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Klettern auf Sizilien
Die sehr gebirgige Landschaft Siziliens kulminiert im Osten mit dem Wahrzeichen der Insel, dem Ätna, der sich mit über 3300 Metern Höhe und seinem schneebedeckten Kegel hoch über der Ostküste erhebt. Die meisten der weiteren hohen Berge findet man entlang der Nordküste in den Monti Peloritani, Monti Nebrodi und Madonie, Monti del Palermitano und Monti del Trapanese. Die Hauptgipfel dieser Gebirgsgruppen erreichen eine Höhe von 2000 Metern und mehr, oft wechseln sich bewaldete Gebiete mit sehr öden und rauen Landstrichen ab, die dortigen Felswände sind aber nicht immer zum Klettern geeignet. In Kletterkreisen am bekanntesten ist der westliche Bereich der Insel zwischen Palermo und Trapani, aber auch im Nordosten trifft man auf überaus schöne Wände, beispielsweise im einsam gelegenen Massiv Rocche del Crasto in den Monti Nebrodi. Im südöstlichen Teil der Insel erheben sich die Monti Iblei, ein Hochplateau mit vielen bis zu 200 Meter tiefen Schluchten. In diesen Canyons sind Stand heute schon mehrere Dutzend sehr interessante Klettergebiete zu finden, und das Potenzial für Neuerschließungen ist noch riesig! Am und um den majestätischen und beeindruckenden Ätna herum bieten sich nur wenige kleinere Wände zum Klettern an, die aber nicht zuletzt wegen ihrer speziellen Gesteinsarten durchaus interessant sind. Aus der Topografie der Insel geht also hervor, dass sich allermeisten zum Klettern geeigneten Felswände im Nordwesten und Osten Siziliens befinden. Dies betrifft sowohl die Zahl der Wände an sich als auch die Anzahl der vorhandenen kurzen Routen und/oder Mehrseillängenwege. Aber auch in den anderen Regionen der Insel trifft man immer wieder mal auf Felswände, die sich zum Klettern eignen. Dank der unermüdlichen Arbeit vieler in- und ausländischer Erschließer stieg die Zahl der Kletterrouten in den letzten Jahren sehr stark an. Mit großer Leidenschaft sind sie nach wie vor auf der Suche nach unberührten Felswänden, in denen Routen eingerichtet werden können. Die bestehenden Gebiete werden aber keineswegs vergessen - auch dort werden noch oft neue Linien erschlossen und viele ältere Wege saniert. Dass Sizilien mittlerweile zu einem der bedeutendsten Klettergebiete Europas wurde, liegt auch daran, dass in vielen Medien über die hier bestehenden Möglichkeiten berichtet wurde und wird; nicht zuletzt ist dies ein Stück weit auch diesem Kletterführer zu verdanken. Aber der wichtigste Grund für dieses Standing sind natürlich die vielen Kletterinnen und Kletterer, welche die Insel besuchen und vielleicht sogar als Lieblingsziel auserkoren haben. REISEN AUF SIZILIEN Auch wer nichts als Klettern im Sinne hat, wird bei seinen Reisen über die Insel unausweichlich auf die sizilianische Wirklichkeit stoßen. Die sprichwörtliche Gastfreundschaft der Bewohner, der Geschmack und Duft der Speisen, die wunderschönen Aussichten auf die historischen Stadtzentren und die Schönheit des Meeres sind da nur ein kleiner Teil von Vielem... Ganz sicher lohnt es sich, auch mal in einem der vielen kleinen Orte im Landesinnern Halt zu machen, wo das alte bäuerliche Leben immer noch stark verankert ist. Wer auf diese Idylle verzichten kann und will, ist in den wunderschönen historischen Zentren der Städte bestens aufgehoben. In Palermo, Catania, Siracusa und Ragusa könnt ihr bis in die frühen Morgenstunden abfeiern. Und hier gilt wie überall auf der Welt: Wer seinen gesunden Menschenverstand benutzt, wird auch bei seinen nächtlichen Unternehmungen nichts zu befürchten haben. In vielen Klettergärten ist es möglich, am Wandfuß zu campieren. Einige Felswände liegen auf Privatbesitz, sollte(n) der/die Besitzer auftauchen, dann fragt um Erlaubnis. Ein paar freundliche Worte helfen immer, sich als Besucher und nicht als Eindringling zu erkennen zu geben, und dann wird euch auch niemand belästigen. Wenn ihr im Freien campen wollt, dann bedenkt, dass auf Sizilien die meisten Wasserläufe den größten Teil des Jahres ausgetrocknet sind und ihr einen Wasservorrat mitbringen solltet. In den meisten Schutzgebieten und Wiederaufforstungsgebieten ist es strengstens verboten, Feuer zu machen. Ein
kleiner Funke, der außer Kontrolle gerät, genügt schon, um riesige Flächen abbrennen zu lassen und stellt eine große Gefahr für euch und viele Andere dar. Auch dort, wo offenes Feuer erlaubt ist, solltet ihr euch darauf beschränken, damit zu kochen. Lasst es bitte nie unbeaufsichtigt! Während der heißen Monate ist die Zeckengefahr sehr hoch, in einigen Klettergebieten schafft dies durchaus Probleme. Kontrolliert immer die Plätze, wo ihr seid und wo ihr eure Klamotten hin legt. Sucht am Ende des Tages euren Körper nach Zecken ab. Achtet beim Entfernen darauf, dass möglichst nichts mehr unter der Haut zurück bleibt. Auch auf Sizilien werdet ihr Dinge finden, die euch nicht passen oder die ihr unmöglich findet. Ungezügeltes, wildes Bauen und wilde Müllkippen sind da nur zwei von vielen Beispielen. Aber auch diese Wirklichkeit zeugt nur von den vielen Widersprüchen, die seit Jahrhunderten auf dieser Insel herrschen.
LOGISTISCHE HINWEISE Sizilien ist flächenmäßig die größte Region Italiens und liegt ganz sicher für viele Kletterer auch sehr weit entfernt. Wer also nur mal kurz über das Wochenende zum Klettern gehen will, wird durch diese Entfernung sicher abgeschreckt sein. Wer das Klettern aber mit einer interesssanten Reise verbinden möchte, ist hier genau richtig. Über die Jahrtausende hinweg haben verschiedene Völker und Kulturen hier ihre Spuren hinterlassen. Davon zeugen nicht nur die vielen Monumente und archäologischen Überreste, die zu den schönsten Italiens gehören, sondern auch die vielen Feste und Traditionen der Einwohner. Die unzähligen kulinarischen Köstlichkeiten sollten natürlich ebenso erwähnent werden und nicht vergessen sollte man die Herzlichkeit und die Gastfreundschaft, mit der die Sizilianer schon immer Fremde und Touristen empfangen haben. Und ein ganz großer Pluspunkt für Kletterer sind natürlich die herrlichen Felswände in Meeresnähe, an denen man auch in den Wintermonaten in Shorts und T-Shirt klettern kann. Sizilien die exotischste Region Italiens und ganz sicher immer einen Besuch wert. Wer die wichtigsten Klettergebiete kennen lernen möchte, sollte mindestens eine Woche einplanen. Sollten nur wenige Tage/ ein Wochenende zur Verfügung stehen, dann ist Palermo sicherlich die beste Entscheidung, denn hier befindet sich das Kletterzentrum der Insel mit den meisten Ein-und Mehrseillängenrouten. Dazu kommt, dass die verschiedenen Sektoren mit öffentlichen Verkehrsmitteln leicht erreichbar sind. Wer länger Zeit hat und eine Tour über die Insel plant, sollte mit dem Auto unterwegs sein. Abgesehen von Palermo liegen die meisten Klettergebiete weit außerhalb bewohnter Gebiete und es ist schwierig, sie mit Bus oder Bahn zu erreichen. Bedenkt bitte auch die großen Entfernungen: Zwischen Ragusa und San Vito Lo Capo liegen z.B. knapp 350 km! Reisevorschläge möchten wir keine geben. Wir überlassen es eurer Fantasie und eurem Organisationstalent, eine Reise zu den verschiedenen Klettergebieten zu planen. Die meisten Gebiete liegen entlang der Küste (oder nicht weit entfernt) und werden auch in dieser Reihenfolge im Kletterführer beschrieben. Dies legt nahe, die Reiseroute auch entlang der Küstenlinie zu legen. ANREISE Sizilien ist mit allen Verkehrsmitteln leicht erreichbar. Durch die Flughäfen von Palermo und Catania bestehen perfekte Verbindungen zu inner-und außeritalienischen Städten. Von den Fluggesellschaften werden preiswerte Flüge in vielen Zeiten des Jahres angeboten und somit ist diese Möglichkeit der Anreise schnell und kostengünstig. Fährverbindungen nach Palermo, Messina und Catania gibt es von vielen größeren Hafenstädten Italiens und dem Ausland. Aktuelle Informationen dazu findet man schnell im Internet. Auf der Insel selbst verbinden Straßen und Autobahnen (einige ohne Mautgebühr) die Städte und großen Zentren. Zwischen den verschiedenen Provinzhauptstädten besteht ein gut ausgebautes Netz von Busverbindungen. Fahrten mit der Bahn sind wegen der langen Fahrzeiten dagegen eher schwierig. KLIMA Sizilien ist eine der niederschlagärmsten und zugleich die wärmste Region Italiens. Im Winter ist es an den Küstenregionen eher mild und im Landesinnern kalt. Im Sommer herrscht entlang der Küsten oft ein sehr warmes, aber windiges Klima, während es im Innern der Insel meist drückend heiß ist. Der größte Teil der Nieder-
schläge fällt zwischen Spätherbst und Winter sowie zu Frühlingsbeginn. Allem Anschein nach ist die starre Einteilung der Jahreszeiten nicht mehr möglich, denn in den letzten Jahren gab es durchaus auch regenreiche Sommer oder auch Winter mit abwechselnd heißen Tagen und dann wieder Schneefällen. Aber wie auch immer: Sizilien bleibt ein idealer Ort für Leute, die im Winter die Kletterschuhe nicht in den Keller stellen, sondern warmen Fels in den Händen halten und unter den Sohlen fühlen möchten. Obwohl es im Winter (insbesondere im zentralen, gebirgigen Teil der Insel) immer wieder sehr kalt werden kann, gibt es doch längere Schönwetterperioden, während derer man in Shorts und T-Shirt klettern kann. Wir raten davon ab, in den heißen Sommermonaten Juli und August nur zum Klettern nach Sizilien zu reise. Und doch: Wer die richtige Ausrichtung der Felsen und die richtige Tageszeit erwischt, kann auch im Sommer einige Seillängen machen. Die besten Jahreszeiten sind Frühjahr und Herbst, denn es herrschen nicht nur milde Temperaturen, sondern es bleibt auch lange hell und nicht zuletzt lockt nach dem Klettern ein erfrischendes Bad im Meer.
KARTOGRAPHIE Die Straßenkarte “Sicilia” des Touring Club Italiano im Maßstab 1:200 000 ist genügend detailliert und aktuell, um alle in diesem Führer beschriebenen Orte aufzufinden. Wer genauere Karten benötigen sollte, ist mit den Karten im Maßstab 1:25 000 des I.G.M (Istituto Geografico Militare Italiano) sehr gut ausgestattet. Diese sind für ganz Italien erhältlich, aber nicht immer aktualisiert. Es gibt weitere, sehr genaue Karten im Maßstab 1:50 000 für Schutzgebiete oder Nationalparks. Diese decken aber oft nicht die Gebiete ab, in denen auch die Kletterfelsen liegen. NÜTZLICHE HINWEISE Internetadressen und Facebook-Seiten für aktuelle Infos oder Kontakte zu Kletterern aus Sizilien. INTERNET grupporocciasiracusa.it ymcaclimbingsanvito.it sanvitoclimbingfestival.it scalart.it scuolaestremosud.it scuolabonomo.altervista.org verticalclimbingcentersiracusa.it FACEBOOK Arrampikatipassa Bobo’s Extream Team Climbers Siciliani Climbing House San Vito lo Capo Gruppo Roccia Siracusa San Vito Climbing Festival Scalart Palermo Scinni I dduocu Taormina Vertical Club DWS Sicily Vertical Frame
INDOOR-KLETTERANLAGEN AUF SIZILIEN Siracusa: Vertical Climbing Center, Via Padova 26, Siracusa - 340 7308976 Catania: Etna Climbing Ragalna - Istituto G. Marconi, Via Paternò – Ragalna (CT) - 3358270301 | Cus Catania, Viale Andrea Doria 6, Catania - 095 336186 Ragusa: Red Rock Ragusa, Via Forlanini 36, Ragusa - 351 8608118 Palermo: Scalart, via Sampolo 8 – Palermo 3281054472 | Free Climbing Palermo – via Cirrincione 63 – Palermo – 328 484 1629
BERGRETTUNG Die beiden wichtigsten Rettungsbasen befinden sich in Palermo und am Ätna, was natürlich für die weiter entfernten und/oder abgelegenen Gebiete einen erhöhten Zeitaufwand bedeutet. Trotz eventueller Rettungsmaßnahmen mit Hilfe von Helikoptern kann es also länger dauern, bis die Hilfe vor Ort angelangt ist (zumal bei Nacht oder schlechter Wetterlage). In Notfällen gilt die in ganz Italien verwendete Notfallrufnummer 118. Wir raten euch, einen eventuellen Unfall exakt zu beschreiben und ausdrücklich den Einsatz von Bergrettern zu verlangen. Diese sind sowohl im Osten als auch im Westen stationiert. Ihr vermeidet somit, dass andere Institutionen alarmiert werden, die meist nichts mit Bergunfällen anfangen können. Für Zentral- und Westsizilien Squadre di Soccorso in Palermo 334-9510149 (24 h), für Zentral- und Ostsizilien Soccorso Alpino Guardia di Finanza 095-7916069 (24 h).
REGIONALPARKS UND SCHUTZGEBIETE Auf Sizilien gibt es viele Regionalparks, Naurschutzgebiete oder andere Schutzzonen, und oft liegen die Klettergebiete innerhalb solcher Gebiete. Wir beschränken uns hier auf die Auflistung der wichtigsten Parks. Nähere Informationen sind auf der folgenden website zu finden: parks.it/regione.sicilia Riserva naturale di Monte Pellegrino: V.le Diana snc Palermo tel. 091/6716066. Parco dell’Etna: Vie Etnea 107/a Nicolosi (CT) tel. 095/821111. Parco dei Nebrodi: Via U. Foscolo 1, Alcara Li Fusi (ME) tel. 0941/793904-5 | Parco delle Madonie: Corso P. Agliata 16, Petraia Sottana (PA) tel. 0921/684011. CAMPINGPLÄTZE UND UNTERKÜNFTE Die meisten Klettergebiete liegen nahe bei größeren Orten, in denen es verschiedene Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Nur einzelne Gebiete liegen so weit ab vom Schuss, dass nur noch Zelten übrig bleibt. Hotels, Pensionen, Privatzimmer (Bed & Breakfast), Agriturismi und Campingplätze in allen Preis-und Qualitätskategorien lassen sich heutzutage leicht über das Internet finden, weshalb wir auf eine Auflistung (die zumal schnell veraltet wäre) verzichten. In jedem Kapitel findet ihr beim Stichwort “Stützpunkte” dennoch den einen oder anderen Vorschlag zu diesem Thema. STÜTZPUNKTE Hinweise und Vorschläge dazu gibt es direkt bei den einzelnen Klettergebieten. AUSRÜSTUNG Alle vorhandenen Routen in den Klettergärten sind sportklettermäßig eingerichtet, das heißt mit Bohr- und/oder Klebehaken inklusive der Umlenker, die immer aus zwei miteinander verbundenen Haken bestehen. Seit Jahren hat sich auch auf Sizilien der sogenannte ‘Plaisir-Stil’ etabliert, es wird also kaum vorkommen, dass wegen es wegen weiter Runouts gefährlich wird. Aus diesem Grund reicht hier die normale Kletterausrüstung: Schuhe, Gurt, ein mindestens 60 Meter langes Seil (in manchen Fällen besser 70 oder 80 Meter), bis zu 15 Expressschlingen (bei längeren Routen), Sicherungsgerät, Selbstsicherungsschlinge und Schraubkarabiner für Abseil-/Ablassmanöver. Die Benutzung eines Helmes ist immer zu empfehlen. Im Winter kann es durchaus sehr kalt sein, vergesst also nicht geeignete Bekleidung. Und an sonnigen Tagen solltet ihr immer genügend zum Trinken dabei haben.
AUSWAHLKRITERIEN Bei der Auswahl der Klettergebiete waren für uns folgende Kriterien ausschlaggebend: Schönheit der Gebiete, Absicherung, leichter Zugang und Probleme, die mit Verboten oder Beschränkungen einhergehen können. Dass einige unbedeutende, sehr kleine Sektoren nicht berücksichtigt wurden, ist der Anzahl der Routen und dem schlechten Zustand der Absicherungen geschuldet. Ausnahmsweise tauchen im Führer auch ein paar Mehrseillängenrouten auf, weil sie nämlich in Sektoren mit kurzen Routen starten (z.B.Valdesi bei Palermo, Cattedrale nel Deserto bei San Vito) und so gut abgesichert sind, dass es keiner zusätzlichen Ausrüstung außer der üblichen bedarf (d.h. keine mobilen Sicherungsmittel). WICHTIGE HINWEISE ZUM KLETTERN IN GEBIETEN IN MEERESNÄHE Schon seit einigen Jahren ist bekannt, dass bei der Absicherung mit Bohrhaken in Meeresnähe immer wieder Probleme auftauchen. Nach diversen Unfällen wegen plötzlich gebrochener Inox-Bohrhaken, die in scheinbar gutem Zustand waren, wurde diese Problematik einer genaueren Untersuchung unterworfen. In internationalen Kommissionen, technischen Labors, Konferenzen und weiteren damit befassten Institutionen wurde und wird diese Thematik debattiert. Die Hersteller, die natürlich als erste dazu befragt wurden, gaben insofern schnell Antworten, als sie dem Markt jetzt Inox-Bohrhaken zur Verfügung stellen, die speziell für Gebiete in Meeresnähe geeignet sind (Inox-Stahl 316L). Nach heutigem Wissensstand ist aber Titan das am besten geeignete Material für die Absicherung in meeresnahen Gebieten. Gleichwohl bleibt die Problematik erst einmal bestehen, denn es gibt noch unzählige Routen, die mit den früher benutzten “normalen” Inox-Bohrhaken ausgestattet sind. Auch auf Sizilien sind einige Klettergebiete (auch Mehrseillängenwege)