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Vorwort
Das Alpental Valtellina ist Teil der italienischen Region Lombardei und grenzt im Norden an die Schweiz. Es verläuft parallel zum Alpenhauptkamm und wird von dem Fluss Adda durchzogen: auf der orografisch rechten Seite liegen die westlichen Rätischen Alpen, auf der linken die Orobischen Alpen. Dank der besonderen Lage des Tals, stoßen wir innerhalb weniger Kilometer auf verschiedene Gesteinsarten: Granit im Val Masino, Kalkstein im Alta Valle (oberes Valtellina), Gneis und Schiefer im unteren und mittleren Valtellina, Serpentin im Val Malenco und Verrucano im Val Gerola. Wir befinden uns in einem Gebiet, in dem es noch viel zu entdecken gibt, wo neben weltweit bekannten Klassikern wie dem Sasso Remenno im Val Masino oder dem Klettergarten Zoia im Val Malenco noch jede Menge Platz für neue Linien ist, auf mehr oder weniger bekannten oder bisher noch gar nicht in Betracht gezogenen Felsen. Die wichtigsten Protagonisten sind dabei mit Sicherheit die lokalen Kletterer, allen voran Simone Pedeferri, die die bereits existierenden Klettergärten instand halten und jedes Jahr neue Sektoren und Routen auf höchstem Niveau erschließen. Das Valtellina bietet also eine breite Auswahl an Klettermöglichkeiten und man kann frei nach Laune, Wetter, Schwierigkeiten, Psycho-Anspruch, Kletterstil und Zustiegslänge entscheiden. Dieser Kletterführer will in Hinblick auf die einzelnen Routen möglichst vollständig sein, egal, ob es sich hierbei um Sport- oder Tradrouten handelt und egal, ob bequem zugänglich oder fern ab der Zivilisation. Daneben werden in wenigen Fällen auch Mehrseiltouren aufgelistet, aber nur, wenn es sich dabei um eingebohrte Plaisir-Routen handelt und sie sich in einem Klettergarten mit kurzen Sportrouten befinden. Dieses Buch wendet sich nicht nur an den klassischen Klettergarten-Kletterer, der auf der Suche nach kurzen Zustiegen und Hakenabständen ist, sondern auch an Abenteuerfreunde, die sich über wilde Natur, entlegene Orte und kaum bekannte Linien freuen. Wer auf der Suche nach sicheren Klettergärten mit entspannten Hakenabständen, einfachen Graden, bequemen Zustiegen und für Kinder geeigneten Wandfüßen ist, hat im Valtellina die Qual der Wahl: das sind zum Beispiel der Klassiker Sasso Remenno, Sassello, Castelvetro, Castelli oder Migiondo. Schwierige Routen dagegen gibt es überall im Val Masino, nennenswert hier sind die Nordwand des Sasso Remenno, Strombix, Formaggino, Grotta del Ferro, oder im Val Malenco in den Klettergärten Zoia, Prese, Terrazza, und im Alta Valtellina in den Klettergärten Isolaccia, Discarica Abusiva, Crap de la Tureglia. Für Trad-Fans gibt es im Val di Mello viel zu tun, hier gibt es zahlreiche Risse, Schuppen, Verschneidungen, die komplett oder teilweise selbst gesichert werden müssen. Für diese Routen braucht man in den meisten Fällen bereits Erfahrung, das entsprechende Material und die Fähigkeit, die Situation in Hinblick auf das eigene Können richtig abschätzen zu können, denn einen Teleskopstab für Friends und Nuts gibt es noch nicht, bis jetzt zumindest...Auch im Val Masino gibt es einige Trad-Juwelen, wie beispielsweise der Riss von BUDINO in der Westwand des Sasso Remenno, AMPLESSO DI FARFALLE am Masso del Ripetitore, MISSIONE AFRICA (kann trotz der BH auch komplett clean geklettert werden) im Sektor Missione Africa, LA SIGNORA DEL TEMPO und LA SIGNORA DEL TAMPAX im Tempio dell’Ende, LA CREPA DEL BAMBA im Sarcofago und BOROTALCO im Sektor Dimore degli Dei. Zu guter Letzt ist da noch die Kategorie „Old but Gold“, für alle die auf der Suche nach Klettergeschichte und Routen sind, die heute vielleicht wegen ihres Stils aus der Mode sind und von der Masse ignoriert werden, wie etwa die typischen Reibungsplatten des Val Masino. Diese Kletterer gehören nicht zwangsweise zur Kategorie Senior, im Gegenteil, einige sind noch sehr jung, davon zeugen auch die Interviews mit Luca Schiera und Niccolò Bartoli. Für sie gehören auch Bregolana, die Platten des Giardino und Alkekengi zu den Top-Klettergärten: hier werden die Hakenabstände lang und der Herzschlag schneller... Und so ist dieser Führer ein bisschen wie ein Kochbuch, bei dem man sich das Gericht je nach den gewünschten Zutaten aussuchen kann, um einen gelungenen Klettertag erleben zu können.