50 Jahre - 50 Gesichter des Fairen Handels

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50 Jahre – 50 Gesichter 50 Jahre Fairhandels-Pionier El Puente bedeutet 50 Jahre besonderer Momente voller Erinnerungen, großartiger Geschichten, unvergesslicher, persönlicher Erfahrungen und eine Vielzahl verschiedenster Menschen.



50 Jahre El Puente – 50 Gesichter des Fairen Handels 50 Jahre ist es her, seitdem junge Menschen in Hildesheim zusammenkamen, um den globalen Ungerechtigkeiten etwas entgegenzusetzen. Am 23. Juni 1972 gründeten sie den El Puente e.V. 50 Jahre in denen viele Menschen den Fairen Handel begleiteten, gestalteten und prägten. Zum Goldenen Jubiläum des El Puente Vereins haben wir uns dazu entschlossen, das Scheinwerferlicht auf die Menschen zu richten, die bei oder mit El Puente arbeiten, oder die als Wegbegleiter an unserer Seite sind. In 50 verschiedenen Interviews sprechen wir über ihre Arbeit, über ganz persönliche Wege und Geschichten, Visionen und Motivationen. Die Interviews sind auf ganz unterschiedliche Arten entstanden. Mit manchen sprachen wir persönlich, andere am Telefon, wieder andere schickten Sprachnachrichten oder beantworteten die Fragen schriftlich. Wir möchten allen Beteiligten herzlich danken, dass sie sich die Zeit genommen haben, unsere teilweise etwas kniffligen Fragen zu beantworten und uns so einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren. Zusammengekommen sind wunderbare, spannende, lustige und rührende Interviews mit Mitarbeiter*innen, Handelspartner*innen, Engagierten und Wegbegleiter*innen, die alle eins gemeinsam haben, das große Herz für den Fairen Handel! Danke auch an die Sparkasse Hildesheim, die uns finanziell bei der Umsetzung dieser Festschrift unterstützt hat! Anna Ritgen Redaktion Fair & Green


>> Richard Bruns <<

„Wenn wir weiterhin die halten und die Mensche nutzen, wird es keine Ge und keinen dauerhaften können.“ Richard Bruns, Gründer von El Puente

Richard Bruns

Fangen wir ganz von vorne an. Richard, Du hast El Puente mitgegründet. Wie hat die Geschichte von El Puente angefangen? Die hat schon vor 53 Jahren begonnen. Es gab einen ökumenischen Jugendkongress in Hannover im Jahr 1968. Hier haben sich die evangelischen und katholischen Jugendlichen landesweit getroffen, um über Gerechtigkeit zu diskutieren. Ich war damals Dekanatsführer der katholischen Jugend im Dekanat Dinklar. Wir haben mit über 40 Jugendlichen daran teilgenommen und uns auf der Rückfahrt gefragt, war´s das? Für uns war klar, wir müssen etwas tun. Darauf hin haben wir eine Seminarreihe entwickelt, im Frühjahr 1969, über fünf Abende. An diesen fünf Abenden kamen insgesamt 280 Jugendliche. Und der letzte Abend stand unter der Frage „Problem der Entwicklungsländer? Was können wir tun?“ Mit dabei war ein Missionsbruder aus Paraguay auf Heimaturlaub, der hat über seine Arbeit in Paraguay berichtet. Wir waren so fasziniert und begeistert, dass wir spontan den ökumenischen Arbeitskreis Entwicklungshilfe gegründet haben, genauer gesagt am 23. Juni 1969. Das ist unser eigentliches Geburtsdatum. Aus rechtlichen Gründen haben wir drei Jahre später den Verein El Puente gegründet, wir wollten eine Brücke der Partnerschaft

hat vor 50 Jahren El Puente mitgegründet. Seitdem engagiert er sich mit einer immensen Energie für den Fairen Handel, ob im Verein oder lange Zeit als Aufsichtsratsvorsitzender der El Puente GmbH. Die Ideen und Leitgedanken des 77-Jährigen haben die Richtung von El Puente entscheidend geprägt.

sein. Dies war logischerweise wieder am 23. Juni 1972 im Pfarrheim der Nordstadtgemeinde St. Johann. Dazu habe ich noch eine kleine Anekdote: Wir haben die ersten Aktionen durchgeführt und mit Altkleidersammlungen begonnen, um die Missionsstation zu unterstützen. Bei der Vorbereitung dazu hat eine junge Dame, die Sprachtherapeutin bei der AWO in Bad Salzdetfurth war, einen von uns ausgelegten Altkleidersack gefunden. Sie hat angerufen und gefragt, ob sie mitarbeiten könne. Darauf hin ist sie zu einer unserer Veranstaltungen gekommen. Und daraus ist dann Liebe geworden. Inzwischen sind wir fast 47 Jahre verheiratet, haben zwei Töchter und drei Enkel. Das heißt, der Altkleidersack war unser Heiratsvermittler. (lacht)

Wann und wie habt Ihr Eure ersten Produkte importiert? Das war Versuch und Irrtum. Ich bin 1970 Lehrer geworden, vorher war ich noch Studierender in Braunschweig. Mit meinem ersten Lehrergehalt habe ich meine Flugreise nach Paraguay finanziert. Dort haben wir festgestellt, dass die Leute fantastische Produkte herstellen. Zunächst importier-

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ten wir Lederprodukte, also Schultaschen und Rucksäcke. Diese Dinge kamen sehr gut an.

Dann haben wir aber erfahren, dass es in Holland, direkt an der Grenze zu Deutschland, eine Organisation mit dem Namen Stichting SOS gibt, die schon länger fair gehandelte Produkte importiert. Gemeinsam mit meinem Freund Klaus Möller bin ich dort hingefahren und habe in der Adventszeit 1971 aus Holland die ersten fair gehandelten Produkte geholt. Diese verkauften wir in einem Jugendraum der evangelischen Lamberti Gemeinde am Neustädter Markt an den Samstagen im Advent. Wir haben fast alle Produkte verkauft. Das hat uns ermuntert, in den nächsten beiden Jahren, jeweils in der


>> Richard Bruns <<

esen Lebensstil en weiter auserechtigkeit n Frieden geben

Adventszeit eine Eisdiele anzumieten und vier Wochen unsere Produkte zu verkaufen. Damit haben wir nachweisbar die ersten fair gehandelten Produkte in Norddeutschland verkauft. Diese Produkte wurden uns aus den Händen gerissen, das war unwahrscheinlich erfolgreich. So wagten wir den Schritt und eröffneten einen eigenen Weltladen. Damals gab es aber den Begriff Weltladen noch nicht. Wir nannten uns Lateinamerika-Markt, weil wir unsere Produkte von dort bezogen haben. So haben wir dann am 22. Juni 1974 den Laden in der Osterstraße 10 eröffnet. Am Montag stand ein riesen Artikel über uns in der Zeitung, zusammen mit einem tollen Bild. Dieses zeigte drei junge Damen in ihrer typischen Tracht, die barfuß vor unserem Laden getanzt haben. Darunter unsere jetzige Vereinsvorsitzende, Rosita Jung-Concha, eine gebürtige Chilenin. Das Bild und der Artikel waren die beste Werbung für uns. Es hängt übrigens heute noch im Weltladen.

Dein Leitgedanke war immer: „Seid Ihr Jugend Lobby für die Dritte Welt“. Welche Geschichte steht dahinter? Das war 1968 auf dem ökumenischen Jugendkongress. Der damalige Entwicklungshilfeminister Erhard Eppler war vor Ort. Wir Jugendlichen haben ihn damals zur Rede gestellt. Aus unserer Sicht tat die Bundesregierung zu wenig für die Länder der Dritten Welt. Er hat uns recht gegeben und hinzugefügt: „Wir Politiker sind nur so stark, wie der Wählerwille, der uns trägt. Seid Ihr Jugend Lobby für die Dritte Welt.“ Das ist zum Leitwort meines Lebens geworden. Uns geht es mittlerweile so gut hier in Deutschland. Die Deutschen haben den furchtbaren zweiten Weltkrieg angefangen und Unheil über die Welt gebracht. Jetzt geht es uns gut, wir leben in Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit. Diese Gerechtigkeit müssen wir anderen weitergeben.

Damals wart Ihr eine große Jugendbewegung, die für Gerechtigkeit in der Welt eingetreten ist. Siehst Du Parallelen zu anderen Jugendbewegungen heute? Ich bin auch Mitbegründer der Grünen in Deutschland. Als wir unser 40-jähriges Bestehen Anfang Januar 2020 in Berlin gefeiert haben, fand genau an dem Tag auch eine große Demonstration von Fridays for Future statt. Die Gründerin Greta Thunberg war auch dabei. Es sind Tausende von Jugendlichen durch die Straßen von Berlin gelaufen. Ich habe mich genau daran erinnert gefühlt, als wir angefangen haben, noch in der kirchlichen Jugendarbeit, 1969/1970, Friedens- und Hungermärsche auch in Hildesheim zu organisieren. Mir ist der Gedanke gekommen, dass meine Generation irgendwo versagt hat. Sie ist abgetaucht, hat im Wohlstand gelebt. Jetzt gibt es wieder junge Menschen, die auf die Straße gehen. Ich muss ehrlich sagen, ich habe mich so wohl gefühlt. Ich habe mich 40 Jahre zurückversetzt gefühlt und mich gefreut, dass diese jungen Menschen jetzt das Heft in die Hand nehmen. Die Jugend wird aktiv, jetzt für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit, wir damals für den Fairen Handel und Gerechtigkeit. Toll! Ich bin in dem Moment 40 Jahre jünger geworden. Mit Schmunzeln und mit viel Freude.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft, was denkst Du, 50 Jahre weiter, wo steht der Faire Handel? Das ist eine große Frage. Mit dem Fairen Handel können wir unseren Partnerinnen und Partnern, angemessene und gerechte Preise zahlen, sodass sie ihre Familien versorgen können, dass ihre Kinder die Schule besuchen können, dass sie Gesundheitsvorsorge betreiben können. Damit ist unsere Arbeit auch Friedensarbeit. Wir haben zur Zeit diesen unsäglichen Krieg in der Ukraine. Wenn wir weiterhin diesen Lebensstil halten und die Menschen weiter ausnutzen, wird es keine Gerechtigkeit und keinen dauerhaften Frieden geben können. Deshalb begegnen wir den Menschen auf Augenhöhe, nehmen sie ernst, als Partnerinnen und Partner, ihre Arbeit, ihre kulturellen Werte, wir bezahlen sie angemessen. So können die Menschen auch in ihren Ländern bleiben. Dann haben die Jugendlichen eine Zukunft und eine Perspektive. Sie können in ihren Dörfern bleiben. Sie müssen nicht in die

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Slumstädte ziehen oder sich gar als Flüchtlinge in die Gefahr begeben im Mittelmeer zu ertrinken. Das ist die beste Entwicklungs- und Friedensarbeit und ich hoffe, dass immer mehr Menschen bewusst wird, dass wir Vorsorge betreiben müssen. Am Fairen Handel geht nichts vorbei. Fairer Handel ist die beste Friedensarbeit, die man sich vorstellen kann.

Was war Deine Motivation Dich über all die vielen Jahre ehrenamtlich so stark zu engagieren? Die Grundlage ist bei mir der christliche Glaube. Ich bin in einem einfachen katholischen Elternhaus aufgewachsen. Für meine Familie war es selbstverständlich, dass wir zur Kirche gingen, das war kein Zwang, ich bin gerne hingegangen. In der katholischen Jugendarbeit war ich später in der Dekanats- und Diözesanführung der katholischen Jugend im Bistum Hildesheim. Hier habe ich erlebt, dass wir als Jugendliche eine ganze Menge gestalten können. Meine Eltern mussten jeden Pfennig umdrehen, damit mein ältester Bruder und ich ein Gymnasium besuchen können, als Kinder aus dem Arbeiterhaushalt. Ich habe mir nie vorstellen können, dass es mir mal wirtschaftlich so gut gehen würde, denn ich wurde später Lehrer und dann auch Schulleiter. Um’s Geld musste ich mir nie mehr Sorgen machen. Dann muss man auch bereit sein und Verantwortung tragen. Ich behaupte nach wie vor, der Wohlstand hier in Deutschland, in Europa und Nordamerika usw. basiert auch heute noch auf den ungerechten Handelsstrukturen zulasten der Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Ich bin jetzt fast 77 Jahre, aber ich fühle mich im Herzen immer noch jung. Das Engagement hat mich auch jung gehalten. Wir haben gemeinsam mit vielen Jugendlichen und später mit Erwachsenen Verantwortung übernommen. Menschen sind nicht nur träge und faul, sie wollen sich engagieren. Ich bereue es nicht, dass wir diesen Weg gegangen sind und ich glaube, ich kann rückblickend sagen, wir haben diese Welt ein klein bisschen menschlicher, gerechter und auch bewohnbarer gemacht. So können wir auch Vorbild für unsere Kinder und Enkelkinder sein. Das alles macht mich ganz zufrieden und deswegen blicke ich optimistisch in die Zukunft.


>> Achim Franko <<

Wie bist Du zum Fairen Handel gekommen? Der Faire Handel beschäftigt mich seit meinem Studium der Landschafts- und Freiraumplanung. Meine ersten Berührungspunkte hatte ich 1998 im Rahmen eines Praktikums bei einer Umweltstiftung in Costa Rica, wo ich mich mit Umweltund Sozialstandards im Bananenanbau auseinandergesetzt habe. Dabei habe ich mich kritisch mit den sozialen und ökologischen Bedingungen auf den Plantagen von Chiquita und Del Monte befasst und hatte auch Kontakt mit BanaFair. Nach dem Studium war ich freiberuflich als Bildungsreferent im Globales Lernen aktiv, wo der Faire Handel auch eine wichtige Rolle gespielt hat. So richtig bin ich dann 2009 im Fairen Handel gelandet, als ich die Stelle der Fair-Handels-Beratung Thüringen übernommen habe.

Kannst Du Dich noch an Deinen ersten Besuch in einem Weltladen erinnern? Das war der Weltladen in Hannover-Linden, wo ich während des Studiums gewohnt habe. Besonders hat mich damals neben Schokolade, Kaffee und Tee die Bücherecke interessiert, da es dort Literatur von Autor*innen aus dem Globalen Süden gab, die ich sonst nirgendwo gefunden habe.

Was hat sich seitdem verändert? In den 90er Jahren sahen die Weltläden halt noch etwas sehr nach „Tante-Emma-Laden“ aus. Von Sortimentsgestaltung und Professionalisierung war damals noch wenig zu

spüren. Auch die Bedienung hat manchmal sehr lange gedauert, je nachdem, wer gerade Kassendienst hatte. In dieser Hinsicht hat sich natürlich viel getan und das gesamte

Achim Franko, Koordinator der Fair-Handels-Beratung & Fair-Handels-Berater in Thüringen

Der Weltladen der Zukunft wäre nach meinem Idealbild ein professionell und hauptamtlich geführter Weltladen

und auf Suffizienz und Nachhaltigkeit ausgerichteten Laden- und Sortimentsprofil. Und mit vielen Kooperationen mit anderen Bewegungen, wie z.B. Solidarischer Ökonomie, Gemeinwohlökonomie, Unverpackt etc.

Durch Deine Tätigkeit als Fair-HandelsBerater hast Du auch El Puente ganz gut kennengelernt. Wie würdest Du El Puente mit drei Worten beschreiben? El Puente = (Pionier in puncto) Nachhaltigkeit, Fairness und Transparenz.

Dein faires Lieblingsprodukt aus dem El PuenteSortiment? Die Dattel-Trüffel mit Hibiskus von SEKEM sind einfach super lecker und immer ein tolles Geschenk. Hinzu kommt die hohe Wertschöpfung im Herkunftsland durch die Produktion und Weiterverarbeitung in Ägypten.

Achim Franko Erscheinungsbild und die Produktpalette sind viel professioneller und qualitativ hochwertiger geworden. Das Thema Hauptamtlichkeit ist aber nach wie vor für viele Weltläden – vor allem in den östlichen Bundesländern – eine große Herausforderung.

Wie sieht Deiner Meinung nach der Weltladen der Zukunft aus? Der Weltladen der Zukunft wäre nach meinem Idealbild ein professionell und hauptamtlich geführter Weltladen – auch in kleineren Städten – mit einem ansprechenden

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besuchte bereits während seines Studiums immer mal wieder den örtlichen Weltladen. Seit 2009 arbeitet er als Fair-Handels-Berater in Thüringen mit Teams aus zahlreichen Weltläden, den Fachgeschäften des Fairen Handels, zusammen und berät sie fachkundig von der Bildungsarbeit, über Teamfragen bis hin zum Verkauf in diversen Bereichen. Zudem koordiniert er die bundesweite Fair-HandelsBeratung.


>> Amos Bucher <<

Amos Bucher

von fairfood ist Geschäftsführer andels-UnterFreiburg. Das Fairh einfach die besten nehmen vertreibt die wir kennen. Fair-Trade-Nüsse, n wir seit einigen Darum kooperiere gagier ten Team. Jahren mit dem en

Fairfood Freiburg ist ein junges und erfolgreiches Fair-Trade-Unternehmen. Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, fair gehandelte Nüsse zu vertreiben? Wir waren von der Idee, Cashewkerne fair zu produzieren und sie direkt in Afrika zu verarbeiten, ohne den Umweg über Asien zu gehen, begeistert. Die Idee bestand darin, die Wertschöpfung im Herkunftsland zu erhöhen. Durch Zufall lernte ich den späteren Mitgründer Okey Ugwu kennen. Seine Heimatregion in Nigeria ist bekannt für ihren Reichtum an Cashewbäumen. Leider wurden bis dahin über 90% der Kerne zur Verarbeitung exportiert. Wenige Monate später gründeten Okey, Amos, Julian und Tobi (Brüder, Cousins und Freunde) Cashew for You (heute: fairfood). Nächste Station: Enugu State, Nigeria. Gemeinsam bauten wir auf dem Hof von Okeys inzwischen verstorbenen Eltern eine Cashew-Produktion auf. Ein Jahr später stieß Mark als Verstärkung des Teams in Deutschland hinzu. Heute sind in der Produktion in Nigeria mehr als 30 Menschen beschäftigt, während das Freiburger Team auf rund 60 Mitarbeitende angewachsen ist.

Amos Bucher, Geschäftsführer von fairfood Freiburg

Fairness als Must-Have Welche Zukunftsvisionen habt Ihr für fairfood Freiburg?

Bei fairfood Freiburg habt Ihr einen ganzheitlichen Ansatz. Nicht nur Fair Trade spielt eine bedeutende Rolle, sondern auch Less Waste. Wie würdest Du Eure Firmenphilosophie beschreiben?

Wir arbeiten an einer Zukunft, in der Farmer:innen die Rohstoffe nicht nur ernten, sondern auch an der Verarbeitung verdienen. In der die gesamte Lieferkette der weltweit angebauten Rohstoffe transparent ist. Und pflanzliche Ernährung und Mehrwegverpackungen gesetzter Standard sind.

Fairness ist nicht der einfachste Weg, aber der einzige. Deshalb gehen wir ihn mutig, motiviert und miteinander. Nicht für das gute Gefühl, sondern aus Überzeugung. Nicht als Nice-to-have, sondern als Must-have für die Zukunft unseres Planeten. Für uns ist Fairness mehr als ein Trend, ein Siegel oder eine Werbestrategie. Fairness ist die Grundlage für alles, was gut ist. Gut für Mensch, Umwelt und Wirtschaft. Weil echte Fairness sozial, ökologisch, transparent und profitabel ist – für alle. Dann ist es fair. Dann ist es fairfood.

Welches ist Dein liebstes Gericht mit fairen Nüssen? Vegane Nuss-Bolognese!

Hier ist Platz für ein paar Geburtstagswünsche, die Ihr El Puente mit auf den Weg geben wollt. Wir sind dankbar für den Weg, den El Puente vielen Menschen und Unternehmen durch seinen Pioniergeist im Fairen Handel geebnet hat. Wir wünschen euch ein rauschendes Fest und viel Energie und Freude für die kommenden 50 Jahre!

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>> Moon Sharma <<

Liebe Moon, kannst Du uns etwas zur Arbeit von Tara erzählen?

„Im Fairen Handel sind die Produzent*innen wichtiger als das Produkt selbst.“

Tara ist eine Fair Trade Organisation mit dem Sitz im indischen Delhi. Seit mehr als vier Jahrzehnten schafft Tara bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen für benachteiligte Kunsthandwerker*innen und andere benachteiligte Gruppen – und das alles auf der Basis des Fairen Handels. Durch diese Arbeit können wir das Leben von mehr als 5.000 Kunsthandwerker*innenfamilien verbessern. Dabei haben wir zumeist den Schwerpunkt unserer Arbeit auf der Unterstützung von Frauen und anderen benachteiligten Gruppen.

finanzielle Unterstützung konnten wir mehr als 25.000 Menschen in den Gemeinden helfen. Und die Arbeit geht weiter.

Tara vertreibt ein großes Kunsthandwerkssortiment mit Produkten wie Schmuck und Mode-Accessoires, die vor allem aus natürlichen Rohstoffen hergestellt werden. Tara unterstützt nicht nur die Produzent*innen durch den Handel, sondern leistet auch viel wichtige Arbeit für die Gemeinschaft, zum Beispiel in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Fortbildungen, Gleichberechtigung und Umweltschutz. Damit setzt sich Tara gegen Armut ein, um den Menschen so ein Leben in Würde und mit einem fairen Einkommen zu ermöglichen. Tara ist zudem sehr engagiert in der Nothilfe, wie sich besonders während der weltweiten Corona-Pandemie gezeigt hat. Durch Lebensmittelspenden, Gesundheitsangebote und

Wir arbeiten mit zahlreichen Kunsthandwerker*innen im Norden von Indien zusammen. Die meisten von ihnen gehören benachteiligen Gesellschaftsgruppen an, viele von ihnen sind Frauen oder Mirgrant*innen. Wir arbeiten auch viel mit Menschen zusammen, die die ländlichen Regionen verlassen haben und in den großen Städten ihr Glück gesucht haben. Meistens leben diese dann in den großen Slums der Städte. Die Kunsthandwerker*innen und Weber*innen arbeiteten zumeist im informellen Sektor. Ihr Leben ist bestimmt von Unsicherheiten und Unwegbarkeiten, weil ihnen die reguläre Arbeit fehlt, sie keine Unterstützung in der Weiterentwicklung oder bei Designfragen bekommen. Sie arbeiten dort

Moon Sharma, Geschäftsführerin von Tara aus Indien

Kannst Du uns mehr über die Kunsthandwerker*innen erzählen, mit denen ihr arbeitet? Über ihr tägliches Leben, ihre Träume und Sorgen?

unter schlechten Bedingungen und erhalten keinen fairen Preis für ihre Arbeit. Wir arbeiten also mit Produzent*innen, die Unterstützung benötigen und die zuvor in ihrer Arbeit oftmals ausgebeutet wurden. Viele von ihnen hatten zuvor kaum die Möglichkeiten, ihre Familien zu versorgen, die oftmals sehr groß sind und aus sieben bis acht Personen bestehen. Ihre Kinder konnten nicht zur Schule gehen und das ganze Leben war eine große Herausforderung für sie. Tara hilft diesen Menschen, indem wir Trainings und Weiterbildungen anbieten. Außerdem bieten wir ihnen einen Marktzugang mit der Hilfe anderer Fair Trade Organisationen. Durch diese Zusammenarbeit, ist den Produzent*innen der Wert ihrer Arbeit, die Wichtigkeit von guten Arbeitsbedingungen und fairem Einkommen immer bewusster geworden. In den Werkstätten von Tara arbeiten sie unter deutlich besseren Bedingungen. Sie konnten ihre handwerklichen Fähigkeiten weiter verbessern und erfuhren mehr über die Wichtigkeit von Design und Qualität. Auf diese Weise, sind sie in eine aktivere Rolle gekommen. Durch weitere Programme von Tara können wir die Menschen für Gesundheits- und Hygienethemen sensibilisieren. Die meisten Kinder können nun zur Schule gehen, die Kinder lernen Yoga und die Mädchen werden zudem in Selbstverteidigung unterrichtet. Ein Beispiel einer jungen Kunsthandwerkerin aus dem Dorf Khivai im Bundesstaat Uttar Pradesh zeigt diese Entwicklung besonders deutlich. Als sie zu Tara kam, war ihr Leben extrem schwierig. Ihr Ehemann hat sie und ihre drei Kinder verlassen. Mit der Hilfe von Tara, schaffte sie es, wieder Kontrolle über ihr Leben zu erlangen.

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>> Moon Sharma <<

Moon Sharma

häftsführerin ist nicht nur Gesc rganisation Tara der Fairhandels- O auch Teil der aus Indien. Sie ist ppe PaCo von Gesellschaf tergru n NetzwerEl Puente und in de dels, wie der ken des Fairen Han WFTO, engagier t.

Gemeinsam mit Frauen, die sich in einer ähnlichen Situation befanden, startete sie eine Kunsthandwerkerinnengruppe. Sie verbesserten ihre handwerklichen Fähigkeiten, bekamen mehr Aufträge, erhielten ein besseres Einkommen und somit auch mehr Mut und Selbstvertrauen. Sie selbst konnte nie eine Schule besuchen, aber ihre Kinder können dies heute. Zudem hilft sie mehr Frauen aus ihrem Dorf. Die Frauen haben kein leichtes Leben, auch aufgrund der Stellung der Frau in ihrem Umfeld. Aber sie verfolgen stets ihren Traum, ihren Kindern, insbesondere ihren Töchtern, durch eine gute Bildung ein besseres Leben zu ermöglichen.

Wie genau profitieren die Produzent*innen vom Fairen Handel? Der Faire Handel bringt das dringend benötigte Selbstbewusstsein in ihr Leben. Sie wissen nun von ihren Rechten und können sich dafür einsetzen. Die Fairhandels-Fa-

milie beruht auf bestimmten Werten: Langfristige Beziehungen auf Augenhöhe, Vertrauen, Respekt und Transparenz. Alles unter dem Dach der Fairhandelsprinzipien. Im Fairen Handel sind die Produzent*innen wichtiger als das Produkt selbst. Sie erfahren das und werden ermuntert, sich aktiv einzubringen und mitzuentscheiden. Sie bekommen einen besseren Lohn als im konventionellen Handel. Sie verbessern ihre Fähigkeiten. Ihre Kinder können zur Schule gehen, sie bekommen Unterstützung im Bereich der Gesundheit und Mikro-Kredite. Sie erhalten Informationen zum Umweltschutz. Gleichberechtigung wird im Fairen Handel gelebt. Tara unterstützt Frauen darin, Führungspositionen einzunehmen, auch wenn dies im Kontext der Gesellschaft sehr herausfordernd ist. Es ist ein langer Weg, aber wir arbeiten daran, dass immer mehr Menschen vom Fairen Handel profitieren und ihnen ein besseres Leben ermöglicht.

Du kennst Deutschland ziemlich gut, nicht zuletzt weil Du als Referentin im Rahmen der Fairen Woche die Bundesrepublik bereist hast. Was ist Dir besonders in Erinnerung geblieben? Ich bin sehr dankbar, dass El Puente mir die Möglichkeit gegeben hat, Deutschland während der Fairen Woche zu besuchen.

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Ich konnte viele Menschen aus dem Fairen Handel kennenlernen, die verantwortungsvollen Kund*innen und die vielen Ehrenamtlichen, die in den Weltläden arbeiten. Es war eine so bereichernde Erfahrung. Die Faire Woche hat mir eine Plattform gegeben. Ich konnte viele unterschiedliche Städte und Weltläden kennenlernen. Beeindruckt haben mich besonders die ehrenamtlich Engagierten. Sie arbeiten so hart und mit so viel Leidenschaft daran, unsere Produkte zu verkaufen und dem Fairen Handel in Deutschland eine Stimme zu geben. Sie arbeiten ganz selbstlos für ein höheres Ziel, für Menschenwürde und Gerechtigkeit. Mein größter Respekt gilt all diesen Menschen! Für mich sind sie das Rückgrat der Fairhandelsbewegung. Wir sind so dankbar für ihre wertvolle Arbeit. Ich war auch beeindruckt vom Enthusiasmus des El Puente Teams. Es ist die erste und einzige Organisation, die ich kenne, die durch die Vereinigung PaCo als Gesellschaftergruppe auch die Handelspartner zu einem festen Bestandteil des Unternehmens gemacht hat. Es ist eine tolles Beispiel für echte Mitbestimmung.


>> Jette Ladiges <<

Jette Ladiges

rin von ist neue Geschäftsführe kt des un El Puente. Zum Zeitp ts als Interviews stand sie berei geschäftsNachfolgerin der Interims sen, Besnik führung von Gesa Peter duska fest, he Terholli und Rafael Oc TO tätig. war aber noch für die WF Interview Die Vorfreude war beim deutlich bereits auf allen Seiten n! zu spüre Liebe Jette, Du hast bisher Dein gesamtes Arbeitsleben im Ausland verbracht. Und ebenfalls den größten Teil davon im Fairen Handel. Welche Stationen bist Du konkret durchlaufen? Zuerst habe ich während meines Studiums der Soziologie und Politik in Neuseeland in einem Sozialunternehmen gearbeitet. Das Modeunternehmen hat Frauen beschäftigt, die ansonsten keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hätten. Meine Masterarbeit im Bereich Businessmanagement habe ich zusammen mit der neuseeländischen Fairhandels-Organisation Trade Aid gemacht. Danach habe ich angefangen bei Trade Aid als Sales-Koordinatorin mit dem Schwerpunkt Kunsthandwerk zu arbeiten. Zum Teil war ich im Einkauf tätig, zum Teil im Produktdesign, aber hauptsächlich in der Markterschließung.

Dann bin ich zurück nach Europa gezogen und wollte natürlich im Fairen Handel bleiben. So habe ich als Partnershipsmanagerin der WFTO angefangen. Dabei habe ich vor allem drei Arbeitsschwerpunkte. Zum einen die Koordination der Arbeit mit Initiativen und Bewegungen, die ähnliche Ziele wie der Faire Handel haben, wie zum Beispiel Fashion Revolution. Ein weiterer Aufgabenbereich ist die Markterschließung für unsere Mitglieder. Wir schauen zum Beispiel, welche Ansatzpunkte es in Bezug auf lokale Märkte gibt, also Süd zu Süd oder Nord zu Nord. Ein weiteres Projekt war gemeinsam mit der Luxusmarke Cloé. Diese möchte mindestens 20% ihrer Lieferketten auf den Fairen Handel umstellen und dabei durch WFTO-Mitglieder beliefert werden. Das ist gar nicht so einfach, da Sozialunternehmen meist anders aufgestellt sind. Im ersten Schritt muss man einem großen Unternehmen wie Cloé erklären, wie Sozialunternehmen und der Faire Handel funktionieren. Auf der anderen Seite muss man auch den WFTO-Mitgliedern erklären, was bei der Zusammenarbeit zu beachten

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ist. Denn sie sind es natürlich gewohnt, mit Partnern wie El Puente zusammenzuarbeiten, die ein viel besseres Verständnis für ihre Situation haben. Der dritte Punkt, für den ich verantwortlich bin, sind die unterschiedlichen Projekte bei der WFTO, wie Made 51 gemeinsam mit der UNCHR.

Es gibt ja viele Bereiche, in denen man sich für eine gute Sache engagieren kann. Warum ist es für Dich gerade der Faire Handel geworden? Für mich geht es gar nicht unbedingt um den Fairen Handel, das ist das Sahnestück obendrauf. Für mich geht es um Unternehmen, die anders strukturiert sind. Ich glaube, dass wir ganz große strukturelle Probleme in der Welt haben und dass wir gerade in der Wirtschaft unbedingt umdenken und andere Lösungsansätze finden müssen. Hier sehe ich auch den großen Unterschied zwischen Fair Trade International und der WFTO. Denn die WFTO betrachtet ein Unternehmen im Ganzen.


>> Jette Ladiges <<

Der Faire Handel ist „ auch ein Proof of concept, eine Art Werkzeug, der Welt zu zeigen, es geht auch anders.

Jette Ladiges, Geschäftsführerin von El Puente und zum Interviewzeitpunkt Partnerships Managerin bei der WFTO

Deswegen habe ich erst im Sozialunternehmen gearbeitet und bin dann bei Trade Aid gelandet, weil das beides Unternehmen sind, die eine andere Struktur haben, die Menschen und Natur vor Profitmaximierung stellen. Und trotzdem sind sie als Unternehmen lebensfähig. Das ist für mich faszinierend.

spiel, dass Deine Kinder in den Kindergarten gehen können oder dass Geld übrig bleibt, um die Kinder zur Schule zu schicken oder um Dich selbst weiterzubilden. Auch bei meinen Besuchen vor Ort hat sich diese Wirkung gezeigt. Und, dass vor allem die anderen Strukturen dem wirklich nachhelfen.

Es zeigt, dass die Idee, anders zu wirtschaften, keine Utopie ist, sondern dass es bereits Unternehmen gibt, die das sehr erfolgreich machen. Für mich ist der Faire Handel damit auch ein „Proof of concept“, eine Art Werkzeug, der Welt zu zeigen, es geht auch anders. Darum bin ich auch sehr gespannt auf El Puente, als Unternehmen mit einer Struktur, die Mitarbeiter*innen und vor allem auch die Handelspartner als Gesellschafter miteinbezieht. Das finde ich faszinierend.

Oft hat sich auch gezeigt, dass wir uns ein Stück von den Unternehmen im Globalen Süden abschneiden können. In Europa hängen wir mittlerweile ganz schön hinterher. Das ist nochmal ein anderer Ansatz zu schauen, was kann man von den Organisationen im Globalen Süden lernen?!

Bei Deinen bisherigen Tätigkeiten hast Du auch viel Kontakt zu den Handelspartnern im Globalen Süden gehabt und warst auch des Öfteren vor Ort. Was war Dein Eindruck, kann der Faire Handel vor Ort wirklich eine Veränderung bewirken? Definitiv. Gerade die WFTO-Mitglieder können eine Veränderung bewirken, weil sie in ihrer Community fest integriert sind. Es geht nicht nur darum, ein bestimmtes Projekt zu zertifizieren und vielleicht eine Prämie dafür zu zahlen. Es geht darum, dass die Unternehmen andere Strukturen haben, dass die Produzent*innen vertreten sind, mit im Vorstand sitzen usw. Sie agieren im Sinne der Leute, die für dieses Unternehmen arbeiten. Natürlich – wenn Du mehr Mitspracherecht hast, dann hat das Unternehmen einen ganz anderen Impact. Du möchtest dann zum Bei-

Hast Du da ein Beispiel? Da habe ich viele Beispiele. Ganz viele Unternehmen bieten zum Beispiel Kindergärten an. Wir wissen alle, wie wichtig das ist. Auch in Deutschland fehlt es uns oft an Kindergartenplätzen. Aber auch andere Dinge sind spannend, zum Beispiel die Art und Weise, wie die Unternehmen ihre Geschäfte auf bauen. ACP ist auch ein Partner von El Puente. Die haben zum Beispiel einen tollen Laden, der sehr chic aussieht. Weltläden, die vor der Frage stehen, wie bauen wir ein Geschäft auf, das attraktiv ist, da kann ich nur sagen, fahrt nach Nepal und schaut Euch an, was ACP gemacht hat. Ein weiteres Beispiel ist Selyn in Sri Lanka, auch ein Unternehmen, mit dem El Puente zusammenarbeitet. Selyn hat gerade einen Generationswechsel hinter sich, bei dem die Tochter das Unternehmen übernommen hat. Spannend ist die Marketingstrategie und wie sie über ihr Unternehmen sprechen, aber auch, die Art von Produkten, die sie innerhalb ihres Landes anbieten. Denn damit thematisieren sie bestimmte Probleme. Zum Beispiel

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hat Selyn Hygieneprodukte für Frauen hergestellt, die wiederverwendbar bzw. waschbar sind. Damit setzen sie Themen, die sonst vielleicht gar nicht angesprochen werden. Das ist eine wichtige Aufgabe für ein Unternehmen, Vorreiter zu sein und immer wieder Themen wie Rassismus, Gender usw. anzusprechen.

Ein Blick in die Glaskugel, was kannst Du Dir vorstellen, wie wird der Faire Handel in 50 Jahren aussehen? Das ist eine schwierige Frage. Ich hoffe, dass wir es schaffen, den Fairen Handel noch viel mehr in den Mainstream zu bringen. Man sieht ja jetzt schon Bewegungen, die in die Richtung gehen. Man sieht, dass auf Regierungsebene Gesetze verfasst werden oder dass Endkund*innen viel mehr danach gucken, ob etwas ethisch oder nachhaltig hergestellt wird. Ganz große Diskussionen gibt es um Themen wie New Economy und New Work. Das sind Punkte, die der Faire Handel schon seit 50 Jahren bearbeitet. Insofern habe ich das Gefühl, dass wir schon relativ weit sind. Jetzt ist unsere Chance, das Ganze noch viel breiter aufzustellen. Und ich hoffe, dass in 50 Jahren unsere Ideen im Fairen Handel die Norm geworden sind. Wir haben jetzt großen Druck, nicht nur auf der sozial-nachhaltigen, sondern natürlich auch auf der umwelttechnisch-nachhaltigen Ebene. Wir müssen strukturell etwas ändern. Es geht nicht, dass wir nur Plastiktüten vermeiden. Wir müssen umdenken und uns überlegen, was für eine Wirtschaft brauchen wir, um überhaupt an unsere Ziele zu kommen. Und ich glaube, dass der Faire Handel unglaublich viele gute Lösungsansätze hat. Ich glaube, dass wir viel dazu beitragen können, diesen Wandel mitzugestalten. Und hoffentlich sind wir in 50 Jahren ein ganz normales Unternehmen, so wie alle anderen auch. Ob das so wird, wird sich zeigen. Aber das ist meine Wunschvorstellung.


>> Eckhard Gorka <<

„Unsere Hoffnung, unser Menschen- und Weltbild machen uns zu geborenen Partnern.“ Eckhard Gorka, war 21 Jahre lang leitender Geistlicher zunächst im Sprengel Hildesheim, ab 2007 im erweiterten Sprengel Hildesheim-Göttingen der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und ist seit vielen Jahren Schirmherr der El Puente Stiftung. Dass die Tartufi von WeltPartner sein Lieblingsprodukt sind, verstehen wir, die sind auch einfach köstlich.

Was ist in Ihren Augen „fair“? Ich erinnere mich noch gut an meine erste „Jute-statt-Plastik“-Tasche. Die gehörte unter Studierenden sozusagen zur Grundausstattung und war zugleich Erkennungssymbol für – damals noch vorwiegend junge – Leute, die die Welt als Ganze wahrnehmen und für sie Verantwortung übernehmen wollten. In der Evangelischen Jugend war das Standard. Die Bewegung hat früh Fahrt aufgenommen. Für diese Entwicklung kann man nur dankbar sein. Unter „fair“ verstehe ich die Schaffung und Erhaltung von guten Lebensbedingungen. Dabei spielt der Handel auf Augenhöhe eine wichtige Rolle. Dankbar bin ich auch für die Formulierung der zehn Prinzipien der World Fair Trade Organization (WFTO). Diese Normierung zwingt alle Beteiligten dazu, den ganzen Menschen und seine Lebensumstände im Blick zu haben.

Warum haben Sie die Schirmherrschaft für die El Puente Stiftung übernommen? Richard Bruns hat den inzwischen verstorbenen Hildesheimer Bischof Dr. Josef Homeyer und mich darum gebeten. Er hatte wenig Arbeit mit uns. Die segensreiche Arbeit von El Puente hatte einen guten

Eckhard Gorka, Regionalbischof i.R. und Schirmherr der El Puente Stiftung

Aufschwung genommen. Bruder Homeyer und ich sind auch gleich erste Zustifter geworden. Eine Stiftung versucht, einer Idee Ewigkeitswert beizulegen. Sie fördert durch Ausschüttungen aus dem Stiftungskapital den Stiftungszweck – also u.a. die entwicklungspolitische Bildung. An der Sinnhaftigkeit haben wir nie gezweifelt. Allerdings ist Stiftungsarbeit derzeit ein mühsames Geschäft, weil die Kapitalerträge nur wenige Spielräume eröffnen.

Wo ist aus Ihrer Sicht die Schnittmenge zwischen fairem Handel und Kirche? Unsere Hoffnung, unser Menschen- und Weltbild und der sich daraus ergebende Auftrag machen uns zu geborenen Partnern. Zudem glaube ich, dass die VI. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1983 in Vancouver der Bewegung eine gute Struktur gegeben hat. Dort ist der „Konziliare Prozess“ formuliert worden, der Lernweg christlicher Kirchen für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Der Prozess hat inzwischen methodische und inhaltliche Fortschreibungen erfahren und ist nicht mehr umkehrbar. Aus den Kirchen heraus hat er längst einen festen Platz im allgemeinen politischen Bewusstsein. In der evangelischen und katholischen Jugend hat er von Anfang an starken Widerhall gefunden.

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Welche fair gehandelten Produkte haben Sie bei sich zu Hause? Oh weh, wenn ich das mal wüsste. Kaffee und Tee, Dekoartikel, Taschen. Und jüngst haben wir eine Uhr aus Blech verschenkt, deren Pendel das Bein eines Fussballers darstellt. Legen Sie mich hier bitte nicht auf Vollständigkeit fest. Mich freut, dass faire Produkte mittlerweile auch in ganz vielen Lebensmittelgeschäften zu erhalten sind. Ach ja, dies doch noch: Im Weltladen gibt es handgemachte Schokoladentrüffel zu kaufen. „Tartufi Kirsche“. Köstlich. Das muss aber unter uns bleiben. Wir haben es schon erlebt, dass sie ausverkauft waren.

Hier ist noch Platz für gute Wünsche, die Sie El Puente mit auf den Weg geben möchten. El Puente soll weiter wachsen und gedeihen. Das meint auf der einen Seite den Handel und die Ausweitung der Partnerschaften. Damit verbindet sich aber auch der Wunsch, dass sich immer wieder Menschen finden, die mit dem heißen Herzen der Gründergeneration zu neuen Wegen auf brechen, das Gelungene bewahren und namentlich den Bildungsgedanken in neue Generationen eintragen. Immer billiger, immer verfügbar, ohne Rücksicht auf die Lebensumstände der Menschen – damit muss Schluss sein. Gott befohlen, El Puente!


>> Fabian Bonig <<

„Ich interessiere mich sehr dafür, was in der Welt oder in anderen Ländern passiert.“ Fabian Bonig, Mitarbeiter Vertrieb bei El Puente

Fabian Bonig

ist einer der zahlreic hen Mitarbeiter*innen, die bei El Puente gelernt haben und auch gebli eben sind. Fabian macht nicht nu r seinen Job als Auslandskund*inn enbetreuer und Online Shop-Ve rantwor tlicher großar tig, er sorgt au ch stets für gute Laune im Büro.

Fabian, Du hast schon Deine Ausbildung zum Kaufmann für Groß- und Außenhandel bei El Puente gemacht. War Dir schon bei der Suche des Ausbildungsplatzes wichtig, dass Du Dich mit den Zielen des Unternehmens identifizieren kannst? Vor meiner Ausbildung war mir El Puente nicht bekannt, obwohl ich mich schon vorher für den Fairen Handel und für den Umweltschutz interessiert habe. Umso glücklicher war ich, als die Zusage für die Ausbildung kam.

Kannst Du einmal einen typischen Arbeitstag von Dir beschreiben? Einen typischen Arbeitstag gibt es bei mir nicht. Ich kümmere mich hauptsächlich um die Weiterentwicklung und Support der Online Shops. Außerdem bin ich Ansprechpartner für die Auslandskund:innen. Für Michael und Yves (zwei Kollegen aus dem Außendienst), bin ich der Ansprechpartner im Innendienst. Mir wird also nie langweili.

Welche Aufgaben machen Dir dabei besonders Spaß? Die Online Shop-Weiterentwicklung und die Auslandskund:innenbetreuung machen mir am meisten Spaß. Ich interessiere mich sehr dafür, was in der Welt oder in anderen Ländern passiert. Durch langjährige Kontakte kommt man da in einen guten, regelmäßigen Austausch.

Als Vertriebsmitarbeiter kennst Du unsere faire Produktpalette besonders gut. Welches ist Dein liebstes El Puente-Produkt? Als Cola-Fan ist es natürlich die Costa Rica Cola.

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>> Béatrice Devaux <<

Béatrice Devaux ist seit Dezember 2010 im Laden „LA BOUTIQUE EQUITABLE“ in Lyon angestellt. Mit dieser Betätigung hat sie einen Beruf gefunden, mit dessen Werten sich die 56-jährige Französin identifizieren kann. Der Weltladen in Lyon hat übrigens auch einige faire Produkte von El Puente im Sortiment.

Sie engagieren sich aktiv im Weltladen in Lyon, welche Produkte sind dort zu finden? Die Produkte, die wir in unserem Geschäft finden, sind sehr vielfältig: Lebensmittel wie Tees, Kaffee, Schokolade, Gewürze, Dekoartikel, Kinderspielzeug wie Puzzles, Kuscheltiere, Musikinstrumente, Modeschmuck, Schals, Lederwaren, Körbe, Geschirr. Unsere größte Abteilung ist Schmuck und Modeaccessoires wie Taschen und Schals. Die Produkte, die nicht fehlen dürfen, sind Schmuck und Korbwaren.

Es gibt viele Bereiche, in denen man sich engagieren kann, im Tierheim, in der Feuerwehr. Warum gerade der Faire Handel? Warum das Engagement für den Fairen Handel? Nach einer Umschulung und einer Ausbildung im Verkauf wusste ich, dass ich nicht im traditionellen Verkauf arbeiten möchte, denn hier zählen große Gewinnspannen, billiger hergestellte Artikel und zu erreichende Verkaufsziele. Im Fairen Handel habe ich einen Handel gefunden, der meinen Werten entspricht: Respekt vor der Arbeit der Handwerker, was ihre Bezahlung und ihre Arbeitsbedingungen angeht, die Qualität der Produkte und die Verwendung von recycelten Materialien. Es ist ein Verkauf mit Sinn. Man weiß, dass beim Verkauf eines Gegenstands der Handwerker einen fairen Preis erhält, dass er seinen Lebensunterhalt verdient, um in seinem Land in Würde leben zu können.

Béatrice Devaux, Weltladen in Fran krei

ch

„Ich wünsch e m ir, dass de r Faire Handel zu r Norm wird un d nicht zu einem Wer t, de n es zu verteidige n gil t.“

Können Sie uns mehr über den Fairen Handel und die Weltläden in Frankreich erzählen? Es gibt etwa 120 Artisans du Monde Weltläden, die in ganz Frankreich vertreten sind. Dann gibt es unabhängige Weltläden aus dem ehemaligen Netzwerk Artisanat SEL wie unsere Laden La Boutique Equitable in Lyon. Zusätzlich gibt es auch einige Weltläden, die sich auf Kunsthandwerk aus einem bestimmten Land (Madagaskar, Peru, Nepal…) spezialisiert haben.

Haben Sie bestimmte Visionen und Ziele? Was wünschen Sie sich, wie soll

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der Weltladen in Lyon im Jahre 2072 aussehen? Was die spezifischen Ziele anbelangt, so sollten diese darin bestehen, den Erwartungen der Verbraucher, die nach umweltfreundlich hergestellten und transportierten Produkten suchen, möglichst nahe zu kommen. Ich hoffe, dass der Laden bis 2072 mit den neuen Verkaufsmethoden Schritt halten kann, um so viele Kunden wie möglich zu erreichen. Ideal wäre es, wenn die Handwerker auf der ganzen Welt nicht mehr auf uns angewiesen wären und ihre Arbeit anerkannt und angemessen bezahlt würde. Und: Dass der Faire Handel zur Norm wird und nicht zu einem Wert, den es zu verteidigen gilt.


>> Pascual Espinoza Robles <<

„Das Wichtigste für uns als Erzeuger ist es, einen sicheren Markt zu haben.“ Pascual Espinoza Robles, Präsident der nicaraguanischen Kaffeekooperative Cosatín Tierra Nueva

Pascual, kannst Du uns einmal von dem Alltag in der Kaffeekooperative erzählen?

Da wir schon seit Langem in dieser Kooperative zusammenarbeiten, kenne ich unsere Arbeit sehr gut. Alle Mitarbeitenden der KooperatiAls ich über das hundert Jahre alte Segelschiff las, das einen Teil ve sind hier für ihren ganz bestimmten Arbeitsbereich verantwortlich. unseres Kaffees nach Deutschland transportiert, war ich erstaunt. Wir verfolgen diese Produktionskette im Detail, um die Qualität des Auch die Leute, denen ich davon erzählte, waren sehr erstaunt Kaffees zu sichern. Hier auf dem Land stehen wir sehr früh morgens darüber. Ich bewundere das wirklich sehr. Denn es bedeutet, dass das auf und arbeiten mit großer Sorgfalt an der Qualität des Kaffees. Segelschiff gut gepflegt wurde. Ich denke, dass das hundert Jahre alte Das ist es, worauf wir kleinen Bio-Kaffeeproduzent*innen uns konSchiff schon sehr lange in Betrieb ist. Meiner Meinung nach sollte zentrieren: auf die Qualität, auf den Schutz der Umwelt und darauf, man noch über ein weiteres Projekt, ein weiteres Segelschiff nachdass alles so läuft, wie wir es uns vorstellen. denken. Wir Kaffeeproduzent*innen profitieren vom Fairen Handel. Das Wichtigste für uns als Erzeuger ist es, einen sicheren Markt zu haben. Außerdem profies Pascual Espinoza Robl tieren wir sehr von den Preisen, die weit über rra Tie ín sat Co n dem konventionellen Preis liegen. ist der Präsident vo äuinb Kle e Ich hoffe für die Zukunft, dass wir als OrgaNueva aus Nicaragua. Di en rtig we nisation positiv denken und noch mehr Kaffee ch ho ren zie du pro er*innen nso von noch besserer Qualität produzieren. Denn Be s Da e. ffe -Ka Fair Trade Bio r wir, Tierra Nueva, sind dafür zuständig, diese de l Tei Ein e: ffe dere an diesem Ka Qualität zu sichern. Ich hoffe aber auch, dass lge Se r pe grünen Bohnen wird unsere Beziehung zum Fairen Handel und El l tra eu frachtschif f nahezu CO2-n Puente immer enger wird. Denn bei unserer rt. portie nach Deutschland trans Beziehung zu El Puente handelt es sich nicht Vom Klimawandel sind wir bereits sehr stark nur um eine Handelskette, sondern auch betroffen. Der Klimawandel äußert sich hier um eine Freundschaft. Es ist für uns sehr wichtig, Teil des Fairen dadurch, dass es regnet, wenn die Sonne scheinen sollte und die SonHandels zu sein, da wir dadurch einen sicheren Preis als Grundlage ne scheint, wenn es eigentlich regnen sollte. Diese Umstände machen haben. Dies erfüllt uns als Produzent*innen mit Freude. Die Erzeuunsere Arbeit als Kaffeeproduzent*innen sehr kompliziert. Wir müsger*innen erfahren außerdem, wie ihr Kaffee verkauft wird und wie sen uns ständig darum bemühen, die Plantagen gesund zu halten. die Prozesse dafür ablaufen. Dafür sind wie als Organisation sehr Denn manchmal brechen aufgrund der unvorhersehbaren Wetterdankbar. Sie zahlen einen guten Preis sowie Prämien. und Klimaschwankungen Krankheiten aus, obwohl wir dachten, die

Was denkt Ihr über dieses Projekt?

Welche Wünsche und Hoffnungen habt Ihr für die Zukunft?

Klimagerechtigkeit ist eines der großen Themen, die uns bewegen, inwiefern merkt Ihr die Auswirkungen der Klimakrise?

Pflanzen seien gesund. Als Produzent*innen müssen wir ständig wachsam sein und noch viel sorgfältiger und härter arbeiten, als wir es sonst müssten. Wir pflanzen zusätzliche Bäume auf den Kaffeeplantagen, kümmern uns um die Wälder und die Wasserquellen, um die Auswirkungen der globalen Erwärmung ein wenig abzumildern.

Hier ist Platz für ein paar Glückwünsche an El Puente.

Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum El Puente. Ich wünsche Euch einen wundervollen Tag, dass Eure Träume in Erfüllung gehen und dass unsere Beziehung mit Euch ewig hält. Alles Gute zum Jubiläum!

Ein Teil Eures Kaffees wird mit dem Segelfrachtschiff Avontuur nach Deutschland transportiert. 15


>> Stefan Bockemühl <<

Stefan Bockemühl war in der Doppelspitze mit Martin Moritz mehrere Jahrzehnte Geschäftsführer von El Puente. Während er sich selbst gerne als Hausmeister bezeichnete, lagen seine Aufgaben bei weitem nicht nur darin, den Mitarbeiter*innen den Rücken freizuhalten, sondern unter anderem auch konkret im Import von fair gehandeltem Kaffee.

Stefan, wie und wann bist Du zum Fairen Handel gekommen? Das war im Jahr 1986 durch einen Zufall. Ich wurde angesprochen und fing kurze Zeit später als Projektreferent bei El Puente an. Zu der Zeit plante El Puente eine große mexikanische Keramikausstellung. So war ich in meinem ersten Arbeitsjahr gleich mehrere Wochen in Mexiko und habe mit den Produzenten gesprochen. Meinen ersten tatkräftigen Arbeitseinsatz hatte ich am 1. Dezember hinter dem El Puente Firmensitz in einer sieben Meter tiefen Kuhle. Dort war der Lehm besonders gut und den brauchten wir für die Ausstellung in München. Bei Minusgraden und Schnee habe ich also erst einmal containerweise Lehm geschaufelt, den wir dann ins Museum in München gefahren haben.

Einer Deiner Schwerpunkte als Geschäftsführer bei El Puente war der Kaffeeeinkauf. Kannst Du uns mehr darüber erzählen? Als ich bei El Puente angefangen habe, gab es noch keinen Import von Kaffee. Die Mitbewerber machten dies jedoch schon eine Weile und fingen zu dem Zeitpunkt an, Kunsthandwerk zu importieren. Und so entschloss ich mich, den Kaffeebereich bei El Puente aufzubauen. Ich hatte keine Ahnung von Kaffee und musste mich von Grund auf einarbeiten. Dank der Mitka* und vielen anderen Bekannten ist es uns gelungen, so dass wir mittlerweile ein gutes Standing im Bereich des Fairen Kaffees haben.

Gibt es im Kaffeebereich einen Bestseller? Das hat ein Stück weit mit Steuerung zu tun. Nachdem ich im Kaffeebereich Erfahrung sammeln konnte, habe ich schnell gemerkt, dass sich der mexikanische Kaffee besonders gut für den Einstieg eignet. Er

hat eine natürliche Milde und keine außergewöhnlichen Ausreißer im Geschmack. Darum ist er eine gute Möglichkeit, Menschen von fair gehandeltem Kaffee zu überzeugen.

Bei Deinen Reisen hast Du auch viele Kaffeekooperativen besucht. Ist Dir dabei eine besonders im Kopf geblieben, deren Engagement oder Arbeitsweise besonders gewesen ist? Da fällt mir direkt die Reise nach PapuaNeuguinea ein. Der Ort der Kooperative liegt mitten in den Bergen, weit weg von jeglichen infrastrukturellen Möglichkeiten. Die Dorfgemeinschaft hat sich aber überlegt, ihren Kaffeeanbau weiter nach vorne zu bringen. Sie schickten drei der

Der Zusammenhalt der Kooperative hat mich begeistert. Immer das Ziel vor Augen: Wir bringen uns nach vorne und tun das selbst, ohne fremde Hilfe. Jugendlichen in die Stadt zur Ausbildung und um Englisch zu lernen. Unterstützt wurde die Kooperative von einem sehr engagierten Bürgermeister. Der Zusammenhalt der Kooperative hat mich begeistert. Immer das Ziel vor Augen: Wir bringen uns nach vorne und tun das selbst, ohne fremde Hilfe. Das hat mich sehr beeindruckt. Ansonsten trinke ich seit 15 Jahren den El Salvador Kaffee. Die Kooperative ist mir auch in besonderer Erinnerung, weil es

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„Die Diskuss unter dem Palave ist mir in guter Er geblieben

dort einen Palaver-Baum gab. Vor über 20 Jahren saßen wir an einem großen Tisch unter dem Palaver-Baum, haben gegessen und diskutiert. Damals ging es um die Frage, ob es sinnvoll wäre, kleine Parzellen für die Bauern zu privatisieren, oder ob man alles in gemeinschaftlicher Hand behält. Die Diskussion ist mir in guter Erinnerung geblieben. Außerdem ist der Kaffee gut und ich denke immer zurück an den Palaver-Baum.

Du hast oft mit den Kaffeebäuer*innen zusammengesessen und gesprochen. Was war bei dem Austausch besonders wichtig? Wichtig war natürlich immer die Preisgestaltung. Es war schwer zu sagen, was tatsächlich ein auskömmlicher Preis für die Kaffeeproduzenten ist. Ich war immer der Meinung, dass man Verbindlichkeiten schaffen kann. Dass man unabhängig vom Weltmarktpreis einen Fair-Trade-Preis herstellen kann. Es ist über die Jahre nicht gelungen. In dem Moment, in dem der Weltmarktpreis höher war, war das immer die Messlatte. Auch jetzt versuchen wir in Nicaragua solche Treffen zu machen, bei denen es immer noch um den Preis geht. Das ist das eine Thema. Das andere Thema ist die Landfluchtproblematik. Junge Leute sehen nicht die Möglichkeit, auf dem Land bei den Kaffeeplantagen ihr Auskommen zu erwirtschaften. Sodass bei vielen Kooperativen immer wieder das Problem auftauchte, dass die jungen Leute in die Städte abgewandert sind.

Du hast den Geschmack von Kaffee mal mit alten Autoreifen verglichen, was steckt dahinter? Bei jedem Kooperativenbesuch machen wir auch Verkostungen. Als wir einmal mit einer Mitka-Delegation in Nicaragua waren, verkosteten wir auch dort den Kaffee.


>> Stefan Bockemühl <<

sion er-Baum rinnerung n.“

Was waren die größten Herausforderungen, die El Puente in den letzten 50 Jahren meistern musste? Die größte Herausforderung begann eigentlich gleich, nachdem ich begonnen hatte. Die damalige Geschäftsführung hatte damals den Weltladenbereich quasi für tot erklärt und sich ganz auf den künstlerischen Markt konzentriert. Meine erste Aufgabe war es, wieder das Vertrauen der Weltläden zu gewinnen. Das war eine große Herausforderung. Ich musste viel herumreisen und erklären, warum es sich lohnt, wieder mit El Puente zusammenzuarbeiten. Außerdem haben wir in den Jahren immer mal wieder Schwierigkeiten finanzieller Art gehabt. Es gab immer wieder Einschnitte, aber ich glaube, das ist in jedem Wirtschaftsunternehmen der Fall. Das ist nicht schön, aber auch nicht lebensbedrohend.

Stefan Bockemühl, ehemaliger Geschäftsführer von El Puente

Es ging darum, die Höhenlagen herauszuschmecken. Wie bei einer Weinverkostung gurgelten und spuckten wir und gaben schließlich unsere Tipps ab. Meine Aussage war: Das schmeckt am schlimmsten nach alten Autoreifen, das kommt von ganz oben. Und ich lag richtig. Das sind natürlich nicht die richtigen Begrifflichkeiten, die habe ich ehrlicherweise bis heute nicht gelernt. Die Qualität von Kaffee kann ich jedoch gut einschätzen und sie beschreiben. Die gebräuchlichen, phantasievollen Begrifflichkeiten, die fallen mir aber nicht wirklich ein.

In Deiner Tätigkeit als Geschäftsführer bist Du generell viel gereist. Was war denn Dein liebstes Reiseland und warum? Grundsätzlich bin ich immer gerne in die Welt gefahren. Meine beeindruckendste Reise war die nach Papua-Neuguinea. Nach 74 Stunden Fußmarsch bin ich endlich oben in dem abgelegenen Dorf der Kooperative angekommen. Wir wurden herzlich begrüßt. Zu meinem jungen Kollegen, der heute auch noch hier arbeitet, sagten die Kooperativenmitglieder: Dich sehen wir bestimmt nochmal wieder, aber der da schafft es hier sowieso nicht mehr hoch (lacht). Das war ziemlich eindrücklich und eine meiner letzten Reisen.

auf der Straße liegt. Geld unter die Fußmatte, im Portemonnaie nur ganz wenig. Dann kann man auch gelassen mit solchen Situationen umgehen.

Du warst auch manchmal in brenzligen Situationen auf den Reisen, oder?! Im Allgemeinen wusste ich zumindest nichts davon. Bei meiner ersten Reise wohnte ich in Guatemala City in der Zona 1. Kein Mensch hat mir gesagt, dass es da irgendwie gefährlich sei. Darum habe ich mir auch nichts dabei gedacht. Nachts musste ich allerdings das Hotel wechseln, weil es lautstarke Schlägereien auf der Straße gab. Ich krabbelte also mitten in der

Ich war immer der Meinung, dass man Verbindlichkeiten schaffen kann; dass man unabhängig vom Weltmarktpreis einen Fair-Trade-Preis herstellen kann. Nacht über die schlafenden Menschen auf der Straße und suchte mir ein neues Hotel, ohne mir groß etwas dabei zu denken. Ansonsten war ich gut vorbereitet. Mir wurde gesagt, wie ich mich verhalten soll, wenn ich überfallen werde oder das Nagelbrett

*Mitka ist die Mittelamerika Kaffee Im- und Export GmbH. Siehe auch Interview mit der Geschäftsführerin Anne Löwisch

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Als Du als Geschäftsführer bei El Puente angefangen hast, hattest Du eine bestimmte Vision? Da zu der Zeit die wirtschaftliche Situation von El Puente mehr als schwierig war, weswegen ich mich heute auch noch als Hausmeister vorstelle, ging es eher darum, das Schiff wieder zum Laufen zu bringen. Da ging es weniger darum, Visionen zu entwickeln, als die Weltläden wiederzugewinnen und in sicheres Fahrwasser zu kommen.

50 Jahre weitergedacht, wie könnte der Faire Handel im Jahr 2072 aussehen? In 50 Jahren wird der Faire Handel immer noch eine Begrifflichkeit sein. Wahrscheinlich wird es immer noch Weltläden geben, auch wenn diese sicherlich völlig anders aussehen. Es gibt eine Menge Entwicklungsmöglichkeiten. Die Rolle, die der Faire Handel dann spielen wird, geht hoffentlich mehr in den politischen Bereich, um mehr Sensibilität für faire Bedingungen zu schaffen. Kampagnen in diese Richtung gibt es ja jetzt schon, wie die Initiative Lieferkettengesetz zeigt. Ein genaues Bild von dem, was in 50 Jahren wirklich da sein wird, kann ich nicht geben. Ich glaube aber, dass die Bedeutung des Fairen Handels in der Gesellschaft in den nächsten 50 Jahren noch zunehmen wird.


>> Tyrell Fernando <<

„Mittlerweile ist das Bewusstsein angekommen, dass Frauen die gleichen Rechte haben wie männer.“ Tyrell Fernando, Geschäftsführer von PODIE

Organisation Die Fairhandelste anka und El Puen PODIE aus Sri L eine jahrzehnten o h sc et d in rb ve erschaft. Mit lange enge Partn wir längst Silber PODIE könnten dies Genau belegen hochzeit feiern. ist zwar nicht. Klar te en m ku o D ie d z indung eine gan b er V ie d s as d , aber Besondere ist.

Tyrell, kannst Du kurz etwas über die Arbeit von PODIE erzählen?

Die Auswirkungen der Klimakrise sind im Globalen Süden längst angekommen. Inwiefern spürt Ihr die Folgen der globalen Krise?

PODIE steht für „People’s Organisation for Development Import and Export“. Wir arbeiten mit Kleinbäuer*innenfamilien zusammen, insgesamt sind es mehr als 3.000 Bäuer*innenfamilien, die im ganzen Land verteilt sind. Sie alle bauen hauptsächlich biologische Gewürze an. Weiterverarbeitet werden die Gewürze in Ngombo. Seit vielen Jahren ist PODIE zudem Mitglied in der WFTO, der World Fair Trade Organisation.

Unsere Kleinbäuer*innen haben wegen des globalen Klimawandels viele Probleme. Die Regen- und Trockenzeiten verschieben sich. Das führt in vielen Fällen zu schweren Dürren. Auch technische Probleme, wie fehlende Bewässerungsanlagen, führen bei den Bäuer*innen zu Wassermangel. Wir unterstützen sie bei der Entwicklung ihres Bewässerungssystems, von Wassertanks, landwirtschaftlichen Anlagen usw. um den Auswirklungen der Klimakrise besser begegnen zu können. Abgesehen davon haben die ländlichen Gebiete Sri Lankas immer noch ein Problem mit der Gleichstellung der Geschlechter. Aus diesem Grund veranstalten wir Workshops für jede einzelne Bäuer*innengruppe. Mittlerweile ist das Bewusstsein angekommen, dass Frauen die gleichen Rechte wie Männer haben.

Inwiefern profitieren die Produzent*innen vom Fairen Handel? Eine der wichtigsten Hilfen durch den Fairen Handel ist es neue Vermarktungsmöglichkeiten für die Ernten zu erschließen. Außerdem ermöglicht es beispielsweise infrastrukturelle Entwicklungen, Kapazitätserweiterungen und Verbesserung der technischen Kenntnisse. Wir arbeiten schon sehr lange mit El Puente zusammen. Ein großer Vorteil ist, dass wir als Fair-Trade-Organisation die Marktschwankungen mit einem gewissen Spielraum ausgleichen können. Manchmal steigen unsere Marktpreise nämlich sehr stark an, und jedes Mal, wenn wir das El Puente erklären, verstehen sie das sehr gut. Sie helfen uns dann, Marktlücken und Preislücken zu schließen, was uns auf lange Sicht sehr hilft.

Hier ist Platz für Geburtstagswünsche an El Puente Wir wünschen Euch, El Puente, dass ihr auch in Zukunft noch sehr lange im Fairen Handel bleibt. Also, alles Gute zum Geburtstag El Puente!

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>> Renate Schiebel <<

„Meine Motivation mich ehrenamtlich zu engagieren ist mir ein Herzensanliegen.“

Renate Schiebel engagiert sich seit vielen Jahren haupt- und ehrenamtlich für den Fairen Handel. Heute ist sie unter anderem stellvertretende Vorstandsvorsitzende beim Weltladen Dachverband. Ihr Motor über all die Jahre ist der Wunsch, Menschen im Globalen Süden zu unterstützen. Dabei ist die Arbeit im und für den Weltladen der Drehund Angelpunkt.

Renate Schiebel, Vorstand des Weltladen Dachverbands

Seit vielen Jahren engagierst Du Dich für den Fairen Handel, ob im Weltladen Oberallgäu oder im Vorstand des Weltladen Dachverbands. Was ist der wichtigste Motor hinter Deinem ehrenamtlichen Einsatz?

denn hier muss die Veränderung hin zu mehr globaler Gerechtigkeit beginnen.

Ich engagiere mich für den Fairen Handel seit 1990, begonnen habe ich ehrenamtlich im Weltladen Sonthofen. 2002 habe ich dort die Ladenleitung übernommen, im Jahr darauf mit einem Minijob begonnen. 2006 haben wir die Filiale in Oberstdorf eröffnet, 2009 in Immenstadt. Bis 2017 war ich hauptamtliche Geschäftsführerin der drei Weltläden. Um meine Erfahrung und mein Wissen in einem größeren Rahmen einzubringen, habe ich 2014 als Vorstand beim Dachverband begonnen, wo ich ab 2015 fünf Jahre Vorsitzende war, heute noch Stellvertreterin bin. Meine Motivation mich ehrenamtlich zu engagieren ist mir ein Herzensanliegen, ich möchte in meiner Freizeit etwas für Menschen machen, denen es nicht so gut geht wie uns, Menschen in den Entwicklungsländern, die so viel weniger Chancen haben. Im Weltladen kann ich es von Zuhause aus machen,

Mein erster Besuch war 1990 im Weltladen Sonthofen, der Laden war in einem Kellerraum an der Rückseite eines Geschäftshauses. Um ihn zu betreten, musste man zuerst eine Treppe hinuntergehen.

Kannst Du Dich an Deinen ersten Besuch in einem Weltladen erinnern?

Was hat sich seitdem verändert? Heute liegen die Läden im Oberallgäu alle in 1a Lagen mit Schaufenstern, schöner und ansprechender Warenpräsentation und entsprechend gesteigertem Umsatz.

Wie sieht der Weltladen der Zukunft Deiner Meinung nach aus? Die Weltläden sollten in 1a-Lagen sein, ansprechend und einladend gestaltet mit einer guten Mischung aus Lebensmitteln und Handwerk. Die Öffentlichkeitsarbeit genauso wie die politische und Bildungs-

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arbeit müssen ein Schwerpunkt bleiben, um Verbraucher auf die Missstände im globalen Handel aufmerksam zu machen.

Hier ist Platz für Wünsche, die Du El Puente mit auf den Weg geben möchtest. Ich wünsche Euch den Mut und die Kraft, Neues zu wagen, Altes, das vorbei ist aufzugeben und so einen guten Weg für Euer Unternehmen im Fairen Handel in der sich wandelnden Zeit zu finden.


>> Andrea Fütterer <<

„Die wichtigste Grundlage für die erfolgreiche Arbeit des Forums ist der Zusammenschluss und das gemeinsame Auftreten.“ Andrea Fütterer, Vorstandsvorsitzende des Forums Fairer Handel


>> Andrea Fütterer <<

Wenn Du jemanden triffst, der keine Berührungspunkte zum Fairen Handel hat, wie erklärst Du ihm die Tätigkeit des Forums Fairer Handel? Das Forum Fairer Handel hat sich vor genau 20 Jahren gegründet, damals als Netzwerk der Organisationen und Akteure; heute sind wir der Verband des Fairen Handels in Deutschland. Unsere Ziele, damals wie heute, sind die Schärfung des Profils des Fairen Handels, gemeinsame Forderungen gegenüber Politik, Wirtschaft und Handel durchzusetzen und eine stärkere Ausweitung des Fairen Handels zu erreichen. Dazu arbeiten wir in verschiedenen Fachgruppen, z.B. zu Grundsatz- und Politikfragen, oder zu Fragen der Öffentlichkeitsarbeit und der Fairen Woche. Wir machen Veranstaltungen und Dokumentationen zu aktuellen Themen, arbeiten an der strategischen Weiterentwicklung des Fairen Handels und sind mittlerweile auf verschiedenen Ebenen Ansprechpartner von Ministerien. Die wichtigste Grundlage für die erfolgreiche Arbeit des Forums ist der Zusammenschluss und das gemeinsame Auftreten „mit einer Stimme“ für den Fairen Handel, da hat uns das Forum schon oft die Gelegenheit gegeben, uns auszutauschen und auch mal „zusammenzuraufen“.

Bereits seit 2002 versteht sich das Forum als politische Stimme des Fairen Handels in Deutschland. Was waren die größten Erfolge, die das Forum in den vergangenen 20 Jahren erzielen konnte? Die zwei jüngsten Erfolge konnten wir letztes Jahr feiern: Zuerst wurden im Mai die gravierendsten unlauteren Handelspraktiken im sogenannten „Gesetz zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich“ verboten, und dann im Juni das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (kurz: Lieferkettengesetz) beschlossen. Beides sind Meilensteine, beinhalten sie doch Forderungen, die die Fair Handels-Bewegung seit Beginn stellt, um den internationalen Handel gerechter zu gestalten und einen Systemwandel zu erreichen. Natürlich haben wir das nicht alleine geschafft,

Andrea Fütterer ist Vorstandsvorsitzende des Forums Fairer Handel und seit vielen Jahren Leiterin der Abteilung Grundsatz und Politik bei der GEPA. Wenn es um (ferne) Gedanken zu der Zukunft des Fairen Handels geht, schwebt ihr der Faire Handel als neue Normalität und die negative Kennzeichnung unfairer Produkte vor. sondern im Verbund mit vielen anderen Organisationen und Initiativen! Und wir wissen alle, dass beide Gesetze noch stark verbesserungswürdig sind. Aber wer hätte vor Jahren darauf gewettet, dass es diese Gesetzgebungen geben wird? Von 2002 bis heute war es ein langer und manchmal kurvenreicher Weg, uns als Forum Fairer Handel auf der politischen Bühne zu etablieren, mittlerweile sind wir regelmäßige und anerkannte Gesprächspartner zu den verschiedensten Themen von Handelsund Klimagerechtigkeit. Und ein ganz besonderer Erfolg, besonders für unsere Handelspartner im Globalen Süden, ist die erfolgreiche Zusammenarbeit von FFH mit BMZ/GIZ über den COVID-Soforthilfe-Fonds. Über das Forum Fairer Handel e.V. konnten insgesamt 2,8 Millionen Euro als direkte Zuschüsse für Handelspartner im Globalen Süden bereitgestellt werden. Abgesehen von den erheblichen finanziellen Mitteln an die Produzenten-Organisationen konnten wir so die Arbeit, Wirkungsweise und Professionalität von Kleinbauern-Organisationen im Globalen Süden in den Fokus rücken.

Im Forum Fairer Handel sind viele verschiedene Akteure Mitglied: Vom Weltladen-Dachverband, über die GEPA und El Puente bis hin zu Naturland. Denkst Du, diese Bereitschaft gemeinsam für eine Sache einzutreten, ist eine besondere Stärke des Fairen Handels? Das sehe ich auf jeden Fall so. Die Tatsache, dass wir (fast) alle Akteure einer fairen Lieferkette, von den Produzent*innen bis in den Weltladen abbilden, beweist, dass der Systemwandel möglich ist, und nicht nur eine Träumerei. Wir kennen

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unsere große Lücke, den Transport, aber auch diese werden wir noch in den Griff bekommen. Alle zusammen, jede und jeder mit dem eigenen Schwerpunkt, kämpfen wir auf den verschiedenen Ebenen, dem Handel an sich, der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit und der politischen Lobbyarbeit, und das macht uns „unwiderstehlich“, die Menschen können sich auf der Ebene einbringen, die für sie am besten passt. Ob Politik mit dem Einkaufskorb oder der Protest auf der Straße, alles ist nötig für den Wandel.

Welche Wünsche und Ziele hast Du als Vorstandsvorsitzende des Forums für die Zukunft des Fairen Handels in Deutschland? Ich glaube, meine kurze Antwort darauf ist schon allseits bekannt: Eine faire und ökologische Marktwirtschaft muss zur Norm werden und die unfairen Produkte werden negativ „ausgezeichnet“. Da ich Realistin bin und z.B. die Umsatzzahlen des Fairen Handels in Deutschland oder die fairen Pro-Kopf-Ausgaben kenne, sind meine Wünsche eher unbescheiden: Die Anzahl der engagierten Menschen, der Weltläden, der Fair-Handels-Organisationen muss sich vervielfältigen. Unter der Überschrift der sozial-ökologischen Transformation brauchen wir Allianzen mit den vielen Bewegungen und Initiativen, die in dieselbe Richtung denken und gehen wie wir. Und das Tempo der entsprechenden politischen Weichenstellungen muss sich erhöhen, damit wir eine lebenswerte Welt weitergeben können.

Hier ist Platz für ein paar Glückwünsche, die Du El Puente mit auf den Weg geben möchtest. Wie Euer Name schon sagt, Ihr seid die Brücke, zwischen dem Globalen Norden und Süden, zwischen Produzent*innen, Konsument*innen und vielen weiteren Akteuren im Fairen Handel, zwischen den Anfangsjahren des Fairen Handels und Heute, mit allen Entwicklungen und ständig neuen Herausforderungen! Ihr habt 50 Jahre als Brücke zusammen mit vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern erfolgreich gemeistert, viele Dinge auf den Weg gebracht. Im Namen des Forums Fairer Handel wünsche ich Euch noch viele erfolgreiche Jahrzehnte und dass wir gemeinsam den nötigen Wandel schaffen!


>> Gerd Nickoleit <<

„Mein Motor sind mein Wissen und mein Gewissen.“ Gerd Nickoleit, Ehrenvorsitzender beim Forum Fairer Handel

Gerd Nickoleit

Du gehörst zu den treibenden Kräften in der deutschen Geschichte des Fairen Handels. Warum ist dieses Thema ein so zentrales in Deinem Leben? Was war und ist Dein Motor?

blickt auf ein lebhaftes Engagement für den Fairen Handel zurück. In einer Vielzahl von Positionen hat er den Fairen Handel in Deutschland entscheidend geprägt und vorangebracht. Die folgende Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zeigt aber schon das vielfältige Engagement des 78-Jährigen. Derzeit ist Gerd Nickoleit Ehrenvorsitzender beim Forum Fairer Handel und Ehrenmitglied bei der WFTO und arbeitet außerdem in mehreren Arbeitsgremien des Fairen Handels mit. Außerdem ist er Buchautor, Mitbegründer der GEPA und war langjähriger Leiter der GEPA-Grundsatzabteilung.

Mein Motor sind mein Wissen und mein Gewissen. Ich weiß, dass mein privilegierter Lebensstil in Deutschland nur möglich ist, weil z.B. die Näherinnen in Bangladesch für einen Hungerlohn arbeiten müssen und weil die Natur ausgebeutet wird. Ich möchte weder zu Lasten der Zukunft meiner Enkel, noch der Menschen in den südlichen Ländern leben. Im fairen Handel gibt es zwischen den Handelspartnern im Norden und im Süden keine einseitige, sondern eine gegenseitige Abhängigkeit. Das bietet Risiken und Chancen für beide Seiten und ermöglicht im Gegensatz zu den Hilfsorganisationen eine Beziehung auf Augenhöhe. Die Handelspartner sind für mich keine Bittsteller. Sie bieten ein Produkt an, das einen Wert hat, den sie einfordern können.

nen, dass ein gerechterer Handel mit den Ländern im Süden möglich ist und umgesetzt werden kann. Erst nach 50 Jahren engagierter Vorreiterrolle der Fairhandelsbewegung gibt es das Lieferkettengesetz, das die Ungerechtigkeiten im Handel zumindest anerkennt, aber nur ansatzweise regelt.

Was sind die größten Herausforderungen, vor denen der Faire Handel aktuell steht?

Ich sehe die Gefahr, dass Lobbyisten die kurzfristigen Interessen ihrer privaten Auftraggeber mit großer finanzieller Kraft und mit viel Geschick durchsetzen. Die Gruppe derer, die sich für Gemeinschafts- und Zukunftsinteressen einsetzen, haben diese Macht nicht.

Auch Du blickst zurück auf eine 50-jährige Geschichte mit dem Fairen Handel. Welche Visionen standen am Anfang und was ist aus ihnen geworden?

50 Jahre weitergedacht, wo wünschst Du Dir, steht der Faire Handel dann? Ich wünsche mir, dass der Slogan „Mensch und Natur vor Profit“ endgültig das rein gewinnorientierte Denken ablöst und die WFTO-Prinzipien selbstverständliche Beurteilungsmaßstäbe für wirtschaftliches Handeln sind.

Wir hatten die Vision, dass wir durch praktische Beispiele und Bildungsarbeit Wirtschaft und Politik davon überzeugen kön-

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>> Gudrun Danter <<

Gudrun Danter ist Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Weltläden in Österreich. Die ARGE und El Puente verbindet eine wertschätzende Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen. So ist El Puente anerkannter Lieferant der österreichischen Weltläden und im Jahr 2019 besuchte uns eine Delegation der ARGE Weltläden in Nordstemmen. Wie bist Du zum Fairen Handel gekommen? Durch meine entwicklungs- und friedenspolitische Sozialisierung und durch knapp 20 Jahre Erfahrung in verschiedenen Haupt- und Ehrenämtern bin ich mit der Philosophie und Umsetzung des Fairen Handels vertraut. Bereits während meines Studiums war ich Stammkundin in den Salzburger Weltläden. Nach meinem BolivienAuslandsaufenthalt, wo ich im Bereich Frauen-Empowerment und erneuerbare Energie im Hochland (Potosí und Oruro) gearbeitet habe, bin ich auch auf die Arbeit von Fairhandelsproduzent*innen aufmerksam geworden. Nach meiner Rückkehr las ich eine Stellenausschreibung der ARGE Weltläden und habe mich beworben. Und nach einem mehrstufigen Auswahlverfahren wurde ich engagiert. Seither lebe und arbeite ich in Innsbruck.

Gudrun Danter, ARGE Weltläden

Kannst Du Dich an Deinen ersten Besuch in einem Weltladen erinnern? Hat sich seitdem grundlegend etwas verändert?

Wir sind „Einheit in Vielfalt“

Mein Stammweltladen war jener in der Linzergasse in Salzburg. Er wird von der EZA Fairer Handel geführt. Ich erinnere mich, dass ich damals nicht sehr viel Einkommen hatte, aber „bio“ und „fair“ für mich immer einen hohen Stellenwert hatten. Daher habe ich ausgewählte Lebensmittel und Geschenke immer im Weltladen eingekauft. Besonders groß war die Freude, als die erste Fair Fashion in den Weltladen kam. Mein allererstes Fair-Fashion-T-Shirt in der Farbe Orange mit einem Fahrrad drauf, habe ich voller Freude in diesem Weltladen entdeckt! Die Inneneinrichtung entsprach einem Weltladen in jener Zeit. Da hat sich nach dem großen Umbau einiges verändert – moderne Regalsysteme, ansprechende Beleuchtung und mehr.

geworden. Das ist eine großartige Entwicklung, wobei man natürlich auch sagen kann: Wenn es uns nicht mehr braucht, ist unser Ziel erreicht. Eine Vision der Bewegung, die ich teile, ist, dass Produkte, die unter unfairen Bedingungen und Kinderarbeit produziert werden, endlich gekennzeichnet werden. Ich sehe die Weltläden als Gegenbewegung zum Aussterben kleiner Geschäfte, als belebenden Ort für Austausch und Begegnung. Die Menschen kaufen regionale Produkte auf ihrem lokalen Markt und Produkte aus der weiten Welt im Weltladen.

Nicht nur El Puente und die gesamte Fairhandelsbewegung in Deutschland blicken auf eine lange Geschichte zurück. Auch der Faire Handel in Österreich und die ARGE bestehen bereits seit vielen Jahrzehnten. Was eint und was unterscheidet den Fairen Handel in Österreich und Deutschland?

Hier ist Platz für Wünsche, die Du El Puente mit auf den Weg geben möchtest. Beim Besuch 2019 in Nordstemmen hatte ich den Eindruck, dass die Mitarbeitenden bei El Puente sehr authentisch und wertschätzend die Fairhandelsidee leben. Mir gefiel, dass Innovationen von vielen jungen Menschen bei El Puente kreativ umgesetzt werden. Egal in welcher Abteilung – von der Pressearbeit bis zum Lager – die Stimmung war gut. Grundsätzlich entwickelt sich El Puente in den österreichischen Weltläden sehr gut. Einen positiven Trend konnten wir hier zuletzt 2021 verzeichnen. Die Neuheiten der Produzent*innen kommen an. Das ist sehr erfreulich. Im Namen der ARGE Weltläden wünschen wir euch von El Puente alles Gute, weiterhin viel Inspiration und Freude in der Förderung des Fairen Handels – Hand-in-Hand mit den Produzent*innen im Globalen Süden. Adelante!

Wir sind „Einheit in Vielfalt“. Das ist mein Credo – gleichgültig ob wir an den Fairen Handel in Österreich oder Deutschland oder woanders denken. Fairhandelsakteur*innen haben eine Haltung, die auf Kooperation und Solidarität fußt. FAIRbundenheit äußert sich in der Fähigkeit, mit Unterschieden umzugehen und das Gemeinsame in den Mittelpunkt zu stellen: für ein „buen vivir“ für alle.

50 Jahre weitergedacht – was denkst Du, wie sieht der Weltladen der Zukunft aus? Historisch gesehen verfolgen die Pionier*innen seit mehr als vier Jahrzehnten den Fairhandelsgedanken. Mittlerweile sind die Weltläden Teil einer weltweiten sozialen Bewegung in mehr als 70 Ländern

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>> Cornelius Bockermann <<

„Ich versuche es erneut, weil die Zeit reif ist und die Umstände uns geradezu dazu zwingen!“ Cornelius Bockermann, Kapitän und Gründer von Timbercoast

Die letzten großen Frachtsegler wurden im vergangenen Jahrhundert außer Dienst gestellt, weil sie nicht mehr rentabel waren. Warum versuchst Du es erneut? Die große Zeit der Frachtsegelschiffe ging Anfang der 1930er Jahre zu Ende. Dem Konkurrenzdruck von Dampf- und Motorschiffen waren sie nicht mehr gewachsen. Der Betrieb eines Frachtsegelschiffs war weniger planbar, brauchte mehr Besatzung und war unterm Strich teurer. Außerdem hatten Frachtsegelschiffe zu dem Zeitpunkt eine Größe erreicht, die mit den damals zur Verfügung stehenden Materialien und Technologien ihr vorläufiges Maximum erreicht hatte und es bestand kein allgemeines Interesse mehr daran, diese Art Schiffe weiter zu entwickeln. Die Größe, bzw. Tragfähigkeit von Motorschiffen ließ sich dagegen problemlos weiter steigern und passte damit ideal in die bis heute praktizierte, kapitalistische Marktwirtschaft, die ein ständiges Wachstum voraussetzt und den Profit an oberste Stelle stellt.1 Ich versuche es erneut, weil die Zeit reif ist und die Umstände uns geradezu dazu zwin-

gen! Wir alle wissen, dass wir nicht weiter wirtschaften und handeln können wie bisher. Umweltprobleme und Ressourcenmangel sind gerade heute bereits deutlich zu spü-

Cornelius Bockermann setzt mit seinem Engagement für nachhaltige Schifffahrt ein wichtiges Zeichen. Seit einigen Jahren transportieren er und sein Team unseren „Kaffee Ahoi“ mit einem 100 Jahre alten Frachtsegler nahezu klimaneutral von Lateinamerika nach Hamburg. ren, auch wenn sie vielleicht erst in einigen Jahrzenten völlig aus dem Ruder laufen und nicht mehr beherrsch- oder beeinflussbar sein werden. Mit dem Betrieb der AVONTUUR will ich meinen Teil dazu beitragen, notwendige Veränderung und ein Umdenken zu bewirken. Weil immer mehr Menschen diese Umstände erkennen, wächst auch das Interesse und der Wille, uns anderen Formen des Wirtschaftens und Zusammenlebens zuzuwenden, um eine positive Veränderung herbeizuführen.

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Zur AVONTUUR selbst, was ist sie für ein Schiff? Die AVONTUUR ist ein klassisches, kleines Frachtsegelschiff aus der ausgehenden Blütezeit der Frachtsegelschifffahrt, gebaut 1920. Zu der Zeit hatte sich der Gaffelschoner als praktisches Arbeitsschiff durchgesetzt, da er anders als rahgetakelte Schiffe schnell, wendig und mit relativ kleiner Besatzung beherrschbar war. Sein typisches Fahrtgebiet waren daher Nord- und Ostsee, wie auch die amerikanische Ostküste oder die Inseln des Pazifiks.

Mit dem Segelschiff reist man wie in früheren Zeiten. Wer ist die Besatzung, die so eine besondere Art der Reise antritt? Die gesamte Besatzung der AVONTUUR, sowohl die 5-6 Berufsseeleute, als auch unsere Shipmates2, alle sind etwas Besonderes und haben die unterschiedlichsten Gründe, warum sie auf der AVONTUUR fahren. Der oder die Eine fährt mit, um sich zu orientieren, um etwas dazu zu lernen oder einfach um eine neue, einmalige oder erstmalige Erfahrung zu machen. Auch um zu sich selbst zu finden. Es ist in jedem Fall etwas Beson-


>> Cornelius Bockermann <<

deres, auf einem konventionell, um nicht zu sagen, traditionell betriebenen Frachtsegelschiff den Arbeitsalltag kennen zu lernen und dabei den Atlantik zu überqueren. So unterschiedlich Erfahrung, Alter, Geschlecht, Nationalität oder der gesamte Hintergrund jedes Besatzungsmitglieds auch sein mögen, so ist ihnen doch eines gemeinsam: Alle unterstützen uns, unsere gemeinsamen Ziele und den Betrieb des Schiffes mit ihrem Einsatz und ihrer Überzeugung von ganzem Herzen!

Seit einigen Jahren transportiert die Avontuur unseren „Kaffee Ahoi“. Warum passen der nachhaltige Transport und der Faire Handel aus Deiner Sicht so gut zusammen?

Obwohl das Interesse an nachhaltigem Transport in den letzten Jahren ständig gestiegen ist, haben die etablierten Reedereien bisher nicht darauf reagiert. Außer ein paar Feigenblatt-Veränderungen ist nach wie vor kein wirklicher Wandel zu sauberem Seetransport zu verzeichnen und keine Steigerung nachhaltiger Transportkapazitäten in Sicht. Im Gegenteil, man versucht weiterhin ‚business as usual‘ zu betreiben und anstatt, dass wir durch die Entwicklung der letzten Jahre eventuell unseren Konsum reduzieren und damit den Bedarf an Seetransporten vermindert hätten, steigen die internationalen Transportmengen weiter und es scheint kein Ende in Sicht.

haben wir zusammen mit unserem Schiffbau-Ingenieurbüro Marigraph einen Schiffstyp entwickelt, der mit einer Tragfähigkeit von ca. 1.100 Tonnen in unserem bisherigen Fahrtgebiet eingesetzt werden soll. Auf mittlere Sicht wollen wir eine Flotte von acht Schiffen zwischen 1.100 und 3.500 Tonnen Tragfähigkeit aufbauen, die unser bisheriges Fahrtgebiet im Liniendienst bedienen wird. Wir werden damit die notwendige Veränderung aktiv vorantreiben und planen das erste dieser durch Wind angetriebenen, modernen Frachtsegelschiffe – unterstützt durch einen alternativen Hilfsantrieb3 – bis spätestens Anfang 2025 zu realisieren, jährlich gefolgt von weiteren Neubauten, um die Flotte dem Bedarf anzupassen.

Um in nächster Zukunft eine Alternative zum herkömmlichen Seetransport zu bieten,

Nachhaltiger Transport und fairer Handel gehören notwendigerweise zusammen und ergänzen sich. Fairer Handel kontert unfaire Behandlung; er setzt sich in Abgrenzung zum konventionellen Geschäftsgebaren, bei dem Gewinnmaximierung vor allem Anderen steht, für die Einhaltung von Umweltund Sozialstandards ein und baut langfristige und nachhaltige Partnerschaften zu den ErzeugerInnen auf. Dabei ist der Seetransport, der die nachhaltig produzierten Waren nahezu ausschließlich zu uns bringt, meist ein blinder, gern ausgeblendeter Fleck. Denn gerade dort werden gleichermaßen die erforderlichen Umwelt- und Sozialstandards für optimierte Profite über Bord geworfen. Fairer Handel muss die Lieferketten zwingend in den Blick und in ihr Handeln mit einbeziehen. Mit der AVONTUUR machen wir gemeinsam diesen blinden Fleck sichtbar und bilden das notwendige, fehlende Bindeglied in einer wirklich nachhaltigen und fairen Handelskette.

Welche Zukunftspläne hast Du für den nachhaltigen Transport? Wir haben große Pläne! Anfangs wollte ich die AVONTUUR in und um Australien sowie im Barrier Reef betreiben, um unter anderem die Zerstörung des Riffs durch Klimakrise, Intensivlandwirtschaft und mangelndes politisches Interesse ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Die Ziele haben sich inzwischen erweitert und ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass ich mehr als nur einen Denkanstoß geben muss.

1 Auch dem Wachstum von Schiffen scheint bis heute keine Grenze gesetzt zu sein. Wir bauen und be-

treiben heute Containerschiffe mit 400 m Länge, die fast 24.000 TEU transportieren können und das Ende des Wachstums ist noch nicht in Sicht! Um diesen Schiffen, genau wie ihren bis dahin permanent gewachsenen Vorgängern, überhaupt zu ermöglichen, Häfen wie z.B. Hamburg anzulaufen, baggern wir unsere Flüsse ohne Rücksicht auf die Umwelt immer weiter aus und zerstören damit die Umwelt in einer bisher nie dagewesenen Größenordnung. Und das auf Kosten der Allgemeinheit. 2 Shipmates sind MitseglerInnen unterschiedlichster beruflicher und persönlicher Herkunft und mit

unterschiedlichster seglerischer Erfahrung, die sich ohne Vorkenntnisse als Besatzungsmitglieder bewerben können und an Bord die nötige Ausbildung erhalten, um zusammen mit den Berufsseeleuten die AVONTUUR sicher zu beherrschen lernen. 3 E-Motor, Brennstoffzelle, Wasserstoff/Methanol, Rekuperation

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>> Martin Moritz <<

„Es Geht nicht nur um mehr Geld für den fairen Kaffee. Es geht um den fairen Umgang aller Menschen.“ Martin Moritz, ehemaliger Geschäftsführer von El Puente

Martin, was für fair gehandelte Produkte stehen bei Dir zu Hause? Welche fair gehandelten Produkte bei mir zu Hause stehen?! Ich dachte, ich sollte mich kurzfassen (lacht). Das sind Kaffee, Kekse, Zucker, Eis, Produkte des täglichen Bedarfs, soweit möglich. Natürlich auch schöne Dinge, von Tischchen angefangen, bis hin zu Decken, Schals, mit denen wir uns als Familie versorgen. Mein Favorit ist aber der El Salvador Kaffee. Außerdem komme ich nicht drumherum, mich fast täglich an den E&P’s zu bedienen.

Die E&P’s hast Du ja bei uns initiiert. Wie bist du auf die Idee gekommen? Zunächst ist es einfach: Man hat verschiedene Produkte gekauft und gemerkt, da sind Erdnüsse drin, da ist Schokolade drin, das haben wir auch. Dann ging es darum, einen Partner für die Verarbeitung zu finden. Heutzutage würde man eher versuchen, die E&P’s vom Produzenten aus dem Ursprungsland zu bekommen, aber das war damals noch nicht so ein Thema. Wir haben schließlich einen Partner gefunden und konnten die Produktion nach kurzer Zeit auf Bio-Qualität umstellen. So kam es zu dieser kleinen Erfolgsgeschichte.

Ein anderes Erfolgsbeispiel war und ist Malban. Kannst Du die Geschichte dahinter erzählen? Das ist eine Überraschungsgeschichte. Es war zu Beginn der 2000er Jahre mit dem Weltgebetstag im Libanon. Damals war ein ehemaliger Partner von uns auf einer Bestellung eines anderen Importeurs sitzen geblieben. Wir wollten helfen und kauften

den Malban. Orientalische Süßigkeiten, das war für uns Neuland. Es gab eine breite Aufmerksamkeit für dieses Produkt und es wurde zum Verkaufsschlager. Wir haben bis 2010 gut zusammengearbeitet, dann gab es leider bei manchen Zutaten anhaltende Qualitätsprobleme, so dass wir das Produkt schlussendlich leider aus dem Sortiment nehmen mussten. Fast acht Jahre später hat unser jetziger Partner Fair

Martin Moritz war 30 Jahre lang gemeinsam mit Stefan Bockemühl Geschäftsführer von El Puente. Unmittelbar nach dem Studium begann er, das Fairhandels-Unternehmen gemeinschaftlich zu leiten. Und das ist es auch, was die Jahrzehnte prägte: Das gemeinschaftliche Arbeiten mit dem Team in guten wie auch herausfordernden Zeiten.

Trade Libanon diese Idee wieder aufgegriffen. Es hat mich persönlich sehr gefreut, dass wir den Verkauf von fairem Malban fortsetzen können.

Zum Rückblick auf die Geschichte: Kannst Du Dich an Deinen allerersten Besuch in einem Weltladen erinnern? Ich habe im Weltladen Kassel Zivildienst gemacht, das war gewissermaßen der erste Weltladen. Ich hatte in meiner Jugend auch schon bei einer Aktionsgruppe mitgearbeitet. Und dann besuchte ich noch

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vor meinem Vorstellungsgespräch bei El Puente den Laden in Goslar und natürlich den Hildesheimer Weltladen in der Osterstraße damals. Es war immer ein vertrautes Gefühl, sobald ich einen Weltladen betreten habe.

Und wenn Du die Weltläden damals und heute anguckst, was hat sich da verändert? Es hat sich bei Weltläden in meiner Wahrnehmung von den Anfängen bis heute unglaublich viel verändert. Die Konstante ist das Interesse am Wohl der Produzent*innen. Dass diese bestmöglich von der Arbeit profitieren können. Und die Öffentlichkeitsarbeit, die das Bewusstsein auf eine Veränderung der wirtschaftlichen Strukturen lenkt. Was sich hingegen stark verändert hat, ist die Wahrnehmung, dass die Produkte auch wirklich Interesse der Kundschaft wecken müssen. Ich bin stolz darauf, dazu beigetragen zu haben, das zu vereinen, was früher als Widerspruch galt: modische und moderne Produkte im Fairen Handel zu verkaufen. Da gab es immer das Argument, dass es doch um den/die Produzent*in geht. Natürlich geht es darum. Aber die Produzent*innen haben natürlich auch das Interesse, den Geschmack der Kund*innen zu treffen. Das hat sich weiterentwickelt und beides zu verbinden ist eine super Sache.

Bereits in jungen Jahren hast Du begonnen, Dich für den Fairen Handel zu engagieren. Gab es da eine Art Initialzündung? Meine ersten Kontakte zum Fairen Handel kamen durch die Jugendarbeit. Unser Pas-


>> Martin Moritz <<

tor war engagiert in der Einen-Welt-Arbeit. Ich kann mich noch an 1977 erinnern, als wir auf den Kirchentag gefahren sind und einen Eine-Welt-Stand gemacht haben. Das war so eine Initialzündung, und dann ging es weiter.

Wie bist Du dann zu El Puente gekommen? Als El Puente 1989 einen zweiten Geschäftsführer suchte. Durch die Kombination, dass ich im Weltladen Zivildienst gemacht und zudem Ökonomie studiert hatte, wurde ich angefragt. Das war kurz nach dem Studium. Es stand natürlich die Frage im Raum, ob ich zu jung bin usw. Das war natürlich nicht so. Sowas denkt man immer. Vielmehr ist ja aktuell wieder zu erkennen, dass meine jungen Nachfolgerinnen und Nachfolger eine hervorragende Arbeit machen.

Hattest Du eine bestimmte Vision für die Zukunft als Du bei El Puente angefangen hast? Meine Vision war entsprechend der Zielsetzung, den Fairen Handel im Prinzip allen Menschen hierzulande nahe zu bringen. Auch eine Veränderung der wirtschaftlichen Situation der Partner in Übersee zu bewirken. Und das mit Partnern hierzulande umzusetzen, die sich am bes-

ten dazu eignen, nämlich die Weltläden. Das war eine recht frische Entscheidung damals und es hat sich bewährt. In dieser engen Verbindung haben wir auch darum gerungen, wie man noch mehr Menschen erreichen kann. Das war meine Vision und leitend für all die Jahre.

Indem alle Menschen im Kleinen, in einer partnerschaftlichen Art und Weise ihre Handelsbeziehungen, die Beziehungen überhaupt handhaben.

Wagen wir einen Blick in die Glaskugel, 50 Jahre weitergedacht, was denkst Du, wo könnte der Faire Handel stehen?

In 50 Jahren, persönlich in 30 Jahren, gab es natürlich vielfältige Herausforderungen. Was mir in meiner Rolle als Geschäftsführer immer wieder und nachhaltig in Erinnerung geblieben ist, was mich geradezu beseelt, war, wie wir bei El Puente mit Krisen umgehen konnten. Nämlich getragen davon, dass wir eine breite Eigentümerschaft haben. Einschließlich unserer Handelspartner, der Belegschaft, der Kundschaft und den Gründer*innen. Alle zusammen stehen für El Puente. Damit haben wir Krisen und Veränderungen bewältigt. Ich denke da an 1999, als wir eine große finanzielle Krise hatten. Wir saßen alle am Tisch, mit all den unterschiedlichen Interessen und Vorstellungen. Man hat sich zusammengerauft und ein Konzept entwickelt und das hat getragen. Das ist ein starkes Erlebnis und steht für das gemeinschaftliche Meistern von Herausforderungen.

Dieses Jahr, und das muss ich vorwegschicken, ist wegweisend für den Ausblick. Derzeit prägt uns der unsägliche Krieg in der Ukraine. Es macht hilflos, wenn man sieht, man kann nicht adäquat darauf reagieren. Und es führt uns vor Augen, wie existenziell ein faires Miteinander ist. Es ist also die existenzielle Lebensgrundlage, für die El Puente arbeitet. Es geht nicht nur um mehr Geld für den fairen Kaffee. Es geht um den fairen Umgang aller Menschen. Das beginnt immer bei uns selber. Besonders zeigt es sich in einem fairen Umgang miteinander bei unterschiedlichen Interessen der Beteiligten. Das merken wir in unserer täglichen Arbeit, dass Menschen unterschiedlich sind. Andere Kulturen, Diversität, unterschiedliche Interessen, Missverständnisse; das auszuhalten, das geht nur gemeinschaftlich.

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Rückblickend, was hat Dich in Deinen 30 Jahren bei El Puente besonders geprägt?


>> Isabelle Günther <<

Ich glaube, dass das Thema Klimaschutz mit Freude und einfachen Tipps am besten und nachhaltigsten vermittelt werden kann.

Isabelle Günther, Sinnfluencerin

Isabelle Günther betreibt neben Ihrem Hauptberuf unter anderem einen eigenen Instagram-Kanal unter dem Namen Isa goes Green. Hier teilt sie ihre Erfahrungen und Tipps rund um ein nachhaltiges Leben mit ihrer Community. Auf diese Weise wird sie zur Sinnfluencerin, also einer Influencerin, die sich mit nachhaltigen und sozialen Themen auseinandersetzt und ihre Reichweite für die Verbreitung selbiger nutzt. Auch wir von El Puente haben bereits mit ihr zusammengearbeitet. Ein nachhaltiger Lebensstil spielt in Deinem Alltag eine wichtige Rolle. Gab es einen bestimmten Anlass, der Dich dazu gebracht hat, Deinen Lebensstil noch grüner zu gestalten? Für mich haben da viele kleine Punkte zusammengespielt: Ich habe einige Dokus zu Plastikmüll in den Meeren geschaut, mich intensiv mit den Themen Klimaschutz und Veganismus beschäftigt und gemerkt, wie viel wir mit unseren täglichen Entscheidungen bewirken können, sich aber auch in der Politik einiges tun muss, damit wir eine lebenswerte Zukunft haben.

Unter dem Namen Isa goes Green gibst Du Tipps, Ideen und Informationen rund um das Thema Nachhaltigkeit an Deine Community weiter. Warum ist es Dir

wichtig, Deine Erfahrungen mit anderen zu teilen?

unserer Weltwirtschaft im Sinne einer nachhaltigen Zukunft.

Ich glaube, dass das Thema Klimaschutz mit Freude und einfachen Tipps am besten und nachhaltigsten vermittelt werden kann. Deswegen zeige ich, wie leicht wir im Alltag Dinge ändern können, die bereits etwas bewirken.

Wir haben für verschiedene Kooperationen zusammengearbeitet, sodass Du El Puente auch ganz gut kennengelernt hast. Welches ist Dein faires Lieblingsprodukt aus dem El Puente Sortiment?

Besonders in Deiner Generation bewegt sich viel, was Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz angeht. Welchen Platz nimmt da der Faire Handel aus Deiner Sicht ein? Für mich schließt Nachhaltigkeit auch den nachhaltigen Umgang mit Menschen, Tieren und Ressourcen entlang der Lieferketten mit ein. Der Faire Handel ist deswegen ganz essentiell für die Weiterentwicklung

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Mein Lieblingsprodukt ist der „Kaffee Ahoi“, der auf dem Seeweg nach Deutschland gebracht wird.


>> Kai Friedrich <<

Das Besondere an unserer Arbeit ist das Gemeinsame: Das gemeinsame Zusammenarbeiten für die Eine Welt und mehr Gerechtigkeit.

Durch die Arbeit beim Süd-Nord Kontor sitzt Du direkt an der Quelle. Welche fair gehandelten Produkte stehen bei Dir zu Hause? Was darf nie fehlen? Ja, ich sitze direkt an der Quelle! Das ist manchmal ganz schön verflixt, wenn man so leicht einen direkten Zugriff auf all' die leckeren Produkte hat. Mein persönlicher Favorit ist das Schoko-Nougat mit Minze, aber das ist nichts für meinen Sohn zu Hause: Dort müssen auf jeden Fall Nuss-Nougat-Creme und Honig auf dem Frühstückstisch stehen – natürlich aus Fairem Handel. Da ist der 8-Jährige ganz schön rigoros.

Das Süd-Nord Kontor blickt auf eine lange Geschichte zurück, wie fing 1978 alles an? Als ich vor 10 Jahren beim Süd-Nord Kontor anfing, gab es die GmbH, bei der die Gesellschafter alle aus dem Mitarbeiterstab kommen, bereits 18 Jahre. Angefangen hatte alles bereits 1978, als in einer Garage ein erstes „Lager“ entstand, in dem sich Aktionsgruppen und Kirchengemeinden mit fair gehandelten Produkten eindecken konnten. Gegründet wurde diese Gruppe von dem „Verein Aktionszentrum Dritte Welt“, der dann später auch das erste richtige Großhandelslager in der „Werkstatt Drei“ in Hamburg betrieb und sich heute noch für den erfolgreichen Weltladen in der Osterstraße verantwortlich zeigt.

Was waren grundlegende Veränderungen, die in den letzten 44 Jahren stattgefunden haben? Na, so genau weiß ich das natürlich nicht, aber die alten Kolleg:innen berichten, dass früher viel mehr Kunden direkt zu uns gekommen sind und Ware eingekauft haben. Heute geht viel mehr über die verschiedenen Versandwege an unsere Kunden und man sieht sich so nur ein-, maximal zweimal im

Kai Friedrich, Mitarbeiter im Süd-Nord Kontor

Kai Friedrich arbeitet seit 2012 im Süd-Nord Kontor in Hamburg. Dort ist er hauptsächlich für die Aufgaben in der Abteilung Versand verantwortlich. Ab der zweiten Hälfte des Jahres 2022 werden für den gebürtigen Schleswig-Holsteiner auch Aufgaben der Geschäftsführung hinzukommen. Jahr. Das bedauere ich doch ein wenig, denn das Besondere an unserer Arbeit ist ja gerade das Gemeinsame, das gemeinsame Zusammenarbeiten für die Eine Welt und mehr Gerechtigkeit und Entwicklungschancen in den Produktionsländern. So ist heute das Internet und teilweise noch das gute alte Telefon der hauptsächliche Kommunikationsweg, aber auch hier kann man sich gut austauschen und direkten Kundenkontakt halten. Und es sind natürlich viel mehr Produkte geworden.

Was ist der El Puente Topseller bei euch im Süd-Nord Kontor? Na, aber ganz klar der Oromia Kaffee aus Äthiopien, den trinke ich auch zu Hause übrigens. Dann sicherlich der Bamenda Kaffee

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und was die absolute Stückzahl angeht: Da ist die Costa Rica Cola unschlagbar vorne!

Hier ist Platz für die Geburtstagsglückwünsche an El Puente. 50 Jahre El Puente Verein, herzlichste Glückwünsche zum Jubiläum und viel Kraft und Erfolg für ein Weiter dieser so wichtigen und sinnvollen Arbeit. Es ist doch toll zu sehen, wie sich alles entwickelt hat und gewachsen ist – und besonders auch, dass das Thema Fairer Handel heute so in der Mitte der Gesellschaft steht. Das war nicht immer so – ist aber auch ein Verdienst der Arbeit von El Puente!


>> Anne Löwisch <<

Anne Löwisch arbeitet als Geschäftsführerin bei der Mitka. Seit 1987 importiert die GmbH fair gehandelten Kaffee aus Mittelamerika, unter anderem für El Puente.

Was hat Dich zum Fairen Handel gebracht? Letztendlich war es auch Zufall, obwohl ich schon länger im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und Lateinamerika tätig war. Am Fairen Handel hat mich dann die Vielfältigkeit gereizt und dass er nicht vorwiegend auf Projektförderungen basiert. Zentral war auch der Aspekt der Zusammenarbeit mit Kooperativen – ich bin überzeugt, dass die gemeinsame Organisierung von Menschen fast immer der beste Weg ist.

Für die Mitka bist Du viel unterwegs. Kannst Du Dich noch an Deine erste Reise erinnern? Ja, sehr lebhaft. Es ging nach Nicaragua und El Salvador. Da habe ich nicht nur die Kooperativen, sondern auch die Mitglieder der Mitka, die mit mir unterwegs waren, kennengelernt und die Geschichte der Mitka. Ich habe festgestellt, welche Bedeutung eine langfristige Partnerschaft für die Produzent:innen hat und habe mir vorgenommen, sie sorgsam weiterzuführen. Gerade von Stefan Bockemühl von El Puente habe ich auf dieser

Reise viel über die Werte und die Praxis des Fairen Handels gelernt.

Wohin reist Du besonders gerne und warum? Das ist eine wirklich schwierige Frage. Eigentlich ist sie unmöglich zu beantworten, jedes Land und jede Kooperative ist spannend. Besonders sind immer die Reisen nach Nicaragua, da wir dort die meisten Handelspartner haben und es ungemein interessant ist, zu sehen, wie unterschiedlich sich die Grundbedingungen oder Geschehnisse in einem Land auf Kooperativen unterschiedlicher Größe und Geschichte auswirken und wie alle auf ihre ganz eigene Weise damit umgehen. Da kann man einen Aspekt,

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wie beispielsweise die Auswirkung einer Kaffeekrankheit, des Kaffeepreises oder einer Regierungsmaßnahme wirklich in all seinen Facetten beleuchten.

Welches war Dein eindrücklichstes Erlebnis in all den Jahren Engagement für den Fairen Handel? Im Jahr 2018 haben wir eines unserer Handelspartnertreffen veranstaltet, zu dem Vertreter:innen aller Kooperativen aus Mittelamerika nach Nicaragua eingeladen waren. Kurz vorher kam es zu gewalttätigen Protesten in Nicaragua mit Straßenblockaden, massiven Verkehrseinschränkungen etc. Das Treffen stand auf der Kippe, aber schließlich hatten sich dann doch alle aus Europa, Mittelamerika und den ländlichen Regionen Ni-


>> Anne Löwisch <<

„Die gemeinsame Organisierung von Menschen ist fast immer der beste Weg.“

caraguas irgendwie in die Hauptstadt Managua durchgeschlagen und wir konnten drei Tage intensive Diskussionen führen. Danach war ich sehr erleichtert, dass alle wohlbehalten an- und wieder nach Hause gekommen waren und bewegt, dass sie – gerade auch diejenigen, die das Reisen überhaupt nicht gewohnt sind – die Mühen und Risiken auf sich genommen hatten. Dieses große Engagement für unsere Handelspartnerschaft hat mich sehr beeindruckt.

50 Jahre weiter gedacht: Was denkst Du, wie sieht der Faire Handel der Zukunft aus? 50 Jahre sind ein langer Zeitraum. Schön wäre es natürlich, wenn es dann keine Wirtschaft mehr gäbe, die systematisch am Profit orientiert ist. Wahrscheinlicher ist, dass das ursprüngliche Anliegen des Fairen Handels, soziale Gerechtigkeit herzustellen und ungleiche Machtverhältnisse zu bekämpfen, immer noch ein zentrales Thema sein wird. In der Form wird der faire Handel wohl diverser sein und mehr und direktere Kom-

munikation beinhalten. Die Entscheidungsstrukturen und Besitzverhältnisse zwischen Produzent:innen, Fairhandelsimporteur:innen und Kund:innen werden viel verschränkter sein. Fairer Handel wird auch auf lokaler Ebene Thema sein – im Norden wie im Süden. Wichtig ist, dass dabei die Macht- und Besitzverhältnisse kontinuierlich hinterfragt werden, sowohl in und zwischen den Organisationen als auch im Nord-Süd-Verhältnis.

Was sind die größten Herausforderungen, vor denen der Faire Handel Deiner Meinung nach steht? Im Kaffeesektor und sicher auch bei vielen anderen Produkten geht es darum, sich dem Klimawandel zu stellen und zu verstehen, dass Klimaschutz und Fairer Handel Hand in Hand gehen. Auf dem Land muss es möglich sein, ein gutes und auskömmliches Leben zu leben. Dazu müssen die Kooperativen auch der internen Belastung durch die gegenwärtige Landflucht standhalten. Bei vielen ist der Nachwuchs nicht gesichert. Viel Arbeit steckt noch in der Festlegung und in der Vermittlung von Preisen, die sicherstellen, dass alle Beteiligten ein existenzsicherndes Einkommen erhalten. Dabei muss die ganze Lieferkette in den Blick genommen werden.

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Und schließlich darf die Tatsache, dass die digitale Welt die Möglichkeit eines direkten Kontakts zwischen einzelnen Produzent:innen und Konsument:innen bietet, nicht dazu führen, dass die Organisationen an sich aus dem Blick geraten.

Welcher ist Dein liebster Kaffee? Wie und wann trinkst Du ihn? Die Frage nach dem Lieblingskaffee kann ich jetzt natürlich nicht zu konkret beantworten, am Ende liest es einer der Handelspartner... Ich mag den Kaffee jedenfalls schwarz und sehr gerne einen Kaffee mit betonter feiner Säure – mit Zentralamerika bin ich also in den passenden Ländern unterwegs. Den Kaffee trinke ich, wann immer ich ihn bekomme, den ganzen Tag über bis in den Abend hinein. Nur morgens nach dem Aufstehen trinke ich am liebsten erst einmal Tee.

Hier ist Platz, um El Puente noch ein paar Wünsche mit auf den Weg zu geben. Ich wünsche El Puente, dass ihr euch trotz der zunehmenden Komplexität des Fairen Handels eure Unkompliziertheit bewahrt und damit wie bisher für alle Herausforderungen schnelle und ganz klar auf das Wohl der Produzent:innen gerichtete Lösungen findet.


>> Thomas Busjan <<

„Die Lieferkette ist der entscheidende Faktor, um aus einem herkömmlichen Produkt ein wirklich nachhaltiges Produkt zu machen.“ Thomas Busjan, Geschäftsführer der Kaffeerösterei Niehoff

Warum habt Ihr Euch auf bio-fairen Kaffee spezialisiert? Seit den 1980er Jahren rösten wir bio und fair erzeugte Kaffees. Das ist tief in unserer Firmen-DNA verankert. Seit mehreren Jahren kaufen wir keine einzige konventionelle Bohne mehr ein, auch wenn uns das am Anfang einige Kunden gekostet hat.

Ihr engagiert Euch auch seit langem für den Klimaschutz. Was genau tut Ihr, um die Kaffeerösterei Niehoff als ein nachhaltiges Unternehmen aufzustellen? Seit einigen Jahren produzieren wir am Standort in Epe CO₂ neutral. Hier versuchen wir unseren ökologischen Fußabdruck permanent zu verringern. Teilweise mit kleinen Schritten und teilweise mit ganz großen. So haben wir in 2013 einen hocheffizienten Röster in Betrieb genommen, der durch seine Thomas Busja spezielle Technik im n ist Geschäf tsfü hrer der Kaffee Vergleich zu seinem rösterei Nieho ff. Er und sein Vorgänger deutliche Te am veredeln faire Einsparungen bei Kaffeebohnen zu fe in stem Röstkaf fe Energieverbrauch e. Thomas Bus ja n ist bereits seit und CO₂ Emis27 Jahren in de r Rösterei tätig. sionen ermöglicht Er kennt El Pu ente schon als Liefer hat.

fahrer aus der Zeit, als er in den Se mesterferien be i Franz Niehoff gejobbt hat.

Seit zwei Jahren haben wir uns We-Care- zertifizieren lassen. Dies ist ein Ansatz, der das gesamte Unternehmen in seiner Auswirkung auf Umwelt, Soziales, Unternehmensführung in der gesamten Lieferkette betrachtet. Die Lieferkette ist der entscheidende Faktor, um aus einem herkömmlichen Produkt ein wirklich nachhaltiges Produkt zu machen.

Welcher ist Dein liebster Kaffee aus dem El Puente Sortiment? Bei El Puente ganz klar der Oromia – Äthiopien pur.

Wie, wann und mit wem trinkst Du Deinen Kaffee am liebsten? Der liebste Kaffee ist der Erste morgens. Egal bei welchem Wetter und zu welcher Jahreszeit draußen alleine auf der Terrasse. Am schönsten ist es, wenn gerade die Sonne aufgeht. Und dann natürlich morgens Punkt 9:30 mit dem Team in der Sensorikrunde. Immer eine Kombination aus Bekanntem und neuen Rezepturideen.

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>> Martin Müller <<

„Der Faire Handel ist eine praktische Form der Nächstenliebe.“ Martin Müller, Vorsitzender des El Puente Aufsichtsrat und Geschäftsführer der Weltläden Basis Gelsenkirchen

Martin Müller

Martin, wie bist Du zum Fairen Handel gekommen? Das war Anfang der 80er Jahre. Noch während meines Studiums habe ich in einer evangelischen Kirchengemeinde einen Weltladen im Ruhrgebiet aufgebaut. Nord-Rhein-Westfalen ist das Stammland der GEPA, aber aus irgendwelchen Gründen gab es Kontakt zu El Puente. Als Verantwortlicher für den Einkauf kam so meine Verbindung zu El Puente zustande.

Du könntest Dich im Tierheim oder bei der Feuerwehr engagieren. Warum gerade der Faire Handel? Ich bin von Haus aus kein Kaufmann, sondern Theologe. Für mich ist der Faire Handel ein zutiefst christliches Engagement: Der Einsatz für den Nächsten. Ich habe mich relativ früh, im Studium und auch in meiner kirchlichen Situation mit der Armut in der Welt beschäftigt. Das ist meine Motivation. Der Faire Handel ist eine sehr praktische Form der Nächstenliebe.

Als Geschäftsführer der Weltläden-Basis sitzt Du direkt an der Quelle. Welche fairen Produkte dürfen bei Dir Zuhause nicht fehlen? Für meine Frau darf der Nicaragua-Kaffee nicht fehlen. Ich selber bin im Grunde Süßigkeiten süchtig. Die neuen schokolierten Früchte aus Kolumbien haben es mir dabei besonders angetan.

verbindet als Geschäftsfü hrer der Weltläden Basis Gelsenk irchen schon lange ein enges Ba nd mit El Puente. Seit diesem Jah r ist er Vorsitzender des Aufsich tsrates bei El Puente. Im Interview gibt er auch ein Geheimnis preis. Un d so viel sei schon einmal Verraten, es hat mit Martins Kaffeekonsum zu tun.

Beschreibe uns bitte einmal einen typischen Arbeitstag. Mein Arbeitstag fängt um 8.00 Uhr an und endet um 18.00 Uhr. In dieser Zeit findet viel Büroarbeit statt. Ich habe noch eine Mitarbeiterin, darum besteht mein Alltag aus Tagesgeschäft mit Kund*innenkontakt, Aufträge schreiben, Bestellungen tätigen und Fragen der Logistik klären. Ein Stückweit mache ich auch Außendienst und besuche die Läden. Auf der anderen Seite beschäftige ich mich bei El Puente mit strukturellen Fragen.

Gibt es Aufgaben, die dir besonders liegen? Ich halte mich schon für einen guten Verkäufer, daran habe ich richtig Spaß. Dazu gebe ich direkt einmal ein Geheimnis preis: Ich bin mit der Weltläden-Basis einer der wichtigsten Kaffee-Kunden bei El Puente, habe aber in meinem Leben noch nie einen Kaffee getrunken. Natürlich kann ich den Kund*innen aber die Unterschiede und Besonderheiten erklären. Das macht nochmal deutlich, es geht ums Verkaufen, ich selbst muss das Produkt nicht mögen.

Eine Erfolgsgeschichte, die Du mit begleitet hast, ist die Kampagne „Der Pott kocht fair“. Sind es re-

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gionale Initiativen wie diese, die es braucht, um den Fairen Handel weiterhin in Deutschland bekannt zu machen? Diese Regionalität ist schon etwas Besonderes. Wir haben mit dem Pottkaffee vor über 20 Jahren vielleicht mit fünf oder sechs Städten angefangen. Mittlerweile sind 32 Städte dabei. Die Umsätze spielen dabei nicht die wichtigste Rolle, viel relevanter ist das Netzwerk, dass sich durch diese Initiative entwickelt hat. Ich möchte behaupten, die „Faire Metropole Ruhr“ würde es heute in der Form nicht geben, wenn wir nicht vor 20 Jahren mit dem „Pottkaffee“ angefangen hätten. Wir haben über die Stadtgrenzen hinaus gemerkt, es gibt Menschen mit ähnlichen Interessen und dadurch ist unwahrscheinlich viel entstanden.

Du bist seit 2022 auch Aufsichtsratsvorsitzender bei El Puente. Was sind Deine Visionen für die Zukunft? Wir müssen uns überlegen, wie der Handel der Zukunft aussehen wird. Bis jetzt ist die Lage der Weltläden relativ stabil. Aber der lokale Einzelhandel vor Ort steht vor immer neuen Herausforderungen. Nicht nur der Weltladen. Das heißt wir müssen schauen, wie gehen wir damit um. Wo können wir Ziele schaffen, um unsere Umsätze nicht nur zu halten, sondern auch zu steigern? Und das nicht aus eigenem Interesse, sondern für unsere Partner im Süden. Und auch wenn wir neue Dinge entwickeln, bleiben die Weltläden unsere Basis.


Foto: GEPA – The Fair Trade Company.

>> Jorge Inostroza <<

Die GEPA hat eine ähnlich lange Geschichte wie El Puente. An welche Erlebnisse erinnerst Du Dich am liebsten und am lebhaftesten? Als ich als Flüchtling nach Hannover gekommen bin, habe ich irgendwann Flugblätter von El Puente in die Hand bekommen. Mich hat es damals sehr gefreut, ein Unternehmen kennenzulernen, das sich für Gerechtigkeit in Lateinamerika einsetzte, und den Namen auf Spanisch fand ich schön. Am lebhaftesten ist mir das Erlebnis in Erinnerung, als die Weltläden bei einer Versammlung die Professionalisierung als den Weg der Zukunft erkannt haben, das motiviert mich bis heute. Und eine Reise mit den Leitungen der damaligen RFZ nach Bolivien und Chile,

diese Eindrücke und Erlebnisse prägen mich bis heute. Die Wirkung unseres Handel(n)s bei den Handelspartner*innen sind eine tägliche Motivation, und ich meine die Arbeit von Weltläden, Weltgruppen, El Puente, Weltpartner, Globo, Fairband, GEPA und vielen anderen Organisationen.

Als langjähriger Vertriebsleiter arbeitest Du hauptamtlich bei der GEPA. Doch wie bei den meisten Menschen, die im Fairen Handel tätig sind, ist der Lohnerwerb nicht der einzige Antrieb. Was ist Dein wichtigster Motor? Ich bin in Chile geboren, in meiner Kindheit sah ich starke Armut, fehlende Perspektiven für so viele Jugendliche; ich hatte beispielsweise Schulkameraden, die barfuß zur Schule kamen, in deren Häusern im Winter der Fußboden sich zu Schlamm verwandelte. Ich erlebte auch eine Militärdiktatur und die politische Verfolgung Andersdenkender. Gleichzeitig gab es den unermesslichen Reichtum von einigen Wenigen, die fehlende Achtung dieser gegenüber den Armen,

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die ungleiche Verteilung des Reichtums eines Landes. Das alles motivierte mich, mich in meinem Leben für eine wirtschaftliche Veränderung zum Besseren für die Chancenlosen einzusetzen. Und der Faire Handel ist eine Alternative, wenn er wirklich auch zu einem Bewusstsein und zu struktureller Veränderung in der Gesellschaft führt. Wir brauchen eine Veränderung der wirtschaftlichen Strukturen und das motiviert mich auch.

In verschiedenen Arbeitsgruppen und Netzwerken arbeiten GEPA, El Puente und andere Akteure eng zusammen. Ist es eine der wichtigsten Stärken des Fairen Handels, dass alle gemeinsam für dieselbe Sache eintreten? Die Zusammenarbeit und der Austausch, den wir erreicht haben, ist ein großer Erfolg von uns allen. Das war nicht immer so. Die Zusammenarbeit mit unseren unterschiedlichen Prägungen macht uns stark. Wir sind eine Familie mit unterschiedlichen Familienmitgliedern. Wir sollten lernen, mit unseren Unterschieden zusammenzuarbei-


>> Jorge Inostroza <<

„Die Wirkung unseres Handel(n)s bei den Handelspartner*innen sind eine tägliche Motivation“ Jorge Inostroza, GEPA – The Fair Trade Company

oder den Vertreter*innen der „Fridays for Future“-Bewegung. Aus meiner Sicht überzeugen und motivieren wir Verbraucher*innen, unsere Produkte zu kaufen. Das ist eben kein Marketingtrick. Denn sie glauben daran, dass sie in kleinen Schritten zu einer besseren Welt beitragen.

Zuletzt: Dein Lieblingsprodukt von El Puente? ten und uns gleichzeitig gegen die verbünden, die die Ausbeutung der Menschen als Grundlage für wirtschaftliche Strukturen vertreten.

Hältst Du es für realistisch, dass der Faire Handel sich einmal selbst abschafft und zur neuen Normalität wird? Oder ist das eher eine Utopie? Ich würde mich sehr freuen, wenn der Faire Handel zu einer Normalität würde. Ich bin aber auch überzeugt, dass der Faire Handel in den nächsten 200 Jahren nicht die Normalität werden wird – leider!

Gerade deshalb setze ich mich dafür ein, dass der Faire Handel weiterhin wächst mit dem Ziel, dass wir mehr Endverbraucher*innen in Deutschland überzeugen, ihr konkretes Einkaufsverhalten zu ändern, also Kriterien wie faire und biologische Erzeugung zu berücksichtigen. Damit sich bewusstes Einkaufsverhalten zu einer neuen Normalität entwickeln kann, ist für mich politische Arbeit sehr wichtig. Dazu sollten wir uns mit anderen Multiplikatoren der Zivilgesellschaft zusammenschließen wie Gewerkschaften, Kirchen

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Eine klare Antwort: Die chilenischen Weine von El Puente haben, wie vieles aus Chile, starke Charaktere, sind hochwertig, voller Überraschungen und reich an Geschmacksnuancen. Und an einem schönen Abend mit Freund*innen bei einem leckeren chilenischen Essen schlagen die chilenischen Weine von El Puente eine Brücke zu den chilenischen Weinen von GEPA, und es entsteht eine wunderschöne Atmosphäre. Ich danke euch, El Puente, für euren 50-jährigen Einsatz für Gerechtigkeit auf dieser Welt.


>> Swapan Kumar Das <<

„Wir können nur fünftausend Frauen in Bangladesch Arbeit geben, aber es gibt noch viel mehr Frauen, die diese Art von Unterstützung brauchen.“ Swapan Kumar Das, Geschäftsführer von Prokritee

Swapan Kumar Das ist Geschäftsführer von Prokritee. Die FairhandelsOrganisation aus Bangladesch ist bereits seit vielen Jahren ein Partner von El Puente und setzt sich besonders für Frauenrechte ein.

Swapan, kannst Du uns ein wenig über die Arbeit von Prokritee erzählen? Prokritee wurde vom Mennonitischen Zentralkomitee gegründet, das die Nordamerikaner 1971 hierherbrachten. Sie wollten den Frauen aus den ländlichen Gebieten helfen, ihre Fähigkeiten zur Herstellung von Weltklasseprodukten einzusetzen. Darüber hinaus versuchten sie, lokal verfügbare Rohstoffe für die Herstellung dieser Produkte zu finden. Ziel war es, ihnen zu helfen, ein Einkommen zu erzielen und sie für die Einkommensbildung zu sensibilisieren. Hundert Prozent unserer Kunsthandwerker*innen sind Frauen. Sie arbeiten für die Familie und haben vor nichts Angst. Sie kommen hierher, arbeiten in Würde und erhalten einen fairen Lohn. Ihre Hoffnungen und Träume beziehen sich meist auf ihre Kinder. Bisher hatten sie ein schweres Leben, wollen aber, dass ihre Kinder eine Ausbildung erhalten und ein besseres Leben und Lebensstandard haben.

Inwiefern profitieren die Kunsthandwerker*innen vom Fairen Handel? Im Fairen Handel werden die Kunsthandwerkerinnen sehr respektiert. Sie haben Entscheidungsfreiheit, sie können reden, diskutieren sowie auf das Management zukommen. Und dann ist da noch eine große Sache: Wir müssen unsere Produkte von

Zeit zu Zeit ändern, insbesondere die Handwerksprodukte bleiben nicht länger als drei Jahre auf dem Markt. Hierfür erhalten die Mitarbeiterinnen Ausbildungen und Schulungen, damit sie lernen neue Produkte zu erstellen und ihre Fähigkeiten dafür gut einzusetzen. Zusätzlich zu den fairen Löhnen bieten wir ihnen auch Rentenleistungen. Wenn jemand in Rente geht, bekommt sie eine gute Bezahlung für ihr Leben im Ruhestand.

Die Klimakrise ist wahrscheinlich das zentrale Thema unserer Zeit. Inwiefern sind die Auswirkungen der Klimakrise in Bangladesch zu spüren? Leider sind wir hier vom Klimawandel stark betroffen. Meist sind die ländlichen Gebiete, in denen unsere Handwerkerinnen leben, von Dürren und langanhaltendem Regen betroffen. Hinzu kommen Überschwemmungen oder Zyklone. In einigen Fällen haben wir gesehen, dass sie ihre Ernte früher einbringen mussten, obwohl die Pflanzen noch unreif waren. In vielerlei Hinsicht ist dies also sehr schlecht für das Leben der Handwerkerinnen.

Bangladesch ist bekannt dafür, dass viele große konventionelle Modeketten ihre Produkte im Land unter menschenunwürdigen Bedingungen produzieren lassen.

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Mit Prokritee zeigt Ihr, dass es auch anders geht. Hier in Prokritee sind die Dinge ganz anders, wir sind transparent, sprechen direkt mit den Mitarbeitenden und bieten ihnen Schulungen zum Kapazitätsaufbau an. Außerdem sind faire Löhne garantiert und sie haben eine beständige Arbeit. Darüber hinaus kümmert sich unser Programm um ihre Altersvorsorge, ihre Gesundheit, ihre Bildung, all diese Dinge. Wir können nur fünftausend Frauen in Bangladesch Arbeit geben, aber es gibt noch viel mehr Frauen, die diese Art von Unterstützung brauchen.

Welche Wünsche habt Ihr für die Zukunft? Wir wünschen uns, dass wir unseren Fairen Handel auf das ganze Land ausweiten und mehr Frauen einladen, mit uns zu arbeiten. Auch eine langfristige Geschäftsbeziehung ist sehr wichtig, um planen zu können. El Puente arbeitet also schon seit vielen Jahren mit uns zusammen. Wir können uns glücklich schätzen, dass sie schon so lange mit uns zusammenarbeiten. Und es ist gut für unsere Handwerkerinnen, dass sie auf beständige Weise ein gutes Einkommen erzielen können. Herzlichen Glückwunsch zum goldenen Jubiläum von El Puente! Ich möchte einen Satz hinzufügen: Man weiß nie, was im Hintergrund passiert, insbesondere im Leben der armen Menschen der ländlichen Gebiete, wo wir arbeiten. Ich lade Sie also ein, sich genauer anzusehen wie hier gelebt und gearbeitet wird, und bitte Sie, dies zum Wohle der Kunsthandwerkerinnen für immer und ewig aufrechtzuerhalten. Ich danke Ihnen!


>> Nina Labode <<

Wir wollen ein faires Miteinander gestalten!

„Unsere Haltung bleibt gleich:

Nina Labode, Grundsatz-Referentin und Teamleitung in der Abteilung Info & Kommunikation

Nina, wie bist Du zum Fairen Handel gekommen? Der Faire Handel hat mich schon von Kindesbeinen an begleitet. Meine Eltern waren in einer Aktionsgruppe für den Fairen Handel aktiv, da habe ich schon als 5-jährige geholfen, Kaffee aus Nicaragua zu verkaufen. Während meines Studiums habe ich mich dann im örtlichen Weltladen engagiert. Und anschließend durfte ich als Fair-Handels-Beraterin in Rheinland-Pfalz Weltläden vernetzen und beraten, was mir viel Spaß gemacht hat. Diese Zeit hat mir wieder einmal stark verdeutlicht, wie vielfältig und anspruchsvoll die Arbeit in den Läden ist. Bei El Puente kann ich nun die gesamte Lieferkette verfolgen. Das finde ich unheimlich interessant.

Welches ist ein zentrales Thema, das Dich derzeit in der Grundsatzarbeit beschäftigt? Ein längerfristiges Projekt ist das Thema Living Wages und Living Income. Die Corona-Auswirkungen verzögern hier gerade die nächsten Schritte, aber dennoch ist es

Warum ist es nötig, Grundsätze und Kriterien des Fairen Handels immer weiter zu entwickeln und anzupassen? Der Faire Handel ist eine Bewegung, die nie stillsteht. Perspektiven verändern sich, politische Themen, die im Fokus stehen, ändern sich und auch Sprache wandelt sich. Hier gilt es die eigenen Positionen immer wieder zu hinterfragen, neue Erkenntnisse einzubeziehen und auch das Wording anzupassen. Denn Worte sind sehr wirkmächtig und schaffen Realität. Unsere grundsätzliche Haltung bleibt jedoch gleich: wir wollen ein faires Miteinander gestalten!

Was bedeutet es, Grundsatzverantwortliche bei El Puente zu sein? Als Grundsatz-Referentin werde ich in ganz unterschiedliche Projekte der GmbH einbezogen. Das ist sehr spannend. In erster Linie geht es darum, unsere Grundsätze bei allen Unternehmensentscheidungen mitzudenken. Da kann es um die Entscheidung gehen, mit welchem Paketdienstleister wir zusammenarbeiten oder eine Position zu Produkten mit Palmöl zu finden oder eine Living Wage-Kalkulation für unsere Mitarbeiter*innen zu erstellen. Es geht aber auch darum, Positionen der El Puente in Positionspapieren und Policies festzuhalten, um sie nach außen zu vertreten.

ein wichtiges Thema, das kontinuierlich auf unserer Agenda ist. Kurzfristig werten wir neue Daten für die Klima-Kollekte aus, um zu schauen, wie sich unser Co₂-Fußabdruck entwickelt hat. Unsere derzeit unvermeidbaren Emissionen gleichen wir dann mit einer Ausgleichszahlung in Klimaschutz-Projekte aus.

Nina Labode arbeitet seit 2017 als Grundsatzreferentin bei El Puente. Von Palmöl bis zu Living Wage, in ihrem Arbeitsalltag beschäftigt sie sich mit verschiedenen, grundlegenden Themen des Fairen Handels. Das Engagement für den Fairen Handel wurde ihr dabei sozusagen in die Wiege gelegt.

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Als Mitarbeiterin bei El Puente sitzt Du direkt an der Quelle: Welches ist Dein liebstes faires Produkt? Eine ganz gemeine Frage! Denn es gibt doch so viele Lieblingsprodukte! Wenn ich mich aber entscheiden muss, dann ist mein liebstes Produkt der entkoffeinierte Sonrisa Kaffee aus Mexiko. Ein wirklich leckerer Kaffee, den ich allen werdenden und noch nicht wieder koffeinierten Müttern nur wärmstens ans Herz legen kann. Natürlich auch, wenn Euch die Tasse Kaffee nach 16 Uhr nachts nicht mehr ruhig schlafen lässt.


>> Mimi Sewalski <<

„Faire und soziale Produktion sollte das neue ‚normal‘ werden.“ Mimi Sewalski, Geschäftsführerin von Avocadostore

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>> Mimi Sewalski <<

Mimi Sewalski ist Gründerin und Geschäftsführerin vom Avocadostore, einem Online Marktplatz für nachhaltige Produkte, auf dem auch El Puente als Anbieter vertreten ist. Hier bietet die junge Unternehmerin den Online-Kund*innen für jedes herkömmliche Produkt eine nachhaltige Alternative – und damit auch vielen Produzent*innen einen wichtigen Online-Absatzmarkt für grüne und faire Produkte.

Wenn Du jemandem, der keine Berührungspunkte mit Fairem Handel und Nachhaltigkeit hat, beschreibst, was Du beruflich machst. Was sagst Du ihm?

Im Avocadostore gibt es eine riesige Produktauswahl. Gibt es ein Produkt, dass es Deiner Meinung nach dringend aus Fairem Handel geben müsste, bisher aber noch nicht gibt?

Das ist gar nicht so einfach, weil ich auf so vielen Ebenen am Thema Nachhaltigkeit dran bin. Im Ergebnis kann ich sagen, dass ich mit dem Avocadostore-Team dafür sorge, für jedes herkömmliche Produkt eine nachhaltige Alternative zu bieten und damit vor allem Transparenz und Orientierung hinsichtlich Nachhaltigkeit für Konsument:innen schaffe.

Am schönsten wäre es, wenn einfach alle Produkte aus fairem Handel kommen und ich finde übrigens die Produktauswahl jetzt schon beeindruckend. Ich persönliche entdecke bei Lebensmitteln aus fairem Handel immer wieder Neues und liebe es, in den Weltläden nach neuen Gewürzen oder Kaffee zu stöbern. Ich denke, dass im Bereich Living und Home noch Potential ist und ich glaube auch an das Potential von Textilien aus fairem Handel, z. B. schlichte Basics, die jeder gut gebrauchen kann mit Materialien, die zum Herstellungsland passen.

Wie bist Du zum Thema Nachhaltigkeit und Fair Trade gekommen?

50 Jahre weiter gedacht: Wie sieht der Faire Handel der Zukunft Deiner Meinung nach aus?

Zur Nachhaltigkeit bin ich über den Naturschutz gekommen. Als Kind der 80er hab ich leider damals schon von saurem Regen, FCKW, Umweltverschmutzung und Waldsterben gehört. Aus meiner Sicht merkt man schnell, dass Nachhaltigkeit mit Konsumverhalten zu tun hat und es möglich ist, weniger, aber besser zu konsumieren. Dazu gehört auch die Frage: „Wie werden Produkte hergestellt?“. Spätestens dann ist klar, Nachhaltigkeit hat nicht nur mit Umweltschutz zu tun, sondern eben auch mit fairen Arbeitsbedingungen. Der faire Handel leistet hier seit Jahrzehnten Pionierarbeit und ich freue mich, dass es hier schon so tolle Standards gibt.

Faire und soziale Produktion sollte das neue „normal“ werden und ebenso eine möglichst umweltschonende Produktion. Momentan gilt: There is no social business without business und ich hoffe sehr, dass wir in 50 Jahren sagen können: There is no business without social business. Und ich wünsche mir, dass viele herkömmliche Unternehmen von der Pionierarbeit des fairen Handels lernen und auf Margen, Wachstum und Masse zugunsten von Menschen, Umwelt und Entschleunigung setzen werden.

Welche Kund*innen sprecht Ihr beim Avocadostore an?

El Puente ist seit einigen Jahren auch beim Avocadostore vertreten. Wie würdest Du El Puente in drei Worten beschreiben?

Im Grunde alle Kund:innen, die nachhaltiger konsumieren möchten, was ein sehr individueller Prozess sein kann. Von heute auf morgen komplett auf Konsum zu verzichten, wäre sicherlich das Nachhaltigste, aber eben auch ziemlich unrealistisch. Deswegen brauchen wir Lösungen und das können eben oft Produkte sein, die umweltschonend und fair hergestellt wurden. Diese Produkte sind meist auch nicht nur einfach Produkte, sondern es stecken Geschichten dahinter, z. B. wenn sie Arbeitsplätze für Menschen schaffen oder einfach helfen, nachhaltiger zu leben, wie z. B. ein Mehrweg-ToGo-Becher.

Vielseitg, engagiert und erfahren.

Hier ist Platz für Geburtstagswünsche, die Du El Puente mit auf den Weg geben möchtest. Ihr habt bewiesen, dass Alternativen im Handel möglich sind und ich freue mich schon jetzt auf die nächsten 50 Jahre, also eure Ideen, eure Dynamik und euren Impact für den fairen Handel! Herzliche Glückwünsche aus Hamburg, ihr seid großartig!

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>> Thomas Antkowiak <<

„Wir haben zu wenige Unternehmen, deren Mission es ist, soziale und ökologische Probleme zu lösen, statt sie zu schaffen.“

Foto ©Mellenthin/MISEREOR

Thomas Antkowiak, MISEREOR

Wenn Sie jemandem begegnen, der noch keine Berührungspunkte zu MISEREOR hatte, wie beschreiben Sie Ihren Beruf? Ich würde sagen, dass ich es auch nach 16 Jahren als Ehre und Herausforderung empfinde, im Vorstand von MISEREOR für Personal, Finanzen und Organisation, also unsere „internen Dienste“ verantwortlich zu sein. Gemeinsam mit über 350 Mitarbeitenden unterstützen wir 4000 laufende Projekte in über 80 Ländern und helfen mit, Armut, Hunger und Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Zigtausende Spenderinnen und Spender machen das möglich.

Was motiviert Sie am meisten, täglich Ihrer Arbeit bei MISEREOR nachzugehen? Ich bin an langfristigen Lösungen für wichtige Herausforderungen interessiert. MISEREOR hat sich dem sozial-ökologischen

Thomas Antkowiak

n ist Vorstandsmitglied vo die interMISEREOR und dort für ig. nd stä nen Dienste zu rein in Ve n Zusätzlich ver tritt er de ften von den „Tochter“-Gesellscha Vorsitzender MISEREOR. Er ist u. a. mmlung der der Gesellschafterversa Company“. „GEPA – The Fair Trade

Wandel unseres Planeten verschrieben. Das ist nicht nur eine Aufgabe der Menschen in unseren Projekten, sondern wir müssen auch unser eigenes Haus verwandeln. Das ist meine Aufgabe im Vorstand. Und ich arbeite gerne und mit Leidenschaft in der Kirche und für die Kirche, mag es auch nicht immer einfach sein.

Zum Fairen Handel: Haben Sie das Gefühl, der Faire Handel hat in den letzten 50 Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen? Natürlich. Als Diözesanvorsitzender des BDKJ im Bistum Hildesheim war ich ein Nachfolger von Richard Bruns, der El Puente mitgründete. In der Zeit konnte ich El Puente kennenlernen. Ich bin natürlich froh darüber, dass die Jugendverbände mit ihrem Engagement noch immer im Fairen Handel dabei sind. Viel klarer als damals steht aber heute der Faire Handel auch im Blickpunkt der breiten Öffentlichkeit. Er hat unter anderem seinen Weg in den Einzelhandel gefunden. Der Faire Handel ist also auch in Bereichen angekommen, die ihn vor 15 Jahren noch nicht ernst nahmen. Aber auch die Weltläden konnten sich gut weiterentwickeln und ihren Platz behaupten. Über FairtradeSchools und Fairtrade-Towns wird Breitenwirkung erzielt. Es fehlt aber noch die tiefgreifende Verwandlung der Handelspraxis in der globalen Wirt-

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schaft. Da passiert jenseits des Marketings immer noch zu wenig. Und wir haben zu wenige Unternehmen, deren Mission es ist, soziale und ökologische Probleme zu lösen, statt sie zu schaffen.

Halten Sie es für realistisch, dass der Faire Handel sich einmal selbst abschafft und zur neuen Normalität wird? Oder ist das eher eine Utopie? Es wird MISEREOR hoffentlich auch nicht mehr oder nicht mehr in dieser Form geben, wenn Armut und Hunger aus der Welt vertrieben sein sollten. Daran arbeiten unsere Partner hart und es kann gelingen. Ich bin da optimistisch! Viele Fair Trade-Organisationen brauchen heute keine Förderung mehr von MISEREOR. Wir treffen sie bei WFTO und Fairtrade-Konferenzen mit all ihren Kompetenzen und großem und berechtigtem Selbstbewusstsein wieder. Ein gutes Gefühl, das Hoffnung stiftet.

Hier ist Platz für Geburtstagswünsche an El Puente. Spätestens seit den Hungermärschen in den 1970er Jahren sind die Kirchen in Deutschland und die alternative, faire Handelsbewegung eng verflochten. El Puente ist aus dieser ökumenischen Bewegung nicht wegzudenken. Ich wünsche immer wieder neue Kreativität und viel Hartnäckigkeit für alle kommenden Herausforderungen!


>> Tamara Cobussen <<

„Unsere Mitglieder haben sich voll und ganz ihrer sozialen Mission verschrieben.“ Tamara Cobussen, Guarantee-System Managerin bei der WFTO

Tamara Cobussen d be-

FTO un arbeitet bei der W Linie das WFTO treut dort in erster . Sie wünscht Guarantee-System Handel in 50 sich, dass der Faire tät geworden ist. Jahren zur Normali damit zu tun hat, Was ein Foto-Dia rview. er fahr t Ihr im Inte gen. Wir versuchen auch sicherzustellen, dass sich das Garantiesystem ständig weiterentwickelt, um den Bedürfnissen unserer Mitglieder und anderer Interessengruppen gerecht zu werden.

Wie bist Du zum Fairen Handel gekommen? Während meines Studiums absolvierte ich ein Praktikum in Ghana und bei einer niederländischen Ministeriumsagentur, die sich auf die Unterstützung des Handels mit Entwicklungsländern konzentrierte. Dies bestärkte mich in meiner Ansicht, dass fairere Handelspraktiken viele der derzeit bestehenden Probleme angehen würden. Als wir nach Neuseeland zogen, ergab sich die Gelegenheit, für das WFTO-Mitglied Trade Aid zu arbeiten. Das brachte mich auf den Weg zu meiner jetzigen Rolle bei der WFTO.

Seit Anfang an bist Du für das WFTO Guarantee System verantwortlich. Was unterscheidet dieses System von anderen Arten der Zertifizierung? Das Hauptunterscheidungsmerkmal des WFTO-Garantiesystems besteht darin, dass es sich auf die Organisation konzentriert. Das bedeutet, dass sich unsere Mitglieder voll und ganz ihrer sozialen Mission verschrieben haben, und all ihre Arbeit unterstützt dieses Ziel.

Wenn Du jemanden triffst, der zuvor noch nie von der WFTO gehört hat, wie erklärst Du Eure Arbeit?

Ein Blick in die Glaskugel, was denkst Du, wie könnte der Faire Handel im Jahr 2072 aus?

Die WFTO ist eine Gemeinschaft von Fair-Trade-Unternehmen auf der ganzen Welt. Diese Unternehmen haben das Netzwerk gegründet, um gemeinsam an der Förderung fairer Handelspraktiken entlang der Lieferkette arbeiten zu können. Sie zeigen, dass Handelsmodelle, die den Menschen und dem Planeten zugutekommen, der Weg in die Zukunft sind.

Ich wünsche mir, dass wir im Jahr 2072 alle zurückblicken und uns fragen, warum der Handel jemals nicht fair war, und es hoffentlich auf die gleiche Weise erklären müssen, wie ich neulich erklären musste, was ein Foto-Dia ist!

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Dir aus?

Es ist sehr inspirierend zu sehen, wie viel El Puente in den letzten 50 Jahren für den Fairen Handel geleistet hat, und ich kann es kaum erwarten, die erstaunliche Arbeit zu sehen, die Ihr in den nächsten 50 Jahren leisten werdet! Ich wünsche dem gesamten Team von El Puente ein großartiges Festjahr; Frohes Jubiläum!

Hier ist Platz für Geburtstagswünsche an El Puente.

Ich arbeite mit einem großartigen Team zusammen, um Mitglieder bei allem zu unterstützen, was mit unserem Garantiesystem zu tun hat. Dies reicht von der Überprüfung der Monitoring-Anforderungen bis hin zur Beantwortung aller auf kommenden Fra-

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>> Birgit Calix <<

Birgit Calix (Bildmitte) auf einer ihrer zahlreichen Reisen.

Liebe Frau Calix, wie sind Sie zum Fairen Handel gekommen? Für mich begann der Faire Handel mit einem großen Abenteuer als noch sehr junger Mensch, als ich nach meiner Matura mit 18 Jahren für ein Austauschjahr (freiwilliges soziales Jahr) nach Honduras ging. Stand am Beginn noch der Reiz der großen weiten Welt, des Neuen und Unbekannten im Vordergrund, wurde in mir sehr schnell das Interesse an politischen – vor allem entwicklungspolitischen und globalen – Fragestellungen geweckt. Mein Austauschjahr in Honduras hat mich sehr stark beeinflusst und politisiert. Besonders nachhaltig war dabei der Eindruck der globalen Ungerechtigkeiten und strukturellen Benachteiligung eines Landes wie Honduras und seiner Menschen. Diese Erfahrung brachte mich dazu Publizistik und Kommunikationswissenschaft zu studieren. Noch während des Studiums begann ich freiwillig für den „Österreichischen Informationsdienst für Entwick-

lungspolitik“ (heute Südwind Agentur) zu arbeiten. Nach dem Studium bekam ich die Stelle als Klimabündnis-Beauftragte für das Land Salzburg. Mein Interesse für globale Zusammenhänge wurde immer größer. 1998 kam ich durch eine Karenz-

Birgit Calix ist bereits seit 1998 im Fairen Handel tätig. Als derzeitige Koordinatorin der Abteilung Partnerorganisationen im Süden bei der EZA in Österreich ist ihr Beruf zur Berufung geworden. Seit 20 Jahren steht sie so im ständigen Austausch mit Fairhandels-Akteur*innen weltweit.

vertretung in die Abteilung Info & Partnerorganisationen der EZA Fairer Handel. Jetzt bin ich bereits seit über 20 Jahren in diesem Bereich aktiv. Heute ist mein Beruf meine Berufung, und ich hoffe, diese Arbeit noch lange leisten zu können und zu dürfen!

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Können Sie sich an Ihren ersten Besuch in einem Weltladen erinnern? Hat sich seitdem grundlegend etwas verändert? Ja, das war am Beginn meiner Studienzeit in Salzburg. Ich war noch nicht lange aus Honduras zurück und bekam zu meinem Geburtstag einen Gutschein für den Weltladen in Salzburg geschenkt. Als ich in den Laden kam hat mich sofort dieses Ambiente der „großen weiten Welt“ und Vielfalt der Produkte, Gerüche und Materialien beeindruckt. An dieser Vielfalt hat sich nicht viel geändert, an den Produkten und der Präsentation der Produkte hingegen schon. Heute sind die Weltläden in Österreich viel besser sortiert, bemühen sich um eine entsprechende Präsentation der Produkte und natürlich haben sich auch die Produkte weiterentwickelt, orientieren sich an den aktuellen Trends, haben ein modernes Design, und die Lebensmittel im Weltladen sind heute fast alle bio.


>> Birgit Calix <<

„Das schönste an meinem Arbeitsbereich

ist der ständige Kontakt mit der halben Welt.

Birgit Calix, Koordinatorin der Abteilung Partnerorganisationen im Süden bei der EZA Fairer Handel

Können Sie uns mehr zum Fairen Handel in Österreich erzählen? Gibt es Unterschiede zur Fairhandels-Bewegung in Deutschland? Der Faire Handel in Deutschland hat ganz sicher viel mehr und unterschiedliche Akteure, ist vielschichtiger. Vor allem gibt es eine sehr gute Vernetzung der Weltläden aber auch der Importeure und übrigen Fairhandels-Akteure untereinander wie zum Beispiel das Forum Fairer Handel. So etwas gibt es in Österreich nicht. Es wird auch sehr gute politische und inhaltliche Arbeit geleistet. Es gibt eine lebendigere Szene, mehr Diskussion und auch kritische Auseinandersetzung mit dem Fairen Handel als bei uns in Österreich. Auf der anderen Seite gibt es einen auffälligen Unterschied zwischen österreichischen und deutschen Weltläden. In Österreich müssen alle Weltläden der ARGE WL beitreten. Damit verbunden sind verschiedene Auflagen hinsichtlich Öffnungszeiten, Anstellung, Bezug der Produkte von der ARGE WL anerkannten LieferantInnen, etc. Ich würde sagen, dass die Professionalisierung der Weltläden in Österreich weiter vorangeschritten ist als

in Deutschland. Zudem ist die Dichte der Weltläden und der Pro-Kopf-Umsatz an fair gehandelten Produkten in Österreich deutlich höher als in Deutschland.

Beschreiben Sie bitte einmal Ihren typischen Arbeitsalltag? Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spaß? Das Schönste an meinem Arbeitsbereich ist der ständige Kontakt mit der halben Welt. Ich bin ja täglich mit der Informationseinholung, dem Monitoring und den „Partneragenden“ rund um die 140 EZAPartnerorganisationen zuständig, wobei mein geographischer Fokus auf Mexiko & Mittelamerika, Nordafrika, Asien, Nahost und Bolivien liegt, da ich diese Zuständigkeit mit einem Kollegen teile. Bei meiner Arbeit geht es vor allem um Kommunikation. Ich kommuniziere ständig – auf Deutsch mit KundInnen und KollegInnen, auf Englisch und Spanisch mit unseren PartnerInnen in Übersee. Besonders schön sind natürlich die Besuche unserer PartnerInnen bei uns im Haus, die Organisation von Produzententouren durch Österreich und die Reisen

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zu unseren Partnerorganisationen. Vieles davon konnte die letzten beiden Jahre aufgrund der Pandemie leider nicht mehr stattfinden, aber ich freue mich schon wieder auf die persönlichen Begegnungen mit engagierten Menschen aus aller Welt!

Und zuletzt ein Blick in die Glaskugel, wo könnte der Faire Handel im Jahre 2072 stehen? Diese Frage ist wohl kaum seriös zu beantworten, gerade jetzt, wo wir noch nicht einmal wissen, was die nächsten Monate und Jahre für uns bringen werden. Aber wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann würde ich mir wünschen, dass es in 50 Jahren den Fairen Handel, wie wir ihn heute kennen, nicht mehr brauchen wird, weil das Lieferkettengesetz und andere gesetzliche Rahmenbedingungen ein Umfeld schaffen, in dem sich der Faire Handel neuen Themen und Schwerpunkten widmen kann. Denn Fairness, Gerechtigkeit und der Einsatz für benachteiligte ProduzentInnen werden wohl auch in 50 Jahren noch wichtige Aspekte sein, für die es sich zu engagieren gilt.


>> Teresa Hoffmann <<

„Wir setzen uns durch unterschiedliche Hebel für ein faireres und nachhaltigeres Wirtschaften ein.“ Teresa Hoffmann, Referentin u.a. für Fairen Handel bei Brot für die Welt

Welche Produkte aus Fairem Handel hast Du bei Dir Zuhause stehen?

duzent:innen von Bananen oder Kaffee funktioniert und waren von zentraler Bedeutung für viele Kleinbäuer:innen im globalen Süden. Während große Modeketten Schlagzeilen damit machten, Zahlungen für bereits fertig gestellte Ware zu verweigern Immer Kaffee und Tee und oft auch Schokolade und Bananen oder Aufträge in Milliardenhöhe zu stornieren und dementspreoder auch Reis. Damit folge ich vermutlich dem deutschlandchend Millionen von Näher:innen ihren Lohn nicht erhielten weiten Trend. Die ersten vier Produkte gehören zu den meistveroder gar entlassen wurden, haben zahlreiche Fairhandels-Unterkauften Fair Handels-Produkte. nehmen einseitigen Stornierungen von Aufträgen ausgeschlossen und bei Lieferverzögerungen und –ausfällen, wie es viele Kakao- und Kaffeeproduzent:innen in Peru befürchteten, keine Als Referentin für Fairen Handel und Vertragsstrafen eingefordert. Dies war ein nachhaltiges Wirtschaften bei Brot für die wichtiges Signal an die Fairhandels-ProWelt setze ich mich aktuell gemeinsam Teresa Hoffmann duzent:innen und hat für viele Kleinbäumit anderen zivilgesellschaftlichen Orgaist seit 2018 bei Brot für die Welt. er:innen einen existenziellen Unterschied nisationen für ein europäisches LieferketAls Referentin arbeitet sie auf natiogemacht. tengesetz ein. Die geplante Richtlinie soll naler und internationaler Ebene zu europäische Unternehmen dazu verpflichFairem Handel, Rohstoffpolitik und ten entlang ihrer gesamten WertschöpUnternehmensverantwortung. Sie fungskette Menschenrechte und Umweltstudierte in Berlin und Buenos Aires standards zu achten. Des Weiteren setzen Geographie mit entwicklungspolitiwir uns zum Beispiel gemeinsam mit schem Fokus und war in Costa Rica dem Forum Fairer Handel und anderen bei der GIZ tätig. Fairhandels-Akteuren für ein Verbot des Einkaufs unter Produktionskosten ein. Ein Ich denke, dass der Faire Handel ein wichsolches Verbot, wie es in Spanien bereits tiger Vorreiter ist und bleibt. Fairhandels-Unternehmen zeigen eingeführt wurde, soll gewährleisten dass Produzent:innen von jetzt schon, wie ein faireres und nachhaltigeres Wirtschaften zum Beispiel Kaffee, in Zukunft Preise bekommen, die ihre Proaussehen kann und dass es funktioniert. Ich denke, dass immer duktionskosten decken. Wir setzen uns so durch unterschiedliLuft nach oben bleiben wird und wir den Fairen Handel gerade che Hebel für ein faireres und nachhaltigeres Wirtschaften ein. aufgrund des fortschreitenden Klimawandels und seinen ökologischen und sozialen Auswirkungen weiterhin als Vorreiter benötigen werden.

An welchen Projekten arbeitest Du gerade?

Hältst Du es für realistisch, dass der Faire Handel sich einmal selbst abschafft und zur neuen Normalität wird? Oder ist das eher eine Utopie?

Hast Du das Gefühl, der Faire Handel hat in den letzten 50 Jahren deutlich an Bedeutungen gewonnen?

Hier ist Platz für Geburtstagswünsche an El Puente.

Der Faire Handel hat nicht nur aufgrund gestiegener Absatzmärkte und größerer Bekanntheit hierzulande an Bedeutung gewonnen. Gerade während der Corona-Pandemie haben die Mechanismen und Instrumente des Fairen Handels für die Pro-

Ich wünsche El Puente auch für die nächsten 50 Jahre Erfolg und gutes Gelingen bei dem Einsatz für ein faires Wirtschaften!

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>> Hisham El Gazzar <<

Hisham El Gazzar gründete die Fair Trade-Organisation Yadawee. Während die hochwertigen Kunsthandwerksprodukte lange Zeit vor allem an Tourist*innen verkauft wurden, versiegte diese Einnahmequelle mit den Jahren immer mehr. Yadawee ist daher eine wichtige Organisation, um die Menschen vor Ort zu unterstützen. Unsere Interviewerin selbst begleitete Hisham im Jahr 2014 bei einem Teil seiner Reise durch Deutschland.

Bitte beschreibe einmal in wenigen Sätzen die Arbeit von Yadawee. Yadawee ist Arabisch und bedeutet „Handgemacht“. Das soziale For-Profit-Unternehmen wurde 2002 von Tarek Sheta und mir gegründet und ist heute Mitglied der WFTO, der World Fair Trade Organisation. Die Idee war, den Handel mit anderen Ländern zu fördern. Yadawee arbeitet mit Kunsthandwerker*innen aus der Region und Geflüchteten. Die Produzent*innen stellen hochwertiges Kunsthandwerk unter fairen Bedingungen her.

Kannst Du uns mehr über die Kunsthandwerker*innen erzählen, mit denen Ihr arbeitet? Über ihr tägliches Leben, ihre Sorgen und Träume?! Unsere Produzent*innen bestehen aus zwei Gruppen: Lokale Kunsthandwerker*innen und Geflüchtete aus Syrien, dem Sudan und Jemen. Die meisten von ihnen sind Frauen, außer ein paar vereinzelte Männer, wie der Gruppenleiter für die handgewebten Textilien. Alle Menschen – egal woher oder welches Geschlecht – teilen dasselbe Problem. Seit dem Beginn der weltweiten Pandemie im Jahr 2020, haben sie kein verlässliches Einkommen mehr.

Wie profitieren die Menschen vom Fairen Handel? Die Vorteile sind vielfältig. Zum einen ist es natürlich die faire Bezahlung. Aber auch die Vorauszahlung und die zinsfreien Kleinkredite sind wichtig für die Produzent*innen. Ebenso wie die Möglichkeit der finanziellen Unterstützung im Krankheitsfall. Ohne den Fairen Handel hätten sie all diese Sicherheiten nicht.

Hisham El Gazzar, Gründer und Geschäftsführer von Yad awee

„Seit de r Pandem ie habe n die Kunsthandwerke r*inne n kein verlässliches Einkom m en m eh r.“ Du kennst Deutschland ziemlich gut, nicht zuletzt wegen Deiner Rundreise zur Fairen Woche im Jahr 2014. Was ist Dir besonders in Erinnerung geblieben? Ich war wirklich beeindruckt, wie warm mich die Menschen in Deutschland willkommen geheißen haben. Besonders die Mitarbeiter*innen der Weltläden, die Familien, bei denen ich untergekommen bin und ebenso die Menschen, die meine Vorträge besucht haben. Wirklich witzig war die Situation mit einer älteren Dame. Sie kam zu einer meiner Präsentationen und während wir über Ägypten sprachen, fand ich heraus, dass sie mit einem Schulfreund von mir verwandt ist. Also rief ich ihn an und sie sprachen miteinander. Das war eine schöne Überraschung, für beide. Eine andere schöne Begegnung war die mit einem Bekannten. Er war früher Dekan an

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der Deutschen Universität für angewandte Künste in Kairo. Nun kam er aus seiner Heimatstadt, etwa vier Autostunden entfernt angereist, um bei meinem Vortrag dabei zu sein. Das hat mich sehr gerührt. Die ganze Reise war eine Erfahrung, die ich niemals vergessen werde und ich hoffe, ich kann sie irgendwann einmal wiederholen.

Welche Wünsche hast Du für die Zukunft? Ich träume davon, ägyptisches Kunsthandwerk in der ganzen Welt zu verkaufen. Ich träume davon, mehr Kunsthandwerker*innen unterstützen zu können, egal, ob sie aus Ägypten stammen oder Geflüchtete sind. Und ich träume davon, ihr Leben noch weiter verbessern zu können.


>> Lisa Jaspers <<

„Als wir Folkdays gegründ war von Anfang an klar, unser wird nie ein nachhaltiges Unter Lisa Jaspers 2013 hast Du das Fair Fashion-Unternehmen Folkdays gegründet. Gab es für Dich einen bestimmten Anlass?

hat das Fair Fashion Unternehmen Folkdays gegründet. Sie ist nicht allein Unternehmerin, sondern auch Aktivistin. So hat die Berlinerin zum Beispiel die Petition Fairbylaw initiiert, mit der sie die deutsche Regierung dazu aufforderte, ein Gesetz zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten zu verabschieden. Folkdays und El Puente sind durch eine gemeinsame Kooperation eng verbunden.

Kurz vor dem Einsturz von Rana Plaza habe ich entschieden Folkdays zu gründen. Zu der Zeit habe ich bereits an einem Business-Plan geschrieben. Auch wenn dieses schreckliche Ereignis nicht der Grund für die Gründung war, hat es mich doch sehr stark darin beeinflusst, wie ich über das Businessmodell und auch den Impact nachgedacht habe. Der Hauptanlass für die Gründung von Folkdays war jedoch, dass ich 30 geworden bin. Zu dieser Zeit habe ich mich gefragt, ob ich eigentlich das tue, was mich in meinem Leben erfüllt. Die Antwort war nein. Ich habe lange darüber nachgedacht, was mich erfüllen könnte und bin über unterschiedliche Wege auf die Idee für Folkdays gekommen. Dann habe ich relativ bald meinen Job gekündigt und Folkdays gestartet.

Als Gründerin und Geschäftsführerin, wie sieht Dein Arbeitsalltag aus? Es gibt eine Komponente, die jeden Alltag bei mir bestimmt und das ist das Thema Kultur. Ich fühle mich bei Folkdays verantwortlich dafür, dass es allen gut geht. Dass die Stimmung gut ist und dass alle das Gefühl haben, ihnen wird der Rücken frei gehalten. Bei mir gibt es immer die Regel: Alle dürfen alles entscheiden. Wenn aber jemand etwas nicht entscheiden will, können sie mich immer fragen und meinen Rat suchen. Grundsätzlich finde ich es aber schöner, wenn es möglichst viel Freiheit und Unabhängigkeit gibt. Außerdem bin ich in unterschiedliche Projekte immer mal stärker eingebunden. Bei Folkdays x El Puente zum Beispiel, ansonsten auch oft im Bereich Marketing und PR. Häufig bin ich auch diejenige, die Kollaborationen anstößt und viel Außenrepräsentation übernimmt, wie Interviews und die Teilnahme an Panels. Das mache ich oft – und mittlerweile ziemlich gerne.

Du siehst Dich nicht allein als Unternehmerin, sondern gleichzeitig als Aktivistin. Ist Deiner Meinung nach Mode auch immer politisch? Ich glaube, Mode kann sehr politisch sein. Konsum generell ist sehr politisch. Indem wir nicht über Nachhaltigkeit nachdenken, entscheiden wir uns indirekt für eine Welt, die über die planetaren Grenzen geht und in der wir nicht nur Menschen sondern

auch Ressourcen ausbeuten. Von daher ist Mode für mich ein starkes politisches Vehikel, was wir bei Folkdays versuchen stark zu nutzen. Ich glaube schon, dass die Menschen, die bei uns kaufen, ein sehr klares politisches Statement abgeben, in was für einer Welt sie eigentlich leben wollen. Neulich habe ich den Satz auf einem Kaffee gelesen: Mit jedem Kauf, entscheidest Du mit, in welcher Welt Du leben möchtest. Das fand ich sehr schön und auch passend für unsere Produkte von Folkdays.

Wagen wir einen Blick in die Glaskugel. Was denkst Du, wie könntet der Faire Handel der Zukunft aussehen? Aus meiner Perspektive braucht es im Bereich des Fairen Handels mehr Bewegung. Darum haben wir auch gemeinsam Folkdays x El Puente gestartet. Der aktuelle Faire Handel richtet sich eher an einer älteren Zielgruppe aus und das ist auch total fein und hat lange Zeit gut funktioniert. Aber um mit viel Selbstbewusstsein in die Zukunft zu gehen, ist es wichtig, auch junge Menschen, die vielleicht ganz anders konsumieren wollen, abzuholen. Das war von Anfang an das Ziel von Folkdays und ist jetzt auch das Ziel von unserer gemeinsamen Kooperation. Von daher glaube ich, sich auf neue Zielgruppen zu erweitern ist sehr wichtig. Eine zweite Komponente, über die ich in letzter Zeit viel nachgedacht habe, ist, dass wir versuchen müssen, sehr inklusiv zu sein. Wir müssen stark darauf achten, auch die Menschen, die in unseren Wertschöpfungsketten involviert sind, zu Wort kommen zu lassen und ihnen auch in Machtpositionen zu verhelfen. Aus meiner Sicht finde ich den Fairen Handel in Deutschland noch sehr weiß und sehr privilegiert. Es geht darum, den Horizont zu erweitern und zu überlegen, wie lässt sich das ändern. Im Grunde hat Corona uns ja gezeigt, was möglich ist. Mein Mann hat zum Beispiel mehrere Angestellte, die in Indien leben. Sie haben vor Ort eine Festanstellung über die Firma. Solche Konstrukte finde ich sehr spannend. Denn es ist mittlerweile möglich, dass Menschen aus dem globalen Norden, Menschen aus dem Globalen Süden anstellen. Entwicklungen in diese Richtung fände ich sehr spannend, so dass nicht immer der Globale Norden den Diskurs bestimmt. Außerdem gibt aus dem Globalen Süden auch tolle Sozialunternehmer*innen, die visionäre Vorstellungen entwickeln. Diese stärker an Bord zu holen und in der Weitergestaltung mit einzubeziehen, fände ich schön

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>> Lisa Jaspers <<

det haben, re Konkurrenz rnehmen sein.“

Folkdays und El Puente haben eine gemeinsame Kooperation. Warum sind Deiner Meinung nach Netzwerke so wichtig? Ich glaube, es gibt immer krasse Berührungsängste zwischen Unternehmen. Generell und auch im nachhaltigen Bereich. Als wir Folkdays gegründet haben, war von Anfang an klar, unsere Konkurrenz wird nie ein nachhaltiges Unternehmen sein. Als unsere Konkurrenz betrachtet wir nur Unternehmen, die nicht nachhaltig agieren. Das hat uns von Anfang an stark in allem bestimmt. Als ich auf Martin* getroffen bin, hatte ich das Gefühl, dass es auch bei ihm und Euch als Unternehmen eine ähnliche Motivation gibt. In unserem Fall finde ich die Kollaboration besonders schön, weil wir der kleine, agile, digitale Satellit in Berlin sind und ihr der Pionier im Fair Trade Bereich, der seit 50 Jahren Fairen Handel betreibt. Ihr seid einfach die absoluten Experten wie man nachhaltige und langfristige Lieferketten auf bauen kann. Ich finde es super schön, dass sich unsere Expertisen so gut ergänzen.

Durch die gemeinsame Zusammenarbeit kennst Du El Puente sehr gut. Wie würdest Du uns als Unternehmen in drei Worten beschreiben? Authentisch. Integer. Bodenständig. Und Verlässlich. Aber dann sind es vier. (lacht)

*Martin Moritz, ehemaliger Geschäftsführer von El Puente

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Danica Vrsaljkog bei

sbildun hat bereits ihre Au und arbeitet El Puente gemacht . Der Arbeitsjetzt als Einkäuferin ngsreich, voller alltag ist abwechslu r allem den tägÜberraschung. Vo den Partnern lichen Kontakt mit sie als eine weltweit empfindet Bereicherung.

gibt immer eine Bestellung oder ein Produkt, an dem weiter gewerkelt wird. Es ist also immer was los und viel zu tun, aber es wird auch nie langweilig.

Welche Aufgaben machen Dir dabei besonders Spaß?

Liebe Danica, Du hast schon Deine Ausbildung zur Kauffrau für Groß- und Außenhandel bei El Puente gemacht. War Dir bereits bei der Suche des Ausbildungsplatzes wichtig, dass Du Dich mit den Zielen des Unternehmens identifizieren kannst?

Besonders Spaß macht mir auf jeden Fall die Produktentwicklung und die Kommunikation mit den Partnern! Es ist so toll, dass wir mit fast all unseren Partnern schon ein langjähriges Vertrauensverhältnis haben und ich darauf auf bauen durfte. Das macht die tägliche Kommunikation natürlich um einiges angenehmer und dazu ist es eine Kommunikation auf Augenhöhe. Bei der Produktentwicklung ist es immer wieder toll zu sehen, wie aus einer kleinen Idee am Anfang durch die Zusammenarbeit mit unseren Partnern schließlich, nach meist vielen Monaten Arbeit, ein fertiges Produkt bei uns ankommt. Das ist schon ziemlich toll am Ende dann den fertigen Artikel im Katalog und im Verkauf zu sehen.

Ja, auf jeden Fall. Nach meinem Studium in Bonn wollte ich gerne eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich machen. Mir war es sehr wichtig, dass auch mein Arbeitgeber meine moralischen Vorstellungen und Werte unterstützt und lebt – in diesem Bereich gar nicht so einfach etwas zu finden. Viele Unternehmen sind ja oft nur auf Profit aus. Dann bin ich auf die Ausschreibung von El Puente gestoßen, vorher hatte ich tatsächlich noch nie etwas von El Puente gehört, aber fand die Ideen und Ziele super spannend. So hab ich dann die Ausbildung hier begonnen.

Kannst Du einmal einen typischen Arbeitstag von Dir beschreiben?

Als Einkäuferin warst Du nun auch das erste Mal für El Puente auf großen Reisen. Kannst Du uns mehr davon erzählen? Wie waren die Reisen für Dich? Was hat Dich am meisten beeindruckt?

Ich glaube, einen typischen Arbeitstag bei mir, oder bei uns im Einkauf allgemein, gibt es so nicht. Natürlich hat man jede Woche Pläne und Aufgaben, die zu bestimmten Daten erfüllt sein möchten, aber jeder Tag sieht anders aus und es kommt fast immer anders als geplant. An manchen Tagen müssen kleinere Katastrophen abgewendet werden, an anderen Chaos beseitigt und an wieder anderen Tagen gibt es viele Meetings und Besprechungen, sodass das Tagesgeschäft fast auf der Strecke bleibt. Zwischendrin schreibt man täglich super viele Emails und ist somit ein bisschen mit den verschiedensten Regionen der Erde verbunden. Partnerkontakt haben wir jeden Tag – es

Meine erste Reise ging Ende letzten Jahres mit meiner Kollegin Layla zusammen nach Armenien. Das war total spannend, da wir die Gelegenheit hatten, zusammen mit unserem Partner HDIF, verschiedene Produzent*innengruppen im ganzen Land zu besuchen. Dafür sind wir mehrere Tage mit einem kleinen Bus durch abgelegene, wunderschöne Landschaften gefahren, um die Kunsthandwerker*innen kennenzulernen. Und die zweite, meine erste richtige große, Einkaufsreise ging nun vor Kurzem nach Indien. Das war eine wahnsinnig beeindruckende Reise. Zweieinhalb Wochen waren wir unterwegs und haben viele

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>> Danica Vrsaljko <<

„Für mich geht es darum, dass wir unsere Lieferanten unterstützen wollen, auch bei ihrer Weiterentwicklung.“ Danica Vrsaljko , Einkäuferin bei El Puente

ich dort kennenlernen durfte, die alle wirklich sehr herzlich waren! Beide Reisen waren toll und ich habe so viel erlebt, dafür bin ich sehr dankbar. Man lernt ein Land aus einer ganz anderen Perspektive kennen, man lernt die Menschen, die dort leben, mit ihren Bräuchen, ihrer Kultur und ihrem Essen kennen. Dieses Privileg hat man oft als normal reisender Tourist nicht.

Du arbeitest direkt mit den Handelspartnern zusammen und stehst im engen Kontakt. Hast Du das Gefühl, dass der Faire Handel vor Ort wirklich etwas bewegt? Ja, das Gefühl, dass der Faire Handel etwas bringt und bewegt, das hab ich auf jeden Fall. Besonders jetzt durch die Reisen, die ich jetzt begleiten durfte – dabei wurde mir wieder deutlich, wieso wir das machen und was Fairer Handel bedeutet, welche Menschen dahinter stecken. Es ist für mich eine Kommunikation auf Augenhöhe, ein Vertrauensverhältnis und es geht nicht darum, ein Produkt zu kaufen, weil es den günstigsten Preis hat. Für mich geht es geht darum, dass wir unsere Lieferanten unterstützen wollen und sie auch dabei unterstützen, sich weiterzuentwickeln. Wir verkaufen unsere Produkte, da dadurch viele Menschen einen fair bezahlten Arbeitsplatz erhalten können – und das ist leider etwas, was nicht überall als gegeben gesehen werden kann. Dadurch, dass wir im engen Kontakt mit unseren Partnern sind, bekommen wir natürlich auch die schweren Situationen mit, die Konflikte, die rund um die Welt passieren, die unsere Partner täglich belasten und mit denen sie umgehen müssen. Das nimmt mich manchmal auch ganz schön mit, da man hier aus dem fernen Deutschland auch nicht viel direkten Handlungsspielraum hat und im jeweiligen Land helfen kann. Unsere Partner erinnern uns dann oft daran, dass ihnen unsere Bestellungen am meisten helfen und wir sie somit am besten unterstützen können. So können Arbeitsplätze vor Ort gehalten und neue geschaffen werden.

verschiedene Partner besucht. Zuerst waren wir in Kalkutta und haben dort einige unserer Textil- und Lederlieferanten getroffen, anschließend waren wir noch in Moradabad, östlich von Delhi, bei einem unserer größten Kunsthandwerk-Lieferanten. Es war toll, die Gesichter hinter den Partnernamen kennenzulernen und noch mehr Einblicke in unsere Einkaufsarbeit zu bekommen. Die Arbeit vor Ort mit den Partnern gemeinsam ist sehr effektiv, kreativ, dabei natürlich auch anstrengend, aber vor allem macht es Spaß. Hier merkt man wirklich, wieso wir diese Arbeit machen und wieso das, was wir tun, wichtig ist. Ich konnte die Menschen kennenlernen, die für unsere Bestellungen z. B. Ledertaschen herstellen, ich kenne nun die Räumlichkeiten und weiß, wo fertig produzierte Artikel verpackt werden. All das ist super wichtig und hilft mir manche Vorgänge in meinem Arbeitsalltag noch besser nachvollziehen zu können. Am meisten beeindruckt haben mich die großen Unterschiede, mit denen man in Indien konfrontiert wird. Die Spanne zwischen arm und reich ist riesig und oft liegen diese beiden Extreme ganz nah zusammen. Die Straßen sind alle so schön bunt und es gibt so viele verschiedene Gerüche. Und dann natürlich noch die Menschen, die

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>> Pieter Swart <<

„PaCo gibt den Handelspartnern eine echte Stimme.“ Pieter Swart, Vorsitzender des PaCo e. V. und Geschäftsführer von Turqle Trading

WFTO, Turqle Trading und El Puente PaCo: Du engagierst Dich sehr stark im Bereich Fair Trade. Was motiviert Dich?

eine ganze Lieferkette zu haben, die den Idealen und Prinzipien von Fairness, Gleichberechtigung und Integrität verpflichtet ist, faszinierte mich. Faire Bezahlung ist absolut sinnvoll, gerade in dem Kontext, in dem ich damals arbeitete. Von diesem Moment an war ich begeistert und arbeite seitdem im Bereich Fair Trade.

Ich werde von ein paar sehr einfachen täglichen Zielen motiviert. Wenn ich einer weiteren Person helfen kann, Essen auf ihren Tisch zu bringen. Wenn ein weiteres Kind zur Schule gehen kann. Wenn eine weitere Person unter guten Bedingungen arbeiten kann. Wenn ich zum Wohlergehen der Familie beitragen kann. Ich sehe es als Privileg an, einen Beitrag dazu leisten zu können, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, wo solche Dinge möglich sind.

Wenn Du jemanden triffst, der noch nie zuvor von PaCo gehört hat, wie erklärst Du Eure Arbeit?

Ein Blick in die Glaskugel: Was denkst Du, wie wird der Faire Handel im Jahr 2072 aussehen?

PaCo ist eine Vereinigung von Erzeugerpartnern von El Puente. Hersteller arbeiten sehr oft isoliert, entweder aufgrund der geografischen Lage, d. h. sie sind oft weit entfernt von anderen Herstellern und all ihren Märkten, oder aufgrund der Art der von ihnen hergestellten Produkte. PaCo bietet eine Plattform für Erzeuger von El Puente, um diese Faktoren zu überwinden. Es ist ein Forum, in dem wir (persönlich oder virtuell) zusammenkommen können, um gemeinsame Themen zu diskutieren. Über unsere Vertretung bringen wir diese Stimme im El Puente-Aufsichtsrat ein. Es gibt den Handelspartnern eine echte Stimme und sie können eine konstruktive Rolle beim weiteren Wachstum und der Entwicklung von El Puente spielen. Dies ist eine sehr einzigartige Situation für Produzenten, die in den meisten Fällen nur Lieferanten sind und keine echten Partner mit einer Beteiligung am Handelsgeschäft.

Ich wünsche mir, dass Fair Trade weitaus mehr als praktikables alternatives Handelssystem anerkannt wird. Wo Regierungen aktiv Fair-Trade-Lieferketten unterstützen und wo Sozialunternehmen steuerliche Vorteile geboten werden. Wo keine Zölle für den Import und Export von Fair-Trade-Produkten und -Dienstleistungen erhoben werden. Wo multinationale Konzerne erkennen, dass es keinen Plan B gibt, wenn wir als Planet gedeihen und letztendlich überleben wollen. Dass sie sich ändern und Menschen und den Planeten an die erste Stelle setzen müssen, anstatt den Gewinn der Aktionäre.

Pieter, wie bist Du zum Fairen Handel gekommen? Ich habe Ende der 1980er Jahre in einem der ländlichen Townships in der Provinz Kwazulu-Natal in Südafrika mit der Jugendentwicklungsarbeit begonnen. Mir wurde sehr schnell klar, dass es für die Mehrheit der Schulabgängerinnen und Schulabgänger weder Möglichkeiten für ein weiterführendes Studium gab, noch dass das in der Schule Gelernte sie ausreichend auf den Arbeitsmarkt vorbereitete. Mit anderen Worten, sie würden ohne praktisches Eingreifen einfach Teil der Arbeitslosenstatistik werden. Ich erkannte auch, dass es einen schnelleren Weg für sie gibt, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und möglicherweise Beschäftigungsmöglichkeiten für andere zu schaffen. Dieser bestand darin, ihnen Fähigkeiten zu vermitteln, um gefragte Dienstleistungen in der Gemeinde anbieten zu können. Ich konnte Mittel aufbringen, die es dem Programm ermöglichte, Lehrer einzustellen. Diese unterrichteten eine Vielzahl der wichtigen Fähigkeiten wie Vorschulunterricht, Fotografie, elektrische Hausinstallation, Kfz-Mechanik, Keramik usw. Mit dem Konzept des „alternativen Handels“ wurde ich vertraut gemacht, als es mir gelang, einen Exportkunden in Großbritannien zu gewinnen. Dieser wollte einige der von den Studenten hergestellten Keramiken kaufen. Das Fair-Trade-Konzept hat mich sofort fasziniert – es war völlig anders als die konventionelle Art, Geschäfte zu machen:

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Als PaCo-Vorsitzender kennst Du El Puente sehr gut. Bitte beschreibe El Puente in drei Worten. Progressiv, Partner, Freund


>> Jacqueline Wagner <<

„Durch den CoCoVorsitz kann ich Verantwortung übernehmen.“ Jacqueline Wagner, Vertriebsmitarbeiterin El Puente und Vorsitzende des CoCo e.V.

Liebe Jacqueline, Du hast schon Deine Ausbildung bei El Puente gemacht. Was war Dir bei der Auswahl Deines Ausbildungsplatzes wichtig?

Welche Themen bespricht CoCo in seinen Sitzungen, hast Du ein Beispiel?

Mit Beginn der Corona Pandemie hat zum Beispiel Home Office ein sehr großes Thema bei uns eingenommen. So konnten die Als ich 2013 kurz vor meinem Abschluss für meine FachhochMitglieder gemeinsam darüber diskutieren und Voraussetzunschulreife stand, dachte ich, bevor ich studieren gehe, möchte gen für die Durchführung festhalten. ich lieber erst einmal eine Ausbildung machen, um etwas in der Hand zu haben. Bei der Suche nach Ausbildungsplätzen hatte ich mich auf den Deinen Vorsitz beim CoCo e.V. machst Groß- und Außenhandel fokussiert. VielJacqueline Wagner Du ehrenamtlich. Warum ist Dir dieses leicht auch ein wenig, weil mein großer arbeitet als Vertriebsmitarbeiterin Engagement wichtig? Bruder ebenfalls diesen Weg gegangen ist. bei El Puente. Neben den täglichen Grundsätzlich muss ich vorausschicken, Ich habe bis dato noch keine BerührungsAufgaben im Vertriebsinnendienst dass mein Herz einfach für El Puente und punkte mit dem Fairen Handel gehabt. Ich den Fairen Handel schlägt. Ich mag meine ist sie seit einem Jahr ehrenamtlich weiß noch, dass eine sehr große Anzeige Arbeit wirklich gern: Der Kund*innenkonals 1. Vorsitzende des CoCo e.V. in der Leine-Deister Zeitung stand. Und takt, Veranstaltungen und Schnittstellen tätig und setzt sich somit für die von da an war ich sehr interessiert. Das zum Marketing. Durch den ersten Vorsitz Belange der Belegschaft innerhalb Thema allgemein war einfach etwas Bebei CoCo kann ich mich außerdem persönder Firma ein. sonderes für mich und ich wusste direkt, lich weiterentwickeln und Verantwortung dass das genau meins ist. Also habe ich übernehmen. Des Weiteren finde ich, dass mich beworben und auch die Zusage für man dadurch noch mehr mit der Firma einen Ausbildungsplatz erhalten. Der Fahrtweg war auch kein verbunden und ein Teil davon ist. Durch die Mitgliedschaft im Problem für mich und diesen wollte ich gern in Kauf nehmen, CoCo kann ich aktiv mitgestalten und bin direkt an allen Disum die Ausbildung bei El Puente zu machen. Mit Anfang der kussionen rund um wichtige Themen beteiligt. Ausbildung bin ich dann auch von Springe nach Hannover gezogen, wodurch der Fahrtweg mit dem Zug ein wenig angenehmer wurde.

Du bist die erste Vorsitzende des Mitarbeitervereins CoCo. Kannst Du kurz beschreiben, was CoCo ist?

Genau. Seit letztem Jahr bin ich die 1. Vorsitzende und ich freue mich sehr darüber. Der CoCo e. V. (comité de colegas – Belegschaftskollektiv) ist eine von 5 Gesellschaftergruppen der El Puente GmbH und ein Zusammenschluss von Mitarbeiter*innen, die über den Verein einen Teil des Stammkapitals der El Puente GmbH halten. Dadurch haben die Mitarbeiter*innen erweiterte Mitbestimmungsrechte bezüglich der Geschäftspolitik des Unternehmens. Auch im Aufsichtsrat gibt es zwei Kolleg*innen, die uns dort vertreten.

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>> Magdalena Schertl <<

„Der deutliche Wendepunkt kam mit der Geburt meines ersten Kindes.“ Magdalena Schertl,

Sinnfluencerin, Bloggerin und Buchautorin

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>> Magdalena Schertl <<

Magdalena Schertl

betreibt verschiedene Pla ttformen auf denen sie mit ihrer Community Informationen und Tipps rund um das Thema Nachhaltigkei t teilt. Mit dem Fairen Handel ist sie familiär bedingt schon früh in Kontakt gekommen.

Liebe Lena, Du bist schon familiär bedingt früh in Kontakt mit dem Fairen Handel gekommen. Magst Du uns davon erzählen?

sehen, da steckt eine Menge Arbeit dahinter. Was ist Deine Motivation?

Davon erzähle ich euch gerne. Meine heutige Schwiegermutter hat mich für dieses Thema besonders sensibilisiert, denn sie hat sehr lange im Fairhandelshaus in Amperpettenbach gearbeitet. Die fairen Produkte brachte sie stets nach Hause, verschenkte sie und sprach über verschiedene Projekte und Kooperativen, sodass auch bei mir das Interesse geweckt wurde und ich regelmäßige Kundin wurde und ich Fairness schließlich als essentiellen Teil meines Konsumverhaltens verstand.

Danke, für das Wahrnehmen der Arbeit. Das tut ehrlich gut zu hören. Denn ja – Recherche, schreiben, (Bild-) Produktion bedarf Zeit und Übung und ist ja gerade in Zeiten des Internets nicht selbstverständlich bezahlt. Meine Motivation ist einmal, dass es mich schlicht selbst interessiert und ich gerne über diese Themen lese und mehr erfahren möchte und zum anderen, dass ich hoffe, dadurch andere zu inspirieren über diese Sachen nachzudenken. Denn langfristig gesehen muss jede Person einen Beitrag leisten, um auch der Industrie und der Politik die Regeln der Nachhaltigkeit als absolute Notwendigkeit klar zu machen.

Unter dem Namen Apollolena beschäftigst Du Dich als Bloggerin, Sinnfluencerin und Buchautorin viel mit dem Thema Nachhaltigkeit. Gab es einen bestimmten Anlass, zu dem Du beschlossen hast, nachhaltiger zu leben?

Besonders in Deiner Generation bewegt sich viel, was Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz angeht. Welchen Platz nimmt da der Faire Handel aus Deiner Sicht ein? Der Faire Handel wird da, glaube ich, ganz schnell ein bisschen übersehen, da vor allem die Bereiche Mode und Textil, was Fairness angeht, sehr laut und populär sind. Faire Bananen sind evtl. noch sehr weit verbreitet, aber dann wird es schnell ein bisschen mau, da viele „Siegel“ (v.a. bei Schokolade und Kakao) Konsument:innen durchaus verwirren können. Oftmals ist, glaube ich, auch nicht so ganz bewusst, wo überall unfaire Aspekte zu finden sind – wo man sich als Verbraucher:in aktiv häufig selbst überlegen muss: wo und unter welchen Umständen wurde das produziert?

Eine gewisse Neigung hatte ich, glaube ich, schon früh – mit 13 Jahren wurde ich Vegetarierin, meine Eltern bevorzugten schon früh ökologisch hergestellte Lebensmittel und mit meinem heutigen Ehemann bekam ich viel Input in Sachen Fair Trade. Aber ich glaube, der deutliche Wendepunkt kam mit der Geburt meines ersten Kindes. Auf einmal sah ich mich mit einem enormen Konsumdruck konfrontiert. Denn Kinder brauchen Dinge. Und neben Notwendigkeiten zogen dann leider auch einige unnötige Dinge ein. Und man verbraucht auf einmal mehr – allein der Windelmüll kann eine beeindruckende Wirkung haben. Da musste und wollte ich Dinge anders machen… und so kam es z.B. dass wir dann vorwiegend mit Stoff gewickelt haben.

Wir haben für verschiedene Kooperationen zusammengearbeitet, so dass Du El Puente auch ganz gut kennengelernt hast. Wie würdest Du El Puente in drei Worten beschreiben?

Auf Deinen Kanälen gibst Du Deiner Community viele Tipps und Hintergrundinformationen zum Thema Nachhaltigkeit auf den Weg. Was Viele nicht

Offen – köstlich – herzlich

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>> Carina Bischke <<

„Das Engagement für den Fairen Handel ist ein Engagement für Menschen!“ Carina Bischke, Außendienstlerin bei El Puente

Wie bist Du zum Fairen Handel gekommen?

Gute Frage! Es gab verschiedene Berührungspunkte in meinem Leben, während der Konfirmandenzeit z. B. und in der Kindheit meines Sohnes, als ich mich mit der Frage beschäftigt habe, was gebe ich ihm eigentlich mit und welche Welt möchte ich ihm hinterlassen? Dies führte zu Bio und da war der Weg zu Fair nicht mehr weit. Als mein Sohn erwachsen wurde, konnte ich mich endlich meinen Interesse intensiver widmen und startete mit dem aktiven Engagement im Weltladen in Erding. Gleichzeitig bildete ich mich weiter zur Umweltpädagogin und Referentin für BNE (Bildung für Nachhaltige Entwicklung) und unterstützte die Kampagnenarbeit für den Fairen Handel in Bayern.

Ich freue mich immer, wenn ich vor oder bei dem Laden parken kann, dann ist der Weg mit den Kisten nicht weit! An einem typischen Tag besuche ich 3 bis manchmal 4 Läden und fahre danach in das nächste Hotel. Nach einem Abendessen im Restaurant erfasse ich noch die Aufträge im System und beantworte dringende Mails. Außerhalb der Saison sind die Tage natürlich anders – ich schlafe aus, frühstücke gemütlich und starte dann den Rechner. Dann plane ich die nächste Saison, kümmere mich um meine Waren, stelle z. B. meine Schmucktablets zusammen und erledige die vielen kleinen aber auch wichtigen Bürotätigkeiten. Oder ich baue Überstunden ab.

Es gibt viele Möglichkeiten sich zu engagieren, im Tierheim oder bei der Feuerwehr. Warum gerade der Faire Handel?

Du bist viel im Auto unterwegs. Wie vertreibst Du Dir dabei die Zeit?

Das Engagement für den Fairen Handel ist ja ein Engagement für Menschen! Ich interessiere mich für Menschen, für ihr Leben und auch für globale Zusammenhänge und ich möchte mit meinem Engagement benachteiligte Menschen aus dem Globalen Süden unterstützen, ein selbstbestimmtes und gutes Leben führen zu können.

Ja, das stimmt. Natürlich achte ich erst einmal auf den Verkehr und höre dabei Radio oder auf längeren Strecken auch mal ein Hörbuch. Und manchmal telefoniere ich z. B. mit meinen lieben Kolleg*innen des Innendienstes, wenn es etwas Dringendes zu klären gibt.

Durch Deine Tätigkeit kennst Du viele verschiedene Weltläden. Was ist das Erfolgsgeheimnis der Weltläden, die besonders gut laufen?

Beschreibe bitte einmal einen typischen Arbeitstag von Dir.

OH – der ist lang! Der typische Arbeitstag während der Saison startet meist in einem Hotel mit dem Frühstück. Von dort ist es nicht weit bis zum ersten Weltladen, den ich auf meiner Tour besuche. Ich freue mich immer sehr über die Kontakte zu den Einkäufer*innen des Weltladens und die intensiven Gespräche, höre genau hin, was die Weltläden gerade beschäftigt. Dann packe ich meine vielen Kisten mit der aktuellen Ware aus, stelle diese vor und nehme Bestellungen entgegen. Am Ende des Termins wird alles wieder eingepackt, die vielen Kisten wieder ins Auto transportiert und es geht weiter in den nächsten Laden.

Das kann ich gar nicht eindeutig beantworten! Einmal natürlich die hard facts: eine gute Lage, ein schön gestaltetes Schaufenster, tolle Beleuchtung und klare Sortimentsgestaltung. Dann aber auch die Menschen, die sich unglaublich einsetzen für den Fairen Handel, die Stunden über Stunden Zeit investieren und sich für „ihren“ Laden stark machen. Hilfreich sind auch immer hauptamtliche Kräfte im Team. Und die gute Stimmung, die im Laden herrscht. Die Mischung macht es!

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>> Katrin Beckedorf <<

Arbeit ist noch „Meine nie langweilig geworden.

Katrin Beckedorf, Geschäftsführerin des VEN

Katrin Beckedorf

ist Geschäftsführerin de s Verein Entwicklungspolitik Nied ersachsen, in dem auch El Puente Mi tglied ist. Themen wie Menschen rechte, Klimagerechtigkeit und faire Handelsbeziehungen stehen für den Verein und seine Mitglied er im Mittelpunkt der täglichen Arbeit.

Wenn Sie jemandem, der zuvor keine Berührungspunkte zum VEN hatte, Ihre Arbeit erklären sollten, was sagen Sie der Person?

Was macht Ihnen bei Ihrer Tätigkeit beim VEN am meisten Freude und was weniger? Am schönsten finde ich die vielen Begegnungen mit den Menschen. Meine Arbeit ist noch nie langweilig geworden. Immer steht man vor neuen Herausforderungen und man lernt nie aus. Die Arbeit im VEN ist wirklich sehr dynamisch und bewegend. Was ich gar nicht mag: überdimensionierte Bürokratie, Berichte schreiben und Papier produzieren, was kaum jemand liest.

Der VEN ist das Dach der Eine Welt-Gruppen und Vereine in Niedersachsen. Wir binden die Menschen zusammen, die sich in Niedersachsen größtenteils ehrenamtlich für faire Handelsbeziehungen, Menschenrechte, Klimagerechtigkeit und in der Partnerschaftsarbeit mit Ländern des Südens engagieren.

Welche fair gehandelten Produkte haben Sie Zuhause stehen?

Wie sieht Ihr typischer Arbeitsalltag aus? Ich telefoniere viel, bringe Menschen in Netzwerken zusammen, koordiniere die Arbeit bei uns in der Geschäftsstelle und in unserem erfolgreichen Eine Welt-Promotor*innen-Programm in Niedersachsen. Zu meiner Arbeit zählt auch die Vertretung der Interessen der Eine Welt Akteure in der Niedersächsischen Landespolitik und in Gremien, wie z. B. der Bingo-Umweltstiftung. Jetzt, wo nach der langen Corona-Pause das Leben langsam wieder in normaleren Bahnen läuft, bin ich auch auf Veranstaltungen in Niedersachsen unterwegs. Ich bin im Vorstand unseres Bundeszusammenschlusses der Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt Landesnetzwerke (agl) und deshalb auch auf Bundesebene über Niedersachsens Grenzen hinaus unterwegs.

Ich bin eine Kaffee-Tante und fair gehandelter Kaffee ist für mich ein Muss! Regionale nachhaltige Lieferketten sind mir wichtig. Wo immer ich die einhalten kann, versuche ich es. Ich bestelle mir meine Lebensmittel zu großen Teilen über einen regionalen Bio-Bringdienst. Das ist praktisch, weil ich kaum noch einkaufen gehen muss.

Hier ist Platz für Wünsche, die Sie El Puente mit auf den Weg geben möchten. Ich kenne El Puente noch in den Anfängen. Toll, dass El Puente so groß geworden ist und dafür gesorgt hat, dass der faire Handel inzwischen wirklich eine bekannte Größe ist. Ich wünsche allen, die daran beteiligt sind, dass sie auch in Krisenzeiten nicht aus dem Blick verlieren, an was für einem tollen Projekt sie arbeiten: Fairen Handel schaffen und Brücken bauen für eine gerechte Weltgemeinschaft.

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>> Ulrike Bytof & Rosita Jung-Concha <<

Rosita Jung-Concha

Die gebürtige Chilenin ist bereits ein Jahr, nachdem sie nach Deuts chland kam, Mitglied im El Puente e.V . geworden. Heute ist sie 1. Vereinsvorsitze nde und ak tiv im Weltladen in Hildesheim .

Ulrike Bytof

ist seit zwei Jahren Koordinatorin des und El Puente Weltladens in Hildesheim . tätig V. e. nte im Vorstand des El Pue

Was habt Ihr für Faire Produkte bei Euch zu Hause? Ulrike: Auf jeden Fall jede Menge Schals, Halsketten, Ringe und Ohrringe. Ich trage sehr gerne Ohrringe, das ist mein Schwerpunkt. Rosita: Um auf faire Weise wach zu werden, trinke ich morgens gerne Fair Trade-Kaffee. Und dann habe ich natürlich viele Gewürze, für die Würze des Lebens. Und nicht zuletzt faire Körbe und Dekoration, die das tägliche Leben bereichern. Bei diesem Anblick schweife ich gedanklich in die Ferne.

Welches Produkt sollte es aus Fairem Handel geben, das es bisher nur im konventionellen Handel gibt. Ulrike: Ich fühle mich im Weltladen sehr gut aufgehoben, weil das Angebot so umfassend ist. Kaffee, Tee, Gewürze, im Prinzip fehlt nichts mehr. Mittlerweile gibt es auch viele Anbieter für faire Kleidung. Ich glaube, wir

haben in Deutschland schon ein sehr breites Sortiment. Rosita: Die Basis an fairen Produkten ist auf jeden Fall da. Faire Lebensmittel und Kunsthandwerk können das tägliche Leben schon abrunden.

Rosita, was ist Dein liebstes Gericht mit fairen Zutaten? Rosita: Da gibt es sowohl Süßes als auch Salziges, was ich sehr gerne mag. Zu meinen Favoriten gehört fairer Reis mit einer gut gewürzten Soße und Gemüse. Für den Nachtisch nutze ich gern Tea Time von unserem Handelspartner Turqle Trading aus Südafrika. Das passt zu den unterschiedlichsten Speisen wie Obstsalat oder einem einfachen Quark oder Joghurt.

Wie seid ihr zum Fairen Handel gekommen? Rosita: Durch El Puente. Es war im Jahr 1972, ich war gerade einmal ein Jahr in Deutsch-

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land. Zu dieser Zeit gab es ein Treffen in der Volkshochschule in Hildesheim, um den El Puente Verein zu präsentieren. Ich las die Ankündigung und wusste direkt, da musst Du hin. Allein schon der spanische Name sprach mich an. Außerdem ging es um die Dritte Welt, und ich kam aus einem DritteWelt-Land. Ich wurde also sofort Mitglied. Das war meine erste Begenung, seitdem bin ich dabei. Trotz meinen Höhen und Tiefen im Leben, aber El Puente war immer die gerade Linie. Ulrike: Ich bin 27 Jahre später dazugestoßen, 1999. Bei wir war das ein bisschen anders, es gab schon den Weltladen in der Osterstraße. Alles war schon etablierter. Ich bin eingestiegen, weil jemand als Verkaufskraft und zur Dekoration des Schaufensters gesucht wurde. Ich kannte den Weltladen und habe mich schon lange für die Idee interessiert. Außerdem hatte ich schon immer eine Vorliebe für Musik oder Kunsthandwerk aus anderen Ländern. Während andere Rock- und Popmusik hörten, habe ich Musik aus Südamerika gehört. Das war die Verbindung für mich und ist sie bis heute geblieben.


>> Ulrike Bytof & Rosita Jung-Concha <<

„Ich glaube, viele Dinge brauchen Zeit, bis sie im Bewusstsein ankommen.“

Rosita Jung-Concha

Rosita: Musik interessierte mich auch, aber für mich war es besonders spannend zu hören, dass sich hier in Deutschland Menschen für eine faire Bezahlung der Menschen in anderen Ländern interessieren. Ich komme von dort, ich kenne die Situation. In Lateinamerika kommt ein Zwischenhändler und fegt alles weg oder bezahlt schlecht. Zu sehen, dass sich Menschen in Deutschland für den Fairen Handel einsetzen war schon enorm. Und es ist toll, dass das bis heute passiert.

Ihr habt schon den ersten El Puente Weltladen in der Osterstraße erwähnt. Könnt Ihr den ein bisschen beschreiben? (Beide Lachen)

Ulrike: Man stelle sich vor: klein, verwinkelt, Ikea-Holzregale, das alte El Puente-Logo an der Decke, das später übergestrichen wurde, weil es wirklich die Decke heruntersenkte. Das war recht alternativ, wie man heute wohl sagen würde.

Rosita: Es gab auch einen Keller, in dem wir uns getroffen haben, gesungen und über Projekte gesprochen haben, unsere weiteren Pläne. Was man heute als Ladentreffen bezeichnen würden, hatten wir damals eben in diesem Keller.

Wie ist der Unterschied zu heute, was hat sich verändert? Ulrike: Eine ganze Menge, angefangen von den Räumlichkeiten… Rosita: Ja, wir haben auch deutlich mehr Mut zum Risiko. Dass wir von der Osterstraße in die Scheelenstraße umgezogen sind, daran bin ich sozusagen Mitschuld. Oder besser: Ich bin Mitgestalterin. Ich fand damals, wir müssen mehr in die Stadt. Dann habe ich mich allein auf den Weg gemacht. Ich habe geschaut, wo etwas leer war und mich umgehört. Am Anfang war ich sehr vorsichtig, weil nicht alle mit den Umzugs-

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plänen einverstanden waren. Aber ich hatte Unterstützung von Stefan Bockemühl, dem damaligen Geschäftsführer der El Puente GmbH. So sind wir schließlich in der Scheelenstraße gelandet. Es war viel zu machen, da die Räumlichkeiten zuvor die Büros einer Versicherung waren. So sind wir schließlich im Herzen von Hildesheim gelandet. Ulrike: Der Umzug hat sich wirklich gelohnt. Die Entwicklung ist bis heute steigend. Darüber freuen wir uns natürlich riesig. Auch das Team verändert sich auf diese Weise stetig, es ist immer Bewegung drin. Und die Veränderungen sind bisher immer zum Positiven.

Wie hat sich das Produktsortiment verändert? Rosita: Die Basis ist geblieben, aber durch die größeren Räumlichkeiten gibt es eine Ausweitung. Nur… Die Hebammentaschen.


>> Ulrike Bytof & Rosita Jung-Concha <<

Die vermisse ich. Es gab Produkte aus Paraguay, die ersten, die wir von El Puente importiert haben, und die hießen so, Hebammentaschen. Ulrike: Wir hatten auch einmal Zehensandalen aus Paraguay, die vermisse ich. (beide lachen)

Neben dem reinen Verkauf macht ihr auch Bildungsarbeit, könnt Ihr darüber etwas erzählen? Rosita: Das ist mein Schwerpunkt. Ich finde die Verbindungen mit den Schulen ganz wichtig, mit den Grundschulen angefangen. Ich sehe es als unsere Aufgabe, junge Menschen zu sensibilisieren. Denn sie sind unsere Nachfolger. Es ist wichtig, dass sie den Fairen Handel kennenlernen. Und das schon von Anfang an. So arbeiten wir viel mit Kindern und Jugendlichen zusammen, angefangen von der Grundschule bis hin zu Gymnasien und Berufsschulen. Ulrike: Wir haben auch viele regionale Verbindungen wie Hi-Land, Brücke der Kulturen. Mit der Heilig-Kreuz-Kirche haben wir im letzten Jahr sogar während der CoronaPandemie eine tolle Veranstaltung machen können.

Ihr habt oft Handelspartner zu Besuch bei Euch im Laden. Welche Begegnung ist Euch besonders in Erinnerung geblieben? Ulrike: Der Gast aus Ruanda von der Kaffeekooperative ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Das war eine sehr herzliche und bereichernde Begegnung.

Rosita: Ja, und auch die beiden Gäste von der Kaffeekooperative aus Honduras. Da konnten wir einer großen Öffentlichkeit die Kaffees zeigen, die wir verkaufen. Bei den Gästen aus Nepal habe ich auch eine Stadtführung gemacht. Der Gast von Anapqui aus Bolivien war auch spannend. Die Kleinbäuer*innen bauen dort Quinoa an und ich fand es interessant zu erfahren, dass die Qualität, die Anapqui über den Fairen Handel verkauft, besonders hochwertig ist. Nicht einmal das Reformhaus liefert eine solche Qualität. Es waren also viele spannende Begegnungen.

Ich finde es beeindruckend, wie Ihr Euch für den Fairen Handel engagiert. Was treibt Euch an? Ist es die Gemeinschaft in der Ihr seid, ist es für die Sache? Ulrike: Meine Motivation ist, dass ich überzeugt davon bin, dass der Faire Handel tatsächlich einen Einfluss und eine Wirkung hat. Der Faire Handel macht für unsere Partner in Übersee wirklich einen Unterschied. Das steht für mich an erster Stelle. Gleichzeitig ist es aber auch die Freude an der Arbeit mit den Produkten. So kann ich mit der Dekoration zum Beispiel dazu beitragen, die Produkte schön zu präsentieren. Auf diese Weise kann ich wiederum die Leute von der Schönheit und der Qualität der Waren überzeugen. Rosita: Ja, durch die Produkte können sich die Länder wie durch ein Fensterchen präsentieren. Das ist großartig. Und gleichzeitig bekommen sie eine gerechte Bezahlung. Ich fand es von Beginn an toll zu sehen, wie sich junge Menschen hier für die „eine Welt“ engagieren. Diese Welt war damals noch sehr fern, heute ist sie näher gerückt. Aber dieses

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Engagement hat mich beeindruckt. Darum bin ich damals bei El Puente eingetreten.

Der El Puente Verein ist jetzt 50 geworden. Was denkt Ihr, 50 Jahre weiter gedacht, wie könnte der Faire Handel dann aussehen? Ulrike: 50 Jahre ist ein weiter Raum. Rosita: Wünschenswert ist, dass der Faire Handel weiter besteht, dass er mehr Anerkennung bekommt. Dass die Menschen in ihren Ländern glücklich sind, dort bleiben dürfen und nicht flüchten müssen. Ich glaube aber auch, viele Dinge brauchen ihre Zeit, bis sie im Bewusstsein ankommen. Wenn ich überlege, dass wir vor rund 40 Jahren die ersten Jute-Beutel mit dem Spruch „Jute statt Plastik“ angeboten haben und wir heute erst soweit sind, dann zeigt sich, viele Veränderungen brauchen Zeit. In 50 Jahren kann es also nur besser werden. Ulrike: Ja, das stimmt. Sehr erstrebenswert wäre, dass sich der Faire Handel auf alle überträgt. Dass Weltläden noch mehr werden, dass es die Produkte auf größeren Flächen gibt. Rosita: Ja, das sich der Faire Handel etabliert.


>> Lisa Wolpers <<

„Ich hatte richtig Lust auf das nette Team und

generell mehr über den Fairen Handel zu lernen.

Lisa Wolpers, Auszubildende bei El Puente

El Puente bildet in zwei Berufen aus: Fachkraft für Lagerlogistik und Kaufmann/Kauffrau für Groß- und Außenhandel. Lisa Wolpers ist eine der Auszubildenden und schätzt dabei besonders die Vielfalt der Ausbildung und die Arbeit im Team.

Lisa, Du machst derzeit Deine Ausbildung zur Kauffrau für Groß- und Außenhandel bei El Puente. Kannst Du uns kurz beschreiben, wie so eine Ausbildung abläuft?

machen, was sich dann aber irgendwie gar nicht mehr so richtig angefühlt hat. Mein Bauchgefühl hat mich zu El Puente „geleitet“ und ich bin sehr froh über diese Entscheidung! Hier fühle ich mich super wohl und ich hätte nie gedacht, dass Arbeit so viel Spaß machen kann.

Die Ausbildung bei El Puente läuft wie folgt ab: Man ist erst einmal eine Zeitlang im Lager, um mit unserem Sortiment vertraut gemacht zu werden und die vielen verschiedenen Artikel kennenzulernen. Hier lernt man vor allem das Kommissionieren und Packen, aber auch den Ablauf im Wareneingang. Die Arbeit im Lager hilft einem dann später im Vertrieb besser zurecht zu kommen. Nach den Monaten im Lager beginnt die Zeit im Vertrieb und man lernt Schritt für Schritt den Ablauf im Tagesgeschäft kennen, wofür man als Auszubildende/r größtenteils mit verantwortlich ist. Nach und nach lernt man dann immer für ein paar Monate auch die anderen Abteilungen wie die Info, den Einkauf und die Buchhaltung kennen.

Welche Aufgaben haben Dir bisher besonders Spaß gemacht? Bisher war ich nur im Lager, im Vertrieb und in der Infoabteilung und ich muss ehrlich sagen, dass mir jeder Abschnitt davon Spaß gemacht hat. Klar war die Arbeit im Lager anstrengender und manchmal habe ich mir auch gewünscht, dass die Zeit schneller umgeht, aber dort im Team mit den anderen zu arbeiten macht einfach auch Spaß! Im Vertrieb bin ich auch richtig gern, das Telefonieren mit Kund*innen und Mitarbeiter*innen der Weltläden mache ich gern. Die Infoabteilung ist eher kreativer und die eigenen Ideen sind gefragt. Hier sieht man immer direkt das Ergebnis seiner Arbeit, ob es Kataloge, Newsletter, Blogbeiträge oder das umgestalten des Online Shops ist. Das ist ein schönes Gefühl, wenn man sieht was man geschafft hat. Was ich am liebsten mache, kann ich gar nicht sagen. Ich glaube, es ist die Mischung von allem, die mir besonders gefällt.

Warum hast Du Dich für den Ausbildungsplatz bei El Puente entschieden? Ein Teil meiner Familie kommt aus der Gegend hier und meine Cousine hatte bereits Kontakt zu El Puente. Sie hat mir geraten mich zu bewerben, da die Arbeit hier total zu mir passen würde. Ich habe mich dann ein bisschen informiert und wollte unbedingt meine Ausbildung hier starten. Ich hatte richtig Lust auf das Team und generell mehr über den Fairen Handel zu lernen. Eigentlich wollte ich immer etwas mit Tieren machen und ich hätte auch die Chance gehabt meine Ausbildung als Tiermedizinische Fachangestellte zu

Welche Pläne hast Du für die Zukunft? Ich würde sehr gern nach meiner Ausbildung weiterhin bei El Puente arbeiten.

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>> Philippe Adaime <<

„Trotz aller Widrigkeiten stehen die Kleinbäuer*innen aufrecht, krempeln die Ärmel hoch und verdoppeln ihre Anstrengungen, um ihren eigenen Traum zu verwirklichen.“ Philippe Adaime, Geschäftsführer von Fair Trade Lebanon

Bitte beschreibe die Arbei von Fair Trade Lebanon in einigen Sätzen. wusstsein für fairen Handel und gewährleisten einen kontinuierliFair Trade Lebanon (FTL) wurde 2006 gegründete und ist eine lochen und direkten Dialog mit allen Gruppen, die in den Agrar- und kale, libanesische Agrar-Food- und Wirtschaftsentwicklungs-NGO. Lebensmittelsektor involviert sind. Unsere Mission ist es, Kleinproduzent*innen und LebensmittelKooperativen im ganzen Libanon bei der Geschäftsentwicklung zu unterstützen, Zugang zu Märkten und Exportmöglichkeiten zu bieKannst Du uns mehr über die Kleinbäuer*innen und Produten. Wir fördern ihr Wachstum, um damit ihre Lebensgrundlage zu zent*innen erzählen, mit denen ihr zusammenarbeitet? Wie verbessern. Wir unterstützen sie darin, die Anforderungen der heuist ihr Alltag, ihre Träume und Sorgen? tigen Verbraucher*innen zu erfüllen. Außerdem helfen wir dabei, Heute durchlebt der Libanon eine schwere, anhaltende WirtschaftsFair Trade-Standards umzusetzen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die krise, die die Menschen dazu zwingt, das Land auf der Suche nach Förderug von Frauen. Wir sind heute eine der Hauptsäulen des einer besseren Zukunft zu verlassen. Wüstenbildung, Landflucht, Agrar- und Ernährungssektors im Libanon. Wir haben uns als KataArmut und vor allem Verzweiflung nehmen rasant zu. Die Landlysatoren für innovative Ideen in der wirte, die FTL seit mehr als 15 Jahfairen Landwirtschaft erwiesen und ren unterstützt, schwimmen gegen e m ai d A neue Möglichkeiten für Kleinbäue p p ili den Strom und kämpfen immer h P ir Trade LebaFa n vo er*innen geschaffen, um in ihrem er hr fü fts noch hart dafür, ihre angestammhä ist einer der Gesc ein langist en Land bleiben zu können. Unsere Adm eh rn te Un ten Fähigkeiten, ihre Geschichte, zu lsnon. Das Fairhande wir unter m vocacy- und Lobbying-Aktivitäten, sei de n vo , te bewahren und zu fördern. Mehr als en n El Pu bsen jähriger Partner vo er er es bei Regierungsbehörden, Schulen ch Ki ch au d 30 Genossenschaften, die über den ummus un es anderem Linsen, H nd oder Universitäten, schärfen das BeLa s de n ganzen Libanon verstreut sind, sind io Situat

ierige erhalten. Die schw n of t ihre andels- Organisatio erschwer t der Fairh und Enft ch mit viel Tatkra Arbeit, die sich jedo enstellt. idrigkeiten entgeg gagement allen W

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>> Philippe Adaime <<

Die meisten Eurer Produkte werden nicht nur im Libanon angebaut, sondern ebenso im Land weiterverarbeitet. Warum ist es so wichtig, so viele Schritte der Wertschöpfung im Land zu belassen?

voller Eifer, ihr Land wiederzubeleben und in ihren Dörfern verwurzelt zu bleiben. Sie beschlossen, ihre Familien, ihre Ackerflächen und vor allem ihr geliebtes Land nicht aufzugeben, sondern weiter dafür zu kämpfen. Trotz aller Herausforderungen, denen sie auf ihrem Weg begegnen können. Nichts ist für sie heutzutage einfach, sie haben Schwierigkeiten, Zugang zu den einfachsten Dienstleistungen zu bekommen, wie zum Beispiel elektrische Energie, um ihre Geräte zu benutzen. Aber auch der Kauf von Rohstoffen, die für die Produktion oder Verpackung der Waren benötigt werden, ist schwer. Die Inflation hat die Kosten aller Gegenstände, die während des Produktionsprozesses benötigt werden, um das zehnfache verteuert. Trotz aller Widrigkeiten stehen die Kleinbäuer*innen aufrecht, krempeln die Ärmel hoch und verdoppeln ihre Anstrengungen, um ihren einen Traum zu verwirklichen: die Bindung zu schützen, die sie zu ihrem Land haben. Darüber hinaus träumen sie davon, ihre tollen Produkte, die vor mediterraner Sonne strotzen, in internationalen Regalen ausgestellt zu sehen. Das Gefühl, etwas erreicht zu haben, hält sie am Laufen.

Es ist von größter Bedeutung, dass die gesamte Produktionskette im Herkunftsland erfolgt. Zum einen, weil die Produktion optimiert und einer besseren Qualitätskontrolle unterzogen wird. Andererseits ermöglicht es, die Kosten zu reduzieren, besonders heutzutage, wo der Import von Waren im Libanon immer schwieriger wird. Schließlich und am wichtigsten ist, dass die Produktion im Libanon allen Akteuren in allen Phasen des Produktionsprozesses zugutekommt und die Lebensbedingungen einer größeren Anzahl von Menschen verbessert.

Was sind Eure Wünsche für die Zukunft? Fair Trade Libanon wollte schon immer das lokale Wirtschaftswachstum ankurbeln und Kleinproduzent*innen und Bäuer*innen die Möglichkeiten geben, ihr Wissen und ihre Produktion zu erweitern, um ihr Leben zu verbessern. Wir möchten allen Menschen, egal ob Mann oder Frau, gleiche Chancen bieten, ohne Diskriminierung, und sind stets bestrebt, die wirtschaftliche Inklusion von Frauen zu stärken. Wir möchten die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern und nachhaltige Einkommen generieren, damit jeder einzelne Mann und jede einzelne Frau ein menschenwürdiges Leben führen kann, ohne sich um ihre Zukunft und ihre Kinder sorgen zu müssen. Wir wollen die Ernährungssicherheit verbessern, damit niemand im Libanon jemals an Hunger leiden muss. Wir möchten faire und nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken umsetzen, um unser Land und hoffentlich die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Und vor allem wollen wir, dass der Libanon ein produktives und nachhaltiges Exportland wird.

Wie profitieren die Produzent*innen vom Fairen Handel? Fairer Handel hilft den Erzeuger*innen bei der Festsetzung fairer Löhne, die die Bäuer*innen und Arbeiter*innen vor stark schwankenden Marktpreisen schützt. Mehr denn je brauchen Bäuer*innen und Arbeiter*innen heute im Libanon diesen fairen Lohn, der sicherstellt, dass sie ihre Lebenshaltungskosten weiterhin decken können. Andererseits gibt es im Fairen Handel keine Zwischenhändler, was den Bäuer*innen und Arbeiter*innen ermöglicht, von einer höheren Gewinnspanne zu profitieren. Darüber hinaus trägt Fair Trade zum Schutz der Umwelt bei, indem das Bewusstsein für umweltfreundliche Anbau- und Produktionspraktiken geschärft wird. Außerdem bietet der Faire Handel auch sichere Arbeitsbedingungen, zum Beispiel durch geregelte Arbeitszeiten und Richtlinien, die Diskriminierung und Kinderarbeit verbieten.

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>> Manfred Winkler <<

„Die Menschen haben dort in einer Ruhe gesessen, wie sie uns in Europa längst verloren gegangen ist.“ Manfred Winkler, Gründer und Geschäftsführer von Globo

Ebenso wie El Puente blickt auch Globo auf eine lange Geschichte zurück. Wie kam es dazu, dass Du Globo 1973 gegründet hast? Das war ursprünglich eine im Studium geborene Idee. Es ging schon damals um das, was wir später gerechten Handel nannten und heute als Fairen Handel bezeichnen. Wir haben an der Uni über Ausbeutung diskutiert. Aber in Wirklichkeit erlebten oder sahen wir sie nicht. Auf einer Reise nach Südamerika bekam ich mit, wie ein Zwischenhändler die webenden Frauen despektierlich behandelte und finanziell ausgebeutet hat. So kam es zu der Idee, die am Anfang eine politische war. Durch die Fakten, die ich auf der Reise bekam, wurde sie mit der Wirklichkeit unterfüttert.

In den letzten knapp 50 Jahren hast Du eine Menge erlebt. An welche Ereignisse erinnerst Du Dich am liebsten und am lebhaftesten? Ich möchte sagen, wenn ich irgendwo hinkam, wo Leute produzierten. Das heißt, wenn sie bei der Arbeit saßen und ihre Dinge herstellten, die dann an uns, Euch oder andere verkauft wurden. Zwei Szenen sind mir besonders lebhaft in Erinnerung: Das eine ist ein mexikanisches Ehepaar, das in einem Garten saß und Webarbeiten herstellte, sogenannte Fachas auf Spanisch. Das sind Webstreifen, die man als Stirnband, Armband oder als Tragegurt für Taschen benutzen kann. Diese Szene ist mir immer in Erinnerung und ich nenne sie „Anmut bei der Arbeit“. Das heißt, das Ehepaar hat dort in so einer Ruhe gesessen, wie sie uns in Europa längst verloren gegangen ist. Das andere ist eine Szene aus Peru. Ich kam am Vormittag in ein Dorf, um bemalte Kürbisse zu kaufen. Da saß eine Gruppe von Eltern, deren Kinder am Morgen schon zum Schulbus gebracht worden waren. Nun saßen diese Leute zusammen und

produzierten. Das war ein so friedliches und produktives Bild, das sich mir das auch eingeprägt hat.

Als Geschäftsführer ist die Arbeit für Globo Dein Lohnerwerb. Doch wie bei den meisten Menschen, die im Fairen Handel tätig sind, ist der Lohnerwerb nicht der einzige Antrieb. Was ist Dein wichtigster Motor? Im Fairen Handel fließt die Arbeit der Menschen direkt per Lohn bzw. per Bezahlung der Produkte in ihr Leben ein. Es ist also kein Zwischenhandel da, es ist kein Arbeitgeber, der sagt, Du bekommst jetzt 7,9,11 oder 20 Euro. Die Personen produzieren ihre Dinge und verkaufen direkt an uns oder Euch. Dann ist es ein Handel von Gleich zu Gleich. Dieser Handel auf Augenhöhe, das ist das, was mich bei der Arbeit hält. Und ich hoffe, dass wir das auch der nächsten Generation weitergeben können. Ich bin Jahrgang 46 und habe noch viel Lust zu

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arbeiten. Aber unsere jüngere Tochter ist jetzt im Betrieb und wird sozusagen auf die Geschäftsführung vorbereitet. Und dieser jüngeren Generation möchte ich die Ideen so vermitteln, dass sie auch noch für sie attraktiv sind.

Ein Blick in die Glaskugel: Wie könnte der Faire Handel 2072 aussehen? Wunsch und Wirklichkeit klaffen da möglicherweise sehr weit auseinander. Durch die aktuellen Ereignisse, also Pandemie und Ukraine-Konflikt ist vieles ins Wanken geraten, was wir uns bisher einigermaßen, wenn auch auf wackligen Stelzen, für die Zukunft vorstellen konnten. Wenn wir uns die Produktionsmächte wie China, Indien usw. vorstellen, dann ist es schwierig, optimistisch für den Fairen Handel zu sein. Zwar kaufen wir, wie auch Ihr, in Indien ein, aber wer vor Ort war, sieht, das sind noch ganz andere Welten. Wenn wir dort von gerechter Entlohnung oder Bezahlung sprechen, dann ist das nur ein Bruchteil dessen, was jemand in Europa verdienen würde. Wenn wir 50 Jahre vorausdenken, wäre das Ideal natürlich, dass ungefähr gleiche Verhältnisse auf der ganzen Welt herrschen. Problem wird sein, wenn auch beispielsweise in Indien 15 oder 20 Euro die Stunde gezahlt würde, dann würde es für uns Europäer sehr teuer, solche handgefertigten Produkte oder Lebensmittel zu kaufen. Da sehe ich einen Zielkonflikt in der Zukunft und daran müssen wir arbeiten. Ich habe noch keine Lösung.

Viele Jahre lang arbeiten Globo und El Puente Seite an Seite. Kannst Du El Puente in drei Worten beschreiben? Da muss ich etwas weiter ausholen: Gleich auf unserer ersten Veranstaltung im Dezember 1973 habe ich El Puente in Form von Richard Bruns kennengelernt. Er kam zu uns nach Hannover auf unseren damaligen Südamerika-Basar. Insofern kennen wir uns schon von der ersten Stunde an: El Puente ist also ein ständiger Begleiter.


>> Tina Chwala <<

Tina Chwala

mitteleinkauf arbeitet im Lebens i ist Ihr Schwerbei El Puente. Dabe enarbeit mit den punkt die Zusamm rbeitern, europäischen Vera , zu unterschieddie faire Rohstoffe verarbeiten. lichen Leckereien

Liebe Tina, Du arbeitest bei El Puente im Lebensmitteleinkauf, kannst Du einmal Deinen typischen Arbeitsalltag beschreiben? Ein typischer Arbeitsalltag startet mit einer GutenMorgen-Runde in den Abteilungen und einem leckeren Kaffee. Danach werden erstmal alle Mails und Bestände gecheckt. Zurzeit stehen viele Termine und Besprechungen an, also muss viel koordiniert werden.

Welche Aufgaben machen Dir dabei am meisten Spaß? Tatsächlich genau das: Koordination und Planung. Sei es mit den Kolleg*innen oder den Lieferant*innen. Ich arbeite einfach sehr gerne mit Menschen zusammen und mag es Dinge zu planen. Super, dass ich im Einkauf beides kombinieren kann!

Du entwickelst auch neue Produkte. Wie läuft so ein Prozess ab?

Tina Chwala, Einkäuferin bei El Puente

„Ich arbeite sehr gerne mit Menschen zusammen und mag es Dinge zu planen.“

Ich finde es total spannend neue Produkte zu entwickeln. Vor allem dabei festzustellen, wie unsere Lieferanten mich immer wieder mit neuen Ideen überraschen. Hierbei arbeite ich eng mit dem Marketing und dem Vertrieb zusammen. Gemeinsam wird verkostet und eine Auswahl getroffen. Verpackungen und Preise werden besprochen und ehe man sich versieht, steht das fertige Produkt bei uns im Lager!

Du kennst Dich also bestens in unserem Foodbereich aus, was sind Deine drei liebsten El Puente Produkte? Nur drei? Das ist schwierig… Wenn ich an einen typischen Arbeitsalltag mit Produktentwicklung denke, hilft mir da auf jeden Fall ein guter Kaffee! Am liebsten trinke ich den Atilan-Kaffee. Schmeckt mir total gut und ich muss dann immer an meine Kollegin Gesa denken, wie sie damals auf dem kleinen Boot über den See am Fuße des Vulkans trieb. Dazu die Nougattaler von Wedgewood und einer Produktentwicklung steht nichts mehr im Wege. Und das dritte sind die Dattel-Trüffel! Einfach, weil ich davon nicht genug bekommen kann!

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>> Claudia Tober <<

„Die Folgen des Klimawandels abzuwenden, ist die große Aufgabe dieses Jahrhunderts.“ Claudia Tober, Geschäftsführerin der Klima-Kollekte

Klimaschutz, Fairer Handel und christlicher Glaube. Wo sind die Schnittmengen? Warum passen diese drei Bewegungen Ihrer Meinung nach so gut zusammen? Die Folgen des Klimawandels abzuwenden, ist die große Aufgabe dieses Jahrhunderts. Besonders Menschen im Globalen Süden sind von den Auswirkungen des Klimawandels stark betroffen, obwohl sie wenig zum Klimawandel beitragen. Wir sind also alle gefordert, CO₂Emissionen zu vermeiden und zu reduzieren und so klimagerecht zu handeln. Klimagerechtigkeit bedeutet, dass nach dem Verursacher:innenprinzip Länder, die die Hauptverantwortung an der Erderwärmung tragen, in der Pflicht stehen global für die Folgen und Schäden des Klimawandels aufzukommen. Oft verfügen die betroffenen Länder nicht über die finanziellen Mittel für nötige Schutz- und Anpassungsmaßnahmen. El Puente und die Klima-Kollekte vereint ihr solidarisches Engagement, denn klimafreundliche Fairtrade-Produkte verbessern die Arbeits- und Lebensbedingungen von Kleinbäuer:innen im Globalen Süden und fördern den Klimaschutz. Das ist ein wichtiger Beitrag zu Klimagerechtigkeit, die die Schnittmenge zwischen Klimaschutz, Fairem Handel und christlichem Glauben darstellt.

Über die Klima-Kollekte können nicht nur Unternehmen, sondern auch Privatleute ihre Emissionen kompensieren. Bereits seit 2011 setzen Sie sich so aktiv für den Klimaschutz ein. Was konnte die Klima-Kollekte seitdem bewegen? Seit Gründung der Klima-Kollekte im Jahr 2011 bis einschließlich des vergangenen Geschäftsjahres konnten 306.147 t CO₂ kompensiert werden. Mit dem dafür eingenommenen Klimaschutzbeitrag wurden Klimaschutzprojekte in Ländern des globalen Südens gefördert und finanziert. Dies trug neben dem Klimaschutz auch zur Armutsreduzierung bei. Die Klima-Kollekte sensibilisiert von Anbeginn ihrer Geschäftstätigkeit für die Vermeidung, Reduktion und Kompensation von Treibhausgasen. Und so erweiterten wir sukzessive unseren Umfang der Klimabilanzierung für weitere Bereiche, neben Strom- und Wärmeenergie, Flugreisen und Druckerzeugnisse, können wir nun z. B. Geschäftsbetrieb und hybride Veranstaltungen wie auch die Emissionen entlang der Zulieferkette messen. Dies alles trägt dazu bei, eine breitere Sensibilisierung bei den Akteuren zu erreichen. Zusätzlich haben wir intensiv unsere Bildungsaktivitäten ausgeweitet, damit neue interessierte Menschen und Organisationen über die Bedeutung der Maßnahmen für den Klimawandel und ihre Handlungsmöglichkeiten erfahren können.

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>> Claudia Tober <<

Kritiker*innen bezeichnen den Ausgleich von CO₂Emissionen oft als „Ablasshandel“. Was setzen Sie dem entgegen?

freundlichen Handeln zu motivieren. Wir möchten unsere Angebote so ausweiten, dass jede und jeder leicht zugängliche Angebote für das eigene Handeln erhält. Wichtig für uns ist es, mit unserem besonderen Angebot an Klimaschutzprojekten auch unsere Beratungskompetenz für die Erstellung von Klimabilanzen, CO₂-Fußabdrücken weiter auszubauen und hier in neue Kreise vorzudringen. Dazu zählt für uns auch der nicht-kirchliche Sektor. Die Klima-Kollekte als ethisch-nachhaltiges Unternehmen ist hier offen, mit gleichgesinnten Unternehmen und Organisationen zusammenzuwirken. Der im Jahr 2021 eingeführte Bildungseuro wird uns unterstützen, unsere Bildungsarbeit zur Bewusstseinssteigerung und Wissensvermittlung in der Breite der gesellschaftlichen Gruppen weiter auszubauen. Unsere jüngste Auszeichnung „Nationaler-Preis - Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ der Deutschen UNESCO-Kommission und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ist unser Ansporn. Gemeinsam mit unseren Gesellschafterhäusern arbeiten wir schon heute an neuen Klimaschutzprojekten, um unser Projektportfolio zu erweitern und weitere Nachfragen bedienen zu können, aber auch vor Ort Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Und wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit unseren langjährigen Wegbegleitern und hoffen diesen Kreis deutlich erweitern zu können, um so weiterhin einen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung und dem Klimaschutz leisten zu können.

Das hören wir leider ab und an. In unserem Verständnis diente der Ablasshandel zur Bereicherung Einzelner oder bestimmter Gruppierungen. Die Klima-Kollekte als gemeinnützige GmbH dient unserem gemeinnützigen Zweck: der Förderung des Umweltschutzes, der Bildung, der Völkerverständigung sowie der Förderung der Entwicklungszusammenarbeit. Die Klima-Kollekte kann einen Beitrag leisten, dass Treibhausgase vermieden und reduziert werden und für die – noch – notwendigen Emissionen ein Beitrag geleistet wird, der hilft klimafreundlich zu agieren. Und so fließen 21 Euro von 25 Euro/pro Tonne CO₂ direkt in die Projekte. Damit können wir einen Beitrag zu Klimagerechtigkeit und christlicher Verantwortung leisten.

Ein kleiner Blick in die Zukunft: Welche mittelfristigen Ziele haben Sie für die Klima-Kollekte? Klimaschutz ist ein immer dringlicheres Anliegen geworden, das Zeitfenster für den Einhalt der globalen Erwärmung schließt sich schneller als gewünscht. Das heißt für uns als wichtigster Wunsch, Wachstum für unsere Projektfinanzierungen, erhöhte Teilnahme an unseren Bildungs- und Beratungsprojekten um mehr Menschen, Unternehmen und Organisationen zu sensibilisieren und zu verstärktem klima-

Hier ist Platz für ein paar Geburtstagswünsche an El Puente.

Claudia Tober

r Klimaist Geschäftsführerin de CO2-KomKollekte, dem kirchlichen El Puente pensationsfonds, der für orts in nd Sta den Fußabdruck des fer Lie kette Nordstemmen und der t. Die erdes Kaffees bestimmt ha en gleicht mittelten CO2-Emission projekte utz sch El Puente über Klima au der Klima-Kollekte s.

El Puente gehört zu den Pionieren der Fairhandels-Bewegung. Dazu gratulieren wir ganz herzlich und wünschen für die nächsten 50 Jahre alles Gute. Wir freuen uns sehr über unsere Kooperation mit El Puente und wünschen uns, gemeinsam einen Beitrag zur Begegnung des Klimawandels zu leisten und lokal und global für ein lebenswertes Klima der Zukunft zu sorgen.

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>> Thomas Hoyer <<

Als Akteure des Fairen Handels sind wir gemeinsam stärker. Thomas Hoyer, Geschäftsführer von WeltPartner

Wie bist Du zum Fairen Handel gekommen?

Mich hat ein Jahr als Freiwilliger in Südafrika sehr geprägt. Hier erfuhr ich als Jugendsozialarbeiter, zusammen mit den lokalen Jugendlichen im damaligen von Apartheid geschaffenem „Homeland“ Lebowa, am eigenen Leib was soziale Ungerechtigkeit bedeutet. Zudem habe ich damals eine Werkstatt für Menschen mit Behinderungen mit aufgebaut, in der wir ein fair gehandeltes Produkt, das vor Ort Einkommen, Selbstbewusstsein und Würde, und aufgrund des fehlenden Stroms in der Region eine wichtige Grundversorgung schuf: Mit fair gehandelten, handgezogenen Kerzen. Mit meinen Erfahrungen vor Ort und meinen beiden Berufs-Abschlüssen war mir klar: Wenn ich aus Südafrika zurückkehre, dann möchte ich meine Fähigkeiten im Fairen Handel einsetzen. Eine „Blindbewerbung“ bei WeltPartner (damals noch dwp) war die Folge – und tatsächlich: einmal im Jahr funktionierte das Telefon vor Ort … und es war der Anruf meines damaligen Chefs, der meinte, ich könnte in 4 Monaten bei WeltPartner beginnen…… Der Beginn einer langen Freundschaft mit dem Fairen Handel und WeltPartner – seit 1993.

Beschreibe einmal Deinen typischen Arbeitsalltag.

7.45 Uhr Start mit einem leckeren ersten „Büro-Kaffee“, dann unzählige E-Mails von Kolleg*innen und Partner*innen sichten und beantworten. Danach geht es bis zum Mittag in eine Reihe von Mee-

tings, Telefon- und Video-Chats etc. – die Mittagspause genieße ich bei Sonne wie die meisten in unserem schönen WeltPartner-Garten. Nachmittags bleibt meistens mehr Zeit für die eigene tägliche Arbeit, für Vorstandsaufgaben, Strategisches und

Personalthemen. Gegen 18.30 Uhr ist Feierabend – ab 19.00 Uhr schalte ich dann bewusst mein Geschäftshandy ab!

Was macht Dir an Deinem Job am meisten Spaß?

Regelmäßig zu sehen, dass die Arbeit von unserer Fair Trade Genossenschaft WeltPartner wirkt und stetig positive Veränderungen weltweit vorantreibt und darin erfolgreich ist – im Globalen Süden, aber auch hier vor Ort in Europa, Deutschland, der Region Ravensburg!

In verschiedenen Arbeitsgruppen und Netzwerken arbeiten Weltpartner, El Puente und andere Akteure eng zusammen. Ist es eine der wichtigsten Stärken des Fairen Handels, dass alle gemeinsam für dieselbe Sache eintreten?

Thomas Hoyer

von Weltist Geschäftsführer ist er im Fairen Partner. Seit 1993 zu sehen, dass Handel tätig und tPar tner stetig die Arbeit von Wel ungen vorantreibt, positive Veränder otor. ist sein größter M

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Klar, sind wir als Akteure des Fairen Handels gemeinsam stärker. Vor allem, wenn diejenigen, die ausschließlich Fairen Handel betreiben – so wie eben WeltPartner und El Puente, gemeinsam Strategien entwickeln, unsere transparente und menschenfreundliche Art eines Fairen Handels mit aller Kraft zu pushen – in der Zusammenarbeit mit unseren Partner*innen, Netzwerken, gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit und damit auch unseren Kund*innen!

Zuletzt: Was ist Dein Lieblingsprodukt von El Puente?

Die e&p’s – aber dann ganz klar die große Packung mit 150 g!


>> Dr. Isolde Steinbrecher <<

„Ich muss mich immer selbst auf Null zurücksetzen, um keine vorgefertigte Meinung zu haben.“ Dr. Isolde Steinbrecher, Qualitätsmanagerin

Dr.Isolde Steinbrecher

Früher hat man fairen Kaffee nur aus Solidarität getrunken, der Geschmack war eher unterirdisch. Was hat sich seitdem verändert? Der Rohkaffee hat sich in der Qualität grundsätzlich verändert. Er ist besser verlesen, es ist besser auf die Anbauqualitäten geachtet worden; welche Bäume, welche Sträucher benutze ich jetzt noch, welche nicht, welche kann ich besser selektieren und dann hat sich auch das Kaffeerösten entscheidend verbessert. Im Prinzip sind es also diese drei Parameter: Die Auswahl der Sorten, die bessere Selektion und Aufreinigung und die Röstung, die besser an die jeweiligen spezifischen Bohnen angepasst ist.

Du bist bei El Puente für die Qualitätskontrolle, kannst Du uns einmal einen typischen Arbeitsalltag von Dir beschreiben? Mein typischer Arbeitsalltag ist für die Lebensmittüberwachung hier bei El Puente zu sorgen. Das heißt, ich überprüfe die Wareneingänge, die reinkommen. Bevor die Produkte also in den Verkauf gehen, findet eine Überprüfung statt, um zu schauen, ob die Ware den Anforderungen von El Puente entspricht. Ich prüfe bei mir im Labor die drei Parameter: Sehen, Riechen, Schmecken. Wenn man die Parameter gut erfüllen kann, dann sind wir schon auf der guten Seite. Zusätzlich werden noch Labortests gemacht, die ich vorab durch Vorverschiffungsmuster überprüfen lasse und dann kommt natürlich die gesamte Dokumenta-

ist Qualitätsmanagerin bei El Puente. Ihr Fachwissen und ihre geschärf ten Sinne setzt sie jeden Tag ein, um zu überprüf en, ob die fairen Lebensmittel auch tatsächlich den hohen Standards en tsprechen. Für fairen Genuss auf hö chster Qualitätsebene.

tion dazu. Wareneingänge zu protokollieren und zu dokumentieren Das ist aber noch nicht alles. Es geht auch um das gesamte Warenwirtschaftssystem, das überprüft und gecheckt wird, die Dokumentation dazu, MHD-Tests, Reklamationen bearbeiten, spezifische Anforderungen aktualisieren, Etikettenarbeit bezüglich gesetzlicher Anforderungen, mit dem Lager-/Logistikteam zu beraten, was wir verbessern können und so weiter.

Was macht Dir bei Deiner Arbeit am meisten Spaß? Mein Highlight sind die Prüfungen, wenn ich wieder Ware reinkriege. Dann stelle ich zum Teil ganz überraschende Neuerungen fest. Das ist spannend, weil ich nicht weiß, was kommt. Ich muss mich immer selbst auf Null zurücksetzen muss, um keine vorgefertigte Meinung zu haben. So kann ich mich überraschen lassen, und stelle oft Neuerungen fest. Zum Beispiel, dass die Ware möglicherweise besser verarbeitet worden ist. Dass meine Reklamation und Anregungen der letzten Zeit von den Produzent*innen aufgenommen und aktiv umgesetzt worden sind. Das ist spannend und macht viel Spaß!

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Du warst auch schon des Öfteren auf Reise, welche Reise oder Situation ist Dir dabei besonders eindrücklich in Erinnerung geblieben? Da fällt mir eine Situation auf unserer Südafrika-Reise ein, bei der wir die Rotbuschproduzent*innen besucht haben. Damals ist uns in der Halbwüste der Autoreifen geplatzt. Wir saßen also da, bei über 40 Grad in der Hitze, und hatten kein Telefonnetz. Wir mussten warten, dass jemand zufällig an uns vorbeikommt. Letztlich sind wir die gesamte Strecke, das waren zwei Kilometer, zurück zum nächsten Haus gelaufen, um Hilfe zu holen und Wasser zu kriegen. Da hatten wir Glück, dass es nur zwei Kilometer waren. Dann mussten wir warten, bis einer mit seinem Pick-Up vorbeigekommen ist, der genau dieses Toyota-Modell hatte, so dass wir seinen Ersatzreifen bekommen konnten. Das war sehr abenteuerlich, weil wir nicht wussten, wann der nächste Fahrer vorbeikommt, denn die Wege waren natürlich nicht besonders befahren. Das war hart, aber alle haben es gut überstanden. (lacht)

Du hast viel mit den El Puente Produkten zu tun, hast Du ein Lieblingsprodukt aus unserem Sortiment? Das variiert tatsächlich. Früher hatte ich als ein Lieblingsprodukt die ganzen Gewürze und Gewürzmühlen. Da ist mittlerweile schon ein Gewöhnungseffekt eingetreten. Jetzt habe ich mich mehr auf Datteln verlagert (lacht). Datteltrüffel und Datteln so zum Naschen, das ist gerade mein Highlight. Und der Oromia-Kaffee aus Äthiopien, der ist besonders lecker. Es verlagert sich immer. Ich liebe eigentlich alle Lebensmittel. (lacht)


>> Kurt Warmbein <<

„Als jüngstes Kind der El Puente Gruppe haben wir gleichzeitig die längste Perspektive, denn so eine Stiftung ist auf ewig angelegt.“ Kurt Warmbein, Vorsitzender der El Puente Stiftung

Kurt Warmbein

Kurt, wie bist Du zum Fairen Handel gekommen?

und El Puente haben eine lange gemeinsame Geschichte. Er hat im Weltladen mitgearbeitet, ist Mitglied des Vereins und aktuell Vorsitzender der El Puente Stiftung und im Aufsichtsrat der GmbH vertreten.

len. Als jüngstes Kind der El Puente Gruppe und haben wir gleichzeitig die längste Perspektive, denn so eine Stiftung ist auf ewig angelegt. Das war auch auch unsere damalige Überlegung: Wahrscheinlich müssen wir sehr lange an diesem Projekt arbeiten, um stets Lobby für die Produzenten und Partner im Süden zu sein.

Im Grunde schon in meiner Jugendzeit. In meinem Heimatdorf gab es eine aktive Kirchengemeinde, die sich mit dem fernen Nächsten auseinandergesetzt hat. Als ich beruflich nach Hildesheim kam, habe ich überlegt, wie ich das Engagement fortsetzen kann. Irgendwann habe ich mehr oder weniger zufällig den Weltladen gefunden und gesagt: Hier bin ich und ich möchte gern mitmachen. So habe ich im Weltladen mitgearbeitet und habe später weitere Sachen gemacht. Und wie das bei El Puente so ist, wenn man den kleinen Finger zeigt, da muss man aufpassen, dass man die Hand behält.

Wenn du jemanden triffst, der noch nie von der El Puente Stiftung gehört hat, wie erklärst du ihm Eure Arbeit?

Die Projekte, die Ihr fördert, sind sehr unterschiedlich. Hast du ein Beispiel? Ein Beispiel ist das Adivasi-Tee-Projekt: Eine Gruppe von Schülern ist im Zuge des Projekts eine Partnerschaft mit Ureinwohnern in Indien eingegangen. Sie verkaufen Produkte der Adivasi und sind in regem Austausch mit ihnen. Jedes Jahr kommen Menschen aus dem Projekt für eine Bildungsreise nach Deutschland. Diese Reisen zum Beispiel und Seminare, die an den Schulen durchgeführt werden, unterstützen wir von der El Puente Stiftung. Ein besonders toller Erfolg für die Partner war, als die Adivasi mit Unterstützung aus Deutschland eine Teeplantage zurückkaufen konnten, die ihnen widerrechtlich weggenommen wurde. Hier konnten wir – wegen unserer Beschränkungen – leider nicht helfen. Vor einigen Jahren haben wir zudem ein Projekt unterstützt, das ich auch wunderbar finde. Eine Bildungssekretärin hatte sich auf die Fahnen geschrieben, etwas über den Kakaoanbau in Afrika in den Grundschulen zu erzählen. Sie ist zu den Grundschulen gefahren und hat Kinder unterrichtet und ihnen erklärt, wie der klassische Kakaoanbau und der im Fairen Handel funktioniert. Das war für die Schüler immer wieder ein großes Erlebnis, zu sehen, dass es zwei Arten von Handel gibt und dass man mit dem Fairen Handel auch direkt etwas erreichen kann.

Wahrscheinlich müssen wir sehr lange an diesem Projekt arbeiten, um stets Lobby für die Produzenten und Partner im Süden zu sein.

Wie fast alle Stiftungen sind wir klein und fein. Wir haben wenig Personal und das ist auch gut so. Die Stiftung ist aus einer Überlegung heraus gegründet worden: Zunächst war die Hoffnung da, dass die Arbeit von Weltladen und Verein sich irgendwann selbst überholt, dass der Faire Handel allgemeingültig ist und zur Selbstverständlichkeit wird. Wir mussten aber schnell feststellen, dass es sich noch lange hinziehen wird. Wir müssen weiterhin Lobby für die Produzenten im Süden sein und uns dabei schlanker aufstellen. Darum haben wir die Stiftung gegründet. 20 bis 30 Personen waren bei der Gründung dabei und die Stiftung ist weiter gewachsen. Sie ist in der Lage, Gelder für Projekte der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit für den Fairen Handel aber auch für Völkerverständigung zur Verfügung zu stel-

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>> Kurt Warmbein <<

Tube Videos sehen und haben ähnliche Interessen. Genauso erging es den afrikanischen Schülern. Das war ein Kulturaustausch auf Augenhöhe, wir haben voneinander gelernt und das halte ich für sehr wichtig. Wir Europäer dürfen nicht denken, wir müssen die Welt erklären. Das ist nicht so. Die anderen Menschen wissen schon selbst, wie die Welt aussieht.

Austausch ist ja auch ein ganz wichtiger Punkt, um Verständnis zu schaffen. Warst du mal auf Reisen im El Puente Kontext? Ja, ich habe einmal einen Handelspartner in Guatemala besucht. Das war sehr interessant zu sehen, allein wie mühevoll die Produkte hergestellt und mit wie viel Aufwand sie zu uns gebracht werden. Ich konnte auch sehen, wie wichtig es ist, dass wir mehr zahlen als landesüblich. In Guatemala wurde zum Beispiel der Gewerkschaftssekretär auf diese Weise entlohnt. Er hat dafür gesorgt, dass die Produzenten erkannten, wie wertvoll sie in der Produktionskette sind und dass auch sie Forderungen stellen können. In meiner beruflichen Zeit habe ich eine Schulpartnerschaft mit Tansania initiiert und lange Zeit begleitet. Wir sind auch nach Tansania gefahren und haben die Schule kennengelernt. Vor Ort habe ich immer gesehen, wie wichtig doch der Faire Handel ist, um den Produzenten und deren Familien eine Perspektive zu geben. Denn mit diesem Geld, können sie zum Beispiel ihre Kinder auf die Schule schicken und ihnen eine Perspektive bieten. Man sieht in vielen Ländern, zum Beispiel in Ghana beim Kakaoanbau, dass dort Kinder schwer arbeiten müssen. Das ist unglaublich bitter. Ich habe in Tansania erlebt, welchen hohen Stellenwert Schulbildung hat. Hier bei uns ist das nicht mehr so im Fokus, aber dort ist allen Schülern klar, dass Schulbildung ein wertvolles Gut ist und alle bemühen sich darum und lernen unglaublich fleißig und intensiv. Wenn Eltern in der Lage sind, ihre Kinder auf die Schule zu schicken, dann sind sowohl die Eltern als auch die Schüler unglaublich stolz darauf.

Inwiefern hat die Corona-Pandemie die Arbeit der Stiftung beeinflusst? Die Corona-Pandemie hat die Arbeit der Stiftung sehr stark beeinflusst. Denn bislang haben wir Projekte gefördert, die offline stattfanden. Die virtuellen Tagungen sind weniger intensiv. Sie sind, wenn es um technische Fragen geht, ein wunderbares Medium. Wenn man sich auf Kultur, Empfindungen und Emotionen einlassen will, dann ist das nichts. So haben viele Gruppen ihre Anträge zurückgezogen. Das hat natürlich zwei Seiten, denn auf diese Weise haben wir Gelder zurücklegen können, sodass wir nun bei der 50-Jahr-Feier großzügiger damit umgehen und verschiedene Projekte verwirklichen können.

Das war ein Kulturaustausch auf Augenhöhe, wir haben voneinander gelernt und das halte ich für sehr wichtig.

50 Jahre weitergedacht: Was glaubst du, wie sieht der Faire Handel dann aus? Ich glaube, dass der Faire Handel viel stärker online stattfinden wird. Die Weltläden werden weiterhin da sein und immer noch Träger der Idee des Fairen Handels sein. Ihre Aufgabe wird es weiterhin sein, auch Informationen und Bildung zu transportieren. Das wird über die Waren aber auch über andere Medien stattfinden. Das machen wir ja heute schon zum Beispiel über Social Media. Aus meiner Sicht wird sich da noch mehr bewegen. Gleichzeitig fürchte ich, dass der gesamte Welthandel immer noch nicht fair sein wird, dass wir immer noch Lobby für die Partner im Süden sein müssen.

Auf der anderen Seite sind oft auch Handelspartner hier in Deutschland zu Besuch. Ist Dir da etwas besonders in Erinnerung geblieben? Hier muss ich gestehen: Da ich diese Schulpartnerschaft mit Tansania gepflegt habe, ist mir natürlich dahingehend besonders viel in Erinnerung geblieben. Wir haben Schülergruppen aus Tansania eingeladen. Unsere Schüler hier in Deutschland haben sich schnell mit den tansanischen Schülern angefreundet. Es war für alle ein unglaubliches Erlebnis. Wenn wir über Afrika nachdenken, haben wir oft das Gefühl eines Höhenunterschieds. Aber das ist natürlich nicht so, das muss nicht sein, das soll nicht sein. Bei diesem Besuch haben unsere Schüler bemerkt, dass die afrikanischen Kinder, die gleichen Wünsche haben. Auch sie wollen You-

Du engagierst Dich ehrenamtlich sehr viel und investierst Deine Zeit, um den Fairen Handel voranzutreiben. Was motiviert Dich dabei am meisten? In der Arbeit für den Fairen Handel kann ich etwas tun, was ich sozusagen aus meinem christlichen Selbstverständnis heraus tun möchte. Ich kann etwas, das ich hier in meinem Leben als Gut empfinde, weitergeben und damit meinem fernen Nächsten helfen. Es ist schon ein christliches Tun, ohne dass ich das zu stark in den Vordergrund stellen möchte.

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>> Ina Lüdeke <<

Ina Lüdeke aus dem Allerweltsladen in Hannover ist bereits seit 40 Jahren im Fairen Handel aktiv. Außerdem engagiert sie sich in der Arbeit mit Geflüchteten, denn solange die Welt kein gerechter Ort ist, fliehen Menschen aus ihrer Heimat, um woanders bessere Lebensbedingungen zu suchen.

Du engagierst Dich aktiv im Weltladen. Das heißt ja auch, Du sitzt direkt an der Quelle. Welche fair gehandelten Produkte stehen bei Dir Zuhause? Was darf nie fehlen?

Ich bin seit 40 Jahren dabei. Daher habe ich natürlich viele Dinge gekauft im Laufe der Jahre, sowohl für mich selbst, als auch als Geschenk für andere. Taschen, Schals, Handschuhe, Schmuck, Handtücher. In den letzten Jahren kaufe ich hauptsächlich Bekleidung, also T-Shirts, Strickjacken, Pullover, Kleider, da gibt es inzwischen ein sehr schönes Sortiment. Besonders gefreut habe ich mich, dass es jetzt endlich faire Bettwäsche gibt und habe auch gleich welche gekauft. Jetzt fehlen nur noch Bettlaken. Regelmäßig kaufe ich Gewürze, Reis, Kokosmilch, Saft und Wein. Zu Feiertagen und Geburtstagen in der Verwandtschaft verschenke ich immer Zotterschokolade und an die Kinder Oster- oder Weihnachtsüßigkeiten. Wenn ich im Laden arbeite, bin ich von leckeren Sachen umzingelt und nasche dann gern, meistens Nüsse, gelegentlich Fruchtgummis oder Kekse. An Schokolade liegt mir glücklicherweise nichts.

Es gibt viele Bereiche, in denen man sich engagieren kann, im Tierheim, in der Feuerwehr. Warum gerade der Faire Handel?

Ich bin 1982 zum Studieren nach Hannover gekommen. Ich war politisch interessiert und schon als Schülerin in Mülheim bei Amnesty International und in der Friedensbewegung aktiv. Das war damals mein Hauptinteresse. Als ich nach Hannover kam, suchte ich eigentlich eine gewaltfreie Aktionsgruppe, wo ich aktiv werden wollte. Ich bin dann zufällig über den Allerweltsladen gestolpert und habe dort nach einer Adresse einer gewaltfreien Aktionsgruppe gefragt. Die hatten keine Adresse, konnten

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mich aber brauchen und haben mich sozusagen gleich dabehalten. Das passte auch, denn mein großes Ziel war ja eigentlich, die Welt zu verbessern und mehr Gerechtigkeit herzustellen. Bei allen Verbesserungen, die wir im Kleinen erreicht haben, ist Fairer Handel natürlich ein großes Wort. Wenn wir unseren Lebensstil mit dem der Produzent*innen vergleichen, die vom Fairen Handel profitieren, sind wir von Gerechtigkeit meilenweit entfernt. Von den Menschen, die unter schlimmsten Bedingungen arbeiten müssen, ganz zu schweigen. Ich habe gelernt, das auszuhalten und die kleinen Verbesserungen für Tausende von Menschen, die vom Fairen Handel


>> Ina Lüdeke <<

„Wir haben immer noch eine politische Motivation. Das hat sich nicht verändert.“

gen und einer bezahlten Teilzeitstelle, die ich innehabe. Wir haben immer noch eine politische Motivation. Das hat sich nicht verändert.

Ina Lüdeke, Allerweltsladen Hannover

profitieren, trotzdem nicht gering zu schätzen, zumal ich keine Idee habe, wie wir mehr erreichen könnten. (Tiefgreifende politische Veränderungen wären natürlich super, aber da fehlt mir der Optimismus.) Ich war weiterhin auch in Hannover bei Amnesty International aktiv. Dort bin ich nach einigen Jahren in die Amnesty Asylgruppe gewechselt. Nach einigen weiteren Jahren haben wir mit dem Großteil der damaligen Gruppe einen eigenen Verein gegründet, den Asyl e. V. Hannover, in dem ich ebenfalls heute noch aktiv bin. Flüchtlingsarbeit ist für mich ganz wichtig, weil ich denke, solange die Welt nicht gerecht ist, ist es legitim, dass Menschen in andere Länder kommen, wo sie hoffen, bessere Lebensbedingungen für sich und ihre Kinder vorzufinden, egal aus welchen Gründen.

Kannst Du Dich an Deinen ersten Besuch in einem Weltladen erinnern? Wann und wo war das? Und was hat sich seitdem verändert? Der erste Weltladen, den ich kennen gelernt habe, war in Mülheim an der Ruhr, wo ich damals wohnte. Das war ein ganz kleiner Laden in einer abgelegenen Seiten-

straße, den ich durch meinen damaligen Freund kennen gelernt habe, der dort aktiv war. Der erste Allerweltsladen in Hannover war auch ganz klein und nicht sehr zentral gelegen. Nach mehreren Umzügen sind wir seit 2003 in der Fußgängerzone im Stadtteil Linden-Nord. Das ist eine schöne Lage, der Laden ist so mittelgroß. Mülheim an der Ruhr hat inzwischen auch einen schönen Laden in einer zentralen Lage mitten in der Innenstadt. Was sich noch verändert hat: Wir waren 1982 ein Gruppe, die überwiegend aus Student*innen bestand, im Alter zwischen 19 Jahren und Mitte 20, darüber hinaus ein paar Lehrer*innen der IGS Linden. Der Verein und der Laden waren von einer Gruppe von Schüler*innen und Lehrer*innen der IGS Linden gegründet worden, die Schüler*innen waren inzwischen Student*innen. Dann sind wir sozusagen mit dem Laden mitgealtert. Unsere Gruppe besteht heute überwiegend aus Menschen zwischen 50 und bald 80 Jahren, einige wenige Jüngere sind dabei. Aber keine Schüler*innen und Student*innen mehr. Wir sind seit 2003, dem Umzug in den jetzigen Laden, nicht mehr rein ehrenamtlich tätig, sondern arbeiten mit Freiwilli-

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Habt Ihr bestimmte Visionen und Ziele? Was wünscht Du Dir, wie soll der Allerweltsladen in Hannover im Jahre 2072 aussehen?

Es wäre schön, wenn es 2072 keine Weltläden mehr geben müsste, weil weltweit die Produktion und der Handel fair wären und überall gute Arbeitsbedingungen der Normalfall sind. Wir könnten dann vielleicht einfach einen Laden haben, der schönes Kunsthandwerk, schöne Textilien und leckere Lebensmittel anbietet. Bis dahin wäre ein größerer Laden schön und eine größere Belegschaft, in der zusätzlich auch ein paar jüngere Leute wären, damit wir die zusätzliche Arbeit auch stemmen können und die Kontinuität gewahrt bleibt. Zudem wäre aus meiner Sicht noch mehr Professionalisierung gut, wenn wir mehr Arbeit auch im Laden bezahlen könnten. El Puente hat meiner Meinung nach mit dem neuen Preismodell, dass höhere Verkaufspreise und für die Läden größere Rabattspannen ermöglicht, einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Das ist wichtig, damit wir auch dahin kommen können, mehr Arbeit zu bezahlen. Viele der Fairhandels-Importorganisationen bewegen sich in dieser Richtung bisher gar nicht oder zu wenig.


>> Wolfgang van Heesch <<

Wolfgang van Heesch ist im Vorstand des Weltladen Peine aktiv. Der 58-Jährige lebt den Fairen Handel. Das kann man nicht zuletzt daran erkennen, dass er mehr oder weniger einen Showroom für fair gehandelte Produkte zu Hause hat.

Du engagierst Dich aktiv im Weltladen. Das heißt ja auch, Du sitzt direkt an der Quelle. Welche fair gehandelten Produkte stehen bei Dir zu Hause? Und was darf nie fehlen?

„Ich glaube, unser ‚Erfolgsrezept‘ ist ein umfassender Service für den Kunden.“ Wolfgang van Heesch, Weltladen Peine

Kannst Du Dich an Deinen ersten Besuch in einem Weltladen erinnern? Wann und wo war das? Mein erster Besuch im Weltladen war vor etwa 15 Jahren. Ich suchte ein originelles Geschenk für meine Frau und habe im Weltladen ein großes Glas mit bunten Punkten (von El Puente) gekauft. Das Glas haben wir noch heute.

Bei uns zu Hause gibt es alles, was es auch im Weltladen zu kaufen gibt. Die Lebensmittel sowieso. Ferner waschen wir uns nur mit fairer Seife, benutzen faire Kosmetik und Zahnbürsten und Zahncreme, Wattestäbchen, haben faire Handtücher (auch in der Küche), Deko (Wurzelgläser und Wurzelvasen), Dekofiguren aus Metall im Garten, faire Taschen und Gürtel. Wir haben nur fairen Wein und Sekt und auch der Schnaps ist fair und wird aus fairen Gläsern getrunken. Also eigentlich können wir auch einen Showroom bei uns zu Hause einrichten.

Euer Weltladen lief sogar in den schwierigen Zeiten der Pandemie erfolgreich. Was ist Euer Geheimrezept? Ich glaube unser „Erfolgsrezept“ ist ein umfassender Service für den Kunden. Ich habe im ersten Lockdown (da hatten wir geschlossen) einen Lieferservice eingerichtet, den wir intensiv beworben haben. Wir haben so schnell wie erlaubt wieder geöffnet und den Lieferservice beibehalten. Ferner haben wir kontinuierlich den Laden runderneuert mit neuem Kassensystem, Tresen, Außenfassade in Weltladen-Farben, neuem Fußboden, neuen Regalen (viel Glas und Holz), neuer Beleuchtung usw. Wir haben viel Unterstützung von den Fairhandelsberatern bekommen. Außerdem bin ich beruflich in ganz Deutschland unterwegs und schaue immer als Erstes, wenn ich in einer neuen Stadt bin, wo der Weltladen ist. Hier hole ich mir in jedem Laden neue Infos, die wir versuchen bei uns umzusetzen. Dadurch sind wir immer mit unserem Laden im Gespräch und die Kunden schauen immer mal wieder rein, was sich bei uns geändert hat.

Jeder Mitarbeiter der in meiner Firma (also nicht im WL, sondern in meinem anderen Leben) bei mir anfängt, bekommt zum Einstand eine faire Arbeitstasche, zu Weihnachten, Ostern und zu jedem festlichen Anlass gibt es Präsentkörbe aus dem Laden und bei meinem Sommerfest nur faire Getränke, soweit möglich. Inzwischen freuen sich schon immer alle auf die Sachen.

Es gibt viele Bereiche, in denen man sich engagieren kann, zum Beispiel im Tierheim oder bei der Feuerwehr. Warum gerade der Faire Handel? Vor meiner Weltladenzeit war ich in der Kirche ehrenamtlich unterwegs. Als ich dort nach zwei Legislaturperioden aufgehört habe, stand eine Frau vom Weltladen bei uns aus dem Dorf vor meiner Tür und meinte, ich hätte ja jetzt genug Zeit und ich könnte am nächsten Freitag ja mal mit ihr Probearbeiten im Laden. Das hat mir so gut gefallen, dass ich in der nächsten Woche gleich weitergemacht habe. Im Weltladen war der Einstieg recht unkompliziert und es hat mir vom ersten Tag an Spaß gemacht.

Habt Ihr bestimmte Visionen und Ziele? Was wünschst Du Dir, wie soll der Peiner Weltladen im Jahre 2072 aussehen? Unser Ziel ist noch mehr Umsatz für und mit dem Fairem Handel zu erzielen und damit die Produzenten vor Ort zu unterstützen. Ein Ziel in 2072 ist mir zu weit weg.

Durch Deine Arbeit im Weltladen kennst Du El Puente sehr gut. Wie würdest Du uns in drei Worten beschreiben? Fair, freundlich, fürsorglich. Alles Gute weiterhin. Ich freue mich auf die nächsten 50 Jahre mit EP an unserer Seite.

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Zum Abschluss möchten wir noch einmal Danke sagen! Danke all jenen, die sich an dieser Broschüre beteiligt und einen Einblick in ihre Arbeit, Geschichten, Anekdoten und Gedanken gegeben haben. Außerdem danken wir allen Menschen, die uns über 50 Jahre lang unterstützt und begleitet haben. Ob haupt- oder ehrenamtlich, als Handelspartner oder Kund*innen, Weggefährt*in oder Engagierte*r! Wir wissen es sehr zu schätzen, in welch großartiger Gemeinschaft wir den Fairen Handel vorantreiben und wünschen uns nur eines für die Zukunft; dass diese Gemeinschaft noch größer wird.

Euer El Puente Team

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Die 10 Grundsätze des Fairen Handels Diese Kriterien wurden von der World Fair Trade Organization (WFTO) entwickelt und sind die Grundlage unserer Arbeit:

Chancen für benachteiligte Produzent*innen

Der Faire Handel steht für nachhaltige Entwicklung und schafft neue Absatzmärkte für wirtschaftlich benachteiligte Kleinproduzent*innen.

Versammlungsfreiheit, keine Diskriminierung und Geschlechtergerechtigkeit

Im Fairen Handel darf niemand aufgrund seines Geschlechts, seiner Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung oder Krankheit benachteiligt werden.

Transparenz und Rechenschaftspflicht

Gute Arbeitsbedingungen

Faire Handelspraktiken

Aus- und Weiterbildung

Faire Bezahlung

Förderung des Fairen Handels

Keine ausbeuterische Kinderarbeit, keine Zwangsarbeit

Schutz der Umwelt

Der Faire Handel steht für transparente Handelsbeziehungen, die auf Fairness und Respekt beruhen.

Fairhandels-Organisationen streben keine Gewinnmaximierung an und bauen auf langfristige Handelsbeziehungen, die auf Vertrauen und Solidarität beruhen.

Die Preise werden im Fairen Handel im gleichberechtigten Dialog zwischen den Handelspartner*innen festgelegt.

Der Faire Handel lehnt jegliche Art von ausbeuterischer Kinder- und Zwangsarbeit ab.

Der Faire Handel steht für sichere und nicht gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen.

Der Faire Handel fördert vor allem Kleinproduzent*innen und hilft ihnen, ihre Kompetenzen zu stärken.

Die Organisationen des Fairen Handels setzen sich öffentlich für einen gerechten Welthandel ein und klären über die Ziele des Fairen Handels auf.

Der Faire Handel setzt sich für umweltfreundliche Anbaumethoden und Produktionsbedingungen ein.

Das Label der World Fair Trade Organization (WFTO) bestätigt, dass El Puente nach den Kriterien des Fairen Handels arbeitet. www.el-puente.de


Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!

Wir gratulieren dem El Puente e. V. zum 50-jährigen Jubiläum. Seit Jahrzehnten steht El Puente für ein partnerschaftliches Miteinander durch den Import von fair gehandelten Produkten aus Afrika, Asien und Lateinamerika. Genauso lange fördern die Fair Trade-Pioniere außerdem entwicklungspolitische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Dieses außerordentliche Engagement für eine sozial gerechte und ökologisch verantwortungsvolle Zukunft ist vorbildlich. Wir wünschen für die Zukunft alles Gute und weiterhin viel Erfolg. www.sparkasse-hgp.de

Weil’s um mehr als Geld geht.


El Puente – Die Fair Trade Pioniere Wir gehören zu den Pionieren der Fairhandels-Bewegung. Wir arbeiten heute mit etwa 140 Handelspartnern in Afrika, Asien und Lateinamerika zusammen. Die Produkte werden in Weltläden in Deutschland und Europa sowie über unseren Online-Shop shop.el-puente.de verkauft. Impressum Redaktion: El Puente, Anna Ritgen Gestaltung: Designwerkstatt Hildesheim, Bettina Schneider, Astrid Wolpers Fotos: S. 3, 4, 35, 40, 41, 57 starline/Freepik; S. 5, 16, 20 macrovector/Freepik; S. 25 clipdealer, S. 37 photographeeasia/Freepik; S. 44, 45 coolvector/ Freepik; S. 53 Olga spb/Freepik Alle Größenangaben sind circa-Angaben. Irrtümer und Änderungen vorbehalten. Die Wiedergabe von Farbe ist nicht verbindlich. Stand Mai 2022 El Puente Gmbh Lise-Meitner-Str.9 31171 Nordstemmen Telefon: +49 (0) 5069 -3489 0 Telefax +49 (0) 5069 -3489 28 www.el-puente.de info@el-puente.de


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