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EINS MIT DER NATUR MAGISCHE INSELGRUPPE WANDERN WIE EIN PILGER ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT


Sie haben die Qual der Wahl – das ganze Jahr hindurch! Stellen Sie sich vor, Ihr Haus steht mitten im Grünen mit dem Göta Kanal an der Grundstücksgrenze, nur 15 Kilometer Luftlinie von einer Großstadt mit Shoppingmöglichkeiten, Cafés, Restaurants und einem umfangreichen Kultur- und Veranstaltungsangebot entfernt. Hinter dem Gartenzaun weiden Kühe und Pferde und mit dem Fahrrad sind mehrere Höfe und Geschäfte bequem erreichbar, wo lokal angebautes Gemüse, Obst und anderes, das auf dem Abendbrottisch einen festen Platz haben sollte, verkauft wird. So in etwa haben wir das hier in Östergötland. Wandern Sie am Vormittag auf dem Östgötaleden und genießen Sie am Abend eine Vor­ stellung des Östgötatheaters. Oder beginnen Sie den Tag mit einer Paddeltour durch salzige Gischt und runden Sie ihn ab, indem Sie mit dem Ruderboot auf einem ruhigen Binnensee dahingleiten und selbst geangelten Fisch mit nach Hause nehmen. In Östergötland bestimmen Sie selbst, wie Ihr persönliches Erlebnis aussehen soll: Brechen Sie zu einer Kletter­tour auf den Omberg auf, gönnen Sie sich ein Retreat im Kloster bei den Birgitta­schwestern, bewundern Sie beim Bråvalla – Schwedens größtes Festival weltbekannte Künstler oder genießen Sie eine von der Vadstena­akademie inszenierte Oper. Nehmen Sie die Oma mit und beobachten Sie die Tiger im Tierpark Kolmården. Fahren Sie mit der Fähre hinüber nach Vikbolandet und besuchen Sie einen Hof, auf dem Sie sowohl Katzen als auch Schweine streicheln können. Spüren Sie im Luftwaffen­museum den Flügelschlag der Geschichte oder beschäftigen Sie sich in unseren Heimat­museen mit den Persönlichkeiten dieser Gegend. Sie interessieren sich für die Zukunft? Die finden Sie im Visualiseringscenter C. Möchten Sie das alles erleben? Dann kommen Sie nach Östergötland – mit dem Flugzeug, Auto, Bus oder Fahrrad. Unsere Tür steht Besuchern immer offen.

Susanne H. Fredriksson ist Leiterin des Tourismusgewerbes in Östergötland. Sie ist vom Wechsel der Jahreszeiten im Allge­ meinen und von der neuen Website von Visit Öster­ götland im Besonderen ganz begeistert.

Herzlich willkommen! Susanne H. Fredriksson, Chefredakteurin und verantwortliche Herausgeberin

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Impressum Die Zeitschrift Visit Östergötland wird von Visit Östergötland herausgegeben. Visit Östergötland gehört zum Region Östergötland. Drottninggatan 26, 602 24 Norrköping. Tel.: +46 10-103 00 00. www.visitostergotland.se, info@visitostergotland.se

Verantwortliche Herausgeberin: Susanne H. Fredriksson. Redakteur: Albin Wiberg. Design: Kristina Franzén. Leitartikel: Kristian Kårdal und Susanne H. Fredriksson Visit Östergötland. Umschlag: Mikael Svensson/Johnér. Druck: Larsson Offsettryck AB, Linköping, 2016.

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Eins mit der Natur

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s regnet. Die Tropfen fallen mit einem leicht platschenden Geräusch sanft auf das Laub der Bäume – ein angenehmes Filter, Lichtjahre von Instagram entfernt. Ein tiefer Atemzug aus frischer, unverkennbar schwedische Natur. Oder Urnatur, wenn man so will. Es ist 14 Jahre her, dass Ulrika Krynitz und Håkan Strotz die erste Kiefer entästet haben, um ihr umweltbewusstes Megaprojekt Urnatur Walderemitage fertigzustellen, das vor sieben Jahren eröffnet wurde. Damals zwei Pioniere des Ökotourismus, heute ein gelebter Maßstab innerhalb der international ständig wachsenden Branche. Daher war es kaum eine Überraschung, dass sie den Grand Travel Awards Ökotourismuspreis 2012 gewonnen haben oder dass Urnatur vom großen deutschen Nachrichten­ magazin Der Spiegel als eins von Schwedens tollsten grünen Reisezielen bewertet wurde. Es sind eher nur zwei weitere Belege für die echte Lebensphilosophie und dafür, dass die Geschäftsidee ideal in die Zeit passt. Alle sind zufrieden. Bald auch Ulrika und Håkan. Håkan hat lediglich Zeit für ein kurzes Hallo, bevor er sich auf den Weg nach Stockholm machen muss, um an einem

Håkan Strotz und Ulrika Krynitz am Schafstall in der Nähe ihres Hauses in Sjögetorp bei Ödeshög.

Event für umweltfreundlichen Tourismus auf dem Hauptbahnhof teilzunehmen. „Am liebsten halte ich mich hier auf dem Hof auf, aber manchmal muss man raus und sich unter normale Leute mischen“, sagt er mit einem etwas selbstkritischen Lachen. Es ist verlockend-gefährlich leicht zu glauben, dass Håkan Strotz und Ulrika Krynitz Paradebeispiele für rückwärtsgewandte grüne Aussteiger sind. Ein Vorurteil, das nicht falscher sein könnte. Bei Urnatur geht es volle Fahrt voraus. Hier trifft man die Zukunft und nicht die Vergangenheit, mit der Natur als natürlichem Verbindungsglied der Geschäft­ stätigkeit, ja, der gesamten Existenz. „Wir sind nicht besonders gut darin, uns selbst zu loben. Wir haben in Deutschland eine Auszeichnung als eins der 100 besten Hotels in Europa bekommen und als eins der zehn besten in unserer Kategorie. Sie haben uns ein Schreiben geschickt, das wir irgendwo hinhängen könnten, aber ich weiß nicht, ob wir das so an die große Glocke hängen wollen. Leute, die hierher kommen, sollen sich ein eigenes Bild machen. Wir reden nicht so sehr viel darüber, dass alles ökologisch nachhaltig ist und aus lokaler Produktion stammt. Für uns ist das selbstverständlich. Aber es hat sich viel verändert. Vor fünf Jahren galten wir als etwas schräg und merkwürdig und die Leute haben sich gefragt, wie es wohl mit unserem „Steinzeitdorf” weitergehen wird, aber heute sind sich alle, die etwas damit vertraut sind, einig, dass die Klimaveränderungen ein ernsthaftes Problem darstellen, das wir angehen müssen.“

HÅKAN IST DER EXTROVERTIERTE Forstmeister, Natur­ kundelehrer, Ideengeber und Praktiker, der nichts dagegen hat, neue, scheinbar unmögliche Projekte in Angriff zu nehmen, und Ulrika ist die Biologin, Künstlerin, Visionärin und Realistin. Ah, ehrlich gesagt trifft das alles ein bisschen auf beide zu. Eine perfekte Symbiose, die ihr richtiges Element gefunden hat – Holavedskogen einige Kilometer außerhalb von Ödeshög. Jetzt ist es Zeit, Ulrikas kulinarische Künste zu testen. Wir gehen in die Hocke und steigen durch die niedrige Tür in die Essstube. Hinter einem Vorhang klappert es, es wird gebraten und gequatscht. Ulrikas Tochter Siri hilft an diesem Abend. Sie hat kürzlich das Gymnasium beendet und arbeitet seitdem auf dem Hof mit, abgesehen von einem Aufenthalt in Berlin. Das Feuer im offenen Kamin wärmt und trocknet die durch­ nässte Kleidung, die wir am Körper tragen. Die Flammen der Stearinkerzen flattern aufgrund der Eigenventilation e

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im Haus und bringen Licht ins Dunkel. Nach einer Weile kommt Siri herein und bringt eine hohe Glaskaraffe mit Wasser, die sie in die Mitte des Tisches stellt. „Bitte sehr, Birkensaft!“ Ja, was sonst. Wir gießen uns jeweils ein Glas ein und probieren. Der frische, leicht süße Geschmack ist gar nicht übel. Mit verbundenen Augen hätte man den Saft vielleicht für Zuckerwasser gehalten, aber die bloße Vorstellung, dass jeder einzelne Tropfen aus einer angeschnittenen Birke herausgeflossen ist, bewirkt, dass man würdevoll und in Maßen trinkt. Kurze Zeit später erfahren wir endlich, was sich hinter den Gerüchen hinter dem Küchenvorhang, die unseren Hunger angeregt haben, verbirgt. Auf großen Tellern werden uns Lammsteaks vom eigenen Hof mit Zwiebelbutter und einer himmlisch-guten Mischung aus Roter Beete, Topinambur, Pilzen und Sonnenblumensamen serviert. Dazu eine Flasche Raccolto Cabernet Sauvignon – natürlich aus ökologischem Anbau. Der Geschmack ist märchenhaft gut. Rustikal, hausgemacht, gesund, mit einer Würzmischung, die die natürlichen Geschmacksnoten hervorhebt. Die Stimmung trägt natürlich ihren Teil bei. Als Nachtisch wird uns ein lieblich weicher Panna cotta mit Obstkompott angeboten. Ein perfekter Abschluss des Abendessens. Ulrika kommt nach draußen und setzt sich zu uns. Wir reden über die Philosophie, die dem Projekt Urnatur Walder­emitage zugrunde liegt.

Jeder (oder fast jeder) Quadratmeter von Urnatur wurde von Håkan Strotz mit eigenen Händen erschaffen. Es hat 11 Jahre gedauert, die Eremitage fertigzustellen.

„Es hat eine Weile gedauert, bis sich das Konzept durch­ gesetzt hat und die Leute verstanden haben, was wir machen und wofür. Die Idee besteht ja darin, dass das Geschäft vom Hof ausgeht und wir das nutzen, was der Hof bietet. Wir servieren ausschließlich Lammfleisch aus eigener Produktion und, soweit möglich, selbst angebautes Gemüse und Kräuter und eigene Eier. Wir ergänzen das natürlich mit anderen Dingen, aber der Hof bildet die Basis.“ „Wir interessieren uns sehr für Naturschutz und biologische Vielfalt und dadurch, dass wir von und auf einem Hof leben – der, wie man heute sagt, zu klein ist, um davon leben zu können – leisten wir einen Beitrag für diese beiden Aspekte. Und dank dieser Tatsache haben wir ein Umfeld geschaffen, das Gäste aus der ganzen Welt anzieht. Im besten Fall können wir sie dadurch so beeinflussen, auch ein bisschen darüber nachzudenken, wie wir leben und wie wir mit unseren Ressourcen in der heutigen Gesellschaft umgehen. Das ist eine Win-Win-Situation.” Woher kommen eure Gäste? „Aus ganz Schweden und aus der ganzen Welt, aber internationale Gäste kommen vor allem aus den USA, aus der Schweiz und aus Deutschland. Einige nur, um hier ein paar Tage zu bleiben.“ Was denkst du dann? „Das ist ganz toll, aber gleichzeitig bedrückend. Wenn man mit Ökotourismus arbeitet, ist bei Gästen, die von weither kommen, ja der Umweltaspekt ein Problem. Aber meistens


kommen sie aus einem anderen Grund nach Schweden und weil sie über uns etwas gelesen haben, versuchen sie, das miteinander zu kombinieren.“ Nichts für ungut, aber was machen eure Gäste, wenn sie hier sind? „Ja, das ist genau das Problem - und das Reizvolle. Wir haben hier jede Menge aufregende Ausflugsziele in der Nähe, aber unsere Gäste wollen einfach nur hier sein. Und das ist an und für sich das, was wir auf unserer Website anbieten, dass man herkommen und einfach die Seele baumeln lassen kann, ankommen und das unmittelbare Umfeld hier erkunden. Es entgeht einem so viel, wenn man versucht, das Angebot ständig zu verbessern.“ Welche Pläne habt ihr für die Zukunft? „Wir sind eigentlich recht zufrieden. Es besteht ja die Gefahr, sich überzuentwickeln. Wir können nicht mehr als 16 Gäste, die wir verpflegen, aufnehmen und wir haben schon jetzt 23 Schlafgelegenheiten. Es wird alles etwas beschwerlich. Wir wollen das exklusiv Ursprüngliche nicht verlieren.” Gibt es deshalb kein Schild an der Straße, damit eure Gäste hier in Ruhe gelassen werden? „Ja, wenn sie dafür bezahlen, hier zu wohnen, sollen nicht plötzlich Leute durch den Wald gestapft kommen und durchs Fenster gucken können. Das ist nicht so schön. Aber wer neugierig ist, kann hier seine Unterkunft buchen. Aber es kommt auch vor, dass Leute anrufen und neugierig sind und falls wir dann keine Gäste haben, kommt es vor, dass wir sie

herkommen lassen, damit sie sich ein Bild machen können.“ Was macht ihr, wenn ihr euch etwas gönnt? „Wir haben das Gefühl, hier alles zu haben, was wir brauchen. Wenn wir also etwas Ruhe haben, dann finden wir hier auf dem Hof so viele herrliche Orte, an denen wir uns aufhalten können, dass wir einfach das genießen, was wir uns geschaffen haben.“ Das Projekt Urnatur ist euer Lebenswerk? „Ja, auf eine Art sind wir hier wohl fest eingebunden, aber gleichzeitig sind wir beide sehr darauf bedacht, uns vor Augen zu halten, dass wir dies hier selbst gewählt haben. Und sollte uns das mal überwerden und wir das Gefühl bekommen, keine Lust mehr zu haben, dann wird das nicht mehr funktionieren. Dann werden wir das hier an jemand anderen abgeben müssen.“ Da die raue Luftfeuchtigkeit mir unter die Haut gekrochen ist, runde ich den Abend mit einem schönen Stündchen in der mit Holz befeuerten Sauna ab. Nur mit einem Handtuch bekleidet, tappe ich anschließend mit schnellen Schritten zu meinem Holzhaus zurück. Es ist stockdunkel, so dass ich mich am Licht der entzündeten Petroleumlampe orientiere, die Licht durch die Fenster wirft und das Haus aussehen lässt, als ob Holavedskogen neugierigen Besuch aus dem Weltall bekommen hat. Text: Albin Wiberg Foto: Johnny Franzén und Ulrika Krynitz

Das Essen ist ausgezeichnet, vegetarisch und stammt aus dem eigenen Garten.

2012 wurde Urnatur mit dem schwedischen Ökotourismuspreis von Grand Travel Awards ausgezeichnet und als eins der 100 besten Hotels in Europa bewertet.



Pilgerwanderung  Empfinden Sie Freude und finden Sie sich selbst   auf den Spuren der Heiligen Birgitta.

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ine der stärksten Szenen der Filmgeschichte stammt aus dem Meisterwerk The Mission, das 1986 in die Kinos kam. Der Film handelt kurz gesagt von einem Sklavenhändler, gespielt von Robert De Niro, der seinen Bruder tötet und sich dann selbst bestraft, indem er einen großen Sack mit Schrott die lehmigen Berghänge an den Iguazú-Wasserfällen hinaufschleppt. In der Szene trifft ein erschöpfter De Niro auf eine Gruppe bekehrter GuaraníIndianer und ihren Jesuitenpriester, gespielt von Jeremy Irons. Die Begegnung hat schließlich zur Folge, dass De Niro den Sinn des Lebens erkennt. Für einige von uns spiegelt die Szene recht gut das Bild wider, das wir von einer Pilgerwanderung haben. Man soll Buße tun, sich plagen und mit seinen Dämonen konfrontiert werden, um am Ziel durch eine Art Vergebung von einer höheren Macht gesegnet zu werden. Heute ist das allerdings nicht mehr ganz so. Aber die Pilgerwanderung ist trotzdem ein faszinierendes mystisches Überbleibsel aus verschwundenen Zeiten, die Östergötland in allerhöchstem Maße ihren Stempel aufgedrückt haben. Wir haben unser Auto gepackt und uns auf eine Pilgerfahrt (das wurde uns klar, als wir etwas mehr über das Thema erfahren hatten) auf den Spuren der Heiligen Birgitta begeben - von Linköping über das Kloster Vreta bis zur Birgittakirche in Vadstena. Vom Nonnenkloster der Benediktiner in Vreta sind leider nur noch Ruinen übrig, aber dank hilfreicher und pädagogisch wertvoller Informationen vor Ort bekommt man ein klares Bild davon, wie das Kloster mal ausgesehen hat und wie es im Kloster zugegangen ist. Das Kloster wurde um 1100 gegründet und war bis 1582 bewohnt. Die Klosterkirche ist erhalten und im Sommer ist es dort sehr hübsch. Unsere Fahrt geht weiter in Richtung Vadstena, wo wir im Pilgercentrum mit dem für die Pilger zuständigen Priester Tomas Wettermark verabredet sind. Er weiß das meiste darüber, was über Pilgerziele und Pilgerwanderungen wissenswert ist. „Wenn man historisch zurückblickt, lässt sich sagen, dass sich die Motive für die Wanderungen wenigstens teilweise geändert haben. Zu Zeiten der Heiligen Birgitta (1303–1373), als Pilgerwanderungen schon eine bekannte Erscheinung waren, bestand das Motiv manchmal, aber nicht ausschließ-

Der wichtigste Grund für die meisten der etwa 5.000 Menschen, die jährlich nach Vadstena pilgern, ist spirituelle Erleuchtung.

lich, darin, einen Bußgang zu tun. Man hatte etwas getan, das ganz einfach nicht gut war, und man wollte es mithilfe einer physischen Anstrengung wiedergutmachen, indem man z. B. nach Vadstena wanderte. Zu der Zeit konnte man sogar als Strafe dazu verurteilt werden“, erklärt Tomas Wettermark. „Aber natürlich waren die Motive dabei im Wesentlichen die gleichen wie heute: Entdeckerlust, Zeit für Gedanken und Gebete sowie die Freude, das Ziel zu erreichen. Heute haben wir Gott sei Dank eine ganz andere Situation. Sicher gibt es immer noch diejenigen, die sich auf eine Pilgerwanderung begeben, um Buße zu tun und sich mit ihrer Schuld auseinanderzusetzen, weil sie etwas Dummes getan haben, aber für die allermeisten ist es eine Kombination aus spirituellem Erlebnis und physischer Anstrengung.“ „Den Begriff Pilgerwanderung in kurzer Form zu definieren, ist schwierig. Das Wort Pilger kommt vom lateinischen pelegrinos, das sich wiederum vom Begriff per ager ableitet, was über den Acker bedeutet. Daran ist erkennbar, dass es sich um eine äußere Wanderung durch Wald und Flur handelt, um zu sehen, was sich hinterm Horizont befindet. Und dann gibt es noch jede Menge Untertöne, so dass eine Pilgerwanderung vielleicht kein ganz beliebiger Spaziergang ist. Wenn wir hier im Pilgercentrum das Wort Pilger benutzen, möchten wir gerne eine christliche, geistige oder religiöse Deutung der Wanderung haben. Es ist ein Symbol e

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für das Leben, ein Abbild der Wanderung durchs Leben ab dem Tag der Geburt und die Wanderung führt über Äcker, Felder und Asphalt und man begegnet dabei Menschen und Dingen, die man hinter sich lässt. Die ganze Zeit über sehnt man sich unterwegs zu neuen Zielen, in Richtung des endgültigen Ziels, dem Himmel oder Paradies.“ Bringt eine Pilgerwanderung auch einem, sagen wir mal, leicht übergewichtigen Atheisten Mitte 40, der sich in Östergötland umsehen möchte, auch etwas? „Ja, absolut. Meiner Meinung nach sind alle Menschen gewissermaßen Pilger. Das heißt, sie sind zu etwas unterwegs. Und bei einer Wanderung, unabhängig vom Zweck, nimmt man Hilfe von dem, was einem unterwegs begegnet, entgegen. Von einem hübschen Blick auf den Fjord Bråviken, den Vätternsee oder ein wogendes Feld. Es ist klar, dass das nicht nur unter fotografischen Aspekten ein hübscher Anblick ist, sondern davon zeugt, dass es eine schöpferische Kraft gibt, eine Art Quelle des Lebens, die erstaunt und über die man Freude empfindet. Ebenso ist es, wenn man unterwegs etwas begegnet, das hässlich ist und bei dem man mithelfen möchte, es schöner zu machen. Es wird eine Art Berufung oder Auftrag im Menschen geweckt, wenn man anfängt, darüber zu reflektieren, wie es hier eigentlich aussieht.“

IN ÖSTERGÖTLAND GIBT ES zwei gut instand gehaltene Pilgerwanderwege mit der Klosterkirche Vadstena, in der der Reliquienschrein der Heiligen Birgitta aufbewahrt wird, als Hauptziel. Am bekanntesten ist der Wanderweg Klosterleden, der am Kloster Krokek beginnt und über Norrköping zu den ehemaligen Klostern in Söderköping und Askeby, zum Dom und Konvent in Linköping, zum Kloster Vreta, zu den Klosterruinen in Skänninge und zur Klosterkirche Vadstena führt. Weiter geht es dann zum Kloster zum Heiligen Herzen in Borghamn und zum Kloster Alvastra in Omberg, wer das möchte. Insgesamt ist der Wanderweg ca. 270 Kilometer lang. Am häufigsten wird die Strecke zwischen Linköping und Vadstena (ca. 75 km) gewandert, die drei bis vier Tage in Anspruch nimmt, oder die ca. 40 Kilometer zwischen Alvastra und Vadstena, für die man in gemächlichem Tempo zwei, drei Tage braucht. Übernachten kann man unterwegs in Gemeindehäusern oder Jugendherbergen. Der zweite Wanderweg, der Birgittaleden (85 km), wurde vom Pilgercentrum erst am Himmelfahrtswochenende 2011 eingeweiht und wird 2016 weiter ausgebaut, so dass er in Söderköping beginnt und der gleichen Strecke folgt, auf der die Reliquien der Heiligen Birgitta gebracht wurden, als sie 1374 wieder zurück nach Östergötland kam. Von Söderköping führt den WegLinköping vorbei und weiter am Göta Kanal entlang, bevor das abschließende Ziel an der Klosterkirche Vadstena erreicht ist. Klingt das zu anstrengend? Sie können ganz beruhigt sein – es wird keinesfalls gefordert, den gesamten Wanderweg zu bewältigen, um als Pilger klassifiziert zu werden.

„Nein, nein, jeder Ort ist ein Ziel“, versichert Tomas Wettermark. „Wichtig ist, daran zu denken, dass jeder Ort, den man erreichen möchte, unabhängig davon, ob es Korpilombolo, Söderköping oder Gränna ist, ein Pilgerziel für sich ist. Das, was man die ganze Zeit über sucht, sind Orte von Begegnungen zwischen Menschen und – wer will – von Begegnungen zwischen Menschen und Gott. Wir rechnen alle, die hierher ans Ziel in Vadstena kommen, als Pilger, egal, ob sie zu Fuß oder mit dem Rad, Auto, Bus oder Boot gekommen sind. Man hat sich aufgemacht und hat Äcker und Felder und vielleicht einen See überquert, um ein Ziel zu erreichen und daran erinnert zu werden, dass es das Ziel gibt. Wir verwenden eine recht großzügige oder weit gefasste Definition davon, was ein Pilger ist.“ Jedes Jahr treffen etwa fünftausend wandernde Pilger in Vadstena ein. Die Zahl der Pilger, die andere Transportmittel wählen, um Vadstena, die Klosterkirche und das Pilgercentrum zu besuchen, beträgt ca. 400.000 jährlich. Viele entscheiden sich dafür, im Gästehaus des Pilgercentrums zu übernachten und an einem der Kurse, Tagungen, Retreats und Wanderungen teilzunehmen. Vor dem Eingang des Pilgercentrums steht ein Bündel mit etwa 20 abgenutzten Wanderstöcken, die frühere Pilger hier hinterlassen haben. Weiter geht unsere Fahrt zur Klosterkirche, nur etwa Hundert Meter hinunter zum Ufer des Vätternsee. Die Kirche wurde 1430 eingeweiht und ihre Architektur und Gestaltung stammt, laut Angaben der Heiligen Birgitta, von genauen Anweisungen von Jesus Christus selbst, die mithilfe von Offenbarungen an Birgitta übermittelt wurden. Unter anderem soll er ausgerichtet haben, dass die Kirche keine Wandmalereien außer denen, die sein Leiden darstellen und an seine Heiligkeit erinnern, haben soll. Uns wird eine exklusive Führung durch den Küster Ronny Nilsson angeboten – dessen Aufgabe es ist, in der Kirche für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen und die Betstunden vorzubereiten, die an allen Wochentagen um 09.00, 12.00 und 15.00 Uhr stattfinden, außer sonntags, wenn um 11.00 Uhr Hauptgottesdienst ist. Die enorme Kirche beinhaltet eine ganze Reihe historisch wichtiger Objekte. In erster Linie das Pilgerziel, den Reliquienschrein der Heiligen Birgitta, der mit Panzerglas geschützt ist. Nach ihrem Tod im Jahre 1373 wurden die Überreste der Heiligen Birgitta im Rahmen einer Prozession in einer Holzkiste von Rom nach Vadstena überführt. Eine Pilgerwanderung erster Klasse. Der Schrein ist ebenso wie der Sarg, in dem der Schrein transportiert wurde, heilig, da sie mit Birgitta Birgersdotter in Kontakt waren, die 1391 von Papst Bonifatius IX für heilig erklärt wurde. 1999 wurde sie zur Schutzheiligen für Europa erhoben. Ronny erzählt, dass die Klosterkirche von vielen Menschen aus Deutschland und Italien besucht wird und dass auch eine Reihe von Dänen und Norwegern kommen. Das Gleiche gilt für das Sancta Birgitta Klostermuseum, das

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Es gibt zwei gut instand gehaltene Pilgerwanderwege in Östergötland – Klosterpfad (270 km) und Birgittapfad (85 km), die beide an der Klosterkirche in Vadstena enden.

„Die Leute beginnen die Wanderung meist als körperliche Anstrengung, finden aber am Ende zu sich selbst oder vielleicht zu Gott.” sich nur 50 Meter von der Klosterkirche entfernt im alten Königspalast befindet. „Das Klostermuseum ist ein Teil des Pilgerziels Vadstena, so dass die meisten Pilger, die die Klosterkirche besuchen, auch zu uns kommen“, erzählt Markus Lindberg, der Museumsleiter. Das Museum ist frisch renoviert und in der ersten Etage gibt es unter anderem 59 Zellen, in denen ebenso viele Nonnen untergebracht waren, die das Nonnengelöbnis abgelegt hatten, für den Rest ihres Lebens keusch, gehorsam und in Armut zu leben. Wir gehen zu unserem einfachen Nachtquartier. Nach erholsamer Nachtruhe treffen wir beim Frühstück im Pilgercentrum Tomas Wettermark. Es findet nämlich ein Pilgerkurs mit ca. 20 Teilnehmern statt. Ich kann nicht anders und stelle ihm ein paar Fragen, die mir keine Ruhe lassen. Wenn ich mich auf eine Pilgerwanderung begebe, um ein spirituelles Erlebnis zu haben, ich aber nur daran denken kann, wie mir mein Sauerteigbrot am besten gelingt... Gibt es einen Kniff, wie man es am besten anstellt, auf den rechten Weg zu kommen? „Ja, den gibt es. Wir schlagen verschiedene Gebetsbücher vor und wir haben einen Reiseführer für den Wanderweg Klosterleden und eine kleine Broschüre für den Birgitta­ leden mit Vorschlägen, wie man diese Tage auch gedanklich verbringen kann. Ein Gedichtband kann unterwegs auch

zur Meditation anregen. Aber meist ist es wohl so, dass der Weg an sich dem Pilger etwas offenbart. Es entstehen dabei viele gute Gedanken oder es entsteht etwas im Herzen und man fängt an, sich mit Dingen zu beschäftigen und stellt fest, dass innerlich ein sehr guter Dialog entstanden ist. Man beginnt die Wanderung meist als physische Anstrengung, aber zum Schluss findet man zu sich selbst oder sogar zu Gott.“ Wurde die Pilgerwanderung in den Tausenden von Jahren, in denen es dieses Phänomen schon gibt, eigentlich mal modernisiert oder sind es noch die gleichen Wege mit dem gleichen Ziel? „Haha, ja, sowohl ja als auch nein. Man kann sicher sagen, dass die äußeren und inneren Bedingungen, dass man sich danach sehnt, loszuziehen und den Spuren seiner Väter und Mütter zu folgen und das zu tun, was alle anderen zu allen Zeiten schon getan haben, auf Wegen, auf denen andere schon unterwegs waren und diese Ziele zu erreichen, dass das für viele von uns auch heute noch wichtig ist.“ Wir bedanken uns herzlich und machen uns auf den Heimweg. Im Auto herrscht jetzt eine eigentümliche Ruhe. Man kann es Erleuchtung nennen. Oder gewonnene Einsicht oder Heimweh. Robert De Niro würde es sicher als Peace of Mind bezeichnen. Text: Albin Wiberg Foto: Johnny Franzén

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JOHNNY FRANZÉN

Wenn man modernste Wissenschaft verständlich darstellt, beflügelt das ungemein.

Zurück in die Zukunft  Erleben Sie Hochtechnologie und die Geschichte der schwedischen Luftstreitkräfte auf Weltklasseniveau.

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eue Technik kommt in vielen Erscheinungsformen und entsteht aus vielen verschiedenen Gründen. Und um ehrlich zu sein, ist das meiste davon für die Mehrzahl von uns zu kompliziert, weil man eine Ingenieursausbildung oder zwei braucht, um zu verstehen, wie die Dinge funktionieren. Zwei hochoktanige Besuchsziele in Östergötland, deren wichtigster Zweck es ist, die Technik der Allgemeinheit begreiflich und zugänglich zu machen, sind das Luftwaffenmuseum mit Flugtechnik, die meist einer bestimmten Periode zugeordnet werden kann, und das Visualiseringscenter C, wo das Allerneueste im Bereich Hochtechnologie vorgestellt wird. „In vielen Fällen ist neue Technik sehr komplex und schwer verständlich, aber das Sehvermögen ist unsere aktivste Sinneswahrnehmung und indem wir komplizierte Dinge visualisieren, erzeugen wir Verständnis dafür, wie

man lernen kann, neue Technik anzuwenden”, erklärt Johan Klittmark, Leiter von Visualiseringscenter C. Tatsache ist, dass es für die Gemeinde Norrköping, die Universität Linköping, Norrköping Science Park und The Interactive Institute Swedish ICT so wichtig war, dass die Öffentlichkeit Einblick in die technischen Errungenschaften, die aus der Region kommen, erhält und sie versteht, dass ein Konsortium gebildet wurde, um das Visualiseringscenter C zu gründen und die Ergebnisse dort vorzustellen.

DAS CENTER wurde am 27. Mai 2010 in der hübschen, gut erhaltenen und sorgfältig restaurierten Industrielandschaft im zentralen Norrköping eröffnet. Hierher kommen Besucher aus nah und fern, um sich über bedeutsame Aspekte des Technikwunders Östergötlands zu informieren. Der Zweck besteht also darin, uns normale Sterbliche auf clevere und leicht verständliche Art die supermoderne

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EINE ETAGE HÖHER GESELLT sich Produktionsleiterin Katarina Sperling zu uns. Hier befindet sich die Dauerausstellung mit dem vielsagenden Titel „Zeigen, was man nicht sehen kann 2.0”, wo man unter anderem mithilfe eines Visualisierungstisches sehen kann, welche Bestandteile des Gehirns bei verschiedenen Aktivitäten verwendet werden. An einer anderen Installation kann man testen, Synapsen, die sich auf dem Boden in einem großen Halbkreis mit LED-Bildschirmen bewegen, miteinander zu verbinden. „Dort hinten hast du einen Mikrokosmos und hier etwas, das wir Das Essen auf dem Tisch nennen, bei dem es um nachhaltige Entwicklung und ökologische Fußabdrücke geht. Mithilfe eines Touchboard kann man Ikons für verschiedene Nahrungsprodukte erstellen und sehen, wie viel an Kohlendioxidemissionen bei einem Nahrungsmittel während des Lebenszyklus entsteht”, berichtet Katarina, während sie gleichzeitig auf ein Knäckebrot und ein Stück südamerikanisches Rindfleisch klickt. Etwas weiter finden wir an einem anderen Touchboard den Urban Explorer, wo man sich eine dreidimensionale Version von Norrköping etwas näher ansehen kann. Das ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Visualiseringscenter, dem Amt für Stadtentwicklung und dem Wohnungsunternehmen Hyresbostäder in Norrköping und abgesehen davon, dass die Besucher jede Straßenecke der Stadt genau unter die Lupe nehmen können, wird das 3D-Modell dazu verwendet, Stadtentwicklungsfragen zu erleichtern. Hier in der ersten Etage findet man auch den echten Superstar der Visualisierungsforschung Östergötlands – den virtuellen Obduktionstisch, der eigentlich alleine schon einen exklusiven Artikel wert ist und eine ganze Branche revolutioniert hat. Hinter dem bahnbrechenden und enormen internationalen Erfolg stehen Forscher von Visualiserings-

VISUALISERINGSCENTER C

Lassen Sie sich im Kino Domen im Visualiseringscenter C im früheren industriellen Herzen von Norrköping mitreißen. VISUALISERINGSCENTER C

Visualisierungsforschung, die an der Universität Linköping, Campus Norrköping betrieben wird, begreiflich zu machen. „Ziel ist es, vor allem Kinder dazu zu bringen, Technik zu erforschen und mehr darüber zu lernen und bei ihnen das Interesse für naturwissenschaftliche Fächer zu wecken. Wir laden Schülergruppen ein, die uns entweder zu Lernzwecken mit der Klasse oder im Rahmen einer Klassenfahrt besuchen. Viele Schüler beginnen mit Themenarbeiten oder schließen sie ab, die aufgrund einer unserer Ausstellungen hier gewählt wurden, und wir haben einen angestellten Pädagogen, der mit unseren Schulprogrammen arbeitet”, berichtet Johan Klittmark. Für uns, die gerade mal gelernt haben, eine App herunterzuladen, ist es ein ziemlich schwindelerregendes Erlebnis, im Visualiseringscenter C umherzulaufen, ein aufregend-kribbelndes Gefühl, als wenn man in ein geheimes Zukunftslabor eingebrochen ist, kombiniert mit einer kindlichen Faszination darüber, tatsächlich nicht nur alles anfassen, umdrehen und testen zu dürfen, sondern geradezu dazu aufgefordert zu werden.

Beherrsche deinen Geist. Beim Mindball gewinnt zur Abwechslung mal derjenige, der seine Gehirnaktivität so gering wie möglich halten kann.

center C mit Professor Anders Ynnerman an der Spitze. Die medizinischen Errungenschaften, die der virtuelle Obduktionstisch zur Folge hatte, sind enorm, aber der größte Vorteil ist vielleicht trotz allem, dass der Obduktionstisch die edle Zielsetzung von Visualiseringscenter C manifestiert, Hochtechnologie den Menschen näher zu bringen. Hier kann plötzlich ein Fünfjähriger, ein Klempner, ein neugieriger Fotograf oder wer auch immer die gleichen Daten abrufen und Untersuchungen auf die gleiche Art wie Ärzte, Archäologen, Zoologen oder Experten des British Museum anstellen. Wenn der virtuelle Obduktionstisch der Zlatan Ibrahimovic der Visualisierungsforschung ist, dann ist das Kino „Domen” der Umkleideraum, in dem die Mannschaft zu einer Einheit zusammengeschweißt wird. Das Kino mit 102 Plätzen bietet mit seiner konkaven Leinwand ein schwindelerregendes 3D-Erlebnis. Mehrere der Produktionen, die dort gezeigt werden, sind im Visualiseringscenter C entstanden. Eine knappe Stunde entfernt, sieben Kilometer westlich der Nachbarstadt Linköping, befindet sich in Malmslätt ein ebenso aufregendes, aber bedeutend handfesteres Beispiel für schwedische Ingenieurskunst.

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Die erste Ausstellungshalle im jetzigen Museumsgebäude wurde im März 1984 von König Carl XVI Gustaf persönlich eingeweiht. 1989 war es Prinz Bertil, der bei der Eröffnung der zweiten Halle das Band zerschnitt, und im Juni 2010 gab es im Luftwaffenmuseum eine Neueröffnung, als dessen größte und durchgreifende Erweiterung abgeschlossen war. Der Erfolg stellte sich sofort ein. Das Museum wurde 2010 für die beste Ausstellung und 2011 als Museum des Jahres ausgezeichnet. „Wir haben Östergötlands flughistorischer Gesellschaft (ÖFS) viel zu verdanken. Der Verein wurde 1967 mit dem Ziel gegründet, ein Luftwaffenmuseum einzurichten, und dank der Bemühungen des Vereins haben wir heute hier ein Museum”, berichtet Elisabeth Lagvik, Leiterin des öffentlichen Bereichs des Luftwaffenmuseums, und fährt fort: „Im Verein gibt es eine Restaurierungsgruppe, die fast 30 Jahre lang an der SAAB B 18 gearbeitet und sie ganz toll hinbekommen hat. Diese Enthusiasten helfen auch, indem sie samstags und sonntags im Museum sind und Fragen

„ Vielleicht sollten Sie den Besuch einplanen, wenn keine Kinder mehr da sind, falls Sie sich mal so richtig entfalten möchten.” der Besucher zu den Flugzeugen beantworten. Sie sind eine enorme Bereicherung für das ganze Museum.” Ja gewiss, ÖFS hat eine ganze Menge an Hardware beigesteuert, aber es sind die Angestellten des Museums, die dem Luftwaffenmuseum den letzten Schliff verpasst haben, indem sie es der breiten Masse zugänglich gemacht und interessant gestaltet haben. Im Fluglabor können Sie ungehemmt (es macht nichts, wenn Sie es vermasseln) Ihre wildesten Flugträume ausleben und sich mithilfe einer Computeranimation Ihr eigenes Flugzeug bauen, ausprobieren, wie es ist, Fluglotse auf einem Kontrollturm zu sein, die Aerodynamik spüren, die Signalaufklärung testen und in einem Simulator ein Flugzeug Ihrer Wahl steuern. Es gibt auch einen speziellen Simulator für das Kampfflugzeug Gripen, bei dem aber eine Anmeldung erforderlich ist, da Ihnen dabei ein Instrukteur zur Seite steht. „Das Fluglabor wurde für Kinder als wichtigste Zielgruppe geschaffen, aber alle sind willkommen, das mal auszuprobieren”, sagt Elisabeth Lagvik. Es kann also in gewisser Weise vorteilhaft sein, den Besuch ohne Kinder einzuplanen, sofern Sie sich mal so richtig entfalten möchten – mittwochs ist das Museum bis 20.00 Uhr geöffnet. Das Luftwaffenmuseum befindet sich für Flugzeugenthu-

siasten auf heiligem militärischem Boden. Hier in Malmen hat der schwedische Flugzeugpionier Carl Cederström 1912 die erste Flugschule des Landes eröffnet. Das stilechte und prächtige Museumsgebäude aus Glas mit schwarz gestrichener Fassade ist eine Sehenswürdigkeit für sich, die ins Auge fällt. „Das Luftwaffenmuseum ist formell 1977 nach einem Beschluss des schwedischen Reichstags zur Gründung eines Museums für die schwedischen Luftstreitkräfte entstanden, analog zu dem bereits vorhandenen Armeemuseum und dem Marinemuseum, so dass jede der drei Waffengattungen ein Museum hat”, erklärt Elisabeth Lagvik. Da ist keine schlechte Sammlung zusammengekommen. Mehrere der etwa 300 Fluggeräte der Sammlungen sind Exemplare, die weltweit einzigartig sind, was eigentlich nicht besonders merkwürdig ist, da Schweden seit dem Unionskrieg 1814 in keine kriegerische Auseinandersetzung mehr verwickelt war. „Unter anderem haben wir eine große Junkers B 3 aus deutscher Produktion. Im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg sind die meisten verschwunden, aber Schweden hat Anfang der 1930er Jahre eine ganze Reihe davon gekauft und das, was wir haben, ist weltweit das einzige erhaltene Exemplar des Flugzeugtyps Junkers JU 86K. Wir besitzen außerdem zwei seltene italienische Flugzeuge, eine Fiat CR.42 Falco, die J 11 der Luftwaffe, und eine Reggiane Re 2000bis, die J 20 der Luftwaffe, und eine der ersten deutschen Heinkel-Maschinen, die in Schweden Sk 5 genannt werden, die in den 1960er Jahren in einer Scheune in Småland gefunden wurde”, erzählt Rickard Käsper, der den Traumberuf eines jeden Flugzeugfans hat. Er ist nämlich Intendant der Sammlungen des Museums und bekommt sein Gehalt dafür, umherzulaufen und die etwa 100.000 Objekte des Museums zu putzen – da ist von ausgestellten, eingelagerten, deponierten und flugtauglichen Flugzeugen über Gegenstände aus den verschiedenen Tätigkeitsbereichen des Flottenverbands bis zu Uniformen, Zeichnungen, Textilien, Krankenstubeninventar, technischen Geräten u.a.m. alles dabei. Wie oft werden diese Flugzeuge ausprobiert? „Die Flugzeuge, die wir hier haben, überhaupt nicht. Sie sind sicher in flugbereitem Zustand, aber es wäre ein enormer Verlust, wenn man sich vorstellt, dass die ältesten davon verunglücken oder beschädigt würden und es gibt vermutlich keine Ersatzteile mehr, um sie zu reparieren. Also das wagen wir uns mit Sicherheit nicht.” Aber sicher wäre es der absolute Kassenschlager, Flüge mit den alten Raritäten anzubieten. „Ja, sicher. Und wir merken ja auch, dass unsere Flugtage unglaublich viele Leute anziehen. Wir sponsern Swedish Air Force Historic Flight in Såtenäs mit und wir besitzen eine große Zahl von deren Flugzeugen. Aber es handelt sich nur um Flugshows, so dass ich nicht glaube, dass das auch Privatpersonen zugänglich ist.”

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JOHNNY FRANZÉN

Wie viele alte schwedische Flugzeuge gibt es noch draußen im Land? „Haha, man findet immer neue. Das ist ziemlich bemerkenswert. Ganz plötzlich kann man darüber ins Gespräch kommen, dass da jemand ein Kampfflugzeug Draken im Garten stehen hat! Es scheint einige Leute zu geben, die die Gelegenheit genutzt und sich ein Flugzeug mit nach Hause genommen haben, als Fliegerverbände aufgelöst wurden oder Ähnliches”, so Rickard Käsper. Etwaige epische Kämpfe in der Luft zur Verteidigung des schwedischen Reichs gab es nicht, jedenfalls keine, von denen die Öffentlichkeit Kenntnis erhalten hat. Die Frage, welche Bedeutung die schwedischen Luftstreitkräfte in moderner Zeit eigentlich für das Land haben, ist berechtigt. Oder, wenn Sie so wollen, umgekehrt ausgedrückt: Was wäre Schweden heute ohne seine Luftwaffe? Tatsache ist, dass Schweden Ende der 1950er Jahre und Anfang der 1960er Jahre gut gerüstet war, seine Neutralität mit den viertgrößten Luftstreitkräften der Welt zu verteidigen und während des gesamten Kalten Kriegs international gut dastand. Die entsprechenden Beweise gibt es im Luftwaffen­ museum. Text: Albin Wiberg

FLYGVAPENMUSEUM

Im Luftwaffenmuseum können Sie sich Flugzeugraritäten aus aller Welt seit Beginn des Flugzeugbaus aus nächster Nähe ansehen. Und Sie sind hier aufgefordert, aktiv zu werden und mitzumachen.

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In den 1950er Jahren hatte Schweden zu seiner Verteidigung die viertgrößten Luftstreitkräfte der Welt.


OSTKUSTENKAJAK

Der Inselwelt Östergötlands kommt man am nächsten, wenn man mit dem Kajak langsam dahingleitet.

Das Paradies erwartet Sie Die Schären von Östergötland bieten in jeder Hinsicht Weltklasse.

B

eim Wort „Schären” bekommen die allermeisten von uns einen etwas träumerischen Blick. Für viele Menschen sind die Schären ganz einfach das Sinnbild für den einzigartigen schwedischen Naturreichtum. Das kräftige Blau des glitzernden Meeres, von der Sonne erwärmte Felsen, frisch geräucherter Fisch und magische Tage, die nie enden wollen. Die Schären von St. Anna, Gryt und Arkösund sind absolute Spitzenklasse. Zusammen bilden sie die Schären von Östergötland, einen maritimen Lustgarten mit Tausenden von Inseln und Schären und einer Fauna, für die Hobbyangler und Vollblutprofis aus ganz Europa nach Östergötland pilgern. Ja, diese Hechtangelgewässer gehören weltweit zu den besten. In den letzten Jahren wurde dieses früher relativ wenig entwickelte Paradies – das ohne eigenes Boot auch schwer zugänglich ist – immer mehr für Besucher geöffnet. Heute können alle mit der Fähre oder der Mietbarkasse hinausfahren und es gibt hier kleine besucherfreundliche Schäreni-

dyllen wie z. B. Harstena und Mon mit Fischräucherei und Bäckerei. Das Angebot an Freizeitaktivitäten wurde sowohl erweitert als auch spezialisiert und umfasst alles von kulinarischen Reisen mit lokalen Zutaten bis zu Robbensafaris und strapaziöse Touren mit dem Meereskajak. Eine Entwicklung, die behutsam und in Harmonie mit der Seele der Schären und dem Ursprünglichen, Echten, Unberührten erfolgt. Wer sich dafür entscheidet, einige Tage in den Schären von Östergötland zu verbringen, den erwarten Erinnerungen, von denen man das ganze Leben lang zehren kann. „Im Erlebnistourismus mit Kajakpaddeln, Angeln, Radtouren, Klettern und Wanderungen liegt ein enormes Potenzial. Hier in Östergötland haben wir ein sehr breites und abwechslungsreiches Angebot und davon profitieren alle, die sich auf Aktivurlauber ausgerichtet haben, die sich nur selten damit begnügen, nur eine einzige Sache zu tun, wenn sie hier sind”, sagt Christian Swanson, der das Unternehmen Ostkustenkajak mit Stützpunkt in der Urlaubsanlage KustCamp Ekön betreibt.

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JOHNNY FRANZÉN

Die Schären von Östergötland sind bei Kajakenthusiasten ein bekanntes Reiseziel, das nicht zuletzt deswegen geschätzt wird, weil es leicht erreichbar und vielfältig ist. Hier hat man die Möglichkeit, entweder auf der windgeschützten Seite innerhalb des Schärengebiets zu paddeln und die tiefen Meeresbuchten zu erkunden oder Touren durch die äußeren Schären in Richtung offenes Meer zu unternehmen. Außerdem sind die meisten Inseln unbewohnt und es gilt das schwedische Jedermannsrecht. Die meisten der Besucher, die sich entschließen, ihren Urlaub in den Schären von Östergötland zu verbringen, sind Schweden, aber der Ruf von der Schönheit und Erlebnisvielfalt, die die Schären zu bieten haben, greift schnell um sich und die ausländischen Märkte sind stark im Kommen. „Aufgrund der geografischen Lage der Schären mit mehreren Flugplätzen in der Nähe können wir im Prinzip unsere Gäste am Freitagabend vom Flugplatz abholen und zum Hotel am Zielort bringen, das Abendessen servieren und nach der Übernachtung geht es auf eine zweitägige Kajaktour, mit einem Koch, der hinauskommt und das Essen zubereitet – die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt. Am Montagmorgen können sie dann wieder an ihrem Arbeitsplatz sein und von ihren Erlebnissen berichten”, so Christian Swanson. Ein deutlicher Unterschied zwischen schwedischen und ausländischen Gästen ist deren Planung. Wenn man von weither kommt, z. B. aus Deutschland, Holland oder Kanada, bucht man mehrere Monate im Voraus, während Schweden dazu tendieren, erst die Wettervorhersage abzuwarten, bevor sie sich entscheiden. Einer, der es gewohnt ist, immer die Wettervorhersage zu verfolgen, ist der angesehene Angelführer Kari Danielsson. Er kennt jedes Schilfdickicht und jede seichte Stelle in den Gewässern von Slätbaken und weiß, wo sich die Hechte je nach Wind und Wetter aufhalten. Seit er vor einigen Jahren sein Unternehmen Catchmore gegründet hat, hat er als Angelführer und mit seinen maßgeschneiderten Paketangeboten für Sportangler aus der ganzen Welt alle Hände voll zu tun. „Meist sind es Europäer – Russen, Franzosen, Holländer, Engländer, Polen, die herkommen, aber ich hatte auch schon Gäste aus den USA, unter anderem eine frühere Profigolferin, die im letzten Sommer hier war”, erzählt Kari. „Die Konkurrenz sind keine anderen Anbieter aus Östergötland, sondern Thailand, Südafrika und Westindien. Das Naturerlebnis, das Sie hier bekommen, gibt es nur an wenigen ausgewählten Plätzen in der Welt”, sagt Kari Danielsson. Ob die Fische anbeißen? Na klar. Vor einiger Zeit hat ein Gast an einem Tag 37 Hechte herausgeholt! Und anschließend wieder ausgesetzt. Und die Gruppe aus sechs Personen, mit denen er gemeinsam geangelt hat, hatte an dem Tag eine Ausbeute von insgesamt 74 Hechten – dass pro Gruppe etwa 50 Fische anbeißen, ist keine Seltenheit. Davon kann man ausgehen. Text: Albin Wiberg

Ruhe und tolle Naturschauspiele das ganze Jahr hindurch.

Genießen Sie erstklassigen Angelspaß in entspannter Atmosphäre.

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Herkommen und in der Region umherreisen

OSCAR LÜREN

Sie können mit dem Auto, Schiff, Flugzeug, Zug oder Bus nach Östergötland kommen. Aufgrund der Öresundbrücke zwischen der dänischen Hauptstadt Kopenhagen und Schwedens drittgrößter Stadt Malmö ist die Anreise nach Schweden vom europäischen Festland einfacher als je zuvor. Die Fahrt von Malmö nach Östergötland mit dem Auto oder mit der Bahn dauert drei bis vier Stunden. In Östergötland angekommen, können Sie die Region bequem mit Linienbussen, Straßenbahnen und den Regionalzügen von Östgötatrafiken erkunden.

Besuchen Sie die verschiedenen Orte und genießen Sie das Leben und Treiben!

Anreise mit dem Flugzeug Linköping City Airport hat direkte Verbindungen mit Kopenhagen und Amsterdam. Der nördlich von Öster­götland gelegene Stockholm Skavsta Airport, der mit dem Auto in nur einer Stunde erreichbar ist, bietet Direktflüge nach viele europäische Städte an. Stockholm Arlanda Airport mit zahlreichen internationalen Verbindungen ist zwei Stunden Fahrt von Östergötland entfernt. Anreise mit der Fähre Fähren nach Schweden verkehren sowohl von Deutschland als auch von Dänemark. Scandlines, Stena Line, Finnlines und TTLine bringen Sie mit Ihrem Auto, Wohnmobil oder Wohnwagen nach Schweden und dann können Sie auf der Autobahn E4 direkt nach Östergötland fahren. Anreise mit Auto oder Zug Aus Richtung Süden und von Kopenhagen ist es einfach, mit dem Auto, Wohnmobil oder Bus nach Östergötland zu gelangen. Fahren Sie über die Öresundbrücke nach Malmö und von dort auf der Autobahn E4, die direkt durch Östergötland führt, nach Norden. Es gibt auch direkte Intercity- und Schnellzugverbindungen ab Kopenhagen.

Östergötland Fläche: 10.562 km² Regierungsform (Schweden): Konstitutionelle Monarchie, parlamentarische Demokratie Sitz der Bezirksregierung: Linköping (153.000 Einwohner) Sprache: Schwedisch. Viele Schweden sprechen auch gut Englisch. Währung: Schwedische Krone (SEK) Öffnungszeiten: Banken haben normalerweise Montag–Freitag 10–15 Uhr geöffnet;.Geschäfte haben Montag–Freitag 10–18 Uhr, Samstag 10–14 Uhr geöffnet. Shoppingcenter haben längere Öffnungszeiten und sind auch sonntags geöffnet. Lebensmittel­ geschäfte in großen und größeren Städten haben gewöhnlich 8–20 Uhr geöffnet. Geldumtausch: In Banken und in Wechselstuben, die längere Öffnungszeiten haben. Im Krankheitsfall: SOS-Notruf 112. Medizinische Telefonauskunft 1177. Zeitzone: MEZ (UTC+1), MESZ (UTC+2) Trinkwasser: Leitungswasser kann bedenkenlos getrunken werden. Durchschnittstemperaturen: Januar: -2.8°C/27.0°F, Juli: +17.2°C/63.0°F Tageslichtdauer: Januar 6 Stunden, Juli 18 Stunden

Öresundbrücke www.oresundsbron.com Fährgesellschaften www.scandlines.com www.stenaline.com www.ttline.com www.dfdsseaways.com Züge und Busse www.sj.se www.ostgotatrafiken.se www.swebus.se Flugplätze www.norrkopingsairport.se www.linkopingcityairport.se www.skavsta.se www.swedavia.se/arlanda www.jonkopingairport.se Airlines www.flysas.com www.klm.com www.ryanair.com


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