3:09
Page 1
Wolfgang
ED I T I ON M I NERVA
M
TY
HM
!
ÜN C H E N s Jubiläumsbuch des Münchner Stadtmuseums
München!
Till
und
Thomas
Weidner
H C S
Typisch
TDa Y PISC
14-05-08
mas Weidner Wolfgang Till und Tho
Cover Typisch Munchen:Layout 1
I P C H E N! N Ü
TYPISCH MUNCHEN:TYPISCH MUNCHEN
15:20
Page 134
Das Neue München
134
2-05-08
Die Schöne Münchnerin
Die überregional verbreitete und in Boulevardblättern noch immer verwertete Vorstellun g von der "Schönen Münchnerin" bedient ein Klischee, das in der mo dernen Persp ektive des Gender als eine " p os i t i ve D i skr i m i n i e ru n g " e r s ch e i n t . W i e d e r B i e r t r i n ke r g e h ö r t d i e " S ch ö n e M ü n ch n e r i n " a b e r zu den historischen Stereotyp en, also zu den mentalitätsg eschichtlichen Halbwahrheiten, die charakteristisch sind für die Wahrnehmun g der Stadt . Den wohl frühesten Bele g gibt ein um 1800 in Paris verle g ter Kupferstich mit dem Titel "La jolie Bavaroise de Munich". Das Blatt zei g t eine jung e F ra u i m g es ch n ü r te n M i e d e r m i t R i e g el h a u b e u n d K ro p f ke t te a l s d e n I n s i g n i e n d e r Re g i o n a l tracht . D a s B i l d d e r " S ch ö n e n M ü n ch n e r i n " w u r d e n i cht z u l e t z t d u r ch d e n G es ch m a ck K ö n i g Lu d w i g s I. g eformt . Sein Architekt Leo von Klenze machte sich die Mühe, die Flirts des Köni g s in einem Dossier zusammenzustellen, in dem über fünfzig Namen aufg elistet sind, von der "Schwefelholz-Nann i " b i s z u r " Ra m b a l d i - Le n e " . I m g a n ze n K ö n i g r e i ch h i el te n Ku n d s ch a f te r n a ch Mo d el l e n f ü r d i e " Sch ön h e itsg alerie" Ausschau, mit der Köni g Ludwi g I. s eine Schwärmereien in e i n e a l te H o f t rad i t i o n s tel l te . D a s I d ea l w u r d e v o r a l l e m d u r ch d a s 18 3 1 e n t s t a n d e n e Po r t r ä t d e r H el e n e S e d el mayer geprägt , einer Schustertochter, die dem paternalistisch auftretenden Landesvater zur besonderen Zierde gereichte. Sie galt als beispielhafte Inkarnation des Typus der "Schönen Münchnerin", der unzähli g e Male darg estellt wurde. Mit der Kommunardin Uschi Obermeier, einer "Ikone aus München", wie es zu ihrem 60. Geburtsta g im Jahr 2006 hieß, wurde die Tradition der "Schönen Münchnerin" auch noch offenherzi g von einer Generation fort g esetzt , die sich 1968 eig entlich zum Ziel g esetzt hatte, mit allen Traditionen zu brechen.
TYPISCH MUNCHEN:TYPISCH MUNCHEN
2-05-08
15:20
Page 135
i Obermaier / Fotografie
Guido Mangold / Usch
/ 38 x 28 cm / 1969
Das neue
135 MÜnchen
TYPISCH MUNCHEN:TYPISCH MUNCHEN
2-05-08
15:54
Page 214
1905 Ludwig Hohlwein Farblithographie
/ "Hermann Sc herrer. Breechesm aker Sporting-Tailo / 122,4 x 88,1 cm / 1907 / Inv. Nr. Pla r" / kat C 19 /66
214
Mit seiner "Theorie der feinen Leute" schrieb Thorstein Veblen 1899 einen ebenso scharfzüngigen wie amüsanten Klassiker der soziologischen Literatur. Es wird das Bild der oberen Gesellschaftsschicht gezeichnet, die es nicht nötig hat zu arbeiten und die den Konsum zelebriert, weil sie sich alles leisten kann. Die Münchner Maß- und Konfektionsschneiderei "Hermann Scherrer" hatte sich auf die Bedürfnisse dieser leisure class besonders erfolgreich spezialisiert. Die Tuchhandlung war seit 1886 in der Stadt ansässig und befand sich beim Karlstor am Eingang zur heutigen Fußgängerzone. In der zweiten Generation bediente Scherrer als das "führende Haus in englischen Stoffen" einen dress code, dem die stadttypische Lodenjoppe nicht mehr Genüge leistete. Der Snobismus äußerte sich in einer englischsprachigen Werbekampagne, für die der Graphiker Ludwig Hohlwein seinen ganzen Einfallsreichtum aufgeboten hat. Im Vordergrund bewacht die Bulldogge aus dem "Simplicissimus" die Reichtümer des Herrchens. Die als "breeches" bezeichneten Reithosen sind durch ein rein flächiges Karomuster wiedergegeben, das wie ein transparentes Gitter wirkt. Das aparte Bildmotiv wurde zum Firmensignet Scherrers. Noch in den siebziger Jahren besaß die Firma ein Atelier für Maßkleidung in den Arkaden des Münchner Stadtmuseums am Rosental. Hermann Arthur Scherrer (1881 – 1956) pflegte auch als Privatmann eigenwillige Leidenschaften. Im Tessin ließ er einen Botanischen Garten anlegen und 1903 gründete er in Sankt Gallen ein Marionettentheater in der Schweizer Filiale seiner Firma.
TYPISCH MUNCHEN:TYPISCH MUNCHEN
2-05-08
15:54
Page 215
1909 Ludwig Hohlwein
er" /
/ "Wilhelm Moz
,5 cm / 1909
/ 123,5 x 90 Farblithographie
/22
/ Inv. Nr. Plakat C 13
Die stadt
215 MÜnchen
Beim Anblick seines ausnahmsweise einmal schlampig dekorierten Schaufensters habe, so wird erzählt, der Feinkosthändler Wilhelm Mozer einen Schlaganfall erlitten. Sein Kolonialgeschäft, das noch in den fünfziger Jahren eine bekannte Adresse in München war, hatte die Schwabinger Gesellschaft seit 1906 mit Delikatessen, Weinen und Spirituosen versorgt. In einer frühen Form des Caterings belieferte Mozer ganze Festgesellschaften mit "kompletten kalten und warmen Soupers und Diners". Ludwig Hohlwein (1874 – 1949) hat das kulinarische Angebot auf seinem Werbeplakat zu einem farblich extravaganten Stilleben arrangiert. Dazu gehören der damalige Modeschnaps "Bénédictine Liqueur de l’ancienne abbaye de Fécamp" ebenso wie Champagner und Krimsekt, der mit seinem kyrillischen Schriftzug eine auch graphisch eigentümliche Note bereithält. Die Gabe, Geschmack zu haben, läßt sich in einer Stadt wie München heute mehr denn je als Kennzeichen gesellschaftlicher Distinktion ausspielen. Einhundert Jahre später dokumentiert das Plakat aber auch eine volkswirtschaftlich paradoxe Umkehrung der Werte. Während vermeintlich exklusive Importwaren vom Billigschaumwein bis zum tiefgefrorenen Hummer in jeder Discountkette verfügbar sind, haben regionale Erzeugnisse aus hochwertiger Produktion den Status des Luxusartikels erlangt.
TYPISCH MUNCHEN:TYPISCH MUNCHEN
2-05-08
16:05
Page 242
D er münchneris chste aller Münchner Karl Valentin und München sind wie James Joyce und Dublin oder Franz Kafka und Prag eine Einheit. Oskar Maria Graf sprach vom "münchnerischsten aller Münchner", worunter aber "keineswegs das Bauern-Bayerische" zu verstehen sei. Die Zeitgenossen sahen den Typus des Münchners dann auch nicht in Valentin verkörpert. Diese Rolle spielte der Komiker Weiß Ferdl, mit dem sich die Münchner sehr viel eher identifizierten. Bei allen lokalen Bezügen in seiner Sprache und Redeweise war Karl Valentin eine Kunstfigur von höchstem Grade, eine "lebende Skulptur", auf der Bühne und im Leben. Karl Valentin begann seine Karriere im tradi-
tionellen Milieu der Münchner Volkssängerei, das in den Vorstädten Au und Haidhausen beheimatet war und höchst selten bis Schwabing vorstieß. Er versuchte sich als musikalisch vielseitiger Instrumentalist und begann 1913 mit der Produktion von Kurzfilmen. Seit 1915 hatte er in Liesl Karlstadt (1892 – 1961) eine kongeniale Partnerin, mit der er bis 1939 arbeitete. Das Duo errang die Spitzenstellung im Unterhaltungsgeschäft der zwanziger Jahre, nicht nur in München, sondern während längerer Gastspiele auch in Berlin und Wien. Zusammen wurden sie die Lieblinge des Feuilletons und Gegenstand der intellektuellen Diskussion. Bei allem Stolz über solche
Einordnung blieb Valentin gerne der naive Außenseiter und bekannte sich lieber zu seinen volkssängerischen Wurzeln. Heute fasziniert die Vielseitigkeit Valentins, der nicht nur sehr früh mit dem neuen Medium Film experimentierte. Mit seinem "Panoptikum" hatte er eine Installation zu Unterhaltungszwecken errichtet, die in ihrer radikalen Haltung an Marcel Duchamp und an die Dadaisten erinnert. Karl Valentin wurde im Jahr 1882 in München geboren und starb 1948 unter armseligen Umständen. Er gilt heute unbestritten als eine Münchner Jahrhundertfigur.
242
Lotte Jacobi / Karl Va
lentin / Fotografie / 18,3
x 24,2 cm / 1930 /
Inv. Nr. F 80/46
Glaubte man etwa, daß ihm seine Späße Spaß machten? Einen Schmarren. Er war erfüllt von seiner Vaterstadt München; er sehnte sich nach einer Komödie, in der er sich, die Stadt München und die Welt hätte ausdrücken können. Aber das verstanden sie nicht, die Zwetschgenschädel, die blöden. Lion Feuchtwanger
TYPISCH MUNCHEN:TYPISCH MUNCHEN
2-05-08
16:05
Page 243
Ein gewisser Bre cht singt hundsordinäre Balladen
Die stadt
"In der Stadt kann man sich nicht umdrehen und die Leute sind so dumm, daß man so viel Humor braucht, daß man schlechter Laune wird", schrieb Bertolt Brecht 1923 aus München. Nach einem abgebrochenen Studium an der Medizinischen Fakultät hatte er soeben die Uraufführung seines Dramas "Trommeln in der Nacht" an den Münchner Kammerspielen erlebt. Unter der Leitung Otto Falckenbergs arbeitete er dort auch als Dramaturg. Damals befand sich das Theater noch in der Augustenstraße; der Umzug in das von Max Littmann und Richard Riemerschmid erbaute und heute noch populäre Schauspielhaus an der Maximilianstraße erfolgte erst 1926. Für das Münchner Residenztheater schrieb Brecht außerdem "Im Dickicht der Städte". Das Stück spielt in Chicago, doch wußte das Publikum die Darstellung sehr wohl auf die eigenen Verhältnisse zu übertragen. Die Aufführungen wurden von nationalsozialistischen Schlägertrupps mit Stinkbomben sabotiert, die Brecht "Exkremente des Adolf Hitler" nannte. Die Münchner Theaterkarriere des jungen Brecht wurde entscheidend von Lion Feuchtwanger gefördert, der ihn in seinem "Erfolg" zur Romanfigur machte. Das Buch schildert ihn aus der Perspektive eines Münchner Wirtschaftsmagnaten als politisch ebenso bedrohlich wie charismatisch. Diese Einschätzung kennzeichnete auch die ambivalente Aufnahme, die Brecht bei der literarischen Elite Münchens fand. Thomas Mann nannte ihn ein "Scheusal mit Talent". Brecht, 1898 in Augsburg geboren, verließ München im September 1924 und zog nach Berlin.
243 MÜnchen
Die Porträtfotografie von Bertolt Brecht mit Ledermantel und Zigarre kultiviert das Bild des linken Intellektuellen. Sie gehört zu einer Serie von insgesamt 32 Aufnahmen, die 1986 vom Münchner Stadtmuseum entdeckt wurden. Die Bilder entstanden 1927 während eines Kurzaufenthalts in Brechts Heimatstadt Augsburg. 3 x 29,2 cm / 1927
lt Brecht / Fotografie / 39, Konrad Reßler / Berto
/ Inv. Nr. F 94/622-13
Der Kerl roch wirklich wie Soldaten auf dem Marsch. Es war ein sicherer Geruch von Revolution um ihn. Offenbar machte er es mit seinen hundsordinären Balladen. Ein Verdruckter ist er, ein Hinterfotziger, ein Kopf. Köpfe sind etwas Rares in seinem Heimatland Bayern. Lion Feuchtwanger
TYPISCH MUNCHEN:TYPISCH MUNCHEN
7-05-08
17:40
Page 254
Trommeln in der Nacht Am 2. August 1935 verlieh Adolf Hitler der Stadt München offiziell den nationalsozialistischen Ehrentitel "Hauptstadt der Bewegung". Die Auszeichnung erhielt auf einem Gemälde, das im selben Jahr entstand und auf der "Großen Münchner Kunstausstellung" gezeigt wurde, eine ganz wörtliche Bekräftigung: Kein Rad steht still in München. Mit großstädtischer Allüre entfaltet sich eine nächtliche Betriebsamkeit, die der Reichshauptstadt Berlin in nichts nachzustehen scheint. Die in München seit 1909 eingesetzte und in ihrem Netz ständig ausgebaute Straßenbahn wird zum Sinnbild der elektrifizierten Stadt. Auf dem Stiglmaierplatz treffen
in einem offensichtlich inszenierten Takt gleich fünf Linien zusammen. Bierkutscher und Fuhrwerke sind im Schein der Bogenlampen und illuminierten Fassaden ebenso unterwegs wie Radfahrer, Automobile und Schwertransporter. Das Gemälde zeigt aber nicht nur die neue Mobilität der Gesellschaft, sondern auch deren Mobilisierung. Am rechten Bildrand sieht man einen Marschtrupp behelmter Soldaten, der zur Brienner Straße einschwenkt in Richtung Königsplatz. In der nach dem Erzgießer Johann Baptist Stiglmaier benannten Platzanlage laufen die großen Straßen von Nymphenburg, Dachau
und Schleißheim sternförmig zusammen. Architektonisch wird das Rondell vom Löwenbräukeller dominiert, der 1883 eröffnet und 1893 nach Plänen von Friedrich Thiersch mit Turm und Terrasse erweitert worden war. Die Gastwirtschaft bildete einen Anziehungspunkt für den Fremdenverkehr, spielte aber anders als Hofbräukeller, Sterneckerbräu und Hofbräuhaus keine nennenswerte Rolle in der nationalsozialistischen Ereignisgeschichte Münchens.
254
Die Ansicht auf dem Gemälde ist als ein Fensterblick zu identifizieren. Es basiert auf Fotografien, die der Maler von seinem Zimmer aus aufnahm, als er sich 1932 im Haus Stiglmaierplatz 1 eingemietet hatte. Wilhelm Heise (1892 – 1965) stammte wie der Graphiker Ludwig Hohlwein aus Wiesbaden und lebte seit 1918 in München. Während der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur lehrte Heise ab 1937 im ostpreußischen Königsberg. Von 1953 bis 1958 hatte er eine Professur an der Münchner Kunstakademie. Heise vertrat eine künstlerische Richtung, die man als "Magischen Realismus" zu charakterisieren versucht hat. Die erzählerische Sachlichkeit gilt als Antwort auf die expressionistische Malerei, für die beispielhaft Ernst Ludwig Kirchner mit seiner motivisch erstaunlich ähnlichen, stilistisch aber völlig konträren Darstellung des Berliner Nollendorfplatzes von 1912 stehen kann.
en /
tz in Münch
tiglmaierpla se / Der S
endorfplatz
Ein Wagen von der Linie acht Weißblau, fährt ratternd durch die Stadt Kling kling, bim bam. Weiß Ferdl
8
r. Gm 38/149
/ Inv. N Wilhelm Hei cm / 1935 8,5 x 123,5 10 / z ol H Öl auf
in Berlin /
n / / Der Noll useum Berli ig Kirchner ung Stadtm w d Lu st 12 / Stift rn E icher 19 dl / un fre cm it m n x 59 and / 69 / Reproduktio Öl auf Leinw cht/Bern Ilse Augustin und r, Wichtra tung Dr. Otto enze-Kettere Museumsstif d Ingeborg H un ag an fg ol g Dr. W Genehmigun
TYPISCH MUNCHEN:TYPISCH MUNCHEN
6-05-08
21:57
Page 255
Warum heißt der "Erfolg" Erfolg? Der Schriftsteller Lion Feuchtwanger wurde am 7. Juli 1884 in München geboren. "Ich stamme aus einer jüdisch-orthodoxen Familie, die seit Geschlechtern in München und seit sehr alter Zeit in Bayern angesessen war", schrieb er im Rückblick. Seine Heimatstadt tat sich aber seit jeher schwer mit dem ebenso gebildeten wie unbequemen Autor, der wie wenig andere seiner Zeit die deutsche Literatur in die Welt getragen hat. Sein in vielen Sprachen aufgelegter Bestseller "Jud Süß" löste 1925 eine Hetzkampagne aus, der sich Feuchtwanger mit der Übersiedlung nach Berlin hoffte entziehen zu können. Aus der Distanz der Hauptstadt entstand der München-Roman "Erfolg". Mit dem Buch habe sich der Autor "einen zukünftigen
Emigrantenplatz reichlich verdient", höhnte der "Völkische Beobachter" 1931. Die Ausweisung führte Lion Feuchtwanger 1933 zunächst nach Südfrankreich. In Sanary-sur-Mer baute er sich eine neue Existenz auf. 1940 wurde er unter der Vichy-Regierung gefangen genommen und im Lager Les Milles interniert. In einer vom amerikanischen Präsidenten gedeckten Aktion gelang die Flucht über die Pyrenäen nach Portugal und in die USA. Sein Exil in Pacific Palisades bei Los Angeles verhinderte nicht, daß er das Werk mit unverminderter Produktivität fortschrieb. Den "Erfolg" hatte Feuchtwanger um die Romane "Die Geschwister Oppenheim" und "Exil" zu einer Trilogie ergänzt, die er "Im Wartesaal"
nannte. Der Plan zu einem großen Epilog "Rückkehr" blieb in jeder Hinsicht illusorisch. Feuchtwanger kehrte nie mehr in seine Heimat zurück. 1957 erhielt Feuchtwanger den Literaturpreis der Stadt München, doch hat sich der Stadtrat umgehend von der Auszeichnung an den "postkommunistischen" Dichter distanziert. Feuchtwanger hat sich zu dieser Posse nicht geäußert; sie dürfte ihn mehr amüsiert als verbittert haben. Am 21. Dezember 2008 ist des 50. Todestags des bis heute weltweit wichtigsten Schriftstellers der Stadt München zu gedenken.
Die stadt
255 MÜnchen
te einer Provinz /
g. Drei Jahre Geschich
Er fol Lion Feuchtwanger / 6/149, 1-2 r) 1930 / Inv. Nr. 200 lin (Gustav Kiepenheue Ber / cm 2,8 x 14 x 20,9
Früher hatte die schöne, behagliche Stadt die besten Köpfe des Reichs angezogen. Wie kam es, daß die jetzt fort waren, daß an ihrer Stelle alles, was faul und schlecht war im Reich und sich anderswo nicht halten konnte, magisch angezogen nach München flüchtete? Lion Feuchtwanger
TYPISCH MUNCHEN:TYPISCH MUNCHEN
2-05-08
16:14
Page 284
Aus Umfragen geht das Münchner Olympiagelände immer noch als das bekannteste Bauwerk Deutschlands hervor. Es wurde von Günter Behnisch (geb. 1922) und Partnern sowie dem Landschaftsarchitekten Günther Grzimek (1915 – 1996) auf dem Schuttberg des Wiederaufbaus errichtet. Neben dem Stadion mit seinem beheizbaren Rasen und einer Flutlichtanlage, die den damals neuen Anforderungen des Farbfernsehens genügte, sind die Olympiahalle, eine Schwimmhalle und ein Radstadion in die Hügellandschaft des Oberwiesenfelds eingepaßt. Die Athleten bezogen ihre nahegelegene Unterkunft im "Olympischen Dorf", das für den Bautypus des Maisonettebungalows bekannt wurde. Zur Unterbringung von rund 4.000 Journalisten entstand eine eigene Pressestadt. Über die Sportstätten spannt sich ein 75.000 Quadratmeter großes Dach aus Acrylglas. Mit seinen Wellen und Schwüngen wurde das transparente Zelt, das nach einer Idee des Architekten Frei Otto (geb. 1925) konstruiert wurde, zum Sinnbild des modernen München. Oberbürgermeister Vogel rechtfertigte das damals umstrittene Bauwerk: "Eine Gesellschaft muß auch einmal die Kraft aufbringen, einen großen Geldbetrag für ein im engen Sinn zweckfreies Vorhaben, für ein architektonisches Kunstwerk aufzuwenden. Es muß Freiräume geben, die von ökonomischen Prinzipien und den landläufigen Nützlichkeitserwägungen ausgenommen sind." Das gesamte Ensemble des Münchner Olympiageländes kann als ein Denkmal der Demokratie betrachtet werden. Am gewissenhaften Umgang mit dieser einzigartigen Hinterlassenschaft wird die Stadt München auch im 21. Jahrhundert gemessen, nicht zuletzt unter dem Eindruck einer neuerlichen Olympiabewerbung für 2018.
284
Otl Aicher und Partner Coordt von Mannstein
/ "München 1972" Graphicteam / Symb
/ Farboffset / 83 x 59,5 cm
ol der XX. Olympischen
/ 1972 / Inv. Nr. Plakat A
(D) 19.26/16
Spiele in München / 196
8
Das offizielle Symbol der Spiele wurde vom "Graphicteam Köln" unter der Leitung von Coordt von Mannstein (geb. 1937) entworfen. Es hat die Gestalt eines spiralenförmigen Strahlenkranzes, der den Olympischen Ringen zur Seite gestellt wurde. Der Maler Victor Vasarely (1906 – 1997), der zu Beginn der siebziger Jahre als Vertreter der "Op-Art" populär wurde, hat das Motiv in einem Ölgemälde verarbeitet.
TYPISCH MUNCHEN:TYPISCH MUNCHEN
6-05-08
22:00
Page 285
Für die Vermarktung der Olympischen Spiele wurde die bei sportlichen Großereignissen seither ungebrochene Tradition des "Maskottchens" begründet. Es handelte sich um die Figur eines in den offiziellen Farben der Spiele gestreiften Dackels. Er hieß "Waldi" und war "erhältlich in Holz, Stoff, Frottee, Plüsch, schwanzwackelnd auf Rädern, als Knautschtier und Puzzlespiel, sogar zum Draufsetzen", wie der "Offizielle Olympiaführer" schrieb. Eine inoffizielle Variante entstand an der Münchner Akademie der Bildenden Künste. In der Klasse Paolo Nestler wurde vom "Team 86, Fickl & Fackl" ein mechanisches Holzspielzeug gefertigt, das zwei kopulierende Olympia-Waldis zeigt.
nstfaser / 22 x
und Ku di" / Baumwolle, Filz
"Wal
52 cm / 1972
x 59,5 iele / Farboffset / 83
schen Sp
itplan der Olympi
rtner / Ze Otl Aicher und Pa
/ Inv. Nr. A 94/49 cm / 1972 /
Inv. Nr. Plakat A (D)
19.26/15
Weltstadt
285 MÜnchen
München gab sich zu den Olympischen Spielen ein neuartiges Gestaltungsbild. Mit dem Entwurf wurde 1968 der Grafiker Otl Aicher (1922 – 1991) beauftragt. Er entwickelte ein einheitliches Zeichensystem, das den Besuchern auf einer außersprachlichen Ebene Orientierung geben sollte. Die Piktogramme Aichers funktionieren bis heute in der Reduktion auf die jeweils prägnante Form durch eindeutige Farben und Symbole. Zur offiziellen Farbe der Spiele wurde ein lichtes Blau. Über die psychologischen Eigenschaften dieser Farbe bemerkte Aicher: "Blau gilt als unpolitische Farbe. Es ist die Farbe des strahlenden Himmels, die Farbe des Friedens und der Jugend. Zudem ist es die Farbe der oberbayerischen Landschaft, ihrer Seen und ihrer Alpensilhouette." In komplementären Werten entstand eine Skala aus Orange, hellem Grün, Weiß und Silber. Erweiternde Varianten waren Blauviolett, Dunkelgrün und ein orangefarbenes Gelb. In jedem Fall wollte Aicher "die bevorzugten Farben der Diktatoren Rot und Gold" vermeiden. Als Typographie wählte er die von Adrian Frutiger 1957 entwickelte Schriftart "Univers", eine serifenlose Linearantiqua. Die Ideen Aichers setzten nicht zuletzt die Vorgaben für die Plakatgestaltung der Olympischen Spiele. Die Veranstalter schrieben über die Serie: "Erstens sollten die Plakate in verschiedenen Kulturkreisen verstehbar sein. Zweitens durfte man sich nicht darauf beschränken, nur jene Schichten zu erreichen, die mit dem Repertoire der modernen Kunst vertraut sind. Die Plakate wurden deshalb auf der Basis der Fotografie konzipiert. Um aber nicht im breiten Angebot der Fotografie unterzugehen, wurden die Bilder nach dem Farbkodex der Spiele interpretiert. Auf dieser farblichen Verfremdung beruht ihr Signalwert und ihre spezifische ästhetische Funktion im Rahmen des für München geplanten visuellen Klimas."
TYPISCH MUNCHEN:TYPISCH MUNCHEN
286
2-05-08
16:14
Page 286
TYPISCH MUNCHEN:TYPISCH MUNCHEN
2-05-08
16:14
Page 287
Weltstadt
287
/ Farboffset / 83 x 59,5 cm / 1972 /
9,10,13,14
Inv. Nr. Plakat A (D) 19.26/1,2,6,8,
MÜnchen
ort" Otl Aicher und Partner / Serie "Sp
Rodrigue z
Naffziger
/ Ohne
lage /
Titel / C ol
2008 /
Inv. Nr. G 2
008/6
TYPISCH MUNCHEN:TYPISCH MUNCHEN
290
2-05-08 17:59 Page 290
TYPISCH MUNCHEN:TYPISCH MUNCHEN
2-05-08
17:59
Page 291
Weltstadt
291 MÜnchen