Heimatküche NRW Eine kulinarische Reise durch Nordrhein-Westfalen
Begleitbuch zur Sendung „Kochen mit Martina & Moritz“
Inhalt Vorwort 8 Viel Spaß beim Kochen! 10 Die Küche im Rheinland
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Kölsche Kaviar auf knusprigen Kartoffeln 22 Schwarzbrot-Petersilienwurzel- Cremesüppchen 26 Rheinischer Sauerbraten 28 Rheinischer Sauerkrauttopf mit gesottenem Schweinebauch 30 Öcher Poschweck oder Aachener Osterbrot 32 Waffeln … 36 … mit Apfelmus 38 … mit Quarkschaum 38
Die Küche des Münsterlands
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Dicke Bohnen mit Speck 76 Töttchen 78 Westfälisches Blindhuhn 82 Westfälischer Schinken 84 Schinkenfreuden 85 Plaaten in de Pann 88 Schinken-Begräbnis 90 Westfälische Quarkspeise 92 Lieblingsgerichte aus dem Ruhrgebiet
94
Eine kleine regionale Apfelkunde 40 Welsche Riisflam
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Niederrheinische Gaumenfreuden
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Schweinepfeffer 98 Möhren-Kartoffel-Stampf 100 Stemmelkort 102 Ein paar Worte zum Bier 104
Rote-Bete-Salat mit Gänseei 50 Gänse-Rührei 52 Miesmuscheln niederrheinische Art 54 Kartoffel-Stampes mit Endivie 56 Buchweizen-Speckpfannkuchen 58 Wirsingauflauf 60 Gemüse: vom saisonalen Angebot zur ständigen Verfügbarkeit 62 Niederrheinischer Salzbraten 66 Schmandkartoffeln 68 Apfel-Püfferkes 70
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Knifte mit Kartoffelsalat 108 Gebratenes Kaninchen 110 Bettelmann 112 Selbstgemachte Vanillesauce 114
Regionale Spezialitäten der Eifel
116
Döppekooche 120 Eiermösch 122
Die Küche im Sauerland
160
Reibekuchen 164 Schlodderkappes 166 Sauerkraut mit Schnüsskes un Öhrkes 168
Wildkräuter 124 Ferkesbuchrouladen 126 Grießmehlstaat 130
Kartoffeln: Grundnahrungsmittel im Wandel der Zeiten 172
Weißwein 132
Rehragout 176 Preiselbeerkuchen 180
Spezialitäten aus dem Bergischen Land
Die Küche in Ostwestfalen-Lippe
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Bergische Kaffeetafel 140 Kottenbutter 142 Rötsch 144 Pillekuchen oder Pillekoken 146 Kappes med Jehacktes 150 Burger Brezel-Aufläufchen 152 Linsensalat 154 Hülsenfrüchte
154
Stiefe Ries (Steifer Reis) mit Zucker und Zimt 156 Haferwaffeln 158
182
Lappenpickert 186 Lippischer Kastenpickert 188 Puffert nach Henriette Davidis 188 Rotwein 190 Potthucke 194 Pfefferpotthast 196 Lippische Palme – Grünkohl mit Mettwürstchen 198 Pumpernickel-Soufflé mit Orangensalat 200 Rezeptverzeichnis 202 Register 204
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Niederrheinischer Salzbraten
Für 4 bis 6 Personen 200 g grobes Salz (das kann gereinigtes oder ungereinigtes sein, Meer- oder Steinsalz) ca. 1,5 kg Nacken (Hals) vom Schwein
Wir haben das Rezept in einem handgeschriebenen Kochbuch entdeckt, aber leider nirgends herausgefunden, wie das Salz für den Braten an den Niederrhein gelangt ist. Schließlich war Salz dort, wo es nicht gefunden oder geschürft wurde, teuer. Hier braucht man aber Gottlob gar nicht so viel und trotzdem hat es eine verblüffende Wirkung. Man sollte unbedingt kein zu kleines Stück dafür verwenden, der Braten schmeckt– in dünne Scheiben aufgeschnitten – auch kalt wunderbar.
1 Das Salz auf einem Backblech so als Bett verteilen, dass das Fleischstück gerade darauf Platz hat. Den Braten daraufsetzen und in den auf 120 (Heißluft, 140 Grad Ober- und Unterhitze) Grad vorgeheizten Ofen schieben. Für mindestens zweieinhalb Stunden. 2 Den Braten mit einem scharfen Messer dünn aufschneiden, den Saft, der dabei ausläuft, auffangen und wieder darüberträufeln.
Beilage: Entweder einfach Brot und ein Salat. Oder Schmandkartoffeln – siehe Rezept auf der nächsten Seite. Getränk: Spätburgunder oder Weißburgunder, ganz nach Geschmack und Laune.
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Schmandkartoffeln Sie schmecken einfach umwerfend gut, so gut, dass man sogar aufs Fleisch verzichten könnte und sie als Hauptgericht genießen. Am besten zusammen mit einem Salat.
Für 4 Personen 1 große oder 2 kleinere Zwiebeln 2 EL Butter nach Belieben auch 1–2 Knoblauchzehen und 1 rote oder grüne Chilischote 750 g vorwiegend festkochende Kartoffeln Salz 1 EL getrockneter Majoran 150 g Schmand oder Crème fraîche je 2 EL fein gewürfelte Gürkchen und kleine Kapern
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1 Die Zwiebeln fein würfeln und in der Butter andünsten. Knoblauch und Chilis feingewürfelt zufügen sowie die geschälten und wie für Salzkartoffeln geviertelten oder auch nur halbierten Kartoffeln. Salzen und den zwischen den Fingerspitzen zerriebenen Majoran zufügen.
2 Soviel Wasser angießen, dass die Kartoffeln noch zur Hälfte unbedeckt sind. Zugedeckt leise etwa 20 Minuten köcheln, bis sie gar sind. 3 Den Schmand unterrühren, auch die Gürkchen und Kapern. Nach Gusto auch noch Schnittlauchröllchen oder gehackte Petersilie.
Die K端che des
M端nsterlands
Üppig, deftig, herzerwärmend! Das Münsterland bildet das Zentrum Westfalens und auf dem wunderschönen Markt der Stadt Münster findet man alles, was rundherum erzeugt wird (und natürlich heute noch viel mehr, aus aller Welt). Die ursprüngliche Küche des Landes ist bäuerlich und bodenständig, von einer reichen Landwirtschaft geprägt, in der die Fleischerzeugung dominiert. Fleisch jeglicher Art gehört für einen rechten Westfalen denn auch zum alltäglichen Wohlbefinden. Auch für den Seelenfrieden, denn damit dokumentiert man, dass man es sich leisten kann, dass man wer ist. Fleisch kann als Braten oder Schnitzel auf den Tisch kommen, als Wurst oder Schinken, als Ragout, im Eintopf oder als Suppeneinlage… alles andere war immer (und ist auch heute noch) Beiwerk, irgendwie Nebensache. Und hatte (und hat) natürlich doch seinen unverzichtbaren Stellenwert – allen voran natürlich Kartoffeln und die beliebten Dicken Bohnen (auch Puff-, Pferde- oder Saubohnen genannt). Jeder der stattlichen Höfe verfügte, auch wenn Kartoffeln oder Zuckerrüben, Brotgetreide oder Tierfutter, Schweine oder Rinder die Haupteinnahmequelle waren, über einen gepflegten Gemüsegarten, man konnte stets aus dem Vollen schöpfen. Ein paar Obstbäume und Beerensträucher waren selbstverständlich. Hühner lieferten die Eier für die beliebten üppigen Kuchen, an Sahne und Butter wurde nicht gespart. Zum Braten nahm man gerne Schweineschmalz, zu Weihnachten durfte es auch Gänseschmalz sein, denn ein Teich neben dem Anwesen konnte nicht nur zum Feuerlöschen, sondern auch dem Wohlbefinden von Enten und Gänsen dienen. Vom Tier wurde einst alles, aber wirklich alles verspeist. Mit Genuss und Vergnügen. So gehören
in das berühmte Töttchen zwar nicht Leber und Nieren, die man für eigenständige Köstlichkeiten brauchte, aber alle anderen Innereien, die wir dem Kalb verdanken: Herz, Bries und Lunge, auch Zunge und der abgelöste Kopf gehör(t)en hinein. Erst in jüngerer Zeit entfremdeten sich die Menschen auch hier und verweigern sich den Innereien, so dass selbst dieses edle Gourmet-Ragout zu nichts anderem als einem simplen, meist in dickem Mehlkleister servierten Kalbfleisch wurde… Leider ein schönes Beispiel für die Richtigkeit der französischen Auffassung, man erkenne die kulinarische Kultur eines Landes daran, wie sorgsam es mit den Innereien umgehe und welchen Stellenwert man den daraus bereiteten Gerichten zuweise – nämlich sie nicht als billige Speise für Arme betrachte, sondern im Rahmen eines Menüs auf der Tafel der Herren begrüße. Ansonsten aber funktioniert hier die ethisch erwünschte Verwendung aller Partien eines Schlachttieres: Über die berühmten westfälischen Würste kommen auch jene Teile, die heute seltener als früher zu Schmorbraten oder in Suppen gebraucht werden, zu höchsten Ehren. Auf deren Qualität legt man in Westfalen nämlich besonderen Wert. Einst wurde ja auf jedem Hof ab Herbst oder Frühwinter geschlachtet, meist mehrmals, damit man einen ordentlichen Vorrat für den Rest des Jahres (und darüber hinaus) hatte. Bei den Schlachtfesten ging es immer hoch her, alle Angehörigen und Helfer des Hofes, meist auch die Nachbarn waren eingeladen und feierten mit. Heute haben handwerkliche und industrielle Betriebe diese Aufgaben übernommen, viele große fleischverarbeitende Fabriken liegen im Münsterland (und Ostwestfalen). Nun leben Münster, das Münsterland und ganz Westfalen längst nicht mehr nur von dem, was vor der Haustür produziert wird. Der südliche Teil Westfalens wird wirtschaftlich und kulinarisch
vom Ruhrgebiet überlagert, das sich ohnehin nicht selbst versorgen kann, aber auch die industriellen Zentren Westfalens sind mit ihren in dramatischer Geschwindigkeit hinzugezogenen Einwohnern seit über 100 Jahren auf die Versorgung durch die Landwirtschaft am Niederrhein angewiesen. Da beide Gebiete seit dem Wiener Kongress politisch zu Preußen gehörten, keine Schwierigkeit. Die Westfalen haben jedoch mit ihrer bedächtigen Art und ihrem historisch gewachsenen Stolz ein besonderes, ein bodenständiges Verhältnis zu den Produkten ihres Landes behalten. Und sie haben es geschafft, dies auch auf den im Laufe der Industrialisierung und nach dem letzten Krieg zugewanderten Teil der Bevölkerung zu übertragen. Das wunderbare Mettbrötchen, mit oder ohne Zwiebel und zu jeder Tageszeit passend, isst eben jeder gern! Der Gast spürt allenthalben, dass hier aus Tradition gewürdigt wird, was das nicht dramatisch auftrumpfende, aber durchaus abwechslungsreiche Land Westfalen schenkt: Alles wird verwertet und geschätzt, ohne dass große Sprüche darum gemacht werden. Die meisten westfälischen Rezepte sind nicht schwer nachzuvollziehen, die kluge, abwechslungsreiche Resteverwertung gehört zum Küchenalltag. Wie so oft sind es eigentlich schlichte Gerichte, die hauptsächlich von der Qualität der Zutaten leben – und wenn die stimmt, sind sie einfach umwerfend köstlich. Getreide wird nicht nur für Brot und Teige verwendet, auch der Schnaps, den man daraus brennen kann, gehört dazu. Ob zum Schinken oder zum Kohl – oder sogar zum Bier: ein oder zwei Gläschen runden den Genuss, fördern die Verdauung und die Bereitschaft zu einem Gespräch, was für so manchen Westfalen manchmal nottun mag.
Dicke Bohnen mit Speck Dicke Bohnen, im Münsterland nicht nur als Pferde-, Puff- oder Ackerbohnen bekannt, sondern auch Große Bohnen genannt. Die Bohnenkerne sollten stets nicht nur aus der wattigen Hülle gelöst, sondern auch aus der ledrigen dicken Haut, die sie umschließt, gepalt werden. Eine kleine Mühe, aber dann ist dieses Gemüse einfach unwiderstehlich! Und allzu mühsam ist es auch nicht, denn die durchs Blanchieren weich gewordene Haut lässt sich nach dem Abschrecken ganz einfach abschnipsen.
Für 4 bis 6 Personen 100 g durchwachsener Bauchspeck (in zwei Scheiben à ca. ½ cm) 1–2 Zwiebeln 2 Knoblauchzehen 1 grüne Chilischote 2 EL Schweine-, Butteroder Gänseschmalz 500 g Kartoffeln 1 Strauß Bohnenkraut Petersilie 300 ml Brühe Salz Pfeffer 1 TL Kümmel 1,5 kg frische Dicke Bohnen (oder ca. 500 g TK)
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1 Den Speck würfeln, Zwiebeln fein hacken, ebenso Knoblauch und Chili. In einem breiten Topf zunächst den Speck im Schmalz langsam ausbraten, dann Zwiebeln, Knoblauch sowie die Chilischote mitdünsten. Die Kartoffeln schälen, zentimeterklein und möglichst exakt würfeln und zufügen. Alles mit Brühe bedecken, salzen, pfeffern, vom Bohnenkraut einen Teil, von der Petersilie alle Blättchen abzupfen, die Stiele zusammenschnüren und obenauf legen. Zugedeckt leise etwa 20 Minuten köcheln, bis die Kartoffelwürfel gar sind. 2 Inzwischen die Bohnenkerne auslösen: dafür in kochendes Wasser werfen, zugedeckt rasch aufkochen, dann abgießen und eiskalt abschrecken. Die dadurch wellig gewordene Haut ablösen, einfach zwischen den Fingern abschnipsen. Die Bohnenkerne, die sich jetzt in zwei Hälften
trennen, in den Kartoffeltopf rühren. Alles behutsam mischen – möglichst durch Rütteln am Topf, weniger durch Rühren, damit die Bohnenkerne nicht zerfallen. Zum Schluss noch gehackte Petersilie darüberstreuen.
Servieren: Entweder isst man die Bohnen mit dem Löffel aus tiefen Tellern als feinen Eintopf. Gut schmecken sie aber auch als Beilage, zum Beispiel zu einer dicken Scheibe gekochten Schinken, die man in etwas Brühe oder nur auf den Bohnentopf gelegt erwärmt. Dann außerdem dazu: frisch geriebener Meerrettich und Bauernbrot. Getränk: Pils oder ein herzhafter Weißwein.
„Kochen mit Martina & Moritz“ ist eine der erfolgreichsten Sendungen des WDR. Nachdem Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer, genannt Moritz, sich zunächst den Küchenschätzen und Lieblingsgerichten ganz Deutschlands gewidmet hatten, wollten sie es im Heimatland des WDR genauer wissen und suchten nach den Ursprüngen, Traditionen und Rezepten der Küche in NRW. In diesem Buch haben sie ihre reizvollsten Entdeckungen zusammengefasst und erklären jeweils die Grundlagen der acht kulinarischen Regionen Nordrhein-Westfalens: Rheinland, Niederrhein, Münsterland, Ruhrgebiet, Eifel, Bergisches Land, Sauerland, Ostwestfalen-Lippe.
Dabei haben Martina & Moritz die überlieferten Gerichte behutsam modernisiert, den heutigen Lebensumständen und Essgewohnheiten angepasst, ohne freilich ihren Charakter zu verändern. Mit ausführlichen Produktbeschreibungen, vielen Tipps und Hinweisen zum perfekten Gelingen! www.martinaundmoritz.de www.edition-essentials.com www.martinaundmoritz.wdr.de
ISBN: 978-3-9816935-1-5 € 22,- [D] / € 22,70 [A] / CHF 31,50 [CH]