Licht N°4

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3 Richtig Falsch

F e h l e r , Fa k e u n d

Fä l s c h u ng i n de r K u nst

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Plädoyer für eine neue Fehlerkultur

O d e r wa s W i r t s c h a f t,

W i s s e n s c h a f t u n d P o l i t i k

von der Natur lernen können

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Musik muss weh tun!

Klingt es schräg oder

hör st Du fa l s c h?

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Aus Fehlern wird man klug.

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Fa l l s e s da n n

n i c h t z u s pät i s t.

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Fehler

Richtig falsch F e h l e r , Fa k e u n d Fä l s c h u n g in der Kunst

Aus den Regalen des Instituts für moderne Kunst Nürnberg Anke Schlecht Das Institut für moderne Kunst Nürnberg wurde 1967 als Dokumentations- und Informationszentrum für zeitgenössische Kunst gegründet und ist heute eines der wichtigsten deutschen Kunstarchive. Im Zentrum seiner Arbeit steht die Pflege eines Archivs für deutsche und internationale Kunst der Gegenwart (Der Bestand an Publikationen, Zeitschriften, Einladungskarten, Presseausschnitten etc. umfasst derzeit ca. 550.000 Archi­ valien). Darüber hinaus widmet sich das Institut der Auswertung und Vermittlung der gesammelten Materialien durch die Konzeption und Realisierung von Ausstellungen und die Herausgabe von Publikationen.

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„Alles, was nicht das Original ist, ist eine Fälschung “ – diese Definition zu „falsch“ und „richtig“ klingt zunächst richtig, ist aber falsch.

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Fehler

Bewusste Fälschungen, exakte und fehlerhafte Kopien, durch das Original inspirierte Nachahmungen oder gekennzeichnete und nicht gekennzeichnete Zitate gibt es in der Kunst ebenso wie in der Literatur (letzter prominenter Fall: Helene Hegemann) – und natürlich auch in den Wissenschaften und allen anderen Lebensbereichen, von denen hier jetzt aber nicht die Rede sein soll. Die Einschätzung, ob ein Werk richtig oder falsch ist, ob es sich um ein Original, eine Kopie oder eine Fälschung handelt, hängt stark vom Kontext ab. Das hoch bewertete Original vereint Idee, Technik und Authentizität. In der zeitgenössischen Kunst aber hat sich die Gewichtung mehr und mehr auf die Originalität des Bildkonzepts und dessen innovative Wirkung verschoben. Kurz: Die Idee, der mentale Impuls und der innovative Gestus sind das eigentliche Kunstwerk. Das falsche Bild wiederum, die echte Fälschung, imitiert das Original bzw. gibt vor, ein Original zu sein. Sei es aus Prestigegründen, wie bei der falschen Rolex am Arm, oder aus Profitgier, wie bei den ungezählten „echten“ DaliGrafiken, die seit Jahrzehnten den Kunstmarkt überschwem­ men – oder sogar aus beiden Gründen, wie bei der Veröffentlichung der Hitlertagebücher, wo das Bemühen um einen journalistischen Coup in Verbindung mit krimineller Energie der Zeitschrift Stern einen der größten Skandale der neueren Pressegeschichte bescherte. Übrigens verkaufte der Fälscher Konrad Kujau nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis weiterhin Fälschungen, nun allerdings unter seinem eigenen Namen als Originale. Die Signatur – so sie vorhanden ist – dient häufig als künstlerischer Nachweis und ist daher ein willkommener Ansatzpunkt für Fälscher. Kann ein Bild zum Beispiel Rembrandt, van Gogh oder Picasso zugeschrieben werden, steigt sein Wert sofort in astronomische Höhen (und das Interesse des Besitzers an der kritischen Prüfung der Echtheit seines Kunstwerks sinkt gegen Null). Marcel Duchamp persiflierte die starke Orientierung an der Signatur des Künstlers, indem er allein durch seine

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Signatur ein Objekt zur Kunst erklärte. Auch gibt es in der Kunstgeschichte immer wieder Beispiele, wo ein Kunst­ werk von Dritten angefertigt wurde und der eigentliche Künstler das Bild nur noch signierte und damit autorisierte (angefangen von Cranach und seiner Werkstatt bis hin zu Kippenberger, der einen Plakatmaler Großformate malen ließ, die unlängst bei Christie’s für 2 Mio. Pfund versteigert wurden). Das Zitieren von Gestaltungselementen aus Kunstwerken ist in der Kunstgeschichte keine Seltenheit. Das bewunderte Meisterwerk wird kopiert, adaptiert, nachgestellt oder als Inspirationsquelle verwendet. Allerdings erfüllt ein Zitat seinen Zweck nur, wenn es als solches auch erkannt werden kann. Das „Klonen“ von Bildern ist in der zeitgenössischen Kunst ein mögliches künstlerisches Mittel. In der sogenannten „Appropriation Art“ wird die Kopie zum selbständigen Werk, wie zum Beispiel bei Cindy Sherman, die in ihrer Fotografie-Serie „History Portraits“ Alte Meister imitierte, oder Richard Pettibon, der seine abgemalten Warhol-Drucke auch mit „Warhol“ signierte.

Raffael, La Fornarina, 1518/19 Cindy Sherman, Untitled, #205, 1989, aus: „Cindy Sherman, Photoarbeiten 1975- 1995“. Deichtorhallen Hamburg 1995

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Die bewusste Aneignung eines Kunstwerks geschieht hier aber nicht mit dem Willen zu täuschen, sondern in Ausein­ andersetzung mit dem Vorbild (sei es aus Verehrung, in kritischer Aneignung oder als Kommentar zur Ori­ gi­ nalitätssucht und zur Frage nach der Bedeutung der Autorschaft). Die Kopie eines Originals kann in voller Absicht geschehen, um durch diesen Akt der Re-produktion ein neues Kunstwerk – also wieder ein Original – zu erschaffen. Dafür ­ wurden Künstler sogar verklagt, wie Elaine Sturtevant von der Künstlerwitwe Eva Beuys wegen der nichtautorisierten Nach­ ahmung des berühmten Fettstuhls von Joseph Beuys. Heute, in Zeiten der digitalen Bildbearbeitung, darf (sowieso) keinem Bild mehr getraut werden. Die Manipulation von Bildern reicht von weichgezeichneten Hochzeitsporträts über wegretouchierte körperliche Makel bzw. hinretouchierte körperliche Vorzüge bei Prominenten bis zu Veränderungen an Zeitdokumenten, wie etwa im sta­ ­ linistischen Russland, wo politisch in Ungnade gefallene Personen einfach aus Aufnahmen entfernt wurden. Wie die Fotomanipulation prägt auch die Zensur die Wahrnehmung der Dinge, wenn politisch nicht genehme Darstellungen oder als jugend­ gefährdend angesehene Bilder von Gewalt und Tod in Comics, Filmen u. ä. nachträglich „entschärft“ werden.

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Originale und retouchierte Version von „Comanche – Der lange Weg nach Laramie“, aus: „X für U. Bilder, die lügen“, Haus der Geschichte, Bonn 2003

Was also ist ein „Original“? Richtig oder falsch hängt stets vom Kontext ab – vom „Wie“ der Entstehung, vom Wollen des Künstlers, sicher auch von der Moral des Urhebers bzw. Verkäufers und von der Wahrnehmung bzw. dem Wissen des Betrachters. Eine Fälschung ist eine Fälschung, wenn man sie für richtig hält. Oder: Eine offen gelegte Täuschung kann eine Fälschung zum Original machen, also richtig – sie ist dann zwar nicht mehr das Original, aber ein Original. *

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Plädoyer für eine neue Fehlerkultur O d e r wa s W i r t s c h a f t, Wissenschaft und Politik von der Natur lernen können

Stephan Sigrist Stephan Sigrist ist Leiter von W.I.R.E. [Web for Interdisciplinary Reseach & Expertise] dem Think Tank der Bank Sarasin und des Colle­ gium Helveticum, der transdisziplinären Forschungsstelle von ETH und Universität Zürich. Der Forschungsschwerpunkt von W.I.R.E. betrifft Entwicklungen und Trends in den Bereichen Lifesciences, Wirtschaft und Gesellschaft.

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Kinder im Vorschulalter wissen es, Frisöre auch, Manager und Politiker ebenso: „You never get a second chance to make a first impression“. Im Zeitalter des Internets und der Medien gehört die Perfektionierung des Auftretens zum Grundvokabular der Wohlstandsgesellschaft. Wer gut aussieht schließt mehr Geschäfte ab und findet die attrak­ tiveren Partner. Über Erfolg oder Niederlage wird in Echtzeit entschieden. Die gleiche Tendenz zum sofortigen Erfolg prägt auch die Selektionsmechanismen der globalen Wirtschaft und Politik. Treffsicher und schnell zu entscheiden gehört zu den zentralen Anforderungen, die Entscheidungsträger auszeichnen, ­ um klare Strategien zu formulieren, welche die Wettbewerbs­ fähigkeit und die Position ihrer Institutionen stärken. Zeit für Fehlentscheide bleibt nicht. Der wach­ sende Druck zu schnellen Erfolgen prägt nicht nur Indivi­ duen, sondern bildet die Grundmechanismen in Wirtschaft und Politik. Dies birgt Konfliktpotential, denn innovationsorientierte Unternehmen und die politischen Bereiche, die von langfristigen Entwicklungszyklen geprägt sind, stehen vor der Herausforderung langfristig zu handeln, aber dennoch kurz­ fristig Resultate vorzulegen. Politiker, die über Jahresfristen hinaus planen, haben Schwierigkeiten, bei den nächsten Wahlen einen Leistungsausweis vor­ zulegen. Unter­ nehmen die aufgrund einer langfristigen Wachstumsstrategie kurzfristig schlechte Quartalsergebnisse liefern werden durch Investoren und Finanzpresse abgestraft. Der wachsende Druck zur Perfektion führt auf den verschie­ denen Stufen vom Individuum bis zu Unternehmen und Staaten allerdings zu unnachhaltigem Verhalten: Menschen versuchen, sich mit technologischen Hilfsmitteln zu optimieren. Im Internet werden Facebook-Profile mit optisch aufgebesserten Fotos und Lebensläufen präsentiert, Identitäten im digitalen Raum neu erschaffen. Auch Aussehen und Körper werden „getuned“: Viagra und Botox zeigen, wie der Körper entsprechend den Normen optimiert werden kann. Auf der Ebene der Institutionen orientieren sich Wirtschaftsführer und Politiker an schnellen Erfolgen, ungeachtet des echten Mehrwerts. Vor allem führt der wachsende Erfolgsdruck zu einem falsch verstandenen Innovationsbegriff, der „neu“

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zwingend mit „besser“ verknüpft. Das Resultat solcher Denkweisen ist nicht selten das Gegenteil des eben gut gemeinten. In gewissen Fällen kann der „Zwang zum Neuen“ gar in Rückschritt statt Fortschritt münden. Deutlich zeigt sich dies beispielsweise im Lebensmittelmarkt, wo Hersteller und Händler mit der Hoffnung auf höhere Margen laufend neue Produkte lancieren und Etablierte aus den Verkaufsregalen entfernen. Allerdings zeigt sich dabei, dass nur die wenigsten dieser „Innovationen“ langfristig bestand haben. Dies schafft Verunsicherung und untergräbt das Vertrauen der Kunden, die zudem lieb gewonnene Produkte verlieren. Ein einseitiges auf Perfektion und Effizienz ausgerichtetes Innovationsverständis führt somit zu einem Verlust von funktionierenden, etablierten Produkten und Konzepten, an wertvollen Erfahrungswerten sowie Traditionen. Im Prozess der laufenden Optimierung von Mensch, Unternehmen und Gesellschaft ist über die letzten Jahre eine zentrale Grundlage, die uns als Menschen auszeichnet und gleichzeitig Basis für Fortschritt und Innovationen legt, in Vergessenheit geraten: Imperfektion. Ein anschauliches Beispiel für die Notwendigkeit von Prozessen, die Fehler ganz bewusst einbauen, liefert die Evo­ lution. So basiert der Prozess der natürlichen Selektion auf dem Prinzip, dass Organismen im Lauf der Zeit immer wieder neue Eigenschaften entwickeln, die sich durchsetzen wenn Sie der Spezies helfen, jedoch untergehen, wenn sie dies nicht tun. Bei Bakterien führt diese Strategie innerhalb von kurzer Zeit zur Resistenzfähigkeit ­ gegen Antibiotika, wir Menschen verdanken diesem Prinzip – in einer längeren Zeitspanne - die Fähigkeit zu denken. Die Grundlage für die Möglichkeit neue Eigenschaften zu entwickeln und diese bei Erfolg weiter auszudifferenzieren ist der Tatsache geschuldet, dass sich Erbgut bei der Fortpflanzung fehlerhaft kopiert: So werden einzelne DNA Bestandteile bei der Zellteilung nicht originalgetreu sondern leicht verändert weiter gegeben. Diese Veränderungen tragen dazu bei, dass neue Eigenschaften ausgetestet werden, die im positiven Fall einen Vorteil gegen­ über Anderen mitgeben.

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Nationen und Organisationen, die langfristig auf Innovation setzen, brauchen deshalb eine neue Fehlerkultur, die Imperfektion und Fehler als unabdingbaren Teil des Weges zu Fortschritt wertschätzt. Dabei geht es nicht darum, zu Fehlverhalten jeglicher Art zu animieren sondern Fehler im Kleinen zu tolerieren damit Großrisiken verhin­ dert werden können. Ein Beispiel: In Branchen mit hohen Sicherheitsrisiken und hierarchischen Strukturen hat es sich gezeigt, dass die Anonymisierung von Fehlermeldungen zu einer signifikanten Steigerung der Qualität führen kann. Führende Fluggesellschaften richteten flache Hier­ archien im Cockpit und vor allem anonyme Meldesysteme für Beinahepannen ein. Diese ermöglichen es Mitarbeitern Fehler einzugestehen, ohne dass sie dafür bestraft werden. Die Organisation kann so hingegen größere Fehler, wie den Absturz von Flugzeugen vermeiden. Entsprechende Systeme haben Potential zur Übertragung in andere Branchen: von der Medizin, bis zu Banken, Ölförderungsgesellschaften oder der Politik. Welche „Skills“ brauchen also Institutionen und Individuen vor dem Hintergrund einer zukunftsorientierten Fehlerkultur? Übergreifend lassen sich drei zentrale Grundlagen festhalten. Erstens, die Anerkennung der Welt als komplexes System und der Bruch mit linearen Denkmustern. Obschon es ver­ lockend und wichtig ist, die Welt, Gesellschaften oder das Verhalten von Individuen mit Modellen zu beschreiben und dadurch prognostizierbar zu machen, gilt es die Voraussetzungen unter denen Innovationen entstehen realistisch zu beurteilen. Dazu gehört die Anerkennung, dass viele, wenn nicht die Mehrzahl der Anwendungsfelder für Innova­ tionen nicht linearen Entwicklungsmustern folgen, sondern sich unerwartet oder nicht erfassbar entwickeln. Dies betrifft die Natur genauso wie soziale und ökonomische Strukturen oder das Individuum. Strategien basieren dabei natürlich auf rationalen Hypothesen, deren Validierung erfordert aber Experimente. Zweitens, Transparenz. Das Lernen aus Fehlern erfordert regu­ ­ latorische Richtlinien und Anreizsysteme, die Indivi­ duen,

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Unternehmen und die Politik dazu bewegen die Resul­ tate ihrer Arbeit offen zu legen. Nur solche „Open Access“Konzepte, die Daten offenlegen erlauben es, zu lernen und bestehende Konzepte anzupassen. Drittens, den Mut Neues respektive Altes loszulassen sowie Vorbilder, die entsprechende Werte in Unternehmen, in der Politik und in der Familie leben. Also kaufen Sie beim nächsten Preiseinsturz Pharmaaktien und loben Sie Ihre Tochter, auch wenn Sie im Orientierungslauf die uner­ laubte Abkürzung genommen hat. Auch wenn die Welt dadurch nicht in jedem Fall innovativer wird, es wird doch ange­ nehmer in ihr zu leben.

Der Text ist ein Ausschnitt aus dem Magazin ABSTRACT 2 _ 10 des Think Tanks W.I.R.E.

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Q 3 / 2010

Nº4

Fehler

Licht

ink on paper for hungry minds

Liebe Freunde des Lichts, wer innovativ sein will, muss unbekannte Wege gehen. Doch was passiert, wenn der Weg in der Sackgasse endet? Dort wo Neues entstehen soll, muss auch das Scheitern möglich sein, sagt das moderne Fehlermanagement und nennt diesen Prozess einen „kreativen Fehler“ (A5, S.8). Mit diesem und ganz anderen kreativen Fehlern beschäftigt sich die 4. Ausgabe des Licht Magazins*. Alle Beteiligten haben das Thema auf ihre persönliche Art interpretiert und uns vor allem bewiesen, dass Fehler Ansichtssache sind. Genauer gesagt: was für den einen ein Fehler ist, mag für den anderen der Idealzustand sein. Dies gilt für die Erfinder des Punk (A5, S.13), welche den musikalischen Dilletantismus als Abgrenzung zu bekannten ­ Hörgewohnheiten nutzten genauso, wie für die Bilder von computergenerierten Fehlern und Zufällen (z.B A3, S.4/5).

Das Fehler schön sind beweist nicht nur der Fleck über Cindy Crawfords Mund. Der Reiz liegt im Unperfekten: kleine Macken sind natürlich und wirken auch so. Das zeigen ebenfalls die Collagen von James Gallagher (A3, S.14-17) und die unscharfen, mit Blendenflecken fotografierten Bilder von Alexander Binder (A3, S.1-3). Fehler können lustig sein (A5, S.22) oder auch erschreckend, wie der ukrainische Fotograf Sergey Bratkov mit seinen Kinderaufnahmen belegt (A3, S.19). Aber vor allem sind Fehler eines: menschlich. In diesem Sinn wünschen wir viel Spaß mit dieser – garantiert nicht fehlerfreien – Licht Ausgabe.

* „Licht“ ist ein Fanzine und wird seit 2007 in regelmäßigen Abständen von Die Krieger des Lichts veröffent­ licht. Die Beiträge zeigen Design, Kunst, Kultur und Kommunikation aus unterschiedlichsten Perspektiven. Es ist von und für interessierte Menschen gemacht, die sich gerne auf Neues einlassen und die Begeisterung dafür mit uns teilen. Es soll erfreuen und inspirieren. Nicht mehr und nicht weniger.

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“W e do m a k mista W E J U ST h a p accid e B ob

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Ro s


„Alle Fotografien spielen mit Fehlern, sowohl auf inhaltlicher als auch auf formaler / handwerklicher Ebene: Die Fotos selbst sind pixelig, unscharf und voller Blendenflecken - die Protagonisten nur schleierhaft erkennbar, teilweise skelettiert und schlichtweg unperfekt in ihrer gesamten Gestalt.“

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Fehler -

Alexander Binder

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Fehler -

Peter Riedel

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„Fehler sind für das menschliche Auge auch oft Unregelmäßigkeiten, Verzerrungen und Schnitte in Bildern. Durch eine sich selbst aufrufende Funktion, die einzelne Polygone zeichnet und Bildteile per Zufall doppelt und dreht, entstehen interessante Bildcollagen. Einmal programmiert sind die Variationen schier unendlich.“

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Fehler -

Diego Lorenzini

“When I work the images that I produce, I don’t use any kind of previous sketch. Well, I do make use of sketches but they are not to correct the structure but on the contrary, they are to mislead me and they are not erased in the following process. Sometimes these first attempts obey to a painful geometrical idea or to an awkward method. Through this manner I obligate myself to take hasty decisions about anatomy and proportion that contrast with the assertiveness of the later cross hatching job. In some way

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it‘s like Kandinsky trying to paint triangles without using yellow: someone has to do the dirty work of failing to know how it feels like. I think this system of committing mistakes is related to an idea I have sometimes of directing a movie with actors that look almost like other actors but in a funny way. It would be a dramatic movie though.”

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Fehler -

Florian Sommer

“A modificated noise-shader in the sub-poly-displacment-channel generates a random surface on a usual Cinema4D sphere, completed with an explosion-object, a Mograph random-effector, a HDR-Sky and some softboxes. Got it?”

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Verena Reiber

„Seit Jahrhunderten bezeichnet "miss-" oder "Miss-" im Deutschen etwas Verkehrtes, Verfehltes oder Verschiedenartiges. Nicht nur im Sprachgebrauch wird im Handumdrehen aus Gefallen Missfallen, aus Gunst Missgunst oder aus Erfolg Misserfolg. Drei schlechte Gegenteile von makellos.“

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„Kolumbus suchte Indien, fand die Karibischen Inseln und dachte es sei Amerika. Irren ist menschlich. Aber nicht nur das. Erforscht man mit Hilfe von Google Earth die nahen und fernen Winkel dieser Erde, stößt man allerorts auf Bildstörungen, perspektivische Ungereimtheiten und optische Kuriositäten. Ein Einblick in die kleinen, mittleren und großen Fehler von Google Earth.“

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Marc Warren Jaques

“All of my art making practices are reactionary, and therefore rely on the mistake and correction to guide the process. All of life is like that, built upon mistakes and failures. I don‘t typically go about life thinking about my failures, however i do understand that half of the beauty of life rests in the mistake, the failure, the fault, the yang so to speak, and so my paintings, all of them, are also inherently about these themes.”

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James Gallagher

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“ 1) I cut out shapes and fit them together again. I make many mistakes along the way. And that‘s the best part. It‘s the reason I cut.

2) My work often depicts people doing things they will regret in the morning. ”

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Vorname Nachname

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James Gallagher Licht Nยบ4, dkdl.de

Vorname Nachname

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Berthold Resch

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Sergey Bratkov

„(...) die Aufnahmen der ukrainischen Kinder haben Bratkov schon viel Ärger ein­ gebracht. Da sitzt ein Mädchen auf dem Bade­ wannenrand, sexy in Schwarz gekleidet mit einer Zigarette an den Lippen. Die Eltern selbst brachten ihre Kin­ der derart aufgemacht zu ihm, in der Hoffnung, ihren Nachwuchs in einer der zahl­ reichen Kindermodelagenturen unterzubringen. So spiegeln diese irr­ wit­ zigen Fotografien den Zustand einer Gesell­ schaft, die eine fest gefügte Weltordnung verloren hat und neue Lebensformen erst noch finden muss.“ aus: „Die Unergründlichkeit der Seele“. Extra-Journal, Ratgeber, Hamburger Abendblatt, 2010

Courtesy: Galerie Anita Beckers | Frankfurt Regina Gallery, London & Moscow

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Tilman Zitzmann

„Ein Fehler bringt die ordentliche Parkettierung durcheinander. Weitere Inspirationsquellen waren Crashtests, Geometrie, japanische Drucke, und die Physikengine Box2D für Actionscript3.“

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Nina Pusch

„Das Bemühen um Wiedergutmachung.“

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Bertram Bergner

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„Computerprogramme sind großartig, denn sie beherrschen es sogar, Fehler zu produzieren. Zeitweise recht ästhetische Fehler. Nur mal angenommen, solch virtuelle Ausgeburten wären real - dann könnten sie so aussehen. Oder ähnlich. Danke an Illustrator‘s eigensinnige Renderengine.“

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Heike Bollig

Aus „Löcher in Unseren Hosen“, Heike Bollig und Barbara Buchmaier in: Heike Bollig „on Errors“ Objekte und Situationen, Revolververlag, Frankfurt am Main, 2007. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist der Fehler negativ konnotiert. Er gilt als Abweichung von einem optimalen, normierten Zustand oder Verfahren in einem bezüglich seiner Funktionen determinierten System. Doch betrachtet man die Faktoren, die die verschiedenen Bereiche unseres Lebens bestimmen, muss seine Kategorisierung nicht immer eindeutig ausfallen. Vielmehr changiert die Bewertung von Fehlern oftmals zwischen Tabuisierung und Glorifizierung. Ob zum Zwecke der Effektivitätssteigerung, der Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufes der globalen Marktwirtschaft (ISO-Normen) oder im künstlerischen Kontext: Oftmals gilt der Fehler auch als subversiv-provokatives Element, denn er kann ein Werkzeug dazu sein, den bestehenden ästhetischen Konsens aufzubrechen. Im Gegensatz zum Arbeitsfeld der Medizin oder zur maschinellen und technologischen Endproduktion, in denen Fehler absolut inakzeptabel sind, gelten sie in kreativen, lifestylebezogenen Feldern oder in entwickelnden Berufen und Marktsektoren im Sinne einer Lernund Innovationsquelle in einzelnen Produktionsabschnitten Oftmals als erlaubt oder sind sogar notwendig (Stichwort Fehlerausschlussverfahren)

In regelmäßigen Wellen generiert der Kapitalismus Sparten, in denen ganz kalkuliert gerade mit fehlerhaften Produkten gehandelt und spekuliert wird. Prominente Beispiele sind Fehlprägungen von Münzen oder Fehldrucke von Briefmarken, die in niedrigster Auflage oftmals unkontrolliert auf den Markt kommen. Dabei handelt es sich eigentlich um Massen­ produkte, die jedoch durch eine minimale Abweichung zum Fetisch werden.

Marble Ø 1,5 cm Manufacturer unknown Asymmetric

Tortellini H: 0,5 cm, BR: 4,4 cm, T: 6 cm Spinach Tortellini, da Marco Found by Petra Couwnbergs, 2005 No filling

Treffend bemerkt Paul Ormerod dazu: „Karl Marx famously wrote that the motto of capitalists was ‚Accumulate, accumulate, that is the law of Moses and the Prophets!‘ As in many other respects, Marx was completely wrong. ‚Innovate, innovate!‘ That is the guiding principle Screw which companies have used to L: 8,0 cm, Ø 1,2 cm unknown try to overcome the inherent Manufacturer No screw thread and pervasive uncertainty which surrounds all their decisions. It is the best strategy for successful systems, and it is a strategy from which we all, as customers and citizens, have benefited immensely“.1

Deutlich kapitalträchtiger erscheint jedoch die Aneignung ­ „kaputter“, vermeintlich „subkultureller“ oder „links“-codierter Styles erst durch avantgardistische Modedesigner und anschließend durch die deren individuelle Produkte kopierenden Global Player. Ein typisches Exempel ist hier der Textilsektor mit seiner dem Trend folgenden Qualitätsminderung oder Zerstörung von Materialien. Man denke an zerrissene und/oder gebleichte Jeans oder auch an den Ein­ satz verwaschener, ausgeleierter oder ausgefranster Stoffe. Das Arbeiten mit Spuren von Abnutzung und einer damit verbundenen Authentifizierung von Produkten kann man auch in der Produktion von elektrischen Musikinstrumenten beobachten. So stellt die Firma Fender etwa Verstärkerboxen und E-Gitarren als sogenannte „Re-IssueModelle“ her. Die Vorstellung, dass Arbeitskräfte von großen Firmen in Sweatshops oder auch in speziell darauf spezialisierten Werkstätten dazu angehalten werden, solche fehlerhaften Produkte quasi „fab­ rikneu“ herzustellen, erscheint ­­ absurd, ist jedoch sicherlich nicht weit von der Realität entfernt.

Fehl am Platz der Herstellung scheinen nicht nur die exemplarisch genannten „Re-IssueModelle“ zu sein, sondern oft auch man selbst. Der etwas düs­ teren Erkenntnis, dass laut Foucault „das Leben mit dem Men­ schen zu einem Wesen geführt hat, das sich nie ganz an seinem Platz befindet und dessen Bestimmung es ist, zu irren und sich zu täuschen“, folgt die Frage, welcherart Erkenntnisse sein können, die nicht mehr von „richtig“ und „falsch“ ausgehen, sondern vom Umherirren und von den Absurditäten, die soziales, künstlerisches, politisches und ökonomisches Leben durchdringen?2

1 Paul Ormerod: „Why most things fail“, London 2005, S. 240 2 Michel Foucault: „La vie: l’expérience et la science“, in: „Revue de Métaphysique et de Morale“, Januar/März-Ausgabe 1985

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3 pink balloons H: 9 cm, BR: 8,1 cm, Manufacturer unknown, Received from Yuka Oyama, 2005 3 balloons melted together

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Florian Pohrer

„Der Zeitgeist diktiert das Schönheitsideal. Makellos, fehlerfrei und perfekt wird der menschliche Körper in Hochglanz-Magazinen inszeniert. Retuschiert bis zur absoluten Künstlichkeit, fast schon sureal.“

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Bank ™

“Taken from Climax series”

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Oliver Wiegner

„Gerade bei freien Arbeiten gehe ich sehr experimentell vor. Ich sammele Material, kombiniere Verschiedenes, sortiere wieder aus, reduziere und wiederhole diesen Prozess oftmals mehrfach bis ich eine Richtung gefunden habe, die mich zufrieden stellt.

Bei der vorliegenden Arbeit habe ich das ursprüngliche Ergebnis bewusst mit einem weiteren Element kombiniert, das keinen Sinn ­ macht - und es anschliessend so weit reduziert, dass nicht einmal mehr die Unsinnigkeit zu verstehen ist.“

Diese Prozesse leben von den entstehenden Unstimmigkeiten. Allerdings versuche ich nie, bewusst Fehler zu produzieren sie entstehen einfach.

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Helmut Geier

What the HELL is this? -----------------------Polaroid - die Ikone der 70er Jahre Fotografie. Mit ihr hat Andy Warhol die Kunstwelt revolutioniert. Aber die Polaroid ist auch das Überraschungsei unter den Kameras. Keine Feineinstellung und Justierung möglich, keine Vorschau, ohne Netz und doppelten Boden. Alles ist möglich. Grund genug für‘s Licht DJ Hell, einen großen Liebhaber dieses Sammlerstücks, zu bitten, uns eine Auswahl der Hell‘schen Lebenswelt zu fotografieren.

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Hell’s Schuhe aus Tokyo – er nennt sie liebevoll „Cosmic Disco Boots “. Hier serviert auf einem Perser.

Hell als Kind. Natürlich in Lederhosen und mit Hund ohne Namen. Er hat zumindest behauptet, er wisse ihn nicht mehr. Schade, dass man Hell’s Gesicht nicht sieht, aber er hat sich gewissenhaft an die thematische Klammer und den Namen dieses Heftes gehalten.

Poster im Wohnzimmer: Ein Fotoshoot für den Katalog zur neuen Unterwäschekollektion von Hell, Wendy&Jim. Das sieht nach Ferkelei aus, ist ja aber auch Unterwäsche.

Ein Foto im Wohnzimmer: Die Abschlusskundgebung der Love Parade, die natürlich nicht fehlen darf. Man war sich allerdings nicht sicher in welchem Jahr. Im Hintergrund die Uhr, damit auch ja keiner länger als 20 Minuten aufgelegt hat.

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Fehler -

Florian Pohrer

„Durch einem Systemabsturz hatte mein Mac einen Fehler in der Bilddarstellung: das Bewegen von Fenstern auf dem Desktop produzierte abstrakte, bunte Muster. Nach einer halben Stunde Spaß am Gerät entstand dieses Foto.“

Thanks to

Alex ander Binder

J a m e s Ga l l a g h e r

Heike Bollig

C o ve r / 2 / 3

14 –17

26/27

Peter Riedel

Berthold Resch

Florian Pohrer

4/5

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Diego Lorenzini

Sergey Br atkov

BANK™

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Florian Sommer

Tilman Zitzmann

Oliver Wiegner

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Verena Reiber

NIN A P u s c h

Helmut Geier

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Ma r c W a r r e n J a q u e s

B ERTR A M B ERGNER

Florian Pohrer

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BACK

Institut für moderne Kunst Nürnberg Stephan Sigrist Lea Rothdach J a n - Uw e F i t z

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don’t a k e ta k es, ST HA V E a ppy d e n t s.” ob

Ro s s

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licht@dkdl.de facebook.com/licht dkdl.de Für Nachbestellungen: Mail an licht@dkdl.de

IMPRESS U M

Verlagsadresse: Die Krieger des Lichts GmbH Kornmarkt 2, D -90402 Nürnberg ViSdP: Marco Schnös Konzept & Gestaltung: Die Krieger des Lichts.brave communications Papier: A5: Circle silk, hochweiss, 115 g/qm A4: Circle Offset premium white, 80 g/qm A3: Circle gloss hochweiss, 115 g/qm Ein Produkt der IGEPA geliefert von Arjowiggins. gedruckt von: Aumüller Druck GmbH & Co. KG Weidener Straße 2, 93057 Regensburg

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Musik muss weh tun! Klingt es schr äg oder hörst Du fa l s c h ?

Lea Rothdach Lea Rothdach lebt in München und mag Musik. Sie ist ein Spross der Trikont Dynastie und ehemaliges Frauleinwunder (nicht die Band, die Agentur!). Jetzt ist sie eine Kriegerin des Lichts, die sich auf die Suche nach dem Fehler in der Musik gemacht hat. Die Quintessenz: falsch ist gar nicht verkehrt.

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Fehler

Wie unser schlauer Freund das Internet uns mitteilt, ver­ stand man rein wissenschaftlich gesehen unter einem Fehler lange Zeit die Abweichung von einer Norm. Zwischenzeitlich hat man die Definition überarbeitet. Ein Fehler wird nun als ein „Merkmalswert, der die vorgegebenen Forderungen nicht erfüllt“ definiert. Weiter geht es mit der Definition vom „Fehler“ in der Kunst: „Ein in seiner Originalität einzigartiges neues Kunstwerk kann von der Norm oder den Erwartungen abweichen und in die Kritik geraten. Die Rede vom Fehler stößt in diesem Bereich jedoch vollends an seine Grenze.“ „Fehler“ haben oft einen besonderen Reiz, wie die „falschen“ Töne im Jazz oder in einer Musikrichtung wie dem Punk. Was als Fehler bezeichnet wird und was nicht, entspringt folglich einem subjektiven Urteil. Sprich, das Ohr des Hörers entscheidet letztendlich was richtig oder falsch ist. Für Manche ist die musikalische Perfektion das Himmelreich auf Erden, für Andere muss Musik tatsächlich weh tun. Für Letztere ist Musik ohne Dissonanz langweilig. Harmonie allein unbefriedigend, das Neue immer das Spannende und Schockierende. Früher, als es noch die Guten oder die Bösen gab im Musikuniversum, den Indie und den Mainstream, die musikalisch anarchistischen Keimzellen und den kapitalistischen Major Kommerz, da war es nur im Independent Seg­ ment möglich, dass „Dilettantismus“ zum eigenen Genre wurde. Fehlerhaftigkeit wurde zur Kunstform erhoben und das Elitäre war zu unterwandern. Dilettantismus soll den Anspruch der Perfektion sprengen, weil der Grossteil der Gesellschaft eben nichts damit anfangen kann. Der Punk hat dann den Fehler zum absoluten Stilmittel erklärt. Mit „Kill Your Idols“ war Punk eine der ersten Bewegungen, die den musikalischen Anarchismus für die musikkulturelle Produktion nachhaltig definierte. Eine Definition, in der mehr als drei Akkorde auf der Gitarre verboten waren und auch der Gesang eher so etwas wie eine Urschreitherapie zu sein hatte. Punk stellte sich komplett gegen die Idee, dass nur qualifizierte Profis Musik spielen und produzieren konnten. Das ganze natürlich mit einer politischen Botschaft und der Anarchie im Handgepäck. Musik ohne Perfektion; Musik die weh tut,

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der Nonkonformismus als Abgrenzungswaffe der Jugend, als Verweigerung gegen die Gesellschaft. Das alles hielt nachfolgend und als logische Konsequenz auch Einzug in ganz viele andere Musikrichtungen. Der neue, also der „contemporary“ Dilettantismus ist im Vergleich eher zahm und domestiziert. Er ist bei den Blum­ felds oder den Deichkindern anzusiedeln, treibt aber noch mehr musikalische Hörblüten. Erobique, die süßeste Versuchung seit Erfindung der überdimensionierten Musik­ praline, ist ein begnadeter Musiker. Tolle Arrangements, Pianovirtuose, aber würde man ihn bei Gottschalk zur Prime Time an die Heimorgel stellen, würde die TV Nation ihn ausweisen und die Bild Zeitung ihn steinigen. Oder beispielsweise Rocko Schamoni, der von sich sagt „ich kann nicht singen“, und auch nie singen wollte. Dennoch liebt ihn ein Teil der Menschheit, mich eingeschlossen und auch seine Plattenfirma scheint das nicht zu stören... Auch für den Dilettantismus der Jetzt Zeit gilt: „Erlaubt ist was gefällt, aber es darf keinesfalls zu vielen oder gar allen gefallen“. Wäre es so, dass plötzlich die breite Masse auf schiefe Töne stünde, dann würde ganz schnell der Musikantenstadel im Pudel Club in Hamburg übertragen werden. Auch im elektronischen Segment, ist der einst so wilde, freie und spießerverhasste Techno zur glattproduzierten Musik für Hausfrauenaerobic ver­ kommen. Zu viele Dorf DJs, die das Punk Motto „Jeder Kann Alles“ falsch verstanden haben und am Rechner im Hinterlandkaff mal einen „geilen Ravetrack“ produzieren. Zum Glück gibt es auch noch Elektriker, die ihr Handwerk verstehen. Immer mehr Produzenten und Musiker aus dem elektronischen Segment verzichten inzwischen wieder auf die ­ reine Elektronik und entwickeln einen Riesenehrgeiz, die ganzen digitalen Töne analog herzustellen. Patrick Pulsingers neues Album beispielsweise, oder ein Künstler namens Gelbart und noch viele mehr stellen sich quasi lieber mit der Bratpfanne und dem Holzklöppel ins Studio, als sich am Computer irgendwelche perfekten Loops zu bauen. Was sagt uns das? Es müssen wohl gerade die Fehler sein, die mangelnde Perfektion, die Musik so liebenswert machen.

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Fehler

Vielleicht muss man aber auch mit jemandem wie Peter Wacha, auch bekannt als DJ Upstart, sprechen. Er war Gründer des legendären Ultraschalls, ist Labelchef von Disco B Records, Mitinhaber von Chicks On Speed-Records, Chef des Clubs Rote Sonne in München und ehemals Punk. Er ist federführend dafür zuständig, dass die unglaublichen Schlachthof Bronx zu einem Album gekommen sind und er hat gerade Patrick Pulsingers neues Album herausgebracht. Kannst Du Dich noch an Deine erste Schallplatte erinnern? Ja, das war das Heintje Album. Da war ich vielleicht sechs oder sieben. Meine Mutter hat mich zum Ostbahnhof geschickt, damit ich die Heintje Platte hole. Für die ganze Familie. Wir haben den Plattenspieler aus dem Wohnzimmerschrank geholt und Heintje gehört in der Küche. Wie kommt man von Heintje zum Punk, das musst Du erklären. Im Schnelldurchlauf: Boney M, Pink Floyd und Supertramp (zu ganz schlimmen Zeiten), Genesis, dann Pubertät und die Bravo. Eine spuckende Band aus England, die sich zum Thronjubiläum der Queen ein Boot gechartert haben und auf der Themse rumgefahren sind. Das fand ich toll. Dann natürlich sofort die Platte gekauft. Welche Band war das? Die Sex Pistols mit „Never mind the Bollocks“. Die haben mich als 15-jähriger total beeindruckt. So fing

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das an mit mir und dem Punk, das war halt so das pubertäre Aufbegehren. Dann ging’s los mit diesen Rock’n’Roll Punk Bands und dann ging alles ziemlich schnell. Ich habe meine Clique in Trudering so langsam verlassen und bin immer mehr in die Stadt, in die Diskos gegangen, wo wir halt reindurften mit unseren 16 Jahren. Dort hab ich andere Leute kennengelernt und bin immer mehr in die Punk Szene und immer mehr ins Politische reingekommen. Die erste Ausgabe meines Fanzines „Upstart“ (daher kommt auch mein DJ- und Spitzname) war noch sehr naiv. Im „Musterexemplar“, dem zweiten Fanzine ging’s dann schon um Fragen wie „was ist Anarchismus“ und so. Hast Du eigentlich registriert, dass Deine Musik für den gängigen Musikgeschmack schon ziemlich nach Krach und oft auch total falsch klang? Für mich war’s nicht falsch gesungen. Es hat nicht der Norm entsprochen und das war es ja genau, was wir wollten. Punk war eine Jungendbewegung, die weder musi­ kalisch noch von der Haltung dem Leben gegenüber der Norm entsprechen wollte. Man wollte einen anderen Staat im Staat gründen und das auch durch die Musik ausdrücken. Hast Du damals auch selbst in einer Punk Band gespielt? Ich bin da einfach so reingerutscht. Es gab einen Club in München, das Milb, das war der Punk Rock Laden damals. Wenn die Band Kakerlake gespielt hat, haben die nach dem Auftritt den Leuten im Publikum den Bass und die Gitarre umgehängt und gesagt: „Da, spielt halt“. Jeder durfte mal und auf einmal warst Du selber in ner Band. Die Distanz zwischen Bühne und Publikum war einfach auf­ gebrochen. Weil man herauswollte aus den elitären Normen? Auf die Musik bezogen, weg wollte von „Nur ein Profi Musiker darf auch Musik spielen“? Genau, man war der Meinung „jeder kann alles“. Diese Grenzen wollten wir aufheben. Ich habe dann mit nem Freund zusammen eine Industrial Band gegründet. Wir haben im Keller aus alten Tonbandgeräten Bandschleifen gebaut. Wir hatten kein Geld und konnten auch keine Rhythmusmaschine kaufen. Also haben wir Krach aufgenommen, ­

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das war dann unser Rhythmus. Schreckliche, total atonale Musik. Keiner konnte Noten, die waren komplett uncool. Es gab aber ja auch in der Punkbewegung wirklich professionelle Musiker, die Instrumente beherrschten. Wie war das mit denen, haben die sich bemüht, alles was sie gelernt hatten, zu vergessen respektive sogar zu verleugnen? Diese ganzen sogenannten Punk Rock’n’Roll Bands waren sehr wohl „richtige“ Musiker. Das drei Akkord Ding hat vielleicht bei den Ramones gestimmt und bei den Bands, die gerade angefangen haben. Bands wie The Clash waren hochmusikalisch, die haben vielleicht schnell oder ungewöhnlich gespielt, aber wenn man sich das heute anhört ist das ganz stinknormaler Rock’n’Roll. The Clash waren aber ja, obwohl sie Musiker waren und Instrumente spielen konnten, doch akzeptiert bzw. sogar angesehen in der Punk Szene? Oder waren die schon so ein bisschen „banned from the community “? Ganz und gar nicht. Die waren nur doof, weil sie beim Major waren. Auf den Konzerten gab es deshalb auch regelmäßig Ärger. Jeder hat sie geliebt, aber gleichzeitig wollte man ihnen Ärger machen. Joe Strummer ist sogar angefallen worden und hat dann den Bass auf die Köpfe der Punks gehauen. Der musste sogar in den Knast, in Hamburg nach dem Konzert. Die Entstehung auch das Großwerden von Punk, ist das Deiner Meinung nach nur über die Indie Plattenfirmen möglich gewesen? Ja, Bands, die wirklichen Punk machten, so wie ich ihn verstehe. Also, nicht Bands wie die Sex Pistols, die waren ja auch nur vordergründig Punks, ich meine Punk Bands wie Throbbing Gristle oder The Slits. Die kamen nicht aus der Musikschule und haben ihre Instrumente eben nicht beherrscht. Die haben als Dilettanten angefangen, Musik zu machen und komplett nicht der Norm ent­ sprochen. Das war für mich die gewaltigste Musik damals. Neubauten, Throbbing Gristle und The Slits sind super Beispiele. Das waren Bands, die hätte kein Major genommen. Die Musik war etwas kraftvolles, revolutionäres.

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Früher oder später sind diese ganzen Bands musikalisch geworden. Nach und nach wurden die harmonisch. Wollten die sich musikalisch weiterentwickeln oder war das quasi ein Versehen? Ich glaube eher, dass das ein menschlicher Fehler ist. Die Harmoniesucht. Die mussten halt auch viel üben. Das ist eine Kunst das durchzuziehen, dissonant zu bleiben. Meinst Du dann, die Fans von Punk, sind die dann Fans der Musik an sich (also jeder atonalen und dissonanten Form) oder fühlen sie sich dadurch angesprochen, dass Leute so offensiv gegen ein System aufbegehren? Ich glaube es ist beides. Klar gibt es die reinen Musikfans, aber in fast jeder Musik steckt ja auch immer eine Haltung. Im Punk gab es auch den Dandy (der Blixa Bargeld war ja auch irgendwo ein Dandy), auf den sind die Frauen gestanden. Das alte Rollenklischee war ja durch das atonale oder den Punk nicht besiegt. Das ist ja dann erst später durch die Elektronik abgelöst worden, die relativ radikal reingehauen hat. Wie bist Du dann eigentlich zur Elektronik gekommen? Es war eine Zeit, wo irre viel in der Musik passiert ist. Was man nicht kennt ist einfach immer das ­ Spannendste. Bands und Künstler hatten eine wesentlich radikalere Instrumentierung. Elektronische Instrumente, Synthies, selbstgebaute Sachen und was die sonst noch aus diesen Maschinen rausgeholt haben. Das war eine Klangästhetik, die es vorher so noch nicht gegeben hat. Mich hat das gefangen genommen, ich fand das total radikal und energiegeladen. Wo siehst Du dann den „Fehler “ in der elektronischen Musik, die ja wesentlich tonaler und glatter als der Punk ist? Am Anfang war das überhaupt nicht so. Das klingt vielleicht heute so, wenn irgendwelche Leute am Laptop so ganz strukturierte Songs basteln. Aber damals war das anders. Es gab keine Midi kontrollierten Synthies und Moogs. Sobald man mit so einer Maschine auf der

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Bühne war, hat man eine Einstellung eingelegt. Die hat man danach kein zweites Mal so gefunden. Im Endeffekt hast Du immer mit etwas total Unkontrollierbarem auf der Bühne gearbeitet. Der Reiz lag in der Einmaligkeit. Kann das der Grund dafür gewesen sein, dass Techno oder elektronische Musik generell (teilweise heute noch) das „genormte Ohr “ eher erschreckt als erfreut? Absolut. Elektronik und später Techno Musik haben einfach viel radikaler die musikalische Norm verlassen. Rock’n’Roll war komplett in einer Norm, beispielsweise mit dem Strophe - Text Schema. Davon hat sich die Elek­ tronik komplett losgelöst. Wellenartige Musik, wie man es vielleicht von Steve Reich oder Brian Eno kannte, die war komplett noch mal weiter außerhalb der Norm. So weit, dass Punker und Rocker das gleichermaßen gehasst haben und es als Krach und Dissonanz empfunden haben. Wie ist das bei Dir mit Deinem Plattenlabel, wie entscheidest Du was Du unter Vertrag nimmst? Legst Du per­ sönlich Wert auf Perfektion oder nach was für Kriterien wählst Du aus? Perfektion höchstens in der Haltung. Ich suche Musik, die schon eine gewisse Radikalität haben sollte. Die Bands und Künstler, die ich schätze, machen Musik, die gesellschaftliche Relevanz hat. Es sollen sich musi­ kalisch neue Türen öffnen. Ob es dann dissonant oder melodisch ist, das ist nicht der Punkt. Ich mag es ganz gerne, wenn Sachen nicht völlig stimmen. Wenn ein Freund zu mir sagt: „Hey, die singt aber nicht ganz genau, die kann doch nicht singen“ und ich antworte „genau das isses aber, dass die nicht genau die Melodie trifft und den Einsatz“. Das macht oft den Reiz von Musik aus, es macht sie zu etwas Besonderem und in gewisser Weise so unperfekt, wie die Welt eben auch ist. Großteile der elektronischen Musik sind ja in den Main­ stream abgeglitten. Es ist die Perfektion, das glatt Durchproduzierte, das von der Masse gewünscht wird. Glaubst Du, dass die Strömung, die es jetzt im Gegenzug gibt – wegzugehen vom Digitalen hinzu analoger Elektronik – die logische Konsequenz ist, um wieder von der

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Perfektion wegzukommen? Ja, ich denke das passiert, um sich wieder abzuheben. Es gibt ja auch seit Jahren diese Neo Folk Bewe­ gung, das ist auch so weg von Kaufhaustechno wieder hin zum Lagerfeuer. Gut gemachte Musik, die oft dilettantisch bezaubernd daherkommt – und auch in der Elektronik gibt es so eine Tendenz. Siehst Du da auch das neue Pulsinger Album? Ja, würde ich absolut da einordnen. Wenn man es das erste mal hört, dann denkt man vielleicht „nein, da hat er jetzt nicht hundert Prozent den Punkt getroffen“, aber nach ein paar Mal hören weiß man, das kann ja gar nicht anders sein. Also, so ein Album erzieht einen fast dazu, dass man die Art von Musik, die aus der Retorte kommt oder mit Computerprogrammen produziert worden ist, gar nicht mehr hören kann. Ich entferne mich davon immer weiter. Ich finde die unperfekte, analoge und vielleicht auch dilettantische Musik geistig total anregend. Man verlässt einfach so einen geraden Pfad. Auch im Denken, schon beim Anhören solcher Musik. Du meinst die macht schlauer? Im Endeffekt ja (lacht)! Auf Dauer gesehen, ist es Medizin for your brain!

Patrick Pulsinger „Impassive Skies “, erschienen auf Disko B.

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Fehler

Aus Fehlern wird man klug. Fa l l s e s da n n n i c h t z u s pä t i s t. Jan-Uwe Fitz Jan-Uwe Fitz: Autor, Web2.0-Erzähler, Verstörter und führender zeitgenössischer Taubenvergrämer.

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Die beiden Amerikaner waren Metallica-Fans mit Leib und Seele, die Tickets für das Open Air-Konzert der MetalBand aber leider teuer. Und so entschlossen sich die zwei Freunde, einfach von der Ladefläche ihres Pick-ups über den 2,70 m hohen Zaun auf das Veranstaltungsgelände zu klettern. Was sie im angetrunkenen Zustand übersahen: Auf der anderen Seite ging es 12 Meter in die Tiefe. Beim Sprung vom Zaun blieb der erste Kletterer mit der Jacke in einem hervorstehenden Baum hängen. Er zückte sein Taschenmesser, schnitt sich los – und stürzte die restlichen 8 Meter ungebremst in spitzes Astwerk, in dem er schwer verletzt liegen blieb. Tragisch, dass er einen ebenso hilfsbereiten wie alkoholisierten Freund an seiner Seite hatte. Dieser beabsichtigte, seinen verletzten Kumpel mit einem Seil und Unterstützung des Pick-ups in die Höhe zu ziehen. Es starben schließlich beide, der eine im Auto, der andere darunter. Im Eifer des Gefechts hatte der vermeintliche Helfer versehentlich den Rückwärtsgang eingelegt und den Zaun durchbrochen, bevor er schließlich mit dem Wagen auf seinem Freund landete. Mit dieser filmreifen, aber verbürgten Einlage wie aus einer schwarzen Hollywood-Komödie gewannen die HeavyMetal-Fans vor einigen Jahren den berühmten Darwin-Award – einen Preis, der jedes Jahr, meist posthum, an Menschen verliehen wird, die sich versehentlich selbst töten oder unfruchtbar machen und dabei ein besonderes Maß an Dumm­ heit an den Tag legen. Auch wenn man nicht über Tote lachen soll (zumindest nicht in Deutschland, in Großbritannien sieht man das schon wieder ganz anders): Manches Dahingehen ist so komisch, dass man sich zumindest ein ersticktes Schmunzeln nicht verkneifen kann. Der Darwin Award 2010 geht übrigens an zwei belgische Bankräuber, die einen Geldautomaten aufsprengen wollten – aber aus Versehen das gesamte Bankgebäude in die Luft jagten. *

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