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seinem Keben und seiner pädagogischen Sedeutung.
Nebst einem Anhange, enthaltend Auszüge aus drei nichtpädago gischen Schriften: der Panegersta, dem Testament der sterbenden Mutter, dem IInuin »e«es8A,riuin, — einem Verzeichniß der pädagogischen Werke des Comenius, sowie einige Schriften über denselben.
Von «5. W. Seyffarty, Rektor und Hülfsprediger zu Luckenmaldc,
Zweite vermehrte ÄuKage,
Leipzig. Siegismund & Bolkening.
Vorwort.
Am 15. November 1871 werden es zweihundert Jahre, da Einer der hervorragendsten Geister, ein Bahnbrecher für die Ideen der neuern Zeit, dessen Bedeutung die Jahrhunderte überdauert, aus dieser Zeitlichkeit schied: Johann Amos Comenius, der letzte ehrwürdige Bischof der altern Brüdergemeinde, die von Hus ihren Ursprung ableitete. Gewiß nimmt er auch auf dem kirchlichen und sozialen Ge biete eine hervorragende Stelle ein, wie der Anhang zur gegen wärtigen Schrift bezeugt, seine Hauptbedeutung aber liegt auf einem andern Gebiete, dem der Pädagogik, speziell der Didaktik. Er ist der Erste, der ein vollständiges System der Pädagogik und zwar auf dem festen Grunde der christlichen, der freien evangeli schen Lebensanschauung aufstellte, ein System, in welchem er Er ziehung und Unterricht, die bisher so ganz getrennt waren, in die engste Verbindung setzt, und das er durchführt von der ersten ge bundenen Erscheinung des Menschen im Fleisch bis zur vollende ten Freiheit desselben im lichtdurchstrahlten Jenseits, gleichzeitig die physische, wie die intellektuelle und ethische Seite der menschli chen EntWickelung umfassend. Indem er sich über diese EntWickelung in das Reich der Ideen erhob, indem er des Menschen wahres Sein und seine letzte Bestimmung zum Ausgangs- und Zielpunkt seiner tiefen, mit selbstverleugnender Hingabe bewirkten Forschun gen machte, gewann er auch Ideen, die Offenbarungen des gött lichen Geistes in der Zeitlichkeit, die über der Vergänglichkeit schweben und das irdische Daheim verklären. Comenius und Pestalozzi sind die Begründer aller wahren Pädagogik geworden, die Verkünder der vernünftigen und darum
IV göttlichen Menschenbildung, die, weit entfernt, der christlichen Erziehung zu widersprechen, durch die christlichen Ideen vielmehr ihre höchste Weihe erhält. Sie haben beide Gott verherrlicht, sie ha ben ihn angebetet im Geist und in der Wahrheit. Comenius und Pestalozzi, beide Kinder ihrer Zeit, und doch über alle Zeit erhaben, sie traten ein für die allgemeine Menschenbildung, jener nach ihrer objektiven, dieser nach ihrer subjektiven Seite und sie sind damit die Anbahner einer Entwicklung geworden, die fort und fort sich vervollkommnet im Laufe der Zeiten, deren letztes Ziel aber jenseits des Grabes, jenseits aller EntWickelung liegt, wo die Schranken von Raum und Zeit gefallen sind,' wo die Menscheit sich hindurchgekämpft hat zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes: im Reiche der Herrlichkeit. Leider find diese beiden gewaltigen Geister, die die Entwickelung mit angebahnt haben, in der die Neuzeit höheren Zielen zu strebt, noch nicht so allgemein bekannt, wie sie verdienen, nament lich ist es Comenius, der, weil die meisten seiner Schriften in lateinischer Sprache verfaßt sind, der Gegenwart nur aus wenigen und unzureichenden Sätzen seiner geistigen Schöpfungen bekannt ist. Es ist deshalb die Absicht des Verfassers der gegenwärtigen Schrift, eine deutsche Uebersetzung der hauptfächlichsten Werke des Come nius zu veröffentlichen und die gegenwärtige Schrift, die jedoch auch eine für sich bestehende sein soll, ist zugleich eine Einleitung in diese Ausgabe der ausgewählten Werke des Comenius. Ist es wahr, daß unsre jetzige Zeit dem Comenius so viel verdankt, dann ist es eine Schuld der Dankbarkeit, die wir abzu tragen haben, wenn wir sein Andenken erneuern; und es ist ja gerade in unserer Zeit zur schönen Sitte geworden, die Geistes heroen, auf deren Arbeit die Gegenwart sich aufbaut, zu feiern. Indem wir aber diesen Dank abtragen, haben wir selbst den größten Gewinn davon: an den frischen Quellen seines Ursprungs verjüngt sich das Leben; es freut sich seines Fortschrittes und seiner EntWickelung, indem es seinen jetzigen Stand mit den primitiven Anfängen vergleicht, es schöpft daraus neue Kraft zum Weiter schreiten auf dem angefangenen Wege, aber es sieht auch die Ab weichungen und fragt nach dem Warum, und wenn sie fehlerhaft sind, lenkt es ein.
Die gegenwärtige Schrift ist der bedeutend erweiterte Abdruck mehrerer Aufsätze, welche ich zu Anfange dieses Jahres in dem von mir herausgegebenen „Preußischen Schulblatte" veröffentlicht habe. Diese Arbeit hatte mir die Bedeutung des Comenius immer mehr erschlossen und ich wünschte deshalb die Kenntnis? derselben auch über die Kreise des Preußischen Schulblattes hinaus zu ver breiten. . Es kam dazu, daß ich, als ich mit der Ausarbeitung des letzten Theiles der Arbeit beschäftigt war, durch die Güte des Herrn Dr. Anton Gindelh, ordentlichen Professors an der k.k. Universität zu Prag, eine von demselben verfaßte Schrift über das Leben und die Wirksamkeit des Comenius erhielt, welche, ans Quellenstudien, namentlich handschriftlichen Briefen des Come nius beruhend, über einzelne Lebensumstände desselben ein helleres Licht verbreitet und. frühere Angaben berichtigt. Da noch kein umfassendes Werk über Comenius ezistirt, sp habe ich diese und andere Quellenschriften benutzt und die im Preußischen Schulblatte enthaltenen Aufsätze zur gegenwärtigen Schrift, also einer zweiten Auflage, umgearbeitet. Hauptsächlich habe ich bei der Darstellung des Thatföchlichen zu Grunde gelegt: . K. v. Raumer, Geschichte der Pädagogik. ILTHeil. Stuttgart 1857. Das Leben des Johann Amos Comenius, Bischofs der böhmischen Brüderkirche, (nach Palckckh) und dessen Testament der sterben den Mutter, der Brüder-Unität. Aus dem Böhmischen übersetzt. Leipzig 1866. Dr. A. Gindely, Professor an der k. k. Universität zu Prag: „Ueber des Comenius Leben und Wirksamkeit in der Fremde, im Märzhefte des Jahrgangs 1855 der Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (Band XV, S. 482). — Kaiserlich-königliche Hofund Staatsdruckerei zu Wien. 1855. Dr. G. Baur, Professor der Theologie an der Universität, zu Leipzig: Comenius, in Schmid's Enchklopädie des gesammten Erziehungs- und Unterrichtswesens. Freiherr Dr. v. Leonhardi, Professor an der k. k. Universität zu Prag: Der Philosophencongreß als Versöhnungsrath.Prag 1869.
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Dr. Wichard Lange: Dr. K. Schmidt'« Geschichte der Pädagogik. III. Theil. Cöthen .1870. Professor A. Ziegler, Direktor des Gymnasiums zu Lissa: Bei träge zur ältern Geschichte des Gymnasiums zu Lissa in einem Programm zur dreihundertjährigen Jubelfeier. Lissa 1855. Um eine allseitige Kenntniß des Comenius zu geben, war es aber nöthig, auch seine sozial-religiösen und politisch-kirchlichen Anschauungen kennen zu lernen und einen Blick zu thun in die tiefsten Beweggründe seines Herzens. Deswegen hielt ich für nothwendig, seine pädagogischen Ansichten und Prinzipien durch An führungen auch aus Werken, die ihn nach jenen Richtungen hin kennzeichnen, zu beleuchten und zwar aus der „Panegersia", dem „ Testament der sterbenden Mutter " und dem „ IIunin ne«ess«,riuiu Ich habe Stellen aus diesen ' Werken wörtlich gegeben, nur mit einigen erklärenden Worten, und zwar als „Anhang", well sie streng genommen nicht in den Bereich unserer Aufgabe fallen; doch glaube ich nicht, daß diese Gedanken eine müßige Zugabe sind, sondern ein wesentlicher Theil unserer Schrift, insofern sie Licht auch über seine pädagogischen Bestrebungen verbreiten. Das Verzeichniß der pädagogischen Werke des Comenius habe ich K. v. Raumers Geschichte der Pädagogik entnommen. Und so möge denn die gegenwärtige Schrift nicht blos daö Andenken an jenen erhabenen, von inniger Liebe zur Menschheit erglühten Geist erneuern' und seine Thaten feiern, sondern auch einen Anstoß zum tiefern Eindringen in seine Werke geben. Möchten dies Büchlein und seine Werke nur einen geringen Theil der Zuneigung finden, mit der Comenius einst der ganzen Menschheit entgegenkam und für sie wirkte! Luckenwalde, am 1. Juni 1871. L. W. Zeyffarth.
I.
Die Lebensumstände des Comenius.
Comenius ist am 29. März 1592 in dem mährischen Städtchen Nivnitz (bei Ungarisch Brod) geboren, wo sein Vater Müller war.*) Seine Eltern gehörten zur böhmischen Brüdergemeinde und scheinen tschechischer Nationalität gewesen zu sein, wenigstens hat Comenius viele Schriften in dieser Sprache geschrieben; doch nennt er auch Deutschland sein Vaterland. Jedenfalls hatte die Nationalität noch nicht die scharfe, ja schroffe Bedeutung erlangt, wie in unseren Tagen; das Hauptunterscheidungszeichen und damit der Scheidungs grund lag damals nur im kirchlichen Bekenntnisse. Die böhmischen Brüder hatten sich aus den Ueberbleibseln der Anhänger von Hus 1547 zu einer Kirchengemeinschaft constituirt und vertraten eine freiere Richtung im evangelischen Leben. Comenius mußte deshalb nebst seiner Gemeinde viel leiden von den Mächten der Finsterniß. Des Comenius Eltern starben früh; sie hinterließen' ihrem Sohne ein kleines Vermögen, welches zu seiner Erziehung hin reichte: seine Vormünder aber sorgten in dieser Beziehung schlecht für ihn. Nachdem er sich in seinen frühesten Knabenjahren die *) A. Ziegler stellt (im Programm des Gymnasiums zu Lissa S. VIII) andere Vermuthungen auf. Es heißt da: „daß sein Vater ein Müller gewesen sei, ist eine unverbürgte und nicht wahrscheinliche Nachricht, da er von ihm ein bedeutendes Vermögen ererbte, über welches mehrere Vormünder gesetzt waren, welche sich jedoch so wenig um ihn kümmerten, daß er erst 1608 in eine lateinische Schule geschickt wurde, die seinem Bildungsdrange nicht entsprach." Da dieser Aufsatz aus Quellenstudien beruht und mit großer Gewissenhaftig keit und Sorgfalt verfaßt ist, so ist wohl diesen Angaben mehr Glauben bei zumessen.
Anfangsgründe des Wissens angeeignet, wuchs er auf, ohne einen bestimmten Beruf zu wahlen, indem er bald zu dieser, bald zu jener Beschäftigung überging. In seinem 16. Jahre erwachte in ihm das Verlangen nach höherer Bildung und er entschloß sich, eine lateinische Schule zu besuchen, doch läßt sich nicht mehr bestimmen, welche. Obwohl dies Alter nach damaliger Sitte ein ziemlich hohes war, — Melanchthon besuchte ja in diesem Alter schon die Universität! — sv war dieser Umstand doch für des Comenius spätere Wirksamkeit insofern wichtig, als er bei seinem schon gereiften Verstande die Fehler der damaligen Unterrichtsweise zu beurtheilen im Stande war, was ihn später dazu brachte, auf eine leichtere Weise des Sprachimterrichtes zu sinnen, überhaupt über die Didaktik und Schulbildung neue Prin zipien aufzustellen. So klagt er im 11. Kapitel seiner OiÄaeties WaAna, welches über den Satz handelt, daß es bisher an Schulen' gefehlt habe, die ihrer Aufgabe vollkommen entsprochen hätten, nachdem er Luther und Dr. tdeol. Eilhard. Lubinus als Zeugen dafür angeführt: „Doch, wozu brauchen wir Zeugen zu suchen? So Viele von uns können als solche dienen, als ans den Schulen und Universitäten hervorgegangen sind, kaum von einem Schatten wahrer Gelehrsam keit angehaucht. Aüs vielen Tausenden bin ich selbst Einer, ein armes Menschenkind, dem der überaus schöne Frühling seines ganzen Lebens, die Blüthenjahre der Jugend, mit Schulfuchsereien elendiglich verloren gegangen sind. Ach, wie oft hat mir, nachdem ich zu einer bessern Einsicht gekommen, die Erinnerung an die ver lorne Zeit Seufzer aus der Brust, Thränen aus den Augen, Kummer aus dem Herzen gepreßt ! Ach, wie oft nöthigte mich dieser Schmerz, klagend auszurufen: 0 miKi praeterit«8 Jupiter si iet'eist Ann«s!*) Aber die Worte sind vergeblich; vergangene Tage kehren nicht zu rück. Keiner von uns, dessen Jahre dahin sind, wird wieder ver jüngt, daß er von Neuem das Leben anzufangen und mit einer bessern Ausrüstung für dasselbe sich auszustatten wüßte; es gibt keinen Rath dafür. Nur Eins ist möglich, daß wir den Rach el O wenn mir Jupiter doch die vergangenen Jahre zurückgäbe. —
kommen rathen, so weit wir es können, und, nachdem wir durch unsere Lehrer in'Jrrthümer gestürzt, den Weg zeigen, auf dem der Jrrthum zu vermeiden ist. 'Das geschehe im Namen und unter der Leitung Dessen, der allein vermag, unsere Fehler zu zählen und unsere Unebenheiten auszugleichen." Da es seine Absicht war, sich dem Dienst in seiner Kirche zu widmen, begab er sich 1612 zu seiner theologischen Ausbildung nach Herborn im Herzogthum Nassau, wo er unter Alsted*), emem reformirten Theologen, studirte, der auch um neue Methoden und eine en zyklopädische Zusammenstellung und Systematisirung des gesammten^ menschlichen Wissens sich bemühte und eine Menge theologischer, philosophischer und pädagogischer Bücher verfaßt hat, auch dem Chiliasmus (der Lehre von der baldigen Einkehr eines tausend jährigen Friedensreiches auf unserer Er.de) huldigte. Alsted hat jedenfalls einen nicht unbedeutenden Einfluß auf Comenius so wohl in Bezug auf seine theologischen, wie pädagogischen Anschau ungen ausgeübt. Auch ging er auf einige Zeit» nach Heidelberg, besuchte von da aus Amsterdam, vielleicht auch England, und kehrte 1614 zunächst nach Heidelberg und von da zu Fuß — theils um sich durch Bewegung nach einer iiberstandenen Krankheit zu stärken, rheils aus Mangel an Reisegeld — in sein Vaterland zurück. , Da Comenius noch nicht das gesetzliche Alter zur Verwaltung eines geistlichen Amtes hatte, so übernahm er auf Aufforderung oes Oberhetmann der Markgrafschaft Mähren, Carl von Zerotin, vas Rektorat der Brüderschule zu Prerau. Um diese Zeit war es, wo Ratich (geb. 1571, gest. 16Z7) mit seinen Anerbietungen zur Verbesserung des Schulwesens, hauptsächlich in Bezug auf den Unter richt in den alten Sprachen, viel Aufsehen erregte, welche durch die günstigen Berichte damals angesehener Gelehrter noch mehr Aus breitung gewannen. Jedenfalls hatte Comenius von diesen Vor schlägen des Ratich auch Kenntniß erhalten, und da er aus eigener Erfahrung die Schwerfälligkeit der damaligen Unterrichtsweise kennen gelernt hatte — man warf ihr vor, es sei eitel todter Gedächtnißkram, weil die Knaben so Vieles auswendig lernen müßten, was ^ Alftedt war 1588 gebore» und starb 1638 als Professor der Theologie und Philosophie zu Weißenburg in Siebenbürgen.
sie nicht verstünden, — so kam auch Comenius darauf, auf eine neue und leichtere Unterrichtsweise zu sinnen und 'schrieb eine neue und leichtere Unterweisung zur Erlernung der lateinischen Sprache, welche 1616 zu Prag gedruckt wurde. Die Schule zu Prerau wurde durch Comenius in eine Art Realschule umgewandelt. Nach seiner Ordination, welche in demselben Jahre erfolgte, wurde er sogleich zum Predigtamt berufen; an welcher »Gemeinde, läßt sich mcht mehr bestimmen. Er wurde dadurch auf kurze Zeil von der Schule abgezogen, wendete sich ihr aber wieder zu, als er 1618 zu Fulnek, dem hauptsächlichsten und ältesten Sitz der böh mischen Brüder in Mähren, als Prediger und zugleich als Inspektor der dort neu errichteten Schule angestellt wurde. Das Glück, welches er in der Ehe fand, sowie das Ansehen, das er sich bei den Leuten jener Gegend durch seine» nicht blos dem geistlichen und Schulamt zugewendete Thätigkeit, sondern auch durch allerlei Wohlthaten, Rath und Hülfe, besonders in Bezug auf Verbesserung des Lebens unterhaltes und 5er Landwirthschaft, bald erwarb, machten jene Zeit zu der angenehmsten seines Lebens. Wir erkennen aber aus diesen Zügen, daß Comenius, »bwohl er ein gelehrter Theolog war, sich liebevoll dem ganzen vollen Leben hingab und auch für materielle Dinge ein offenes Auge hatte; er wußte, daß nur auf der Ordnung und dem rechten Stande dieser Angelegenheiten sich ein gesundes geistiges und sittliches Leben aufbauen kann. Der Ausbruch des dreißigjährigen Krieges sollte auch des Co menius friedliche Wirksamkeit bald unterbreche« und ihn zum Mär tyrer machen. Die utraquistischen Stände Böhmens — utraquistisch, weil sie das Abendmahl unter beiderlei Gestalt (sub utrayue) ge nossen — erhoben sich gegen die hauptsächlich von den Jesuiten angezettelten Bedrückungen und Beraubungen ihrer verbrieften Rechte, vertrieben die Jesuiten als Friedensbrecher und Störer des Gemein wohls und setzten ein Direktorium ein, woran auch die katholischen Stande Theil nahmen (sub uua «t utr«,Hue); überhaupt wollten sie den ihnen aufgedrungenen Erzherzog Ferdinand nicht zu ihrem Könige haben und erklärten ihn, während derselbe zum deutscheu Kaiser gewählt wurde, des böhmischen Thrones verlustig „als Erb feind des evangelischen Glaubens und als Sclaven Spaniens und der Jesuiten" und wählten an seiner Stelle den Kurfürsten Friedrich V.
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von der Pfalz. Böhmen müßte diesen Schritt schwer büßen; Friedrich wurde in der Schlacht am weißen Berge bei Prag (8. Nov. 1620) geschlagen und floh außer Landes, die kaiserliche Verwaltung aber rief die Jesuiten zurück und nun singen die maßlosesten Verfolgungen an; grausame Bluturtheile wurden an den Anhängern Friedrichs vollzogen, ihre Güter an die Jesuiten vertheilt, die. reformirten Prediger wurden vertrieben und ihre Schulen der Leitung der Je suiten übergeben; bald erging es den Lutherischen, die mit Rücksicht auf Kurfachsen noch geschont worden waren, ebenso. CoiKenius wurde besonders hart getroffen. Ein spanisches Hülfscorps eroberte (1621) Fulnek und plünderte und verbrannte die Stadt. Er verlor dabei seine ganze Habe, seine Bücher und, was ihm am schmerzlichsten war, seine Handschriften, die er zur Ver besserung der Schulen verfaßt hatte; auch mußte er bald darauf seine Gemeinde verlassen* und verlor bei diesen schrecklichen Bedräng nissen seine Gattin und zwei Kinder. Er fand zunächst Aufnahme auf den ausgedehnten Besitzungen des Hauptes der Brüdergemeinde, Karl von Zerotin, der sich von den politischen Unruhen fern ge halten hatte und Ferdinand treu geblieben war. Hier blieb er etwa drei Jahre und verfaßte „Das Labyrinth der Welt und das Paradies des Herzens", nach Palacky „eine Allegorie des mensch lichen Lebens, wie Alles darin eitel ist, außer der wahren Frömmig keit des Herzens, worin er unter dem Bild einer Wanderung durch die Welt den Gang und die Art aller irdischen Dinge lebendig schildert." Die Schrift war in tschechischer Sprache geschrieben, er-. schien aber erst 1631 zu Lissa (in 4»). Im Jahre 1624 mußte Herr von Zerotin aber alle Brüdergeistlichen, die er auf seinen Gütern aufgenommen, — es waren deren vierundzwanzig — entlassen. Obwohl er, gestützt auf seine Treue gegen den Kaiser und sein gutes Recht, bei diesem selbst vor stellig wurde, so richtete er doch gegen die jesuitische Verfolgungsfucht nichts aus. Der größte Theil der Geistlichen, unter ihnen Comenius, mußte seine Güter verlassen; da sie nicht sogleich ein Unterkommen fanden, verbargen sie sich in den Höhlen, Felsen und Wäldern ihres Vaterlandes, waren aber in beständiger Gefahr, er griffen und ihrer Freiheit, ja vielleicht ihres Lebens beraubt zu werden. Unter diesen Verfolgungen schrieb Comenius seine zweite „. MV.^
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tschechische Schrift: „Der Mittelpunkt der Sicherheit"*), welche einen gleichen erbaulichen Zweck verfolgt, wie die erste, und im Jahre 1632 sin 12°) in Lissa im Druck erschien. Er besuchte auch während dieser Zeit öfters heimlich seine Gemeinde, predigte ihr das Wort Gottes und versah sie mit den Sacramenten, auch ging er einmal als Abgesandter der Brüdergemeinde nach Polen, doch läßt sich der Zweck dieser Sendung nicht bestimmen; jedenfalls aber betraf er die Aufnahme der aus Böhmen Vertriebenen, obwohl sie zunächst noch nicht daran dachten, ihr Vaterland zu verlassen. Nach seiner Rückkehr aus Polen hielt sich Comenius auf den Gittern des Herrn Georg von Sadlivski von Slaupna auf, der ausgedehnte Be sitzungen im Riesengebirge hatte und sich muthig und energisch der Vertriebenen annahm. Hier schrieb Comenius für den Lehrer der Kinder desselben, Stadianus, 1627 eine kurze Methodologie, den Anfang seiner spätern Oiäs«tiea WaSns. ' Aber auch hier sollte er nicht lange Ruhe finden. Anfa.ng des Jahres 1628 wurden alle Evangelischen aus Böhmen ver wiesen, unter ihnen auch die bisherigen Beschützer des Comenius, Karl von Zerotin und Sadovski. Mit letzterem, seinem Schwieger vater Cyrill, einer Prophetin Poniatovska und einigen Geistlichen gingen sie Ende Januar übers Gebirge, um Böhmen fur immer zu verlassen. Auf der Grenze sielen sie alle noch einmal auf die Knie und beteten zu Gott, daß er sich nicht ganz und gar von ihrem lieben Vaterlande abwenden, sondern noch einen Samen seines .Wortes darin erhalten wolle. Am 28. Februar kamen die Vertriebenen in Polnisch Lissa, jetzt zur Provinz Posen gehörig, an und wurden hier vom Grafen von Lissa, Raphael, Herzog von Beelitz, auf dessen ausgedehnten Gütern untergebracht. Im Ganzen waren über 30,000 Familien aus Böhmen vertrieben worden, darunter 500 edle Geschlechter. Viele von ihnen ließen sich noch in Lissa nieder, so daß sie hier eine eigene Colonie und Gemeinde bildeten. Comenius selbst wendete seine Thätigkeit wieder dem Schul fache zu, indem er die Leitung des Gymnasiums zu Lissa Ubernahm Ziegler gibt den tschechischen Titel an: Hindin«, de^peonosti, das er übersetzt: „Tiefe der Sicherheit". S. IX.
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und selbst mit unterrichtete. Von hier aus trat er mit vielen ge lehrten Männern in Briefwechsel, namentlich mit Sigmund Evenius, Abraham Menzel, Paliurus, Jonston, Mochinger, Docem, Georg Winkler, Martin Moser, Niclassius, Hartlieb, und theilte ihnen seine Ideen über die Reform im Unterrichte, sowie über die Ab fassung der dazu tauglichen Bücher mit, ohne daß diese jedoch etwas mehr für die Realisirung seiner Ideen thaten, als Briefe mit ihm zu wechseln, außer Hartlieb, einem Engländer, der sich in England ernstlich bemühte, ihm einen Mäcenas zu erwecken, welcher ihn in seinen Studien unterstützte. Hartlieb machte dem Comenius Hoff nung auf ein Jahrgehalt von 200 Pfund Sterling, doch ging die selbe nicht in Erfüllung, obgleich Comenius ihn angelegentlich um seine Bemühung wenigstens für die Hälfte der Summe bat, damit er davon zwei seiner Mitarbeiter, Wechner (einen böhmischen Exu lanten) und Dr. David, besolden könne. In dieser Zeit schrieb er auch drei pädagogische Schriften, in denen er die Mängel des bisherigen Schulwesens besprach und Vor schläge zu dessen Verbesserung machte; sie waren ursprünglich in tschechischer Sprache verfaßt und wurden erst spater von Comenius in die lateinische und deutsche Sprache übersetzt. Es sind 1. Die große Didaktik oder die Kunst allen Alles zu lehren (Oiäaetioa WSHua seu «mnes «umis äooeuäi artin«iuiu), sein tief sinnigstes pädagogisches Werk, wie es Raumer nennt. Diese Schrift umfaßt die Hauptpunkte der ganzen Pädagogik und gibt treffliche didaktische Regeln. 2. Die Mutterfchule oder über die vorsorgliche Erziehung der Jugend in den ersten sechs Lebensjahren (8oK«Is materui Aremii, sive äe proviäa ^uventutis primosexennio Läuoatione), enthält treffliche Regeln für die physische, intellectuelle und moralische Bil dung in diesem Lebensalter. 3. Die Charakteristik der volksthümlichen Schule — Raumer nennt sie deutsche Schule — (8oK«1ae verusoula« äelineati«), eine Darstellung einer sechsklassigen Volksschule und ihrer Lehrgegenstände. Für das Bedürfniß der Kinder verfaßte er im folgenden Jahre das geöffnete Sprachthor (^suu«, IlnAUarum reserst«,) mit einer Vorrede über den Zweck und die Einrichtung des Buches. In
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hundert Abschnitten bringt er tausend Sätze, welche sich über das ganze Wissensgebiet (äe omni soibili) verbreiten und also geordnet sind, „daß eines des andern rechten Verstand gleichsam aufschleußt." Diese Schrift, die zuerst lateinisch geschrieben war und später von ihm ins Deutsche übersetzt wurde, erschien 1631 zu Lissa und be gründete des Comenius pädagogischen Ruf. Von allen Seiten wurde das Buch gelobt und vielfach in die Schulen eingeführt. Es wurde nicht nur in zwölf europäische Sprachen (die lateinische,, griechische, tschechische, polnische, deutsche, schwedische, holländische, englische, fran zösische, spanische, italienische und ungarische), sondern auch in asiatische (arabisch, Persisch, türkisch, mongolisch „welche ganz Indien versteht") übersetzt, „so daß man, setzt Palacky hinzu, heutiges Tages von keinem anderen Buche in der Welt weiß, die heilige Schrift ausgenommen, daß dasselbe so unter die Völker verbreitet, so oft von Neuem gedruckt, gelesen und studirt worden wäre." Auf einer im Jahre 1632 zu Lissa abgehaltenen Synode dev'. Brüdergemeinde wurde Comenius zum Aeltesten (Leulor) erwählt. Als solcher verfaßte er einige theologische Schriften: eine „Geschichte der Ver folgungen der Brüdergemeinde"; „Von der kirchlichen Zucht und Ordnung in der Gemeinde " und eine Streitschrift gegen den Sozinianer Scheffer: „Ob Christus sich selbst vom Tode erweckt habe"; auch veröffentlichte er außer den beiden schon erwähnten noch eine dritte erbauliche Schrift: „Die Uebung in der Gottseligkeit." — 1633 erschien die „Physik", deren Vorrede 1632 in Lissa geschrie ben ist. Von London aus gelangte durch den Gelehrten Samuel Hart lieb die Aufforderung an Comenius, nach Art des Sprachthores auch eine „Thür zur Weisheit" abzufassen, welche, wie jene die Sprachen, so den Inbegriff aller brauchbaren und nützlichen Kennt nisse in ein organisches System brächte. Comenius schrieb einige Gedanken darüber auf und schickte sie zu Hartlieb, welcher sie ohne Wissen des Verfassers (1637 zu Oxford und 1639 zu London) unter dem Titel: „Borläufer der gesammten Weisheit" (?avs«pKise z>r«Sr«Wus) drucken ließ. Obwohl Comenius diese Veröffentlichung nicht gern sah, da er seine Gedanken noch nicht für reif hielt, zog doch auch diese Schrift die Aufmerksamkeit der Gelehrten Europa's auf sich. Hervorragende Männer aller Länder schrieben an den
Verfasser und ermunterten ihn, mit seiner großen und rühmlichen Arbeit fortzufahren. Didaktische und pansophische (realistische) Studien wurden jetzt allgemein in Europa und des Comenius Ruf verbreitete sich über die ganze Erde; damit aber erregte er auch den Neid und Haß Vie ler, „wie es ja immer in der Welt das Schicksal jederlei Verdienstes ist," sagt Palacky. Die durch das reformatorische Prinzip angeregte Einrichtung von Volksschulen wurde natürlich in den evangelischen Ländern zuerst ins Werk gesetzt und es war eine einfache Folge dieser Bestrebungen, vaß die Pädagogik anfing, an Bedeutung zu gewinnen und daß pädagogische Schriften und Unternehmungen die Augen der Länder auf ihre Urheber lenkte. Wie die Kirche, so wurde auch die Schule ein Gegenstand der Sorge für den Staat und es zeugt von hoher Einsicht in die Sache, daß diese Sorge sogar während des Krieges und trotz seiner vielfachen Anforderungen von evangelischen Staaten gehegt wurde. Indem die Schulen Staatssache wurden, erhob sich die Pädagogik zugleich zur Staatswissenfchaft. So lenkte auch der größte Staatsmann jener Zeit/ der schwe dische Kanzler Axel Oxenstierna noch während des dreißigjährigen Krieges seine Aufmerksamkeit auf Comenius und die schwedischen Reichsstände beschlossen, den berühmten Pädagogen nach Schweden einzuladen, damit er die Schulen nach seinen Prinzipien reformire oder solche einrichte. Comenius nahm jedoch diesen Ruf nicht an. Es scheint, daß er sich einem Staate gegenüber nicht auf solche Weise binden wollte; vielleicht fürchtete er, dadurch in seiner Frei» heit beschränkt zu werden. So sagt er in dem Gruß seiner Dläso ties uiaAn«, an alle Vorsteher menschlicher Anstalten (Z. 28): „Der Lehrer sind wenige, welche der Jugend Gutes wohl einzuflößen wüßten. Aber gibt es irgendwo einmal einen, so reißt ihn ein Mächtiger an sich, damit er ausschließlich für ihn arbeite; dem Volke wird nicht viel davon gegeben."*) Auch mögen ihn wohl die Aussichten auf Privatunterstützungen aus Polen und *) Ziegler führt als Grund an: „um sich der Gastfreundschaft nicht un würdig zu zeigen, die ihm das damals mit Schweden in unfreundlichen Ver hältnissen stehende Polen erwiesen hatte." (S. X.)
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England, die sich ihm nm jene Zeit eröffneten, abgehalten haben, nach Schweden zu gehen; von England aus glaubte er jedenfalls eine weiterreichende Wirksamkeit ausüben zu können, als von Schwe den aus. Palacky sagt über die Ablehnung des schwedischen Aner bietens: „Da er sich fürchtete, sich eine so große und gefährliche Last aufzubürden, damit er nicht einen zu raschen allgemeinen Umschwung der menschlichen Leidenschaften gegen sich hervorrufe und indem er außerdem noch andere Gründe vorschützte, weigerte cr sich, diesen Ruf anzunehmen." Er dachte wahrscheinlich an die Gefahren, deren Ratichius mit seiner neuen Methode ausgesetzt gewesen war, da er — hauptsächlich wegen Heterodoxie, zu Deutsch: „Ketzerei" — in Kothen mehrere Monate ins Gefängniß geworfen wurde. Die An hänger einer vernünftigeren Pädagogik sind von jeher den Verfol gungen der Orthodoristen ausgesetzt gewesen. Gindely berichtet, daß Comenius allerdings zur Ausführung seiner Pläne sich nach einem Manne, der ihn materiell dabei unter stütze, umgesehen habe. Im Jahre 1640, heißt es weiter gewann er endlich einen polnischen Großen, dessen Name unbekannt ist, den er aber in einem Schreiben ?rim«,s in Re^n« ?ol«uis.e nennt und der vielleicht Graf Bohuslav von Lisia sein dürfte, für sich. Mit diesem hatte er im September 1640 eine lange Unterredung und theilte ihm seine Absichten mit. Aus dessen Verlangen schrieb Come nius am 12. September den Plan nieder, den er bei seinen Stu dien verfolgte und in seinem Gespräche entwickelt hatte. Dieser Entwurf, von des Comenius eigner Hand geschrieben, hat sich erhal ten und er ist am besten geeignet, Licht über das Streben desselben zu verbreiten und eine Uebersicht über seine Thätigkeit zu gewähren. Er spricht sich darin etwa folgendermaßen aus. Meine beabsichtigten Arbeiten bedürfen wegen ihrer Größe eines Gönners, mag man nun ihren Umfang, die Nothwendigkeit an Hülfsarbeitern oder endlich die Kosten derselben berücksichtigen. Was den Umfang betrifft, so beabsichtige ich das Studium der Wissenschaften, der Weisheit und Frömmigkeit Allen zugänglicher und zur bessern Gestaltung der menschlichen Angelegenheiten nutz*) Ueber de» I. A. Comenius Leben und Wirksamkeit in der Fremde von . Dr. Anton Gindel?. S. !>,
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bringender zu machen, als dies bisher der Fall war. Hierzu sind Bücher doppelter Art nothwendig: für den philologischen und für den realen Unterricht. Die erstern sind zunächst zum Unter richt in der lateinischen Sprache bestimmt und ihrer sind im Ganzen acht. 1. ein VostibuIuW Ii«,tiiiitatis (Vorstufe zum Latein); 2. eine 5«,uua I^atiuitatis (Thür zum Latein); 3. ein ralatiuW I^atiuitatis (Palast des Latein); 4. ein I^exieou (Wörterbuch), welches die etymologische Be deutung aller lateinischen Wörter in der Muttersprache gibt; 5. ein I^exioon, welches die Bedeutung aller Wörter der Mut" tersprache in der lateinischen gibt, und insbesondere Redens arten der Muttersprache in lateinischer Sprache enthält; 6. ein lateinisches I^exioou, welches sich mit der Erklärung der Feinheiten der Sprache befaßt; 7. eine kleine, blos die Deklinationen und Konjugationen ent haltende und mit dem Vestidulnm zu verbindende Gram matik; 8. eine vollständige, mit der ^anns zu verbindende Grammatik. Bücher für den realen Unterricht sind im Ganzen drei. 1. Die Pansophie (Allweisheit, d. h. die alles Wifsenswiirdige aus der realen Welt — so versteht Comenius Weisheit — enthält). Dieses Buch müßte den gesammten Schatz menschlicher Weisheit in sich vereinen und in einer Weise geben, daß er für das gegenwär tige und künftige Bedürfniß ausreiche. Die Methode, die in dem selben einzuhalten wäre, müßte Alles auf bestimmte Prinzipien zu rückführen und von denselben ableiten, so daß kein Theil der menschlichen Erkenntniß außer denselben liegen dürfte. Solche Prinzipien sind Gott, die Welt, die allgemeine Einsicht. Ein sol ches Buch würde eine wahre Wohlthat für das Menschenge schlecht sein. 2. Die Weltgeschichte (?anK!st«r!«,). Diese müßte das Merk würdigste aller Zeiten in sich aufnehmen. Denn wenn die Phan tasie (das Erkenntnißvermögen) nach dem Grunde aller Dinge forscht und die Gesetze des Znsammenhanges ergründet und mit einem Blicke das Universum überschauen laßt, so dient ihr die Weltge schichte als herrliche Beigabe.
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Der Unterricht in der Geschichte müßte stufenweis und sehr bald vor sich gehen. Am besten wäre er in sechs Abtheilungsn zu zerlegen. Für die 1. Klasse wäre die biblische Geschichte, für die 2. die Naturgeschichte, für die 3. die Geschichte der Erfindungen, für die 4. wären ausgezeichnete Tugenrbeispicle, für die 5. wäre die Geschichte verschiedener Religionsgebränche sKistoris ritnalis), Für die 6. endlich die Weltgeschichte am passendsten. 3. Die allgemeine Dogmatil, (wohl eiiie Darstellung der ver schiedenen philosophischen Systeme). Sie würde die verschiedensten Meinungen, welche bisher die menschliche Phantasie ersonnen hat, mögen sie nun wahr oder falsch sein, erörtern und dadurch den Rückfall in leere Träumereien und gefährliche Jrrthümer verhüten. So weit der treffliche Plan, der die Grundzügc für die Entwickelung der Schulen der folgenden Jahrhunderte enthält. Comenius fährt nun nach Darstellung dieses Planes weiter fort: Da ein Mann so umfangreichen Arbeiten nicht gewachsen ist, so sind Mitarbeiter nöthig. Es müssen dies einige gute Philologen, etwa 3 Philosophen (Kenner der realen Well), ein tüchtiger Histo riker, endlich ein Polymath, der große bibliographische Kenntnisse besitzt, sein. Für die philologischen Arbeiten habe ich schon einen ausgezeich neten Gehülfen, den Wechner, gefunden. Bei der Pansophie fehlt es auch nicht an ausgezeichneten Thnlnehmern der Arbeit, die nicht nur die Schätze ihrer Bildung freiwillig anbieten, sodern auch sich selbst und ihre Mithülfe. Unter diesen allen ragt mein Freund Hartlieb hervor. Ich kenne Niemand, der ihm an Umfang der Kenntnisse, an taglich bedeutenderer Schärfe dcö Verstaudes und an Eifer, dem Gemeinwohl nützlich zu werden, gleich käme, der da von Liebe für eine von Jrrthümern und Spielereien freie Philosophie, die ich Pansophie nenne, entbrannte und Alles bei Seite setzte, um sich mir zu widmen. Bei solchen Absichten erscheint eö gerechtfertigt, wenn ich mich an Euch, der Ihr der Erste im Reiche seid, wende und um Unter stützung bitte. Wenn wir Euch Geistiges gcbcn, ist's nicht erlaubt.
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Körperliches zu verlangen? Es ist nichts mehr nothwendig, als daß 3 bis 4 gelehrte Männer einige Jahre lang erhalten würden: man gebe jedem einen Gehalt von 2 — 300 Thalern, je nachdem seine Tüchtigkeit oder die Größe seiner Familie es erfordert. Es scheint nicht, daß dem Comenius die erbetene Unterstützung von dieser Seite in hinreichender Weise gewährt worden sei, des halb wendete er sich nach England. In England waren die Vorschläge des Comenius hauptsächlich durch Hartlieb mehr und mehr verbreitet worden. Man kam dort auf den Gedanken, eine so wichtige und umfassende Arbeit, wie die Pansophie zu werden versprach, von einem Kollegium Gelehrter un ter dem Vorsitze des Comenius ausarbeiten zu lassen. Auf Hartlieb's Betrieb wurde die Angelegenheit dem englischen Parlament vorgelegt und durch Beschluß dieser Versammlung wurde Comenius auch nach England berufen. Diesen Ruf nahm er an; es galt ja hier nicht unmittelbar in den Staatsorganismus einzugreifen, son dern nur mittelbar durch Ausarbeitung eines realistischen Lehrbuchs die innere Organisation der Schulen weiter auszubauen und die selben dadurch dem Volksleben dienstbar zu machen. Am 26. September 1641 kam er nach London, mußte aber, da das Parlament nicht mehr versammelt war und der König Karl I. sich in Schottland aufhielt, den ganzen Winter über warten. Nach dem Zusammentritt des Parlaments beschäftigte sich dasselbe, nachdem es die wichtigsten Angelegenheiten erledigt, mit den Päda gogischen Vorlagen, trat mit Comenius in Unterhandlungen und be schloß, ihm irgend ein besonderes Kollegium mit hinreichenden Ein künften zur Erziehung einiger gelehrten Männer entweder auf einige Jahre oder für immer anzuweisen; man nannte in London das SabaudeuM, außerhalb Londons das Kollegium Winchester oder nahe bei in Chelsea, von dem ihm auch ein Ueberschlag der Einkünfte vor gelegt wurde; gewiß ein triftiges Zeugniß für die Wichtigkeit der Pädagogik, wenn eine Versammlung, wie das englische Parlament, noch dazu in der damaligen Zeit, wo die wissenschaftliche und prak tische Begründung der Pädagogik noch im Entstehen begriffen und wo außerdem die Thätigkeit des Parlaments durch innere Aufregun gen u ld Unruhen in Anspruch genommen war, dennoch diese An gelegenheiten in den Bereich ihrer Berathung und Fürsorge zog. ' 2*
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Heutzutage, wo die Verhältnisse für parlamentarische Verhandlungen schon viel günstiger liegen, wird zwar auch viel über Pädagogik ge sprochen, aber nichts gethan; es fehlt unsern Parlamenten eben die Einsicht in das Wesen und damit in die Wichtigkeit der Sache, sonst müßte wahrlich schon mehr geschafft sein. Die Hoffnungen des Comenius, die sich an diese Verhandlun gen knüpften, gingen nicht in Erfüllung. Der blutige Aufstand des katholischen Irland, welcher den Zweck hatte, die katholische Kirche auf der grünen Insel zur alleinherrschenden zu machen und der vielen tausend Protestanten das Leben kostete, sowie der Ausbruch der schrecklichen Zerwürfnisse zwischen König und Parlament, wel ches letztere in der großen Remonstranz dem Könige seine begange nen Ungesetzlichkeiten vorwarf, was den verheerenden Bürgerkrieg hervorrief, dem auch der König später zum Opfer fiel, veranlaßten Comenius, England wieder zu verlassen, ohne daß von den in Aus sicht genommenen Unternehmungen etwas ins Werk gesetzt wor den wäre. Aber schon in England war ihm ein neuer Hoffnungsstern aus Schweden erschienen und zwar in Form einer Einladung Ludwig de Geers, eines niederländischen Edelmannes, der damals in Norköping wohnte, wo er sich seiner ausgedehnten Handelsgeschäfte wegen seit etwa 12 Jahren niedergelassen hatte. L. de Geer hatte sich durch seine Handelsgeschäfte ein uner meßliches Vermögen erworben, so daß er auf seine eignen Kosten eine ganze Flotte ausrüsten und die Bedürfnisse eines Krieges allein bestreiten konnte. Von seinem Reichthum machte er den schönsten Gebrauch, indem er nicht blos Roth und Elend linderte, sondern auch rühmliche Unternehmungen freigebig unterstützte; Comenius nannte ihn deshalb den „ Großalmosenier von Europa". Auch die böhmischen und mährischen Vertriebenen hatten viele Wohlthaten von ihm empfangen. Durch den Verwalter seines Hauses in Amsterdam, Namens Hotton, hatte L. de Geer auch von Comenius und dessen pädago gischen Bestrebungen gehört. Als Comenius sich noch in England aufhielt, erhielt er für seine Person eine Einladung von de Geer, zu ihm nach Schweden zu kommen. Die erste Einladung hatte Comenius abgeschlagen; ersehe noch'
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nicht ab, wie bald er überhaupt von England abkommen könne, seine Gemeinde wünsche besonders seine Anwesenheit daselbst, weil er Hülfsmittel für sie nur allein da erwerben könne. Auch befinde er sich in London mit einigen Brüdern, die ihm in der Arbeit behülflich sein sollten. Nur in dem Fall, daß Herr von Geer die Unterhaltung auch dieser auf sich nehmen wollte, könne er von sei ner Gemeinde die Erlaubniß erhalten, sich zu ihm zu verfügen. Anfang Dezember 1641 schrieb er aber an Hotton, daß er wegen der Unruhen in England seinen Zweck vereitelt sehe; ein stilles Asyl sei ihm erwünscht. Herr von Geer wiederholte seine Anerbiemngen für des Comenius Person durch seinen Verwalter Hotton, worauf er in einem Briefe an diesen von 6. Februar 1642 die selben unter der Bedingung annehmen zu wollen erklärte, wenn ihm die Kosten für einen Mitarbeiter und für einen Gelehrten, der an dem pansophischen Werke arbeiten müsse, bewilligt würden. Sollte die Pansophie nämlich das werden, wozu sie angelegt sei, so erscheine es nöthig, daß Jemand Frankreich und Italien durch reise, da beobachte und berichte, was schon geleistet worden und ge leistet werde. Eine solche Reise werde 2 bis 3 Jahre dauern. „Für dieses Geschäft des Sammelns dessen, was noch nicht bekannt, weder Jedermann, noch auch mir bei meiner Beschäftigung leicht aufstößt, kenne ich unter allen Sterblichen keinen Geschickteren, als den Fundanius. Er ist mit einer scharfen Beobachtungsgabe für alle Einzelheiten und mit einem vorzüglichen Unheil ausgestattet. Wegen seines Geschmackes und seiner seltenen Bildung ist er ganz für den Umgang mit Gelehrten geschaffen, er weiß sich bei ihnen einzuschmeicheln, durch seine literarische Correspondenz hat er schon mit einigen der vorzüglichsten französischen Gelehrten, wie, mit Marsemus, Bekanntschaft gemacht und verschiedene Geheimnisse in der Physik, Mathematik und Mechanik aus andern entlockt. Sei also versichert, lieber Hotton, daß für jenes pansophische Werk nicht besser gesorgt werden kann, als wenn der Patron die Kosten für eine zwei- bis dreijährige pansophische (da philosophische zu wenig bedeuten würde) Reise zu tragen übernimmt. Was liegt übrigens daran, daß der Patron die eigenthümlichen religiösen Ansichten des Fundanius kennt? Hält er an ihnen fest, so thut er dies nur zu seinem Schaden, gibt er sie aber auf, wie ich hoffe, so ist dies nur
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für ihn vortheilhaft. Uns und unserm Werke sollen sie nicht nachtheilig werden." , Comenius kehrte aus London über Amsterdam nach Leiden zurück, berieth sich mit seiner Familie und seinen Freunden über de Geer's Antrag und folgte demselben, doch riethen ihm seine Freunde, sich nicht von der Ausarbeitung der Pansophie abbringen zu lassen. Im August 1642 segelte er, nachdem er von Herrn von Geer 100 Thaler Reisegeld erhalten hatte, nach Schweden und be gab sich zu de Geer nach Norköping, den er aber dort nicht antraf, da er nach Stockholm abgereist war. Da er von dem Wunsche be seelt war, die berühmte Königin Christine zu sehen, auch mit eini gen schwedischen Gelehrten, wie Johann Matthiä, dem später» Bischof, zusammen zu kommen, so reiste er nach Stockholm ab. Hier traf er mit dem Reichskanzler Oxenstierna und dem Kanzler der Universität Upsala, Johann Skyte, zusammen, mit denen er vier Tage lang verschiedene Unterredungen hatte. Ueber die Unterredungen mit Oxenstierna berichtet Raumer nach Comenius eigner Erzählung: Oxenstierna, der nordische Adler, habe ihn schärfer examinirt, als irgend ein Gelehrter. Ich bemerkte, sagte der große Kanzler, schon in meiner Jugend, daß die gewöhn liche Lehrweise etwas Gewaltsames sei, konnte aber nicht entdecken, worin der Fehler liege. Als mich endlich mein König, glorreichen Andenkens, als Gesandten nach Deutschland schickte, besprach ich mich hierüber mit mehreren Mannern. Da ich erfuhr, daß Ratichius mit einer neuen Methode umgehe, hatte ich keine Ruhe, bis ich den Mann selbst gesehen, der mir aber, statt eines Gesprächs, einen dicken Quartanten zu lesen gab. Ich überwand die mühsame Arbeit und nachdem ich das ganze Buch durchblättert, so ersah ich daraus, daß er die Gebrechen der Schulen nicht übel aufdecke, allein die Heilmittel, welche er dagegen vorschlug, schienen mir nicht hin reichend. Was Ihr aufstellt, ist fester gegründet. Ich antwortete, so viel als möglich hätte ich gethan und ich müsse nun zn etwas Anderem, nämlich von den didaktischen zu den pansophischen Studien übergehen; worauf Oxenstiern sagte: Ich weiß, daß Ihr etwas Grö ßeres vorhabt, denn ich habe Euern ?i«är«W«s pausopK!«,« gelesen; davon wollen wir morgen sprechen. — Am andern Tage habe sich Oxenstiern nun über jenen ?rogromos scharf ausgesprochen, indem
er die Frage vorausgeschickt, ob er auch Widerspruch vertragen könne. Da Comenius dies bejahte, so bestritt er dessen im Prodromos ge außerte große Hoffnungen mit tiefen politischen Gründen; auch berief er sich darauf, daß die heilige Schrift gegen das Ende der Welt vielmehr böse als schöne Zeiten zu verkündigen scheine, doch empfahl er dem Comenius seine Arbeit auszuführen, zuvörderst aber für das Bedürfniß der Schulen zu sorgen, eine leichtere Weise, das Latein zu lernen, auszuarbeiten, und eben dadurch dem Größeren, was er beabsichtige, Bahn zu machen. Auch Skyte*) drang in ihn, zunächst seine didaktischen Werke fortzusetzen, und zu diesem BeHufe nach Schweden zu ziehen; wenn er letzteres aber nicht wollte, so solle er sich wenigstens in der Nähe niederlassen, etwa in Elbing in Preußen. Da auch Herr de Geer, mit dem er zunächst nach Norköping zurückkehrte, in ihn drang, auf die Borschläge Orenstiern's und Skyte's einzugchen, so willigte er ein; er hoffte, diese didaktische Arbeit bald zu vollenden und dann' zur Ausarbeitung der Pansophie übergehen zu können. Diese den Schweden bewiesene Willfahrigkeit aber mißfiel in England. Seine englischen Freunde meinten, in der Didaktik fei schon genug zu Stande gebracht und was noch fehle, könnten An dere ergänzen. Solche Studien zur leichtern Erlernung der Spra chen dienten überhaupt nur den Knaben; ihm gezieme das Größere, die Pansophie auszuarbeiten, wozu kaum no,ch der Grund gelegt sei. Comenius schickte diesen Brief nach Schweden, in der Hoffnung, man werde dort beipflichten, aber dort bestand man darauf, daß er erst seine Didaktik vollenden solle; man schreite nicht vom Grö ßern zum Kleinern fort, und was zuerst zu vollenden sei, das müsse auch zuerst gethan werden. — Wir haben hier schon die Anfänge des Streites zwischen Humanismus und Realismus, wie man die Gegensätze später nannte, obgleich es nicht eigentlich Gegensätze sind. Die praktischen Engländer stellten sich auf die Seite des Realismus, indem sie eine Ausarbeitung der Pansophie, des Inbegriffs alles Wissenswerthen, verlangten, und in der Thal hat Comenius dadurch , *) Joh. Skyte war der Erzieher Gustav Adolfs gewesen; er starb 1645. Er war einer der gelehrtesten und angesehensten Männer seiner Zeit. Ihm verdankt die Universität Dorpat (1632) ihre Entstehung.
eine große Bedeutung in der Geschichte der Pädagogik, daß er der Anfänger und Begründer der realistischen Unterrichtsgegenstände ge worden ist; A. H. Francke und Basedow führten später die Sache weiter aus. — Da die Schweden auf der geschlossenen Uebereinkunft beharrten, so reiste Comenius nach Elbing ab und kam nach einer durch widrige Winde verzögerten Seereise in der zweiten Hälfte des Oktober dort an. Er erlangte vom Senate die Erlaubniß zum bleibenden Aufenthalte und micthete sich ein Haus. Nachdem er noch seine Familie von Lissa nach Elbing geholt hatte, ging er mit vier Gehülfen, dem Paul Cyrillus, Petrus Figulus, Daniel Petreus und Daniel Nigrinus, die Gindely jedoch als Männer von nur un tergeordneter wissenschaftlicher Bedeutung bezeichnet, an seine Arbeit. Herr de Geer spendete reichliche Gaben. Auf des Comenius Bitten hatte er nicht nur die Erhaltung zweier englischen Gelehrten, des schon genannten Hartlieb und eines gewissen Fundanius auf sich genommen, mit denen Comenius in England pansophische Studien betrieben hatte, sondern er hatte auch für die böhmischen Exulan ten in Polen und Ungarn je 500 Thaler gegeben. Im April 1643 schickte er dem Comenius 500 Wallonische Thaler, und zwei Mo nate darauf 1000 Thaler zur Vcriheilung unter Dürftige. Um seinen englischen Freunden zu genügen, schrieb Comenius seine weitläufigere ?ans«puia« älst^posls, die im Jahre 1643 in Danzig gedruckt wurde.. Seine hauptsächlichsten Studien aber waren den sprachlich-didaktischen Werken gewidmet, die er jedoch erst nach sechs Jahren (1648) in Elbing vollendete. Gindely berichtet ge nauer über diesen Elbinger Aufenthalt; ich gebe die Hauptsachen seiner Darstellung hier wieder. Um in seinen Arbeiten durch nichts gestört zu werden, beschloß Comenius, den Briefwechsel mit seinen zahlreichen Freunden auf ein Jahr abzubrechen. Dies meldete er den 26. Dezember 1643 dem Herrn Wolzogen, einem gebildeten Manne, der sich im Hause des Herrn de Geer aufhielt, mit der Bemerkung,, daß sein Patron natürlich davon ausgenommen sei, da dieser ein Recht besitze, von dem Fortgange seiner Arbeiten Kenntniß zu erhalten. Im folgenden Jahre (1643) wolle er mit Gottes Hülfe die ^anu«, lin^naium neu bearbeiten und mit einem nach ganz eignem Plane verfaßten Lexikon und einer Grammatik zu Ende bringen. Wofern ihm noch Zeit
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bleibe, wolle er die Grundzüge der Pansophie entwerfen. (Es ist dies die vorhin erwähnte ?Ä,us«pdis,e äist^pisis.) Eine Versuchung, seine Verbindung mit Herrn de Geer zu lösen, habe er glücklich überwunden. Dieselbe war von einem gewissen Nigrinus*), der ehe mals der erste Vorsteher der reformirten Gemeinde in Danzig ge wesen war, ausgegangen. Er hatte den Plan gefaßt, die Katholiken und Protestanten zu vereinen und ließ sich, reichlich vom polnischen Könige unterstützt, behufs der nöthigen Borbereitungen in Elbing nieder. Aus dem 1643 erfolgten offenen Uebernitt des Nigrinus zur katholischen Kirche läßt sich vielleicht auf die Art der Versuchung, die von Nigrinus dem Comenius bereitet worden war, schließen; auch spricht Comenius davon, daß die Versuchung mit diesem Ueberlritt vorüber gewesen sei. Im Juni 1643 schickte Comenius den Figulus nach Schweden, um durch diesen dem Herrn de Geer, dem Reichskanzler und dem Johann Matthiä über die bisher vollendeten Arbeiten Bericht zu er statten. Außerdem empfahl er den Figulus dem Herrn de Geer, daß er ihn auf seine Kosten an einer Universität studiren lasse. An den Joh. Matthia schickte er noch eine besondere Schrift im Manuskripte, nämlich die L^poWuemsta, über die Beilegung des Zwiespaltes zwischen allen Kirchen. In dem beigelegten Briefe sagt er, es dürfe deren genaueres Studium an der Zeit sein, da Ge sandte der verschiedenen Mächte wegen Friedensunterhandlungen nach Osnabrück geschickt werden sollten; wenigstens könnte der un selige und nie genug zu beklagende Zwiespalt zwischen den Evan gelischen gehoben werden. Als Comenius sich etwa acht Monate in Elbing aufgehalten hatte, liefen schon Klagen von Herrn de Geer ein, daß die Arbeiten nicht recht vorwärts gingen und' nichts durch den Druck veröffent licht würde. Auch Comenius, welcher kein festes Gehalt von Herrn de Geer bezog, beklagte sich in seinen Briefen bis 1650 öfters wegen nicht zureichender Unterstützung und wegen ungünstiger Beurtheilung seiner Thätigkeit. Später aber, seit dem Brande von Lissa 1656, *) Ob dies der oben erwähnte Gehülfe des Comenius war, den er später entließ, ist nicht wabrschcinlich, da der Mitarbeiter Nigrinus später den Nach laß des Comenius ordnete, was jedenfalls auf die Verbindung desselben mit Comenius bis an dessen Lebensende hinweist.
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wo Comenius nach Amsterdam sich begab, trat wieder ein schönes, nicht weiter getrübtes Verhältniß zwischen beiden ein. In Bezug auf die lautgewordenen Klagen schrieb Comenius an Wolzogen (unterm 18. September 1643): „Wir verfassen Bücher, schreiben sie nicht ab. Der Patron wird sicherlich seine Unterstützung nicht bereuen, dies verspreche ich; wir geben auch nicht ein Buch, sondern einen Schatz. Ich wollte nach dem Rathe Einiger die NetKoäus linAuaruW beendigen und veröffentlichen und sie dem Patron widmen. Der mißbilligt dies und jenes und meint, auf die realwissenschaftlichen Werke sei der größte Fleiß zu verwenden, die andern Kleinigkeiten könnten später beigefügt werden; man erwarte Großes und es sei Grund zu der Besorgniß vorhanden, daß ich in der Beschäftigung mit unbedeutenden Dingen vom Tode hingerafft werde. Ich selbst glaube, daß Alles besser vorwärts schreiten wird, wenn Alles gleichmäßig und Nichts abgerissen behandelt wird." Auch durch den Wechsel unter seinen Mitarbeitern wurde seine Arbeit verzögert. Figulus war nach Schweden gegangen, Nigrinus mußte entlassen werden, weil er ein schlechter Mensch war. Nun nahm Comenius einen Polen von Geburt, Melchior Zamorski, zum Mitarbeiter an, der sich mit seiner Familie in Elbing niederließ. Aber auch außerhalb Elbings hatte er Mitarbeiter, so den Dr. Kozak in Bremen, einen ausgezeichneten Physiker, dem er 50 Thaler Unter stützung sandte; er wünschte ihn sogar ganz nach Elbing zu ziehen und wenn der Patron ihm im kommenden Jahre so viel Unter stützung gewähren würde, wie in diesem, so sei der Unterhalt des Kozak gesichert, da er eine minder zahlreiche Familie habe, als er selbst. Einem gewissen Olyrius in England schickte er 1643 80 Thaler, da er auch für ihn arbeitete; auch dem Hartlieb über machte er 40 Pfund, eine Summe, die er von seinen englischen Freunden erhalten hatte. Da der Ruhm des Comenius viele Schüler dem Elbinger Gymnasium zuführte und einige angesehene Väter, sowie der Senat von Elbing an Comenius die Bitte richteten, einigen Kindern wöchent lich einige Unterrichtsstunden zu ertheilen, erklärte er sich hierzu bereit. Außerdem trat aber noch eine andere Abhaltung ein. Es war nämlich auf den August 1644 eine Generalversammlung zur Vereinigung der Evangelischen nach Orla in Lithauen anberaumt
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morden, zu der sich auch Comenius auf einige Wochen begab. Dem Herrn de Geer waren diese Verzögerungen unlieb gewesen, Comenius entschuldigte sich deshalb in einem Briefe an diesen, daß er seit zwei Jahren nichts von seinen didaktischen Arbeiten veröffentlicht habe; die Schwierigkeit des Gegenstandes lasse es nicht anders zu; in einem gleichzeitigen Briefe an Hotton aber, vom 18. September 1644, spricht er sich unwillig über die Unzufriedenheit des Herrn de Geer aus. Er weist darin die Beschuldigung der Uebernahme von zerstreuenden Geschäften, die die Beendigung seiner Arbeiten verzögerten, zurück. Die Reise nach Orla habe er doch unternehmen müssen, da er hauptfachlich Theolog sei; die Angriffe des abgefallenen Nigrinus hätten doch auch zurückgewiesen werden müssen und die Abfassung und Veröffentlichung dieser Schrift hätten ihm nur 7 Wochen Zeit gekostet; daß er dem Sohne eines angesehenen Privat mannes einige Unterrichtsstunden ertheile, geschehe nur auf dringen des Bitten des Elbinger Senates. Er gehe damit keine neuen Ver pflichtungen ein, da er sich dem Patron fest verpflichtet halte. Aus diesem Grunde habe er ein glänzendes Anerbieten des Fürsten Rakoczy ausgeschlagen, der ihm den vierten Theil seiner Einkünfte zur Ausführung seiner Pläne angeboten habe. So lange ihn der Patron nicht verlassen werde, wolle er auch an ihm festhalten. Dieses Jahr habe er keine Unterstützung von ihm verlangt, weil er wohl wisse, daß er anderweitig in Anspruch genommen werde. Er beklagt sich ferner über die Weigerung des Patrons, den genialen Di'. Kozal zu unterhalten; er schreibe dies dem Umstande zu, daß er dessen phantastische Meinungen mißbillige. Das hindere ihn aber nicht, denselben nach. Gebühr zu schätzen und ihn so lange zu unter stützen, bis er das in feinem Auftrage übernommene Werk, die 8paA^ri«, beendet haben werde. Gegen Ende des Jahres 1644 zeigte Comenius dem Herrn de Geer an, daß der Senat von Elbing ihm für die Zukunft die Miethe des Hauses geschenkt habe. Auch habe er zwei neue Mit arbeiter angenommen, Ravius und Ritschel, (welche jedoch seiner Ein ladung nicht folgten). Zugleich ersuchte er ihn, sich zu erklären, ob er ihn weiter unterstützen wolle oder nicht. Herr de Geer schickte ihm darauf 400 Thaler und die etwas gelockerte Verbindung wurde wieder fester, worauf ihm Comenius schrieb, die Ernte werde im
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Vergleich mit der Aussaat über alle Erwartung groß sein; die Ar beiten seien für alle Zukunft berechnet. Und Comenius hat sich hierin nicht getäuscht; er wußte, daß die Grundsätze, die er auf stellte, nicht blos für seine, sondern für alle Zeit Geltung behalten würden. Nur dieses Bewußtsein konnte ihn unter den vielen Müh seligkeiten und Entbehrungen, die er zu erdulden hatte, aufrecht er halten, daß er von seinen Arbeiten nicht abließ. Eine neue Unterbrechung seiner Arbeiten verursachte ihm das Colloquium zu Thorn, welches im Jahre 1645 zur Vereinigung der verschiedenen Kirchengemeinschaften anberaumt wurde und für welches sich auch der König Wladislaus von Polen lebhaft interefsirte. Comenius versprach sich zwar keinen Erfolg davon und als er er fuhr, daß die Stadt Danzig die beiden orthodoxen Lutheraner Botsak und Calovius dorthin delegirt habe, schrieb er an den Castellan von Chelm, Zbignaeus de Coraj (am 24. Februar 1645): „Möchten doch alle Sekten sammt ihren Gönnern und Beförderern zu Grunde gehen. Christo allein habe ich mich geweiht, den der Vater als Licht den Völkern gab, damit er das Heil Gottes auf der ganzen Erde sei; er kennt keine Sekten, sondern haßt sie, er gab den Seinigen Frieden und gegenseitige Liebe zum Erbe." Auch die Verhältnisse in England erzeugten in ihm den ernsten Wunsch, an dem Thorner Colloquium sich nicht zu betheiligen. Da indessen auch die Seinigen einige Vertreter absenden mußten, so unternahm er im April eine Reise nach Lissa, um sich mit ihnen über den einzuschlagenden Weg zu berathen. Seine geistlichen Kollegen standen auf sein Begehren von dem anfänglichen Wunsche ab, ihn nach Thorn abzusenden, aber die weltlichen Gemeindevertreter (politioi) verlangten es auf das Entschiedenste. Er bat deshalb den Herrn de Geer, ihn nach Schweden zu berufen, damit er einen genügenden Vorwand für seine Nichtbetheiligung besitze, da der Verlust an Zeit für ihn sehr bedeutend sein würde. Das Colloquium sei ohnedies ohne jede Frucht, es beginne mit Uneinigkeit, wie könne es zur Einigung führen? Die Danziger und Königsberger Lutheraner weigerten sich, an der Seite der Brüder zu stehen. Herr de Geer ging natürlich auf das Verlangen des Comenius ein und berief ihn nach Schweden. Indessen traten andere Um stände ein, die ihn veranlaßten, doch noch das Colloquium zu Thorn
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zu besuchen und nicht nach Schweden zu gehen. Im Juni 1645 schrieb er an Wolzogen, der Wunsch eines Mannes von hohem An sehn habe ihn genöthigt, zu bleiben, um sich am Thorner Gespräch zu betheiligen. Inzwischen arbeite er unausgesetzt an seinem Werke; dem Wunsche des Patrons, dasselbe dem schwedischen Reiche zu widmen, werde er insofern genugthun, als er es in seinem Namen thun werde; wem er aber das große Werk (opus prange), die Pansophie, widmen werde, ob dem menschlichen Geschlechte oder Europa oder den drei nordischen Reichen, wisse er noch nicht. (Auch in diesen Worten spricht sich das Bewußtsein von der weitreichenden Bedeutung seiner pädagogischen Bestrebungen aus und es ist ganz natürlich, daß er dieses Bewußtsein auch ausspricht, um eben seinen Ideen die möglichst weite Verbreitung zu verschaffen. Wir finden dies bei allen erhabenen Geistern, so z. B. auch bei Pestalozzi, ohne daß wir ihnen deshalb Eitelkeit vorwerfen dürften.) — Weiter be richtet er in diesem Briefe, daß er in dem Dr. Kinner einen tüch tigen Mitarbeiter gefunden und ihm 400 Thaler aufs Jahr ver sprochen habe. Aber Herr de Geer war gar nicht mit der Absicht des Comenius, nach Thorn zu gehen, zufrieden; er schrieb ihm deshalb einen Brief voller Vorwürfe über das durch ihn verschuldete langsame Vor schreiten der Arbeiten, welchen er in Thorn empfing, wo das Colloquium den 25. August begonnen hatte. Die in Thorn anwesenden Brüder schrieben deshalb selbst entschuldigend an Herrn de Geer, Comenius habe sich nur moralisch gezwungen nach Thorn begeben und sei eben im Begriffe gewesen, abzureisen, als der tadelnde Brief angelangt sei. Comenius verließ auck Thorn am 18. Sep tember wieder und schrieb sofort, nachdem er wieder in Elbing an langt war (am 12. Oktober), an Herrn de Geer und an Hotton. Der Brief an den Letztern athmet tiefen Unwillen über die Vor würfe des Patrons. Er sei gewillt gewesen, einen andern Lebens weg einzuschlagen und die bisherige Verbindung aufzugeben, wenn ihn nicht der rechtzeitig empfangene Brief des Hotton beschwichtigt hätte. Er dankt ihm und dem Sohne seines Patrons, Laurentius de Geer, für ihre Fürsprache bei Ludwig de Geer, nur deshalb habe er sich bemüht, an diesen in einer möglichst ruhigen Weise zu schreiben. In diesem Briefe bekämpft er die Meinung desselben.
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als seien zerstreuende Geschäfte daran schuld, daß er seit drei Jahren nichts veröffentlicht habe; aus einem so großen, in seinen Theilen eng zusammenhangenden Werke, könnten nicht Einzelnheiten heraus gerissen werden. Daß er den Dr. Kinner um einen so hohen Preis angeworben habe, werde ihm mit Unrecht vorgeworfen, denn er bestreite diese Ausgabe anderweitig, gerade so wie er die frühern Mitarbeiter aus Eigenem besoldet habe, da Herr de Geer nichts für sie gegeben habe. Wolle Herr de Geer ihn verlassen, so werde er doch nie seiner großen Wohlthaten vergessen und seine Schuld damit abtragen, daß er ihm jene didaktischen Arbeiten, die noch diesen Winter zum Druck kommen würden, widmen werde. Er für seine Person hoffe noch immer einen Wohlthäter zu finden; im Grunde aber beruhe alle seine Hoffnung auf Gott. Darauf schickte ihm Herr de Geer zu Anfang des Jahres 1646 wieder 500 Thaler für seine Person und eine gleiche Summe für die böhmischen Exulanten. Mit dieser Unterstützung und mit an dern mühsam erworbenen Mitteln arbeitete Comenius nun bis gegen Ende des Jahres 1646, wo endlich seine Arbeiten so weit gediehen waren, daß er mit ihnen nach Schweden reisen und sie dem Herrn de Geer persönlich überreichen konnte. Sie wurden drei von der schwedischen Regierung ernannten Commissarien zur Prüfung vorgelegt, welche sie billigten und zum Druck empfahlen, nach dem Comenius die letzte bessernde Hand an dieselben gelegt haben würde. Im Dezember desselben Jahres kehrte Comenius nach Elbing zurück, um seine Aufgabe zu vollenden, was nicht ohne viele Ent behrungen von feiner Seite geschehen sollte. Bis dahin hatten ihm nämlich auch die Vorsteher der reformirten Gemeinden in den Nieder landen eine Unterstütznng zukommen lassen, nun weigerten sich aber die Pastoren Caladrinus und Optebekms in ihrem Namen wegen des langsamen Fortschreitens der Arbeiten etwas herzugeben. Flehend» schrieb ihnen deshalb Comenius, er verlange ja nichts für sich, son-dern nur für seinen Mitarbeiter Ritschel, der in Roth sei. Es sei unbillig, ihn in Noch zu lassen, da selbst Herr de Geer sich vo« der Unmöglichkeit, bisher etwas zn veröffenilichen, überzeugt habe> Er sei genöthigt, jetzt fünf Hülfsarbeiter zu halten. Zum Schlüsse sagt er in einem Ausbruche bittern Schmerzes: <) aiuioi Lei, sZ
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cke tsm viäeieti8 nuäe, quam viäet, yui viäet omnia, quam von veniiet sivistri alic^ui<l susvioaii! Im Januar 1647 beklagte er sich auch bitter gegen Hartlieb über seine vielfachen Entbehrungen, die an den Zustand schmählicher Armuth grenzten. Er schickte ihm 50 Thaler für Ritschel, schreibt er, vielleicht würden die belgischen Pastoren das Uebrige zuschießen; er habe nicht mehr, auch die 50 Thaler habe er nur mühsam zu sammengescharrt. „Die bei mir sind, wissen, mit was für Sorgen ich zu kämpfen habe, und woher ich eine Erleichterung erwartete, daher habe ich eine kaum zu ertragende Last erhalten. ... Ich habe Dir schon früher geschrieben und wiederhole es in allem Ernste: Wenn ich allein geblieben wäre, so hätte ich mit Gottes Hülfe längst vollendet, was ich mir von Anfang an vorgenommen hatte. Denn die Ideen dazu hatte ich schon vor vierzehn Jahren im Prodromus niedergelegt und damals war mein Geist noch nach Arbeit begierig und so lange ich im Verborgenen arbeitete, war mir, da ich auf Gott allein mein Vertrauen setzte, Gottes Segen auch fühl bar nahe. Aber seit ich in die Oeffentlichkeit getreten bin und nach menschlicher Hülfe mich umschaute, seit ich, ich weiß nicht wie, öffentliches Gepränge zum Gegenstand meiner Mühen machte (vompam moliri), da wich die Lebenskraft des Geistes aus ihrem Mittelpunkte, wurde umhergetrieben und ward matt und welk; durch die Vielfältig keit der Pläne entstand Verwirrung und der Fortgang ließ merk lich nach. Ich weiß wohl, theuerster Hartlieb, daß Du die beste Absicht hattest, als Du mich ans Licht zogst, als Du mir die Gunst hoher Gönner (maeeeustrim) zuwendetest, als Du mir Gehülfen beigeselltest: aber sieh, wie die Sache so ganz anders gekommen ist, als wie wir wollten. Du hast mich in den Schmutz geworfen, aus dem ich selbst keinen Ausgang zu finden vermag, und Du kannst mir auch keinen zeigen. Mir selbst bezeugt es mein Gewissen, daß ich die mir dargebrachte Hülfe nie in einer unrechten Weise (swistrs Intention«), etwa um reich oder berühmt zu werden, oder wenigstens um weniger Mühe von der Arbeit zu haben und der Muße zu pflegen, angewandt habe, sondern zuerst weil ich Andern mehr zuzu schreiben pflege, als ich, so erwartete ich auch von Andern mehr, als von mir; endlich weil ich glaubte, auf die Sterblichkeit Rücksicht nehmen zu müssen, damit nicht, wenn Einer stürbe, ein so wichtiges
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Werk unterginge, sondern kräftig fortgesetzt würde, wenn auch Einem etwas Menschliches begegnete. In dieser Vorsicht kann ich keine Schuld erblicken, sondern nur eine Sorge für die Sache — und warum bleibt mir dennoch der Erfolg aus? Denn ich sehe nicht, daß durch die vielen abgehaltenen Zusammenkünfte ein be sonderes Licht in die Sache gebracht wäre, die ersten Ideen sind noch dieselben; ich sehe nicht, daß wir jetzt schneller vorwärts kommen, da wir Mehrere Hand anlegen, unser Werk stockt vielmehr; wenn wir nicht rückwärts schreiten, so drehen wir uns wenigstens im Kreise und so haben wir Aufenthalt ohne Ende und ich sehe schließlich nicht, was das zum Fortgange des Werkes beiträgt. Es wäre besser gewesen, das Werk zu vollenden und zu veröffentlichen und so die Funken eines besseren Lichtes auszustreuen, damit sie in begabteren Geistern Feuer singen und eine größere Verbreitung fänden. Da zu kommt noch, daß die Sorge für den Unterhalt derer, die ich aus Vorsorge zur Gemeinschaft der Arbeit eingeladen habe, mir so viel Unruhe macht, als mir das Werk selbst, wenn ich es selbst in aller Stille fortgesetzt hätte, nimmer bereitet hätte. Und was schlimmer ist, ich muß das beschämendste Bettlerleben führen ...*). Lieber sterben, als betteln! Wahrlich ich schäme mich, aus diesem Grunde Briefe zu schreiben und es soll dies auch der letzte an die belgischen Pastoren sein — ich schäme mich dieser Sache so sehr, daß ich lieber Mangel leide, als meinen Patron, der mir auch für dies Jahr Un terstützung zugesagt, bescheiden daran zu erinnern. Ich gedenke vielmehr, wenn ich die schwierigsten didaktischen Arbeiten hinter mir habe, zu irgend einem Amte mich zurückzuziehen und, von meinem eignen Brode lebend, das Uebrige in Zurückgezogenheit zu vollenden. Und ich möchte mir erlauben, auch Dir, lieber Hartlieb, zu rathen, daß Du Dir einen andern Lebensweg wählst und in einem bcsondcrn Amte Gott dienst. Denke bei Christus, ob Du nicht ein Leben der Martha lebst, indem Du Dich um allerhand und nach den verschiedensten Seiten hin bekümmerst? Und ob nicht eine Sache genügen würde, um Gort zu gefallen und doch dem Nächsten *) Der Satz lautet etwas unklar, auch von Gindel» mit einem Frage zeichen «ersehen, in der Urschrift: Lt czuoä ms^us vu<leuäam exeroer» luenäioitatem ««Simur, «dilti illius, <zuoä Kabot. —
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zu dienen? Nämlich ein sicheres Amt, in dem Du anstandig lebst, Gott und den Nächsten dienst und für Dich und die Deinigen sorgst. Sollten wir darin nicht der Maria nachahmen? .... Es kann sein, daß ich Deine Pläne noch nicht ganz verstehe, denn Du hast sie mir noch niemals hinlänglich deutlich dargelegt oder ich bin zu zu rückhaltend gewesen, danach zu fragen. Ich erinnere mich, daß Du „von einer Correspondentz-Kantzelei" geschrieben hast, aber was das sein soll, welchen Zweck es hat und welchen Nutzen, das sehe ich nicht ein; was es ist, wenn Du deswegen die Menschen daheim und in der Fremde bearbeitest und für eine so geringfügige Sache, (denn was Großes dabei sein soll, habe ich Dir schon gesagt, sehe ich nicht ein) Dir so viel Mühe und Sorgen machst und Dir un ermeßliche Arbeiten als Lohn Deiner Arbeiten aufbürdest. Du hattest mir geschrieben, ich sollte alles das Meinige abschreiben und Dir schicken, aber das kann jetzt nicht geschehen, da wir alle fünf mit den schwierigsten didaktischen Fragen («Ir««, »piuas äi«laetioas) beschäftigt sind und ich mein Gemüth ohne Verwirrung nicht auf Andres lenken könnte. Wenn wir uns dann an die Zu sammenstellung machen werden, dann wird es eher möglich sein, das Werk fortzusetzen und zur Vollendung zu bringen. Wenn dann der Tod kommt und die Arbeiten unterbricht, dann steht nichts im Wege, solches von der Hand meines Erben zu verlangen, umer denen mein Schwiegersohn («Mois) diesen meinen Rath, oder wenn Du lieber willst, mein Versprechen wohl kennen wird. Leb wohl und grüße den verehrungswürdigen D. Duraeus von mir; ich em pfehle mich seinem und Deinem Gebet und bitte, daß Christus Euch gegenseitig auch ferner durch seinen Geist leiten möge. Am 11. Januar 1647.
Comenius.
Das Jahr 1647 brachte Comenius mit der Verbesserung seiner Arbeiten zu und beendete sie so weit, daß sie zum Drucke reif er schienen. Eine am Schlusse dieses Jahres ihm von Herrn de Geer übersandte Summe von 500 Wallonischen Thalern half ihm aus nicht geringer Roth. Wenn Comenius trotz seiner gedrückten Lage doch nicht abließ von ver Ausführung seiner pädagogischen Pläne, so ist d> s, ganz abge sehen von seinem persönlichen Muthe der Selbstüberwindung, das
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beste Zeugniß, nicht blos für die Wahrheit und hohe Bedeutung der Sache, die er vertrat, sondern auch für die selbstlose Hingabe an das Wohl des Menschengeschlechtes. Denn er fühlte und wußte, daß feine Bestrebungen zur Hebung und Förderung der menschlichen Gesellschaft dienten und dieses Bewußtsein erhob ihn auch über die mancherlei peinlichen Lagen, in die er durch die Ausführung seiner Pläne versetzt wurde. Bevor er seine Arbeiten zum Druck befördern konnte, trat noch ein Ereigniß ein, welches denselben einen weiteren Aufenthalt brachte, ihn aber auch seiner abhängigen und drückenden Lage enthob. Im Anfange des Jahres 1648 starb nähmlich zu Lissa der oberste Senior und Bischof der Brüdergemeinde, Laurentius Justinus, im Alter von 78 Jahren. Zur Wahl eines neuen Bischofs mußte auch Comenius, als Senior, nach Lissa reisen. Die Wahl der Synode fiel auf ihn. Er war der letzte Bischof der Böhmischen Brüder; keinem Nachfolger ist dies Amt wieder übertragen. — Da er auch die Verpflichtungen, in deren Folge er Elbing zu seinem Aufenthaltsorte erkoren, gegen Herrn de Geer erfüllt hatte, so verließ er diese Stadt und siedelte wieder nach Lissa über. Hier veröffentlichte er nun die in Elbing vollbrachten Arbeiten, und zwar 1. Die neueste Spachenmethode, (NetKoäus Im^u«,ruW novissiras); 2. Das überarbeitete Sprachenthor, s^anu«, üiiFiiarum); 3. Das einführende lateinisch deutsche Lexikon, (I^exioou uusle Istlno-ASlWanienm); 4. Die lateinisch deutsche Grammatik, (lZrsmmatio«,1«,till« verns5. Den Vorhof zur lateinischen Sprache, (Atrium lin^uae 1»tinae, rerum et Ii'nAUs.rum «rnaments. exKidens). Zu den realwissenschaftlichen Werken hatte er, mit Ausnahme der Grundzüge der Pansophie, gar keine Vorarbeiten bisher gemacht. Für diese erwartete er Bedeutendes von den Leistungen des Metaphysikers Ritschel, doch klagte er, als ihm dieser später seine Arbeiten zuschickte, über Unklarheit derselben. Er selbst verlegte sich mit allem Eifer jetzt auf Philosophie und veröffentlichte 1649 durch den Druck
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ein Bruchstück einer Metaphysik. Da davon nur eine kleine An zahl Exemplare aufgelegt waren, so war es 1678 schon so selten, daß selbst seine nächsten Freunde Und Verwandten sich nicht mehr im Besitze eines solchen befanden. « Die vermehrte Sorge für seine zerstreute Gemeinde ließ ihn nicht zur Vollendung der Pansophie kommen; es fehlte ihm wohl auch das wissenschaftliche Material dazu, —. waren doch die reali stischen Wissenschaften noch in ihren ersten Stadien —, auch hatte die Mitwelt noch keinen Sinn für solche Bestrebungen, weil eben diese Wissenschaften noch keinen unmittelbaren Einfluß auf das prak tische Leben und darum auch keinen Werth für dasselbe hatten. Die Sprachen blieben nach wie vor das einzige Unterrichtsmittel, haupt sächlich die lateinische. Diese Einseitigkeit hat dem deutsch-nationalen Lehen große Nachtheile gebracht. Comenius hatte wenigstens eine Ahnung davon und auch darin zeigt sich die Höhe, von der aus er das Leben überschaute. Wir werden später auf seine Verbcsserungsvorschläge näher eingehen. — In dasselbe Jahr, in. welchem Comenius zum Bischof gewählt wurde und in dem er seine neuste Sprachenmethode herausgab, siel der Westfälische Friede. „Ihr habt", schreibt er deshalb an. die Fürsten in der Vorrede zur UetKoäus: „Vieles zerstört, o ihr Mäch tigen; erbauet nun wieder Vieles! Ahmet hierin dem nach, welcher euch an seiner Statt zu Verwaltern der menschlichen Angelegenheiten eingesetzt hat; er zerstört, um zu bauen; rettet, um zu pflanzen." — Um die Zeit des Abschlusses des westfälischen Friedens schrieb Comenius auch einige direkte Briefe an den Reichskanzler Oxenstierna, daß er sich, der vertriebenen böhmischen Briider annehmen möchte. „Die Bedrängten meines Volkes", heißt es in einem, waren der Hoffnung, ihr wäret von 'Gott erwählte Werkzeuge, der geistigen Schlächterei ein Ende zu machen. Darüber empfingen sie unzählige Versuchungen von jenen, die bei euch eine Geltung hatten, man würde entweder durch die Macht des Schwertes oder durch friedliche Verhandlungen beim Ende des Krieges unserer gedenken und uns mit allen anderen in den vorigen Zustand einsetzen. Nun sahen sie sich aber aufgegeben. Wo ist nun wohl bei Euch etwas für die Unglücklichen zu hoffen, wohin sind alle Eure heiligen Versprechungen gekommen, wie steht's mit Euren Betheuerungen, Ihr suchtet nichts,
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als die Befreiung der Unterdrückten? Sind wohl einige Tonnen Goldes der würdige Lohn solcher Bemühung, wenn man so viele Tausende, ja Myriaden Seelen in den Klauen des Antichrist stecken läßt? Wo ist bei Euch der Eifer Mosts, der dem Pharao, als er einen Theil des Gutes des Volkes freigeben, einen andern behalten wollte, sagte: Alle Heerden müßen mit uns, um Gott zu dienen, nicht eine Klaue bleibt zurück?" In einem andern Briefe vom 11. Oktober 1648 beklagt er sich, daß man trotz der bündigsten Versicherungen, wie sie Oxenstiern« dem Comenius selbst gegeben, seine des Evangeliums wegen ver folgten Landsleute sollten nie vergessen werden, dieselben dennoch verlassen und in den Traktaten zu Osnabrück aufgeopferi habe. „Was hilft es nun, da wir der Früchte des Friedens beraubi sind, daß wir Euch nach Gott als unsre Befreier angesehen haben, was hilft es uns, daß Ihr mit Hülfe unsrer Thränen siegtet, wenn Ihr, da es in Eurer Macht lag, uns aus unsrer Gefangenschafi zu befreien, neuerdings unsern Bedrängern uns ausliefert? Wae helfen alle die heiligen evangelischen Bündnisse, die unsere Vorfahren geschlossen, die durch das heilige Blut der Märtyrer befestigt sind? Was hilft es, daß Ihr uns aufgerufen, da Ihr Euch nicht darum kümmert, daß unser Königreich dem Evangelium wiedergegebenwerde?...Jch schreibe im Namen Vieler und durch ihr Weh klagen bewogen, knie ich zu Deinen Füßen und zu denen Deiner Königin und des ganzen heiligen Reichsrathes und beschwöre Euch bei den Wunden Christi, daß Ihr uns, die wir um Christi willen verfolgt sind, nicht ganz und gar verlasset." Seine flehentlichen Bitten und Vorstellungen fruchteten nichts, sie waren un^> blieben verlassen , die armen böhmischen Brüder, und heimathslos zerstreuten sie sich über die ganze Erde. Doch nein, in Gottes .Rathfchluß war es anders beschlossen. Aeußerlich zwar ginge» sie zu Grunde, aber ihr Geist sollte befruchtend fort wirken; sie sollten das Salz der Erde werden. Dieser für die Gemeinde der böhmischen Brüder so betrübende Umstand sollte zum Segen der Welt ausschlagen, denn die jungen Männer der Brüdergemeinde, welche nun keine Aussicht mehr hatten, in ihr Vaterland zurück zukehren', verbreiteten sich durch des Comenius Empfehlung über das ganze protestantische Europa und streuten da in stiller, be
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scheidener Wirksamkeit einen guten Samen für ein neues religiöses und pädagogisches Leben aus, der in spätern Jahren viele gute Früchte bringen sollte, wenn man auch diese Früchte nicht so bald und so sichtlich wahrnahm. Die Ausbreitung neuer Ideen und die Erneuerung des sittlichen Lebens macht nur langsame Fortschritte; oft scheinen die Keime ganz erstorben, bis sie plötzlich, wenn die Zeitumstände günstig sind, sich zu schönen Blüthen erheben: A. H. Francke, wie Basedow, diese scheinbaren Extreme, si« ruhen beide auf Comenius, ohne ihn freilich zu erreichen, und ebenso wurden Rousseau wie Pestalozzi von dem stillen Strom des geistigen Lebens getragen, der von Comenius über die ganze gebildete Welt sich ergoß; Pestalozzi aber steht ihm am nächsten, nur daß in ihm die pädagogischen Ideen des Comenius in viel ausgebildeterer Ge stalt erscheinen und, weil sie auf einen durch zwei Jahrhunderte zubereiteten Boden fallen, eine reichere Ernte verheißen. Ueber die Verbreitung der böhmischen Brüder berichtet Gindely, daß es damals kein Land des protestantischen Europa gegeben habe, wo nicht böhmische Brüder als Erzieher, Lehrer, Künstler und' Geist liche lebten. In der Schweiz fand man mehrere nach einander als Prediger bei reformirten Kirchen angestellt; in Polen gab es wenige Adelige protestantischer Konfession, die nicht einen von Comenius empfohlenen Erzieher gehabt hätten, mochte er nun ein Böhme oder ein Pole sein; in England waren für eine bestimmte Anzahl junger Böhmen von der Orforder Universität Stipendien gegründet, damit sie dort die für ihr Fortkommen nöthige Aus bildung erhalten konnten. Dieses Verhältniß dauerte auch noch geraume Zeit nach des Comenius Tode fort, bis iiber das Jahr 1680 hinaus; es erhielt sich überhaupt in Oxford am längsten eine Zuneigung für die Böhmen. Manche englische Namen daselbst mögen von Abkömmlingen derselben getragen werden. Die Böhmen standen in dem Rufe, gute Pädagogen zu sein, man nahm sie des halb gern als Lehrer an Gymnasien. So wandte sich noch nach des Comenius Tode der Vorstand der Schule zu Danzig an Nigrinus, der mit der Herausgäbe seines literarischen Nachlasses beschäftigt war, um Empfehlung von Lehrern. Die Böhmen zeich neten sich durch bedeutende sprachliche Kenntnisse a^s; Viele 'von ihnen sprachen böhmisch, polnisch, deutsch, lateinisch, zumeist englisch.
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und auch das Französische war ihnen vielfach bekannt, soweit der vorhandene Briefwechsel ein Unheil darüber gestattet. — Die Thätigkeit für seine Gemeinde zog Comenius zunächst wieder von seinen pädagogischen Studien ab, da er sowohl für die innere Erbauung der Gemeinde, als auch für Beschaffung weiteren weltlichen Schutzes zu sorgen hatte. Vorzüglich lastete die Sorge für die Zerstreuten in einem weit höheren Grade auf ihm, wie ehedem. Auch die Adeligen, die sich in keiner Weise ernähren konnten, mußten von ihm Unterstützung erhalten. Es war für Comenius keine leichte Sache, die Ansprüche aller Fordernden zu befriedigen und mancher Undank war der Lohn für seine Bemühung. Auch seine schriftstellerische Thätigkeit war den kirchlichen Angelegen heilen gewidmet. Schon 1647 hatte er die Geschickte der Ver folgungen herausgegeben; 1649 erschien zu Lissa „das achte Buch der Brüdergeschichte des Herrn Lasitius", lateinisch und tschechisch *), endlich „das Testament der sterbenden Mutter Bruderunität" in tschechischer Sprache. Da der Reichskanzler Oxenstierna sich durch die Schreiben, die Comenius in Veranlassung des westfälischen Friedens in Betreff seiner Gemeinde an ihn gerichtet hatte, beleidigt fühlte, so schrieb Comenius, als die Gemahlin des Kanzlers gestorben war, einen Beileids- und Trostbrief an ihn und nahm diese Gelegenheit gleich wahr, um sich bei ihm wegen seiner srühern, im hestig be wegten Gemüthszustande geschriebenen Worte zu entschuldigen. Die betreffende Stelle lautet: „Ich komme auf die Beleidigung, die Du in meinem Klagebriefe gefunden hast: wenn sich irgend ein unkluges Wort, wenn sich ein zu ungeduldiger Affekt hineingemischt hatte, so bitte tch meine Schuld ab, die in der frischen Wunde, nicht im überlegenden Verstande ihren Ursprung nahm. Undankbarkeit, eine die menschliche Verachtung verdienende Sünde, sei ferne von mir und den Meinigen. Wir haben vernommen, daß Ihr unsre Sache habt betreiben wollen, nicht aber unsre Nächsten. Gott sei Nichter. Mein Schmerz, den ich Dir damals ausdrückte, war nicht der eines *) Ich referire hier nach dm Angaben Palacky's, kann aber nicht sagen, welchen Antheil. Comenius an dieser Arbeit hatte. Es soll die kirchliche Ein richtung der Brüdergemeinde apologetisch behandeln ; Gindely berichtet, Come nius habe das Werk nur in Druck gegeben.
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einzelnen Mannes (und er ist es auch jetzt nicht); sondern ein allgemeiner. Nicht weil ich mich verlassen fühlte, oder ein Theil meiner Glaubensgenossen, sondern ein ganzes Volk. Wie groß bei einer solchen Gelegenheit der Eifer und Schmerz eines Apostels Paulus war, geht aus Rom. 9, 1. 2. 3 hervor, wie groß beim Moses, aus Exod. 32. 33. Es ist dies ein Ausschreiten des Schmerzes, das Gott aber dennoch nicht mißbilligt, weil es von einem Ausschreiten der Liebe kommt, das Gott, der selbst die Liebe ist, nie mißbilligen kann. Wenn also Gott die Klagen erträgt, ja ihnen sogar fein Erbarmen zuwendet, (wie es der Herr an dem Beispiele des un gerechten Richters beweist), warum sollen wir die Aufwallungen unserer flehendlichen Vitien niederhalten? Noch hat unser Gott die Macht, unsern Nachbarn zu zeigen, wie sie sich selbst aufgegeben haben, indem sie unsere Sache aufgaben. Wir aber, wenn wir bei Menschen keinen Trost finden, so werden wir ihn bei Gott haben, dessen Hülfe da anzufangen pflegt, wo die menschliche auf hört, wie der Jude Philo sagt. Endlich wenn das gegenwärtige Leben keinen Trost bringt, so wird ihn jenes folgende bringen, zu welchem der Herzog des Lebens die Seinen auf dem schmalen Wege führt, auf dem er selbst vorangegangen. Aber wir werden auch einen Vortheil davon haben: dies Unglück soll uns tugendhafter machen. Weise sagt Epiktet: Einen andern in seinem Unglücke anklagen, kann nur ein unerfahrner Mensch; sich selbst, wer Er fahrung zu machen anfängt; weder Andere noch sich, das zeugt von Erfahrung und Weisheit. So war es unsre eigne Beschränktheit, Andere in unserm Unglücke anzuklagen, anstatt unsre eigne Unbußfertigkeit und Trägheit. Das hat mir Gelegenheit gegeben, eine Schrift zu veröffentlichen, welche ich Eurer Excellenz sende (wahrschein lich das 8. Buch der Brüdergeschichte von Lasitius); es hat den Zweck, die Unsern, die schon in einer gewissen Erstarrung sich be finden, wenn es geht, noch zur Buße zu erwecken. Es ist ein solcher Gegenstand gewählt, der hoffentlich bei den Unsern etwas ausrichten und zugleich bei den andern Theilhabern am Evangelio eine Frucht bringen wird. Wenn es Dir nicht unangenehm ist, es zu lesen (soweit die Sorgen um das öffentliche Wohl es gestatten — denn auch hier handelt es sich um eine allgemeine Sache, das Heil der Kirche, das auf irgend eine Weise zu fördern ist, und der
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Völker überhaupt), so glaube ich sicher, es wird Dich nicht gereuen, es gelesen zu haben. Leb wohl, Du weiser und tapferer Held. Das sei die Krone Deines Alters, solche Thaten vollbracht zu haben, denen die Krone des Lebens verheißen ist. Christus möge Dich mehr und mehr erfüllen mit seinem Geiste, dem Geiste der Weis heit, des Rathcs, der Stärke. Amen! Amen! Amen! So fleht fort und fort Dein ergebener Schützling Comenius. Am 1. November 1649. Wenn der briefliche Verkehr zwischen Comenius und Oxenstierna auch fortdauerte, so war und blieb das Verhältniß zwischen beiden doch gestört. Alle Briefe des Comenius durchklingt von jetzt ab ein tiefer Ton der ergreifenden Klage. Das Werk des Lasitins hatte er, außer an den Reichskanzler, auch noch an Wolzogen und an Tobias Andrea geschickt. Aber er erlangte nichts, als ein armseliges Almosen. Die Königin fande ihm 200 Thaler und seinem Schwieger sohne 50 Thaler. Zu gleicher Zeit erhielt er auch von Herrn de Geer für sich 400 Thaler, für seinen Schwiegersohn 200 Thaler und für Arme 158 Thaler. Die letzte didaktische Schrift des Comenius, NetKoSus liuKUarnW vovissinm, von wissenschaftlichen Autoritäten anerkannt und empfohlen, sowie durch die Theilnahme und Fürsorge berühmter Staatsmänner und handelspolitischer Größen in ihrer Bedeutung noch erhöht, brachte den Verfasser in Berührung mit noch an dern hervorragenden Männern seiner Zeit. So schickte aus Polen der angesehene und gelehrte Herzog von Posen, Christoph Opalinsky von Bnin, als er in seiner Stadt Sirak ein neues Gymnasium gründete, den Rektor desselben zu Comenius, um dessen Lehrweise kennen zu lernen und in die neue Schule einzuführen. In Folge davon gelangte auch die Schule zu einer hohen Blüthe, leider aber wurde sie schon 1655 bei dem unerwarteten Einfalle der Schweden in Polen aufgelöst. ' Wichtiger jedoch war ein Antrag, der ihm vom Fürsten Rakoczy, welcher damals Siebenbürgen und den angrenzenden Theil von Ungarn beherrschte, gemacht wurde. Dieser Fürst war von seinem frühern Erzieher Johann Tolnai, einem aufgeklärten Manne, Rektor der Schule zu Saros Patak am Bodrog, auf die Wichtigkeit der
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Lehrweise des Comenius aufmerksam gemacht worden 'und lud im Verein mit feiner gebildeten Mutter, der verwittweten Susanne Lorandfi, in mehreren Briefen den Comenius ein, zur Reformirung des Schulwesens zu ihm zu kommen. Da dieser Fürst schon vielen vertriebenen böhmischen und mährischen Brüdern Aufnahme und Schutz gewährt hatte, so hielt es Comenius auch aus diesem Grunde für seine Pflicht, der Aufforderung Folge zu leisten. Er begab sich deshalb in Uebereinstimmung mit den Seinen und den Mitgliedern der Brüdergemeinde im Mai 1650 nach Patak. Unterwegs wurde ihm von dem Vorsitzenden des fürstlichen Ruthes, Andreas von Klobusie, ganz unerwartet der Vorschlag ge macht, sich sammt den Seinigen ganz in Ungarn niederzulassen und nicht mehr nach Polen zurückzukehren; er ging jedoch nicht auf diesen Antrag ein, sagte aber in Tokay auf viele Bitten zu, einige Jahre in Ungarn zu bleiben, um eine Schule einzurichten, unter der Bcdingnng, daß Herr de Geer, dem er ja noch verpflichtet war, feine Einwilligung dazu gebe und daß für diese neue Schule in Patak nicht nur die nöthigen Mittel, sondern auch eine Bibliothek, ein naturwissenschaftliches Md technisches Kabinet und eine Buch druckerei eingerichtet würde. — Ich mache vorzüglich auf das natur wissenschaftliche und technische Kabinet aufmerksam, eine für die da malige Zeit ganz unerhörte Forderung, weil es die Einsicht des Comenius in die Nothwendigkeit der realistischen Studien in den Schulen und seine desfallsigen Bestrebungen, die Schnlen mehr dem Leben zu nähern, klar legt. Der eifrige und wahrhaft aufgeklärte junge Fürst Siegmund ging auf alle Bedingungen ein, so daß Comenius, nachdem er auf kurze Zeit nach Lissa zurückgekehrt war, im Herbst desselben Jahres mit seiner ganzen Familie nach Saros Patak übersiedelte. Leider starb der Fürst schon 1652 und die Angelegenheit gerieth ins Stocken. Nur die drei untersten Klassen waren errichtet worden; Comenius hatte die Schule auf sieben Klassen berechnet, aber der ungarische Adel wollte die vier übrigen nicht, zum großen Verdruß des Comenius. Er sah seine Wirksamkeit hier also gehemmt, doch blieb er, um die Anfänge nicht auch untergehen zu lassen, auf Zureden der fürstlichen Mutter und ihres ältesten Sohnes noch zwei Jahre in Patak, wo er aber (Juni 1654) wegen dringender, kirchliM^
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Angelegenheiten mit den Seinigen nach Lissa zurückkehrte. Die Schule zu Patak gerieth in Folge einer in den obern Theilen Ungarns (1655) ausgebrochenen Pest, die das Kollegium und die Schüler auseinander trieb, in Verfall, doch ging auch hier mancher von Comenius ausgestreute Samen später von selber auf und trug gute Früchte. Auch noch jetzt besteht dort neben einem katholischen Gymnasium ein reformirtes Kollegium. Wahrend seines dreijährigen Aufenthaltes in Patak schrieb Co menius mehrere didaktische Schriften, darunter die merkwürdige LeKoIa tuäus, das ^trium^) und den so berühmt gewordenen Orbis piotus**), dessen erste Ausgabe 1657 bei Endter in Nürn berg erschien. Die zweite folgte schon 1659 und seitdem ist der selbe in verschiedenen Ueberarbeitungen ein Lieblingsbuch der Jugend geblieben bis auf den heutigen Tag. Auch in Lissa sollte Comenius keine lange Ruhe genießen, ja es traf ihn hier sogar ein schwererer Schicksalsschlag, als damals, wo er mit seinen Glaubensbrüdern aus Böhmen fliehen mußte. Im Jahre 1655 überzog Karl X. Gustav, König von Schweden, das durch innere Parteiungen zerrissene Königreich Polen mit Krieg, eroberte Warschau und Krakau und machte sich nach der Flucht des Polenkönigs Johann Casimir als Oberherr zum Herrn von fast ganz Polen. Auch Lissa, der Hauptsitz der böhmischen Ver bannten, unterwarf sich den Schweden. Aber am ersten April 1656 eroberte es ein polnisches Heer wieder, verwandelte die ganze Stadt in einen Aschenhaufen und vertrieb alle Einwohner, die durch die Flucht kaum das nackte Leben retteten. Unter den Vertriebenen be-
*) Das Atrium zerfällt in drei Theile, eine Grammatik, einen 'I'extus und ein Lexikon. Die Grammatik faßt er hier als eine eleAsnter loqueuSi ars, sie ist also mehr eine Rhetorik; ihr folgt der I'extus, 10« Abschnitte in 100« Paragraphen, eine Encvklopädie, welche in kurzen Sätzen von den Dingen der Welt handelt; der dritte Thcil ist nicht vollendet. *) Der Titel der zweiten Ausgabe lautet: ^. (üomenii Ordis sensnalium pietu», Koe est omniuin tunckamentÄliuin in ivunöo rerum et in vits setionuW, ?ieturs et Komenelatura. Lckiti« seeuncka, multo emsteulatior et emenckatior. NoriderAaS, 1°vpis et sumptidus KlieKselis LnSteri. 15S1, Die sichtbare Welt, das ist aller vornehmsten Welt-Dinge und Lebensverrichtungen Vorbild und Benahmung."
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fand sich auch Comenius mit seiner Gemeinde. Diese Verwüstungen beschreibt Comenius selbst in seinem Lxoiäium I^esua«. 1656. Man hat Comenius und die böhmischen Brüder beschuldigt, daß sie mit den Schweden Geneinschaft gemacht und sich deshalb ihr Unglück selbst zugezogen hätten. Palacky will zwar die Möglichkeit nicht bestreiten, daß Comenius sich nicht nur wegen ihres verwandten Gottesdienstes, sondern auch aus alter Bekanntschaft freundlicher gegen die Schweden benommen haben könnte, als es sich gegen Feinde des Vaterlandes schicke, doch ist er bei dem Fehlen glaubwürdiger Beweise eher geneigt, diese unbestimmten und unbegründeten An klagen nur persönlichen Feindschaften zuzuschreiben und wir stimmen ihm darin bei; denn abgesehen von dem zarten Takt, den Comenius in den verschiedensten Lebenslagen offenbart hat,' abgesehen davon, daß er sich nie in die Händel der Welt mischte, sondern ihnen aus dem Wege ging, wo er nur konnte^ abgesehen ferner davon, daß sein klarer politischer Blick ihn auf einen möglichen Umschwung der Dinge und damit auf die nicht ausbleibende Rache der Polen hin weisen mußte, widerspricht ein solches Auftreten anch dem durchaus edeln Charakter des Comenius, der gegen sein neues Vaterland, wo er mit den Seinen Zuflucht, Unterstützung und Schutz gefunden, nicht so undankbar handeln konnte, daß er mit dessen Feinden sich ins Einvernehmen gesetzt hatte oder ihnen wohl gar zur Besiegung der Polen behülflich gewesen wäre. Aber der Schlag war sehr hart. Denn Comenius verlor da mit nicht nur die für sich und die Seinen gefundene Ruhestätte, er mußte auch die Zerstreuung seiner Gemeinde und damit die sich voll ziehende Auflösung derselben vor sich gehen sehen. Mit seiner Habe aber ging auch der größte Theil seiner Handschriften verloren, die Arbeit von mehr als zwanzig Jahren. Am meisten beklagte er den Verlust dessen, was er zur Ausführung seiner Gedanken über die Pansophie geschrieben und das Material zu seinem tschechisch-la teinischen und lateinisch-tschechischen Wörterbuche. Nur einige feiner kleineren Handschriften hatte er retten können, indem er dieselben bei der herrannahenden Gefahr in eine Grube warf und mit den Händen Erde darüber scharrte; freilich hatte er ohne Auswahl in aller Eile nur das bergen können, was ihm der Zufall gerade in die Hände gab.
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Comenius flüchtete mit den Seinen zunächst in das nahe Schlesien, wo sie auf dem Gute eines Edelmannes ein vorläufiges Unterkommen fanden. Dieser ließ auch zehn Tage nach der Zerstörung Lissa's durch seine Leute die vergrabenen Schriften des Comenius holen »nd stellte sie ihm zu. Von jetzt ab trennte sich die böhmische Ge meinde ganz und zerstreute sich nach Preußen, der Mark, der Lausitz, nach Sachsen, Ungarn, Holland und andern Ländern. Sie hat sich seitdem nie mehr vereinigt. Nach des Comenius Tode schlössen sie sich den evangelischen Kirchengemeinschaften an. Comenius selbst zog nach Frankfurt a. d. O. und von da wegen der ausgebrochenen Pest nach Hamburg. Hier machte ihm Lauren tius de Geer, der Sohn Ludwig's, den Vorschlag, zu ihm nach Amsterdam zu kommen und er nahm das freundliche Anerbieten an. In seinem 64. Lebensjahre (1656) siedelte er nach Amsterdam über, um hier endlich für seine letzten Jahre eine bleibende Ruhe stätte zu finden. Ueber die letzten Schicksale schreibt Comenius an Harsdörffer*) am 1. September 1656 von Amsterdam aus: „Nach dem Unglücke in Polen und Lissa habe ich all mein Gut verloren und kam so zu sagen nackt nach Schlesien. Da ich aber auch dort nicht sicher war, ging ich in die benachbarte Mark; von da reiste ich nach Stettin, dann nach Hamburg, wo ich zwei Monate krank lag. Nach man cherlei Zufällen und Schwierigkeiten kam ich endlich nach Amster dam. Hier bin ich, wohin mich die Gewalt des Schicksals verschla gen hat, aber unter Freunden und Gönnern, die mich gütig em pfingen. Mein MäcenaS, der schon seit zwölf Jahren meine pansophischen Studien unterstützt, hört auch jetzt nicht auf, freigebig und gütig gegen mich zu sein, so daß ich mich zu erholen anfange, ja ich kann sagen, ich befinde mich hier ganz wohl; nur zweierlei betrübt mich, einmal die Abwesenheit meiner Familie, die noch in der Mark weilt und der Verlust meiner ganzen Bibliothek und fast aller Handschriften, das Resultat einer fast vierzigjährigen Arbeit." Dem Hessenthaler schildert er seinen literarischen Verlust aus*) Georg Philipp Harsd'örffer, geb. IS«? zu Nürnberg, geft. 1S5S. Seine Gelehrsamkeit erregte allgemeine Bewunderung und verschaffte ihm viele Be° Kniltschasten. Er gelangte in seiner Vaterstadt zu den höchsten Ehrenftellen und ist bekannt als Hauptstister des Blumenordens an der Pegnitz.
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führlicher (1. September 1656); alle seine pansophischen Arbeiten, die schon druckfertig gewesen seien, habe er verloren, dann den pansophischen Wald (sz?lvam pausopKieam), einen Schatz an De finitionen, einen vollständigen lateinisch-böhmischen und böhmisch-laieinischen Thesaurus, ein Werk vierzigjähriger Arbeit, außerdem Predigten, die er als Diener der Kirche bei ordentlichen und außer ordentlichen Gelegenheiten gehalten habe, die der Trost feines Alters und das Erbe seines Sohnes hätten sein sollen. Nur ein einziges Fragment seines pansophischen Werkes sei gerettet. Er ersuchte deshalb seine Freunde, ihm einige entbehrliche Bücher zu schenken; so könne er wieder durch vereinte Bemühung in den Besitz einer Bibliothek kommen. Im August 1656 ließ er auch seine Familie nach Amsterdam kommen. In dieser blühenden und berühmten Stadt wurde er mit großer Freundlichkeit und Achtung aufgenommen, nicht blos von der Familie de Geer, sondern auch von andern angesehenen Männern der städtischen Verwaltung, des Handelsstandes und der Wissen schaft. Man freute sich, einen Mann, dessen Wirksamkeit eine so weite Anerkennung gefunden habe, unter sich zu haben, und hoffte von seinem Aufenthalte auch für die dortigen Schulen manches Er sprießliche. Ein Beschluß des Amsterdamer Senates war besonders ehrenvoll für ihn; man ersuchte ihn darin, Alles, was er in päda gogischer Beziehung herausgegeben, zu sammeln und nochmals zu veröffentlichen, da seine Schriften in Amsterdam nicht mehr zu haben seien. Für die Gesamtausgabe seiner pädagogischen Werke erbot sich Laurentius de Geer die Kosten zu übernehmen und so ging Comenius schon im Jahre 1657 an die Ausführung dieses für die damalige Zeit großen Unternehmens und gab sie unter dem Titel: ^. ^. (Zomenii Oper«, äiä«,«tie«, omni«,, vsiüs üueusHue »««asionibus soripta, äiversisyue luois eäits, nune autem n«u tsmtuin in unum, ut sinml sint, eolleota, seä et ultimo e«i>«,tn in ödstems unum me«Kauioe o«nstru«tuW, recksota. ^msteräsmi impeosis l>. 1iaurentii äe Heer exeuäerunt LKristopKorus Oonraäus et Lisbriel » L«?. ^un« 1657.« 4 Voll. ?olio. — Die bisherigen Schriften füllten drei Bände, in einem vierten fügte er noch die neuern Schriften
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hinzu, hie er in Amsterdam verfaßt hatte, und widmete das ganze Werk der berühmten Stadt Amsterdam und ihrem Magistrat. Wir haben hier noch einer Schwäche des Comenius zu ge denken, die damals überhaupt weit verbreitet war, und die ihm heftige Angriffe von Seiten seiner Feinde zuzog. In schwer bedrängten Zeiten regt sich im Menschen die leb hafteste Sehnsucht nach besseren Tagen; diese Sehnsucht wird zur Hoffnung und diese Hoffnung läßt leicht das, was man wünscht, als in der Zukunft schon bestimmt erscheinen; es entstehen Weis sagungen, und die allgemeine Erregung, die durch den Druck der Zeit herbeigeführt wird, läßt dieselben auch leicht glauben. Die Geschichte lehrt, daß gerade in den Zeiten der Angst und Noch die meisten Versuche gemacht werden, den Schleier zu heben, mit dem ein gütiges Geschick die kommenden Tage verhüllt hat, und daß der gleichen Enthüllungen der Zukunft dann auch am leichtesten Glau ben und Beifall finden, da die Unruhe des Herzens den Verstand , nicht zu einer klaren Betrachtung der Verhältnisse gelangen läßt. Vergegenwärtigen wir uns die trostlose Lage jener Zeit: die fortwährenden Kriege mit ihren Verheerungen, die epidemischen Krank heiten mit ihrem Kummer und Schrecken; vergegenwärtigen wir uns die furchtbare Bedrängniß und die Gefahren, in denen Comenius mit seiner Gemeinde fast sein ganzes Leben hindurch sich befand; vergegenwärtigen wir uns die gänzliche Auflösung und den gewissen Untergang derselben; vergegenwärtigen wir uns dazu das empfängliche Gemüth des Comenius: dürfen wir uns wundern, wenn auch er dieser Schwäche der Zeit nicht widerstand, sondern sich öfter in die Gemeinschaft von Hellsehern und Hellseherinnen begab, sie unter stützte, ja zuletzt sogar eine Schrift eines solchen veröffentlichte? Wollen wir den liebenswürdigen, stets für das Gute begeisterten Greis ob dieser Schwäche verdammen? Wollen wir ihm deshalb eine sittliche Religiosität absprechen und seine ganze Wirksamkeit als eine verfehlte bezeichnen? — Haben nicht auch die Apostel die Wieder kunft ihres Herrn noch bei ihren Lebzeiten erwartet und dieser Er wartung auch schriftlich Ausdruck gegeben? Soll deshalb das Evan gelium etwas von seiner Kraft und Wahrheit einbüßen? Doch nun zur Sache. Comenius hatte schon 1626 in Görlitz, als er als Gesandter nach Polen ging, die Bekanntschaft mit einem
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sogenannten Propheten gemacht, einem Gerber ans Sprottau in der Lausitz, Namens Kotter, und war mit ihm in Verbindung getreten; auch andere derartige Propheten, Drabik*), der 1671 zu Preßburg hingerichtet wurde, und Anloinette Bourignon fanden an ihm einen Anhänger, ja die Hellseherin Juliana PonatowÄa, wahrscheinlich eine magnetische Person, lebte in Lissa sogar in des Comenius Hause. Im Jahre 1657 nun ließ Comenius die Weissagungen dieser Per sonen unter dem Titel: „Licht in der Finsterniß" (I^ux in tenebris) drucken. Die Weissagungen waren in ihrem Kern gegen den Papst und das Haus Oesterreich gerichtet, — und es gehörte ja nur ein klarer psychologischer und politischer, auf dem sittlichen Hintergrunde des Evangeliums ruhender Blick dazu, um das Schicksal dieser beiden Machte zu erkennen; — aber in ihren speziellen Ausfüh rungen waren sie natürlich ganz verfehlt, , z. B. daß die Türken Wien und Rom erobern würden, daß 1672 der Anfang des tausend jährigen Reiches eintreten werde u. dergl. m. — Der Sturm und Hie Streitigkeiten, die hauptsächlich wieder von jenen finstern Mächten erregt wurden, denen das Licht des Evangeliums überhaupt ein Greuel war und die unter dem Mantel ritterlicher Kämpfer gegen falsche Weissagungen, gegen Licht und Wahrheit selbst kämpften, verbitterten die letzten Lebensjahre des vielgeprüften Erdenpilgers sehr. Wir sehen natürlich über solche Schwärmereien hinweg, denn wir wissen das Verfehlte von dem Wahren im Wirken des Comenius wohl zu unterscheiden. Georg Müller sagt in Bezug auf diese Schrift: „Ist es ihm, dem Wahrheit und Religionsfreiheit so sehr am Herzen lag und der sie allenthalben gewaltsam unterdrückt sah, so sehr zu verargen, wenn er jede bessere Aussicht begierig ergriff, und in einer liebenswürdigen Schwärmerei der Hoffnung die Zeit der Erlösung näher sah, als sie nach dem Rathe der Vorsehung kommen sollte?" **) *) Den Drabik hatte er 1S5« auf seiner Reise nach Ungarn kennen gelernt; derselbe hatte aber schon 1643 seine Prophezeiungen an Comenius gesandt Er war 15»« geboren, war früher Priester gewesen, lebte in Ungarn aber vom Tuchhandel. Seine Feinde schildern ihn als einen Bettüger und Trun kenbold. Gindcly berichtet sehr eingehend über seine prophetische Thätigkcit S. 31 u, figde. Er gestand später selbst seine aus Egoismus ins Werk ge setzten Betrügereien ein. **) Raumer, Geschichte der Pädagogik, II. Band, S. SS,
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Daß Comenius sich nicht ganz und gar dieser Schwärmerei hingegeben hatte, beweisen seine andern Schriften, auch die aus den letzten Jahren. Er sorgte nicht nur für die materielle Unter stützung und geistliche Erbauung seiner Gemeinde, indem er 1658 ein Gesangbuch, 1660 einen Abriß ihrer Geschichte, Gebräuche und ihrer Disziplin und 1661 einen Katechismus herausgab; auch an dem Frieden aller Konfessionen arbeitete er und sandte zu diesem Behufe 1667 an den Kongreß der englischen und holländischen Ab gesandten in Breda eine Schrift: „Engel des Friedens", obwohl ihn seine Feinde auch wegen solcher Bestrebungen verspotteten. Er hatte sich schon früher um die Einigung der verschiedenen Konfes sionen, wiewohl vergeblich, bemüht und wohnte zu diesem Zwecke auch dem Colloquium in Thorn (1645) bei, welches eine Vereinigung zwischen Katholiken und Protestanten herbeiführen wollte. Sein sehnlichster Wunsch, daß doch alle Menschen in Liebe und Eintracht leben möchten, brachte ihn auch auf den Gedanken, wie doch die Türken zum Christenthum bekehrt werden möchten. Zu diesem Zweck wollte er sogar die Bibel in's Türkische übersetzen und schrieb eine Vorrede an den Sultan, worin er ihm das Lesen der heiligen Schrift empfahl. Damit nach seinem Tode die zerstreuten Glieder seiner Ge meinde nickt ohne Haupt blieben, suchte Comenius seit dem Jahre 1658 die Wahl zweier Bischöfe zu Stande zu bringen, die nach seinem und des polnischen Bischofs Bythnors Tode die Leitung übernehmen könnten. Im böhmischen Museum finden sich elf Ori ginalbriefe von ihm, die er in dieser Angelegenheit an Bythnor ge schrieben hat. Comenius wünschte seinen Schwiegersohn Figulus (Jablinsky) zu diesem Amte erhoben zu sehen, allein es kam keine Synode und darum auch keine Wahl mehr zu Stande. In der Einleitung zur Ratio äisoipliua« «räinisyue trs.trnW LoKemoruni klagt er bitterlich über die Erfolglosigkeit seiner Bemühung und vermacht die Erfahrungen seiner Kirche, die er eben niederschreiben wolle, einem kommenden Geschlechte. Von den Schriften des Comenius habe ich nur die hauptsäch lichsten angeführt; es sind noch vielmehr erschienen; auch hinterließ *) Da« Originalkonzept findet sich im böhmischen Museum,
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er mehrere im Manuskript, welche erst später gedruckt wurden. Bon befreundeter Hand werden mir noch folgende als wichtig be zeichnet: De dono uuitatis et «räinis (1660); Erste Liebe (1743); Listoiis uuitatis tr«.tr»m et ratio äisoiplinae (1702); Kirchen geschichte und Kirchenordnung (deutsch 1739); Kevelatioiies 'äiviu«,«. — Herder und nach ihm der Philosoph Krause führen noch eine lateinische Schrift an, die 1702 unter dem Titel ?sneKersi«, (Allerweckung) erschien. Krause gibt den Titel in deutscher Sprache an: „Joh. Am. Comenius allgemeine Berathung über die Verbesserung der menschlichen Dinge, an das Menschengeschlecht, vor Andern aber an die Gelehrten, Religiösen und Machthaber von Europa. Halle 1702."*) Ich werde am Schluß einige der herrlichen Ge danken aus dieser Schrift mittheilen. Die pädagogischen Schriften hat Raumer in seiner „Geschichte der Pädagogik" aufgeführt. Seine letzte Schrift war „Das eine Nothwendige" (Huum ueeessariuW), Amsterdam 1666, in der er, wie G. Baur sagt**), von den Schlacken jener Menschlichkeit gereinigt, in der rührenden Größe seiner ehrwürdigen Leidensgcstalt uns wieder vor die Seele tritt. In Amsterdam flossen dem Comenius für seine Gemeinde und seine Person sehr reiche Gaben zu, z.B. aus England 1758 und 59 5900 Pfd. Sterling, ebenso von der Familie de Geer, von den Direktoren des Seewesens in Amsterdam, vom Grafen Pembroke u. A.; im Jahre 1666 befand er sich im Besitze von 6000 Thalern Unter stützungsgeldern. Reiche Böhmen vermachten den Vertriebenen in ihren Testamenten ebenfalls nicht unbedeutende Summen, so daß er der materiellen Sorgen ganz überhoben war. In den letzten Jahren seines Lebens war Comenius öfter von Krankheiten heimgesucht, bis er, 80 Jahre alt, am 15. November 1671 in Amsterdam seine vielgeprüfte, reich gesegnete Erdenpilgerfchaft endete. In der Kirche der Stadt Naarden in Holland wurde er begraben. Er war noch mit der Vollendung und Herausgabe seiner Pansophie beschäftigt und hielt bis zuletzt an der Hoffnung fest, das *) Vergl. die oben angeführte Schrift von Leorchardi: Der Philosophencongreß zc. S. 34 u. ff. «°) Schmid, Encyklopävie, I. 8SS. 4
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Werk zu beenden, er hatte deshalb auch den Christoph Nigrinus zu sich berufen, um sich seiner Hülfe zu bedienen, wurde aber plötz lich aus seiner irdischen Wirksamkeit abberufen. Auf seinem Sterbe lager verpflichtete er seinen Sohn Daniel und den gerade abwesen den Nigrinus, seine Konzepte zu sammeln, zu ordnen und zu ver öffentlichen. Daniel lebte später abwechselnd in Amsterdam, Eng land und Berlin; welche Beschäftigung er hatte, ist nicht bekannt. Ob Nigrinus je die Pansophie veröffentlicht hat, ist noch nicht er forscht. Aus dem vorhandenen Briefwechsel ergibt sich nur, daß Nigrinus sich in der That neun Jahre lang auf Kosten des Gerard de Geer mit der Ordnung der himerlassenen Schriften des Comenius beschäftigt hat. Ueber seine Familienverhältnisse berichtet Gindely, Comenius sei drei Mal verheirathet gewesen. Seine erste Frau und deren Kinder verlor er um's Jahr 1621; die zweite war eine Tochter Cyrill's, von welcher ihm ein Sohn Daniel und vier Töchter ge boren wurden; sie starb um's Jahr 1648. Die dritte Frau über lebte ihn, zog als Wittwe nach Berlin und lebte da im Hause des Hofprediger Schmettau, mit dessen Familie die Brüder in mannichfacher Verbindung standen. Die zweite Tochter der zweiten Frau, Elisabeth, war an Peter*) Jablonsky verheirathet, dessen Sohn, Daniel Ernst Jablonsky, der berühmte Hofprediger Friedrich Wil helms I., Königs von Preußen, war. Bon seiner dritten Frau werden keine Kinder erwähnt. Seine Familie in Amsterdam bestand aus seiner Frau, seinem Sohne Daniel, seinem Schwiegersohne Jablonsky (Figulus) und dessen Frau. Comenius hatte die bischöf liche Weihe auf seinen Schwiegersohn Peter und dieser auf seinen Sohn Daniel Ernst übertragen und dieser ist es, der das Depo situm der bischöflichen Ordination an den Grafen Zinzendorf über geben hat. Auf diese Weise hängt die neuere Brüdergemeinde mit den ältern böhmischen und mährischen Brüdern auch äußerlich zusammen. Comenius ist mehrmals abgebildet worden; so 1657 auf dem *) So Palacky; nach Raumcr hieße er Daniel. Gindely gibt den Namen Figulus an. Ziegler macht dazu in Beilage VI. die Bemerkung: ?etrus ^ablonsk^ in «xili« ZsiZuIus 6ietus.
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Titel feiner Opera äiSaetlos «um!«, in Amsterdam und früher schon, 1641, von dem berühmten Künstler Wenzel Hollar, einem böhmischen Flüchtling in London, außerdem von einigen anderen Künstlern. Ueber seine Persönlichkeit urtheilt Palacky: „Er war ein Mann, von schöner und ansehnlicher Gestalt, mit einem langen Kinn, hoher Stirn und einem sanften, ivtbei aber einen stillen Kummer offen-, barenden Blick; im Umgang mit Menschen war er über die Maßen freundlich, vertragsam und bescheiden, immer bereit, seinen Nächsten zu dienen und sich für ihr Wohl aufzuopfern. Sein tiefes Gefühl, seine Güte, seine Aufrichtigkeit und seine rechtschaffene Gottesfurcht sind nicht nur in allen seinen Schriften offenbar, sondern auch in allen seinen Handlungen und in seinem ganzen Wandel. Niemals vergalt er seinen Gegnern mit gleichem Maß, niemals verurtheilte er Jemand, was für Unrecht er auch immer von ihm erduldete; durchaus in Allem ehrte und pries er mit vollkommener Ergebung die Hand des Herrn, mochte sie ihm Freude oder Leid auferlegen." Mit dieser Charakteristik stimmt auch Gindely überein, er sagt: Comenius hatte etwas wahrhaft Patriarchalisches an sich; eine tiefe sittliche Würde, eine stete Dienstfertigkeit und ein gutes, das Elend der Armen mitfühlendes Herz beurkundete sich bei ihm." Ziegler urtheilt über ihn: „Comenius war, seinem allgemeinen Streben und Wirken nach, ein Priester der Humanität ersten Ranges. Als solchen erkennt ihn Herder an. Als solcher wird er von den Ernstesten im Orden der Freimaurer in neuerer Zeit hingestellt, in eine Reihe mit Walentin Andrea, Lessing, Leibnitz, Herder, und es soll die spätere neu-englische Loge ihre Statuten größtentheils wörtlich aus seiner Panegersia entnommen haben. In seinem religiösen Streben war er ein gottbegeisterter Glau bensheld und Dulder, und wenn er auch nicht ein Fels seiner Kirche genannt werden kann, die mit ihm von Verbannung zu Ver bannung ging und endlich sich sogar in ihrem national-böhmischen Bruchtheil zerstreute, so stand er doch wenigstens durch theologische Erkenntniß, christlichen Lebenswandel und unerschütterlichen Glaubensmuth für sie sowohl, als auch für die polnische und deutsche Brüder schaft der böhmischen Kirche als ein Vorbild und eine Stütze da. Er stand fest im apostolischen Glaubensbekenntnisse und hing un wandelbar seiner Kirche an, und wenn er mit rastlosem Eifer und 4"
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glühendem Sehnen nach 'der Versöhnung der streitenden Bekenntnisse trachtete, so ist darin kein Mangel eines Bewußtseins von den ob jektiven Heilswahrheiten zu suchen, sondern es hatte seinen Grund in der Liebe zum Menschengeschlecht, in der Anerkennung des Be rechtigten in Andersglaubenden und darin, daß sein ebenso klarer als frommer Sinn sehr wohl menschliche Auslegung und mensch liches Beiwort von Gottes Wort zu unterscheiden wußte. Als Pädagog nimmt Comenius eine der höchsten Stufen ein. Nicht daß sein praktisches Wirken in Lissa und Saros Patak, so weit wenigstens unsre Kenntniß, davon reicht, dem eines Sturm und Trotzendorf gleichgestellt werden könnte: dazu waren seine Ansichten zu ideal und den Zuständen seiner Zeit zu weit voraus. Allein wie feine großartigen und tiefgedachten Prinzipien schon feine Zeitgenossen in ganz Europa begeisterten, so dienten sie den folgenden Geschlechtern uud dienen sie jetzt noch zum Sporn und zur Orientirung. Er stand durch sein Verwerfen der abstrakten grammatischen Regel, des hohlen Rhetorisirens und Disputirens, dadurch, daß er die Dinge über die Worte stellt, auf Anschauung der Wirklichkeit dringt und endlich durch ein umfassen des enzyklopädisches Wissen ein Erkennen der Dinge in den sprach lichen Formen begründen wollte, auf dem höchsten Gipfel desjenigen Realismus, den K. v. Raumer den realen nennt. Realist dagegen im jetzigen oder im schlechten Sinne des Wortes war er durchaus nicht. Bei ihm keine Spur von Fach- oder Brotstudium, von Zu richten zu einer bestimmten Berufsart (seinen Ausdruck: aäolesoeiit«s LiramWatieos, RKetorioos, Oialeotieos, ?K^s!««8, LleoArapii«^ ^KeoIoKos ete. öeri voluWus kann man nicht so mißverstehen): keine Spur von Ansammeln von Kenntnissen, die um des Nutzens für einen künftigen Beruf willen erworben würden, oder die etwas Anderes bezweckten, als die Entwickelung der göttlichen Natur im Menschen." Bei all seiner Liebe und Milde konnte er aber doch auch sehr energisch im Tadel auftreten, wo er die christlichen Tugenden ver letzt sah. Ein Zeugniß hierfür, zugleich aber auch für sein tiefes sittliches Wesen, das in der Selbstverleugnung und in der Hingabe an die Menschheit wurzelte, gibt uns ein Brief, den Gindely als Anhang zu seinem Werke nach dem lateinischen Urtexte wiedergibt.
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Derselbe ist an einen jungen Schützling gerichtet, der in der Schweiz ein geistliches Amt bekleidete. Auf dessen Klagen wegen der vielen Arbeit und des geringen Gehaltes weist ihn Comenius auf die Apostel hin, die mit ihren eignen Händen ihren Unterhalt verdient hätten, um den Gemeinden nicht zur Last zu fallen. Er selbst esse sein Brot im Schweiße seines Angesichtes, um der Kirche nicht zur Last zu fallen. Auf die Klage, daß ihn Comenius bei befördernden Empfehlungen übergangen habe, weist er ihm dessen Grundlosigkeit nach und gibt ihm den Rath, etwas geringer von sich zu halten. Sehr scharf verweist er ihm die mit Titeln versehene Unterschrift seines Briefes; es bezeuge das eine große Eitelkeit; den Dienern des Herrn aber gezieme vor Allem Demuth. Wenn dies Wort etwas zu scharf erscheine, so spreche er es doch nur zu seinem Besten aus; wenn er ihm schmeichelte, würde er seinen Fehler nimmer einsehen. Er handele nur so aus christlicher Liebe. Da dieser Brief ein herrliches Zeugniß seines wahren innern Wesens ist, so gebe ich ihn hier im lateinischen Texte, als würdigen Schluß seiner Charakteristik. ?°iäe1i OKristi servo ?etro Leouri« 8e«,1ioium. 8«,IuteW et mWorem! Oileete in äomino trater. Hus äie l'uae WiKi reääitae sunt 27. ^«,nusrii eaäeW KerWkmi l'ui O. ^osepKi (Mts eaclem äie Ins« 23. Nov. ^,nni prseteriti) I^eväs«: ntrseo.ue IKorunio missae «, ?°r. L,clam« Hertmann!«, illius Huiäem responäi illio« postriäie per oräinarinm deWer«ärornum, aA Inas respouäere non lieuit, nisi ooessione ä«,t«, ^srn. Llratnlor l'ibi valetuäinem, Aratulor ladores pios, c^uos pie irnrzeväis eoelesiae Kadenäis utrao^ne linAus ««noionidus. Oaeterum c^uoä c^uerulaii viäeris ladorum multituäiliem, stipenäii autem exilitatern , eoMe proruere velle Station« praesenti äeserta, in Helvetiarn s.ut nesoi« <iuonam non lauäo. OedeKas ns.m sä Koo saerurn munns non a1io aoeeäere aniW«, quam apostolio«; udi Lpiseopatn, bouum onus äennitur non otium, non luerurn, non Kovor. Lt seis anostolos ne oneri essent eo«Iesise propriis rnanibus «perari solitos. NeMe nostruW o^uiso^ue Kie parat« stipenäio vivit: subsiciiis aeo^uieseimus, o^nae ex «Uen«, miserieoräis. eeelesiastiearuWMe oolleotarum reliyuiis (et o^uiäem satis paree) sudWiui
strautur. Ne speoiatiiu o^uoä eoueernit proteot« in suäore vultus mei psue veseor, ue Leelesise oueri sim. <^uoä Isbores sttiuet, Kos usti, sä Kos voeati sumus, clieereo^ue si l'ibi satis tirmum est peetus «NW Lomerio« KoKille äebes: I^aboruiu vortio W«a sit ms^or. Li c^uoo^ue viees katiseeutiuiu illoruW seuum ciuaiiä«<iue subis, suki alaeriter, c^uippe eui iä Kon« eeäet saeve Wultumo^ue exereitari: Oeuso^ue l'e, si siueerum viäekit «vera> rium, rodorabit. OaeteruW a«Are eouooo^uere p«ssum, o^uoä miKi iterate exprobrss, Moä l'e von vromoverim, o^uocl votius k'iAulos, Olvrios et ueseio<iueuiu l^e äeserto eomWeuäaveriiu: l'u tameu mes et aliorum KomiuuW «pe äestitutus stnäis eoutiuuaveris. ?ruäeutiam iu l'e frster äesickero et Aratituäiuem. ^,uu«u uam prout se oeeasioues äakaut, vromovi? ^,uu«u s. provosito vs^o sä stuäium IKeoloßis.« revoeavi, suuou meeuiu ex Ho11«.uäia Lremsm ejusäem ?Ke«Io^iei stuäii «susa We« sumtu äeäuxi? auuou äiÜASuti et oveross e«Wmeuäatioue Kouestsm l'ibi eouäitiouem souä Virum oousulareiu iWpetravi? suuou uuuiiuis aliquot iuvi uee iä seiuel, eujus rei O. Lo2aK (e eujus m«,uu «, rae suKsicliols seeiviebas) testis erit. <^uiä plus äebui (o^uoä o^uiäeiu in viribus esset meis) kseere et uou teei? I^emve uou plus tumorem auimi l'ui pertuli, u.ui se uuäiyue vrokert iu Uteris ?uis oommeutari« öiFuis. c^uiäuaiu est, yuoä iterate testimouii Lasilieusis ?idi pro exaiuiue et sveoiWiuibus exKibiti meutioue kaeta iiiuö miKi aliu^uMÜo eoiuWUn!eare vromittis? i^uaeso Ve iiuitator est« OKristi: L^o testimouiura ab Komiue u«u aeeipio, äixit. <^uis te ooAit, ut eum ?aul« iusauias ^lorianäo? q>uiä subsoriptioueiu epistoise ?uae posuisti: ?etrus öeeurius 88. Niuisterii Lasilieusis Oaucliäatus, V. O. Uiuister, eMsäemo^ue auuä 8aK«Ieeuses Ooufessiouis Lelvetieae LlermaU«-L«uemus 0«uti«u«,tor m. p. LKeW c^uot verba tot vauitates! Lsbeutne Lasilieuses siu^u1are s1i<iu«ä miuisterium, s. o.u« exteri äeuomiuari «porteut? Lt V«testne zuiuisterii esuäiäatus appellari, o^ui aetu Kliuister est? L.uuou Ko« est äi1«,tsre (eum ss.stuosis ?K«,risseis) pKvls.«teris sus. et proäueere timbrias suas ? Relio^u«, trsusilio. 8eä <^uo
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une l'u q^uaeso sudseriptionem illsm titulorum luorum me? I'orssn ut superseriptionem soiam epistolorum sä le äanäarum. ?iustrs iä exspeetss. ^e<iu!esesm e^o, si l'u sä me seribens s7ri^p«Psi,v apposueris, yuslem Kie meam sä le viäes: «,«Luisse« l'u yu«q!ue et vsnis inKiare o^uaeso le äeäisse. ?rokeet? si vere et sapienter Wagnus ille lKeoloAus, o^ui interroAstus: <juse esset raäix lKeoloAiae, responäit: llumilitssz yu«,e arb«?? Humilitss; yui Lruetus? Lumiliws; attenäe «dseero, o^uam taeile evinei possit, libi nee raäieem, nee arborem, nee iruetus lKeologiae esse. 8i aeriora viäentur o^use serido, non äieam i^nosce, seä aAnosoe errorem luum et emenäa. ^,nn«n l'id! Klanäienä« in errore le Lrmab«? ^,dsit. lilon ita nos mutuo ciiliAer« äoeuit LKristus. l'u si nostro in e«nsortio vivere «pws, tKeolo^um le (Zruois esse oportet, non Aloriae. ^.n ver« ex Kse increpstione «äio le Kaveri eolli^es? O«,ve eumulabis alias errorem errore. (ÜKaritas me eo^it et Oei timor, Ubere eorripere krstreW nee Lerre in illo peeeatum (I^e^e m«,nä«.tum 1,ev. XIX, 17). 8i äe me et me« in le alkeetu sliter ^uclieadis, peeeabis in Oeum, yueW lidi testem sisto, me non slm«^ yu«,m aeäiöeationem lui et per le eeeiesis« o^userere, quoä s1ia via, o^usm revoeanäo l'e «,b error« et reäueenäo sd «pinioue lui in veritatem, si sperare odtinere possem etism inirem. 8eä Ks.ee simplieissims est et esnäoris pleua, si non Mm sHebr. XII, 11), alic^uanäo tamen: <iu«ä 5axit OKristus. (üujus Lpiritui Kono l'e animitus eommeuäo. luus in veritat« setiamsi l'u iä iAnorare viäeris) (Zomenius. I^esnae 11. k'edruar 1649. Dieselbe Gesinnung, die er hier von dem jungen Geistlichen verlangt, hat er selbst sein ganzes Leben hindurch bewährt. Obwohl er eine so hohe Stelle bekleidete, wollte er doch nicht herrschen, sondern dienen. Ja er hat gedient, nicht allein der Kirche, sondern der ganzen Menschheit!
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Die pädagogische Sedeutung des Comenius.
Wir sind auf die Lebensumstände des Comenius genauer einge gangen, weil sie gerade bei dem Pädagogen nicht nur von wesent lichem Einflusse auf seine Bestrebungen sind, sondern auch über dieselben ein helleres Licht verbreiten. Der Pädagog soll selbst das Muster sein, nach dem er seine Zöglinge bildet; die letzten Ziele und Bestrebungen, die er in feinem Leben zu erreichen und zu verwirklichen sucht, zu denen hin will er auch, daß das nachfolgende Geschlecht erzogen werde. Daher werden wir eine pädagogische Wirksamkeit ohne nähere Kenntniß dessen, der sie ausübt, in ihrer ganzen Tiefe und ihrem ganzen Umfange kaum zu verstchen im Stande sein, und gerade bei einem so hervorragenden Pädagogen wie Comenius war das genauere Eingehen auf die Erlebnisse um so mehr geboten, als er die erste umfassende systematische Grund lage für die Pädagogik gelegt hat, aus der nicht nur seine Zeit, sondern auch das nachfolgende Jahrhundert sich erbaut, bis auf Pestalozzi, der, was durch Comenius angebahnt war, auf seine tiefsten Gründe zurückführte. Wenn Comenius auch hoch über seine Zeit emporragte, so war er doch ganz ein Kind seiner Zeit, indem er sich theils an das, was in der Pädagogik bisher zu Tage gefördert war, anschloß und dasselbe weiter bildete, theils die Errungenschaften der Wissenschaft und des Lebens, wie sie damals waren, für die Pädagogik verwerthete. Daß dieselben noch sehr gering waren, mußte natürlich auch für sein pädagogisches System eine Schranke bilden; desto mehr aber leuchten seine prinzipielle Erfassung der Pädagogik, sowie seine organisatorischen und didaktischen Festsetzungen, von denen die meisten für alle Zeiten Geltung behalten werden, hervor und bekunden den ursprünglichen schöpferischen Geist. Comenius sagt in seiner großen Unterrichtslehre (viäaoties. maAna) selbst, daß er nicht blos auf seinen eigenen, sondern auch auf fremden Erfindungen ruhe. „Die mich näher kennen, wissen, daß ich ein Mann von spärlichen Anlagen bin und beinahe ohne wissenschaftliche Bildung, daß ich jedoch die Verluste meines Lebens
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beklage, und gar sehr wünsche, die Lücken auszufüllen, fei eS durch eigne, fei es durch anderer Erfindungen.... Was mich Gott beobachten ließ, ich bringe es dar, daß es Gemeingut werde." Aber er weiß auch, daß er höher steht, als seine Vorgänger. An einer andern Stelle heißt es: „Mag auch unsre Arbeit noch so unvollkommen sein und das vorgesteckte Ziel noch nicht erreichen, so wird doch die Sache selbst lehren, das die Staffel eine höhere und dem Ziele nähere ist, als die bis jetzt erreichte." Er weist sogar auf die Männer hin, auf deren Schultern er steht. Leider ist nur Einer, von dem die größern geschichtlichen Dar stellungen der Pädagogik Notiz genommen: Ratich; die andern warten noch einer eingehenden Betrachtung, die bei dem erwachten Sinne für die Geschichte auch auf pädagogischem Gebiete gewiß bald er folgen wird. Comenius sagt: „Gott beginnt dem anbrechenden neuen Zeitalter gleichsam eine Morgenröthe vorauszuschicken, indem einige wackere Männer in Deutschland erstanden sind, welche, erfüllt von Widerwillen gegen die Verwirrung, welche die in den Schulen übliche Methode angerichtet hat, über einen leichteren und kürzeren Weg, Sprachen und Wissenschaften zu lehren, mehr oder weniger und mit größerm und geringerem Erfolge nachgedacht haben, wie aus den, von ihnen herausgegebenen didaktischen Schriften und Proben hervorgeht. Hierbei denke ich an Rat ich, Lubin, Helwig, Ritter, Bodin, Glaum, Bogel, Wolfstirn und be sonders an Johann Valentin Andrea, welcher die Krankheiten auf kirchlichem und politischem Gebiete, wie auf dem der Schule ohne Unterschied in seinen goldnen Schriften vortrefflich aufgedeckt und hin und wieder Heilmittel dagegen angegeben hat. Aber auch Frankreich hat angefangen, diesen Stein zu wälzen, indem Jean Cäcilius Frei eine geschickte Didaktik, betitelt: „Neuer und frei gelegter Weg zu den göttlichen Wissenschaften und Künsten, Sprachen und freien Reden," zu Paris 1629 herausgegeben hat." Ich füge diesen Männern noch hinzu, da er sie mehrfach anzieht: Erasmus, Vives und Campanella. Zu diesen unmittelbaren Vorgängern kommen aber auch noch andere aus früherer Zeit, die einen entschiedenen Einfluß auf des Comenius System ausgeübt haben. Vor allen ist hier zu nennen der Franzose Michael Montaigne, geboren zu Perigrod 1533,
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gestorben 1592 zu Bordeaux, der in seinen „Versuchen" (I^es essa^s äe NioKel Lei^neur äe NoutsiSue) gegen die herrschende Unterrichts weise, die nur das Gedächtniß fülle, die Einsicht und das Herz da gegen leer lasse, aufgetreten war und auf Sitten- und Sinnesbildung, auf Bethätigung der Lehre im praktischen Leben, auf Erler nung der Muttersprache und auf physische Erziehung und Leibes übungen gedrungen hatte, — Forderungen, welche alle bei Comenius wiederkehren und auf einen Zusammenhang zwischen beiden Männern hinweisen, wenn Comenius den Montaigne auch nicht direkt anzieht. Wahre, lebenskräftige Ideen verbreiten sich eben im Menschengeschlecht, auch ohne daß ihre Quelle immer klar her vorträte. Nächst Montaigne ist es aber vorzüglich der Engländer Franz Baco (von Verulam), geboren 1561 zu London, gestorben 1626, den Comenius studirt hat. Baco trat nicht nur der bisherigen Ge lehrsamkeit entgegen, die er iäola nennt, sondern er begründete auch die Naturwissenschaften, indem er die Begriffe und Gesetze aus der Natur der Dinge schöpfte und durch das Experiment zur objektiven Wahrheit zu gelangen suchte, wodurch <er ein ganz neues Gebäude der Philosophie errichtete, das hauptsächlich in seiner „Institut!« MaKUa« enthalten ist. Durch ihn ist England zu dem Realismus geführt worden, auf dem es so große Erfolge erzielen sollte und der auch bestimmend in des Comenius Leben eingriff, wie wir im ersten Theile sahen. Die Institut!« WaAna des Baco nennt Comenius ein „bewundernswürdiges Werk," das er „als das leuchtendste des anbrechenden Jahrhunderts der Philosophie" betrachte. Aber noch weiter zurück ging Comenius; nicht blos Aussprüche der großen Reformatoren, Luthers und Melanchthons, zieht er viel fach in seinen Schriften an, sondern auch der Kirchenväter, sowie klassischer Schriftsteller der Griechen und Römer, Cicero's, Seneca's, Quintilian's, Jsokrates', Plato's, Aristoteles', Diogenes', Sokrates', Plutarch's u. a. Vorzüglich gern — und dies muß hier besonders erwähnt wer den — verweist er auf Stellen der heiligen Schrift, die er theils zur Begründung von Hauptprinzipien, theils zur Analogie anzieht, neben dieser aber auch das Buch der Natur, aus dem er die wichtichsten Regeln auch für die Didaktik ableitet. Uns erscheint die
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Begründung durch die heilige Schrift an manchen Stellen als ver fehlt, aber darin war Comenius eben ein Kind seiner Zeit, wie er denn auch an einigen Stellen eine längst aufgegebene Exegese, z. B. bei der Schlange im Paradiese, anwendet; im Allgemeinen jedoch ist seine Auffassung der heiligen Schrift eine sehr geistreiche, wenn auch manchmal etwas weit abliegend. Ich führe ein Beispiel an. Zum Beweise des Satzes: „Wenn gegen die Berderbniß des Menschen geschlechtes Mittel angewendet werden sollen, so muß das vorzugs weise durch eine behutsame und vorsorgliche Jugenderziehung ge schehen," sagt er: „Dies scheint auch der Herr bildlich haben an zeigen wollen, als er auf seiner Reise nach Jerusalem sich eine Eselin und ein Füllen zuführen ließ, und dann nicht auf der Eselin, son dern auf dem Füllen hineinritt. Der Evangelist fügt noch hinzu, der Herr habe befohlen, ihm ein solches Füllen zu bringen, auf welchem noch nie ein Mensch gesessen (Luk. 19, 30). Sollten wir glauben, dies sei grundlos geschehen oder berichtet? Das sei ferne! Alles, was Christus gesagt und gethan, enthält Geheimnisse zu unserer Unterweisung. Es ist also gewiß, daß, obschon Christus Junge und Alte zu sich ruft und beide nach dem himmlischen Je rusalem gern mit sich führt, er doch die Jüngern, von der Welt noch nicht Unterjochten, für geeigneter hält, sich an Christi Joch zu gewöhnen, als diejenigen, welche die Welt mit ihren Lasten schon gebrochen und verderbt hat. Unsere Jugend also Christo zuzuführen, ist billig; ihnen legt Christus sein sanftes Joch und sich selbst mit Freuden auf (Matth. 11, 30)." So wendet Comenius Altes und Neues an, um über die Er ziehung und das Schulwesen Licht zu verbreiten und dasselbe auf eine höhere Stufe zu heben. „Diese Kunst des Lernens und Lehrens war in der Vollkommenheit, zu der sie sich jetzt erheben zu wollen scheint, in den vergangenen Jahrhunderten zum großen Theile un bekannt und daher war das Schulwesen von Arbeiten und Müh seligkeiten, Stockungen und Träumereien, Jrrthümern und Gebrechen so voll, daß nur diejenigen, welche mit vortrefflichen Anlagen begabt waren, zu einer gediegenen Bildung sich emporringen konnten." In der That waren die Schulen, wo solche existirten, sowie die Schulwissenschaft zu jener Zeit in einer erbärmlichen Verfassung. Es gab kein andres Mittel und kein anderes Ideal für die Bildung,
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als die lateinische Sprache, von Realien keine Spur. Im Mittel alter wurden sogar diejenigen, welche sich mit naturwissenschaftlichen Studien beschäftigten, als Zauberer angeklagt. Ein Rechenunter richt eristirte gar nicht; ein Dozent an der Wittenberger Universität zu Melanchthons Zeit unternahm das Unerhörte, eine Vorlesung über Mathematik anzukündigen; in der Einladung dazu lobt er die Mathematik und bittet die Studirenden, sich nicht durch Schwierig keiten dieser Disziplin abschrecken zu lassen; die ersten Elemente seien leicht, die Lehre von der Multiplikation und Division verlange etwas mehr Fleiß, doch könnte sie von Aufmerksamen ohne Mühe begriffen werden. Freilich gebe es schwierigere Theile der Mathe matik, „ich spreche aber," fährt er fort, „von diesen Anfängen, die Euch gelehrt werden und nützlich sind."*) Man mag daraus einen Schluß auf die Schulen machen. Zwar lag im reformatorischen Prinzip ein höheres Bildungs ideal, aber es blieb ungepflegt unter den kirchlichen Wirren und politischen Streitigkeiten; auch waren die Reformatoren selbst von den kirchlichen Angelegenheiten zu sehr in Anspruch genommen, als daß sie der Schule mehr Thcitigkeit hätten zuwenden können, wie wohl sie Anläufe dazu nahmen. Wenn auch Luther in seinem Sendschreiben an die Rathsherren aller Städte und Melanchthon im Visitationsbüchlein auf Errichtung von Schulen drangen, so hatten sie doch mehr die Bildung fürs weltliche Regiment und das geist liche Amt im Auge, als eine allgemeine Volksbildung. Für diese genügten lange Zeit die Küsterschulen, die nur zum Behufe der re ligiösen Unterweisung eingerichtet wurden und sich am Katechismus, Singen und Lesen genügen ließen. Auch der unmittelbare Vorgänger des Comenius auf pädago gischem Gebiete, Wolfgang Ratich (1571—1657), der zuerst von der gewöhnlichen Bildungsweise abwich und neue Bahnen einschlug, nahm nur auf die Bildung zu politischen und kirchlichen Aemtern Rücksicht; er versprach in dem Memorials, welches er 1612 dem „Deut schen Reich" auf dem Frankfurter Wahltage übergab, Anleitung geben zu wollen, nicht allein in hochdeutscher, sondern in allen andern Sprachen eine Schule einzurichten, „darinnen alle Künste und Fa*) K. v. Raumer, Geschichte der Pädagogik. I. S. 354.
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kultäten ausführlich erkennen gelehrt und propagirt werden." Das geht aus seiner ganzen Schulordnung hervor, die nur auf eine Gelchrtenbildung berechnet war, wie denn überhaupt Ratich kein Herz fürs Volk hatte. Er wollte seine Erfindungen nur einem Könige theuer verkaufen unter der Bedingung, daß die Gelehrten, denen er sie mittheilte, verpflichtet würden, dieselben zu vertheidigen. Er that deshalb auch sehr geheimnißvoll mit seiner Methode. Comenius erzählt, er habe 1629 Ratich wiederholt brieflich um Auskunft Uber seine neue Methode gebeten, habe aber gar keine Antwort erhalten. Ratich war kein Organisator im großen Stil, er beschäftigte sich nur mit Auffindungen von leichteren didaktischen Handgriffen. Doch dringt er auf Erlernung der Muttersprache, (die er allen gelehrt wissen will) und dann erst gestattet er den Unterricht in einer frem den Sprache. Er nahm 6 Klassen an; die drei untersten sind der Muttersprache gewidmet, erst in der vierten läßt er den Unterricht in der lateinischen eintreten. Von seinen und seiner Anhänger all gemeinen Unterrichtsregeln gibt K. v. Raumer folgende neun an, die ich anführe, weil sie theilweise allgemeine Geltung haben, oder doch als direkte Vorarbeiten des Comenius für uns von besonderer Bedeutung sind und ein allgemeines Licht über das damalige Schul wesen verbreiten. 1. Alles in Ordnung und Lauf der Natur, denn alles widernatür liche und gezwungene Lehren ist schädlich und schwächt die Natur. 2. Nicht mehr denn Einerlei auf einmal, denn nichts ist dem Ver stande hinderlicher, als wenn man Vielerlei auf einmal lernen will. Ratich meinte damit, daß die verschiedenen Disziplinen nach einander eintreten sollen; er ist aber gar nicht für voll ständige Einförmigkeit auf jeder Stufe. 3. Eins oft wiederholt, damit es dem Verstande recht tief eingebildet werde. 4. Alles zuerst in der Muttersprache, denn nur dann kann der Schüler an die Sache denken, und braucht sich nicht mit der Form der Sprache abzumühen. Aus der Muttersprache dann die anderen Sprachen. 5. Alles ohne Zwang. Man soll den Knaben um des Lernens willen nicht schlagen, in Bezug auf die Sitten aber ist die
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Ruthe der Zucht wohl angebracht; diese Bestrafung aber steht nicht dem Lehrer zu, sondern dem Scholarchen (Schulvorsteher). 6. Nichts soll auswendig gelernt sein, weil dadurch Verstand und Scharfsinn leidet. Ein Ding, welches durch öftere Wiederholung dem Verstande recht eingebildet wird, behält das Gedächtniß von selbst. ' 7. Gleichförmigkeit in allen Dingen. Die Methode muß in allen Unterrichtsfächern, hauptsächlich bei den verschiedenen Sprachen die gleiche sein. 8. Erst ein Ding an ihm selbst, hernach die Weise von dem Ding. Regeln ohne Materie verwirren den Verstand. 9. Alles durch Erfahrung und stückliche Untersuchung. (?er inäuetionem et experiWeiitum «Wviä — bei Baco.) Nicht auf Autorität, sondern auf Erforschung und Probiren wird die Regel gegründet. — Es liegt in diesem Grundsatze schon der Anfang der Erziehung zur Selbständigkeit und Selbstthätigkeit. Ehe ich nun zur genaueren Darstellung des pädagogischen Systems des Comenius übergehe, habe ich noch einer pädagogischen Erscheinung Erwähnung zu thun, die, wenn auch nicht direkt, so doch sicherlich indirekt auf Comenius einen bestimmenden Einfluß ausgeübt hat; ich meine die Jesuitenschulen. Wir haben bei der Betrachtung der Lebensumstände des Comenius gesehen, welchen Nachtheil ihm die Jesuiten durch ihre Verfolgungen auf dem materiellen Gebiete bereiteten; auch auf dem Gebiete des Geistes waren sie seine Widersacher und suchten ihm das Feld streitig zu machen, indem sie durch ihre Schulen dem guten Samen, den er ausstreute, den Raum zur fröhlichen Entwickelung nahmen und die pädagogischen Grundsätze, die er nnd seine Vorgänger aufge stellt, an sich rissen und in ihrem Geiste und zu ihren Zwecken verwendeten. Dieser Zweck ist, den Protestantismusmit den Waffen des Geistes zu vernichten und zugleich eine unerschütterliche Hierarchie zu gründen — auch eine Art der Erziehung zur Kirche! Auf die Jugend war vorzüglich ihr Augenmerk gerichtet, daher ihr ausgebildetes Erzie hungs-System und ihre Schulen, die sie zu einer sochen Scheinblüthe ausbildeten, das sogar ein Baco auf sie hinwies. „Nimm an den Schulen der Jesuiten ein Beispiel", sagt er, „bessere gibt es nicht."
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Auch ein protestantischer Pädagog, der Gründer des Straßburger Schul- und Universitäts-Systems, Johannes Sturm, lobt sie. Der Jesuitenorden hatte 1540 die päpstliche Sanktion erhalten; sein Stifter, der Spanier Jgnaz von Loyola, entwarf selbst einen Studienplan, worin er den Lehrstoff erweiterte, die Humaniora (alt klassischen Studien), Beredtsamkeit, Dichtkunst und Geschichte empfahl, Mathematik, Physik, Philosophie und Theologie aufnahm, auch der Rechtstckssenschaft und Medizin Raum gestattete und vor allen Dingen die Zucht in ein Shstem brachte. Dieser in den „Lonstitutloues" enthaltene Lehr- und Erziehungsplan, sowie die unter dem General Claudius von Aquaviva und auf dessen Anordnungen ausgearbeitete „Ratio stnÄioruW" (1599 veröffentlicht) enthalten die Grundgesetze für die jesuitische Bildung. Im Jahre 1600 besaß der Orden schon 200 Schulen in den verschiedenen Ländern, die zahlreich be sucht waren — für die damalige Zeit etwas Außerordentliches. In Bezug auf die formalen Regeln schließen sich die Jesuiten ganz der bisherigen pädagogischen Entwickelung an; eine ganz an dere Bedeutung aber erhalten diese Regeln hier durch Aufstellung des letzten Zweckes: Erziehung zur Kirche, mit der sie sich und ihre Bestrebungen indentisiziren. Der Herausgeber der rati« stuäioruui sagt: „Das ganze Streben ihrer Schulen ging dahin, die Jünglinge der einen wahren Kirche treu anhänglich zu machen; solches tendirten sie im Größten wie im Kleinsten." Aus diesem Prinzip folgt der knechtische Gehorsam, (die Jesuiten nennen ihn „Demuth des Geistes "), die Vernichtung alles freien Willens, die Herabwürdigung des Men schen zur Maschine; aus diesem Prinzip folgt auch die Zerstörung aller Individualität des Einzelnen sowohl, wie ganzer Völker, die Zerstörung der Nationalität und was damit im engsten Zusammen hange steht, der Muttersprache, an deren Stelle die lateinische Sprache treten soll. Dieses Prinzip ist aus der Selbstvergötterung, der Ein bildung eigner Unfehlbarkeit entsprungen und folgerichtig wird darum die Erziehungsweise, die nicht denselben Zweck verfolgt, als irreligiös, sittenverderblich und Quelle der Revolutionen geschildert. — Gab und gibt es nicht auch im Protestantismus eine Partei, die Alles, was nicht ihren Meinungen, die doch immer nur eine subjektive Be rechtigung haben können, zustimmt, was nicht für ihre Konfession gebildet wird, für ungläubig und darum nicht der Seligkeit theil
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haftig ansieht? Wird nicht jeder, der eine andere Anschauung über religiöse Dinge und oft sehr unwesentliche Dinge hat, als unkirch lich und unchristlich von ihnen bezeichnet und wird er nicht als Revolutionär gebrandmarkt, der die bestehende staatliche Ordnung umstoßen will, blos, weil er nicht ihren Meinungen zustimmt, weil er die Menschen nicht zu irgend einer Confession abrichten, sondern zu Menschen bilden will? Es ist diese Selbstherrlichkeit nun einmal zu tief in die menschliche Natur eingedrungen, als daß sie ganz aus ihr vertilgt werden könte, schon die Pharisäer' zu Christi Zeiten hatten dasselbe Prinzip. — Mögen doch solche Käuze ihr Meinung behalten und die ganze Welt außer sich und ihrem Anhange für verloren ansehen, einst wird auch ihnen ihr Jrrthum klar werden, nur daß sie keine Macht erhalten, sonst richten sie unsägliches Un glück an, wie es die Inquisition mit ihren Marterwerkzeugen und Scheiterhaufen bekundet. — Aber schlimm, sehr schlimm ist es auch, wenn solche Bestrebungen von Staatswegen begünstigt werden. Das ist es, was den Staat zu Grunde richtet. Italien, Spanien und Frankreich sind des Zeugniß. Und wir in Preußen haben unter dem Minister Wöllner auch so etwas erlebt. — Die Minister könnten aus der Geschichte lernen, was es für Unheil anrichtet, wenn man das Mittel zum Zweck setzt und die Kinder zur Konfession, erzieht und demnach auch von Staatswegen konfessionelle Schulen einrichtet. Die Jesuitenerziehung ist die einfache Konsequenz davon. Wir wollen deshalb gar nicht die Religion vernichten, lassen auch der Konfession ihre Berechtigung, wollen ihr aber keine weltliche Macht einräumen. „Mein Reich ist nicht von dieser Welt." K. v. Raumer nennt die Jesuitenfchulen unheimliche, treulose Erziehungsanstalten mit finstern, lieblosen, seelenverkäuferischen Zwe cken und er ermahnt mit Recht unsere Zeit zur Wachsamkeit. Ob wohl die Stelle streng genommen nicht hierher gehört, theile ich sie doch mit, sie hat gerade für unsere Tage eine tiefe Bedeutung. Er sagt: „Es ist den Protestanten höchst nöthig, zu wachen, sich auch nicht durch das betrügerische Aushängeschild ihrer Erziehungshäuser täuschen zu lassen. Liest man Reineke Fuchs, so erscheint es un begreiflich, wie sich alle Thiere vom schlauen Herrn von Malepartus wieder und immer wieder durch listige süße Reden beschwätzen lassen, während sie doch seine unzähligen Ränke, boshaften Thaten und der
inhärirenden Tücke seines Herzens genau kennen. Machen wir es denn besser in Bezug auf die Jesuiten? Sind wir noch nicht ge witzigt, trotzdem, daß sie selbst ihre gottlosen Prinzipien, zensirt und approbirt vom Ordensgeneral, in Druck gegeben haben?" Ich mußte die Erwähnung dieser pädagogischen Bestrebungen und Zustände vorausschicken, weil ohne ihre Kenntniß die Bedeutung des Comenins auf pädagogischem Gebiete nicht recht gewürdigt wer den kann. Wir gehen nun zur Darstellung der Pädagogik des Comenius über und betrachten dieselben nach folgenden Gesichtspunkten: 1. Allgemeines Prinzip für den Unterricht. 2. Organisation der Schulen. Z. Auswahl und Bestimmung der Unterrichtsfächer. 4. Spezielle didaktische Regeln. 1. Allgemeines Prinzip für den Unterricht. Wiewohl Comenius hauptfächlich die Unterrichtslehre zum Gegen stande feines Nachdenkens und seiner Darstellung gemacht, seine Anfmersamkeit also speziell den Schulen zugewendet hat, so faßt er den Unterricht doch nicht als etwas von der Erziehung Abgesondertes auf, sondern setzt ihn mit derselben in die engste Verbindung. Er zieht darum auch in seiner Unterrichtslehre das weitere Gebiet der Erziehung heran, aber nur so weit, als es für die Gewinnung einer festen Basis für die Unterrichtslehre nothwendig ist; eine be sondere Schrift über die Erziehung im Allgemeinen hat er nicht verfaßt, aber die Prinzipien der Erziehung hat er erforscht und, indem er den Unterricht diesen Prinzipien untergeordnet, das erste fest gegründete und umfassende didaktische System auf gestellt. Er spricht es selbst aus, daß die früheren Bearbeiter der Di daktik sich nur hätten angelegen sein lassen, leichtere Wege zu den Sprachen oder Künsten und Wissenschaften zu finden, und zwar a posteriori, d. h. durch äußere, bei einer mehr oberflächlichen Praxis gewonnene Beobachtungenz er aber wolle die Unterrichtslehre a priori, d. h. aus der eigensten, feststehenden Natur der Sache selbst entwickeln, wie aus einem lebendigen Quell, der fort
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während Bächlein hervorbrechen läßt, die aber wieder in einen Strom zusammenfließen." Durch diese Unterordnung des Unterrichts unter die allge meinen Prinzipien der Erziehung verlieft er den Unterricht und erhebt ihn aus einem mechanischen Handwerk zu einem geistbildenden Mittel zur Beförderung der Humanität, welches aber eben darum der eingehendsten Forschung bedarf. „Die Schule ist eine Werkstätte der Menschenbildung (Iinmaiiitas); sie soll die Menschen zum rechten fertigen Gebrauch ihrer Vernunft, ihrer Rede und ihres Kunsttalentes, zur Weisheit, Be redsamkeit, Geschicklichkeit und Klugheit ausbilden." „So erzieht man die jungen Ebenbilder Gottes, oder vollendet sie vielmehr gemäß der in ihnen durch göttliche Kunst gezogenen Umrisse von Güte, Macht und Weisheit." „Die Kunst, Menschen zu bilden, ist keine oberflächliche, sondern eines der tiefsten Geheimnisse der Natur sreium) und unseres Heils." Diese Gedanken, welche am Schlüsse der „Neuesten Methode" (metKuäus novissima) enthalten sind, werden im Anfange seines ausführlichsten und gediegensten Werkes, der „großen Unterrichts lehre" noch näher ausgeführt und auf die letzte Bestimmung des Menschen bezogen. „Der Mensch ist das vollkommenste und ausgezeichnetste Ge schöpf, dessen letztes Ziel über diesem Leben hinausliegt. Das irdische Leben ist nur eine Vorbereitung auf das ewige. — Das letzte Ziel des Menschen ist die ewige Seligkeit in Gott." „O möchte sich Gott unser erbarmen, daß wir eine Weise fanden, welche uns kraftig lehrte. Alles, womit sich unser Geist außer Gott beschäftigt, auf Gott, alles irdische Abmühen, worin die Welt verwickelt nnd versenkt ist, auf Fleiß für's himmlische Leben zu übertragen!" Indem Comenius die letzte Bestimmung des Menschen über die irdischen Schranken hinaussetzt, erhebt er die Pädagogik über den Materialismus und Utilismus und gibt ihr eine Richtung auf das Ideale, welches nun auch die irdische Laufbahn erhellt und allen auch für diese festgesetzten Bestimmungen eine tiefere Bedeutung verleiht. Denn erhalten nicht auch die mechanischen Fertigkeiten
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und Uebungen eine tiefere Bedeutung, wenn sie uns Mittel werden zur Erreichung einer höhern, über diesem Leben liegenden Bestim mung, als wenn ich sie blos gebrauche zur Fristung oder auch zur Annehmlichkeit des vergänglichen irdischen Lebens? Und wie der Mensch nur in dem Streben nach diesem Ziele wahre Befriedigung findet, so macht ihn dieses Streben auch wahr haft frei. Mit diesem Prinzip tritt Comenius dem bisherigen Schlendrian in den Schulen entgegen, welche nur für das Latein abrichten woll ten, er vermeidet aber auch die Klippen eines engherzigen Confessionalismus, der leider schon in seinen Anfängen sich zeigte; er stellt das rein christliche Prinzip auf, ohne alle menschliche Bei mischung, das aber doch auch in der Tiefe des Menschenherzens einen freudigen Wiederhall findet. Denn das Christenthum will nicht das Menschliche vernichten, sondern veredeln und emporheben. „Alles Bornehmen und Handeln strebt immer höher in einem edlen Geiste, ohne jedoch eine Grenze zu erreichen. Denn nimmer ist in diesem Leben ein Ende der Wünsche und Bestrebungen zu finden d. h. die Wünsche und Bestrebungen des Menschen währen über dieses Leben hinaus, womit er sein letztes Prinzip aus der Menschennatur selbst begründet. Noch nie war dieses Prinzip bisher an die Spitze einer Unter> richtslehre gestellt worden; es ist des Comenius bleibendes Verdienst,' daß er zuerst diese Grundsätze verkündete. Zwar hatten die Jesui ten auch den Unterricht mit der Erziehung in Verbindung gesetzt, aber weil sie die Erziehung einseitig als eine Dressur zu der irdisch gewordenen Form der Kirche auffaßten, vernichteten sie das göttlich Gegebene, die Freiheit des Menschen und machten deshalb auch alle didaktischen Bestimmungen zu mechanischen Abrichtungskünsten, die nicht dazu dienten, den Menschen frei zu machen, sondern ihn zu binden. Mögen auch viele ihrer Einzelbestimmungen didaktisch rich tig sein, sie werden durch ihr Prinzip in das Gegentheil verkehrt, weil das Ganze ih>,'er Bildungsweise verkehrt war, weil ihr Prinzip, Vernichtung der Selbstbestimmung, ein unsittliches ist. Was hilft es dem Menschen, auf eine regelrechte Weise unterrichtet worden zu sein, wenn er das, was er durch den Unterricht erworben hat, nicht auf freie Weise verwerthen kann? Wird es nicht vielmehr zu etwas
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Schädlichem, wenn er es zu einem selbstsüchtigen Zwecke verwendet? — Das Prinzip, Erziehung zur Kirche, also zu irgend einer mensch lich gewordenen und oft menschlich verfehlten Form des religiösen Gemeinschaftslebens, ist ein dem göttlichen Willen entgegengesetztes, ist gottlos. Der Mensch ist nicht um der Kirche, sondern die Kirche nm des Menschen willen da. Es ist im Wesen ganz dasselbe, was der Herr im Pharisäismus angreift, nur in etwas veränderter Form. Aus diesem letzten Ziele des Menschen leitet Comenius nun folgende drei Grundforderungen ab und begründet sie (objektiv) durch den Willen Gottes, wie er sich in seinem geoffenbarten Wort, haupt sächlich bei der Schöpfung des Menschen ausspricht, und (subjektiv) durch die Natur des Menschen, welche letztere aber auch mit der «biektiven Begründung zusammenfällt, da auch in der Natur des Manschen sich der Wille Gottes ausspricht. 1. Der Mensch soll aller Dinge kundig sein (Bildung); er soll der Dinge und seiner selbst mächtig sein (Tugend und gute Sitte); 3. er soll sich und Alles auf Gott, den Urquell aller Dinge, be ziehen (religiöse Gesinnung und Frömmigkeit). Der Mensch ist zur Harmonie angelegt, so daß ein Theil den andern, eine Kraft die andere unterstützt, wie in einem wohlein gerichteten Uhrwerk. Unter diesem Bilde erklärt er das innere Leben des Menschen. Ich führe diesen Abschnitt an, weil er zu gleich über die psychologischen Anschauungen des Comenius Auf schluß gibt. „In den Bewegungen der Seele ist das Hauptrad der Wille; die treibenden Gewichte sind, die Wünsche und Gefühle, die dem Willen eine Neigung nach der einen oder andern Seite hin geben. Der Perpendikel, der die Bewegung öffnet nnd schließt, ist die Ver nunft, welche ausmißt und festsetzt, was, wo, wie weit festgehalten und geflohen werden soll. Die übrigen Bewegungen der Seele sind gleichsam die kleineren Räder, die dem Hauptrade folgen. Wenn daher den Wünschen und Gefühlen nicht ein allzugroßes Gewicht augehängt ist, und der Perpendikel, die Vernunft, recht sperrt und öffnet, so kann es nicht anders sein, als daß die Harmonie und die Uebereinstimmung der Tugenden folgt, nämlich die gehörige Mischung von Handeln und Dulden."
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„So ist also in der That der Mensch nichts als Uebereinstimmung. Wie wir demnach von einem Uhrwerke oder einem Musik instrumente, welches die Hand eines erfahrenen Künstlers gemacht hat, nicht sogleich, wenn es verdorben oder verstimmt ist, sagen, es tauge zum Gebrauch nicht mehr (es kann ja wiederhergestellt oder berichtigt werden): so darf man auch von dem, obschon durch den Sündenfall verderbten Menschen glauben, daß er unter Gottes Beistande mit Hülfe gewisser Mittel wieder hergestellt werden könne." An einer andern Stelle heißt es: „Das Wesen der Seele ist aus drei Kräften (welche die unerzeugte Dreieinigkeit abspiegeln) zusammengefügt, aus dem Erkenntniß-, dem Willens-, und dem Erinnerungsvermögen. Das Erkenntnißvermögen (der Verstand) er streckt sich auf die Unterschiede an den Dingen (und zwar an allen bis zu den kleinsten Kleinigkeiten hinab). Der Wille äußert sich an dem Verlangen nach den Dingen und zwar in der Erwählung der zuträglichen und in der Verwerfung der schädlichen. Das Gediichtniß aber bewahrt das, was Verstand u«d Wille sich je zu eigen gemacht, zu künftigem Gebrauche auf und gemahnt die Seele an ihre Abhängigkeit (die von Gott ist) und an ihre Pflicht, in welcher Rücksicht es auch Gewissen genannt wird. Damit also jene Krafte sich ihren Verrichtungen recht unterziehen können, müssen sie'darin ordentlich ausgebildet werden, was den Verstand er leuchtet, den Willen lenkt und das Gewissen wach erhält, damit der Verstand scharf eindringe, der Wille ohne Jrrthum wähle und das Gewissen begierig Alles auf Gott beziehe. Wie nun jene Kräfte (Verstand, Wille und Gewissen) nicht getrennt werden können, weil sie ein und dieselbe Seele ausmachen, so sollen auch jene drei Zierden der Seele, Bildung (Weisheit), Tugend (gute Sitten) und Frömmigkeit, nicht getrennt werden." Unter Bildung versteht er „das Kennenlernen aller Künste und Sprachen", unter Sitten „nicht blos den äußeren Anstand, sondern auch die innere und äußere Verbindung der Regungen", unter Frömmigkeit aber „jene innere Verehrung, mittels deren sich der Geist »des Menschen mit dem höchsten Willen (Wesen) verbindet und sich ihm anschließt, indem er ihn erkennt". Obwohl Comenius von einer Ausbildung der Grundkräfte der Seele spricht, so führt er diese Forderung doch nicht durch; er ' ',
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verlangt vielmehr, daß sie darin ausgebildet werden, was zu wissen und zu thun dem Menschen nothwendig, er nimmt also nicht auch die Kräfte an sich, sondern nur mit Bezug auf den Bildungsstoff Rücksicht, damit sie diesen aufnehmen können. Er sagt, es lägen die Samen der Wissenschaften und Tugenden in dem Men schen und diese müßten ausgebildet werden durch Lehre und Beispiel. Ganz abgesehen von der noch unausgebildeten psychologischen Er kenntniß liegt hierin der Mangel seines Systems; er steht noch teil weise im Mechanismus, von dem erst Pestalozzi die Pädagogik be freien sollte. Darauf weist auch schon der Titel seines Hauptwer kes: „Oiäavties", darauf weist auch die ganz unhaltbare Trennung von Tugend (guten Sitten) und Frömmigkeit hin. Ich muß darauf verzichten, die Begründung seiner Dreitheilung: Bildung, Sitten und Frömmigkeit weiter anzuführen, nur über den letzten Zweck will ich noch einige Worte anführen, weil sie Licht über das 'Ganze verbreiten und auch unscrer Zeit zur Lehre dienen können. »Es handelt sich da um die religiöse Erzie hung, die ihm in der Bildung zu Gott oder zur Freude an Gott besteht. „Daß die Wurzeln der Religion dem Menschen von Naiur einwohnen, ist daraus zu erkennen, daß er Gottes Eben bild ist, denn das Bild trägt Aehnlichkeit an sich, das Aehnliche aber findet Freude am Aehnlichen. Da also der Mensch nichts hat, das ihm ähnlich ist, außer ihn, nach dessen Bilde er bereitet ist, so folgt, daß es nichts gibt, wohin er durch seine Wünsche mehr ge zogen wird, als de? Brunnquell, dem er selbst entsprungen; nur ihn würde er hinreichend deutlich erkennen." ' „Es erhellt dies auch aus dem Beispiel der Heiden, die durch kein Wort Gottes unterwiesen, durch den verborgnen Antrieb der Natur die Gottheit erkannten, verehrten und anriefen ... Alle Menschen haben die Kenntniß der Götter, wie es Aristoteles, Seneca, Plato, Cicero, Lactantius und auch die heilige Schrift bezeugen." Er tritt damit der rigoristischen Zeitanficht entgegen, welche be hauptete, daß alle Menschen verderbt wären, daß sie ganz und gar zum Guten unfähig wären, um die göttliche Gnade zu erheben. „Es sind uns, von aus dem Paradiese verbannten Bäumen, Wurzeln
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Heblieben, welche, wenn der Regen und Sonnenschein göttlicher "Gnade über sie kommt, aufs Neue ausschlagen können . . . Schänd lich und ruchlos ist es und ein augenscheinlicher Beweis der Un dankbarkeit, wenn wir uns immer mit der Verderbniß blähen und die Gnade Gottes verschweigen!" Zweierlei liegt hierin, einmal, daß das rigorose Hervorheben des menschlichen Verderbens ihm durchaus kein Zeugniß der Frömmig keit ist und dann, daß nach ihm in jedem Menschen die Wurzeln der Religion liegen, die der Ausbildung bedürsen. Ersteres mögen sich unsere Orthodoristen merken, letzteres aber wäre für diejenigen Hut zu beherzigen, die den Religionsunterricht der Schule ganz ent ziehen wollen, oder doch wenigstens nicht als zur allgemeinen Men schenbildung gehörig betrachten. Die religiöse Bildung setzt Comenius aber nicht in den Ver stand und die Confession, sondern in das Herz und das Handeln; er dringt vor allen Dingen auf Sittlichkeit. „Sittlichkeit ist mehr als Gelehrsamkeit." Die Kunst de.r Sittenbildung aber hat folgende Gesetze: Es müssen der Jugend alle Tugenden eingepflanzt werden, vor allen aber die Cardinal-Tugenden: Klugheit, Mäßigkeit, Stärke, ^Gerechtigkeit; Klugheit, daß sie den wahren Unterschied der Dinge und ihres Wertbes kennen lernen; Mäßigkeit in Bezug auf Genuß von Speise und Trank, von Schlafen und Wachen, im Arbeiten und Spielen, im Reden und Schweigen; Stärke sollen sie zeigen in Selbstüberwindung; Gerechtigkeit, indem sie Niemand beleidigen und verletzen, Jedem das'Seine lassen und geben, Lügen und List fliehen, dienstwillig und liebenswürdig sich beweisen. — Die Bil dung zur Tugend muß frühzeitig beginnen, ehe noch die Laster ein reißen. Die Tugend lernt man durch beständiges, ehrsames Han deln und durch gute Beispiele; ihnen sind jedoch Lebensregeln zu zugeben. Einen gottesfürchtigen Charakter, der fromm ist, gewinnt man aus drei Quellen: aus der heiligen Schrift, aus der Natur und aus uns selbst. — Man gewöhne die Jugend daran, Alles, was sie hier sieht, hört, fühlt, thut und leidet, in ihrem Verhältniß zu Gott zu betrachten; man lasse sie frühzeitig und fleißig die Schrift lesen, die Predigten besuchen und gute Werke vollbringen; was aus
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der Schrift gelernt wird, werde auf den Glauben, die Liebe und Hoffnung bezogen. Was sonst noch der Jugend gelehrt wird, Wissen schaften, Künste, Sprachen, es ist alles der heiligen Schrift nachzu stellen, damit die Jugend überall wahrnimmt, daß alles nicht auf Gott Bezogene eitel sei. Neben der intellektuellen und sittlichen Bildung nimmt aber Comenius auch noch Rücksicht auf die physische. „Daß muß man bitten, daß der Geist gesund sei in gesundem Leibe." Er verlangt mäßige und einfache Nahrung, Bewegung^ Beschäftigung, Uebung, ernste sowohl, wie kurzweilige, endlich aber Erholung durch Gespräche, Scherze und Spiele, Musik u. dgl. Dies , sind in kurzen Umrissen die Grundzüge seiner Menschen bildung, die für jeden nöthig ist. „Denn der Mensch, wenn er Mensch werden soll, muß gebildet werden." Die Bildung muß im ersten Lebensalter geschehen, wo der Mensch zu andern Dingen un fähig, "zur Ausbildung allein geeignet ist; in der Jugend soll er lernen, wenn er erwachsen ist, handeln. „Wie also Jedem das Wohl seiner Nachkommenschaft, wie den' Vorstehern im weltlichen und kirchlichen Regiment der gute Fort gang der menschlichen Dinge, das Gedeihen des Menschlichen Ge schlechtes am Herzen liegt, so werden sie sich beeilen, Fürsorge zu ' tragen, daß rechtzeitig Hand angelegt werde, die Pflänzlein des Himmels zu beschneiden, zu begießen und zu gedeihlichem Vorwärts schreiten in Erlangung von Wissenschaft, gnten Sitten und Fröm migkeit einsichtsvoll heranzubilden." 2. Organisation der Schulen. Eomenius theilt zwar die Pflicht der Bildung der Kinder den Eltern zu, aber aus den menschlichen und sozialen Verhältnissen, wie sie sich herausgebildet haben, erweist er die Nothwendigkeit beson derer Bildungsanstalten, der Schulen. Das mußte damals noch bewiesen werden. „Es ist von Wichtigkeit für den ganzen christlichen Staat, daß in jedem wohlgeordneten Zusammenfein von Menschen, heiße es nun Staat, Flecken oder Dorf, eine Schule als allgemeine Jugend erziehungsanstalt errichtet werde."
Er ist nicht, wie Montaigne, für Einzelerziehung, sondern er rritt mit Baco für collegialische Erziehung ein. „Es ist dienlicher, die Jugend gemeinsam in größerer Vereinigung zu unterrichten, weil ohne Zweifel die Erfolge und die Annehmlichkeit der Arbeit größer ist, wenn einer von den Andern Vorbilder und Anstoß empfängt. Denn wir sehen, daß ein Treiben dessen, was Andere treiben, ein Gehen dahin, wohin Andere gehen. Vorangehenden folgen, Nach folgenden vorangehen, ganz und gar natürliche Dinge sind. Das Kindesalter zumal wird überhaupt mehr durch Beispiele, als durch Regeln geleitet Und regiert. Wenn man etwas deutlich machen will durch Vorschriften, so bleibt wenig haften; zeigt man, wie es Andere machen, so kommt auch die Nachahmung ohne Geheiß." Auch das weibliche Geschlecht ist in Schulen zu unter richten, „denn es kann kein genügender Grund vorgebracht werden, warum es von den Studien der Weisheit überhaupt ausgeschlossen werden solle. Sie sind gleichfalls Gottes Ebenbild, gleichfalls Teil haber der Gnade und des zukünftigen Reiches, gleichfalls mit reg samem, für die Wahrheit empfänglichem Geiste (oft mehr als unser Geschlecht) ausgestattet; ebenso steht ihnen zu hohen Würden der Zugang offen, da sie oft zur Regierung von Staaten, zur Ertheilung sehr heilsamen Ruthes an Könige und Fürsten, zur Heilkunde und zu anderen dem Menschengeschlecht ersprießlichen Dingen, auch zum prophetischen Dienst und zum Ausschelten von Priestern und Bischöfen von Gott selbst verwendet worden sind. Warum also wollen wir sie zu den Anfangsgründen zulassen, von den Schriften aber nachher zurückweisen? Fürchten wir etwa ihre Unbesonnenheit? Aber jemehr wir uns mit Ueberlegungen beschäftigen, desto weniger Raum findet die Unbesonnenheit, die von Leere des Geistes auszu gehen Pflegt Wir rathen nicht dazu, die Frauen zu unterrich ten, daß ihre Neugierde befriedigt werde, sondern ihre Tugend und ihr Wohlbefinden. Und dies am meisten darin, was zur würdigen Pflege eines Hauswesens und zur Förderung des eigenen Wohlbe findens, wie das des Mannes, der Kinder und des Gesindes gehört." Comenius tritt aber auch mit seinem Grundsatze, daß alle unterrichtet werden müssen, für die Armen und Niedrigen ein, „denn wer als Mensch geboren ist, der ist zu demselben Hauptzwecke ge boren, daß er Mensch sein soll, d. h. ein vernünftiges Geschöpf,
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das über die Schöpfung herrscht, dem das Bild seines Schöpfers aufgeprägt ist. Alle müssen dahin gebracht werden, daß sie, in Wissenschast, Tugend und Religion recht eingeweiht, das gegenwär tige, Leben nützlich hinbringen." „Zu diesem Zwecke aber waren bis jetzt entweder gar keine Schulen vorhanden, oder die vorhandenen genügten nicht. Die Aermeren werden höchstens aus Mildthätigkeit zu den Schulen zu gelassen. Die Schulen waren Folterkammern. Was vorzugsweise den' Geistern eingepflanzt werden sollte, Gottesfurcht And gute Sit ten, wurde am meisten vernachlässigt." Erasmus (geb. 1467, gest. 1536) sagt über die Schulen seiner Zeit: „Die öffentliche Erziehung wird jetzt nur durch Schulmeister besorgt, zu denen man, statt die höchste Sorgfalt auf ihre Wahl zu verwenden, meist schmutzige und verworfene Menschen nimmt, bis weilen solche, die nicht recht gescheidt sind. Man gibt ihnen ein ge ringes Gehalt und ein unsauberes Lokal, daß man sagen sollte, es handle sich um die Erziehung von Schweinen, nicht von freien Söhnen der Bürger. Und doch setzt man hier die Zukunft des ganzen Staates aufs Spiel. Noch schlimmer ist es mit den Knaben, die in den Höhlen gewisser Finsterlinge Uberaus knauserig erzogen Werden: ist doch fast alles Unheil unter dem Vorwande der Religion in die Welt gekommen."*) . Das Schulwesen war ganz und gar handwerksmäßig eingerichtet. Die Schulgesellen, und mit ihnen viele Schüler zogen in großen Schaaren umher, Anstellung suchend, bettelnd und stehlend; sie wurden meist auf ein Jahr gemiethet (einen bessern Ausdruck kann man für die damalige Art und Weife der Anstellung nicht gebrau chen); einige waren fest angestellt, vorzüglich Rektoren, Kantoren und Küster, das waren aber niedere Kirchenbeamte, die die Schule «ls eine große Nebensache ansahen. Auch das innere, geistige und sittliche Leben sollte nach handwerksmäßiger Schablone betrieben wer den. Es waren nur wenige Schulen, die sich über diesen Stand punkt erhoben; unter diesen gehörten die von Trotzendorf und Sturm zu den besseren, die auch nach einer strengern äußern Ordnung ge regelt waren. *) Schmidt-Lange. Geschichte der Pädagogik. Band II. S. 4«3.
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Schon die würtembergische (1559) und sächsische Schulordnung (1580) suchten deshalb nach dem Vorgange Trotzendorfs und Sturms eine feststehende Ordnung im Schulwesen durch Aufstellung eines Lehrplans und Einrichtung aufsteigender Klassen herbeizuführen. Die erstere, welche zugleich das Muster für die zweite war, sagt in ihrem Eingange, „die Jugend solle stufenweise von den Elementen (eieviöntis per Kraäus) zu der Bildung aufsteigen, welche im geistlichen und weltlichen Regiment erforderlich," es waren also Anstalten zur Bildung von Beamten, doch war die unterste Stufe eine deutsche Schule, wo Lesen, Schreiben, Religion und Kirchengesange gelehrt werden sollten, wie es auch den Dörfern vorgeschrieben war; daran schlossen sich sechs Klassen der lateinischen Schule, wovon die drei untersten Stufen ganz dem Latein gewidmet waren; auf der vierten trat das Griechische auf. An diese Schule schloß sich die Univer sität. Die Schüler sollten in und außer der Schule nur lateinisch mit einander reden. » Alle Pädagogen jener Zeit stellen solche aufsteigende Klassen auf, nur in Vertheilung des Lehrstoffes unterscheiden sie sich. Der unmittelbare Vorgänger des Comenius, Wolfgang Ratich, hat eben falls sechs Klassen. In den drei untern wurde die Muttersprache betrieben, erst in der vierten lehrte man Latein und in der sechsten Griechisch. Außer in den Sprachen ward Unterricht im Rechnen, Singen und der Religion ertheilt. An dieses Bestehende nun schließt sich Comenius in feiner Schulorganisation an, aber da er den Unterricht mit der Erziehung in Verbindung setzt, so übt das auch auf seine Schulorganisation einen Einfluß aus. Er setzt nämlich in seiner großen Unterrichts lehre folgende vier Arten von Schulen fest: die Mutterschule (seKola mstern«,); , b. die Volksschule (soKola vernseuls)*);
*) 8«KoIa veruscula, eigentlich die einheimische, die nationale Schule. Ich habe sie Volkschule genannt, nicht nur, weil das ganze Volk durch diese Schule hindurchgehen muß, sondern auch, weil sie, im Gegensatz zu den beiden folgenden Arten, welche die spezifische Gelehrtenbildung zu vermitteln haben, die nationale, die Volksbildung zu ihrer Aufgabe hat. Das ist der eigentliche Begriff der Volksschule, und nicht: Schule für das niedere Volk im Gegen
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e. die lateinische Schule (s«Kola latius); ä. die Universität (^esäemis). a. Die Mutterschule ist dem Comenius allein eigenthümlich. Er versteht darunter aber nicht eine Schule im engeren Sinne, son dern er meint damit die Erziehung der ersten sechs Jahre im Hause, die er mit Recht hauptsächlich in die Hand der Mutter legt; schon beim Embryo faßt er die Erziehung ins Auge. „Eine Mutterschule muß in jedem Hause sein." „Schon während der Schwangerschaft muß die Mutter der Diät gemäß leben und sich möglichst still und leidenschaftslos ver halten." „Die Mutter muß das Kind stillen." „Man gebe den Kindern weder gewürzte Speisen, noch hitzige Getränke. Man lasse sie nach Herzenslust spielen." „Während der ersten sechs Lebensjahre wird der Grund zu Allem gelegt, was sie im Leben lernen. In der Metaphysik ge winnt das Kind die allgemeinen Begriffe: Etwas, nichts, es ist, es ist nicht, das So, das Anders, das Wo, das Wann, das Aebnliche u. s. w. In der Physik lernt es Wasser, Erde, Luft, Feuer, Regen, Hagel, Eis, Schnee, Eisen, Steine, Pflanzen, Thiere, die eignen Gliedmaßen zc. In der Optik beginnt es Licht, Finsterniß'nnd Farben zu unterscheiden. In der Astronomie merkt es auf Sonne, Mond und Sterne. Die Geographie beginnt es mit Erkenntniß der Wiege, der Stube, des Gehöftes, der Straßen, der Felder; die Chro nologie mit Unterscheiden von Tag und Nacht, Stunde, Woche, Feiertag; die Geschichte mit dem, was ihnen selbst gestern und vor gestern geschehen; die Politik mit Kenntniß des Hausregiments, die Arithmetik mit Zählen :c.; die Geometrie mit Begreifen von lang, breit, Linie, Fläche, Zoll, Elle zc.; die Musik mit Hören des Gesanges und Nachsingen; die Grammatik mit Aussprechen von Silben und Worten, die Rhetorik mit Aeußerungen durch Geberden und dem Beobachten und Verstehen der Geberden An derer. In der Ethik gewinnt das Kind die beste Grundlage durch das erleuchtete Beispiel der Eltern und Hausgenossen. Da lernt satz zu den Arsstokratenanstalten. Nur die verkehrte Schulorganisation unse rer Tage hat diesen ursprünglichen Begriff der Volksschule verrückt. — Raumer nennt sie die deutsche Schule. —
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«s Mäßigkeit, Reinlichkeit, Ehrerbietung, Gehorsam, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Liebe, Thätigkeit, Schweigsamkeit, Geduld, Artigkeit, Religiositat. Von Allem die Anfänge ! Das ist das Pensum der Mutterfchulc." b. In die. Volksschule (Schule der Muttersprache) müssen alle Kinder und zwar vom sechsten Jahre an gethan werden und nicht zuerst in die lateinische (die Gelehrtenschule), wie Viele wollen. Die lateinische Schule sei aber auch keineswegs blos für die Kinder Vornehmer bestimmt. Mit dem sechsten Jahre lasse sich noch nicht bcurtheilen, ob das Kind zum Studium fähig und deshalb in die lateinische Schule zu bringen sei. „Meine Methode hat keineswegs einzig auf das, meist so er folglos geliebte Latein ihr Absehen, sie sucht vielmehr gleichmäßig den Weg zur Ausbildung aller Muttersprachen. Eine fremde Sprache lehren wollen, bevor man der eigenen mächtig ist, heißt seinen Sohn im Reiten unterrichten wollen, bevor er gehen kann. Auch bezwecke ich Realkenntnisse, die ebensogut in der Muttersprache, als in der lateinischen beigebracht werden können, wenn überall statt griechischer und lateinischer Kunstausdrücke deutsche gebraucht werden." Die Volksschule zerfällt in sechs aufsteigende Klaffen, jede Klasse hat ein Schulbuch in der Muttersprache. Täglich wird vier Stunden Unterricht ertheilt; in den zwei Morgenstunden bildet und übt man Verstand und Gedächtniß, in den zwei Nachmittags stunden Hände und Stimme. In der Volksschule lernt der Schüler deutsch lesen, nach den Gesetzen der Grammatik schreiben (man merke hier auf die richtige Anwendung der deutschen Grammatik!), im Kopfe und schriftlich rechnen, wie es das Leben fordert; malen, ge wöhnliche Melodieen singen, geistliche Lieder, Katechismus und Bibel, allgemeine Geschichte, einige Kosmographie und das Allgemeinste von den Gewerben und Künsten. e. Die lateinische Schule nimmt die Kinder erst auf, nach dem sie die Volksschule durchgemacht haben. In ihrer innern Or ganisation schließt sie sich an die Einrichtung der bestehenden Schulen an, deren sieben Künste (das Trivium und Quadrivium): Gram matik, Dialektik, Rhetorik — Arithmetik, Geometrie, Musik und Astromonie, sie auch mit aufnimmt. Außerdem aber sollen hier vier Sprachen gelehrt werden, von denen die Schüler Deutsch und La
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teinisch grammatisch vollkommen, Griechisch und Hebräisch zur Nothdurft verstehen lernen sollen. Dazu kommt noch Physik, Chrono logie, Geschichte, Sittenlehre und biblische Theologie. Die sechs Klassen benennt er nicht durch Zahlen, wie wir es thun (?rilua, Leounäa :c.), sondern nach dem Unterrichtsgegenstande, der darin zuerst auftreten und hauptsächlich betrieben werden soll; sie heißen: (?raWWatio«,, ?Ii^siea, NatKematies, LtKiea, OisIeot!e«,, RKetories. Dialektik und Rhetorik lasse er erst auf die Realien (?K^sioa) folgen, weil man ohne Sachkenntniß unmöglich Sach liches in vernünftiger Rede aussprechen könne. (Iii virAiuem nou impraeFllatsm parere iWpossibile est, ita res rstionadiliter ei«<^ui imposslbile eum, c^ui rerum e«Kuitione praeiiudutus non est.) Auch wenn wir absehen davon, daß die wissenschaftlichen Be nennungen für die einzelnen Klassen lange nicht die umfangreiche und philosophische Bedeutung haben, die wir jetzt mit jenen Be griffen verbinden, daß es sich dabei vielmehr nur um die ersten Grundlagen dieser Wissenschaften handelt, leuchtet doch das Fehler hafte dieser Organisation sofort ein, wenn wir dieselbe mit der je tzigen Organisation der Gymnasien vergleichen. So können die drei ersten recht gut in einer Klasse beginnen, ja die harmonische Aus bildung verlangt sogar ein solches Nebeneinander, um vor Einseitig keiten zu bewahren; die Ethik muß sich durch alle Klassen hindurch ziehen und die Dialektik und Rhetorik können wohl auch nicht gut durch verschiedene Stufen getrennt werden. Doch ist ein Fortschritt gegen früher immerhin zu erkennen, indem nicht blos die Unterrichts gegenstände vermehrt sind, sondern auch die Schule mehr auf die psychologische EntWickelung Rücksicht nimmt nnd die Schüler nicht zu früh nach der Universität entläßt. ä. Vom 18. bis 24. Jahre (also sechs Jahre lang) besucht der Zögling die Akademie, auf der die wahrhaft allgemeinen Studien auch wahrhaft universell betrieben werden sollen. Ueber die Akademie wolle er, da sich seine Methode nicht bis dahin erstrecke, nur einige Wünsche aussprechen. Für alle Fächer der Kunst und Wissenschaft sollen tüchtige Lehrer angestellt werden, auch möchte eine reichhaltige Bibliothek da sein. Jedem Studirenden muß es frei stehen, alle Autoren seines Faches zu studiren und alles ihm Nützliche kennen zu lernen. Auf der Akademie sollen nur flei
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ßige, ordentliche und ehrbare Leute gebildet werden. Der Staate bedarf keiner Faullenzer und die Wissenschaften dulden keine Drohnen^ — eine Wahrheit, die auch für unsre Zeit, wo die Gesellschaften für das contemplative Leben wieder überhand nehmen wollen, eine Bedeutung hat. Außer diesem Schulplane, den Comenius in der großen Unter richtslehre aufstellt, hat er noch einen andern verfaßt und zwar bei Gelegenheit seiner Berufung nach Ungarn, speziell für dieses Land. Er hat dabei eine Realschule (KeKols MnsopKIes) im Sinne, die sich, wie es scheint, an seine Volksschule anschließen und die Schüler vom 12. bis 20. Lebensjahre — also parallel mit der 8eK«1s lativa — vollständig ausbilden soll, so daß also eine Bor bereitung für die Universität hier nicht stattfindet. Die Realien bilden den Hauptgegenstand, die durch alle Klassen gelehrt werden, dazu kommen dann noch Katechese, Kalligraphie, Arithmetik, Geo metrie und Musik und das für die damalige Zeit unumgängliche Latein, doch nicht in so großer Ausdehnung, denn erst von der 5> Stufe an sollen lateinische Autoren zur Bildung des Stiles gelesen werden; von der 4. Stufe an tritt des Griechische auf. Auch sollen hier wöchentlich eine Stunde Zeitungen soräinariae raer«st«ruW llovelle, so der Nsreurius <?«,1I«-LelAious) vorgelesen werden. Je denfalls leuchtet daraus die Abficht hervor, die Schüler aus dem rein abstrakten Gebiete mehr herauszuführen und dem praktischen Leben zu nähern. Die sieben Realklassen nennt er: vestibu1s.ris, .Zanualis, atris1is (nach den von ihm verfaßten Lehrbüchern zur Er lernung der lateinischen Sprache), pKilosopKioa, I«Aiea, polities, tKeoInAie«. seu tKeosopdios. Das ist der großartige Schulorganisationsplan des Comenius, der in seinen Grundzügen bleibende Geltung hat. Keiner der Pä dagogen vor ihm hat etwas Aehnliches aufgestellt, weil keiner die Pädagogik prinzipiell erfaßt hat. Trotzendorf in Goldberg hatte nur eine Gelehrtenschule mit dem Trivium und Quadrivium in sechs Klassen, Sturm hatte dagegen zehn Klassen, in deren unterster mit dem sechsten Lebensjahre schon das Latein begann; Ratich hatte zwar die drei ersten Klassen allein für das Deutsche bestimmt, die selben bildeten aber durchaus keinen selbstständigen Schulorganismus,, sondern waren nur eine Vorschule für die drei folgenden Klassen^
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damit das Deutsche erst fest gelernt werde, che man zum Latein überging. Die Idee einer selbstständigen nationalen, einer Volks schule, mit eignem, relativ vollendetem Abschluß: diese Idee finden wir erst bei Comenius und darin besteht nicht sein geringstes Verdienst. Aber es ist noch etwas Anderes, was seiner naturgemaßen Organisation gerade für unsere Zeit eine besondere Bedeutung ver leihen könnte, weil wir — wenigstens in Preußen — im Begriffe stehen, uns von der naturgemäßen Organisation immer weiter zu entfernen und durch eine unnatürliche Schuleinrichtung nicht nur die pädagogische, sondern auch die soziale Entwicklung in ganz ver kehrte und darum verderbliche Bahnen zu lenken. Möchten die, die auf das Schulwesen bestimmenden Einfluß haben, die Geschichte auch ihre Lehrerin sein und die Stimme der bedeutendsten Pädagogen nicht ungehört verhallen lassen! Darin aber besteht sein Verdienst, daß er das ganze öffent liche Schulwesen in einen einheitlichen und zusammenhän genden Organismus brachte, dessen gemeinsames Funda ment die Volksschule ist, so jedoch, daß dieselbe dadurch nicht zu einer bloßen Vorstufe der Real- und Gelehrten schulen wird, sondern eine für sich bestehende und in sich abgeschlossene Anstalt bildet. Dieses gemeinsame nationale Fundament, die Volksschule, wahrt nicht nur die Einheit der Pädagogik, — denn wenn zweierlei im Prinzip geschiedene Anstalten (wie es in Preußen der Fall ist) auf diesem Gebiete neben einander bestehen, so folgt konsequent daraus auch eine Zweiheit der Pädagogik, deren eine die andere ausschließt, und zwar eine theurere, die „höhere", und eine billigere, die „niedere" Pädagogik — sondern es ist noch unweit wichtiger für die soziale Entwickelung des Volkes. Die Pädagogik ist eine sozial-politische Wissenschaft im eminenten Sinne, sie kann viel Segen stiften für einen Staat, sie kann aber auch unendlich verderblich wirken, ja sie kann den Staat in seinen Grundfesten erschüttern, wenn sie das Schulwesen in falsche Bahnen lenkt. Und das thut sie, wenn sie die Schulen einrichtet mit Rücksicht auf den Geldbeutel, wenn sie durch ihre Festsetzungen das Kind zum Proletarier oder zum Ari stokraten prädestinirt. Ich will ja nicht sagen, daß nicht auch im Wolksschnlwesen verschiedene Abstufungen sein können, wie solche
z. B. bestehen zwischen einer einklassigen Dorf- und einer sechsklasstgen Stadtschule; kleinere Flecken und Städte werden drei-, vier-, fünfklassige Schulen einrichten; ich will nicht sagen, daß die Rück sicht auf die hauslichen Verhältnisse mancher Kinder neben der aus gebildeten Volksschule nicht auch eine mit verkürzter Unterrichtszeit, eine Halbtagsschule, ausnahmsweise nothwendig erscheinen lassen könnte*), aber dann ruhen doch beide Schulorganismen auf glei chen Grundprinzipien und die ausgebildetere darf sich nicht als eine „höhere" über die mit beschränkter Stundenzahl erheben. Wenn aber neben der Volksschule sich andere Schulen erheben mit ganz anderem, einem großartigen „wissenschaftlichen" Prinzip (als ob die Volksschulpädagogik nicht auch eine Wissenschaft wäre!), als beson dere Vorschulen und nur als solche zu den höheren Schulen, die in zwei, drei Jahren den Knaben fertig machen für diese höhere Bildung, dann ist die Einheit der Pädagogik und die Einheit der Volksschule aufgehoben; es gibt dann gar keine Volksschule mehr, es gibt nur Proletarier- und Aristokratenanstalten und zwar für Geldaristokraten, die sich nothwendiger Weise gegenseitig ausschließend, also feindlich zu einander stellen müssen; es kommt dadurch eine Zerrissenheit ins Volk selbst und dieser Zwiespalt muß schließlich das Volk zu Grunde richten. Die einfache Konsequenz davon sind dann kommunistische und sozial-demokratische Bestrebungen, die Alles zu Grunde richten wollen und aller Sitte Hohn sprechen. Sieht man denn nur gar nicht, daß man damit nicht blos ge gen die naturgemäße Pädagogik, sondern auch gegen die einfachsten Sätze einer gesunden Politik, ja mehr noch, gegen das Grundgesetz der Ethik, gegen die Liebe sündigt? Aber die Schulen bestehen doch, sie werden besucht, wer irgend *) Das Nähere über die Organisation des städtischen Schulwesens habe ich in der bei I, Guttentag, Berlin 1867, erschienenen kleinen Schrift: „Die Stadtschulen, Betrachtungen und Vorschläge" niedergelegt, die von den pädagogischen Zeitschriften für das Volksschulwesen allgemein günstig aufge nommen, dagegen von denen für das „höhere" Schulwesen gar nicht beachtet worden ist. Es mehren sich aber die Stimmen gegen die preußische Organi sation, die auch auf das Schulwesen in den übrigen Staaten und den seit 1866 gewonnenen Provinzen vermöge der Berechtigung zum einjährig frei willigen Militärdienst einen Einfluß ausübt. ^'Z V
kann, schickt seine Kinder dorthin — leider Gottes ja! Rechnet nur auf die Eitelkeit der Menschen und ihr werdet euch nicht ver rechnet haben! Das könnt ihr jetzt an Frankreich lernen, wo die liebe Eitelkeit Land und Volk mit Blindheit geschlagen hat und zu Grunde richtet. Das Motiv der Kriegführung ist von Seiten der Franzosen ein ebenso unsittliches, als das Motiv, aus dem die mei sten Kinder eure Vorschulen und die untersten Klassen der „höhern" Schulen besuchen: Mehrseinwollen als Andere! Und die Volksschule geht unter solchen Umständen zu Grunde! O lernet doch von unsern größten Pädagogen, lernet von Comenius, lernet von Pestalozzi die wahre Staatsweisheit! — Mir blutet das Herz, wenn ich den Greuel der Verwüstung sehe, der da stehet an heiliger Stätte! — Noch ist es Zeit, einzulenken! Thut Ihr es nicht, Ihr, die Ihr die Verpflichtung und die Macht habt, so habt Ihr unser Volk zu Grunde gerichtet! Ihr freilich werdet's nicht erleben, denn so schnell geht es nicht, aber die Bessern unter nnsern später« Nachkommen werden den Fehler erkennen und Euch die Schuld geben! Und warum denn nicht die Real- und die Gelehrtenschulen auf der gemeinsamen Grundlage der Volksschule aufbauen? Ich habe noch keinen haltbaren Grund für die Einrichtung besonderer Vor schulen zu diesen Anstalten entdecken können. Die „wissenschaftliche" Bildung, (die übrigens noch der nähern Begriffsbestimmung bedarf), und die lateinische Sprache brauchen gar nicht so früh aufzutreten. Was das Kind vom ö. bis 12. Jahre an Latein lernt und zwar mit Qual lernt, das lernt es im 12. in einem Jahre und zwar mit Lust, wenn anders der Lehrer seine Sache ordentlich anfängt. Es scheint mir auch für die Gelehrten- und Realschulen eben kein Vortheil zu sein, wenn sie sich noch mit so gar unreifen Schülern abquälen müssen. Diese Schulen könnten überhaupt auf fünf Klaf sen reduzirt werden, deren oberste einen zweijährigen Kursus hätte, oder, wie Comenius wollte, auf sechs Klassen mit je einjährigem Kursus, wahrlich, sie würden einen solideren Bau bilden und mehr leisten, als jetzt, wo sie die wissenschaftliche Bildung schon mit dem neunten Jahre beginnen. Kurz: die Volksschule muß die Grundlage für alle weiteren Schulen bilden. Erst nach Absolvirung derselben geht das Kind
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zu höheren Stufen über, zu den Gymnasien oder den Realschulen. Besondere Vorschulen zu diesen weiteren Unterrichtsanstalten sind eine Verirrung unserer Zeit. Was nun die Durchführung des realistischen Unterrichts betrifft, so konnte dieselbe sich natürlich nicht über die Grenzen hin ausbewegen, in denen die betreffenden Wissenschaften selbst noch stan den, und diese waren nach unserer jetzigen Anschauung sehr eng. Das aber nimmt dem Verdienste des Comenius, das er sich um die Einführung dieses Unterrichtsgegenstandes erworben, nichts; hatte er doch ein neues Prinzip damit anfgefunden und ausgesprochen und zwar auf eine so gründliche Weise, daß es sofort fest begründet war und nach und nach in alle Schulen Eingang fand, ohne auf ernst liche Hindernisse zu stoßen, außer denen, die neue, umgestaltende, schöpferische Ideen überall finden, noch dazu, wenn sie so wenig im Leben vorbereitet sind, wie es die Idee des realistischen Unter richts war. Welche Disziplinen er in diesem Unterrichte aufstellte, haben wir schon oben gesehen. Seine Pansophie sollte der Hauptsache nach ein Lehrbuch der Realien werden; er hat sie, wie wir sahen, nie vollendet, auch die Anfänge dazu sind ihm durch Krieg und Feuer vernichtet worden. Einen Einblick aber in sein Realstudium und dessen Absichten gewährt sein „Ordis pietus" (die Welt im Bilde), auf den ich nachher noch näher eingehen werde. Natürlich mußte die lateinische Sprache in den Schulen des Comenius mehr zurück treten, da die Realien auch einen entsprechenden Ranm verlangten und da er auch der Muttersprache eine eingehende und sorgfältige Behandlung bis zur Fertigkeit im Sprechen, Lesen und Schreiben gewidmet wissen wollte. Dennoch aber behält er das Lateinische für die weitergehende Bildung, sowohl für seine Realschule (s«Kola pausopuiLa), als auch für das Gymnasium (seKola latina) bei. Und das erklärt sich einfach aus dem damaligen Kulturzustandc, mit dem das Latein so verwachsen war, daß kein einigermaßen ge bildeter Mann desselben entbehren konnte, er hätte denn gänzlich auf eine weiterreichende Wirksamkeit verzichtet. Nach diesem Zwecke faßt er auch den lateinischen Unterricht auf: er soll die allgemeine Umgangs- und Weltsprache lehren und das hängt wiederum mit einer Lieblingsneigung von ihm, Frieden und Einigung unter dem 6"
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ganzen Menschengeschlechte herzustellen, innig zusammen. Darum forderte er tägliche, ja stündliche lateinische Stilübungen und ein stetes Lateinsprechen in und außer der Schule. Alle müßten die gemeinschaftliche Sprache Aller inne haben, dazu aber der Arzt die eigenthümlich technischen Ausdrucke der Medizin, der Theolog die theologi schen u. s. w. Zur Ausbildung in der lateinischen Sprache empfiehlt er auch das Studium der lateinischen Schriftsteller, vorzüglich Cicero's, also hauptsächlich des formellen und nicht des materiellen Zweckes wegen, wie es früher der Fall war. (Der Unterrichtsstoff aus den Rea lien sollte aber hauptsächlich in der Muttersprache gegeben werden.) Aus diesem formellen Zwecke erklären sich auch seine zahlreichen und eigenthümlichen lateinischen Lehrbücher, die nicht mit Rücksicht auf das spätere Studium der Klassiker, sondern auf das Leben ein gerichtet waren, wie ja auch sein Orbis piotus diesem Zwecke mit dienen sollte. Er empfiehlt zur weitern Ausbildung im Lateinischen aber auch die historischen Schriftsteller, ferner Ovid, Horaz und Virgil, zuletzt den Seneca und Tacitus. Mit den Unfläthigkeiten eines Terenz und Plautus konnte er sich nicht befreunden, und auch sonst ist er nicht für das Ganze der heidnischen Schrift steller in christlichen Schulen, sondern wünscht für die Hand der Knaben Auszüge. In seiner Volksschule aber (bis zum 12. Jahre) kommt gar kein lateinischer Unterricht vor, an seine Stelle treten eben die Rea lien und die Muttersprache. Er erklärt sich wiederholt aufs stärkste gegen die Vernachlässigung der Muttersprachen und lobt Schottelius?) und die fruchtbringende Gesellschaft, welche sich des Deutschen angenommen. *) Justus Georg Schottel (1612—7ö), wolffenbüttelscherHof-, Konfistorialund Kammerrath, Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft, welche 1617 zu Weimar gegründet wurde, um „die hochdeutsche Sprache in ihrem rechten Wesen und Stand ohne Einmischung fremder Wörter aufs Möglichste und Thunlichste zu erhalten und sich sowohl der besten Aussprache im Reden, als auch der reinsten Arten im Schreiben und Dichten zu befleißigen", hatte die deutsche Sprache zur philosophischen Erörterung angewendet in seiner „Ethika, Sittenund Wohllebenskunst", und zwar in einem so reinen und kräftigen Ausdrucke wie lange nachher kein wissenschaftliches Buch mehr aufwies. Er hat auch ein umfangreiches Sprachwerk verfaßt: „Ausführliche Arbeit von der deutschen Haupt-Sprache. Braunschweig 1663", das lange in hohem Ansehen stand und historisch auch jetzt noch von Wichtigkeit ist. '
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Mit dieser letztern Disziplin hat er ebenfalls einen guten Griff und einen gewaltigen Schritt vorwärts gethan, der jedoch sein Ziel (in Deutschland) völlig erst erreichen konnte, nachdem die Sprache selbst zu einer abgeschlossenen und festen Ausbildung gelangt war und ureigenthümliche, nationale Schöpfungen hervorgebracht hatte. , Aber die richtige Idee schwebte dem Comenius vor und dies , ist um so höher anzuschlagen, je weniger das Leben dieser Idee schon vor gearbeitet hatte. Er hat dadurch, wie wir oben sahen, die Volks-, die nationale Schule prinzipiell gegründet und zwar als Grundlage für alle wei tergehende Bildung. Ihre tiefere Begründung erlangte sie aller dings erst durch Pestalozzi. 3. Auswahl und Bestimmung des Unterrichtsstoffes. Hier schlägt Comenius einen neuen, von dem bisherigen ganz abweichenden Weg ein. Die bestehenden Schulen genügten dem Comenius nicht, wie wir schon früher sahen. Die Abstraktion, zu ' der die Kinder von frühster Jugend auf gewaltsam gezogen wur den, erschien ihm eine Vernachlässigung der Bedürfnisse des Lebens. Sein Grundprinzip, wonach das irdische Leben eine Vorbereitung auf das ewige sein sollte, erforderte die Kenntniß auch der Ange legenheiten und Dinge dieses Lebens, die bei den frühern Schnlen, deren letztes Ziel nur die Erlernung der lateinischen Sprache war, ganz und gar vernachlässigt wurde. Aus seinem Grundprinzip ergibt sich ihm also das Studium der Realien; darum nimmt er neben den Sprachen die Realien als Unterrichtsgegenstand mit auf. Aber diese Realien sollten nicht aus Aristoteles und den Alten, überhaupt nicht aus Büchern gelehrt werden (K. v. Raumer nennt dies „verbalen" Realismus), fondern frei nach Anleitung der eigenen Sinne, der Vernunft und der Schrift. „Denn wohnen wir nicht eben so gut als die Frühern im Garten der Natur? Warum sollen wir nun nicht eben so gut wie sie Augen, Ohren und Nase brauchen, warum durch andre Lehrer, als durch unfre Sinne, die Werke der Natur kennen lernen? Warum, sage ich, sollen wir nicht statt todter Bücher das lebendige Bnch der Natur aufschlagen, in welchem viel mehr zu schauen ist.
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als uns je Einer erzählen könnte? Und dies Schauen bringt zu gleich mehr Freude und Frucht. Ueberdies sind wir durch die Er fahrung so vieler Jahrhunderte dem Aristoteles weit voraus." („Realer" Realismus, nach K. v. Raumer.) Comenius hat mit diesem Realismus eine vollständig neue Entwickelung im Schulwesen angebahnt und den Grund zu der jetzigen innern Organisation gelegt, so daß es sich wohl der Mühe lohnt, den Weg kennen zu lernen, auf dem Comenius zu diesen Ansichten gelangt ist*). Schon 1633 war von Comenius eine Physik herausgegeben worden, deren Vorrede 1632 zu Lissa geschrieben ist. Comenius erzählt darin, daß er durch den bekannten spanischen Pädagogen Ludwig Vives zur Verwerthung der Realien im Unterrichte geführt worden sei, welcher sich gegen Aristoteles erklärte: Disputiren führe zu nichts, sondern eine schweigende Betrachtung der Natur; es sei besser, die Schüler fragten und suchten, als daß sie mit einander stritten. Comenius bemerkt hierzu, Vives habe sich besser darauf verstanden, wo es fehle, als darauf, wie es sein müsse. Auch der Dominikaner Campanella (geb. 1568 zu Stilo in Calabrien, gest. 1639 zu Paris; seine Schriften: Z?r«äromus pKilosopKia« restanralläa«; Reslis ?Ki1os«pKia« «piloMstios; I^ibri äe rerum sensu;) wirkte nach dieser Richtung auf Comenius ein, doch genügte er ihm auch nicht. „Da mir aber", erzählt Comenius weiter, „Baco's loswurati« msA»a in die Hände fiel, ein bewundernswürdiges Werk, welches ich als das leuchtendste des anbrechenden neuen Jahrhunderts der Philosophie betrachte, da sah ich ein, daß auch dem Campanella Demonstrationen von solcher Gründlichkeit fehlen, wie die Wahrheit der Dinge fordert. Doch ängstigte es mich wiederum, daß der herr liche Verulam zwar den wahren Schlüssel der Natur mittheilt, aber ihre Geheimnisse nicht aufschließt, nur an wenigen Beispielen zeigt, wie sie aufzuschließen seien, das Uebrige den künftigen, Jahrhundertc hindurch fortgesetzten Beobachtungen überläßt." *) Leider stehen mir dazu fast nur die oben angeführten, wenn auch auf Quellenstudien beruhenden Werke, nicht aber alle Quellen selbst zu Gebote; doch wird eine Vergleichung mit jenen Werken leicht ergeben, daß ich den Comenius ganz eigenthümlich und wie ich hoffe, von einer neuen Seite aus
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Leben und Wissenschaft liefern den Stoff für den Unterricht. Zu des Comenius Zeit wurden die Naturwissenschaften gegründet; des Comenius Verdienst ist es, die Bedeutung derselben für die all gemeine Volksbildung erkannt und ihre Aufnahme als Unterrichts material, zugleich in Verbindung mit Geographie und Geschichte, erwirkt zu haben. Er hat damit die Schulen dem praktischen Leben dienstbar gemacht und ihnen selbst Leben zugeführt, indem er sie aus den einseitigen Schranken des lateinischen und kirchlichen Zweckes zu allgemeinen Bildungsanstalten erhob, in denen, wie er selbst sagt, „der Unterricht allgemein sein, d. h. wo Allen Alles gelehrt werden muß." „Da von der Jugendzeit und dem Unterrichte das ganze übrige Leben abhängt, so würde es vergeblich sein, wollte man nicht für alle Verhältnisse des ganzen L ebens die Geister Aller vorbereiten. Denn wie im Mutterschoß jedem künftigen Menschen dieselben Gliedmaßen angebildet werden, Hände, Füße, Zunge, und gleichwohl nicht alle Künstler, Läufer, Schreiber, Red ner werden: so soll in der Schule Allen Alles gelehrt werden, was. den Menschen angeht, obgleich dem Einen dieses, dem Andern jenes später einmal von Nutzen sein wird." Er versteht aber darunter nicht eine vollkommene und durch dringende Kenntniß aller Wissenschaften und Künste, denn eine ein zige nehme oft ein ganzes Leben in Anspruch, sondern „die Grund lagen, die Gesetze und die Uebersicht (uumeri) von allem Hauptsäch lichen, was ist und geschieht, damit die Kinder einst in der Welt nicht blos Zuschauer, sondern auch Mithandelnde werden. Es ist nämlich dahin zu wirken, daß nicht Jemand, der in der Welt wohnt, etwas so Unbekanntes aufstoße, worüber er nicht einigermaßen urtheilen, und das er nicht zu einer bestimmten Verwendung geschickt und ohne schädlichen Jrrthum bringen köüne." (DiS. WaANa. <Zsp. 10.) Dieser Begründung des Unterrichts in den Realien aus dem Leben fügt Comenius noch eine andere aus der heiligen Schrift bei und sodann eine aus dem Wesen des Menschen. auffasse, wenn ich auch sonst zu den wörtlichen Anführungen aus den Werken des Comenius die schätzenswerthen Vorarbeiten jener Gelehrten benutzt habe, so daß also meine Arbeit nicht eine blos zusammengetragene Sammlung der Meinungen Anderer ist. Thcilweise habe ich aber auch weitere und selbststän dige Auszüge aus der viüaodie,s rnagna liefern können.
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Die aus der heiligen Schrift stützt sich auf das Wort aus der Schöpfungsgeschichte, daß der Mensch herrschen solle über andere Geschöpfe und über sich selbst, wie denn auch das Vorbild des Hei landes zeige, von dem gesagt wird, daß er zugenommen habe nicht blos an Alter und Gnade, sondern auch an „Weisheit"; (soqii« ist ihm hauptsächlich Kenntniß des Lebens und der Natur.) Wenn nun der Heiland sagt: „Lernet von mir," so setzt er sich auch hie rin den Christen zum Vorbild. Die Kenntniß der Welt (Weisheit) gehöre also mit zum Wesen einer christlichen Schule. In Bezug auf das Wesen des, Menschen weist ihm das Er len ntnißvermögen auf die Beobachtung der Dinge und ihrer Unter schiede hin. Außerdem berührt er an dieser Stelle auch den Willen und das Gedächtniß, in Bezug auf Gott Gewissen genannt, aus welchen Kräften er Bildung, Tugend nnd Frömmigkeit ableitet. „Damit also jene Kräfte sich ihren Verrichtungen recht unterziehen können, müssen sie darin ordentlich ausgebildet werden, was den Verstand erleuchtet, den Willen lenkt und das Gewissen wach erhält." Zeigt schon diese Begründung der Nothwendigkeit des Unter richts in den Realien einen idealen Zug, der seine Schulen vor dem Versinken ins Materialistische wahrt, so tritt dies noch mehr in der Bestimmung des letzten Zweckes dieses Unterrichtsgcgenstandes her vor, denn nicht allein die Frömmigkeit und guten Sitten, sondern auch die Kenntnisse müssen ihm zur Ehre Gottes beitragen. Wir können unsere Bestimmung, Gott, den Menschen und uns selbst zu dienen und die daraus fließende Befriedigung nicht errei chen, wenn wir nicht — außer Tugend und Frömmigkeit — auch Kenntnisse (der realen Welt) haben. Aber diese Realkenntnisse sol len den Menschen nicht von der Tugend und Frömmigkeit abziehen. „Unglücklich ist die Trennung, wenn diese drei nicht in eisenfester Verbindung zusammenhängen. Unglücklich der Unterricht, welcher nicht zu guten Sitten und Frömmigkeit führt. Denn was ist wissen schaftliche (d. h. hier: reale) Bildung ohne Sittlichkeit? Wer in den Wissenschaften Fortschritte macht, aber Rückschritte in den Sit ten, kommt mehr zurück als vorwärts, sagt ein lateinisches Sprich wort. Was Salomo von einer schönen , aber die Vernunft verschmä henden Frau sagt, das gilt auch von dem Gelehrten, der schlecht geartet ist: Eine goldne Spange an den Klauen eines Schweines
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ist die Gelehrsamkeit eines der Tugend abgewandten Menschen (Sprüche Sal. 11, 22). Und wie man Edelsteine nicht in Blei faßt, sondern in Gold, und beide dann glänzender schimmern, so' soll die Wissenschaft nicht verbunden sein mit sittlicher Zerrüttung, sondern mit Tugendhaftigkeit, und eins wird dem andern zum Schmucke dienen. Wenn aber zu beiden noch die Frömmigkeit tritt, dann wird wahre Vollkommenheit erreicht werden. Denn wie die Furcht des Herrn der Weisheit Anfang und Ende ist, so ist sie auch Gipfel und Krone der Gelehrsamkeit, weil die Fülle der Weis heit ist, den Herrn fürchten. (Diot. m, osp. 10. No. 17.) 4. Spezielle didaktische Regeln. Comenius war durch die Praxis selbst auf seine Verbesserungsvorschlage geleitet worden, daher tragen sie auch alle ein praktisches Gepräge. Die Grundprinzipien stellt er nur auf, um daraus die Folgerungen für die Didaktik, die eigentliche Unterrichtslehre, ab zuleiten und von diesen didaktischen Festsetzungen hat „auch sein Hauptwerk, die große Unterrichtslehre, den Namen erhalten: Na^ll«, äiäaetioa. Auch sein zweites Hauptwerk: Die Welt in Bildern, (Orbis piotus) verfolgt rein didaktische Zwecke und es ist in diesen beiden Schriften das ganze System seiner eingehenden und noch heute vielfach unübertroffenen Didaktik enthalten, denn was er sonst zur leichtern Erlernung der Sprachen (^Anns liu^uarum reserat«. u. a.) schrieb, ist theils in diesen beiden Schriften enthalten, theils auch von untergeordneter Bedeutung, wenigstens für unsere Zwecke. Eine kurze Betrachtung dieser beiden Hauptwerke wird uns in das ganze didaktische System des Comenius einführen. In seinem „geöffneten Sprachthor" beklagt Comenius, daß die Jugend mit weitläufigen, verwirrten grammatikalischen Regeln auf gehalten und mit Wörtern der Dinge ohne die Dinge ausge stopft würde. Wenn der Knabe die Wörter den Dingen nicht zu zueignen wisse, so habe er von dem Erlernten gar keinen Nutzen. Verständniß und Sprache müßten sich immer decken und es solle Jeder daran gewöhnt werden, nur so viel auszusprechen, als er mit dem Berstande begriffen habe, sonst würden die Schüler nur zu Papageien abgerichtet; deshalb habe er Alles in der Welt über
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sichtlich geordnet, um das, was mit der Rede solle ausgesprochen werden, nämlich die Dinge selbst, ernstlich einzubilden. Damit habe er hundert Abschnitte ausgefüllt, in denen etwa 8000 Wörter in 1000 theils einfache, theils zusammengesetzte Sätze gebracht wären, und zwar so, daß an ihnen zugleich die Grammatik gelernt werde. Es soll in dem kurzen Büchlein dem Leser ein Inbegriff der ganzen Welt und der lateinischen Sprache gegeben werden; wenn der Schü ler diese Satze auswendig lerne, so seien ihm zu allen, freien Kün sten die Augen geöffnet. In den nun folgenden Kapiteln fangt er seine Weltbeschreibung vom Ursprung der Welt an und stellt Alles dar, was Himmel und Erde, Mensch und Thier, das gesummte menschliche Leben und Treiben, Glauben und Hoffen der kindlichen Anschauung nnd Vorstellung darbietet. Was er in der ^auu«, blos wörtlich dargestellt hatte, dazu lie fert er im Orbis piotus nun auch die Bilder, durch deren Betrach tung die Aufmerksamkeit geweckt und Vie Einbildungskraft befriedigt werden soll. Die Vorrede dieses Buches, das unzählige Male aufgelegt wor den ist*) und das sich in zeitgemäßer, verbesserter Gestalt bis in die neuste Zeit erhalten, ist wegen der darin enthaltenen didaktisch pädagogischen Regeln von besonderer Wichtigkeit und wir geben die selbe deshalb (nach der Ausgabe von 1662) in ihrem ganzen Um fange wieder und zwar in der deutschen Uebersetzung, die jene Aus gabe der lateinischen hinzufügt. „Der Unwissenheit Arzneimittel ist die Kunst-Lehre, welche den Gemüthern in den Schulen soll beigebracht werden, aber also, daß es sei eine wahre, eine vollkommene, eine klare und feste KunstLehre. — Wahr wird sie sein, wenn nichts, als was zum Leben nützlich ist, gelehrt und gelernt wird, damit man nicht nachmals Ursache habe, zu klagen: Wir wissen nicht, was nothwendig zu wissen ist, weil wir nicht, was nothwendig, gelernt. — Vollkom men wird sie sein, wenn das Gemnth zubereitet wird zur Weisheit, die Zunge zur Wohlredenheit und die Hände zu emsiger Ueberneh*) Die letzte unveränderte Ausgabe, auch mit denselben Bildern, ist wohl die, welche im Jahre 1805 in Breslau in lateinischer, polnischer, französischer und deutscher Sprache erschien.
mung der Lebensverrichtungen. Dieses wird alsdann sein das Salz des Lebens, nämlich Wissen, Reden und Thun. — Klar, auch daher stät nnd fest wird sie sein, wenn Alles, was gelehrt und gelernt wird, nicht dunkel oder verwirrt, sondern deutlich, wohl unterschieden und abgetheilt ist, wenn die sauberen Sachen den Sin nen recht vorgestellt werden, damit man sie mit dem Verstand er greifen könne. Ich sage und wiederhole mit hoher Stimme, daß dieses Letztere die Grundstütze sei aller der andern Stücke, weil wir weder etwas ins Werk setzen, noch vernünftig ausreden können, wenn wir nicht zuvor Alles, was zu thun oder wovon zu reden ist, recht verstehen lernen. Es ist aber nichts in dem Verstand, wo es nicht zuvor im Sinn gewesen. Wenn nun die Sinnen, der Sachen Unterfchiedenheiten wohl zu ergreifen, fleißig geübt werden, das ist soviel, als zur ganzen Weisheits-Lehre und weisen Beredtsamkeit und allen klugen Lebens verrichtungen den Grund legen. Welches, weil es in den Schulen im Allgemeinen vernachlässigt wird und man den Lehr-Knaben zu lernen aufgibt, was sie nicht verstehen und was auch ihren Sinnen nicht recht vor- und eingebildet worden: daher geschieht es, daß die Lehr- und Lern-Arbeit schwer ankommt und wenig Nutzen schafft. Demnach, so sehet hier ein neues Hülfsmittel für die Schulen! Aller vornehmsten Welt-Dinge und Lebensverrichtungen Vorbildung und Benamung. Diese mit Euren Lehrlingen zu durchwandern, lasset Euch nicht verdrießen, Ihr Schul- und Lehrmeister! Was und wie viel Gutes daraus zu hoffen und zu erwarten, will ich mit Wenigem andeuten:' Es ist, wie Ihr sehet, ein kleines Büchlein, aber gleichwohl ein kurzer Begriff der ganzen Welt und der ganzen Sprache, voller Figuren oder Bildungen, Benamungen und der Dinge Be schreibungen. I. Die Bildungen sind aller sehbaren Dinge, (zu welchen auch die unsichtbaren etlichermaßen gezogen werden,) in der ganzen Welt Vorstellungen und nach eben derselben Ordnungen, nach welcher sie in der Sprachen-Thür beschrieben werden; und mit solcher Voll kommenheit, daß gar nichts Nothwendiges und Hauptsächliches davon gelassen worden.
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II. Die Benamungen sind die über eine jede Figur gesetzten Üeberschriften oder Titel, welche die ganze Bildung durch ein all gemeines Wort ausdrücken. III. Die Beschreibungen sind die Auslegungen der unterschied lichen Stücken des Gemäldes, mit ihren eignen Namen also ausge drückt, daß beides den Gemälde-Stücken, und dann auch deren Na men einerlei Zahl beigesetzt ist, welche, wie eins auf das andere deute, darthut und anzeigt. Dieses Büchlein, auf diese Art eingerichtet, wird dienen, wie ich hoffe: Erstlich, die Gemüther herbeizulocken, daß sie ihnen in der Schule keine Marter, sondern eitel Wollust einbilden. Denn bekannt ist, daß die Knaben, (stracks von ihrer Jugend an,) sich an Gemälden belustigen und die Augen gern an solchen Schauwerken weiden. Der aber zuweg bringt, daß von dem GewürzGärtlein der Weisheit die Schrecksachen hinwegbleiben, der hat etwas Großes geleistet. Danach dienet dieses Büchlein, zu erwecken, den Sachen anzuhelfen und immer je mehr und mehr auszuschärfen den Ver stand. Denn die Sinne, (die vornehmsten Führer des zarten Al ters, als bei denen das Gemüth sich noch nicht in die unkörperliche Betrachtung der Dinge erschwinget,) suchen allemal ihren Gegen stand, und wenn sie denselben nicht haben, werden sie abgenutzet und kehren sich, an sich selber Verdruß habend, bald da-, bald dort hin; wenn aber dieselbe vorhanden ist, werden sie erfröhlicht und gleichsam lebendig, und lassen sich, wenn sie die Sache recht ergrif fen haben, gern daran heften. (Ein der damaligen Zeit weit vor aus eilender psychologischer Gedanke, der eine ganz neue Entwickelung des Unterrichtes in sich schließt.) Wird also dieses Büchlein, die Gemüther, sonderlich die flüchtigen, gefangen zu nehmen und *zu höherem Kunstfleiß vorzubereiten, gute Dienste thun. Daraus wird der dritte Nutz erfolgen, daß nämlich die Knaben hierher gelockt und zur Aufmerksamkeit angebracht, die Wissen schaft der vornehmsten Weltdinge spiel- und scherzweis in sich ziehen. Mit einem Wort: den Vorhof und die Sprachen thür desto annehmlicher zu bewandeln und zu behandeln, wird dieses Büchlein dienen, dahin es auch vornehmlich gemeint ist.
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So aber Jemanden gefiele, dasselbe auch in der Muttersprache vor den Tag zu bringen, verspricht es noch drei Nutzbarkeiten. I. Wird es eine Erfindung sein, viel leichter als bisher geschehen, die Knaben lesen zu lehren. Zumal, weil ein figürliches Alphabet vorangefügt worden, nämlich die Schriftzeichen aller Buchstaben und daneben das Bildniß des Thieres, dessen Stimme derselbige Buchstab ausdrücket. Denn aus Beschauung des Thier bildes kann sich der ABCschüler leicht erinnern, wie ein jeder Buch stab leicht auszusprechen, bis seine Einbildung durch die Uebung befestigt, ihn in Allem fertig mache. Wenn er nochmals auch in einer Buchstabir- Tafel, (welche diesem Büchlein vorzufügen für unnöthig erachtet worden), sich etwas bewandert gemacht, kann er fortschreiten zur Betrachtung der Figuren und der darüber ge fetzten Titelschriften. Da abermal die Beschauung des abgebildeten Dinges ihn des Namens desselben erinnern wird und wie der FigurTitel zu lesen sei. Und wenn er also das ganze Buch durchlaufen, kann es nicht fehlen, daß er nicht durch die bloßen Bilderüber schriften lesen lerne und zwar, welches zu beobachten, ohne Zuthuung der beschwerlichen Kopfmarterung der insgemein gebräuchlichen Buchstabirnng, welche auf solche Weise gänzlich kann vermieden werden. Denn die oft wiederholte Durchlaufung dieses Büchleins wird ihnen, durch die unter den Figuren befindlichen Beschreibungen, ohne andre Beihülfe die Lesfertigkeit in den Kopf bringen. (Die Richtigkeit dieses Anfanges des Leseunterrichtes beweisen unsre heutigen Fibeln, die meist nach diesem Grundsatze bear beitet sind.) II. So wird auch dies Büchlein dienen, wenn es in den deut schen Schulen deutsch gebraucht wird, die ganze Muttersprache aus dem Grunde zu lernen, weil durch vorgedachte Beschrei bungen die Wörter und Redearten der Sprache, jedes und jede an feinem Ort angeführt werden. (Ebenfalls ein weitgreifender didak tischer Grundsatz, der in unserer Zeit durch die auf Anschauung gegründeten Denk- und Sprechübungen erst zur voller Geltung ge langt ist. Die preußischen Regulative verbieten diese Uebungen; sie stehen noch hinter Comenius zurück.) Es könnte auch hinten angehängt werden eine kurze deutsche Sprachlehre, welche den all bereit gefaßten Redeverstand in seine Stücke verständlich abtheilte,
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die Abwandlungen der einzelnen Wörter vorwiese, die zusammen gesetzten aber in gewisse Lehrsätze verfaßte. III. Entsteht auch hieraus noch ein neuer Nutzgebrauch, daß nämlich durch die deutsche Uebersetzung auch die lateinische Sprache desto leicht-erlerniger gemacht wird, wie in dieser Ausgabe zu er sehen ist, indem das Buchlein durchaus also übersetzt worden, daß ein Wort dem andern und eine Zeile der andern gegeneinander über, in Allem gleichstimmt und es also ein Buch ist, aber von zweien Sprachen, gleichwie ein Mensch mit zweigetheilter Kleidung. Und könnten hinten hinzugethan werden etliche Sprachanmerknngen und Erinnerungen, allein von denen Stücken, in welcher die latei nische Sprach'Art von der deutschen abweicht; denn warum sie einander gleich sind, da ist auch keine Erinnerung vonnöthen. Im Uebrigen, weil die ersten Aufgaben der Lehrlinge sollen wenig, kurz, einfach und ohne Umstände sein, als ist diese BilderSchul allein mit den ersten bloßen Abrissen der Dinge erfüllt wor den, nämlich mit den Hauptsache» und Hauptwörtern, als der ganzen Welt, der ganzen Sprache und unserer ganzen Verständniß der Dinge, Grunrstützen für vollkommne Beschreibung der Sachen, eine aus führlichere Erlernung der Sprache und ein helleres Licht des Ver standes, so der eines, wie billig gesucht wird, kann in andern Büchern gefunden werden, wohin dieser kleine sichtbare Begriff aller Künste ein Wegweiser ist. Ich muß noch etwas mehr von dem Gebrauch dieses Büchleins anführen. I. Man gebe es einem Knaben unter die Hand, sich damit nach eigenen Belieben zu belustigen in Beschanung der Figuren und dieselben ihnen bekannt zu machen, auch zu Haus, ehe man sie zur Schule schicket. II. Danach kann man sie nach und nach befragen, sonderliche wenn sie nun zur Schule gehen, was dies und jenes sei oder heiße, damit sie nichts sehen, das sie nicht nennen können, und nichts nennen, das sie nicht weisen können. II. Es sollen ihnen aber die benannten Sachen nicht allein in der Figur, sondern auch an ihnen selber gezeigt werden, als nämlich die Leibesglieder, die Kleider, Bücher, Haus und Hausgeräthe. IV. Man soll auch ihnen zulassen, die Gemälde mit der Hand
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nachzumalen, so sie Lust dazu haben; ja, so sie keine haben, musz man ihnen Lust dazu machen. Erstlich darum, damit sie dadurch gewöhnt werden, einem Ding recht nachzusinnen und , darauf scharfe Achtung zu geben, dann auch abzumerken das Ebenmaß der Tinge, in Gegeneinanderhaltung derselben. Endlich die Hand geübt und fertig zu machen, welches zu Vielem gut ist. V. Wenn etliche Sachen, davon hierin Meldung geschieht, nicht können vor Augen gestellt werden, wäre es den Lehrknaben gar zu träglich wenn man ihnen dieselben selblich vorzeigte. Z. B. die Far ben, die Geschmacke u. dergl. , welche hier mit der DruckerFarbe nicht haben können ausgebildet werden. Und wäre dieserwegen wohl zu wünschen, daß in einer jeden vornehmen Schule die seltnen, zu Hause nicht gemeinen Sachen beigelegt würden, damit man, so oft man mit den Lehrknaben davon handelt, dieselben zu gleich vorweisen könnte. Sodann würde diese Schule ein wahrhafter Schauplatz der sichtbaren Welt und der Verstand-Schulen Vorbild sein. Aber hier von genug: laßt uns zu dem Werk selber schreiten: Sirach 25, 5. Wenn Du in der Jugend nicht sammelst, Was willst Du dann im Alter finden?" Mit diesem Buche hat Comenius die Schulen nicht blos dem Leben genähert und aus ihren abstrakten Regionen auf den realen Boden der Wirklichkeit verpflanzt, sondern er hat auch den Haupt grundsatz alles elementaren Unterrichts, den der Anschauung, so zur Geltung gebracht, daß er sofort fest begründet war und nie mehr verdrängt werden konnte. In der großen Unterrichtslehre führt Comenius nun seine didaktischen Regeln noch weiter und eingehender durch und ich kann mich hier darauf beschränken, da ich die Grundanschauungen dieses Hauptwerkes schon früher dargelegt habe, einige der vorzüglichsten Regeln anzuführen; ich kann dies um so eher, da in neuester Zeit eine Uebersetzung des berühmten Werkes im Erscheinen begriffen ist, die Jedem, der sich für diese Angelegenheit interessirt, zugänglich ist und deren Studium ich vorzüglich allen Lehrern dringend empfehle*). *)Die Uebersetzung ist enthalten in der „Pädagogischen BibliotHL^, welche von Karl Richter (Berlin, Klönne u. Meyer) ^ÄllWae?W^«ird. >
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Einige der in der großen Unterrichtslehre durchgeführten didak tischen Regeln sind schon früher angeführt; ich übergehe deshalb diese und führe nur noch nicht Erwähntes an. „Es ist falsch, die Wissenschaft sogleich bis in die Einzelheiten vorzutragen, ohne zuerst einen kunstlosen und allgemeinen Abriß des gesammten Unterrichts vorauszuschicken." „Wie sich Alles gegenseitig bedingt, so muß auch Alles unter einander verknüpft werden." „Es ist unklug, wenn man der Jugend beim Beginn irgend eines Studiums sogleich Kontroversen vorträgt." „Es ist nicht gut, daß ein Knabe mehrere Lehrer habe, da schwerlich alle die gleiche Methode befolgen, was ihn verwirrt. Alle Disziplinen sind nach einer naturgemäßen, gleichförmigen Methode zu lehren und nach gleichförmigen Lehrbüchern." „Freundliche, liebevolle Eltern und Lehrer, heitere Schulstuben, Spielplätze bei den Schulhäusern, anregender natürlicher Unterricht, alles muß zusammenwirken, um das Lernen angenehm zu machen und den gewöhnlichen Widerwillen gegen die Schule zu vertreiben." „Man soll keinen Knaben zu den Studien zwingen. Der Eifer, zu wissen und zu lernen, muß auf jegliche Weise in den Knaben entzündet werden. Die Lehrmethode muß die auf das Lernen zu verwendende Mühe vermindern, daß nichts sei, was den Schülern mißfalle und sie von der Verfolgung der Studien abschrecke." „Zuerst müssen die Sinne geübt werden, dann das Gedächtniß, dann der Verstand, endlich das Urtheil. Denn die Wissenschaft beginnt mit der sinnlichen Wahrnehmung, welche durch die Einbil dungskraft dem Gedächtniß zugeführt wird, durch Induktion einzel ner Wahrnehmungen bildet dann der Verstand allgemeine WahrBis jetzt ist der Anfang der Übersetzung in Heft 1« und Ii erschienen, — Leider finden dergleichen grundlegende Schriften in unserer Zeit nicht den Absatz, den sie verdienen. Es ist das sehr zu beklagen; gerade solche Schriften sollten die Pädagogen zu ihrer eigenen Befestigung und Ausbildung studiren. Wenn solche Unternehmungen so wenig Anklang finden, nun dann können sie eben nicht gedeihen, und die, Pädagogik verflacht mehr und mehr. — Eine etwas freier gehaltene thcilweise Uebersetzung der großen Unterrichtslehre ist übrigens schon 18S4 erschienen unter dem Titel: Johann Amos Comeni us Lehrkunst von Or, I. Leutbecher, Leipzig.
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heiten (Begriffe); endlich entspringt das feste Wissen aus dem Urtheil über hinlänglich Verstandenes." „Der Schüler lerne nichts auswendig, was er nicht begriffen hat. Man lehre nicht blos verstehen, sondern zugleich das Ver standene aussprechen oder verwerthen. So viel einer versteht, so viel gewöhne er sich auszusprechen, und umgekehrt lerne er verstehen, was er sagt. Rede und Sachkenntniß müssen gleichen Schritt halten." „Lesen und Schreiben werde zugleich gelehrt." „Nicht die Schatten der Dinge, sondern die Dinge selbst, welche auf die Sinne und die Einbildungskraft Eindruck machen, sind der Jugend nahe zu legen. Mit realer Anschauung, nicht mit verbaler Beschreibung der Dinge muß der Unterricht beginnen. Aus solcher Anschauung entwickelt sich ein festes Wissen. Das sinnlich Auf gefaßte haftet am festesten im Gedächtniß, mehr als hundertmal wiederholte Beschreibung und Erzählung. Daher sind auch Bilder, z. B. biblische, sehr zu empfehlen." »Zuerst ist ein Gegenstand in seiner Totalität ins Auge 'zu fassen, dann erst seine Theile; dies gilt für das leibliche, wie für das geistige Auge. Alle Theile, ohne Ausnahme, sind zu betrachten, sowie ihr gegenseitiges Verhältniß. Die Unterschiede der Dinge sind gehörig beizubringen." „Jede Kunst wird durch Ueben erlernt, Schreibkunst durch Schreiben, Singkunst durch Singen, u. s. w. Der Meister muß es dem Lehrling vormachen, ohne mühselige theoretische Anweisung. — Beim Ueben muß man von den ersten Elementen beginnen und allmählich zum Schwereren und Zusammengesetzteren fortschreiten. — Die Nachahmung muß sich anfangs streng an das nachzuahmende Muster halten, erst allmählich gelangt der Schüler zur Freiheit und Selbstständigkeit." Außer in, der großen „Unterrichtslehre", aus der ich die obigen Sentenzen (nach K. v. Raumer) angeführt habe, hat Comenius noch einmal seine didaktischen Grundsätze zwanzig Jahre später in der „neuesten Svrachmcthode" (AetKoäus ImFiiaruiu iiavissiWa) nieder gelegt, die er ans Wunsch des Kanzler Oxenstierna ausgearbeitet hatte. Das Werk hat nicht die Frische und Kühnheit der Didaktika, da gegen ist es planmäßiger gearbeitet. 7
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Als die drei Hauptstücke seiner Methode nennt hier Comenius 1) den Parallelismus der Dinge und Worte; 2) die lückenlose Stufenfolge des Unterrichts und 3) das leichte, angenehme, schnell fördernde Verfahren beim Unterrichten, wobei der Schüler in steter Thätigkeit sei. „Man gehe nicht auf ein Zweites Uber, bevor man nicht des Ersten mächtig ist; beim Zweiten wiederhole man das Erste." „Man lehre stufenweise und schreite vom Leichten zum Schwee ren, vom Wenigen zum Vielen, vom Einfachen zum Zusammen gesetzten, vom Näheren zum Entfernteren, vom Regelmäßigen zum Anomalischen fort." „Augenschein ersetzt Demonstration. Gut ist's, dasselbe Ding mit mehreren Sinnen aufzufassen." „Die Jüngsten müssen in sinnlichen Dingen unterrichtet werden, ihnen prägen sich die Bilder am festesten ein, für sie gehören Bei spiele, Vorschriften, nicht abstrakte Regeln." „Das Gedächtniß hat drei Aufgaben: einprägen, festhalten, er innern. — Die einzuprägenden Gegenstände müssen klar und zu sammenhängend geordnet sein, der auffassende Sinn nicht überfüllt mit Eindrücken, welche sich in ihm verwirren; er sei still, nur auf Eins gerichtet und dies mit Liebe oder Bewunderung. Festhalten wird durch Wiederholungen, Auszüge u. s. w., Erinnern durch den innern Zusammenhang der Dinge erleichtert." „Die schnell auffassenden Schüler sind nicht immer die besten. — Faulheit des Schülers muß durch Fleiß des Lehrers ersetzt werden. " „Angenehm wird das Lernen den Schülern gemacht, wenn der Lehrer sie freundlich und ihrer Natur gemäß behandelt, wenn er ihnen das Ziel ihrer Arbeit zeigt, sie nicht blos zusehen und zu hören, sondern zugreifen und mitsprechen läßt, auch auf Abwechs lung bedacht ist." „Wer schnell lehren will, fasse gleich anfangs das Ziel ins Auge und gehe stracks darauf los, ohne sich bei Nebensachen auf zuhalten; habe alle Lehrmittel immer bereit zur Hand und eine Methode in verschiedenen Disziplinen, damit der Schüler bei neuen Materien nicht zugleich mit neuen Formen zu schaffen bekomme." „Gründlich zu lehren, bedarf es klarer, ausgesuchter Beispiele
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und Borschriften, weniger zuverlässiger Regeln und ausdauernder Nebung. Es bedarf sicherer Grundlagen und eines sichern 'Fortbaues; auch Vollständigkeit, Examiniren und Repetiren ist nothwendig. Be- » sonders wichtig ist es, daß jeder Schüler angehalten werde, selbst zu lehren. Fortius sagte, von seinen Lehrern habe er viel gelernt, mehr von seinen Mitschülern, am meisten von seinen Schülern." . Diese wenigen, außer dem Zusammenhang und ohne ihre tie fere Begründung vorgeführten didaktischen Regeln mögen genügen, um auf die Höhe hinzuweisen, von der aus Comenius das Feld der Didaktik überschaute und zu zeigen, welche Bedeutung er in der EntWickelung der Pädagogik einnimmt. » « Comenius überragt weit 'feine Zeit; was nach einem Jahr hundert und noch später von A. H. Francke und B. Basedow auf gestellt wird, das hat Comenius schon in weit umfassenderer und gründlicherer Weise dargelegt; keiner der nachfolgenden Piidagogiker reicht an ihn heran, außer Pestalozzi, der allerdings die pädagogi schen Prinzipien noch mehr vertiefte, ihm Kber an praktischem Ge» schick nachsteht. Ich schließe diese Abhandlung mit dem Wunsche, daß das Anveuken dieses hervorragenden Mannes von den Pädagogen in Ehren gehalten daß vorzüglich der zweihundertjährige Todestag am 15. No vember 1871 von pädagogischen Vereinen nicht unbeachtet übergan gen werden möHe. '
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Anhang
Wir haben in den vorstehenden Aufsätzen hauptsächlich die pädagogische Wirksamkeit des Comenius zum Gegenstande unserer Darstellung gemacht und haben darin die Keime ^>er heutigen EntWickelung und des Comenius großes Andienst um Erziehung und Unterricht erkannt; aber nicht allein auf diesem beschrankten Gebiete hat C,omenius Großes geleistet, nicht blos Einer der hervorragend sten Pädagogen war er, -sondern ein Sozial-Lolitiker erster Größe, dem das Wohl der Menschheit am Herzen lag, wie irgend einem und der auch sein Scherflein zur Beförderung dieses Wohles bei tragen wollte. Seine pädagogischen und didaktischen Festsetzungen sind aus diesem Grunde entsprungen, darum ist es nothwendig zum Verständnisse seiner pädagogischen Bestrebungen auch seine sozialen Anschauungen kennen zu lernen. Da diese jedoch nicht speziell in das Pädagogische Gebiet gehören, so habe ich diese Darlegungen nicht der Schrift selbst eingefügt, sondern als Anhang gegeben. Dieser Anhang wird Stellen aus der „Panegersia", aus dem „Testament der sterbenden Mutter" und endlich aus dem „Unnm neeessai'ium" enthalten; den Schluß macht ein Verzeichniß der pädagogischen Werke des Comenius, sowie die Aufzählung der mir bisher bekannt gewordenen Schriften über Comenius. . . ' *) Man wolle dieses Wort nicht falsch auffassen. Auch in unserer Zeil ' bezeichnen sich Bestrebungen mit diesem Namen (Sozicil-Dcmokraten), die aber das Gcgentheil von dem sind, wie sie'sich nennen; das sind nicht soziale Bestrebungen, 'sondern partiknlaristische, egoistische, zu denen Comenius mit seinem liebewarmen Herzen für das wahre, materielle, wie geistige und sitt liche Wohl der Menschheit im direkten Gegensatze steht.
I. Die Panegerjm. Herder bringt in seinen „Briefen zu Beförderung der Huma nität".*) (No. 41) ein begeistertes Wort der Anerkennung für Comenius. „Der bescheidene Mann spricht von sich selbst (auch wo er es thun sollte und konnte, in seiner Kirchengeschichte der böhmischen BrUder) sehr wenig; das einzige Nothwendige lag ihm. zu sehr am Herzen. " Er vergleicht ihn mit St. Pierre **), der in der Folge mehr Gutes gewirkt habe, als mancher blendende Schriftsteller seines Zeitalters, die ihn aus der Akademie verwiesen. „Seine Träume von einem ewigen Frieden, von einer bessern Verwaltung der Staa ten, von einer größern Nutzbarkeit des geistlichen Standes, von ei' ner gewissenhafteren Pflege der Menschheit, selbst seine politischen Weissagungen, können nicht immer „Träume eines honneten Man nes" bleiben, wie sie damals ein duldender Minister nannte... Seine Grundsätze, seine Wünsche, seine Hoffnungen sind gewisser maßen der Geist aller Guten und Würdigen in Europa geworden." „ In ihrem Ziel treffen beide, Pierre und Comenius, zusammen, nnd dieses ist das Wohl der Menschheit. Ihm weihten beide, obwohl auf d?n verschiedensten Wegen, alle^ihre Gedanken und Be-' strebungen; beiden schien alles das entbehrliche Ueppigkeit oder häß liche Unsitte', was nicht dahin führte. Beid» haben eine schöne Klar heit des Geistes, eine beneidenswürdige Ordnung und Einfalt der Gedanken; sie sind von allem Leidenschaftlichen so fern und los; es verdrießt sie nicht, Eine Sache oft, ineistens mit denselben Wor ten zu sagen, damit man sie fassen und ja nicht vergessen möge, daß auch in Giesen liebenswürdigen Fehlern sie einander ähnlich erscheinen. Der letzte Zweck ihrer Bemühungen ist ganz derselbe." Nachdem Herder^ die Verdienste des Comenius um die Bildung *) Johann Gottfried von Herders sämmtliche Werke. Zur Philo sophie und Geschichte. Dreizehnter Theil. Stuttgart und Tübingen. 182S . S. 252 u. flgde. Pierre Charron, französischer Geistlicher, 'j' lS«3. In seinem Werke „De I«, saKesse" veröffentlicht er treffliche Gedanken über Erziehung. Vergl. Schmidt-Lange, Gesch. der Pädag. III, S. 2SS u. flgde.
der Menschheit durch Erziehung und Unterricht hervorgehoben, fäh^r er fort: '„Sein Plan ging indcß weiter. Er sah, daß keine Er ziehungsform ihren Zweck erreichte, wenn nicht die Geschäfte ver bessert würden, zu denen Menschen erzogen werden; hier griff er das Nebel in der Wurzel an. Er schrieb eine Panegersia, einen allgemeinen Aufruf zur Verbesserung der mensch lichen Dinge, in welchem ihm St. Pierre an Ernst und an hei liger Einfalt nachstehen möchte." ES folgt darauf eine allgemeine Inhaltsangabe dieser Schrift, worauf es weiter heißt: „Glauben Sie nicht, daß dergleichen utopische Träume, wie man sie zu nennen pflegt,» nutzlos seien: die Wahrheit, die in ihnen liegt, ist nie nutzlos Fromme Wünsche der Art fliegen nicht in den Mond; sie bleiben auf der Erde und werden zu ihrer Zeit in Thaten sichtbar. Es schwehen nach Ariosto's schöner Dichtung immerdar' einige Schwäne über dem Fluß der Vergessenheit; einige würdige Namen erhaschen sie, ehe diese hinein sinken, und schwingen sich mit ihnen zum Tempel des Andenkens empor." So weit Herder. Einen getreuen Auszug aus 'der Pancgersia gibt der Philosoph Krause in' seinem „Tagblatt des Menschheiko lebens. Dresden 1811" und Prof. Dr. v. Leonhards bringt dem selben zum erneuten Abdruck in seiner oben angeführten Schrift: „Der Versöhnungsrath :c." Der Titel der lateinischen Schrift, welche erst nach das Eomenius Tode (Hqlle 1702) gedruckt wurde, lautet übersetzt: „Pancgersia*), oder allgemeine Berathung über die Verbesserung der menschlichen Dinge an das Menschengeschlecht, vor A ndern aber an die Gelehrten, Religiosen (Geistlichen) und Macht haber von Europa." „Ich habe die Absicht", heißt es in der Vorrede? „meinen Rath zu geben, wie die menschlichen Dinge allgemein durch umfassendere und kräftigere Mittel verbessert werden könne«." Er will beweisen, daß eine Bereinigung Aller, um allen Verderbnissen abzuhelfen, wohl möglich sei. „Kommt", so heißt es in der Schrift selbst, „laßt uns mit Freiheit neuen Muth fassen, die wahre Natur der Dinge *) Panegersia übersetzt Krause mit: Allerweckung; ich möchte dafür setzen „Allgemeiner Weckruf", oder „Wach auf, Welt!"
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in den Dingen selbst zu schauen, das Gute, was wir haben, zu reinigen und allgemein mitzutheilen, auf daß Alles, was uns vom Lichte des Geistes ausschließt, was uns von Gott trennt und von einander ungesellig absondert, aufgehoben werde. Kommt! laßt uns in Sanftmuth untersuchen, ob wir über Alles das, was uns bis hierher so von einander entfernt, nichts Gewisses haben können." Er ruft also zu einer allgemeinen Versammlung, oder zu ei nem gemeinsamen Wirken zur Verbesserung der menschlichen Ange legenheiten auf, ohne indeß selbst schon positive Vorschläge machen zu wollen, dieselben vielmehr der allgemeinen Berathung anheim stellend. Trotzdem ist die Schrift voll herrlicher, tiefer Gedanken von bleibendem Werthe, aus denen wir einige auswählen. So erklart er es als menschliche Klugheitsregel, Niemand wegen einzelner menschlicher Jrrthümer zu schmähen. „Lehren bedeutet anleiten, und dies bezeichnet eine milde, lieb reiche Handlung. Jrrthümer sollen nicht mit Heftigkeit bekämpft werden, sondern die Menschen sind zu ruhiger, geselliger Befchauung der Wahrheit einzuladen, damit diese mit ihren tiefsten Wurzeln sanft in sie dringe. — Hierin will ich mit einem Exempel vorgehen und in dieser meiner Schrift mich bemühen, von da auszugehen, wo uns keine entgegengesetzte Meinung entzweit oder uns einander verdächtig macht; ich werde immer schrittweis nnd all mählich vordringen und Alles sorgfältig vermeiden, was beleidigen könnte, daß selbst ein Jude, Türke, Heide, um so mehr wir durch was für Meinungen immer getheilten Christen un gekränkt diese Schrift lesen und darin so weit vorschreiten können, bis ein Jeder dahin gekommen, wo er, von Lichtstrahlen umglänzt und vom Gebiete der Wahrheit umschlossen, aus Furcht vor Scham nicht umkehren, noch auch, erfüllt mit Hoffnung höheren Lichtes, umkehren kann." Weil die Menschen von dem Wege ihres Heiles ab in tau sendfache Irrwege gerathen sind, will er wahre, ebene, angenehme Wege angeben, wie wir zu unserer ursprünglichen Einfalt, Ruhe und Glückseligkeit zurückkehren können. „ Ich unternehme das Größte, was es unter dem Himmel gibt, was alle Menschen betrifft, in all seitiger Beziehung, für dieses und für das zukünftige Leben. Da
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her muß ich mich selbst und alle andern mit mir hierzu erwecken^ (weshalb er auch seine Schrift als „Weckruf" bezeichnet.) Denn Gottes edelstes Geschöpf, der Mensch, zu dem edelsten Zweck in die Welt eingesetzt, vergißt seines edelsten Theiles und thut nichts so wenig, als das, wozu er hierher gesetzt ist. Dich, o Ewiger, rufe ich an zum Zeugen, daß ich mich seit Jahren geängstigt habe, ob ich das, was mir hierüber immer lichter wurde, unterdrücken oder offen bekennen sollte, daß Deine Kraft in mir überwiegt, welche fast wider Willen hinreißt und nach sich zieht. O wie wollte ich mit B oses (Exodus 22, 32.) aus dem Buche des Lebens ausgetilgt sein, wenn ich durch dieses Opfer für mein Volk, für die Mensch heit die Gnade der allerbarmenden Liebe erlangen könnte! — Der unglückliche Zustand der Menschen zwingt sie, auf Rettung zu den ken und sich darüber gesellig zu berathen; vermögen wir nun nicht, persönlich uns zu versammeln, so können wir uns doch mit dem Gemüthe vereinen und uns schriftlich mittheilen. " „Unter den menschlichen Dingen verstehe ich nur die, welche , zur Erhabenheit der menschlichen Natur gehören, wodurch wir, über die Thiere gehoben, gottähnlich sind. Gottes Ebenbild ist unserer Seele verliehen, welche Verstand und Vernunft, freien Willen und auf Alles sich erstreckende wirksame Kräfte (taoultates, Vermögen) hat. Der Verstand strebt rastlos nach Wahrheit, der Wille nach dem Guten und die wirksamen Kräfte führen stetig die Werke aus. Daher stammen die Wissenschaften (die Philosophie), als das Streben nach Weisheit, die Religion, als die Verehrung und der Genuß des höchsten Gutes, und die Staatskunst (?olitiea), als das stete Streben, sich gesellig so zu vereinigen, daß sich Alle durch ihre Thatigkeit nicht hindern, sondern befördern. Der Zweck der Erkcnntniß ist der Friede des Geistes (mentis) mit den Dingen; der Zweck der Staatskunst und Verfassung ist der Friede der Ge müther (animorum) unter Menschen und der Zweck der Religion der Friede des Gewissens mit Gott; ihre Früchte sind Weisheit des Verstandes, Frömmigkeit des Herzens, Ruhe des Lebens." Weiter zeigt Comenius, wie diese drei, welche Mittel fein sollen zum Heile der Menschheit, verderbt seien. „Anstatt der Weisheit herrscht Unwissenheit oder Sophistik, anstatt der Religion Atheismus oder Aberglaube, anstatt des Staates Anarchie und Verwirrung
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oder Tyrannei und Unterdrückung. ' Die Menschen suchen sich au ßer sich, die Dinge über sich, Gott unter sich; sie unterwerfen und geben sich Dingen zu Sklaven, welche sie beherrschen, sollten; sie suchen und erdichten sich .einen Gott, nicht von dem sie, sondern der von ihnen abhänge als Diener ihres Gelüstes. . Die Mächtigen kümmern sich selten um Weisheit, selten um Religion; wie Viele .der Weisen wollen weise sein ohne Gott und leben ohne sich, ge schweige Andere, vernunftgemäß zu regieren; wie Viele der Geist lichen ergeben sich so ihren frommen Uebungen, daß sie sich weder gründliche Erkenntnisse erwerben, noch andere gründlich, belehren und zur Tugend anleiten wollen... Die Politiker (Staatsmänner) sind nicht einmal über die Grundsatze der Regierung einig. Das Chaos der religiösen Streitigkeiten kann Niemand ohne Schrecken ansehen; nicht einmal in Ansehung Gottes findet sich hinlängliche Uebereinstimmung; keine Religion aber ist unter sich so uneinig, als die, die sich des meisten Lichtes erfreut, oder wenigstens zu erfreuen rühmt, die christliche, so daß sie den übrigen zum Aergerniß, sich selbst aber zum größten Hinderniß wird." Die Wurzel dieser trostlosen Zustande findet er in der Selbst sucht. „Wer nicht sich selbst zuerst beherrschen kann, der kann mich Andere nicht leiten. Allein es gibt Menschen, welche, nicht zufrie den, sich und ihre Angelegenheiten zu regieren, Andere zu regieren, d. h. nach Willkür hin und her zu reißen, eilen und, damit sie nur herrschen können, Andre angreifen, überwältigen,' unterjochen, mißhandeln. Sehr oft bedenken die, die Andern vorgesetzt sind, nicht, warum sie es sind. Sie glauben, die Welt sei für sie da und mißbrauchen daher Menschen und Thier, wozu es ihnen beliebt, und wenn sie Widerstand finden, weil des Menschen Natur unwan delbar ist und sich ihre angeschaffene Freiheit nicht völlig entziehen läßt, so brauchen sie Schläge, Fesseln, Stricke, Schwerter u. s. w. So ist Alles erfüllt mit Sardanapalen, die sich nicht der Regierung, fondern der Wollust ergeben, mit Nimroden, die ohne Gesetz regie ren, oder, mit Macchiavellisten, die des Gesetzes Kraft mit List ver eiteln und so nach gemalten Gesetzen herrschen." „So ist in den menschlichen Dingen nichts heil, weil der Zu stand der Wissenschaften, des Staates und der Religion durchs ganze Menschengeschlecht verdorben ist. Die meisten Menschen, ja.
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ganze Völker leben ohne Kenntniß Gottes, ihrer selbst vergessen, ihrer Menschlichkeit (Kumsuitatis) unbewußt, wie die Thiere des Feldes, ein wahrhaft viehisches Leben; daß jenes, wodurch wir am meisten Menschen sind, verworren und verdorben ist, wer will es leugnen?" „Wenn Alle wahrhaft die echte Gottesverehrung suchten, so würde die traurige Dissonanz der Religions-. Parteien verschwinden. Aber jeder bleibt an dem Religions begriffe hängen, worein ihn Geburt oder irgend ein Zufall versetzt hat. " „Schändlich ist eine so große Uneinigkeit in der Schule, im Reiche, im Tempel des Einen Gottes. Die Religion, die uns Gott ähnlich zu machen bestimmt ist, sollte uns zur Sanftmuth bilden, so aber gibt sie den Borwand zu Haß und Verfolgung und Grau samkeit, am meisten unter den Christen, die doch einen durch so viele göttliche Offenbarungen begründeten Lehrbegriff zu haben glauben. Wie müssen wir in Gottes Augen erscheinen? — Wie tief sind wir von der ewigen Harmonie herabgesunken!" — Warum aber sollten wir uns nicht einigen können? „Die Welt ist ihrer Natur nach (uswi'Aiiter) ein Ganzes, warum sollte sie es nicht geistlich (m«raI!ter) werden? Die Mutter Erde nährt und trägt uns alle; die Luft durchweht und belebt uns alle; derselbe Himmel deckt uns alle; dieselbe Sonne mit allen Sternen umwandelt und umleuchtet uns alle; wir alle leben auf einem ge meinsamen Wohnplatze, ein Lebenshauch durchglüht uns alle. Wir sind alle Mitbürger einer Welt,, was will uns wehren, in ein Gemeinwesen, unter dieselben Gesetze uns zu versammeln? Was wehrt uns zu hoffen, es werde endlich geschehen, daß wir alle ein wohlgeordneter, durch dieselben Bande derselben Wissenschaften, Ge setze und Religion wohlverbundener Verein werden? Denn allen Menschen ist eine und dieselbe Natnr gemeinsam, einerlei Anstalten der Sinne, des vernünftigen Denkens, des Wollens und Begehrens und aller wirkenden Vermögen, dasselbe Handeln und Leiden, der selbe Gott. In allem diesem wünschen Alle eins, nämlich das Beste. Allen würden alle Jrrthümer ekelhaft werden, wenn wir nur allen alle Wahrheiten klar zu zeigen vermöchten; die falsche Religion würde sie anekeln, wenn wir ihnen die wahre zu zeigen wüßten; die Tyrannei und jede Gewaltthat würde sie anekeln, wenn wir.
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Allen den wahren Borschmack der Freiheit geben könnten, so daß es weiter nichts bedarf, als daß wir alles das, was wir alle wollen und können, auch alle wissen." Er begegnet noch einem Einwurfe, nämlich, ob wir durch solch ein Streben nicht in Gottes Weltregierung eingriffen. Es sei uns aber nicht nur mit gutem Gewissen erlaubt, sondern so gar durch das Gewissen geboten, den Weg der Verbesserung aufzu suchen, und er steht auch da auf dem freien evangelischen Standpunkte, der die menschliche Freiheit durch die Gnade Gottes nicht vernichtet, sondern erst recht in ihre Rechte eingesetzt sieht, „Schon nach dem natürlichen Recht ist es Jedem erlaubt, über das, was in seiner Gewalt steht, sein Recht zu brauchen; aber nicht nur Alles in der Natur, sondern auch uns selbst hat Gott uns über lassen; Alles ist unser, auch unser Verstand, unser Wille, unsre Kraft— Wunder erwarten, so lange noch irgend ein Mittel vorhanden ist, heißt Gott versuchen. . . Gewiß ist es, daß es ganz und allein Gott ist, der Alles in Allem wirkt; sowie jede Krea tur ohne ihn Nichts ist, so kann sie auch ohne ihn nur irren, fal len, untergehn. Aber es ist bekannt, daß Gott seit der ersten Schöpfung in den Kreaturen nichts unmittelbar wirkt, sondern Alles durch die Kreaturen selbst, vorzüglich aber, daß er jede Krea tur durch sie selbst regiert. Daher verlieh er einer jeden Selbst liebe und den Trieb, sich , selbst zu erhalten/ Den Thieren gibt Gott Speise, aber sie müssen sie selbst suchen; den Vögeln bereitet er Nester, aber durch sie selbst; den Füchsen Höhlen, aber , durch ihre eigi« Kunst. Wird es also dem Menschen, der, mit einein ' scharfen Verstande gerüstet, alles Nebrige begierig durchforscht und dem Gott für sein eigen Heil vorzüglich wachsam zu sein geboten hat, gebühren, die Sorge für sich selbst abzuwerfen und Gott zu trotzen? Die göttliche Vorsehung erstreckt sich nur so über den Menschen, daß jeder Mensch, auf Gott vertrauend, die Mittel ge brauche, und, die Mittel gebrauchend, auf Gott vertraue, daß in Allem', was den Menschen angeht, der Mensch nichts ver mag ohne Gott und Gott nichts will ohne den Menschen. So wollen wir denn für Alles, was zu unserm Heile gehört,' muthvoll beten und arbeiten!" Aber nicht blos für seine eigene Person, sondern für das
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Heil der ganzen Welt soll jeder Mensch besorgt sein, wie Gott auch für Alle sorgt, sonst wären wir nicht Gottes Ebenbild, sondern des Ebenbildes Leiche. Nun gibt er einen dreifachen Weg an, alle menschlichen Dinge in Harmonie zu bringen, den Weg der allgemeinen Einheit (nui> tstis), der Einfalt (simplieitatis) und der freien Entschließung (spoiltalieitiMs). „Wir sollen von der getrennten Vielheit zur Ein heit, d. h. von den zahllosen parteiischen Bestrebungen, die uns endlos von einander entfernen, zur genieinsamen Sorge für unser gemeinsames Heil zurückkommen. Ebenso sollen wir von den vielen Verwirrungen, die uns umstricken, ohne alle Sophisterei zu der Einfachheit, dem reinen Gute der Wahrheit, zurückkehren, endlich von den Gewaltthätigkeiten, womit wir Alles erfüllt haben, zu der angebornen Freiheit. Einheit, Einfachheit und Freiheit sei auch der Charakter der Gottheit. Ueber die letztere (Freiheit) sagt er: „Dieselbes hat Gott seinem Ebenbilde, dem Menschen, eingedrückt, daß er in den mannichfaltigen freien Handlunge« derselben, als seines Nachbildes, sich selbst, als das Urbild, mit Wohlgefallen beschaue. Er untergab ihm Alles, daß er es in seiner Hand habe, was und wie er es thun wolle, wenn gut, zu seinem Besten, wenn schlecht, zu seinem Schaden; er erinnert ihn, aber er zwingt ihn nicht, Gu tes zu thun; er mahnt ihn vom Bösen ab, aber er hält ihn davon nicht mit Gewalt zurück; und so wie er selbst der menschlichen Na tur keine Gewalt anthut, so ist es ihm zuwider, wenn dieselbe wo anders her Gewalt leidet." Von diesem dreifachen Wege 5er Einheit, Einfachheit «nd Frei willigkeit sind wir vielfach abgewichen. „Denn von dem Wege der Einheit und der allumfassenden, wechselseitigen Mi'ttheilung sind bei uns kaum einige deutliche Spu ren. Alles ist zerstückelt und zerrissen in der Lehre (im Unterrichte), in der Religion, in der politischen und häuslichen Einrichtung der Dinge. Denn kaum arbeiten wir jemals gesellig nach einem be stimmten Plane, und Parteigeist herrscht überall. Jeder glaubt, nur er sei weise, strebt nur, daß er sich wohl befinde, besorgt nur, daß Andere ihm nicht in irgend etwas vorgreifen möchten; Jeder sucht nur alles mögliche in Eile an sich zu reißen; ja um seinen Vonheil zu mehren, schont sogar Keiner das Blut des Andern; der
Mensch beraubt und erschöpft den Menschen, eine Gesellschaft die andere, ein Volk das andere. Auch vom Wege der Einfachheit haben wir uns weit entfernt, indem wir uns nicht bei jenen uns Allen von Gott angebornen Grundbegriffen (Eccl.es. 7, 3V) und bei dem Maße unserer Kräfte beruhigen, sondern alles Andere nach leeren Einbildungen versuchen, weshalb die meisten Unternehmungen der Menschen un überlegt, eitel nnd erfolglos sind. Deshalb haben wir auch die Freiheit verloren, und in den Schulen, Tempeln und vor Gericht (d. h. in der Verwaltung und Rechtspflege, denn damals war beides noch nicht getrennt), geschieht das Meiste gewaltsam, erzwungen, knechtisch." Es sind in diesen Worten tiefe Gedanken niedergelegt, die die neue Entwickelung der Menschheit ahnen lassen, der sie entgegen ging. Wie Comenius auf Gottes Wort hinweist, so gründet er sich auf das Werk und die darin ausgesprochenen Ideen Gottes überhaupt, gleichwie auch Pestalozzi auf die Natur zurückging. Daß wir bei Comenius noch nicht diese umfassende Tiefe antreffen, erklärt sich aus dem Standpunkte der Bildung seiner Zeit, von der auch er umschlossen war und von der er sich nicht losmachen konnte, wenn er auch über seiner Zeit stand. Neben den Forschun gen eines Baco von Verulam und eines Renatus Cartesius konnte nur ein Comenius erscheinen, neb.en einem Kant und seiner Kritik der reinen Vernunft erst ein Pestalozzi; die Natur, auch die des Geistes, bewegt sich nicht in Sprüngen,' sondern in einer stetigen Entwickelung und die Erscheinungen auf den verschiedenen Ge bieten des Kulturlebens stehen unter sich in einem tiefen Zu sammenhange. Wie Baco von , Verulam auf dem Gebiete der Natur, Carte sius auf dem des Geistes ihre Forschungen auf das Wesen der Sachen gründen, so sucht Comenius auf sozialem Gebiete dieses Wesen zu erforschen; darin allein findet er das Heil für die Mensch heit und mit Recht, mag man auch seine logische Theilung nicht scharf . genug gesondert und seine Kategorieen nicht allumfassend finden. Dennoch hat er das Richtige getroffen, wenn er auf diesen durch die Natur der Sache und daher von Gott gesetzten Weg hinweist.
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„Wir müssen daher auf den wahrhaft königlichen, ja göttlichen, öffentlichen, noch unversuchten Weg des Lichtes, des Friedens und der Sicherheit zurückkehren, auf den Weg der Einheit, Einfachheit und Freiwilligkeit. — Dieser Weg der Einheit oder Allgemein heit (universalitatis) wird uns lehren, Alles unter sich zu verbinden, was verbunden werden soll, das ist: Alles, in Allen, auf alleWeise zu verbessern, (omnis, «rnuibus, «mnimoä« ess« emenclaiiäa). Alles, denn alles Einzelne steht im wesentlichen Zusammenhange und das ein zelne zurückgelassene Verdorbene bleibt sonst ein Samen der Krank heit. In Allen, denn wir alle sind ein in allen seinen Gliedern zusammenhängender Leib; unverbesserte einzelne Glieder würden also dem Ganzen verderblich bleiben und nur, wenn die Verbesserung alle Menschen umfaßt, nur dann kann der Parteigeist ausgerottet werden und ein Ganzes würde uns umfassen. Auf alle Weise, denn wir müssen uns aller Mittel bedienen, um die Verbesserung auf einen allumfassenden, unerschütterlichen Grund zu bauen. — Der Weg der Einfachheit wird uns lehren, daß Keiner etwas bejahe, außer das offenbar Wahre, noch etwas leugne, außer das offenbar Falsche; daß Niemand etwas billige, außer das offenbar Gute und nichts mißbillige, als das offenbar Schlechte; daß Jeder nur das unternehme, dessen Notwendigkeit, Möglichkeit und Aus führbarkeit er einsieht und nichts aufgebe, was er nicht für unaus führbar oder unmöglich erkannt hat. So werden wir von dem Um fange nach dem Mittelpunkte gehend, uns sammeln und zuerst uns selbst erkennen, regieren, vor uns selbst sichern. — Der Weg der Freiwilligkeit endlich sucht zu erlangen, daß die Menschen aus eigenem Antriebe das Wahre erkennen, das Gute wollen, das, was zu thun ist, thun. Denn süß ist das Licht und den Augen ergötz lich (Eccl. 11. 7), und die Freiheit kann nur dann der Menschheit wiedergegeben werden, wenn die Finsternisse vor den Augen zer streut sind. Was auch nach den Grundsätzen der Allgemeinheit und Einfachheit zusammengesetzt sein möge, ohne Freiwilligkeit bliebe es eine todte Maschine." Auf den Einwand, daß der neue Weg die heutigen Philosophieen, Religionsbegriffe und Staatsverfassungen zerstören würde, erwidert Comenius: „Dieser Weg strebt nichts aufzuheben, sondern Alles zu vervollkommnen, er strebt nach der Vereinigung des Wahren, des
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Guten, der Bestrebungen. Etwas sich leer einbilden, lehrt keine Philosophie, unfromm zu leben, kein Religionsbegriff, die mensch liche Ordnung zu zerstören, keine Staatsverfassung. Wenn wir also auf den Grund der aller Menschen gemeinsamen Urbegriffe, Urtriebe und Urkräfte ein Ganzes des Wissenswürdi gen, Begehrungswürdigen und Auszuführenden bilden, was sollte von einem solchen die Philosophie, die Religion fürchten? Denn von dem Wahren, Guten, Sichernden kann auf diesem Wege nichts untergehen, sondern nur Alles in einen gemein samen Schatz vereinigt werden. Da nun mein ganzes Werk alle Menschen betrifft, so muß ich es auch allen mittheilen; daher handle ich dies offen ab, am hellen Tageslichte, damit Jeder von allen, die es angeht, es hören, sehen, beurtheilen und mit uns seine Kräfte vereinen könne, denn auch hierin zeigt sich die Forderung der Allgemeinheit, der Einfach heit, der Freiwilligkeit. . . Es wird offenbar werden, daß jene drei angebornen Grundlagen des Erkennens, des Wollens und des Aus führens die Pandekten der in uns niedergelegten göttlichen Weisheit sind, daß Alles, was in ihnen nicht enthalten ist, unecht ist; es wird anerkannt werden, sie seien die uns, als gleichsam Gottes Eben bilde, eingeschriebenen ewigen Gesetze, die goldnen Pfeiler, die eher nen Grundlagen, die unverrückbaren Schranken, die Pole und Alpen, worum Alles, was wir denken, sagen und thun, und was wir den ken, sagen und thun sollen, sich dreht, unsre innern Sonnen und Gestirne, ohne welche alles finster ist. Auf dieser Grundlage wird unsre Berathschlagung den einen großen, sichern, anmuthigen Weg einschlagen, den einzigen, der uns zum Ziele führen kann.'" Hierzu ladet er nun in der einfältigsten, aber eindringendsten Herzenssprache die Menschen ein, ein Bischof nicht blos der Ge meinde der böhmischen Brüder, sondern der gesummten Menschheit! „So kommt denn Alle, denen Euer und Eures Geschlechtes Heil am Herzen liegt, die Ihr Gott fürchtet, aus jedem Volke, von jeder Zunge und Religionsgemeinschaft, denen die menschlichen Ver wirrungen ein Abscheu sind; Ihr alle, die ihr euch nach dem Bessern sehnt, trennt eure Entwürfe nicht von einem so allgemeinen, so heil samen EntWurfe! Laßt uns unsre heilsamen Anschläge vereinen! Denn wir haben einen guten, ja herrlichen Zweck, schöne Mittel,
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ihn zu erreichen, und angenehme Wege, uns dieser Mittel zu be dienen! . . . Niemand von euch allen, die ihr urtheilen könnt, achte es zu gering, hieran Theil zu nehmen, Rath zu hören und zu geben. Niemand scheine sich daher so sehr blos Gast oder Fremd ling auf dieser Erde zu sein, daß er glaube, diese Sache sei ihm fremd; Niemand achte sich so erhaben, daß er sich nicht hierzu her ablassen. Niemand für so niedrig, daß er sich nicht hierher erheben sollte. Jedes Thal müsse sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken, denn es wird dem Herrn ein Weg bereitet. Vor allen aber erwachet ihr, denen es verliehen ist, den mensch lichen Dingen vorzustehen; ihr Erzieher des Menschengeschlechts, ihr Philosophen; ihr, die ihr Seelen von der Erde gen Himmel führt, ihr Theologen; ihr einstweiligen Beherrscher der Erde, ihr Verwal ter und Statthalter des Friedens, ihr weltlichen Oberherren! . . Von euch, ihr Philosophen, die ihr die Gründe aller Dinge er forschen sollt, verlange ich ganz besonders, daß ihr Prüft, ob alles Vorgeschlagene vernunftmäßig sei und ob so das Wahre der Dinge lichtvoller, erscheine, als auf den gewöhnlichen Wegen. Von euch aber, ihr Theologen, deren Beruf es ist, das Würdige vom Unwürdigen zu scheiden und so gleichsam Gottes Mund zu fein (Jerem. 15, 19), von euch fordere ich, daß ihr aufmerket und urtheilet, ob auch hier das Würdige vom Unwürdigen gebührend geschieden sei und ob die Menschen auf diesem Wege besser von irdischen Dingen zu himm lischen geführt werden. Von euch endlich, ihr Staatsmänner, deren Beruf es ist, zu sorgen, daß das gemeine Wahre nicht Scha den leide, von euch verlange ich, daß ihr untersuchet, ob sich hoffen lasse, daß, wenn Alle so zu den Gesetzen Gottes und der Natur zurückgeführt wären, die menschlichen Staaten gegen Verderben und Untergang gesichert würden. Doch an der Schwelle des Werkes stehend, wollen wir Alle einen heiligen Vertrag mit einander schließen : 1. Daß uns Allen nur ein Ziel vor Augen stehe, das Heil der Menschheit; wie nämlich die Welt befreit werden könne vom Parteigeiste, von der Zerrissenheit, von allem Zwang und aller Gewaltthat; wie Alle zurückgeführt werden können zum Streben nach dem allumfassenden Ziele, zur einfachsten Wahrheit und zum tief sten Frieden in allen Dingen.
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3. Da das unternommene Werk ein Werk Gottes ist, so wollen wir eS beginnen zwar mit dem Gefühl unserer beschränkten Kraft, aber auch voll Ehrfurcht und Vertrauen und auch hierin von Gott denken, wie es seiner Majestät geziemt. 4. Daß wir bei dem ganzen Werk keine andere Rücksicht' neh men, als die des gemeinen Wohles. Das Ansehen aber der Per sonen, der Nationen, der Sprachen, der Sekten werde ganz bei Seite Lesetzt, damit sich nicht vielleicht Haß, Neid oder Verachtung gegen Andere einmische. Denn warum sollten wir Andere verach ten? Wir alle sind ja Bürger einer Welt, alle ein Blut. Einen' Menschen verachten, weil er wo anders geboren ist, weil er eine andere Sprache redet, weil er anders über die Dinge denkt — welche Gedankenlosigkeit! Wir alle sind unvollkommen, alle der Hülfe bedürftig, in dieser Hinsicht alle die Schuldner Aller. . » , 5. Laßt uns eine wahre und wirkliche Verbesserung unserer Verderbnisse suchen, keine erdichtete oder eingebildete, damit unsre ernsten Bestrebungen nicht in Spiel und Spott enden. Ich will euch das schönste Urbild eines bessern Zeitalters (melioris äeni<zu« s««uli tÄeieW tormosissimaW) vor Augen stellen, dazu muß Jeder ein reines Auge und einen freien Blick herzubringen. 6. Keiner entziehe sich dieser Berathung eher, als bis alle Rathschläge gehört worden sind. Auch hierin dringen wir mit Recht auf Allumfassung und erklären uns gegen jede nur t.heilweise Maß regel. Es muß über den ganzen Gegenstand der Berathung geurtheilt werden,' oder eher soll das ganze Vorhaben aufgegeben werden. Am Schlusse wird seine Ermahnung am herzlichsten und er greifendsten; so karm nur der Apostel der Wahrheit und des Frie dens sprechen! 7. „Bei diesem ganzen Werke bedinge ich von allen Seiten be ruhigte, von aller Streitsucht ruhende Gemüther. Auf. diesem Wege brüderlicher Berathung wollen wir nicht streiten, nicht Einer dem Andern irgend sonstige Jrrthümer vorwerfen, nicht einander Uebles zutrauen. In der neuen Hoffnung gemeinsamer, nun bald Allen erscheinender Wahrheit verjüngt, wollen wir nur das Bessere vor Augen haben, und dessen, was dahinten ist, gern vergessen. Wir wollen nicht darüber streiten, wie der Brand entstanden sei, 8
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sondern arbeiten, wie er gestillt werden möge. Niemand rufe ferner mit den Söhnen des Donners, mit Jakobus, und Johannes, das Feuer des Zornes vom Himmel über die Widersprechenden herab, fondern das Feuer der Liebe laßt uns alle mit Christo vom Him mel 'entlehnen und herzlich wünschen, daß es auf Erden brenne. Wir wollen uns nicht durch hohe Meinung von unserem Wissen Einer gegen den Andern aufblähen, sondern in Liebe uns herab tassen, Einer dem Andern zu dienen, fest überzeugt, daß die, welche in Demuth irren, Gott besser gefallen, als Jene, welche auf dem Wege der Wahrheit stolz einhergehen. So werden uns Demuth vor Gott, innige Liebe (eKaritas) gegen unsre Mitbrüder und reine Liebe, die Wahrheit zu erkennen, treue Führer zu allgemeiner Üeber einstimmung sein." . Er beklagt auf's Tiefste den Streit um die Meinungen. „ Wir erfahren leider in der Erkenntniß der Dinge (Wissenschaft), in der Regierung der Menschen (Politik), in der Verehrung der Gottheit, daß eine einzige abweichende Meinung höher geachtet wird als tau send Uebereinstimmungen. Die Perser stimmen in der ganzen Lehre des Muhamed uberein, nur in wenigen geringfügigen Dingen sind sie abweichender Meinung, und wie grausame Kriege führen sie mit einander? Unsere Juden erkennen ebenso, wie die asiatischen, Mosen und die Propheten an, aber wegen der Talmudischen Ueberlieferun gen, welche unsere Juden annehmen, aber jene verwerfen, verwün schen sie sich wechselseitig mit schrecklichen Flüchen. Und was thun wir Christen? Wir alle nehmen die ganze Lehre Christi an und sind uns nur in Auslegungen — und doch wie feindselig! — ent gegen. — So harmonisch freilich hat uns unser Schöpfer gemacht, daß wir keine Disharmonie ertragen können. Doch nur ein Ver zärtelter kann nichts tragen, ein kräftiger Mann erträgt Alles, und wenn er kann, verbessert er es, wie beides uns Gott in beständi gen Beispielen lehrt." Gewiß ist es ein Zeichen der Schwäche, wenn man entgegen gesetzte Meinungen nicht vertragen kann, wie das Gegentheil ein Zeichen von Stärke und Erhabenheit ist. „Endlich fordere ich, daß wir alle einmuthig , Gott bitten, daß dieses unser Beginnen seiner Majestät nicht mißfalle, daß er uns gütig hslfe und mit erwünschtem Erfolge kröne. Denn dies Werk
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ist nicht unser, sondern Gottes, dessen schwache Kreatur wir sind. Und weil das Reich des Lichtes dem Reiche der Finsterniß feindlich ist, so werden wir auch einen harten Kampf zu bekämpfen haben, nicht allein mit der Unwissenheit, sondern auch mit der Bosheit, der Verkehrtheit und der Verstocktheit, welche ihre Finsternisse be schirmen und vertheidigen. Wenn wir für das Licht und für Gott, den Vater des Lichtes, wirken wollen, so werden wir nur unter sei ner Leitung und unter seinem Schutze wirken können. An ihn also wollen wir alle uns wenden und aus innerstem Herzensgrunde sein unendliches Erbarmen anflehen."
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II. Das Vermächtnis des Comenius. Comenius hat, da iym die Unmöglichkeil einer Sammlung und Wiederherstellung der zerstreuten ältern Brüdergemeinde zur Ge wißheit geworden war, eine paränctische und zugleich politisch und kirchlich prophetische Schrift verfaßt, in der er die ältere Brüder gemeinde zwar einerseits als eine Tochter der römischen Kirche, an dererseits aber auch die evangelischen Kirchen — meist nach Natio nalitäten geschieden — als Kinder der Brüdergemeinde auffaßt. Dieselbe führt den Titel: „Das Testament der sterbenden Mut ter Brüderunität, worin sie, in ihrem Volk und in ihrer Beson derheit endend, die ihr von Gott anvertrauten Güter unter ihre Söhne und Erben vertheilt." Sie ist im Jahre 164^ zu Lissa in tschechischer Sprache erschienen, und beginnt „Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen." Es sind tief ernste Worte der Ermahnung und des Trostes, die er an die Brüder tschechischer und polnischer Nationalität, an die Mutter (die römische Kirche) und au die evangelischen Tochter kirchen richtet, ein herrliches Zeugniß des freien christlichen Sinnes, wie der politischen Weisheit ihres Verfassers, der von der Höhe seiner idealen Lebeuserfassung aus die Entwickelung der kommenden Jahrhunderte überschaut und daran seine eindringlichen Worte knüpft. So sagt er zu den Brüdern böhmischer, mährischer und polnischer Nationalität, daß es darum mit ihnen so weit ge kommen sei, weil sie weder sich selbst, noch die Geistlichen, noch die gewöhnlichen Leute in Ordnung halten konnten, ja nicht einmal ihre jungen Leute, mit denen sie sich keine Mühe geben wollten, die sie vielmehr in ausländische Schulen schickten, woher sie denn Ungebundenheit, Fremdes in ihren Gewohnheiten, Wunderliches in ihrer
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Tracht, Afterweisheil in ihrem Gehirn, kurz, Alles eher, als Einfalt Christi und der lieben Vorfahren mitbrächten. ' Darum ermatte und erkalte das Volk und werde, wie Bäume, die keine gesunden Wurzeln haben, von jedem Winde umgeworfen, „so daß bei Euch Alles sich zum Falle neigt." Wie ein Prophet des alten Bundes sagt Comenius hier diesen Nationalitäten ihren Fall voraus, indem er zugleich den Grund desselben aufdeckt: die Nichtachtung ihrer nationalen Eigenthümlichkeiten, die Einführung fremdländischen Götzendienstes und damit die Verachtung des schlichten evangelischen Sinnes ihrer Bäter. Zur römischen Kirche, ihrer Mutter, spricht die sterbende Brüderkirche: „Du bist uns zur Stiefmutter geworden, ja Du hast Dich in eine Auerkuh verwandelt, die das Blut ihrer Kinder schlürft . . . Willst Du nicht Buße thun, so vermache ich Dir den Wurm eines bösen Gewissens und stelle wider Dich das Blut meiner Söhne und anderer Zeugen Christi, die Du gemordet hast zwischen dem Tempel und Altar. Du geberdest Dich wie das geistliche Je rusalem und freilich bist Du's» aber ähnlich dem Jerusalem, wie es zur Zeit der Propheten und Christi und der Apostel war, . . . Wenn Du Dich nicht besserst, so vermache ich den Königen der Erde, welche Dich bis jetzt auf ihrem Rücken getragen haben, göttlichen Eifer, daß sie Dich verabscheuen,' wie eine unreine Braut und Dich mit Feuer verbrennen. (Offenb. 17, 16.)"' Die Mutter hat nicht Buße gethan, sie hat sich im GegenthM immer mehr über sich erhoben, die Könige wollen sie nicht mehr tragen, da sie anstatt zu einem Mittel des Lebens und der guten Sitten, zu einem unerträglichen Joch geworden, und nun erfüllt sich an ihr das prophetische Wort von 1648 in unfern Tagen. Zur deutschen Kirche spricht er: „Du, deutsche Kirche, warst meine liebste Schwester . . . Was ich am meisten zu Deinem Heil Dir wünsche, das vermache ich Dir als Erbtheil: eine strengere Ordnung, als Du hast, eine ordentliche Zucht (man ver wechsele dieses Wort des Comenius ja nicht mit dem, was unfre Orthodoristen unter „Kirchenzucht" verstehen; es ist vielmehr die Zucht des freien evangelischen Geistes) und ein besseres Verständniß der Lehre von der Rechtfertigung, ohne jenen so
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schändlichen Mißbrauch, wie er bei meinen Söhnen überhand nimmt. Gut hat der angefangen, den Dir der Herr zum Führer gab (Luther), aber die, die an seine Stelle kamen, haben die gute Sache nicht gut geführt. (Sie führen sie auch heute noch nicht gut.) Seine Arbeit war, Babel zu zerstören . . . Als es aber zum Aufbau kommen sollte und der Herr ihn von der Arbeit zu Ruhe abrief, da ließen es seine Gehülfen, die bauen sollten, in diesem Zustande und indem sie sich nur an das hielten, was er ausgerichtet, nah men sie es als ihren Gewinn hin, unter Trümmern zu wohnen. (Die Trümmer sind auch heute noch nicht aufgebaut; im Gegentheil, sie haben noch mehr Schutt dazu gefahren.) Denn ihr habt ja kaum etwas Anderes, als was er vom Papst thum nicht zerstört hat und wovon er nrtheilte, daß es stehen bleiben könnte. Das ist euer Palast, darin triumphirt ihr. Wovon aber andere urtheilten, daß es auch zerstört werden müsse, das habt ihr nicht nachträglich zerstört, noch wollt ihr von dieser Zerstörung etwas hören, geschweige daß zur Aufrichtung ei ner schönen kirchlichen Ordnung, zur Gründung derselben auf dem Grunde der Einigkeit, zum Ausbau derselben durch die Mauer der Zucht und zur Erhöhung der Thore und zur Einhängung der Thüren in dieselben, nebst Rie gel und Schloß mit den Schlüsseln fortgeschritten wäre. Bielmehr habt ihr im Geist angefangen und vollendet im Fleisch, wie jene sonst eifrigen. Galater, nur auf umgekehrte Weise. Jene begannen ihr Christenthum im Glauben und wollten es endigen mit den Werken des Gesetzes; ihr habt im lebendigen Glauben an gefangen und endigt im tobten Glauben, wie er es ja ohne Werke ist. O meine Freunde! Ich, der ich unter der Zucht des starken Gottes stehe, will euch lehren (Hiob 27, 11.) und wünsche, ihr möchtet es merken, daß Christum zu erkennen, ohne Christo nachzufolgen und sich des Evangeliums zu getrösten, ohne das Gesetz der Liebe, worauf das Evangelium hinzielt, zu beachten, nichts anderes ist, als Mißbrauch des heili gen Evangeliums und klarer, wenn auch jenem ersten im Papstthum entgegengefetzter, Betrug und Lüge!" Welch wahres Wort, das der ehrwürdige Bischof an unsre
deutsche evangelische Kirche richtet! Möchte sie doch endlich die Wahrheit erkennen! Der helvetischen Kirche, der „Liebhaberin der Ordnung und Zucht", wünscht er Beharrlichkeit; sie möge sich aber nicht ein bilden, etwas Besonderes zu haben, ohne es wirklich zu haben, da mit sie nicht, durch diese Einbildung verführt, mit Schalen spiele, sondern zum Kern durchdringe. Daher wünscht er Aufrechterhal tung der Gottesfurcht und der dazu dienenden Ordnung; im Den ken mehr Einfalt und weniger Grübelei, sowie sparsames Reden von Gott und seinen überlieferten Geheimnissen, was vor Spal tungen bewahren würde. Wie wahr, daß die dogmatischen Grübeleien und Redereien, der Konfessionalismus, durchaus nicht zu dem wahren Wesen der Kirche gehören, daß derselbe vielmehr zu Differenzen und Spal tungen führen müsse! Allen christlichen Gemeinden aber vermacht er die Sehn-' sucht nach Einigkeit und Versöhnung, nach der Verbindung zur Einheit des Geistes im Glauben und in der Liebe, Sehn sucht nach der Verbinduug in der Wahrheit des Christenthums mit allen, die Christi Namen in Wahrheit abrufen, Unterscheidung zwischen dem Wesentlichen und dem Abhängigen und Zufalligen, „damit ihr alle verstehen lernt, wofür man eifern und nicht eifern, wofür man mehr oder weniger eifern muß und euch des Eiferns in Unverstand enthaltet, das nicht zur Erbauung, sondern zur Zerstörung der Kirche dient." Sie sollen die von Gott gegebenen Mittel gebrauchen, ohne viel zu geben auf die Form oder den äu ßern Schmuck, die ja nur von Menschen erdacht wären.. Der Herr sagt: Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Geberden, denn es ist inwendig in euch. — Nur dann würden alle, die sich zum Hause der Kirche rechnen, auch ein allseitig verbundenes und in sich wohl geordnetes Haus bilden; und endlich komme dann nicht blos für die Kirche, sondern auch für die Engel im Himmel die Zeit, wo sie den Gesang anstimmten: Siehe, wie fein und lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig bei einander wohnen! — Unsere Zeit mit ihrem konfessionellen Hader und ihren kon fessionellen Spaltungen, die sogar durch den Staat in der Ein richtung streng gesonderter konfessioneller Schulen den Anstrich der
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Gesetzmäßigkeit erhalten sollen, könnte in diesem kostbaren Ver mächtniß, das vor mehr als 200 Jahren niedergelegt ist, einen Spiegel sich vorhalten. Oder will man seine Zeit nicht erkennen? Handelt der Staat hier etwa nach dem Grundsatze: Oiviäe et impera? — Arge Täuschung! Durch eine solche gesetzlich garantirte Trennung würde der Staat sich nur selbst zu Grunde richten. Wo bleibt "bei solchen Bestimmungen der erhabene und weit sehende staatsmännische' Blick ? Solche Staatskunst entzweit, zerstört, ver nichtet! — Zuletzt kommt Comenius nochmals auf sein geliebtes böhmisches und mährisches Vaterland, weist es auf das Erbe „unsres Ma gisters Johann Huß" hin, empfiehlt ihm Bibel, kirchliche Ordnung, Eintracht, die Muttersprache und eine bessere Jugenderziehung; „kurz, meinen ganzen Nachlaß empfehle ich Dir, mein liebes Va terland,, wie die Asche nach meiner Verbrennung, damit Du Dir daraus, eine .Lauge bereitest, um Deine Kinder rein zu waschen, wie mir der Herr bei meinem Ursprung gethan hat, indem er mich und meine Kinder aus Hussens Asche hervorrief." Er würde heute großen Schmerz über sein Volk empfinden! So viel aus dsm reichen Bermiichtniß des Comenius. Noch haben wir dies Erbe nicht angetreten, aber das deutsche Volk ar beitet darauf hin, dies Kleinod zu erlangen. Und Deutschland wird es erlangen! Dann wird erst die deutsche Verfassung, das deutsche Reich fest gegründet sein. Dann lebt auch der alte Co menius wieder auf in verklärter Gestalt. Dann ersteht auch die alte Brüdergemeinde wieder, nicht die Gemeinde böhmischer und mährifcher Brüder, sondern der Menschenbrüder, die sicher unter dem schirmenden Dache einer politischen und kirchlichen Verfassung wohnen. — Wir freilich werden diese Zeit nicht erleben; aber sie kommt, sie kommt gewiß.
m. „Ans ift noth." (llnulli neoessariuin.) ^) Diese Schrift, die Comenius im 77. Lebensjahre im Angesichte des Todes verfaßte, enthält, wie K. v. Raumer bemerkt, Bekennt nisse, die ihn uns in seiner großen Frömmigkeit und herzlichen Liebe, wie nach den verschiedenen Richtungen seiner rastlosen Thätigkeit kennen lehren. . Die Schrift zerfällt in zehn Kapitel und ein Schlußwort. Er beschreibt darin zunächst unter dem Bilde des Labyrinthes, des Stei nes des Sysiphus und der Qualen des Tantalus die Verkehrtheiten und vergeblichen Mühen und Sorgen der Menschheit (1), weist die Ursache davon nach, nämlich daß, die Menschen nicht scheiden zwi schen Nothwendigem und Nicht-Nothwendigem (2), untersucht, was nothwendig sei und was nicht, warum nur das Nothwendige und wie es zu suchen sei (3), weist auf Christus hin, der durch Wort und Beispiel uns belehrt habe, das Eine Nothwendige zu suchen (4), macht die Anwendung dieser Lehre auf die Menschheit, damit sie während des ganzen Lebens, im Tode und nach dem Tode sich wohl befinde (5), zeigt denen, die sich mit den Wissenschaften beschäfti gen, wie sie ihre und die Angelegenheiten der Schulen nach Christi Vorschrift verbessern können (6), ebenso den Politikern, wie sie die Familien, die öffentlichen Angelegenheiten und die Staaten znr Ruhe *) Der vollständige Titel der mir in einer spätem Ausgabe vorliegenden Schrift ist: Ilnum neoessarium , s«ire, quicl sibi sit neoessariuill in vits et inortze et post mortevi , «,u«<l uon neoessariis inunäi tatigst»s et s6 llnuul neeessariuiu sese reuipiess, senex ^>«. ^,w«s OovüMius snn« aetatis suag I,XXVII. mnncko «xpenclenäuin «Sert; 6«nu« r««u8uii>, llpsise, prostrst apuö 8amuelem Leujaminum ^ValtKerum , 1724,
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bringen können (7), endlich den Theologen, wie sie durch eine treu liche Befolgung der Vorschriften Christi das Heil der ganzen Kirche und den Frieden der Gemüther herbeiführen können (8), ja daß die ganze Welt durch Beobachtung der Regel Christi verbessert wer den könne (ö) und schließt mit einem Bekenntniß des Verfassers, in dem er sich und Alles Gott anheim stellt (10). Von diesem letzten Kapitel gebe ich die Uebersetzung: 1. „Ich habe die gemeinsamen Irrwege (labvrintKos) des menschlichen Geschlechtes beschrieben; soll ich nun meiner eigenen noch gedenken ? Ich würde Alles mit Stillschweigen übergehen, wenn ich nicht wüßte, daß auch ich Zuschauer meines Thuns und meiner Leiden gehabt, und fürchtete, Aergerniß durch Jrrthümer zu geben, die ich nicht verbesserte. Aber weil es Gott gefiel, mir ein Herz zu geben, das begierig war, dem öffentlichen Wohle zu dienen, (oor publioi doui aviäuW), und mir auferlegte, eine öffentliche Rolle zu spielen und einige meiner Handlungen angegriffen worden sind, so glaubte ich, dies berühren zu müssen (in dieser letzten Zeit meiner Wiedergeburt), damit, wenn einige mich für ein Muster der Emsig keit (iuäustriae; Müller übersetzt es mit „Fürwitz") oder der Neu gierde (ouriosiwtis, „unnöthige Bemühungen") gehalten haben, sie an meinem Beispiele erkennen mögen, daß man auch bei guten Vor sätzen irren könne und durch meine Erinnerungen lernen, die Jrr thümer zu vermeiden oder zu verbessern. Denn was der Apostel gesagt hat: „Sind wir außer uns (Luther: thun wir zu viel), so geschieht das Gott zu Ehren, mäßigen wir uns, so geschieht dies in Absicht auf euer Bestes (2. Cor. 5, 13)", das hat ein jeder treue Diener Christi auf sich zu beziehen, damit, wo er außer sich gewesen, er seine Jrrthümer Gott bekenne, wenn er aber etwas zur Ver besserung der Fehler gemerkt hat, er es seinem Nächsten zu Nutz kommen lasse. 2. Darum danke ich meinem Gott, der gewollt hat, daß ich mein ganzes Leben hindurch ein Mann der Sehnsucht (vir äesiäeriorum) bleibe, und wenn er mich dadurch auch in manche Jrrsale hat gerathen lassen, so hat er mir doch auch verstattet, mich aus den meisten wieder herauszuarbeiten, oder er führt mich an seiner Hand zum Anfchaun einer seligen Ruhe. Denn die Sehnsucht nach dem Guten, wie sie auch immer in eines Menschen Herz sei, ist
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immer ein Bächlein, das herfließt aus der Quelle des Guten, Gott, und es ist immer an sich gut und kommt zum guten Ende, wenn wir es nur zu gebrauchen wissen. Aber an uns liegt die Schuld, weil wir es nicht verstehen, den Bächlein nachzugehen und ihre Quelle zu finden oder die Flüsse zusammenzubringen und an das Meer zu gelangen, wo die Güter in Fülle und reichlich beisammen sind. Doch Dank sei der Güte Gottes, die uns durch mancherlei Jrrgänge unserer Labyrinthe und durch die verborgenen (Ariadne-) Fäden seiner Weisheit endlich zu sich führt, der Quelle und dem Ozean alles Guten. So ist es auch mir zu meiner Freude ergan gen, daß ich es merke, wie ich nach so unzähligen bisher gehegten Wünschen für das Bessere an das Ziel all meines Verlangens ge langt bin, indem ich erkenne, daß all meine Mühe bisher ein ver gebliches Hin- und Herrennen der Martha gewesen ist (doch aus Liebe zu dem Herrn und seinen Jüngern) oder nur ein Wechsel des Laufens und der Ruhe, wie ich eben jetzt mit der Maria zu den Füßen des Herrn sitze, so daß ich fröhlich mit David sprechen kann: „Das ist meine Freude, das ich mich zu Gott halte." (Ps. 73, 28). 3. Ich habe gesagt, daß ich alle meine Arbeiten um des Herrn und seiner Jünger willen aus Liebe übernommen habe und ich weiß es auch nicht anders; oder verflucht sei jede Stunde und jeder Augen blick irgend einer Thätigkeit, den ich anders verwendet — nach mei nem Dafürhalten auch in dem, was Andere als Ueberhebung oder Thorheit bezeichneten. Dahin gehören meine Bemühungen um den Unterricht, die ich aus Verlangen, die Jugend und die Schulen aus den Laby rinthen zu befreien, unternommen und viele Jahre fortgesetzt habe. Einige hielten das mit dem Amte eines Theologen nicht für verein bar, als ob Christus diese zwei: „Weide meine Schafe und weide meine Lämmer" nicht verbunden hätte, als er beides seinem gelieb ten Petrus empfahl (Joh. 21, 15). Ich aber sage Christo, meiner ewigen Liebe, ewigen Dank, der mir eine solche Liebe zu seinen Lämmern in mein Herz gelegt und mir gestattete, die Sache so weit zu bringen, als sie gebracht ist, wie aus dem vierten Theile meiner didaktischen Schriften hervorgeht Denn ich hoffe und er warte es zuversichtlich von meinem Gott, daß meine Vorschläge einst ins Leben neten werden, wenn der Winter der Kirche vergangen
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ist und der Regen aufgehört hat, wenn die Blumen wieder erscheinen auf unserer Erde und die Zeit der Reinignng herangekommen ist (Oant. 2.) und Gott seiner Heerde Hirten geben wird nach seinem Herzen, die nicht sich selbst weiden, sondern die Heerde des Herrn und wenn der Neid, der gegen die Lebenden gerichtet war, nach ihrem Tode ruhen wird. 4. Mein zweites langwieriges und beschwerliches Labyrinth war die Arbeit zum Frieden (irenionm stnäinrv'i, d. h. mein Wunsch, die auf so verschiedene und schädliche, ja geradezu ver nichtende Weise um ihres Glaubens willen geschiedenen Christen wieder zu vereinigen, (wenn es Gott gefiele), und die mannichfaltigen deshalb unternommenen Arbeiten. Zwar habe ich davon fast noch nichts veröffentlicht, aber vielleicht werde ich es noch chun. Daß ich es noch nicht gethan, geschah wegen der unüberwindlichen UnVersöhnlichkeit gewisser Leute, deren unversöhnlichen Haß auf mich zu laden vertrautere Freunde für unzeitig hielten; dennoch aber wird es geschehen, weil man Gott mehr gehorchen muß, als den Menschen und Gott mehr fürchten, als die Menschen*). Jetzt waren die Zeiten, wie sie Elias sah auf dem Horeb, nicht wagend aus seiner Höhle herauszutreten, als er vor Gott hergehen sah den gro ßen Sturm, der die Berge umstürzte und die Felsen zerbrach und das Erdbeben nnd das Feuer, in denen der Herr nicht war. Aber es wird auch die Zeit kommen, wo man das Säuseln des sanften Lüftchens vernehmen und wo es dem Elias verstattet sein wird, heraus' zutreten und Gottes Stimme zu hören und andrerseits auch mit Gott zu reden und mit seinem Volke (1. Re^. 19). Jetzt ist einem Jeden sein Babel schön und er glaubt, es sei Jerusalem selber, dem Alles weiche» niüsse, das aber Niemand weichen will. 5) Diese Hartnackigkeit der Christen unter einander und die Raumer bemerkt hierzu, die Veröffentlichung sei wegen feines bald er folgten Todes unterblieben. Wahrscheinlich ist die 1702 veröffentlichte Panegersia ein Werk dieser Art. Vielleicht finden sich aber auch noch andere Schriften des Comenius über diese Sache, da auf dem Francke'schen Waisen hause zu Halle, wie Herder angibt, m,d in den Archiven der (hussitisch) rcsormirten Kirche zu Lissa (Regierungsbezirk Posen) sich vielleicht noch ein hand schriftlicher Nachlaß des Comenius findet. Letztere Andeutung wurde mir durch Herrn Gvmnasialdirektor Prof. Dr. Ziegler in Lissa gemacht.
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bisher vergebliche Bemühung Verschiedener, sie zu vereinigen, brachte mich auf die Meinung und zu der Hoffnung, daß das Ganze leich ter geheilt werden könnte, als ein Th eil, wenn dem kränkeln den menschlichen Körper ein allgemeines Heilmittel verabreicht, an statt daß eine Salbe allein auf den Kopf, oder auf den Fuß, oder in die Seite u. f. w. gelegt würde, d. h. ich sing an, meine Wünsche auf eine Vereinigung des ganzen Menschengeschlechtes (das überall mit der Welt ^ebu^, mit sich und mit Gott in Zwiespalt ist), auszudehnen und auf Mittel zu denken, wie dies bewerkstelligt we» den könnte. Und Gott ließ mich hierin schon vor 30 Jahren einen kleinen Fortschritt schauen, als Freunde, die darum wußten (aber ohne mich zu fragen) etwas unter dem Titel: Vorläufer eines pansophischen Versuches (I'roärOWus conaminis ?ans«pKioi) zu veröffentlichen gewagt hatten, um die Urtheile der Gebildeten über ein so gewaltiges Unternehmen zu vernehmen. Obgleich die meisten günstig ausfielen, so gab es doch auch welche, die da schrieen, daß Himmel und Erde vermengt würden, wenn man solche unsinnige Menge von Tollheiten unternehmen wolle, oder die es so auslegten, daß es wenigstens eine unerträgliche Kühnheit und, Thorheit wäre, wenn irgend wer sich herausnähme, Allen gute Rathschläge zu geben. Das zwang mich, meine Gedanken bisher zu unterdrücken, so, daß, obwohl Viele wußten, daß so etwas im Werke war, doch fast Nie mand klar war, ob schon etwas geschehen sei: während Einige, wie ich höre, meinen, ich sei an diesem Theile meines Werkes selbst verzweifelt und nichts mehr fragen, erwarten wenige Andere auch jetzt noch schweigend etwas: ob nicht vergeblich? Gott weiß es. Ich meinestheils sage, daß man nichts hoffen, aber auch an nichts verzweifeln dürfe, denn ich lege mich noch nicht ins Grab. Wenn wir auch nichts durch uns selbst vermögen, so vermag es doch Gott. 6. Dies allein nur erinnere ich: Man nenne es nicht Ver wegenheit, wenn Jemand im Vertrauen auf eine gute Sache mit Gottes Hülfe die ganze Welt anzureden und das ganze menschliche Geschlecht zur Besserung (resipisLentiae) zu ermahnen, sich unter fängt. Denn wir sind 1. alle auf dem großen Schauplatze der Welt zusammen; was hier geschieht geht Alle an, die Sonne scheint Allen und Allen hat Gott Augen gegeben. 2. das ganze Menschen geschlecht hat eine gemeinschaftliche Abstammung, ein Blut, bildet
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eine Familie, ein Haus. Mit demselben Rechte, mit dem ein Theil vom Ganzen, ein Glied allen andern Gliedern an demselben Kör per zur Hülfe kommt, ein Mitglied einer Familie einem andern in derselben oder auch der ganzen Familie, wenn er kann, dürfen wir Menschen unsern Mitmenschen behülflich sein. 3. Gott hat schon von der ersten Schöpfung an jedem Menschen die Sorge für den Näch sten empfohlen (L«ol. 17, 15) und nichts Anderes verlangt er (nach der Liebe und dem ihm als Schöpfer gebührenden Gehorsam) durch die ganze Schrift, als Liebe zum Nächsten, gegenseitige Sorgfalt, Dienstleistung, Hülfe. 4. Selbst die gesunde Vernunft sagt es einem Jeden, wie die Weisen bezeugen. Sokrates wenigstens wollte lieber sterben, als das Bessere nicht lehren. Seneca aber sagte, wenn ihm die Weisheit (das Licht und die Führerin zur Glückseligkeit) nur unter der Bedingung gegeben würde, daß er sie für sich allein be hielte und sie nicht mittheilte, so wollte er sie lieber gar nicht haben. Und je frömmer Einer (auch aus dem Volke) ist, desto mehr und Mehreren wünscht und sucht er zu nützen. 5. Deshalb sprach auch Gottes Sohn, der vom Himmel gesandt war, das Verlorene zu ret ten, was er dachte, und handelte danach und war bedacht auf das Heil der ganzen Welt. Und als er seine Sendboten ausschickte, zu verkündigen das erlangte Heil, da gebot er ihnen nicht, nur zu Diesem oder zu Jenem zu gehen, sondern zu der ganzen Welt (Mark. 16, 15. Luk. 24. 47.) und nicht, es heimlich in das Ohr zu zischeln, sondern es von den Dächern zu verkündigen (Matth. 10, 27). Und das haben die Apostel gethan, daß in die ganze Erde ausging ihr Schall und, bis an die Grenzen des Erdkreises ihre Worte (Rom. 10. 18), indem sie sich freuten, das Evangelium an den Orten zu verkündigen, wo Christus nicht genannt worden war (15. 20), indem sie alle Welt in aller Weisheit unterrichteten, um jeden Menschen vollendet darzustellen in Christo Jesu (Kol. 1, 28). 7. Auch haben wir die Verheißung, daß da Alles erfüllt werden solle, wenn nicht früher, so doch am Weltabende (Zach. 14, 7), da. mit in den letzten Tagen der ganze Rathschluß offenbar werde (Jer. 30, 24). — Deshalb möge es nicht als Vermefsenheit aus gelegt werden, wenn einer zu so Wichtigem drängt, sondern man preise die Zeiten glücklich, daß die noch nicht ein Ende genommen, vie dies im Namen Gottes zu betreiben anfangen, in der sichern
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Hoffnung, daß der Fall Babylons sich nahe und jener Engel, von dessen Klarheit die Erde erleuchtet werden wird (Apok. 18, 1 :c.). 7. Außer diesem aber bin ich — nach Gottes Willen '— noch in ein anderes ungewöhnlicheres Labyrinth gerathen, indem ich die göttlichen Offenbarungen, die in unserer Zeit geschehen find (unter dem Titel I^ux in tenebris oder « tenedris) herausgab. Das ver ursachte mir viel Mühe und Arbeit, aber auch viel Bangigkeit, Neid und Gefahr, indem sich hier Gespött über meine Leichtgläubigkeit, dort Drohungen wegen meines Mißglaubens und meines Abfalles daran knüpften. . . Wenn etliche Weissagungen nicht in Erfüllung gegangen sind, so scheue ich mich doch, zornig .deshalb zu werden, da ich sehe, daß das dem Jonas nicht gut bekommen ist (Jon. 4). Denn vielleicht hat Gott Gründe, bisweilen seine Pläne (oder wenigstens seine Offenbarungen darüber) zu ändern. Und vielleicht wollte Gott hier zuerst zeigen, was die Menschen ohne Gott nicht vermöchten, um dann zu zeigen, was er vermöchte ohne jene, oder durch jene, nachdem er sie zu seinem Willen gebracht. Mögen jene, welche Gott die alte Art (nichts zu thun, wenn er nicht sein Geheimniß nicht zuvor seinen Dienern, den Propheten, offenbart habe, Amos 3, 7) nicht mehr gestatten, seinen Dienern, seinen Worten und Werken widersprechen; aber auch mir stehe es frei, mit David zu verstummen und nicht meinen Mund zu öffnen, so oft ich Gott etwas, was ich nicht verstehe, thun sehe, oder sprechen höre (Ps. 30, 9). 8. Was soll ich denn nun (nach so vielen Labyrinthen und fysipheischen Steinen, mit denen ich mich Zeit meines ganzen Lebens abgemüht habe), anfangen? Soll ich sagen mit Elias: Nimm meine Seele, Herr, denn ich bin nicht besser, denn meine Väter (1. ReZ. 19, 4)? Oder lieber mit David: Verlaß mich nicht im Alter, bis ich verkündigt habe Deinen Arm dem kommenden Gefchlechte (Pf. 71, 18)? Keins von beiden, damit ich nicht durch ängstliches Ver langen des einen oder des andern beunruhigt werde, sondern ich werde die Entscheidung über mein Leben und meinen Tod, über meine Ruhe und meine Sorgen Gott anheimstellen und mit ge^ schlossenen Augen ihm folgen, wohin er mich auch führen möge, demüthig und vertrauensvoll mit David betend: Leite mich nach Deinem Rath und nimm mich endlich mit Ehren an (Ps. 63, 24). Oder wenn ich ja etwas nach meinem Rathe unternehmen soll, so soll es
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nicht anders geschehen, als wäre es mir von Christo gegeben, da mit ich je länger, je mehr, mit dem Einen Nothwendigen zufrieden, alles Nichtnothwendige wegschaffe oder verbrenne, nach dem heroischen Beispiele Alexanders des Großen, von dem Plutarch erzählt, daß er auf seinem Zuge nach Indien, als er sein Heer mit den Lasten der persischen Beute beladen und deshalb weniger schnell marschiren sah, seine und seiner Freunde Wagen, nachdem er mit eigner Hand Feuer angelegt, verbrannt habe. Diesem Beispiele folgten seine Soldaten; sie vertheilten das Nöthigste unter die Dürf tigen, das Uebrige verbrannten sie und erfüllten den Alexander und sich selbst mit Freude und Muth. Warum sollte ich das nicht nach ahmen, der ich nach dem himmlischen Indien strebe und die ganze Welt hinter mir lasse? Ja Alles, was ich von irdischen Sorgen noch auf mir habe, verlasse ich; das Nothwendige daraus vertheile ich gern unter meine dürftigen Nächsten, das Uebrige aber, (was jenen ebenso wie mir zur Last sein würde), will ich lieber verbren nen, als noch weiter tragen. 9. Soll ich mich über meinen letzten Vorsatz noch näher er klären, so sage ich: Eine geringe Hütte, sie sei, wie sie wolle, sei mir statt eines Palastes, oder wenn ich nichts Eigenes haben soll, , wo ick mein Haupt hinlege, so will ich nach dem Beispiel meines —^Herrn ruhen, wenn mich Jemand unter sein Dach aufnimmt, oder auch unter dem freien Himmel, wie jener einige der letzten Nächte hindurch auf dem Oelberge, bis mich die Engel in ihre Gemein schaft tragen, wie den Bettler Lazarus. Anstatt eines kostbaren Kleides will ich mich mit einem rauhen Gewande begnügen, wie es Johannes der Täufer trug. Brot und Wasser sollen die Stelle eines köstlichen Tisches vertreten und kommt noch ein kleines Zu gemüse dazu, so will ich die Güte Gottes dafür preisen. Meine Bibliothek soll aus dem dreifachen Buche Gottes bestehen. Meine Philosophie soll sein, daß ich mit David die Himmel und alle an dern Werke der Hände Gottes betrachte und zu Bewunderung hin gerissen werde, daß Gott, der Herr so großer Dinge, sich herabläßt, auf mich Wurm zu schauen (Ps. « und 104). Meine Medizin soll schmale Kost mit untermischtem Fasten sein. Meine Rechts gelehrsamkeit, daß ich Andern thue, wie ich will, daß sie mir thun, und nicht thue, was ich will, daß sie mir nicht thun. Fragt Jemand nach mei
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denn auch ich muß bald sterben) die Bibel nehmen und mit Herz und Mund sprechen: Ich glaube, was in diesem Buche geschrieben ist. Fragt Jemand genauer nach meinem Glaubensbekenntniß, so will ich das apostolische zeigen, weil ich kein kürzeres, einfacheres, kräftigeres kenne, unter dessen Anleitung, da es die Entscheidungen für alle Gegensätze enthält, ich den unzähligen Wirrnissen der Streitfragen aus dem Wege gehen kann. Fragt Einer, welcher besondern Gebetsformeln ich mich bediene, so werde ich ihm das Gebet des Herrn zeigen, weil ich nicht glaube, daß Jemand einen bessern Schlüssel, das Herz des Vaters aufzuschließen, geben konnte, als der eingeborne Sohn, der aus des Vaters Schoße kam. Fragt man nach meinen Lebensregeln, so werde ich den Dekalog darreichen, weil ich glaube, daß Niemand besser ausdrücken kann, was Gott gefallt, als Gott selbst. Sollte Jemand fragen, wie ich mich in einzelnen Gewissensfällen verhalte, so werde ich antworten, alles Meinige sei mir verdächtig, daher fürchte ich mich, auch wenn ich recht thue, und rufe demüthig: Ich bin ein unnützer Knecht (Luk. 17, 10), habe Geduld mit mir und ich will Dir Alles wiedergeben (Matth. 28, 16). 10. Aber was werden die Bewunderer menschlicher Weisheit hierzu sagen? Vielleicht werden sie den alten Narren verlachen, der von dem Gipfel seiner Achtung bis in die untersten Tiefen der Erniedrigung herabsteigt. Mögen sie lachen, wenn's ihnen beliebt; mein Herz wird auch lachen, daß es den Verirrungen entronnen ist. „Ich habe den Hafen gefunden, Unglück und Glück lebet wohl! Christus ist mir Alles. Sein Fußschemel soll mir mehr als Throne der Welt, seine Niedrigkeit mehr als alle Hoheit sein. Mir ist, als hätte ich den Himmel unter dem Himmel gefunden, seit ich die Fuß tapfen dieses himmlischen Führers deutlicher vor Augen sehe, als sonst jemals. Den Fußtapfen nachzugehen und nicht davon zu weichen, das soll mir selbst der Weg zum Himmel sein. Mein ganzes Leben war eine Wanderung, nicht mein Vaterland, eine beständig wechselnde Herberge, nimmer und nirgends ein fester Wohnsitz. Nun aber ist das himmlische Vaterland in Sicht, an dessen Schwellen mich geführt hat mein Führer, mein Licht, mein Christus, der vor angegangen ist, mir die Stätte zu bereiten im Hause seines Vaters, wo viele Wohnungen sind und er wird bald kommen, mich hinweg 9
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zuführen, damit, wo er ist, auch ich sei. Das also ist mir das Eine Notwendige, daß ich Alles vergesse, was hinter mir ist, und laufe nach dem Preise des letzten Rufes Gottes (Phil. 3, 13). 11. Dank sage ^ch Dir, Herr Jesu, Du Anfänger und Voll ender meines Glaubens, der Du mich unvorsichtigen Wanderer, der ich mich von dem Ziele meiner Reise auf tausend Abwege ver irrte und durch tausendmal tausend Nebenwerke zerstreute und auf hielt, dennoch so weit gebracht hast, daß ich nun an der Schwelle des verheißenen himmlischen Vaterlandes stehend, nur noch den Jordan des Todes zu durchschreiten habe, um mich bald in den Lieblichkeiten des seligen Vaterlandes selbst zu befinden. Ich preise immer und immer wieder Deine heiligste Vorsicht, o mein Erretter, daß Du mir ein Vaterland und eine Heimstätte auf dieser Erde nicht gegeben hast, sondern daß sie mir ein Ort der Verbannung und der Wanderung war und ich mit David sagen konnte: Ich war Ankömmling bei Dir und Pilger (Ps. 39, 13), nicht aber mit Jakob: Wenig sind die Tage meiner Wanderschaft und sie reichen nicht an die Tage meiner Väter (Gen. 47, 9). Denn Du hast gemacht, daß die Tage meines Lebens die Tage meines Vaters und meines Großvaters und vieler tausend Genossen der Verbannung, die während der vierzig Jahre in der Wüste unserer Verbannung sich zur ewigen Ruhe legten, übertreffen. Warum Du das gethan hast, das weißt Du, Herr, ich überlasse mich beständig Deinen Hän den. Du hast mir allezeit, wie dem Elias, da er die Wüste durch wanderte, einen Engel zugesandt mit einem Bissen Brotes und einem Trunk Wassers, daß ich nicht stürbe vor Hunger oder Durst. Du hast mich auch bewahrt vor jener nur zu sehr unter den Sterblichen verbreiteten Thorheit, die allerlei Zufälliges für das wesentliche Gut, den Weg für das Ziel, die Bewegung für den Ort der Ruhe, die Herberge für die Heimath, die Wanderung für das Baterland halten, Du hast mich durchdringen lassen bis zu Deinem Berge Horeb, oder auch dazu gezwungen. Gelobet sei Dein Name! 12. Wenn ich aber in jeder Beziehung einem thörichten Wan derer geglichen und nur das getrieben habe, was das gegenwärtige Leben angeht, anstatt der Hauptsachen mit Nebendingen mich be schäftigend (^«v looo Kadeus parerZa) — siehe, ich stehe davon
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ab! Am Ende des Lebens nehme ich mir vor, jenem gnten Kauf mann zu gleichen, der nichts Anderes sucht, als Perlen, und wenn er eine kostbare gefunden hat, hingeht, Alles verkauft und dieselbe kauft (Matth. 13, 45). Du Herr Jesu, Du allein sollst meine kostbare Perle sein, all mein Heil, alles, was mir noth ist. Dich allein will ich suchen und kaufen, und verkaufen hier und da, was ich habe und was ich nicht habe. Was die Welt für Gewinn hält, das halte ich für Schlacken (ut sterocira), wenn ich nur Dich ge winne, mein Christus (Phil. 3,8)! Die letzte Beschäftigung meines Lebens wird sein, daß ich lerne dem gegenwartigen Leben absterben, dem zukünftigen geboren werden. 13. Herr Jesu, wenn ich auf dieser Welt noch etwas zu voll enden habe, gib, daß ich es jetzt vollende nnd wenn es vollendet sein wird, so laß den seligen Simon jenes fröhliche Wort anstim men: Herr, nun lassest Du Deinen Diener in Frieden fahren. Wenn Du aber willst, daß ich am letzten Ziele meines Lebens früher anlange, als an dem letzten Ziele meiner Arbeiten, — da mit das Wort jenes scheidenden heidnischen Philosophen auf mich Anwendung finde „Ich habe nichts bereitet, anßer mich" — so will ich auch so im Frieden scheiden, wenn ich nur nicht unvorbereitet abberufen werde, wie es — leider! leider! — den Meisten der Sterblichen begegnet. Ich aber will singen bis in alle Ewigkeit von Deiner Barmherzigkeit, der Du mich vor dem Tode selbst dem Tode entreißest, indem Du mir kund thust die Wege des Lebens (Ps. 16). 14. Ihr aber, ihr Christen, freuet euch, daß ihr ebenso ent rissen werdet, und wenn ihr die Stimme eures Herzogs höret: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken", so antwortet einmüthigen Herzens: „Siehe wir kommen! Nimm uns auf, nimm uns auf und erlöse uns! Komm den Mühseligen zu Hülfe, erleichtere die Beladenen, er quicke die Ermüdeten! Führe uns von den Abgründen der Welt zu dem Grunde der Welt, damit kein Feind uns hinab stürzen könne, sondern deine Gnade uns emporführe, wenn es Deiner Güte gefallt." Wenn wir es nur vorziehen, geborgen zu sein bei Dir in Deinem Hanse, als zu wohnen in den Pa lästen der Sünder. Uns, Herr, ist in unsern beständigen Laby
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rinthen ein fortwährender Führer noth, bei der Fortschaffnng un serer fortwährenden Felsen ein fortwährender Helfer, bei unserm fortwährenden Hunger und Durst ein fortwährender Ernährer. Da wir nun erkennen, daß wir das vergeblich von der Welt er warten, wenn sie es auch verspricht, (kann sie doch nicht geben, was sie selbst nicht hat), siehe, so blicken wir auf Dich einzig und allein, Du unsre letzte Hoffnnng! Es ist Keiner unter denMenfcken, der nicht irrte, nicht ermüdete, nicht hungerte. Darum komm Du, ewige Wahrheit, den Irrenden zu Hülfe! Du, ewige' Tugend, halte die Wankenden! Du, ewige Quelle dex Güter, sättige uns mit Gütern. Und weil Du mir, (dem letzten Deiner Diener), schon zu Hülfe kommst, mich schon hältst, schon sättigest, so bin ich fröhlich in Dir und werde Deinen Namen preisen bis in alle Ewigkeit. 15. Und da nun dieses mein Bckenntniß im Angesichte Gottes Uber meine letzte Rückkehr zu dem Einen, was noth ist, die Stelle meiner letzten Verfügung (oder meines Testamentes Jer. 38, 1.) vertritt, nun, so höret, Du mein Hans, meine Söhne und Töchter und ihr Enkel, höret die Stimme eures Vaters, die euch führt zu dem Vater der Väter, (bevor ich zu meinen Bätern versammelt sein werde). Ich lasse euch keine andere Erbschaft zurück, als das Eine, was noth ist: daß ihr Gott fürchtet und seine Gebote haltet, denn das gehört allen Menschen zu (Leoles. 12, 13). Wenn ihr das thun werdet, wird Gott euer Erbtheil sein (Deut, 1», 2), euer Schild und euer sehr großer Lohn (Ken. 15). 16. Dasselbe sage ich auch meinen Brüdern, den übrig geblie benen Söhnen meiner zerstreuten Kirche: Liebt den Herrn und dient ihm von ganzem Herzen; schämet ench nicht seines Kreuzes, das ihr bis Hieher getragen habt und bis ans Ende tragen werdet, wenn ihr klug seid. Ich empfehle euch instandigst die Erbschaft Christi: Armnth und Kreuz. Diese werden euch der Weg zu ewigen Reich thümern und zu ewigem Ruhme sein, wenn ihr im Geiste Christi ausharret bis ans Ende (1. Kor. 2, 16, Luk. 22, 28). Du aber, Herr, der Du einst zu Deinem Petrus sprachst: „Nachdem Du be kehrt bist, stärke Deine Brüder", sprich auch jetzt zu mir. Deinem Diener: „Nachdem Du Dich bekehrt hast von dem Unnöthigen zu dem Einen, was noth ist, lehre dasselbe Deine Brüder." Meine Brüder nenne ick alle, die Christi Namen anrufen, meine
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Brüder nenne ich alle, die desselben Blutes theilhaftig sind, die g anze Nachkommenschaft Adams, Alle, die auf dem weiten Erdkreise wohnen. 17. Dieselbe Weisheit Christi, das Eine, was noth ist, empfehle ich auch Dir, mein Volk, ihr Mähren, sammt den benachbarten Böhmen, Schlesiern, Polen, Ungarn, bei denen ich zur Zeit meiner Verbannung Aufnahme gefunden und viele Wohlthaten genossen. Der Herr gebe euch zur Vergeltung, zu wissen (sapore) das Eine, was noth ist, damit ihr die Erträgnisse eurer glücklichen Lander zu gebrauchen lernt und nicht zu mißbrauchen. „Der Luxus hat die Böhmen zu Grunde gerichtet sagte ein weiser König des Nordens, der den Luxus haßte. Aber das wird man auch von Dir in Kurzem sagen können, Polen, wenn Du nicht rechtzeitig noch' Dich wendest zu dem Einen Nothwendigen, nämlich der Mäßigkeit. Der Grund der Sünder Sodoms war Hoffahrt und Brotes die Menge und Ueberflnß und Trägheit (Ez. 16, 49). 18. Zwölf Jahre lang habe ich mich znletzt in der Hauptstadt Hollands, einem Welthandelsplatze, aufgehalten. Hier erlangte ich besser, als irgendwo in meinem Leben, die Gelegenheit, zu beobachten, wie viel das sei, was wir Alles entbehren könnten, und diesen Beobach tungen des Einen Nothwendigen mich zuzuwenden; unter tausend Irrwegen faßte ich den Entschluß, den Irrwegen mich zu entziehen und ich habe hier gelernt durch Gottes Geschenk, unter tausend von tausenden gewälzten Steinen, meine Angelegenheiten nicht mehr mühevoll zu betreiben (volntsu'e), sondern in Ordnung zu bringen und still zu stellen (tiAere), unter den Schaaren der unersättlich hungernden und dürstenden Tantalen nicht auf gleiche Weise zu hungern und zu dürsten. Das soll auf die letzten Tage meines Lebens mcin größter Schatz und all meine Erquickung sein. Ich weiß wohl, daß ich zuerst hierher gekommen und von den Ersten ehrenvoll aufgenommen bin in Folge der Hoffnung auf eine sorg fältige Unterrichtsweisel ich aber wünsche für mich nur dem Bei spiele meines Herrn nachzuahmen, der auf der Hochzeit zu Kana den besten Wein bis zuletzt aufsparte, daß nämlich mein Letztes besser sei, als jenes, was man zuerst von mir gehofft hat. Und das wird statt finden^ wie ich hoffe, wenn jene klugen Speisemeister nicht fehlen, welche über das Wasser, der Wein geworden war, ein
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rechtes Urtheil zu bilden wissen. Welches wird aber das sein? Kein anderes, als das apostolische: „Es ist aber ein großer Gewinn, wer gottselig ist und lasset ihm genügen. Denn wir haben nichts in die Welt gebracht, darmn offenbar ist, wir werden auch nichts hinaus bringen. Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so lasset uns begnügen, denn die da reich werden wollen, die fallen in Ver suchung und Stricke und viele thörichte und schädliche Lüste, welche versenken den Menschen in Verderben und Berdammniß (1. Tim. 6, !))." Und gerade so beschreibt die Schrift jenes Babylon (ebenso jenes geheiinnißvolle, welches über die ganze Erde verbreitet ist, als jenes alte, welches in Chaldäa liegt), das vom Ueberfluß strotzte, indem sie ihn von der ganzen Erde zusammenbrachte, kaufte und verkaufte und dann stolz zu Grunde ging. Wahrlich, jeder Mensch, jede menschliche Gemeinschaft, jede Stadt und jeder Ort, der sich zu sehr den menschlichen Tingen ergibt und trunken ist von Welt lust, vergißt nur zu leicht der besseren Güter, der himmlischen und ewigen, und selbst der Quelle aller Giiler, Gottes, und stürzt sich dadnrch in Verderben und Untergang. „Wenn der Wein mäßig genossen wird", sagt der weise Hebraer, „dient er zur Erhaltung des Lebens, aber wenn man zu viel davon genießt, wird er zu Gift und Tod, in dem sich mehr ertränken, als im Wasser" (Sir. 31). 19. Herr Jesn Christe, Du einiger Lehrer der Weisheit, der Du auf ewige Weise begründet hast das Gesetz vou dem Einen, was noth ist, zweierlei bitte ich von Dir, das wollest Du mir nicht verweigern, ehe denn ich sterbe (?r«v. 30, 7). Laß nicht fern von mir sein, was nothwendig ist zu einem glücklichen Leben und einem seligen Sterben, Und was hierzu nichts beiträgt und zu diesem Ziele nicht nothwendig ist, das laß nicht an mich herantreten und sich ferner nicht einmischen. Aber anch darum bitte ich: Verleihe mir, daß ich es auch Andern recht zeigen kann, wie thöricht die handeln, die das Nöthige vernachlässigen und dem Unnöthigen sich ganz hingeben. Obwohl Tu alle Dürstenden einladest zu dem Wasser des Lebens, graben sich jene doch hier und da Brnnnen, die kein Wasser geben (Jes. SS, 1. Jer. 2, 13), ja obwohl Du Wein und Milch umsonst darbietest, ohne Silber und Gold, werfen jene ihr Silber nnd Gold für Tinge weg, die nicht sättigen, son
dern vielmehr Krankheiten, Tod, Untergang und Hölle mit sich bringen. Erbarme Dich Aller, Du Erbarmer Aller, um Deiner Güte willen. Amen. Anm. Zur Berichtigung der aus Herders Werken entnommenen Nach richt, daß in dcr Bibliothek des Francke'schen Waisenhauses zu Halle sich noch Manuskripte des Comeuius vorfänden, führe ich an, daß ich auf eine Nach' frage die Gewißhcit erhalten habe, daß sich Manuskripte dort nicht mehr be finden.
Pädagogische Werke des Comenius. I. ^. L,. Lomeuii ^suu«, livAuarum reserata aure«, sive seWinarinm lmK'uarum et seien tiärum nmuinm, K«e est, eompenclioss latiuaW (et qnamlibet aliam) lin^uaW, uua eum seieutiaruru artinmo^ue oWuium fnuäamoutis, «eräiseeuäi uietlioäus, sub titulis «eutum, peiioäis Wille o«WpreIieusa. Lclitio postrema, prioribus eastiAstior et mille eireiter voeabulis anetior, onW versioue ASrWanIes et Aallies, absolutissimociue tituloium et vooum iucliee. ^lusteloäsuni spucl .loauueiu ^aussonium. 1642. (Die erste Ausgabe erschien 1631 zu Lissa. Raumer kenut sie nicht. Die Vorrede des Comenius ist unterschrieben: Leribedsm in exilio 4 KKrtii 1631.) II. ^. ^. OoWeuii ?K^sioaö aä lumeu äiviuum lekoriuatae dj^nopsis. I^ivsise 1633. III. ^. ^. Oomeuii drdis seususlium pietus, (schon in der Schrift angeführt). IV. >l. ^. <ü«Wenii Opera diäs.etioa «Wiiia, variis KuousMe oeesrsiouidus serivta, äiversisque loois eäita, nuno auteW uou wntum iu uuum, ut simul sint, eolleeta, seä et ultimo eouatu iu Lz^stema uuum WeeKauiee eonstrnotniu, reäaota. ^msteräaWi impeusis O. I^aureutii äe Lieer exonäerunt OKristopKorus <üouraäus et Oabriel a Roz^. ^,nuo 1657. 4 Voll. Erster Theil. (Schriften von 1627—1642). 1. De primis ueeasionibus, c^uibus Kuo stuäioruW äelatus Luit ^ntlioi', brevissiWa relatio. 2. Oiäaotiea ma^us. Omnes «Wuis öoeeuäi «,rtiöeia exKibeiis.. 3. LeKola Waterui Aiemii, sive äe proviäa ^uveututis prirao sexeuuio Däuoatioue. 4. Leliols« veruaeulae deliueati«. 5. ^auua latinae liuKUae piimuW eäits. (Abdruck der I.Ausgabe). 6. Vestibulum ei praestruetuW. 7. ?roplsSWS. lempli I^atiuitatis Oav. Veedueri. 8. De seruwuis I^stini . stuäio.
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9. l>roäroirmtj pansopKiae. 10. Vaiiornm äe e« Oeusnrae, Zweiter Theil. (Schriften von 1642—50). 1. De »ovis Oiäsetiea stuciia eolltmnanäi «eessionibus. 2. NetKoäus üiiAnaruW novissims. 3. I^st.linAUse Vestidulnm, rernrv et ünFUae eaiäines exliibens. 4. Tannae IIuAUai'urn novissimae Olavis, (Zrammatios latinovernacula,. Dritter Theil. (Schriften von 1650—54). 1. De voe«,tione in LuvAarism reist!«, 2. LeKolae paiisopliieae äelineatio. 3. De repertis stuclii pavsopniei «dioibns. 4. De iuAenioiulli eultura. 5. De iiiAeuis eolenäi primari« iustrument«, lldris. 6. De reperta acl ^utliores latinos prompte leAenäos et elsr« intelliAemlos taeili, bievi araoenaHne via. 7. Lruciltiollis soliolastiese pars I. Vestidulum, rerum et livAnae LullclaWenta ponens. 8. IZruäitionis seKolastiese pars II. ^auu«, rerum et liiiAuarum strueturam externam exliibens. Umfaßt u,. I^exioon ^aunale. b. Or«.mm«,tio«, Mnnalis. o. ^suualis rerum et verborum eontextus, Kistoriolam rerum ««utinens. (Eine umgearbeitete ^auu«, mit 100 Artikeln und 1000 Satzen, wie in der ersten Ausgabe.) 9. Lruclitiouis' soKolastieae pars III. Atrium rerura et linßuarnm «rnameut«, exbibeus. (Hierbei eine Schrift, die in 100 Artikeln 1000 Sätze enthält, der ^«,nua ähnlich, aber eine Stufe höher, als diese). 10. ?«rtius reäivivus, sive äe pellenäa LeKolis iAuavia. 11. ?raeeeptamornm in usum^nventutis eolleeta. ^nno1653. 12. I^eZes beue «räinstae sebolae. 13. Orbis pictus. (Nur Ankündigung). 14. Lonolä I^uäüs: Ii. e. ^auuse liuAuarum praxis «omioa. 15. I^aborum soKolastieorum in LunAari«, «bitorum Lorouis. (Schulrede zum, Abschied von Patak 1654 gehalten).
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Vierter Theil. (Schriften von 1654—57.) 1. Vita ssvrns, sive <le oeeasionikns vitae, et yuikns ^,utorem in Levium äekerri, iterumo^ne aä intermissa äiäaetioa stnäia reclire eoutiFit. 2. ?arvnlis parvnlus, Omuidus omnis, K. e. Vestibnli latinae lin^uae ^uetarium, voees primitiv«s in sententielss reäi^ens. 3. ^polo^ia pro latinitate Tannae livKuarum. 4. Ventilabrum sapientiae, sive sapienter sua retraotanäi ars. 5. L seliolastieis labvrintkis exitns in planum, sive NaeKina äiäaetioa meeKaniee eovstruota. 6. 1,atinm reäivivnm, Iwe est, äe korma eriKenäi latinissimi OolleFÜ, sen novae romauae oivitatnlae; ndi latina lin^na usu et «onsuetuäine aclcliseatur. 7. l'vpoArapIieum vivum, Koe est: ars eompencliose et tarnen eopiose ae eleganter sapientiam uon eliartis, seä inAeniis imprimenäi. 8. ?araclisns Mventuti eliristianae reäueenäns, sive «ptimus seKolarum Status, aä primae paraäisiaeae seKolae iäeam äelineatus. 9. ^raäitio lampaäis, est stucliornrn sapientiae eKristianaeo^ne Mventutis et seliolarum, Oe« et Korniuibns äevota eommenäatio. 10. ?aralip«meua äiäaeties. Die hauptsächlichsten übrigen Schriften des Comenius haben wir schon bei der Darstellung seines Lebens erwähnt. A. Ziegler führt noch aus dem Jahre 1638 eine ?orta Kapientise reserata an und K. v. Raumer erwähnt noch, daß Comenius die IIieolo^ia naturalis sive liber (üreaturarum des Ravmnnäns <le sabunäe umgearbeitet hat, welche Schrift 1661 erschien. Mehrere dieser Schriften sind bis in die neueste Zeit fort und fort neu herausgegeben worden, namentlich der Orbis pietus, der in seiner verschiedenen Gestaltung eine unzählige Anzahl von Auf lagen erlebt hat, demnächst aber die ^anua linAuarum reserata und dann das vestibulum. Aus älterer Zeit scheinen auch einige Uebersetzungen einzelner Werke ins Deutsche zu eristiren; ich habe keine mehr erlangen kön nen. Es wäre doch hohe Zeit, diesen gewaltigen Geist der Ge genwart wieder zugänglicher zu machen, als er es »ist.
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Schriften über Comenius. Eine vollständige und umfassende deutsche Biographie von Co menms existirt noch nicht; am eingehendsten hat wohl noch K. v. Raumer seine Lebensumstände dargestellt. Was ich über Comenius habe erlangen und benutzen können, habe ich schon früher angeführt. Es sind mir aber noch einige Titel von Schriften über Comenius aufgestoßen, die ich hier anführe, ohne jedoch damit auf größte Vollständigkeit Anspruch machen zu wollen. 1. Bayle, Zeitgenosse des Comenius, führt ihn auf in seinem Oiet. Kist. et orit., urtheilt aber meist sehr ungerecht über ihn. So sagt er, qu'il et«it nn esoroe et un veritable ekevslier ä'inäustrio, <M se servait s.ämiradlement lies iclees p«mpeuses ge ss WötKoäe ä'enseiAiier pour vnider Ies bourses äes donnes ames. Ich darf den Lesern schon dieses französische Urtheil anführen, da die Unwahrheit desselben aus unserer Biographie hervorgeht. K. v. Raumer nennt die Angriffe Bayle's, Adelung's und A. (von letz terem habe ich nichts auffinden können) geradezu empörend. Doch urtheilt Bayle andrerseits anch wieder günstiger, so wenn er von der Zauns liuAUaiuln reserata sagt: (juanä OomeniuS n'aurküt pudlie hue ee livre-IK, il se seisit imWoitalise. 2. L^sterna 1nstorieo-eKr«n«1«KienW ecelesiarum Llavoniearuili per provineiss vsrias ciistiuet^ium acl annum Dom. ZivOi. «peiÄ ^äiiani KeAenvo lseii 15. ?. Irajeeti a^ RKevuin ^,nu« «v(ZQil. — Dasselbe Buch mit einer Schlußerwciterung ist 1679 zu Am sterdam unter dem Titel: 8Isv«uia retorWata «p. ^näreae ^VeuFersoü von Nenem herausgegeben. A. Ziegler hat diese Schrift ^Programm von 1855, Lissa) benutzt. 3. I^ucioviei Historie soliolaruin eelebrium. IV ?srtes. I.ipsis.e 1708—18. 4. Dr. Cranz: Alte und neue Brüderhistorie. 2. Auflage. Barby 1772. S. 80 ff. 5. Eccard: Literarisches Handbuch der bekannten höhern Lehranstalten in und außer Deutschland. 2Theile. Erlangen 1781. 82. 6. Schulze: Literaturgeschichte der Schulen Deutschlands. 2 Theile. Weißenfels und Leipzig 1804^^—^
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7. Dr. A. H. Niemeyer: Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts. 6. Ausgabe. Halle 1810. Band 1. S. 459. Band 3. S. 323 ff. > 8. Hottinger: Blick auf einige neuere Berbesserungsversuche des Unterrichts. Zürich 1809. S. 10 ff. 9. ?ill«t: LioAi'apKie univeis<zllo. ?aiis 1813. IX. 8. 340 K". ' 10. Palacky hat in den Jahrbüchern des böhmischen Mu^ seums mehrere Aufsätze über Comenius veröffentlicht (1829. Sep tember und October), welche nebst Gindely's Schrift wohl die ei gentlichen Quellen für die spä'tern Bearbeiter gewesen sind. 11. Zipser in Ersch und Gruber's Allg. Enzyklopädie 1828. 18. Theil. S. 80 ff. 12. Schwarz. Erziehungslehre. 2. Auflage 1829. II. S. 49—99. 13. Diekhofs in Herzog's Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche. 3. Band. 1855. S. 1 ff. 14. Joh. Georg Müller: Bekenntnisse merkwürdiger Männer von sich selbst. 2. Band. S. 257 ff. — Raumer führt dieses Werk an Band II. S. 95. Anm., er folgt ihm in seinen Anfüh rungen aus dem IInum neoessarium, von dem er einen Theil des letzten Kapitels gibt. Ob und wie weit diese angeführten Schriften auf Quellen studien beruhen, kann ich nicht angeben, da ich sie nicht habe ein sehen können. Ich habe noch einige andere Autoren angedeutet ge funden, die ich wenigstens dem Namen nach anführen will; so bei Palacky: Rieger, „welcher unter den alten Schriftstellern die ge nauesten Nachrichten über Comenius gibt", bei Gindely: die biogra phischen Abrisse von Balbin und Pelzel, die er jedoch bedeu tungslos nennt; ebenso finde ich bei Niemeyer Lieckermsuiis L,ots SoKolastio«.; und wiederum ^Keuä«, SeKolastio«, St. 1, 2, 7 und 9 erwähnt, ebenso Meusel's Geschichte der Gelehrsamkeit und Eichhorn's Geschichte der Wissenschaften, kann aber darüb.er keine näheren Angaben machen.
Druck von I, D. Greßner äi Co. in Leipzig,