SSF Ingenieure Lärmschutzeinhausung (DE)

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Systementwicklung Leichte L채rmschutzeinhausung


Prolog Der Straßenverkehr stellt in der Bundesrepublik die stärkste Quelle für Lärmbelastungen dar. Dem Lärmschutz kommt deshalb eine kosten- und insbesondere genehmigungsrelevante Bedeutsamkeit zu. Wesentliche bauliche Veränderungen von bestehenden Verkehrswegen oder der Bau von neuen sind mit dem Anspruch des Bürgers auf lärmmindernde, vorrangig aktive Lärmschutzmaßnahmen zur Einhaltung der Geräuschgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) verbunden. Zunehmende Verkehrsbreiten beim Ausbau bestehender Straßen und Autobahnen führen zu immer höheren Lärmschutzwänden bzw. Wall-Wand-Kombinationen. Speziell in dichter besiedelten, suburbanen Einzugsgebieten von Ballungsräumen tritt die Schwierigkeit auf, dass der Verkehrsraum bei einer Erweiterung noch näher an die anstehende Bebauung rückt. Im Zuge z.B. des Ausbaus zu achtstreifigen Autobahnen erreichen die Anlagen bei der Umsetzung der Immissionsgrenzwerte (theoretische) Höhen von bis

Visualisierung Machbarkeitsstudie

zu 12 m und mehr. Die Kosten steigen dabei überproportional zur Höhe an. Aufgrund ihrer Trennwirkung innerhalb von Siedlungsgebieten und erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes sind diese Anlagen in der öffentlichen Diskussion praktisch nicht mehr vermittelbar. Gerade innerhalb von Verdichtungsräumen bieten sich deshalb geschlossene Lärmschutzeinhausungen zur Lärmvorsorge an. Eine konventionelle Tunnellösung als massives, meist zweizelliges Rahmenbauwerk – mindestens bestückt mit 24h-Kunstlicht und Strahlventilatoren – stellt dabei bislang im Bau, Betrieb und Unterhalt noch immer die günstigste Tunnel- bzw. Einhausungsvariante dar. Dies bestätigt z.B. eine Studie der Zentralstelle für Brückenund Tunnelbau bei der Autobahndirektion Südbayern (München), die in Zusammenarbeit mit SSF Ingenieure erstellt wurde. Es wurde hier aufgezeigt, dass die bisher ausgeführten Sonderlösungen von Einhausungen weder bei den Erstinvestitionskosten noch im


Visualisierung: Lang Hugger Rampp GmbH Architekten

Unterhalt und Betrieb signifikante Einsparungen bieten gegenüber einer konventionellen Tunnellösung. Sofern lärmtechnisch machbar und in der Genehmigungsakzeptanz umsetzbar sind naturgemäß Lärmschutzwände oder Wall-Wand-Kombinationen die wirtschaftlicheren Varianten.

querschnittes der freien Strecke aus. Für Autobahnquerschnitte bedeutet dies auch die Durchführung von Standstreifen. Weiterhin ist von hoher Priorität, dass in geringen Abständen die Flucht ins Freie möglich ist und somit die Art der Einhausung im Brandfall größtmögliche Sicherheit bietet.

Systementwicklung Im Rahmen einer Systementwicklung wird eine sogenannte „Leichte Lärmschutzeinhausung“ vorgestellt, die aufgrund ihrer Konzeption sowohl im Bau als auch im Betrieb wirtschaftliche Einsparungen gegenüber der konventionellen Tunnellösung erwarten lässt.

Die im lichten Maß über 6,50 m hohe Einhausung besteht aus einem Rahmensystem aus Fertigteil-Spannbetonbindern (im Spannbett hergestellt) über der Fahrbahn, die biegesteif in die Randstützen einbinden. Als Kopplungselemente sind in den Rahmenecken Stahlbetonlängsträger vorgesehen. Die Binder werden über eine Ortbetonergänzung zu einer geschlossenen Deckenscheibe ergänzt. Außenseitig wird die Decke konstruktiv als Dach mit extensiver Begrünung ausgebildet. Die Stützen sind in Längsrichtung geneigt. Jeweils zwei Stück ergänzen sich zu einem V-förmigen Stützenpaar. Auf eine Unterstützung im Mittelstreifen wird im Gegensatz zu den bisher bekannten Einhausungskonzepten bewusst

Konzept, Gestaltung Die Systementwicklung geht in ihrer grundsätzlichen Konzeption von einer lichten, nicht einschnürenden Einhausung ohne trennende Mittelwand und der ungestörten Durchführung des Straßen-


Gründach

Rauchschü

2.50

50

3.75

3.50

Regelquerschnitt

verzichtet, um mit einer großzügigen Öffnung der Charakteristik der freien Strecke nahe zu kommen, die Beeinträchtigung des Verkehrs während der Bauarbeiten auf ein Mindestmaß zu reduzieren und die Sichtbeziehung im Nutzeralltag nicht einzuschränken. Den seitlichen Abschluss bieten abgerückte, separat gegründete Lärmschutzwände mit hochabsorbierenden Wandoberflächen, die oben mit einem ca. 3 m hohen Glasband abschließen. Zwischen der massiven Decke des Rahmensystems und den vorgesetzten Lärmschutzwänden werden als oberer seitlicher Abschluss der Einhausung schräg stehende Lüftungslamellen mit hochabsorbierender Lärmschutzoberfläche vorgesehen. Diese parallel zur Straße durchgängig angeordneten Lüftungsschlitze im Dach ermöglichen auf einfache bauliche Weise eine effiziente Be- und Entlüftung sowie in Teilen eine Entrauchung. Ein weiterer positiver Effekt dieser Konstruktion ist die zusätzliche natürliche Ausleuchtung der Anlage. Sowohl die Bankett- als auch Muldenstreifen der Autobahn werden ungestört durch die Einhausung hindurch geführt. Zwischen Mulde und Lärmschutzwand kann bei ausreichendem Platzange-

bot ein schmaler Pflanzstreifen vorgehalten werden. Das Abrücken der bereits nahezu im Freien stehenden und dadurch hell wirkenden, berankten Lärmschutzwände unterstreicht die visuelle Großzügigkeit der Anlage. Das Glasband versorgt die Einhausung mit natürlichem Licht, die Installation zusätzlicher künstlicher Beleuchtung kann auf ein Mindestmaß reduziert werden. Schallemissionen werden seitlich vom Glasband zurückgehalten und von der Lärmschutzwand absorbiert. Eine Brandschutz- und Akustikdecke kann die Wirkung der Schallabsorption zusätzlich verbessern. Als Belag wird eine Asphaltdecke vorgesehen, die relativ geringe Abrollgeräusche erzeugt. Die bereits vorgestellten Maßnahmen lassen ein hohes Maß an Schallminderung neben und über der Lärmquelle erwarten, so dass auf zusätzliche lärmmindernde Maßnahmen wie etwa dem Einbau von offenporigen Asphalt verzichtet werden kann. Pegelminderung An einem 25 m von der Fahrbahn entfernt in 4 m Höhe gelegenen Immissionsstandort soll die angestrebte Minderung der Beurteilungspegels durch die Einhausung 20 bis 25 dB(A) betragen. Dies wurde an erstellten Einhausungen mit seitlichem Lüftungsschlitz ähnlicher Bauweise bereits nachgewiesen.

3.50

75


Oberes seitliches Abschlusselement aus Stahlschwertern, die horizontal an die Einhausung anbinden und als Fixierung für die Lamellen aus hoch absorbierenden Lärmschutzelementen dienen.

ürze

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80

4,50

6,50

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Oberer Lärmschutzwandbereich als Glasband mit ca. 3,00 m hohen Verbundglasscheiben aus ESG bzw. VSG (unten auf die Betonelemente geklemmt und oben über Stahlprofile an Stahlschwerter ­fixiert)

4.00

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Unterer Lärmschutzwandbereich aus Beton- Fertigteilplatten mit einer fahrbahnseitig hoch absorbierenden Verkleidung.

3.50

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50

2.50

RQ 36.00

Visualisierung: Lang Hugger Rampp GmbH Architekten

38.20

Betriebstechnische Ausstattung / Anforderungen nach der RABT Verkehrsraum Der für die Strecke charakteristische Regelquerschnitt wird ungestört durch die Einhausung hindurch geführt. Die lichte Höhe beträgt ca. 6,50 m, um Verkehrs- bzw. Wechselverkehrszeichen über der Fahrbahn vorsehen zu können und eine ausreichende Durchflutung der Anlage mit Tageslicht herbeizuführen. Beleuchtung Die Auslegung der Einsichtsstreckenbeleuchtung und der Tunnel­ innenstreckenbeleuchtung ergibt sich nach der RABT. Bei kurzen Einhausungen kann auf eine Einsichtsstreckenbeleuchtung verzichtet werden, die Tunnelinnenstrecke wird in diesen Fällen tagsüber durch das seitlich einfallende natürliche Licht ausgeleuchtet. In der Nacht ist eine Mindestausleuchtung von 0,5 cd/m² erforderlich. Der seitliche Tageslichteinfall wird die Einsichtsstreckenbeleuchtung bei relativ schmalen Einhausungen ersetzen. Bei mehrstreifigen Einhausungen wird das seitlich einfallende Tageslicht durch Streckenbeleuchtung ergänzt. Im Vergleich zu seitlich geschlossenen Einhausungen ist jedoch von erheblichen Einsparungen auszugehen, da bereits bei relativ geringen Außenleuchtdichten die Einsichtsstreckenbeleuchtung zumindest reduziert werden kann.

Lüftung / Entrauchung Die Zuluftversorgung eines Tunnels ist in Abhängigkeit der verschiedenen Verkehrszustände und der zulässigen Grenzwerte der Luftschadstoffe und Partikel zu ermitteln. Bei der Systementwicklung mit den beiden parallel zur Trasse durchgängigen Dachöffnungen kann davon ausgegangen werden, dass bei kurzen und mittleren Einhausungslängen auf Lüftungsanlagen für den Regelbetrieb verzichtet werden kann. Der vorhandene natürliche Luftabzug über die großzügigen Öffnungen – bei Richtungsverkehr die so genannte Kolbenwirkung – verhindert eine Konzentration von Schadstoffimmissionen. Im Brandfall hängt das Lüftungskonzept wesentlich von der Tunnellänge ab. Tunnelanlagen bis zu 400 m kommen auch im Brandfall mit natürlicher Lüftung aus. Ab einer Tunnellänge von 400 m ist nach RABT eine Risikoanalyse durchzuführen. Eine rechnerische Simulation eines Brandereignisses für die Systementwicklung erfolgte durch die Sofistik AG. Durch das Büro EAS GmbH in Karlsruhe wurde daneben exemplarisch für eine 2 km lange „Leichte Einhausung“ mit dem Regelquerschnittt einer sechsstreifigen Autobahn eine dreidimensionale Strömungssimulation zur verlässlichen Vorhersage der Brandausbreitung, Rauchentwicklung und lüftungstechnischen Auslegung durchgeführt. Im Ergebnis dieser Simulationen kann auf zusätzliche


­ elüftungsanlagen verzichtet werden, wenn im Bereich des MittelB streifens eine stationäre Rauchschürze im Deckenbereich vorgesehen wird. Diese abgehängte Rauchschürze verhindert die Ausbreitung von Rauchgasen auf die Gegenfahrbahn bzw. minimiert die Konzentration auf ein unbedenkliches Maß. Die Art der Ausführung dieser ca. 2,6 m hohen Schürze z.B. als abgespannte Membran, mit Fertigteilen oder in Modulbauweise ist projektbezogen zu klären. Sicherheitseinrichtungen für den Verkehr - Standstreifen sind durchgängig vorhanden. - Sonderquerschnitte mit Pannenbuchten erübrigen sich. - Anordnung von Fluchttüren im erforderlichen Maße sinnvoll. - Installation von Notrufstationen ist nur bedingt erforderlich. - Einrichtung von Tunnelfunkanlagen ist nur bedingt erforderlich. - Einsatz von Videosystemen ist projektbezogen auf Basis der RABT zu beurteilen. - Anordnung von Lautsprechern ist nur bedingt erforderlich (nach RABT sind Tunnelanlagen, die mit Videoanlagen überwacht sind, mit Lautsprechern im Tunnel und an den Tunnelportalen ­auszurüsten). - Manuelle Brandmeldeeinrichtungen sind in Einhausungsprojekten mit Längen unter 400 m anzuordnen. - Automatische Brandmeldeeinrichtungen sind ab einer Einhausungslänge von 400 m bzw. bei Tunnelanlagen mit mechanischer Lüftung vorzusehen. - Handfeuerlöscher sind in eigenen Nischen unterzubringen, falls keine Notrufkabinen vorhanden sind. - Löschwasserversorgungseinrichtungen sind bei der Systementwicklung nicht in derselben Weise wie bei einer konventionellen Tunnelanlage notwendig, da die Brandbekämpfung auch von ­außen über die Angriffspunkte der Fluchttüren möglich ist. Sie wird jedoch auf der sicheren Seite vorgeschlagen. - Fluchtwegkennzeichnung und Orientierungsbeleuchtung gemäß RABT erforderlich und sinnvoll.

Ausstattung, Sicherheitsanlagen Beleuchtung

•• erforderlich • in geringerem Umfang erforderlich • in geringerem Umfang bzw. nicht erforderlich nicht erforderlich

Gegenstrahl- / Durchfahrts- •• beleuchtung, Beleuchtungsregelungsanlagen

Lüftung

••

Verkehrstechnische Grundausstattung wie Einrichtungen VZ und WVZ

••

••

Zentrale Anlagen

Betriebsräume

••

Stromversorgung (USV-Anlage)

••

Entwässerung Schlitzrinne

••

Steuerung

••

• vorhanden

Bauliche Anlagen

Kommunikations­ einrichtungen

Brandmelde­anlagen

Kennzeichnung, Orientierung

Übersicht Betriebstechnische Ausstattung Regelungen für einen 2 km langen Tunnel bzw. Empfehlungen für die Systementwicklung „Leichte Lärmschutzeinhausung“ in Anlehnung an Tabelle 12, RABT:

konventionel- Lärmschutzler Tunnel einhausung

Seitenstreifen

Nothalte- und Pannenbuchten

••

Wendebuchten

••

Fluchttüren

••

••

Notgehwege

••

Höhenkontrolle

••

Schrankenanlagen Tunnelenden

••

••

Notrufstationen

••

Videoüberwachung einzelsteuerbar

••

••

Tunnelfunk (BOS-Funk)

••

Lautsprecheranlagen

••

••

manuelle Brand­melde­ einrichtungen

••

automatische •• Brandmelde­einrichtungen

••

Handfeuerlöscher (neben Fluchttüren)

••

••

Löschwasserversorgung, Hydranten

••

mechanische Längs­ lüftung/Entrauchung

••

FluchtwegKennzeichnung

••

••

Orientierungs­­beleuchtung ••

••

Blitzleuchten an Flucht•• türen mit Aktivierung Videokamera visuelle Leiteinrichtungen • LED Regelbetrieb

visuelle Leiteinrichtungen LED Selbstrettung, Ereignisfall

••

••


Zusammenfassung Die Systementwicklung „Leichte Lärmschutzeinhausung“ bietet erhebliche wirtschaftliche Vorteile, die Aufwendungen für Betrieb der verkehrstechnischen und insbesondere sicherheitstechnischen Ausstattung sind vergleichsweise günstig. Gegenüber herkömmlichen Tunnellösungen erfährt der Nutzer keine Einschränkung im Straßenquerschnitt. Die Autobahn/Strasse setzt sich ohne Zäsur und Beengtheit innerhalb des Bauwerks mit großzügigen lichten Räumen und der Mitwirkung von Tageslicht fort. Die Systementwicklung „Leichte Einhausung“ wird mit ihrer leichten und modularen Erscheinung von außen nicht als massive Sichtbarriere wahrgenommen. Lüftungsbänder sorgen für Belüftung und Möglichkeiten der Entrauchung ohne zusätzliche technische Einrichtungen. Systemunabhängige Lärmschutz-

Visualisierung: bit-better Visualisierung

Visualisierung Vorstudie

wände sorgen für hohe Variabilität in der Ausführung. Seitliche Glasbänder minimieren den Beleuchtungsaufwands und kommunizieren Transparenz. Ein begrüntes Dach wirkt im Bereich hoher Nachbarbebauung angenehm und natürlich. Es bietet gegenüber versiegelten Dachflächen ökologische Vorteile und könnte zudem z.B. bereichsweise mit Solarpaneelen bestückt werden. Mit dem Konzept wird eine möglichst hohe Akzeptanz der Anwohner und Verkehrsteilnehmer bei hoher Wirtschaftlichkeit bei der Herstellung und im Betrieb angestrebt. Die Systementwicklung „Leichte Lärmschutzeinhausung“ wurde nach dem neuesten Stand der RABT entwickelt. Für ein Fallbeispiel einer großen Autobahneinhausung liegt bereits für den Brandfall eine positive Sicherheitsbewertung vor.


Titel: Lang Hugger Rampp GmbH Architekten


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