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Volker Hamann + Matthias Hofmann [Hrsg.] Euro 14,95
Blockbuster!
»Die Schlümpfe« und »Die Abenteuer von Tim und Struppi« als Kassenschlager auf der großen Leinwand VON VOLKER HAMANN
Dass im Jahre 2011 gleich zwei Kinofilme zu den sogenannten Blockbustern zählten, deren Inhalte bereits seit Jahrzehnten Filmemacher beschäftigen und Leser in vielen Ländern begeistern, und deren inhaltliche Ausrichtung die eher kleine und beschauliche Gattung der frankobelgischen Comicliteratur ist, dürfte den wenigsten der bundesweit mehr als 4 Millionen Kinobesuchern dieser beiden Filme klar gewesen sein. Denn wer sich im August bzw. Oktober 2011 eine Kinokarte für »Die Schlümpfe« oder »Die Abenteuer von Tim und Struppi« gekauft hat, wurde wohl in erster Linie von den breit angelegten PR-Kampagnen der Filmproduktionsgesellschaften in die Kinosäle getrieben statt von dem Bewusstsein, der neuesten und mitunter gelungensten Inkarnation jahrelanger Bemühungen Zeuge zu sein, gute Geschichten in zeitgemäßer Ausprägung präsentiert zu bekommen.
Rechts und unten: Bilder der ersten SchlümpfeTrickfilme. © TVA-Dupuis Unten links: Maurice Rosy (links) und Eddy Ryssack (rechts) bei TVA-Dupuis, 1962. © Dupuis
Denn sowohl im Falle der kleinen blauen Kobolde von Peyo wie auch bei Hergés Dauerbrenner um den pfiffigen Reporter Tim gilt es auf eine lange und vielfältige Entstehungsgeschichte zurückzublicken, wie und warum diese einst auf den holzhaltigen Papieren von belgischen Jugendzeitschriften erschienenen Helden nun vom Kinosessel aus ein Millionenpublikum begeistern können.
Um die Entwicklung des Erfolges der »Schlümpfe« (siehe Fast Facts-Kasten) nachvollziehen zu können und um zu erfahren, warum es Peyo und seiner Familie gelungen ist, sogar in den Vereinigten Staaten derart populär zu werden, gehen wir zurück in das Jahr 1959. Der Dupuis Verlag, Herausgeber von Spirou und somit Arbeitgeber von Peyo, hatte damals aufgrund einer Idee von Maurice Rosy, Leiter des Zeichnerstudios des Verlages, ein Trickfilmstudio gegründet, in dem auch Fernsehfilme mit bekannten Figuren aus Spirou hergestellt wurden. Das Studio TVA-Dupuis (Télévision Animation), für deren Leitung der Zeichner Eddy Ryssack verpflichtet wurde und für die der Szenarist Raoul Cauvin als Kameramann begann, adaptierte zunächst kurze Probefilme, darunter auch »Gaston« und eine Kurzgeschichte mit dem kleinen Noel von Franquin, bevor zwi-
schen 1961 und 1967 »Les Schtroumpfs« in acht schwarz-weißen und zwei farbigen jeweils 12 Minuten langen Trickfilmen auftraten. Wenn auch diese Produktion einiges von dem späteren Erfolg der Kobolde erahnen ließ, so waren die Möglichkeiten der TVA-Dupuis derart beschränkt und antiquiert, dass von den ersten »Les Schtroumpfs«-Trickfilmen kaum ein Mensch Notiz nahm. Immerhin kamen die ersten acht Filme Ende der 1960er Jahre im deutschen Fernsehen in der Sendung »Das Schmunzelkabinett« zur Ausstrahlung, wenn auch ohne nennenswerte Folgen – sieht man einmal davon ab, dass Peyos Figuren zu diesem Zweck ihren deutschen Namen »Die Schlümpfe« erhielten. Peyo, der von dieser Produktion wenig begeistert war, konnte dadurch allerdings erste Erfahrungen bei der Umsetzung von Comic-Figuren in Zeichentrickfilmen sammeln. So entstand langfristig die Idee, einen abendfüllenden »Les
Schtroumpf«-Film zu produzieren. »Eines Tages traf ich auf einer großen Buchmesse in Frankreich den Produktionsleiter von Belvision. Das war die Filmgesellschaft der Dupuis-Konkurrenz Lombard, wo unter anderem auch der Trickfilm ›Tim und der Sonnentempel‹ entstand. Aber da war die Idee zu einem abendfüllenden Film schon alt. Auch Belvision war der Meinung, dass sich ›Die Schlümpfe‹ für einen Film eignen würden. Wir waren also einer Meinung. Als ich einige Zeit später Raymond Leblanc, den Verlagsleiter der Éditions du Lombard und Herausgeber von Tintin traf, erzählte ich ihm von diesem Gespräch. Er sagte nur: ‘Einen Trickfilm? Prima! Aber dann komm’ auch mit deinen Comics zu Tintin!’ Ich sagte ihm, dass ich daran kein Interesse hätte. Schließlich sprachen mich sogar die Leute von Dargaud an. Die hatten gerade ein Studio eingerichtet, wo die ›Idefix‹-Filme hergestellt wurden, und waren auf der Suche nach neuem Material. Sie boten mir an, nach Paris zu kommen, um dort ›Schlümpfe‹-Filme zu drehen, aber dann hätte ich die ganze Zeit immer zwischen Paris und Brüssel reisen müssen. Das wollte ich nicht. Also sprach ich meinen eigenen Verleger Dupuis an, dass ich ein gutes Angebot von Belvision hätte. Das muss die Leute dort sehr erschreckt haben, denn Belvision war für TVA-Dupuis eine große Konkurrenz. Nach langem Hin und Her sind wir uns schließlich einig geworden, den Film bei Belvision zu drehen und meine Comics weiterhin in Spirou erscheinen zu lassen. Das war eine sehr gute Wahl, denn bei Belvision konnten wir einen professionellen Zeichentrickfilm drehen und mussten keine Kompromisse eingehen.« 1 Der Film, von dem Peyo hier spricht, lief 1976 in belgischen und französischen Kinos an und hieß »La Flute à six Schtroumpfs« (dt.: »Die Schlümpfe und 1 Peyo in einem Gespräch mit Hans van den Boom, Stripschrift 81/82, Oktober 1975.
die Zauberflöte«) nach dem gleichnamigen FAST FACTS: Comicalbum. Viele der Die Schlümpfe in 3D Animatoren, die schon Originaltitel: The Smurfs Regisseur: Raja Gosnell an den Adaptionen von Produktion: Columbia Pictures, Sony »Astérix« oder »Lucky Pictures Animation, Kerner Entertainment Luke« gearbeitet hatten, Vertrieb: Sony / Columbia wurden für »La Flute à Kinostart: 29. Juli 2011 six Schtroumpfs« engaEinspielergebnisse (Stand: Februar 2012) Belgien + Frankreich: $ 37,161,716,00 giert. Mit Yvan DelporDeutschland: $ 29.398.271,00 te, der zusammen mit USA: $ 142.614.158,00 Peyo die Dialoge Gesamt: $ 563.749.323,00 schrieb, und Michel LeQuelle: http://boxofficemojo.com grand, der die Musik zum Film schrieb und mit einem 60 Mann starken Orchester einspielte, waren weitere hochkarätige Mitarbeiter gefunden worden. »La Flute à six Schtroumpfs« begründete den internationalen Erfolg der »Schlümpfe« und ermöglichte es, Lizenzverwertungen der blauen Kobolde auf der ganzen Welt zu verkauOben links: fen. Die ersten Merchandising-Produkte Peyo (rechts) in den TVA-Dupuisvon Peyos Figuren waren bereits seit EnStudios, 1960er de der 1950er Jahre auf dem Markt: Von Jahre. allen populären Figuren des Magazins © Dupuis Spirou hatte Dupuis Latexfiguren herstellen lassen, die bei den Lesern ungeheuOben und unten: er beliebt waren. Mit dem Erscheinen von Aus dem Kinofilm Die Schlümpfe »La Flute à six Schtroumpfs« über(2011). schwemmte eine richtige Flut von © Sony Pictures »Schlumpf«-Spielzeug den Markt. Der deutsche Plastikfiguren-Hersteller Schleich sicherte sich die Rechte an der Verwertung für die kleinen Figuren und bediente bald den MarktICmit ORTüber REPweit COM hundert verschiedenen »Schlumpf«-Auseht’s im Weiter g führungen. Die Weichplastikfiguren ge-
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Das »Micky Maus-Magazin«
Seit 2011 im neuen Look! Noch besser und schöner?
VON HORST BERNER
»Hallo, Leute – herzlich Willkommen in der neuen Micky Maus, die wir nur für Euch noch besser und schöner gemacht haben. Frischer, feiner, flotter, frecher …« Mit diesen Worten begrüßte Peter Höpfner, Chefredakteur beim Egmont Ehapa Verlag, die Leser der Nummer 13 vom 25. März 2011, mit der sich das älteste und fraglos erfolgreichste deutsche Comicheft in grafisch und inhaltlich leicht modifizierter Form präsentierte. Neudeutsch nennt man so etwas einen Relaunch, und wer zum Mittel des »Neustarts« greift, hat dafür seine Gründe.
Rechts: Neuer Look des Micky Maus Magazins: Das Logo wechselte 2011 von Heft Nr. 12 auf Nr. 13. © Disney
Unten: Covermotiv im Wandel der Zeiten: Die allererste MM (Nr. 1/1951) und das Doppelcover der Jubiläumsausgabe Nr. 35/2011. © Disney
Das kann daran liegen, dass ein sich abschwächender Absatz stabilisiert oder angekurbelt werden soll, kann aber ebenso gut auch damit zu tun haben, dass lediglich dem veränderten Zeitgeist Tribut gezollt wird. Im Fall des Micky Maus-Magazins war es wohl eine Mischung aus all diesen Faktoren. Jedenfalls machte der gewählte Zeitpunkt für diese kleine Auffrischung insofern Sinn, da der 60. Geburtstag der traditionsreichen DisneyPostille unmittelbar bevorstand. Sicher ist auch, dass die Micky Maus seit Jahrzehnten auf einem soliden Konzept basiert. Das Heft muss nun wirklich nicht neu erfunden werden. Um Stammleser nicht zu vergraulen, was durch allzu radikale Neuerungen geschehen kann, war einerseits eine behutsame Anpassung gefragt. Andererseits sollte sie so attraktiv ausfallen, dass im besten Fall neue Leser hinzugewonnen werden konnten. Ein Blick auf die Titelseiten der Hefte 12 und 13 aus dem Jahrgang 2011, bei denen sich dieser Wechsel vollzog, zeigt, dass tatsächlich nur Kleinigkeiten verändert wurden. Das Logo ist nun etwas größer, durch die grafische Verfeinerung erscheint es plakativer. Der typische MickyMaus-Kopf, der bislang wie ein Button am Titel klebte, wurde durch eine Figur ersetzt. Außerdem erfuhr der Begriff »Magazin« eine gewisse Aufwertung. Ja selbst
die Farbgebung mit den dominanten Rotund Gelbflächen schaffte einen homogenen Übergang von alt zu neu. Natürlich vertraute man einmal mehr dem stolzen Enterich (und dem Gag mit der Banane …) die Repräsentation des DisneyUniversums an, das wie wir alle wissen in der deutschsprachigen Variante Entenund eben nicht Maushausen heißt. In diesem Zusammenhang: Bei zweiundfünfzig veröffentlichten Micky Maus-Magazinen im Jahr 2011 zierten die Ducks sage und schreibe fünfundvierzigmal die Umschlagseite Eins. Der Titelheld musste sich dagegen mit drei Auftritten begnügen und liegt damit noch hinter Goofy, der das viermal schaffte. Nicht mal bei der Jubiläumsausgabe, der Nummer 35 vom 26. August 2011, war es Micky vergönnt, dass er Werbung in eigener Sache betreiben durfte. Das heißt, stimmt nicht ganz. Weil es das eigentliche Jubiläumsheft eingeklammert in einem großformatigeren Umschlag gab, kam die Maus doch noch zum Zug. Die darauf abgedruckte Illustration darf selbstredend als nette Hommage auf die legendäre Erstausgabe vom September 1951 gesehen werden. Entscheidender Unterschied: Suggerierte das Motiv von einst den Absturz, ist nun der Höhenflug versinnbildlicht.
Aber zurück zum »neuen Look« im Heft. Am sichtbarsten wurde der auf den Innenseiten, die grafisch etwas geordneter wirken. Die Inhalte streifen Themen, die das Lesepublikum der 6- bis 13-jährigen berührt. Da gibt es Infos zu Filmhighlights im Kino und auf DVD, Games und Sport, interessante Hinweise über Tiere und zur Technik, und in Rubriken wie »Maus Mix«, »Witze, Tipps & Tricks«, »Rätselcomic«, »Deine Woche«, »Maus Box«, »MickyMaus.de« oder «Enten-Kurier” wird dem Spaßfaktor gefrönt. Den wichtigsten Part nehmen natürlich wie eh und je die publizierten Comics ein, die von den besten Disney-Kreativen aus den unterschiedlichsten Ländern erdacht und realisiert werden. Ebenso bedeutsam sind die Extras. Die gehören Woche für Woche zum Magazin, das seit der Nummer 37 vom 1. September 2010 »als perfekter Spaß zum Wochenende« immer freitags in den Handel kommt. Motto: »Freitag ist Freutag!« Ältere Leser werden sich daran erinnern, dass es auch schon einen »Donnersduck« gab. Apropos Extras: Die Idee hat in gewisser Weise ihren Ursprung in einer gelben Sonnenblende, die im Jahr 1959 dem Heft 29 beigelegt war. Später erfreuten sich die Käufer der Micky Maus an Sammelbildern mit diversen Motiven, Stundenplänen, Aufklebern, Plakaten, Adventskalendern, Spielund Bastelbögen und dergleichen mehr, bis es im Jahr 1984 die ersten Gimmicks gab – eine Idee des französischen Magazins Pif Gadget, hierzulande von Yps mit Erfolg übernommen –, die dann zu regelmäßigen Beilagen im Heft wurden. Dass »die Suche nach dem richtigen Extra immer einen Heidenspaß macht«, wie der im Egmont Ehapa Verlag dafür zuständige Manfred Bäumchen sagt, zeigen die bizarren Artikel des Jahrgangs 2011. Ob Skelett-Stift mit Licht, verrückte Soundmaschine, Furzkissen, elektrischer Ventilator, Gelddruckmaschine,
Abenteuer-Uhr, Halloween-Maske, Piratenpistole, Detektiv-Box oder AgentenHandy, die kleinen Spielsachen und Scherzartikel sind zum wichtigen Argument beim Kauf des Micky Maus-Magazins geworden. Mitunter prangen diese Zugaben so demonstrativ auf den in Folien eingeschweißten Heften, dass gerade noch das MM-Logo und der Hinweis »Super-Extra« erkennbar bleiben. In steter Folge finden sich mittlerweile auch die »Mega Sammelposter« im Magazin, das normalerweise 52 Seiten, in bestimmten Fällen wie beim »Extraheft zum 1. April« oder den »Ostern«-, »Ferien«- und »Weih»In Sachen Leserzufriedenheit haben wir einen großen Schritt nach vorne gemacht, wie Umfragen und Ratings zeigen. Und auch der Verkauf hat sich vor allem im 2. und 3. Quartal als stabil erwiesen.«
Peter Höpfner über den Relaunch der Micky Maus
nachts«-Themenheften bis zu 68 Seiten umfassen kann. Offensichtlich werden in den Redaktionsstuben bei Egmont Ehapa alle Register gezogen, um die Micky Maus für den harten Wettbewerb am Markt der Kids-Magazine so attraktiv wie möglich zu gestalten.
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Das wiederum muss nicht überraschen, denn die Micky Maus ist eine Art Institution. Seit Ehapa am 29. August 1951 – T IC REPOR damals noch insStuttgart im COM als Tochterget’ h e g r e Weit der Kopenhagener Verlagssellschaft
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Oben: Der moderne Donald trägt schwarz: Geheimagent »DoppelDuck«. Titelbild von MMM Nr. 37/2010. © Disney
Unten: Mega-Piratenwochen mit der Micky Maus: Schiffe versenken, Piratenpistole und Piratenschatz als Beilagen in MMM Nr. 19 bis 22/2011. © Disney
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Die Blauen Boys
Humoristischer Dauerbrenner aus Belgien VON VOLKER HAMANN
Die humoristische Westernserie Les Tuniques Bleues (dt. Die Blauen Boys) von Szenarist Raoul Cauvin und den beiden Zeichnern Salvé (d.i. Louis Salvérius) und Lambil (d.i. Willy Lambillotte) hat eine ganz erstaunliche Karriere hinter sich. Nicht nur die Veröffentlichung der bis heute mehr als 50 albumlangen Episoden und etlicher Kurzgeschichten im belgischen Magazin Spirou und ihre Buchpublikationen entwickelten sich so spannend wie ein Abenteuer der beiden Titelhelden Korporal Blutch und Sergeant Chesterfield auf den Schlachtfeldern des Nord- und Südstaatenkonflikts selbst. Auch die wechselvolle und undurchsichtige Veröffentlichung in Deutschland bietet ausreichend Anlass, einmal genauer hinzusehen.
Rechts: Korporal Blutch und Sergeant Chesterfield auf einer AquarellZeichnung von Lambil. © Dupuis
Unten: ???, ???, Raoul Cauvin und Peyo (v.l.n.r.) im Studio TVADupuis, 1960er Jahre. © Dupuis
Begonnen hatte alles Ende der 1950er Jahre, als im Zeichnerstudio des Dupuis Verlages zwei junge Männer beschäftigt waren und sich auf kollegiale Weise anfreundeten: Louis Salvérius und Raoul Cauvin. Während Cauvin zunächst – wie auch Salvérius – als Letterer angestellt worden war, wechselte er 1961 in das von Dupuis gegründete Zeichentrickfilmstudio TVA-Dupuis und versuchte sich als Kameramann. Salvérius hingegen hatte schon immer Interesse an der zeichnerischen Arbeit gehabt und verfolgte weiterhin den Wunsch, eines Tages auch seine Comics in Spirou abgedruckt zu sehen.
Als der 1935 im belgischen Soignies geborene Louis Salvérius im April 1953 seinen Wehrdienst antrat, fand er sich zunächst bei der Mannschaft eines Schützenpanzers wieder, konnte seine Kameraden aber schon bald auch mit seinen gestalterischen Fähigkeiten und Zeichnungen begeistern. Seine große Vorliebe waren bereits damals Uniformen und Waffen in jeder Form. Nach der Entlassung versuchte er daher, mit seinem Talent einen Job zu finden und bewarb sich bei den Éditions Dupuis. Dieser in Marcinelle ansässige Verlag publizierte neben den Zeitschriften Le Moustique und Bonnes Soirées seit 1938 auch das stets erfolgreicher werdende Comic-Magazin Spirou. Als Salvérius seine Arbeitsproben einschickte, hatte Dupuis gerade auf Anraten von Georges Troisfontaines ein eigenes Redaktionsbüro in Brüssel eingerichtet, um die immer umfangreichere Arbeit an dem expandierenden Magazin besser mit den Abläufen der Agentur World Press zu koordinieren, die Troisfontaines leitete. Hier entstanden die Serien Buck Danny und Les belles histoires de l’Oncle Paul
unter der Mitarbeit von Victor Hubinon, Jean-Michael Charlier, Albert Weinberg und anderen zukünftigen Stars von Spirou. Mit Yvan Delporte als Chefredakteur und Maurice Rosy als künstlerischem Leiter waren zudem gerade zwei kreative junge Männer eingestellt worden, die das Comic-Magazin von Dupuis in eine noch erfolgreichere Zukunft führen sollten. Das erste neue Projekt von Delporte und Rosy war das im November 1955 gestartete Magazin Risque-Tout, eine auf Zeitungspapier gedruckte, großformatige Schwesterpublikation zu Spirou, in die Verleger Charles Dupuis viel Hoffnung setzte und gute Verkaufszahlen bei den heranwachsenden Jungen erwartete. Um die umfangreichen redaktionellen Inhalte mit Leben zu füllen, suchte Dupuis händeringend nach Illustratoren, und so bekam auch Louis Salvérius seine Chance. In Risque-Tout konnte er seine erste Zeichnung veröffentlichen. Leider wurde die großformatige ComicZeitung bereits im November 1956 wieder eingestellt, doch der junge Zeichner hatte sein Können unter Beweis gestellt und wurde im Zeichneratelier von Dupuis mit weiteren Aufgaben betraut. Dazu gehörten die Gestaltung von Rätselseiten, Layouts für redaktionelle Beiträge oder auch die eine oder andere Illustration, wenn eine weiße Fläche zu füllen war. Als Dupuis 1957 die Reihe Merveilles de la Vie startete – das waren im Stil der bekannten »Was ist Was«-Bücher aufgemachte Sachbücher für Kinder –, übernahm Salvérius die künstlerische Leitung und koordinierte den Text mit den Illustrationen seiner Kollegen von Dupuis, darunter Arthur Piroton oder Jean Roba. Obwohl das Projekt Risque-Tout finanziell nicht erfolgreich war, hatte die professionelle Begleitung der Lancierung in Spirou Charles Dupuis von den Möglichkeiten Delportes überzeugt. Daraufhin ließ ihm
der Verleger bei der ZuFAST FACTS: sammenstellung des Die Blauen Boys Magazins weitgehend Originaltitel: Les Tuniques Bleues freie Hand, was zur FolErscheint seit dem 29. August 1968 im ge hatte, dass zwar die belgischen Spirou-Magazin (Nr. 1585). Deutsche Erstveröffentlichung in Tom mit Delporte befreunund Biber Heft 1, 1969. deten Zeichner immer Weitere Ausgaben: 17 Magazine bei bevorzugt wurden – Bastei, 23 Alben bei Carlsen, bisher 13 Alben bei Salleck Publications was nicht allzu schlimm Hauptfiguren: war, denn immerhin geCornelius Chesterfield (Sergeant hörten Franquin, Peyo, Peppermint bei Kauka, Chester ChesterWill oder Roba zu den field bei Bastei) Blutch (Lollipop, Bud Buddington) besten ihrer Zunft –, der Captain Ambrose Stark (General Chefredakteur aber daGurke, Captain Starky) rüber hinaus auch viele Emily Appeltown (Sweety McDrops, Äppelpei Potter) neue Ideen verwirklichen konnte. Dazu gehörte zunächst auch die Publikation von Sondernummern zu bestimmten Anlässen wie Weihnachten, Oben: Aus dem 1959 Ostern oder dem Ferienbeginn. Ab Ende erschienenen 1955 gab Dupuis also aufwendige Spirou Mini-Récit »La loi Spécial-Ausgaben heraus, deren Umdu scalp«. © Dupuis fang sich bis zu 116 Seiten auswachsen konnte und denen häufig zusammen mit Unten: Zeichner Morris (Lucky Luke) entwickelte Whamoka et Würfelspiele, bewegliche Papiermodelle Whikilowat von Salvérius, 1963. und noch vieles mehr beigelegt waren. © Dupuis Und schließlich entstand die Idee der Mini-Récits. Aus einem Doppelbogen, den
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Rechts: Titelblatt von Salvérius für eine Beilage des Spirou-Magazins, 1967. © Dupuis Unten: Cover des 1959 erschienenen Mini-Récit »La loi du scalp«. © Dupuis
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der Leser aus der Mitte des Heftes trennen musste, ließ sich ein eigenes Heft mit 32 Seiten zusammenfalten und in die MiniBibliothéque einreihen. Das erste Heftchen dieser mit mehr als 550 Folgen umfangreichsten Beilagen-Serie in Spirou war den kleinsten Nebenfiguren in Spirou gewidmet: In Ausgabe 1107 vom Juli 1959 war das von Yvan Delporte verfasste erste Mini-Récit mit dem Titel »Les Schtroumpfs noirs« (»Blauschlümpfe und Schwarzschlümpfe«) den kleinen Helden aus Peyos Feder gewidmet. Mit »Nicki et l´Elaoin« (Spirou Nr. 1131) von André Franquin, »Boule et Bill« (Spirou Nr. 1132) von Roba und weiteren Mini-Heftchen von Paape, Jidéhem oder MiTacq wuchs sich die gute Idee zu einem festen Bestandteil des Magazins aus. In den folgenden Monaten nutzte die Spirou-Redaktion die Mini-Récits daher zum Ausprobieren neuer Talente oder Comicfiguren, und Zeichner wie Lambil, Paul Déliège (Bobo), Charles Degotte (Le Flagada; dt. Firlefanz) und eben Louis Salvérius erhielten endlich die Chance, ihr Talent in der Gestaltung von Comics zu zeigen. Inzwischen hatte sich bei Salvérius ein Interesse am Wilden Westen und dem Leben der Indianer im Besonderen entwickelt, und so wählte er dieses Thema für seinen ersten Comic, der 1959 als Mini-Récit mit dem Titel »La loi du scalp« in Spirou Nr. 1129 erschien und den er zum ersten Mal mit seinem Kürzel Salvé signierte. Die durchaus schon mit einigen komischen Momenten aufwartende Geschichte ist noch recht unbeholfen illustriert, aber schon das einige Monate später folgende MiniRécit »Histoire d’Indiens« in Spirou Nr. 1179, dieses Mal nach einem Szenario von Maurice Rosy gezeichnet und wiederum von einem Indianerstamm handelnd, lässt bereits die spätere Souveränität Salvérius‘ im Umgang mit dem typischen Marcinelle-Stil erkennen. Weitere Mini-Geschichten folgten, von denen einige zusammen mit Jacques Devos umgesetzt worden waren, dem späteren Zeichner der erfolgreichen Serie Génial Olivier. Den einige Jahre älteren
Zeichner hatte Salvé ebenfalls im Zeichneratelier von Dupuis kennengelernt. Beide ergriffen die Möglichkeiten, die sich ihnen mit dem Woche für Woche notwendigen Nachschub an Mini-Récits ergab und probierten für sich oder im Team neue Ideen aus. Zunächst noch mit zwei Geschichten der beiden Geschäftsleute Tim et Tom im Wilden Westen, ab 1963 dann auch mit den Kurzgeschichten um die Indianer Whamoka et Whikilowat im normalformatigen Heft. Daraus entwickelte sich nicht nur eine bis 1967 laufende Serie von mehreren Dutzend einseitiger Gags: Salvé ermöglichten sie auch die Realisierung von Illustrationen für Spirou und die Aufnahme in den Kreis der Künstler, die für die Reihe Collection du Carrousel Kinderbücher gestalteten. Auch hier blieb der Zeichner bei dem von ihm bevorzugten Thema und realisierte gemeinsam mit Devos und dem ebenfalls bei Dupuis beschäftigten Illustrator Jamic (d.i. Michel Jacques) die beiden Bücher »Une journée chez les indiens« (dt. »Bobby besucht die Indianer« als Band 1 der Reihe Das bunte Bussi-Buch vom Gevacur-Verlag) und »La legende du desert« (dt. »Die kleine Sommerkönigin« als Band 4 der Reihe Das bunte Bussi-Buch vom Gevacur-Verlag). Mit ihrem kindlich-naiven Charme und den einfach erzählten Geschichten nehmen diese beiden Bücher bereits etwas von dem vorweg, das den Schweizer Zeichner Derib (d.i. Claude de Ribeaupierre) wenige Jahre später PORT mit Yakari erfolgreich OMIC REsollte. Cmachen im s t’ h e g Weiter der abgelieferten Beweise seiAngesichts
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Der Markt in den 1960ern und 1970ern Die Magie des Comic-Machens unter partieller Abwesenheit von Marktwissen ... VON PETER WIECHMANN
Meine Rück-Betrachtung der kaukasischen Besonderheiten zieht sich von 1964 bis 1976 und sie teilt sich in drei Phasen.
1. Ausgehendes Mittelalter: Eingeschlossen im Schlossgemäuer
Ich arbeite 1964/65 im idyllischen Fix und Foxi-Schloss, ich wohne gegenüber des Gesindehauses der ehemaligen Schlossbesitzer – nun auch Austragshäusel der letzten Ahnfrau und ihrer Köchin. Um mir und meiner Familie das mietfreie Wohnen im Nebenschloss zu ermöglichen, führe ich in der Freizeit die Korrespondenz der Mitbewohnerin Gräfin von Larisch – einer reizenden Dame im 92. Lebensjahr – schippe im Winter Koks in die Heizung mit der Dimension einer Dampflok-Befeuerung. Die Schlacke entfernt der uralte Diener mit dem ‘unpassenden-bürgerlichen’ Nachnamen Graf. Und im Sommer harke ich den Kies der Auffahrt. Manchmal ... Das Schloss ist ein Labyrinth. Ich habe mir allmählich den sicheren Pfad zu meiner Dachzimmer-Zelle gebahnt. Links und rechts murmelt Leben. Den düsteren Gang weiter runter residiert Frau Jolan Sohn im kultivierten Flair eines stilvollgemütlichen Wohnwagens. Die Klause ist nicht viel größer als die meine, wirkt aber geräumiger allein durch die Omnipräsenz der Bewohnerin, deren kohlschwarzen Augen nicht nur die Seele des aufmüpfigen Redakteurs sondieren, sondern auch die Weiten der Zukunft durchstreifen. Frau Sohn ist meine Vorgesetzte? Klar gesagt hat mir das niemand – aber von ihr bekomme ich ab und an mit kryptischen Bemerkungen Arbeit zugeteilt, aber keine Aufklärung über die Heftmacher-Maschinerie drum herum. Mein grafisch-redaktioneller Werdegang lässt mich durchaus ahnen, dass hier irgendwo gezeichnet, gelayoutet, gefärbt wird ... Comics entstehen, aber eine einweisende Schlossführung fand nie statt. Kollegen halten sich verborgen oder es gibt sie nicht. Rolf Kauka hat mich eingestellt, aber dann nie wieder zu sich bestellt. Er wohnt irgendwo im Gemäuer mit Frau und Kindern. Abgeschirmt, un-
erreichbar für den Blasenfüller der niedrigsten Weihen. Mit Lupo modern, den ersten – von mir eingestellten – Redakteuren und den wachsenden Aufgaben eigener Kragenweite erweitert sich der Blick hinter ein paar Kulissen. Das Gemäuer wird transparenter und es offenbaren sich die im Schloss wirkenden Kräfte. Als da wären: die alles antreibende Kraft Rolf Kauka, die pfennigfuchsende Buchhalterin Frau Daumenlang, die geheimnisumwitterte Archivarin, Chefvertraute und Eingangs-Zerberus Frau Lilo von der Bruns, die FFRegentin Frau Jolan Sohn, der Grafikchef Florian Julino und seine getreuen textklebenden und seitenfärbenden Atelierdamen. In dieser hermetisch abgeschlossenen Welt ist kaum der Blick über die doppelt mannshohe Hecke möglich ... geschweige denn die nähere Einsicht in die Abläufe von Produktion, Druck, Vertrieb – oder gar der Einblick in die Finanzsituation erwünscht. Felsenfest steht für mich lediglich: Bislang ist Fix und Foxi VerlagsMonolith mit Monopol-Status. Der bröckelt erstmals mit dem Aufschwung von Lupo modern ... Ich kündige wegen diffuser Strukturen, vor allem aber wegen meines extrem eingebremsten Entfaltungsdrangs und ganz
Links: Unübersehbar: Dem Chefredakteur gehört die absolute Aufmerksamkeit seiner Grafiker und Schreiberlinge! Vorn rechts: Florian Julino Hinten Mitte: Riccardo Rinaldi.
Oben: Lupo als Zugpferd im wahrsten Wortsinn. Aus LUPO wird dann bald LUPO-modern … Meine erste redaktionelle Eigenverantwortlichkeit. © Kauka/ Promedia Inc.
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Rechts: Der Herr im Comic-Castle und sein Vize © Kauka/ Promedia
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offiziell wegen einer versprochenen, aber nicht vollzogenen Gehaltserhöhung (so von 800.- DM brutto auf 900.- DM brutto ...)
2. Beginnende Neuzeit: Ritterschlag zum Redaktions-Direktor
Nach einer Auszeit zieht es mich 1967 dann doch wieder nach Kaukasien. Diesmal versehen mit halbwegs klaren Kompetenzen und der eindeutigen Ausbau-Order des Programms und einer deutlich aufgestockten Entlohnung. Lupo modern existiert nicht mehr. Fix und Foxi mausert sich. Bussi Bär ist dazugekommen – hat es aber in der Sperrfeuer-Schelte des PädagogenAufstandes schwer. »Ein Buntebilder-Heft darf und kann keine Lehrfunktion übernehmen!« Der Begriff Vorschulmagazin wird erst später modern und da hat Bussi Bär bereits die Traum-Auflage von 300.000 Exemplaren. Meine Redaktionen breiten sich nach und nach im gesamten unteren Stockwerk des Schlosses aus. Große Räume mit weitem StuckHorizont. Die in den Wänden eingelassenen Rundum-Schränke füllen sich mit den Produktionen des Dupuis-, Dargaud- und Lombard- & Trinca-Verlages. Meine Redakteure (mal 12, mal weniger) arbeiten für den Kauka-Klassiker FF und dessen side-kicks ( = Ferien-, Oster- und Weihnachts-Specials), für Bussi Bär, für FF-Extra und an Neuentwicklungen. Zwei Kolleginnen mit exzellentem Sprachschatz bereiten die französischen, spanischen Serien-Inhalte für die textenden Redakteure vor. Die
Fremdserien-Nutzung erreicht ihren Höhepunkt. Das Atelier ist in das ausgebaute Dachgeschoss umgezogen. Über zehn junge Grafikerinnen kleben weiterhin die Linotype-gesetzten Blasentexte in die Repros der Comicseiten. Fortschritt: die Texte sind bereits blasengerecht gesetzt ... müssen nicht mehr aus Text-Streifen per Schere und Leimpinsel ‘umbrochen’ werden. Hier oben wird auch die immer stärker zunehmende Anzahl der Redaktionsseiten (Abenteuer-Storys, Wissens- und Spiel- und Club-Seiten etc) ‘gebaut’. Unsere Comic-Eigenproduktionen beschäftigen deutsche, jugoslawische, italienische, auch belgisch/französische und vermehrt spanische Artists. Die Auflagen steigen steil. Fix und Foxi ist Micky Maus auf den Fersen. Vor allem mit den Auflagen der Sonder-Heften. FF-Extra verkauft sich auf Anhieb sagenhaft gut und auch alle anderen Pockets lassen – erst einmal – die Kasse klingeln. Ich avanciere zum Vize des Chefs, bin auf RK’s Ritterschlag hin in allen Verlagsobjekten als Redaktions-Direktor ausgewiesen und werde von ihm in das Geschäftsführen nach Art des Hauses eingebunden. Heißt: Ich erfahre Zweckorientiertes ... um es nach ‘unten’ durchzusetzen. Bilanz der späten 60er Jahre: Im Vergleich zur ersten Phase meines KaukaDaseins registriere ich einwandfrei einen qualitativen Unterschied wie Tag und Nacht. Funktionierende, interessante Kooperation mit Rolf Kauka, Freiheit in der Gestaltung des Verlags-Programms, kaum Einschränkungen bei den Produktions-Mitteln. Die Auflagen boomen, meine ComicCrew ist kreativ bis zum Anschlag, meiner Entfaltungsfreude sind keine Grenzen gesetzt ... aber der Blick auf den ComicMarkt der Außenwelt ist ungetrübt von der wirklichen Einsicht, dass es da überhaupt etwas zu sehen gäbe! Die Innensicht ist und bleibt die dominierende Wahrnehmung um rechtzeitig wechselnde Winde der Geschäftspolitik, R. Kaukas Gemüts- und Gefühlsschwankungen voraus zu ahnen. Wir Redakteure kennen die wichtigsten Konkurrenz-Publikationen, aber wir kümmern uns nicht groß darum. Es ist nicht die Zeit des Austauschs von eigenen mit den Produkten der anT deren. Lieber Himmel,Cwieso das? REPOR OMIC denn ht’s im eGrundwissen g r e it Als leitendes gilt: Micky e W
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Am Tropf des Burkhard Ihme Interessenverband Comic: ein Verein wird 30 VON MATTHIAS HOFMANN
Den Spruch hat man sicher schon einmal gehört: »Treffen sich zwei Deutsche, gründen sie einen Verein; treffen sich drei, gründen sie einen Verband.« Nach der aktuellen V&M-Vereinsstatistik für 2011 gibt es in Deutschland die neue Rekordzahl von 580.298 Vereinen. Tendenz steigend. Und darunter sind ganz natürlich auch Vereine, die sich mit Comics beschäftigen. Zu den Größten dieser Art zählen die »Interessengemeinschaft Comicstrip e.V.« (kurz: INCOS) und der »Interessenverband Comic e.V.« (kurz: ICOM). Ein Jahr nach dem 40-jährigen Jubiläum der INCOS (siehe Artikel im letzten Comic Report) konnte 2011 auch der ICOM die Sektkorken knallen lassen.
Der ICOM nimmt unter den Organisationen, die man in der deutschen ComicSzene findet, eine Sonderstellung ein. Anders als Fanclubs (z.B. der »Hansrudi Wäscher Fanclub Bayern«) oder Vereine (z.B. die »Comic-Nostalgiefreunde e.V.«) setzt er sich nicht größtenteils aus Konsumenten, sprich »Lesern und Sammlern«, sondern Aktiven und Kreativen, sprich »Autoren und Zeichnern«, zusammen. Der aktuell amtierende 1. Vorsitzende heißt Burkhard Ihme. Stellt man dem Stuttgarter Szene-Urgestein die klare Frage, an was er denkt, wenn er das Kürzel »ICOM« hört, antwortet er gewohnt hintersinnig: »Zunächst denke ich darüber nach, ob der Interessenverband »The International Council of Museums – ICOM«, zahlreiche Computerfirmen und, seit letztem Jahr, die vom Vatikan missgebilligte neue »Organisation der
Katholiken in den Medien ICOM« gemeint sind.« Und dann fügt er hinzu: »Der ICOM war immer als eine Art Gewerkschaft gedacht, was er allerdings nie wirklich werden konnte. Schon die Tatsache, dass über 90% aller in Deutschland veröffentlichten Comics Auslands-Lizenzen sind, erschwert das sehr. Dafür steht der Erfahrungsaustausch im Mittelpunkt, der in den 1980er Jahren für Comic-Schaffende außerhalb des ICOM praktisch nicht möglich war, und auch als Anlaufstelle für Auftraggeber abseits der Comic-Verlage dient der Verband, so dass schon einige lukrative Jobs vermittelt werden konnten.« Ihme ist einer der Eckpfeiler der Organisation, wenn nicht gar die gesamte Basis in Personalunion. Seit vielen Jahren gleicht er dem alten Griechen Atlas, der, natürlich nur sinnbildlich gesprochen, die ganze Erdkugel auf dem Rücken trägt.
Oben: Burkhard Ihme verleiht den ICOM-Preis 2011 Foto © Siegfried Scholz
Links: Aktuell erschienen: ICOMintern Nr. 168 (Februar 2012) © ICOM
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Oben: Editorial einer frühen Ausgabe von ICOM Info. © ICOM
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Auf den Verein übertragen heißt dies, dass er seit vielen Jahren nicht nur der Kopf der Organisation, sondern sowohl der Mann fürs Grobe, als auch fürs Feine ist: Nach außen Anlaufstelle und Gesicht, nach innen treibende Kraft. Und das macht er ziemlich geschickt. Ist beispielsweise in Diskussionsforen im Internet die Rede von Aspekten, die den ICOM betreffen könnten, platziert er stets subtil kurze Statements, fiese Pointen oder Hyperlinks, die seine Position ins Spiel bringen. Arbeitsbedingungen von Zeichnern, Verlagspolitik, Markteinschätzungen, Repräsentation auf Festivals oder Events wie dem Gratis-Comic-Tag, das sind Themen, die den ICOM und damit auch Burkhard Ihme bewegen.
Der ICOM wurde im März 1981 offiziell als Verein gegründet. Seine ersten Vorstandsmitglieder waren Achim Schnurrer, Gerd Zimmer und Ruth Brons. Burkhard Ihme ist von Anfang an Mitglied und war auch einer der Teilnehmer der Versammlung in Erlangen, auf der sich der Verband konstituierte. Bis auf zwei Termine hat der studierte Grafikdesigner seitdem keinen einzigen verpasst. Mitte der 1980er erledigte er gelegentlich Schreibarbeiten, wie das Abtippen von Adressen für das ICOM-Handbuch, für den damaligen Vorsitzenden Gerd Zimmer, betreute zusammen mit Zimmer einen ICOM-Stand beim Comicfestival in Sier-
re und leitete seit 1992 die neugegründete Stuttgarter Regionalgruppe. Ihme erinnert sich noch sehr genau an diese Zeit: »Diese Gruppe war in den ersten Jahren sehr aktiv, setzte sich z. B. für Joachim Kaps als neuen Chefredakteur unseres Fachmagazins Icom Info ein, in den Jahren davor war das Heft ziemlich konzeptionslos geworden, war in Person von Niels Kolditz im Vorstand vertreten, fuhr 1993 nach Angoulême, als dort Deutschland als Gastland eingeladen wurde, und präsentierte dort deutsche Comics, die wir uns zum großen Teil in einem Stuttgarter Comic-Laden ausgeliehen hatten, und übernahm mit der Nummer 63 die Redaktion des internen Mitteilungsblattes, was dann, anders als erwartet, bald zu 100 % an mir hängen blieb. Ende 1993 übernahm Kolditz den Vorsitz des ICOM und die Herausgeberschaft des erst in Comic Info und dann Comic! umbenannten Fachmagazins, Andreas Mergenthaler die Gestaltung. Ich gestaltete die von Christof Ruoss zusammengestellten Publikationen der ICOM-Ratgeber »Honorare, Verträge, Urheberrecht« und die Adresssammlung ICOM-Handbuch, für das ich die Mitgliederadressen und -Arbeitsproben zusammentrug.« Mitte der 1990er Jahre, als sich eine finanzielle Schieflage im ICOM abzeichnete, kandidierte Ihme 1995 als Finanzvorstand und war 1996, als Niels Kolditz sich zurückzog, »plötzlich«, wie er heute sagt, Vorsitzender des Verbandes. Seitdem hat ihm kein anderer diesen Platz streitig gemacht. Trägt man alle Indizien zusammen, könnte man fast schon diese Gleichung aufstellen: »Burkhard Ihme = ICOM«. Neben den Tätigkeiten, die sein Amt mit sich bringt, steckt er zusätzlich jede Menge Energie in das interne Mitteilungsblatt ICOMintern, das im Februar 2012 bei Heft Nummer 168 angelangt ist. Als Mitarbeiter werden gelistet: »Ich und Google«. Auf 28 A4-Seiten wird etwas Vereinsinterna (Kassenbericht) abgedruckt, ansonsten werden vor allem Artikel und Informationen aus dem World Wide Web nachgedruckt, die Ihme bei seinen Surfausflügen ins Netz gegangen sind. Pro Jahr kommen so ca. 120 Seiten zusammen. T IC REPOR im COM Aber der ICOM nicht nur aus Iht’sbesteht h e g r e it We me, der sich auch gerne als Liederma-
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Die ganze Bandbreite
Spotlights, Highlights, Fragen und Antworten 2011 zusammengestellt von Matthias Hofmann
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Panini Verlags GmbH Rotebühlstraße 87 70178 Stuttgart www.paninicomics.de
gegründet: 1974 feste Mitarbeiter: 70 freie Mitarbeiter: ca. 300
2011 wurde bei Panini so richtig gefeiert. Zum 50. »Kleb-urtstag« des Unternehmens, das den »gemeinen Sammelsticker« zur Wissenschaft gemacht hat, hatte man sich einen besonderen Marketing-Gag einfallen lassen. Zum Jubiläum verschickte man im Sommer 550 Pizza-Kartons an Anzeigenkunden. Statt der zu erwartenden Pizza bekamen die Empfänger jedoch eine Mundharmonika von Hohner, die Noten von »Happy Birthday« und 50 Prozent Rabatt auf Anzeigenbuchungen in Panini-Titeln für die August-Ausgaben. Und wer bei Paninis Anzeigenverkauf anrief und mit der Mundharmonika »Happy Birthday« auf Italienisch (Tanti auguri) vorspielte, bekam noch einen Zusatzrabatt von fünf Prozent. Der Grundstein für die europaweite Sticker-Sammelleidenschaft wurde 1961 gelegt. Das in Modena (Italien) frisch gegründete Unternehmen startete mit einer Fußball-Klebebilderserie zur »Serie A«. 1974, rechtzeitig zur Fußball-WM in Deutschland, gründete man den deutschen Ableger. Als die Panini Gruppe 1994 von Marvel gekauft wurde folgten die ersten Comics anno 1997. Vier Jahre später kaufte man die DC-Lizenz für Europa und 2003 wurde die in Stuttgart FRAGEN AN:
MAX MÜLLER (PROGRAMMCHEF)
Was waren die bestverkauften Titel 2011? Simpsons, Star Wars, Wonderland, The Boys, Knallberts Tagebuch
Was waren die persönlichen Highlights 2011 im Programm und warum? Neonomicon von Alan Moore
ansässige Firma Dino Entertainment AG einverleibt. 2010 zog der Stammsitz von Panini Deutschland nach Baden-Württemberg ins schwäbische Stuttgart. Rund 70 Leute bringen von dort pro Jahr im Schnitt 130 Bücher, 121 Comics, 70 Magazine und 20 bis 25 Sticker-Kollektionen auf den Markt. Am Portfolio einer Firma wie Panini kann man ablesen was in Sachen Unterhaltung und Popkultur gerade angesagt ist. Panini ist immer auf der Suche nach lukrativen Lizenzen - nicht, dass diese alle auch erfolgreich sind oder für Deutschland Sinn machen – was den Branchenverband »International Licensing Industry Merchandisers‘ Association« (LIMA) dazu veranlasste, den Stuttgarter Verlag als »Lizenznehmer des Jahres 2010« auszuzeichnen. Das Programm von Panini Comics bot auch 2011 gewohnte Kost mit dem Schwerpunkt auf Superhelden-Lizenzen der beiden US-Riesen Marvel und DC (siehe auch die Bestandsaufnahme im Comic Report 2011: »Der SuperheldenMarkt 2010« von Marc-Oliver Frisch). Beim reinen Ausstoß an Titeln ist Panini unangefochtener Marktführer und veröffentlichte wie im Vorjahr rund 23% aller Comic-Novitäten des Jahres 2011. Die absolute Zahl stieg sogar von 594 auf 651 Titel, wobei hier auch jede Variantcover-Edition einer Neuheit separat gezählt wurde, schließlich muss sie der Handel auch einzeln listen, um sie von den regulären Ausgaben unterscheiden zu können. Alleine bei den Variant-Ausgaben publizierte der Verlag rund 130 TiEPORT COMIC R Menge tel, eine schier unüberschaubare im s t’ h eiter ge an W Kaufalternativen, die Komplett-
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In welchem Bereich rangieren die Auflagen der Novitäten 2011? Von ca. 1000 Exemplaren für spezielle Superhelden-Titel bis ca. 200.000 Exemplare für Star Wars Magazine.
Auf welche(n) Titel im Programm von 2012 sollte man besonders achten? Das neue DC Universum ab Juni.
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ab Juni 2012 zum Preis von 6,95 Euro alle drei Monate neu. Erh채ltlich im Comicfachhandel und Bahnhofsbuchhandel oder direkt bei Edition Alfons Verlag Volker Hamann Heederbrook 4 e 25355 Barmstedt Tel.04123-921033 info@alfonz.de
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