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musik Piano-Variationen von Dustin O’Halloran, Emanuele Errante und Francesco Tristano
Musikalische Grenzgänger Von Andreas Lüschen-Heimer
Wer den Frühling und seinen Lockruf nicht nur als „Endlich-wieder-in-die Welt-hinaus-gehen“ versteht, sondern auch den meditativen 앲앲앲앲 Anna Depenbusch Aspekten dieser wunderba„Die Mathematik der Anna ren Jahreszeit zugeneigt ist, wird die Piano-Variationen Depenbusch“ ( Sony/ 105 Music): Ihre Musik ist origi- der folgenden drei Künstler nell, tiefsinnig und gelegent- gewiss zu schätzen wissen. lich von leiser Ironie durchDustin O’Halloran hatte ja bereits mit zwei bezaubernzogen. Musikalisches den Solo-Piano-Alben sowie Schubladendenken ist hier fehl am Platz. Anna Depen- Filmmusiken (u.a. „Eine
cd-player
amerikanische Affaire“) aufhorchen lassen, bevor er nun mit „Lumiere“ 앲앲앲앲 (Fat Cat/Rough Trade) seine Ambition durch Hinzunahme eines ganzen Streichorchesters sowie handverlesener Solisten beträchtlich erweiterte. Gleichwohl bewahrte sich dieses während drei Jahren an diversen Orten (unter anderem in der Berliner Grunewaldkirche) aufwändig ertüftelte Album eine erstaunliche Intimität. Wahrscheinlich liegt das am
busch vermischt auf ihrem Album Disco-Beats und Polka-Rhythmen, CountryKlänge, Chansons und Zirkusmusikelemente, Streichquartett und großes Orchester. Und die Liedermacherin aus Hamburg beweist mit wortgewandten Texten, dass Musik nicht nur auf Englisch gut klingen kann. chr 앲앲 Trouble
Over Tokyo: „The Hurricane“ (Schoenwetter/Broken Silence): „Wanderer“, „Eject“ oder „The Blood“ – schon die Songtitel deuten an, dass hier jemand einiges zu verarbeiten hatte. Diesem als Buch mit Audio-Begleitung erscheinenden Gesamtkunstwerk zum Thema „Nicht aufgeben/Nicht verzweifeln“ gelingt es aber leider nicht, die beeindruckende textliche Klarheit musikalisch adäquat zu transportieren. Allzu vage bleibt die Songkontur, zu wirr flackern die Ideen. Wohl befand der britische The Guardian: „eine Kombination von Thom York’s existenzialistischen Momenten mit der sexuellen Aufgeladenheit Justin Timberlakes.“ Wir für unseren Teil empfehlen den- Francesco Tristano ist ein leidenschaftlicher Grenzgännoch Nachhilfe-Unterricht ger: Sein neues Album ist ein Tribut an die Musiker Jobeim US-amerikanischen Foto: Universal hann Sebastian Bach und John Cage. Songschreiber und Sänger Sufjan Stevens. alh 앲앲 Der
noch immer traumverlorenen Klavierspiel des Hauptakteurs, seiner lyrischen Songhandschrift und der äußerst behutsamen, strategisch klugen Integration der Kollaborateure. Potenzielle Bombastfallen wurden souverän vermieden, keinem dieser grazilen Tracks wurde die Luft zum Atmen, der Raum für Fantasie genommen. Ein wahrlich erbaulicher Hörgenuss ist das berückende Ergebnis – das melodisch wundersam dahingleitende „We Move Lightly“ sei als Anspieltipp empfohlen. Setzt O’Halloran elektronische Effekte für sein Werk ausgesprochen dezent, ja, kaum wahrnehmbar ein, geht Emanuele Errante mit ebensolchen deutlich offensiver um. Ja, sein drittes Album „Time Elapsing Handheld“앲앲앲앲 (Karaoke Kalk) basiert geradezu auf der synthetischen Verfremdung einer akustischen Basis-Instrumentierung aus Gitarre, Klavier und Harfe. Dass hier am Ende eine sanft wogende Wärme und keine digitalisierte Kühle erzeugt wurde, muss am kreativen, sprich unverkrampften und gleichzeitig fokussierenden Umgang dieses Multi-Instrumentalisten mit seinen Möglichkeiten liegen. Errante, der seine Kompetenz als Remixer auch schon in den
Dienst seiner Label-Kollegen Dakota Suite gestellt hatte, balanciert mit Eleganz und Charisma auf jenem bekanntlich so schmalen Grat zwischen Ambient und Jazz, Klassik und Experimentalklang. Auch Francesco Tristano darf als Musterbeispiel für einen leidenschaftlichen Grenzgänger gelten. „bachCage“앲앲앲앲 (Deut-
sche Grammophon/Universal) ist ein Tribut an zwei denkbar unterschiedliche musikalische Charaktere: Johann Sebastian Bach und John Cage. Was der 29-jährige hier mit den gewählten Vorlagen anstellt, unterwirft sich keinem formalen Regelwerk, ist allein künstlerischer Freiheit verpflichtet und hat damit längst für Irritationen unter den Puristen gesorgt. Seine per Studiotechnik dezent nachbearbeiteten Interpretationen wollen Gemeinsamkeiten des Werkes der Komponisten Bach und Cage herausstellen. Hochambitionierte Virtuosität und provozierende Reduktion sind die Stilmittel des gebürtigen Luxemburgers mit denen er – einem Drahtseilakt gleich – zwischen Clubszene und Konzerthaus pendelt. Große Aufmerksamkeit ist diesem bemerkenswerten Künstler dabei jedenfalls schon jetzt reichlich zuteil geworden.
britische Folk-Musiker Seth Lakeman kommt mit seinem neuen Album „Hearts & Minds“ auf Tour
앲앲앲앲앲앲 =
grandios 앲앲앲앲앲 = hervorragend 앲앲앲앲 = stark 앲앲앲 = solide 앲앲 = diskutabel 앲 = dürftig
Kompromisse für die Hitparaden Will ein Folk-Musiker in die Hitparaden gelangen, muss er Kompromisse machen. Dieser „neue britische FolkHeld“ zeigte zunächst seinen Landsleuten wie die Regeln dieses Spieles lauten: Wohl darf man sich kompositorisch durchaus bei in der Tradition verankerten Tugenden bedienen, doch müssen diese sowohl strukturell als auch rhythmisch in eine
Chart-kompatible Form gebracht werden. Sprich: Sie werden auf Berechenbarkeit getrimmt. Aufflackernde Ansätze von Magie und Entfesselung wurden auch bei „Hearts & Minds“ (Virgin) umgehend gebändigt, fielen also einer vermeintlich besseren Konsumierbarkeit anheim. Tja, so sieht halt der Preis des Erfolges aus.
weilen auch: Auf der Bühne kann das alles plötzSeth Lakeman lich ganz anders gern gezogene aussehen. Die Vergleich mit der Tour startet am Folk-Rock-Le7. April in Köln gende Fairport und führt ihn Convention geam ersten Juliwaltig, hatten Wochende auch diese sich solcher Prozeduren doch stets kon- zum Rudolstädter Tanz- und sequent verweigert. Freilich Folk-Festival (tff ). Infos unalh zeigt die Erfahrung aber bis- ter www.eventim.de. Insofern hinkt der im Falle von