheiten zu verwalten. Sie sind die wenigen Auserwählten unter den vielen Erwählten, die auf den heiligen Pfad gestellt worden sind, und
verdienen demzufolge mehr Aufmerksamkeit. Sie sind Fackelträger, die gebraucht werden, um ein leuchtendes Beispiel von Wahrheit, Liebe und Einfachheit zu sein.
Eine wahre Lebensweise erlaubt keine Zurschaustellung oder Effekthascherei, sondern ist ein einfaches Leben voll des selbstlosen Dienens und der Gottesfurcht.
Die Grundvoraussetzung dafür ist, auf eigenen Füßen zu stehen, also im Schweiße seines Angesichts den Lebensunterhalt für sich und seine Familie ehrlich zu verdienen. Alle Meister haben die Wichtigkeit eines solchen ehrenhaften Lebens betont, das einen gesunden und kontemplativen Körper und Geist für das spirituelle Wachstum aufbaut. Die feineren Gewebe des physischen Körpers werden bei einer ruhigen und harmonischen Blutzirkulation gebildet. Frieden und Gelassenheit gehören dem ehrlichen und aufrichtigen Menschen.
Den Initiierten wird empfohlen, für ihren inneren spirituellen Fortschritt selbstlosen Dienst auf physische, finanzielle und geistige Art zu leisten.
Mit physischem Dienst ist gemeint, auf strenge Beherrschung von Körper und Gemüt zu achten, den Kranken und Bedürftigen zu dienen und ein reines, keusches Leben zu führen, was das ganze System durch und durch reinigt.
Finanzieller Dienst fällt in die Kategorie der Spenden und Opfergaben, die weitherzig und großzügig machen. Man erfreut sich des ausschließlichen Anrechts auf die Sohnschaft Gottes, während man ganz genau weiß, dass alle anderen Kinder desselben Vaters sind, und man sich der liebevollen Bande der Geschwisterlichkeit bewusst ist. Die Unterscheidungen von hoch und niedrig, reich oder arm, schwinden.
Verstandesmäßiger Dienst gibt einen fördernden Antrieb und persönliches Überzeugtsein vom Pfad der Rechtschaffenheit und Selbstlosigkeit. Offensichtlich beginnt das alles mit der physischen Gesundheit des Körpers, der aufgebaut wird, von dem was man an Nahrung zu sich nimmt und mit dem damit verbundenen Lebensunterhalt.
Die Mystiker haben oft Härten und Bußen beachtet, um spirituelle Disziplin zu erlangen. Die Meister der höchsten Ordnung haben aber ein weit gesünderes Gesetz erlassen, um dasselbe Ziel zu erreichen. Sie haben den Gebrauch all dessen für uns verboten, was nicht zu uns gehört und worauf wir kein legitimes Anrecht haben. Eine solche edle Lebensweise bringt Enthaltsamkeit (Mässigkeit) und Zufriedenheit — die beiden starken Pfeiler, auf denen das hohe Gebäude der Spiritualität errichtet wird.
Es ist ein wohlbekannter Ausspruch, dass ein Baum an seinen Früchten erkannt wird. Die Saaten der Spiritualität wurden weit und breit gesät und eine reiche Ernte ist eine sichere Wirklichkeit. Was die Mitarbeiter — die Repräsentanten, Gruppenbeauftragten, Unterstützer und Freunde der heiligen Sache — betrifft, ist es jetzt notwendig, dass sie in einem Geiste liebevoller Zusammenarbeit, guten Willens und aufrichtigen Ernstes selbstlos tätig sind und sich um die Bedürfnisse von allen für die Sache des Meisters widmen, ganz gleich, was auch immer auf sie zukommen mag.
Dienen vor dem Selbst zählt viel auf dem Pfad der Meister. Das innere kleine Selbst oder Ego muss ausgemerzt werden, indem es im Dienst an der Menschheit aufgelöst wird. Denn alle sind
Kinder des einen Gottes, ganz gleich, wo und in welcher Stellung sie sich befinden oder mit welchen Hemmungen oder Begrenzungen der einen oder anderen Art sie auch leben mögen.
Ihr mögt mit schweren Herausforderungen konfrontiert sein — denn es ist eine mühsame Aufgabe, doch alle Gegenwinde ziehen einmal vorüber. Wenn einer sich selbst für eine höhere Sache in den Hintergrund stellt, dann erweist sich diese Haltung als Schutz und Schild für den wahren Kreuzritter und hilft ihm schließlich, die scheinbar unüberwindbaren Hindernisse zu überwinden. Je härter der Kampf, desto heller scheint das innere Feuer. Das hilft, die feineren Instinkte freizulegen, bis man sich darüber zu hoher spiritueller Größe erhebt und gleich dem Licht eines Leuchtturmes Strahlen der Hoffnung und Ermutigung an die einsamen und müden Wanderer aussendet, die im stürmischen und von Streit und Zwietracht aufgewühlten Meer des Lebens Schriffbruch erleiden.
Spiritueller Erfolg ist keine so schwierige Sache, wie es die meisten von uns annehmen oder zu der sie ihn machen. Aber er erfordert eine geduldige Selbstläuterung, eine wachsame Selbstprüfung, ein sorgfältiges Ausmerzen all der vorhandenen unerwünschten Elemente in uns und ein Beschneiden der sich ausbreitenden Verzweigungen. Vor allem aber bedarf es der regelmäßigen Pflege und Fürsorge des zarten und spirituellen Pflänzchens, wenn es aus dem Boden des menschlichen Gemüts hervorsprießt.
Diese Arbeit liegt auf den Schultern von euch allen. Ich bin sicher, dass ihr euch der Verantwortlichkeiten und Pflichten in dieser Hinsicht voll bewusst seid, die in eurem Falle zweifältig sind: die eine für euch selbst und dann euren Brüdern und Schwestern gegenüber, den neu Initiierten auf dem Pfad, und gegenüber den Skeptischen und Schwankenden, die alle auf euch schauen, um Hilfe im täglichen Leben und Rat bei allen Schwierigkeiten, weltlicher oder spiritueller Art, zu erhalten.
Es ist von höchster Wichtigkeit für jene, die um Hilfe gebeten werden, dass sie in jeder Hinsicht offen und ehrlich sind, so dass keiner einen Anlass hat auch nur den kleinen Finger zu erheben um zu tadeln, oder durch irgendeine Handlung in die Irre geführt zu werden. Tut nichts, was der großen Sache schaden könnte, für die ihr freudig und freiwillig eingetreten seid.
Arbeitet als eine lebendige Verkörperung der Gotteskraft, indem ihr diese Kraft zu eurem Rettungsanker macht, die euch bei all euren Bemühungen stabil auf eurem Kurs hält. Sie wird euch vor allen Versuchungen des Namens, des Ansehens, des weltlichen Gewinns und dergleichen schützen, denn sie alle sind scheinbar sehr verlockend und rufen euch wie die Sirenen(1), aber im Grunde sind sie zutiefst unheilvoll und werden euch in kürzester Zeit in abgründige Tiefen stoßen, wenn ihr euch mit ihnen einlasst.
Die Wahrheit steht über allem, aber noch höher ist eine wahre Lebensweise.
Ein reines Leben und eine genügsame Lebensweise ganz von eurem eigenen Verdienst wird in euch eine große spirituelle Kraft freimachen, mit der ihr die Aufgabe, die Gott euch auf diesem Weg gestellt hat, bewältigen könnt. Alle freiwilligen
Zuwendungen, die zur Förderung der Mission des Meisters eingehen mögen, könnt ihr wie ein Verwalter annehmen. Sie müssen gewissenhaft und angemessen allein für das Werk des Meisters verwendet werden, und darüber ist eine ordnungsgemäße Buchhaltung zu führen.
Möge Hazur (Baba Sawan Singh) euch bei eurer Arbeit segnen.
Meine besten Wünsche sind immer mit euch allen.