Kunst. Stadt. Neu.

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KUNST. STADT. NEU.



KU NST. STA DT. NEU. E i n Zentr u m fü r Ku ns than dwerk un d Bilde n de Kün ste in der I n d u s t r ier u ine des B a hnwerks Sof ia als Impuls zur Revit alisie rung des Bah n h of svie rte ls

E L ENA PETKOVA Masterarbe it WS 2015/16 Prof. Fin n Geipe l LIA La bo rato r y for Integrat ive Arch ite ct ure Tec hnis ch e Un iversit ät Be rlin


EINLEITUNG

SOFIA

AUFGABE

34 HAUPTSTADT SOFIA Verortung Verkehr

8 IDEE 36

10

GEOGRAPHIE

ZIELE

Topographie Gewässer Klima

12 AKTEURE 14

38

PROGRAMM

MORPHOLOGIE Städtebauliche Entwicklung Die Stadt heute

16 ORT

38 40

DEMOGRAPHIE Gemeinden Einwohnerdichte Mietpreise

20 GRUNDLAGEN Verortung Demographie Geschichte Ökonomie

36 36 36

42

BULGARIEN

20 22 24 26

42 42 42

GRUNDSTÜCK 46 ORTSFINDUNG

28 KUNST UND KULTUR Kunstszene heute Bildung und Kultur Kunsthandwerk

2

34 34

28 28 30

Existierende Räume der Kunst Identifizierung potentieller Kunstzentren Grundstückauswahl

46 48 48


50 GRUNDSTÜCKSANALYSE

ENTWURF

Programm/Raumorganisation

50

Entfernung Erschließung Lärm

52 52 54

56 BESTANDSGEBÄUDE Gebäudegeschichte Fotos Pläne Eigenschaften

56 60 62 66

96 KONZEPT Grundstück Konzeptentwicklung Erschließung 104 PLÄNE Grundrisse Schnitte

104 106

108

RECHERCHE

PERSPEKTIVEN

70

112

REFERENZEN

MODELLE

Parc de la Villette | Paris 798 Art District | Peking 798 Masterplan | Peking Tate Modern | London Toni Areal | Zürich Ruhr Museum | Essen Le Fresnoy | Tourcoing Kunstzentrum 77 | Peking Kunstzentrum FRAC | Dunkerque

96 98 102

70 72 74 76 78 80 82 84 86

QUELLEN 116 EINZELNACHWEISE 117 LITERATUR 118

88

WEBLINKS

ANALYSE Schlussfolgerung Typologien

88 90

119 ABBILDUNGSVERZEICHNIS

3


4


EINLEITUNG

Eines Tages erzählte mir eine alte Freundin über Ihre Idee, ein Zentrum für das in Vergessenheit geratene bulgarische Kunsthandwerk zu gründen und dadurch Kindern mit niedrigem sozialen Status zu helfen, ihre künstlerische Berufung zu finden. Am Anfang fand ich die Idee für den bulgarischen Kontext fast utopisch. Aber sie blieb in meinen Gedanken, bis die Faszination mich überwältigte und ich an diesem herausfordernden Projekt teilnehmen wollte.

akteristischen Eigenschaften des gewählten Grundstücks dar. Der nächste Teil konzentriert sich auf die Referenzprojekte, die als Inspiration und Anstoß für das Design gedient haben, und auf die Schlüsse, die man daraus ziehen kann. Im Anschluß wird das Entwurfsprojekt präsentiert.

Ich übernahm die Idee meiner Freundin und entwickelte sie weiter. Ich ergänzte das Programm mit neuen Aktivitäten und erweiterte dadurch die Zielgruppe. Ich fand ein geeignetes Grundstück, das dringend eine Revitalisierung bedurfte und wandelte es in ein funktio­ nales, attraktives Kunstzentrum um. Als Resultat dieser architektonischen Untersuchung entstand dieses Buch. Die ersten drei Kapitel erklären das Projektkonzept und geben einen Einblick in den Kontext, in dem das Zentrum entstehen soll – die wirtschaftliche, kulturelle und soziale Situation in Bulgarien, sowie die Stadtplanung von Sofia. Das vierte Kapitel verfolgt den Prozess der Suche nach einem geeigneten Ort und stellt die char5



AUFG A B E


AUFGABE IDEE

IDEE

Das Zentrum soll ein Ort sein, wo Künstler, Handwerker und jeder an Kunst und Handwerk Interessierte sich zu Hause fühlen, wo sie alle zusammenarbeiten und von der Öffentlichkeit gesehen werden können. Das Ziel ist es, ein Kulturzentrum zu schaffen – einen Ort der Begegnung und Anziehungspunkt für Kreative. Gleichzeitig ist es eine Fabrik für innovative Ideen und Bildung, wo die traditionellen “praktischen” Hand­werke die modernen bildenden Künste treffen.

8

KR EA

N TE EI

EN ERN SL VE TI

Es soll aus drei “Zweigen” – kreatives Arbeiten, Lernen und öffentliches Leben – bestehen, die die Kunst als Aspekt gemein haben.

KREATIV ES AR B

Das Projekt hat zum Ziel, ein Bildungs- und Kulturzentrum für eine Vielzahl von Kunst­handwerken und bildenden ­ Künsten zu kreieren. Dazu gehören sowohl zeitgenöss­ische bildende Künste und Kunstgewerbe wie Malerei, Fotografie, Grafikdesign und Skulptur, als auch traditionelles bulgarisches Kunst­ handwerk wie Holzschnitzerei, Töpferei, Weberei, Stickerei, Kürschnerei, Schmiedehandwerk und Steinbildhauerei.

KUNST

Ö

FF

EN

T LIC H E R B E R E

IC

H


HANDWERK

MALEREI

LE EL LL OD TA

HAUEREI HOLZSCHNITT M

E

M

“HMMM!”

KURATOR

KUNST HUB

K E R A M I K CREATIVE

AUFBAU

ALT NEU MODERN

PLASTIK

BILDENDE

ZEICHNEN

KÜNSTE

ART

AVANTGARDE KOLLABORATION

TISCHLER

TEXTIL

TRADITION

SCREENING

WERKSTATT

ZENTRUM

RESOZIALISIERUNG INDUSTRIERUINE WORK SHOP

KINDER CO-WORKING ATELIERS FESTIVAL SEMINARWERKHOF “ARTSY

!”

M!”

SPIELPLATZ

CONFERENCES

BAHNHOF

BULGARIEN

“MJA

“WOW!”

BRÜCKE

CONTEMPORARY

GALLERY “TRENDY!”

GASTRO

TEDx

EVENTS

RESTAURANT

DINING FOOD

SPACE

AUSSTELLUNG

HANDWERKER

TANK

SOFIA

E XHIBITION ART

THINK

BAR

MUSEUM

FREIZEIT

KÜNSTLER

FILM

ARBEITENLERNEN

REVITALISIERUNG

9


AUFGABE ZIELE

Z IE LE

Eines der Hauptziele des Zentrums soll es sein, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die traditionellen bulgarischen Kunsthandwerke nicht in Vergessenheit geraten, sondern wiederbelebt und neu interpretiert werden können. Ein dafür wesentlicher Bestandteil des Projektes ist es daher, dass traditionelle Kunsthand­ werker und zeitgenössische Künstler unter einem Dach arbeiten können, um so einen regen interdisziplinären Austausch anzuregen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Möglichkeit, sich auch als “Amateur” einem Handwerk anzunähern. Ermöglicht wird dies durch die zahlreichen Workshops, die von professionellen Kunstschaffenden und Hobby-Künstlern angeboten werden – etwas, das bisher in dieser Form in Sofia nicht existiert und auf großes Interesse zu stoßen verspricht. Dabei wird vor allem auch Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gegeben, mit dem Handwerk zu experimentieren und in manchen Fällen vielleicht auch ihre Berufung zu finden.

10

Zu guter Letzt soll das Zentrum sich sowohl der bulga­ rischen Öffentlichkeit als auch ausländischen Künstlern und Besuchern gegenüber öffnen und damit einen internationalen Kulturaustausch anstreben.


DERNE MO

LEHREN

TIONAL NA

ZIEL

ZIEL

ZIEL

A DITI O N

LE

3

IN

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2

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TE

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1

R N AT I O N

11


AUFGABE AKTEURE

A K TEUR E

Das Projekt hat das Ziel ein Anziehungspunkt für eine Vielfalt von Kunstinteressierten zu werden. Ein Ort, wo Kinder und Erwachsene, professionelle Handwerker und Freiwillige, Bulgaren und Ausländer – alle vereint durch ihre Leidenschaft für Kunst – sich treffen und austauschen können. Um den Spagat zwischen den vielfältigen Akteuren zu meistern, müssen die Räumlichkeiten eine Begegnung ermöglichen, aber nicht erwzingen. Zugleich werden Menschen einander näher gebracht, die sich sonst niemals am gleichen Ort befinden würden. Dadurch werden neue Beziehungen und Interaktionen zwi­ schen Leuten verschiedener Ansichten, Erfahrungen und Fähigkeiten gefördert.

12


JUNGE LEUTE Kinder Schüler Jugendliche

FACHLEUTE Künstler Handwerker

INTERNATIONALE LEUTE

LAIEN

Ausländer Touristen Fremde Künstler

AKTEURE HELLO!

ЗДРАВЕЙ!

Freiwillige Helfer Bastler ¡HOLA!

INSTITUTIONEN Schulen Organisationen

BREITE ÖFFENTLICHKEIT

13


AUFGABE PROGRAMM

PRO GR A M M

KREATIVES ARBEITEN Der Idee zugrunde liegende Gedanke besteht darin, Studios und Werkstätten zu entwerfen, die als Arbeits­ raum für verschiedene Künstler dienen, wobei der Schwerpunkt auf den bildenden Künsten liegt. Es muss möglich sein, die Studios gelegentlich für das breite Publikum zu öffnen. Die Künstler können als Freiwillige an den Ausbildungs­ programmen des Zentrums teil­ neh­men – sowohl als Lehrer als auch als Lernende. LERNEN Der Lernbereich soll Räume für Workshops zur Verfügung stellen. Diese richten sich hauptsächlich an Kin­der und Jugendliche mit niedrigem Sozialstatus und sollen ihnen ermöglichen, Kunst mit ihren eigenen Händen zu kreieren. Die Kurse können von den Künstlern oder auch von Freiwilligen geleitet werden (z. B. von Ausländern, die ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren). Sie können auch von professionellen Künst­ lern besucht werden und dadurch als Austauschplatt­form zwischen den Künsten sowie als Bindeglied zwischen Kunst und Handwerk dienen.

14

ÖFFENTLICHER BEREICH Der öffentliche Bereich soll Räume für interne und öffentliche Events schaffen – Ausstellungen, Lesungen, Vorträge oder kleine Konzerte. Zusätzlich soll er ein Treff­punkt sein, wo sich Kunstliebhaber die Arbeit der Künstler ansehen, sich inspirieren lassen oder sich einfach zum Kaffee und Ideentausch treffen können.


ÖFFENTLICHER BEREICH

LERNEN

Lobby

Seminarräume

Garderobe

Werkstätten

Shop

Holzwerkstatt

Restaurant / Café / Bar

Metallwerkstatt

Ausstellungsfläche

Keramische Werkstatt Textilwerkstatt

Außenbereich

Bildhauerwerkstatt

Spielplatz

Malsaal Medienwerkstatt Fotografiestudio

KREATIVES ARBEITEN

SERVICE

Ateliers

Verwaltung

Co-working spaces

Lager

Meetingräume

Kantine

Werkhof

Freizeitbereich

Druckerraum

Umkleiden/Duschen

Bibliothek

Sanitär

15


AUFGABE ORT

O RT

Auf der Suche nach einem geeigneten Zuhause für die Künste spielen verschiedenen Kriterien eine Rolle. An erster Stelle steht ein ausreichend großer Raum, den man möglichst frei bespielen kann. Er soll ein Anziehungspunkt für jegliche Akteure werden – ein Ort, wo man arbeitet, lernt, Kulturevents besucht oder einfach die Freizeit verbringt. Gleichzeitig hat ein solches Raumprogramm das Potential, Orte neu zu definieren, zu revitalisieren und ganze Stadtquartiere mit der Zeit zu verändern. Dies soll bei der Wahl eines Grundstücks in Betracht gezogen werden.

16


Abb. 2: Fotograf Hristo Uzunov

17



B ULG A R I E N


BULGARIEN GRUNDLAGEN

G R UNDLAGE N

VERORTUNG Die Republik Bulgarien liegt in Südosteuropa und hat eine Bevölkerung von 7,4 Millionen. Sie grenzt an Rumänien im Norden, Serbien und Mazedonien im Westen, Griechenland und die Türkei im Süden und das Schwarze Meer im Osten. Bulgariens Beziehungen zu seinen Nachbarn haben eine lange Geschichte. Im Laufe der Jahrhunderte gehörten Teile der benachbarten Gebiete zu Bulgarien, und auch Bulgarien war mehrmals teilweise oder komplett unter fremder Herrschaft. Zu jeder Zeit jedoch spielte der Handel mit den Nachbarn eine wichtige Rolle. Bulgariens strategische geografische Lage hat das Land als einen wichtigen Verkehrsknoten­punkt definiert. In seiner Geschichte hat Bulgarien die Anwesenheit der Thraker, später der Perser, der Griechen, Römer und Osmanen erlebt. All dies hatte einen großen Einfluss auf die Entwicklung der bulgarischen Kunst und Kultur.

20

300.000 m2

111.000 m2


3:05 hrs LONDON

2:10 hrs BERLIN

2:40 hrs PARIS

1:15 hrs ISTANBUL

1:20 hrs ATHEN

21


BULGARIEN GRUNDLAGEN

DEMOGRAPHIE Bulgarien ist in 28 Provinzen gegliedert. Bei einer Gesamt­bevölkerung von 7,2 Millionen haben nur vier dieser Provinzen mehr als 400.000 Einwohner – Sofia­ Stadt, Burgas, Varna und Plovdiv. Vor allem seit der Wende erfährt Bulgarien eine starke Landflucht. Ein Großteil der Bevölkerung lebt in­ zwischen in den großen Städten. Nach der Wende und mit dem EU-Beitritt 2007 kam es vermehrt zur Emigra-

Stadt Land

tion besonders von jungen, gut ausgebildeten Bulgaren in die wirtschaftlich attraktiven EU-Mitgliedsstaaten, aber auch in die USA und Kanada.

73 % 27 %

BULGAREN 84,6%

81.500.000 TÜRKEN 8,9%

22

ROMA 4,8%

ANDERE 1,7%

7.200.000


BEVร LKERUNGSDICHTE

6%

VARNA

18%

SOFIA

473.000

1.300.000

SILISTRA VIDIN

MONTANA VRATSA

DOBRICH

RAZGRAD

RUSE

PLEVEN

SHUMEN VELIKO TARNOVO

TARGOVI SHTE

VARNA

LOVECH GABROVO

PERNIK

SOFIA

SOFIA REGION

SLIVEN BURGAS

STARA ZAGORA PLOVDIV

KYUSTENDIL

YAMBOL

PAZARDZHIK

HASKOVO

BLAGOEVGRAD SMOLYAN

KARSZHALI

PLOVDIV

10%

675.000

BURGAS

6%

414.000

Abb. 3: Bevรถlkerungsdichte zum 31.12.14 nach Regionen

23


BULGARIEN GRUNDLAGEN

GESCHICHTE Bulgarien ist ein Land mit einer langen und bewegten Geschichte, die ihre Spuren in allen Bereichen des Lebens, und damit auch in der Entwicklung der Kunstszene hinterlassen hat.

Im Hinblick auf die jüngste Vergangenheit zeigt sich dies in konkreten Fakten. So waren seit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Zerfall der Sowjetunion 1989 kulturelle Bildung und Kultur im Allgemeinen stark rückläufig. Erst in den letzten Jahren, besonders mit dem Beitritt zur EU im Jahr 2007, begann ein vorsichtiger Aufschwung und Wiedererwachen der Kunstszene, die erstmals seit langem wieder neue Horizonte zu erforschen begann.

Vor allem in Zeiten von Unterdrückung und Krise leiden Kultur und Kunst, während der tägliche Kampf ums Überleben in den Vordergrund tritt. Daher wurden die bulgarischen Künste und Kunsthandwerke vornehmlich vor einem rein praktischen Hintergrund entwickelt und entstanden oft im engen häuslichen Rahmen, ohne staatliche und kulturelle Förderung. 1018 Eroberung durch das Byzantinische Reich

7. Jhd. bis 1900

681 Erstes Bulgarisches Reich

1396 Eroberung durch das Osmanische Reich 1878 Fürstentum und Zarentum Bulgarien

1186 Zweites Bulgarisches Reich

893 – 927 “Goldenes Zeitalter” kultureller Höhepunkt

fünf Jahrzehnte unter “Türkischem Joch”

600

700

800

900

Abb. 4: Geschichtlicher Zeitstrahl

24

1000

1100

1200

1300

1400

1500

1600

1700

1800

1900


ANNAHME ZUR KULTURELLEN ENTWICKLUNG*

Erstes Bulgarisches Reich

Zweites Bulgarisches Reich

FĂźrstentum und Zarentum Bulgarien

Republik Bulgarien / EU

2007 Beitritt zur Europäischen Union

20. UND 21. JAHRHUNDERT

Erster und zweiter Balkankrieg, Erster Weltkrieg

Zweiter Weltkrieg

1946 Volksrepublik Bulgarien (sowjetischer Satellitenstaat)

1989 Republik Bulgarien und Demokratisierung

Wirtschaftskrise in den 90er-Jahren

1900

*Die Grafik basiert auf eigenen Annahmen

1950

2000

25


BULGARIEN GRUNDLAGEN

ÖKONOMIE Statistiken zeigen, dass im Jahr 2014 21% aller Bulgaren unter der Armutsgrenze lebten. Am schwersten von der Armut betroffen sind ältere Menschen, die allein leben, alleinerziehende Mütter sowie Haushalte mit drei oder mehr Kindern. Von den bulgarischen Kindern (im Alter bis 17 Jahren) waren 2013 mehr als 28% von Armut bedroht. Das Durchschnittseinkommen einer Familie in Bulgarien ist gerade ausreichend, um grundlegende Ausgaben zu decken. So ist es nicht verwunderlich, dass die Mehrheit der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nie die Möglichkeit hat, mit verschiedenen Künsten und Kunsthandwerken in Kontakt zu kommen.

26


GESAMT HAUSHALTSEINKOMMEN PRO MONAT IM VERGLEICH (BRUTTO)

BG

DE € 518

€ 3.132

PROZENTUALE VERTEILUNG DER AUSGABEN IM VERGLEICH ZUM HAUSHALTSEINKOMMEN (BRUTTO) 94 % 36 %

}

BG € 518

EINKOMMEN

AUSGABEN

60 %

DE € 3.132

13,4 %

3,8 %

+

+

Kleidung, Schuhe

Miete

}

7,2 %

5,2 %

+

+

Transport

Essen, Trinken, Tabak

14 %

13,8 %

4,7 %

+

Kultur, Freizeit, Bildung

Gesundheit, Pflege

34,5 % 4,9 %

+

+

+

11,6 %

4,2 %

+

+

Abb. 5: Haushaltseinkommen im Vergleich

27


BULGARIEN KUNST UND KULTUR

K UNST UND K ULT U R

KUNSTSZENE HEUTE

BILDUNG UND KULTUR

Noch immer ist die Kunstszene in Bulgarien recht übersichtlich. In den ersten Jahren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs stürzte Bulgarien in eine schwere Wirtschaftskrise, unter der auch die Kunstszene litt. Erst in den letzten Jahren, nach einem langen und noch immer nicht ganz abgeschlossenen Übergangsprozess in die Demokratie, trat ein neues Bulgarien zum Vorschein, zusammen mit dem Aufschwung einer jungen, energiegeladenen Kunst- und Kulturszene. Es werden

Erschreckend sind die Statistiken, die das niedrige­Inte­ resse an Kunst und Kultur in Bulgarien zum Vorschein bringen. Diese Zahlen könnten darauf zurückzuführen sein, dass für die Politik die Kultur­entwicklung des Lan­ des von niedriger Priorität ist, aber auch darauf, dass sogar in der Grundschulausbildung die Kinder wenig Möglichkeiten haben, mit verschiedenen Kunst­arten in Berührung zu kommen. Demzufolge hat der größte Teil der bulgarischen Bevölkerung keinen Bezug zur Kunst

wieder bulgarische Filme produziert, die Theatersäle vor allem in der Hauptstadt sind voll, und es werden mehr und mehr Bücher bulgarischer Autoren verkauft. Doch fehlt es noch immer an kompetenten und modernen Strategien in der Kulturpolitik, und nur wenige Kunstinitiativen werden staatlich gefördert oder gar vom Staat initiiert. Vergleicht man die Entwicklung der verschiedenen Kunstrichtungen in den letzten Jahren, so stellt man fest, dass vor allem im Vergleich zu den darstellenden Künsten die bildenden und angewandten Künste noch immer im Hintertreffen sind. Natürlich fehlt es auch hier an finanziellen Mitteln, doch viel schwerer wiegt das noch immer wenig entwickelte allgemeine Kunstbewusstsein in der Bevölkerung.

im Allgemeinen.

28

HÄUFIGKEIT DER BESUCHE VON KULTURSTÄTTEN* IN DEN LETZTEN 12 MONATEN, 2011

28,7%

44,2% BULGARIEN

DEUTSCHLAND

55,8%

71,3%

mindestens einmal

nie

Abb. 6: Kulturstättenbesuche im Vergleich

*Historische Denkmale, Museen, Kunstgalerien, Grabungsstätten


ANTEIL DER VERBREITUNG VON KUNSTRICHTUNGEN*

MUSIK Komposition Vokal- & Instrumentalmusik

10%

35%

ANGEWANDTE KÜNSTE Architektur Interiordesign Industriedesign Fashion Design Möbeldesign

24%

KUNST

11% BILDENDE KÜNSTE Malerei Bildhauerei Zeichnung Grafik Fotografie

18%

*Die Grafik basiert auf eigenen Annahmen

DARSTELLENDE KÜNSTE LITERATUR Lyrik Dramatik Epik

Tanz Theater Film

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BULGARIEN KUNST UND KULTUR

KUNSTHANDWERK Das Kunsthandwerk in Bulgarien besitzt eine lange Tradition und kann auf eine bewegte, 13 Jahrhunderte andauernde Geschichte zurückblicken. Im Laufe der Zeit wurde die bulgarische Kultur durch zahlreiche äußere Einflüsse bestimmt. Ihre Wurzeln hat sie im 8. Jahrhundert v. Chr. bei den Thrakern, belegt durch Funde von prächtigen Wandmalereien und kunstvoll gearbeitetem Goldschmuck. Die Orte mit der größten Bedeutung für Kunst und Handwerk in Bulgarien waren jahrhundertelang die Kirchen und Klöster, die mit Wandgemälden, Fresken und Mosaiken geschmückt wurden. Und auch nachdem Bulgarien unter osmanische Herrschaft geriet, wurden die traditionell bulgarischen Künste in der Abgeschiedenheit der Klöster weiter gepflegt. Die ersten Holzschnitzereien entstanden so auch in den Kirchen in Form von hölzernen Ikonostasen. Nach der Befreiung wurde die Holzschnitzerei als eigenständige Kunstrichtung etabliert. Gleichzeitig konnten sich auch zahlreiche neue Kunstschulen unter dem Einfluss Wiens und der europäischen Moderne durchsetzen. Das bulgarische Handwerk umfasst eine sehr breite Palette: Teppich- und Stoffweben, Holzschnitzerei, Keramik, Ikonenmalerei usw. Jedes einzelne Gebiet des 30

Landes hat seine eigenen Entwürfe und Farben für ­Stoffe­und Teppiche. Heute befindet sich die Mehrheit dieses bedeutenden Kunsterbes in den Museen Bulgariens oder in den verstaubten Schränken der Großeltern. Es ist an der Zeit sie wieder hervorzuholen, zu erforschen und neu zu interpretieren.


Abb. 7: Weberei

Abb. 8: Holzschnitt

Abb. 9: Schmiedehandwerk

Abb. 10: Keramik

31



S OFI A


SOFIA HAUPTSTADT SOFIA

HAUPTSTADT S O F IA

VERORTUNG Sofia liegt im Westen des Landes, nur 50 km von der serbischen Grenze entfernt. Mit ihren 1.300.000 Einwohnern ist sie die größte und bevölkerungreichste Stadt Bulgariens. Damit ist sie das wichtigste Administrations-, Industrie-, Transport- und Kulturzentrum des Landes.

Autobahn/große Straße große Straße Straße kleine Straße Bahn Stadtgrenze zukünftiges Grundstück

VERKEHR Sofia ist der bedeutendste Verkehrsknotenpunkt Bulgariens, mit einem internationalen Flughafen sowie Eisenbahn- und Straßenverbindungen in alle Teile des Landes. Durch Sofia verlaufen internationale Fernstraßen, die Griechenland und die Türkei mit Nord- und Westeuropa verbinden. Die Hauptstadt ist Ausgangs­ punkt zweier nationaler Autobahnen, die nach Varna und Burgas an der Schwarzmeerküste führen. Der erste Streckenabschnitt der U-Bahn Sofia wurde 1998 eröffnet, wobei der zweite Teil nach vielen Komplikationen erst 2009 fertiggestellt wurde. Seit 2012 ist eine zweite Linie in Betrieb.

34


DE RA km O G 90 BE 3

M

M

M M M

M

M M M

M M M

M M

M M M

M

M

M M

M M

M M

TH

ES SA LO 29 NIKI 0k m

M M

M

L BU N TA m IS 50 k 5

M

M

M

M

M

35


SOFIA GEOGRAPHIE

G EOGR AP H IE

TOPOGRAPHIE Berge

Die Stadt Sofia liegt in der gleichnamigen Ebene (550 m) und am nördlichen Hang des Vitoscha-Gebirges, das ein beliebtes Ausflugsziel der Sofioter ist und die Kulisse der gesamten Stadt beherrscht. Im Westen grenzt die Stadt an das Ljulin-Gebirge. Im Norden und Nordosten verlaufen in ungefähr 50 Kilometer Entfernung das Sofiagebirge und das Murgaschgebirge, die Teil des Balkangebirges sind. Dieses verläuft in OstWest-Richtung durch ganz Bulgarien und teilt das Land

Stadtbegrünung Talebene See Fluss Stadtgrenze

Ljulin

Berg

Iskar

Fluss zukünftiges Grundstück

in eine Nord- und eine Südhälfte. Das Balkangebirge ist der Namensgeber für die gesamte Balkanhalbinsel.

GEWÄSSER

KLIMA

Durch die östlichen Stadtviertel fließt der längste Fluss Bulgariens, der Iskar. Auch zwei seiner Zuflüsse, Perlowska und Wladajska durchqueren die Stadt, sind im Stadtbild aber kaum zu sehen, da sie nur wenig Wasser führen. Ein wichtiges geologisches Merkmal für die Entstehung der Stadt sind die über 40 warmen Mineralwasserquellen in der Gegend in und um Sofia.

Das Klima in Sofia ist ein gemäßigtes Kontinentalklima. Im Winter ist es schneereich und kalt und im Sommer warm. Durch die umliegenden Berge ist die Stadt vor Wind geschützt, in den Wintermonaten bildet sich oft Nebel. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 9,7°C, die mittlere jährliche Niederschlagsmenge erreicht 572 mm.

36


Balkangebirge

Wladajska

Perlowska Iskar

Ljulin

Witoscha 2.290 m

37


SOFIA MORPHOLOGIE

MOR PH OLO GIE

STÄDTEBAULICHE ENTWICKLUNG Die Sofiaebene ist seit über 5.000 Jahren kontinuierlich besiedelt und damit eine der ältesten Siedlungen und Städte Europas. Die antike Siedlung Serdica, die seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. ein Teil des Römischen Reiches war, formte sich um die warmen Mineralwasserquellen, die bis heute das Leben in der Stadt bestimmen. Die Stadtmorphologie wurde durch das antike Stadtbild geprägt – man kann sowohl die Form der antiken

Ingenieure die ersten Masterpläne von Sofia an, um der Stadt ein kontrolliertes Wachstum zu ermöglichen. Die moderne Städteplanung veränderte das Bild der ehemaligen osmanischen Siedlung rasant. Unter dem Einfluß einer neuen Ideologie wurde der Kurs der Stadtentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg geändert – es entstanden viele Stadtviertel, die vom sozialistischen Stadtbild geprägt waren, und das historische Zentrum erhielt ein neues repräsentatives

Stadtgrenzen, als auch die Nord-Süd- und Ost-WestHauptstraßenachsen (am Schnittpunkt derer sich die größte Minerallwasserquelle befindet) noch immer im heutigen Strassennetz erkennen, auch wenn die Stadt schon längst darüber hinaus gewachsen ist. Nach der wiedererlangten Unabhängigkeit Bulgariens vom Osmanischen Reich 1878 wurde Sofia zur Hauptstadt gewählt und entwickelt sich seither in hohem Tempo. Ein weiteren Wachstumsanstoß für die Stadt gab die Anbindung an das europäischen Eisenbahnnetz im Jahr 1887. Innerhalb kurzer Zeit ist die Bevölkerungszahl rasant angestiegen, was zu diversen städtebaulichen Herausforderungen führte. Anfang des 20. Jahrhunderts fertigten ausländische und bulgarische Architekten und

Gesicht. In den 90er Jahren, infolge der Staats- und Wirtschaftskrise, begann eine allmähliche Informali­ sierung der Stadtentwicklung, was in einem chaotischen Stadtbild des heutigen Sofia resultierte.

38

1897

1910

1919

1928

1939

1956

1965

1985

1991

2009

Abb. 11: Stadtentwicklung von Sofia


zukĂźnftiges GrundstĂźck Zentrum Bebauungszone 1 Bebauungszone 2 Bebauungszone 3 Abb. 12: Bebauungsplan von Sofia, 1934

Industriezone

39


SOFIA MORPHOLOGIE

DIE STADT HEUTE Auch heute noch lassen sich die überlagerten Spuren der wechselhaften Geschichte von Sofia im Stadtbild erkennen. Der altstädtische Kern ist zwar noch teilweise erhalten, aber durch die Entwicklung einer “Abrisskultur” stark gefährdet. So besteht die Tendenz, alte Gebäude abzureißen und an ihrer Stelle Neubauten zu errichten. Diese Vernachlässigung des historischen Gebäudebestands ist begründet im Leitbild der “sozialistischen Stadt”. Dieses bevorzugt neue Bauwerke, deren Aufgabe es ist, den sozialistischen Aufbau zu repräsentieren. Zusätzlich führt mangelnder Denkmalschutz zum Verfall von Gebäuden mit historischer Bedeutung. Gleichzeitig werden Altbauwohnungen im Vergleich zum modernen Neubau weniger geschätzt, und die alten Gebäude stehen allzu oft für eine Zeit und ein Gesellschaftsmodell, das es zu überwinden gilt. Anstatt die Struktur erhaltener alter Innenstädte zu pflegen, kommt es meist zu einer bewussten Veränderung und Erneuerung. Als eine weitere Tendenz der letzten Jahre ist erkenn­ bar, dass sich die Stadt kontinuerlich autogerechter ent­wickelt. Es wird viel investiert in größere und breitere Straßen, während wenig getan wird, um die Stadt für 40

Fußgänger und Radfahrer besser zu erschließen. Dabei gibt es seit dem EU-Beitritt finanzielle Mittel zur Erneuerung und Verbesserung des städtischen Raumes, doch werden diese leider viel zu oft sehr einseitig eingesetzt. Neben all diesen wenig hoffnungsvoll stimmenden Ent­wicklungen gibt es jedoch auch Grund zum Optimismus: In den letzten Jahren bildeten sich mehrere meist unabhängige Organisationen, die mit ihren Projekten den städtischen Raum zu verbessern und zu verschönern versuchen. Insgesamt ist Sofia also eine Stadt im kontinuierlichen Wandel. Und auch, wenn es oft nicht die richtigen Maßnahmen sind, die ergriffen werden, so bietet sie doch viel Potential für eine positive Entwicklung und aufregende Zukunft.

Spuren der antiken Stadt


41


SOFIA DEMOGRAPHIE

D EMOGR AP H IE

GEMEINDEN

MIETPREISE UND EINWOHNERDICHTE

Die Provinz Sofia hat 24 Gemeinden, von denen 15 in der Stadt Sofia sind. Sechs der Gemeinden umfassen nur Gebiete außerhalb der Stadtgrenzen, während andere teilweise innerhalb der Stadt liegen. Es besteht aber die Tendenz, dass sich die Stadt durch die wachsende Zahl der “Villenkolonien” immer weiter ausdehnt.

Schaut man auf Bebauungs-, Einwohnerdichte und Mietpreise, erkennt man einige klare Muster der Ent­ wicklung, in der sich die Geschichte der Stadt wiederspiegelt: • Das Zentrum – dicht bebaut; sehr beliebt; die Mietpreise sind hoch • Der Süden – durch seine Nähe an Vitoshagebirge besonders beliebt; überwiegend mit freistehenden Einfamilienhäusern der wohlhabenden Bürger be-

EINWOHNERENTWICKLUNG Kurz nach der Befreiung Bulgariens 1878 erreichte die Einwohnerzahl in der Hauptstadt erstmals 100.000, wodurch sie zur Großstadt wurde. Seither wächst die Einwohnerzahl konstant. Unter kommunistischer Regierung wurde Sofia das bedeutendste Industriezentrum des Landes und lockte dadurch eine große Anzahl an Abeitern in die Großstadt. 1975 lebten in Sofia bereits eine Million Menschen. Um den Zustrom von Arbeitern unter Kontrolle zu bringen wurden Beschränkungen auferlegt, laut derer es nur dann möglich war in Sofia zu leben, wenn man eine Sofia-Bürgerschaft besaß. Jedoch wurde diese Bürgerschaftspflicht nach der Wende abgeschafft und die Hauptstadt zeichnet sich auch heute durch einen großen Zufluss an Menschen aus dem Rest des Landes ab. 42

baut; sehr hohe Mietpreise • Der Norden und die Gebiete entlang der Bahntrasse – früher Zentrum blühender Industrie – niedrige Bebauungsdichte; viel Leerstand; niedrige Mietpreise Es ist fast so als würden die Bahngleise eine physische Grenze darstellen, die die Entwicklung der Stadt nach Norden behindert. Eine Ausnahme sind die Gebiete entlang der relativ neu gebauten Metro Linie, die wegen der schnellen Verbindung mit dem Zentrum attraktiver werden. zukünftiges Grundstück Bahntrasse


213,218,-

185,180,-

194,-

189,145,-

213,-

201,-

166,-

235,213,205,-

218,-

230,208,-

170,-

194,-

206,-

246,-

218,-

237,-

216,332,-

242,-

237,-

223,-

332,-

308,-

237,116,-

332,- 285,-

380,-

521,-475,351,-

489,-

323,-

312,-

564,-

475,-

498,346,-

166,-

370,-

331,- 304,332,-

377,-

390,-

470,-

Abb. 13: Preise in Euro fĂźr eine 2-Zimmer Wohnung (ca. 70 m2) zum 29.03.16

189,-

475,- 332,351,475,- 437,332,-

363,- 380,-

267,-

218,-

239,-

318,-

284,285,-

365,-

275,-

248,242,-

261,-

308,-

247,242,-

285,-

237,-

356,-

237,-

263,-

332,305,-

380,-

332,-

427,- 522,43



GR UND STÜCK


GRUNDSTÜCK ORTSFINDUNG

ORTSFIND U NG

EXISTIERENDE RÄUME DER KUNST Seit ihrer Entstehung ist die Stadt das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes. Aus diesem Grund befinden sich hier heute die wichtigsten Theater, Museen und weitere Kultureinrichtungen des Landes. Auf der Suche nach einem geeigneten Ort für die Kunst wurden zuerst die schon bestehenden Kunststätten und die künstlerische Tendenzen untersucht. Die Beurteilung der Verortung führt zu der Feststellung, dass die kulturellen Hotspots im Stadtzentrum konzentriert sind.

Kulturinstitute Galerien Kunstausbildungsstätten Kunststiftungen Museen

46


Abb. 14: Räume der Kunst

47


GRUNDSTÜCK ORTSFINDUNG

IDENTIFIZIERUNG POTENZIELLER KUNSTZENTREN

GRUNDSTÜCKSAUSWAHL

Um nicht den nächsten Neubau in einer Stadt zu er­ richten, in der schon zu viel Historisches zerstört wurde, sollte zuerst die Stadtsubstanz untersucht werden. So lässt sich herauszufinden, ob man durch den geplanten architektonischen Eingriff nicht auch ein städtisches Problem lösen kann.

Nach sorgfältiger Recherche fiel die Wahl für den Projektstandort auf das alte Bahnwerk Sofia – unmittelbar hinter dem Hauptbahnhof.

So wurden absichtlich Industriebauten in den Fokus der Recherche gerückt. Sie bieten geeignete Räumlichkeiten und den richtigen Kontext für Kunst. Es herrscht zudem viel Leerstand, da die ursprünglich ansässige Industrie oft abgewandert ist. Und das Potential von Industriebauten wird vor allem in den ehemaligen Sowjet-Staaten oft unterschätzt und die Gebäude dem Verfall überlassen – ein fataler Fehler, weil darunter gesamte Viertel leiden können. Entlang der Bahntrassen entstanden ab 1934 und in der Nachkriegszeit blühende Industrieviertel. Auch heute noch sind viele der Instustriestandorte aktiv, doch brachte der wirtschaftliche Stillstand auch viele leerstehende Industrieruinen hervor, die auf eine Eignung für das Projekt hin untersucht wurden.

Kriterien, nach denen es ausgewählt wurde: • bereits vorhandene und entwickelte Infrastruktur: Bahn, Bus, und eine Vielzahl an öffentlichen Verkehrsmitteln • sehr nah am Zentrum und an weiteren wichtigen •

kulturellen Orten Der Plan für städtische Revitalisierung und Entwicklung von Sofia bis 2020 sieht für das Bahnhofsviertel eine Revitalisierung vor, da es hier viel Potential gibt. Jedoch vernachlässigt sie die Industrieruine des Bahnwerks. Die Bahntrasse bildet eine Barriere für die Stadt­ entwicklung im Norden von Sofia; das Projekt könnte ein Anstoß für die Entwicklung in diese Richtung und eine Verbindung der Stadtteile liefern. beeindruckende Räumlichkeiten Leerstand Industriezone Grundstück

48


49


GRUNDSTÜCK GRUNDSTÜCKSANALYSE

G R UNDSTÜCK SAN ALYS E

PROGRAMM/RAUMORGANISATION Für das Bahnhofsviertel in Sofia fehlt eine klare städte­ bauliche Strategie für die Entwicklung des Areals. Obwohl es großes Potential bietet, ist der Bestand ins­gesamt chaotisch. Viele der Parzellen sind in Privatbesitz. Fehlende Kontrolle, bauliche Vorgaben und Bestimmungen führen zu einer unstrukturierten und ungeplanten Bebauung. Das Projekt beschäftigt sich mit dem Areal nördlich der Bahntrasse, in direkter Nachbarschaft zu einem Heizkraftwerk und dem Zentralfriedhof im Norden und dem Bahnhof im Süden des Geländes.

Krankenhaus Hotel Schule M

Metro Station Grundstück

50


HEIZKRAFTWERK BAUMARKT

ZENTRALFRIEDHOF

BAHNWERK SOFIA

HAUPTBAHNHOF

M

ZOB

ZOLLAMT

POLIZEIWACHE

RATHAUS

Abb. 15: Bahnhofareal M

51


GRUNDSTÜCK GRUNDSTÜCKSANALYSE

ENTFERNUNG Der Gebäudekomplex befindet sich nur 300 m vom Hauptbahnhof entfernt, wo mehrere Busse und Trams, sowie auch eine U-Bahn ihre Haltestellen haben. Mit der U-Bahn erreicht man in weniger als 10 Minuten das Stadtzentrum.

ERSCHLIESSUNG Das Areal hat einen inselartigen Charakter – es ist von einer großen Straße auf der nördlichen Seite und von den Gleisen auf der südlichen Seite umschlossen. Trotz der unmittelbaren Nähe zum Hauptbahnhof besteht keine direkte Verbindung zwischen den beiden Seiten der Bahntrassen.

BUS

Busstation

TRAM

Tramstation

M

52

Metro Station


60 0m

BUS

BUS

Isto

riy as

lav

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20 0

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BUS

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BUS BUS

BUS

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Hristo B otev Blv d

BUS

iz aria Lu inya M

1:5000

Str Knyag TRAM

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BUS

tnitsa Kloko

BUS

y Str

du Kozlo BUS

53


GRUNDSTÜCK GRUNDSTÜCKSANALYSE

LÄRM Wie es sich vermuten lässt, ist die unmittelbare Nähe des Hauptbahnhofs und einer viel befahrenen Straße mit einer hohen Lärmbelastung verbunden. Jedoch hat sich die Natur das Gelände nach dem Stillegen des Betriebs teilweise zurückerobert und liefert zur Straße hin einen natürlichen Lärmschutz. Das Thema der Lärmbelastung regt zum Nachdenken an und erhebt den Anspruch auf einen angemes­senen Ansatz bei der Planung in Hinsicht auf die Aufent­ haltsqualitäten der Räume.

<= 30-50 dBA <= 55 dBA <= 65 dBA <= 70 dBA <= 75 dBA <= 80 dBA

54


Abb. 16: Lärmkarte

55


GRUNDSTÜCK B ESTANDSGEBÄUDE

B ESTAND S GE BÄU DE

GEBÄUDEGESCHICHTE Der erste Teil des heutigen Bahnwerks Sofia wurde im Jahr 1888 errichtet – zur gleichen Zeit, als Sofia erstmals an das europäische Eisenbahnnetz angebunden wurde. Das Bahnwerk wurde das größte Unternehmen zur Herstellung von Transporttechnik auf dem gesam­ ten Balkan. In seinen besten Jahren wurden dort bis zu 35 Waggons pro Tag produziert, und noch in den 90er Jahren waren über 7.000 Arbeiter im Werk beschäf­ tigt. Insgesamt war das Bahnwerk also mehr als ein

OBJEKT:

Bahnwerk Sofia

BAUJAHR:

1888

ERWEITERUNG:

1913, 1932, 1964, 1975

Jahrhundert lang in Betrieb, und blickt damit auf eine bewegte Historie zurück. Es wurde vielmalig renoviert, umgebaut, in Teilen abgerissen und wieder erweitert – bis der Gebäudekomplex nach der Schließung des Betriebs im Jahr 2003 dem Verfall anheim gegeben wurde. Heute ist das Areal privates Eigentum, doch nach­dem die Pläne der damaligen Eigentümer, dort ein Einkaufszentrum zu bauen, von der Wirtschaftskrise 2008 gestoppt wurden, geriet das Gelände und damit der gesamte Gebäudekomplex in Vergessenheit.

GRÖSSE:

56

BETRIEBSENDE: 2003 KONSTRUKTION: Stahlbeton, Stahlfachwerk, Backstein Haus 4 Haus 7 Haus 8 Haus 9 Haus 10

2.350 950 7.980 1.650 15.950

m2 m2 m2 m2 m2

Gebäude Gesamt

28.880

m2

241.000

m2

Areal


10

8

4

9 7

Abb. 17: Bestandsgebäude

57


GRUNDSTÜCK B ESTANDSGEBÄUDE

4 10

8 7 9

Abb. 18: Areal von Bahnwerk Sofia, 1975

58


Abb. 19: Areal von Bahnwerk Sofia, 2016

59


GRUNDSTÜCK B ESTANDSGEBÄUDE 4 10

8 7

3 2

4

9 1

Abb. 20: Südostansicht (1)

Abb. 21: Südwestansicht (2)

60


Abb. 22: Innenraum (3)

Abb. 23: Innenraum (4)

61


GRUNDSTÜCK B ESTANDSGEBÄUDE Haus 4

1:1000

Ansicht Süd

Ansicht Süd

62

Ansicht Süd

Ansicht Ost und West

Ansicht West und Ost


Haus 8

1:1000

Ansicht Ost und Ansicht WestWest und Ost

Ansicht Süd AnsichtAnsicht Süd Süd

Ansicht Süd Ansicht Süd

und Ost

AnsichtAnsicht Nord Nord

und Ost

Ansicht Nord

63


GRUNDSTÜCK B ESTANDSGEBÄUDE Haus 10

1:1000

ЖЕ

Л ЕЗ О

ПЪТ Е Н З А В

Л ЕЗ О

ПЪТ Е Н З А В ОД

ОД

Ansicht Süd

ЖЕ

64


Ansicht Ost

Ansicht Ost Ansicht Ost

Ansicht Ost

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Ansicht Nord Ansicht Nord

Ansicht West

Ansicht West

Ansicht West Ansicht West

Ansicht Süd

ЖЕ

Л ЕЗ О

ПЪТ Е Н З А В ОД

Ansicht Süd

65


GRUNDSTÜCK B ESTANDSGEBÄUDE

EIGENSCHAFTEN Auf dem ersten Blick macht der Bestand den Eindruck einer chaotischen Baustruktur. Aber wenn man die offensichtlich nachträglich entstandenen kleinen Anbauten wegdenkt, kann man die Logik der historischen “Urbauten” erkennen. Dabei bilden sich ein paar architektonische Besonderheiten klar heraus: die langgestreckten Räume (1), die Höhenversprünge, die bessere Lichtverhältnisse ermöglichen (2) und die orthogonale Aufstellung der langen Räume, die auf ein klares Konstruktionsraster schließen lässt (3). Zugleich fallen zwei typi­schen Bauformen auf – das Satteldach und das Gewölbedach.

VOLUMEN GEBÄUDEBESTAND

66


1

LANGGESTRECKTE RÄUME

2

HÖHENVERSPRÜNGE

3

ORTHOGONALE AUFSTELLUNG

67



RECH E R CHE


RECHERCHE

REFERENZEN

REF ER EN ZE N

Gebäudetyp Ort Architekten Baujahr

Kultur, Masterplan, Theorie Paris Bernard Tschumi 1998

PARK DE LA VILLETTE Der Park de la Villette ist bekannt für seine Architektur und für seine innovative städtebauliche Strategie. Er ist nicht als eine einfache Nachbildung der Landschaft gedacht. Im Gegenteil, dieser “urbane Park des 21. Jahrhunderts” sollte ein komplexes Programm von Kultur- und Unterhaltungseinrichtungen beherbergen. Er befindet sich auf einer der letzten verbliebenen großen Freiflächen in Paris – einem ehemaliges Schlachthaus im Nordosten der Stadt. Neben dem Masterplan umfasst das Projekt die Konzeption und den Bau von über 25 Häusern, Promenaden, Laubengängen, Brücken und Landschaftsgärten. Ein System von zerstreuten “Punkten” – die rot lackierten Stahlfollies, die verschiedene Kultur- und Freizeitaktivitäten beherbergen – über­schneidet sich mit einem System von Linien, die die Bewegung durch den Park betonen. Die Projektidee besteht darin, sowohl ein Zeichen für die Vision einer Ära zu entwickeln, als auch auf die zukünftige wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung eines für Paris wichtigen Gebiets einzuwirken. La Villette könnte als eines der größten jemals gebau­ ten Gebäude gesehen werden – ein diskontinuier­liches Gebäude, trotzdem eine einheitliche Struktur, in der sich die Eigenschaften des Geländes und neue Ak70

tivitäten überlagern. Das Projekt stellt den Gegensatz von Olmsteds weit verbreiteter Vorstellung dar, dass “im Park die Stadt nicht existieren soll”. Stattdessen ist der Park ein sozialer und kultureller Ort mit einer Vielfalt an Aktivitäten – neben dem Museum für Wissenschaft und Technik und The City of Music gibt es Orte für Workshops, Experimente, Spiele und Wettbewerbe, Ausstellungen, Konzerte, Spielplätze und Badeeinrichtungen. [1]

Abb. 24: Punkte, Lininen und Flächen


Abb. 25: Erschließung

Abb. 26: Außenansicht

71


RECHERCHE

REFERENZEN

Gebäudetyp Ort Architekten Baujahr

Art District Beijing 1957; seit 1995 Kunstbezirk

798 ART DISTRICT Kunstbezirk Dashanzi (Bezirk oder Fabrik 798) ist der informelle Name eines Teils der Einwohnergemeinschaft Dashanzi, in dem sich seit 1995 eine florierende Künstlergemeinschaft inmitten der Gebäude eines alten Fabrikgeländes im Bauhaus-Stil niedergelassen hat. In den späten 1980er Jahren wurde der Militärfabrik, wie vielen anderen staatlichen Unternehmen, die staatliche Unterstützung entzogen und sie galt wenige Jahre später als nicht mehr nutzbar. Die Dashanzi Fabrik wurde ungefähr zu der Zeit geräumt, als viele von Pekings zeitgenössischen Künstlern nach einem neuen Zuhause suchten. 1995 wurde sie von Beijing’s Akademie der bildenden Künste (CAFA), die auf der Suche nach einem günstigen und geräumigen Ort weg vom Stadtzentrum war, entdeckt, und die jetzt nicht mehr existierende Fabrik 706 zu einer Werkstatt der Akademie umgebaut. Das war der Auslöser für den Umzug vieler anderen Künstler und Designer, die, fasziniert von den riesigen kathedralenartigen Räumen, die alte Fabrik nach und nach besetzten. So wurde das ehemals militärisch genutzte Gebiet zu einem bunten Szeneviertel mit vielen Künstlerateliers und Galerien. Seitdem die BTAP (Beijing Tokio Art Projects) 2002 ihre 72

Kunsträume im 798 eröffnete, ist die Popularität des Viertels extrem gewachsen. Das Gelände boomt und beherbergt Galerien, Lofts, Verlage, Designfirmen, hochklassige Schneidereien, Cafés und schicke Restaurants. Inzwischen wird die Tendenz zur Kommerziali­sierung sogar von einigen Seiten als problematisch betrachtet[2] Abb. 27: Eins der Gebäude auf dem Gelände


Abb. 28: Eingang zur Art Gallery

Abb. 29: 798 Art Gallery

73


RECHERCHE

REFERENZEN

Gebäudetyp Ort Architekten Baujahr 798 MASTERPLAN In den letzten Jahren hat sich im Bezirk 798 im Nord­ osten von Peking eine lebhafte Kunstszene entwickelt. Nun rückte das Viertel ins Visier großer Bauunter­ nehmer, die Pläne für den kompletten Abriss der Fabrik und der umgebenden Bauten und Entwürfe zur Er­ richtung neuer Wohntürme entwickelt haben, womit sie die Existenz der bestehenden Gemeinschaft bedrohen. Es entsteht die Frage, ob es möglich ist, die Anforderung nach neuen Wohnungen zu erfüllen und zugleich die vorhandene Stadtstruktur von kleinen Kunstgalerien, Künstlerateliers und das lokale Gemeinschaftsleben zu bewahren. Der Masterplan stellt einen Alternativvorschlag zum kompletten Abriss des Bestandes dar, indem er sich mit dem unvermeidlichen Thema der Konfrontation zwischen Alt und Neu beschäftigt. Der Entwurf sieht das Erhalten der bestehenden Gebäude vor und präsentiert eine Idee von einer horizontalen, hochverdichteten Stadt, die 25 m über dem Boden und über der alten Gebäudestruktur schwebt. Lichthöfe sorgen für die Belichtung der darunterliegenden Galerien. Das Projekt stellt eine Strategie der In-Betweens dar: Räume zwischen dem Neuen und dem Alten, zwischen oben und unten, Ost und West.[3] 74

Abb. 30: Konzept

Abb. 31: Nutzung

Wohnen, Büro, Masterplan Beijing Bernard Tschumi Idee 2004


Abb. 32: Blick in den Hรถfen

Abb. 33: Blick auf das Areal

75


RECHERCHE

REFERENZEN

Gebäudetyp Ort Architekten Baujahr TATE MODERN Eines der größten Kraftwerke Englands, erbaut 1945 von Giles Gilbert Scott, wurde nach den Plänen von Herzog & de Meuron zu einer Galerie zeitgenössischer Kunst umgebaut. Der imposante Bau hat dabei nichts von seiner industriellen Kraft eingebüßt. Die einzige von außen sichtbare Veränderung ist der aufgesetzte zweigeschossige Glasriegel, dessen minimalistische Form und transluzentes Glas in klarem Kontrast zum dunklen Mauerwerk des Bestandes stehen. Im Glasbau ist die Gebäudetechnik sowie ein Panoramarestaurant mit atemberaubenden Ausblicken auf die Stadt untergebracht. Der Übergang jedoch zwischen Alt und Neu ist nicht immer so deutlich erkennbar. Die schwer­ fälligen Treppengeländer, gusseisernen Roste und der grobe Holzboden harmonieren mit der Ästhetik von Scotts ursprünglichem Design und dessen industriellem Charakter.[4]

Abb. 34: Grundriss Ebene 5 und Schnitt

76

Museum, Galerie London Herzog & de Meuron 2000


Abb. 35: AuĂ&#x;enansicht

Abb. 36: Eingangshalle (ehemalige Turbinenhalle)

77


RECHERCHE

REFERENZEN

Gebäudetyp Ort Architekten Baujahr

Hochschule, Museum, Wohnen, Büro Zürich EM2N 2014

TONI AREAL Die Züricher Architekten EM2N haben den kompak­ ten Monolithen mit der elegant geschwungenen Lkw-Rampe der ehemaligen Toni-Molkerei – von 197799 größter Milchverarbeitungsbetrieb Europas – so umgebaut, dass hier zwei Hochschulen sowie das Museum für Gestaltung und 100 Wohnungen einen neuen gemeinsamen Ort finden. Der Größe des Projekts begegneten EM2N mit „einer Art innerem Urbanismus“. Die bestehende Rampenanlage wurde dabei neu als vertikaler Boulevard interpretiert und zu einer Haupterschließung umfunktioniert. „An die Schnittstelle von Hoch- und Flachbau legten wir als Gegenstück dazu eine große, als öffentlicher Raum konzipierte Eingangshalle“, erläutern die Architekten. „Verbunden durch eine Abfolge von Hallen, Plätzen, Lufträumen und kaskadenartigen Treppenanlagen entstand eine identitätsstiftende innere Raumfigur, welche die vielen unterschiedlichen Nutzungen wie Häuser in der Stadt verortet und als räumlicher Katalysator den internen Austausch ermöglicht.“ Im Flachbau wurden fünf große, terrassierte Lichthöfe realisiert, welche die innen liegenden Räume mit Tageslicht versorgen und als Pausenzonen genutzt werden können. Um dem Quartier ein Stück Außenraum zu78

rückzugegeben, wurde auf dem um ein Geschoss aufgestockten Flachbau ein begehbarer Dachgarten angelegt. Darüber hinaus erhielt das gesamte Gebäude eine neue Fassade: Ein Schleier aus filigranem Streckmetall umhüllt den Bestand.[5]

Abb. 37: Schnittschema mit Zwischendecken, Lichthöfen und Aufstockungen


Abb. 38: Blick auf den Areal

Abb. 39: Eingangshalle, Grosse Kaskade

79


RECHERCHE

REFERENZEN

Gebäudetyp Ort Architekten Baujahr

Museum, Galerie Essen OMA 2007

RUHR MUSEUM Das größte und gleichzeitig komplexeste Gebäude auf dem 1986 stillgelegten und 2001 in die Liste des UNESCO­ -Weltkulturerbes aufgenommenen Areal ist die rund 42 Meter hohe Kohlenwäsche. Um die kubistisch-funktionale Industriearchitektur des Gebäudes als Ruhr Museum nutzbar zu machen, entwickelten Rem Koolhaas und Heinrich Böll einen spannenden Museums-Parcours, der in weiten Teilen den ehemaligen Weg der Kohle nachzeichnet.

Die Umgestaltung der ehemaligen Kohlenwäsche lebt insbesondere von ihren deutlich zur Schau getragenen Kontrasten zwischen Alt und Neu. Die wenigen ge­ zielten Eingriffe der Architekten heben dabei die Qua­ lität des Vorhandenen hervor und öffnen gleichzeitig den Blick für neue Perspektiven. So wurde die außen liegende Rolltreppe, sowie das interne Treppenhaus, im grellen Kontrast zur vorhandenen Industriearchitektur, aber auch als assoziativer Verweis an heiße Asche

Spektakuläres Element nach außen ist dabei die rund 55 Meter lange Gangway aus Stahl und Glas mit der bundesweit längsten freitragenden Rolltreppe, die in ihrer Form den zahlreichen Bandbrücken auf dem Gelände nachempfunden ist und die die Besucher vom Freigelände aus direkt hinauf ins 24 Meter hoch gelegene Besucherzentrum befördert. Die weiter oben gelegenen Ebenen sind mit ihrem er­ haltenen Maschinenbestand und der Aussichts­ plattform auf dem Dach des Gebäudes ein Bestandteil des Denkmalpfades Zollverein. In den darunter gelegenen Geschossen schließen sich die über ein neu gestaltetes Treppenhaus erreichbaren Ausstellungsebenen des neuen Ruhr Museums mit der Dauerausstellung an.

mit schriller gelb-oranger Beleuchtung gestaltet – eine moderne Passage in die Welt der Kohle und des Bergbaus.[6]

80


Abb. 40: AuĂ&#x;enansicht

Abb. 41: WDas interne Treppenhaus

81


RECHERCHE

REFERENZEN

Gebäudetyp Ort Architekten Baujahr

Kulturzentrum Tourcoing Bernard Tschumi 1997

LE FRESNOY Le Fresnoy (National Studio for Contemporary Arts) ist ein Zentrum für Crossover-Künstler, wie zum Beispiel ein Videokünstler, der auch Musiker ist oder ein Musiker, der auch Maler ist. Der Bestand ist ein ehemaliger Freizeitkomplex aus den 1920er Jahren, der ein Kino, einen Tanzsaal und Platz für Aktivitäten wie Skaten und Reiten beherbergte. Statt die alte Strukturen einfach abzureißen wurden ihre außergewöhnlich großen Räume umfunktioniert und durch neue ergänzt. Das Ziel war es, durch die Kombination von Alt und Neu, Entwicklung und Produktion, künstlerischer Praxis und der öffentlichen Ausstellung, ein neues Modell eines Kulturzentrums zu entwickeln. Das Projekt beruht auf einem Box-in-der-Box-Konzept, das ein großes, ultra-technologisches Dach darstellt, das sich über dem Ensemble von Neu- und Bestandsbauten erstreckt und die notwendige Gebäudetechnik für Heizung, Lüftung und Klimatisierung enthält. Die große Box (das Dach) bleibt zu zwei Seiten offen und bietet dadurch einen Blick auf die Wechselbeziehung von Alt- und Neubauten, sowie auf die hängende technische Ausrüstung und Erschließung. Die Räume zwi­ schen den Dächern enthalten Orte für Installationen und Filmvorführungen, die sich an den Schnittstellen 82

der schwebenden Gehwege befinden. Das Dach spielt die surrealistische Rolle eines “Schirms”, der alle Elemente zusammenfasst und dadurch ein Zusammenspiel zwischen Schule, Forschungslabor und altem Fresnoy – einem Ort des Spektakels – provoziert.[7]

Schirm-Struktur

In-between Walkways

Neue Gebäude

Bestand Abb. 42: Konzept


Abb. 43: Gesamtansicht

Abb. 44: ErschlieĂ&#x;ung

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RECHERCHE

REFERENZEN

Gebäudetyp Ort Architekten Baujahr

Kulturzentrum Beijing Origin Archtect 2014

KULTURZENTRUM 77 Der Komplex der ehemaligen Offset-Druckerei im Stadtzentrum von Peking ist eine der vielen kleinmaßstäblichen alten Fabriken, die, nach der Verlagerung der Industriebetriebe an den Stadtrand, in kulturelle Quartiere verwandelt werden. So bestand die erste Aufgabe des mit dem Umbau betrauten chinesischen Architekturbüros Origin Architect darin, störende Einbauten zu entfernen, die ursprünglichen Ziegelfassaden freizulegen und den Bestand behutsam zu renovieren und zu ergänzen. Auf den Fundamenten maroder Gebäudeteile wurde das »Herzstück« der Anlage errichtet: ein multifunktionales Theater, das den industriellen Charme der umgebenden Bauten adaptiert. Die Halle definiert zwei Höfe, um die sich Verwaltungseinheiten, Lager und Technikräume gruppieren, untergebracht in den alten Gebäuden. Öffentliche und halböffentliche Bereiche setzen sich auf allen Ebenen fort: Ein System von Treppen und schweben­ den Stegen aus Stahl dient als Haupterschließung und macht die Dächer als Terrassen nutzbar. Die urbane Teppichstruktur der umliegenden Hutongs mit engen Gassen und Höfen spiegelt sich in einer modernen Interpretation mit lichter, luftiger Atmosphäre erkennbar im Komplex wider. Die freigelegten Fassaden, der neue 84

Ziegelboden in den Höfen und die ebenfalls rotbraunen voroxidierten Stahlkonstruktionen führen zu einer homogenen, harmonischen Einheit. Ganz im Sinne des städtebaulich geprägten Gesamtkonzepts kann das Theater zum Hof hin erweitert werden. Bei offenem Falttor an der Stirnseite des Baus verwandelt sich die »Black Box« in eine Bühne im urbanen Raum.[8]


Abb. 45: Theaterhalle

Abb. 46: Innenhof

85


RECHERCHE

REFERENZEN

Gebäudetyp Ort Architekten Baujahr KUNSTZENTRUM FRAC Im nordfranzöischen Dunkerque haben Lacaton & Vassal ein ehemaliges Werftgebäude zu einem regionalen Zentrum für zeitgenössische Kunst umgebaut. Die bestehende Halle bot ein dermaßen phantastisches Raum­ erlebnis, dass die Architekten sie als großes Raumkunstwerk und Architektur-Expo­nat einfach stehen ließen. Daneben errichteten sie einen architektoni­ schen Doppelgänger als Neubau für die Kunst. Hier werden öffentliche Sammlungen zeitgenössischer Kunst konserviert, archiviert und ausgestellt. Einerseits verstehen die Architekten das Museum als städtebaulichen Katalysator, um hier eine kulturelle Quartiersentwicklung anzuschieben, gleichzeitig sollte die Halle AP2 als Ganzes mit ihrer einzigartigen Raumqualität erhalten bleiben. Die Regionalfonds für zeitgenössische Kunst FRAC (Fonds Régionaux d’Art Contemporain) sind ein wichtiges Kulturinstrument regionaler städtebaulicher Entwicklung in Frankreich. In den achtziger Jahren vom französischen Kultusminister Jack Lang ins Le­ ben gerufen, treten sie vor allem bei der Umwidmung vormals anderweitig genutzter Anlagen und Bauten –­zum Beispiel militärischer Anlagen oder Industrieanlagen – zu regionalen Kunstzentren in Erscheinung.[9] 86

Abb. 47: Grundriss EG und Schnitt

Kunstzentrum Dunkerque Lacaton & Vassal 2013


Abb. 48: Das alte Bootshaus links und der Neubau rechts

Abb. 49: Blick auf den Raum des alten Boothauses

87


RECHERCHE

A NALYSE

A NA LYSE

SCHLUSSFOLGERUNG “Fifteen years into the new millennium, it is as though the previous century never happened. The same architecture that once embodied social mobility in béton brut, now helps to prevent it.” 1 Auch wenn sich diese Worte auf die soziale Wohnungsfrage der brutalistischen Architektur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bezieht, kann man die Gemeinsamkeiten mit dem Schicksal vieler anderer Gebäude nicht außer acht lassen. Verlassene Industrieanlagen, die einmal die trei-

genannten Referenzprojekten zwei wichtige Gemeinsamkeiten auf. Zum einen handelt es sich um eine Umwidmung vormals anderweitig genutzter Bau­ ten – meistens Industrieanlagen – zu regionalen Kulturzentren. Zum anderen sind alle Projekte erfolgreiche Beispiele für städtebauliche Katalysatoren geworden, die im jeweiligen Gebiet eine kulturelle Entwicklung anschieben – ein Beispiel, wo die Architektur mehr ist als einfach nur Architektur.

bende Kraft ei­ner blühender Wirtschaft und dadurch die Ursache für die Besiedlung der umliegende Gebiete waren, haben heute eine antithetische Wirkung. Und ganze Stadt­viertel leiden darunter. Bulgarien ist ein typisches Beispiel für ein Land mit einer schwachen Denkmalschutz-Politik. Hier wird das “Problem” alter, leerstehender Bauten meist nach zwei Prinzipien gelöst: das Gebäude wird ignoriert und dem Zerfall überlassen, oder dem stalinistischen Prinzip “kein Gebäude, kein Problem” folgend kurzerhand abgerissen. Dazu kommt die im Bewusstsein der Bevöl­kerung verankerte Vorstellung, dass alles, was aus kommunistischen Zeiten stammt, automatisch schlecht sei und aus der Welt verschwinden müsse. Im Hinblick auf diese Problematik fallen bei den oben

Eine Assoziation mit Peter Cooks Utopieprojekt “Instant city” aus den 80er Jahren liegt nahe. Seinem Konzept zugrunde liegt die Erforschung der Möglichkeiten, kleine Städte durch temporäre Eingriffe in eine Großstadt zu verwandeln. Es kann vor allem als eine Metapher verstanden werden, wie eine Intervention in Form von Kulturevents eine Stadt derart verändern kann, dass sie einen Bilbao Effekt2 erzeugen. In diesem Sinne strebt das auf den folgenden Seiten dargestellte Projekt nicht nur an, eine Bauruine mit historischer Bedeutung vor dem Verfall zu bewahren, sondern auch der Auslöser für eine Stadtentwicklung nach Norden zu werden und damit einen vergessenen Stadtteil von Sofia zum Leben zu erwecken.

88


Abb. 50: Peter Cook (Archigram) ”Instant City”

Rainer de Graaf: “The century that never happened”. The Architectural Review [Stand: 08.09.16] [10] Der Begriff Bilbao-Effekt bezeichnet die gezielte Aufwertung von Orten durch spektakuläre Bauten von Architekten. Der Begriff geht auf die Entwicklung der nordspanischen Stadt Bilbao im Zusammenhang mit dem 1997 fertiggestellten Guggenheim Museum des US-amerikanischen Architekten Frank O. Gehry zurück. 1

2

89


RECHERCHE

A NALYSE

TYPOLOGIEN Dass sich die ausgewählten Referenzen in vielerei Hinsicht unterscheiden, ist klar ersichtlich. Man erkennt jedoch bei der architektonischen Herangehensweise einige Muster. • KONSERVATION Alle Projekte beschäftigen sich intensiv mit der histo­ rischen Substanz des Bestands und setzten auf eine behutsame Renovierung. • ABRISS Ganze Bauten oder Gebäudeteile wurden entfernt, wenn die konstruktive Beschaffenheit ihren Erhalt nicht erlaubte oder wenn eine Verbesserung der räumlichen Qualitäten (z. B. Toni Areal) gefordert war. • ERWEITERUNG Bei einer Umnutzung eines Gebäudes war es oft erforderlich, den Bestand durch eine Aufstockung oder eine einfache Erweiterung zu ergänzen, um die neuen programmatischen Anforderungen zu erfüllen.

90

• ERSCHLIESSUNG Bei allen Projekten spielte die Erschließung eine zentrale Rolle. Selbst wenn das Gebäude bei seinem Bestand belassen wurde, wurde die Erschließung ausgewertet und neu konzipiert. Sie schweißt Alt und Neu zusammen, verbindet Gebäude und trennt Räume. Oft wurde sie als ein zentrales Raumelement inszeniert.


VOLUMEN

PARC DE LA VILLETTE Bernard Tschumi Paris, France 500.000 m2

798 ART DISTRICT – Beijing, China Gallery Space ca. 8.000.000 m2

798 MASTERPLAN Bernard Tschumi Beijing, China ca. 1.000.000 m2

ERWEITERUNG (AUFSTOCKUNG)

TYPOLOGIE

NEUBAU

91


RECHERCHE

A NALYSE

VOLUMEN

TONI AREAL EM2N Zürich, Switzerland 108.500 m2

RUHR MUSEUM OMA Essen, Germany 12.000 m2

ERWEITERUNG (AUFSTOCKUNG)

ERWEITERUNG (AUFSTOCKUNG)

ERSCHLIESSUNG ERGÄNZEN

RAUM-IM-RAUM

AUSSCHNEIDEN

TATE MODERN Herzog & de Meuron London, UK 34.500 m2

TYPOLOGIE

ERSCHLIESSUNG ERGÄNZEN

92


LE FRESNOY Bernard Tschumi Tourcoing, France 8.000 m2

KULTURZENTRUM 77 Origin Architect Beijing, China 9.300 m2

KUNSTZENTRUM FRAC Lacaton & Vassal Dunkerque, France 10.000 m2

ERWEITERUNG

ERWEITERUNG

ERWEITERUNG (SPIEGELN)

ERSCHLIESSUNG ERGÄNZEN

ERSCHLIESSUNG ERGÄNZEN

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E NTW UR F


ENTWURF KONZEPT

KONZEPT

GRUNDSTÜCK In einer Stadt wie Sofia, wo auf historische Gebäude wenig Wert gelegt wird und sie mit leichter Hand abgerissen werden, ist es – besonders bei einem solchen Kulturprojekt – umso wichtiger, den Bestand zu erhalten und diesen bei der Entwicklung des Konzepts zu berücksichtigen. Dazu kommt die Tatsache, dass sich das ausgewählte Grundstück in einem städtebaulich kaum definierten Umfeld befindet und die Bestandsgebäude wie eine beziehungslose Ansammlung von Objekten erscheinen. Demzufolge ist es fast unmöglich, auf die städtische Umgebung Bezug zu nehmen. Daraus folgt als einzig logische Konzeptstrategie ein klarer Bezug zur Bestandslogik. Das Grundstück wird charakterisiert durch die fehlende Verbindung zum Rest der Stadt. Umschlossen von der Bahntrasse auf der einen Seite und von einer großen Straße auf der anderen, gleicht das ganze Areal einer unerreichbaren Insel. Somit entsteht das Thema der Verbindung als zentrale Problematik.

96


Abb. 51: GrundstĂźck

97


ENTWURF KONZEPT

lung auf dem Gelände sind zwei Achsen, die die Sicht jeweils in Nord-Süd und Ost-West Richtung ermöglichen und die erhalten bleiben sollten (3). Von der Morphologie des Bestandes abgeleitet und mit Rücksicht auf die bestehende städtebauliche Struktur wurde das Gebäudeensemble durch Addition von neuen Volumen erweitert und in der Art optimiert, dass eine logische und funktionierende städtebauliche Figur entstand (4).

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KR EA

N TE EI

EN ERN SL VE TI

In einem ersten Schritt wurden die kleinen, nachträglich entstandenen Anbauten entfernt und der Bestand auf seine ursprünglichen Basisvolumen reduziert (1). Dadurch bildeten sich drei architektonische Besonderheiten der historischen Bauten klar heraus: große, lang gestreckte Räume, Höhenversprünge, die bessere Lichtverhältnisse ermöglichen und eine orthogonale Aufstellung der Räume (2). Ein charakteristisches Merkmal der Gebäudeaufstel-

KREATIV ES AR B

KONZEPTENTWICKLUNG

KUNST

Ö

FF

EN

T LIC H E R B E R E

IC

H


LANGGESTRECKTE RÄUME 3

1

2

HÖHENVERSPRUNG

(1) SUBSTRAKTION

(2) CHARAKTERISTISCHE EIGENSCHAFTEN

(3) SICHT- UND ERSCHLIESSUNGSACHSEN

(4) ADDITION

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ENTWURF KONZEPT

Sowohl bei der Entwicklung des Raumkonzepts (5) als auch bei der Planung des Freiraums (6) wurde vor­ nehmlich auf die Einhaltung der nutzungspezifischen Vorgaben geachtet. Jedoch resultieren die auf dem Gelände durchgeführten Veränderungen gleichzeitig in einem spannenden Spiel zwischen Masse und Vo­lumen, das dem Ort eine kreative, entdeckungs­ freudige Atmosphäre verleiht. Die für Besucher jederzeit öffentlichen Räume sind so

oder zur Erholung nutzen (6).

gelegen, dass sie sowohl von der Bahnhofs- als auch von der Straßenseite aus zugänglich sind. Der Lernbereich, der die Werkstätte und die Seminarräume beherbergt, orientiert sich in Richtung Stadt und die Ateliers der Künstler wurden bewusst in kleineren Gebäuden auf der ruhigeren Nordseite einge­richtet (5). An der Schnittstelle aller Einrichtungen befindet sich der Verteiler – ein zentraler Platz, der an der Kreu­zung der zwei Sicht- und Erschließungsachsen gelegen und demzufolge von allen Seiten direkt zugänglich ist. Die Lernräume verfügen über einen Werkhof, in dem das Arbeiten und Schaffen bei gutem Wetter unter freiem Himmel stattfinden kann. Entsprechend können die Künstler die abgeschotteten, kleineren Freiräume zwischen d ­ ­en Ateliergebäuden zum selben Zweck

dungselement zur Überbrückung der Gleistrasse – eine Fußgängerbrücke. Türme, die auch als Treppenhäuser dienen und über die umliegenden Gebäude hinausragen, definieren die Eingänge und machen das Kunstzentrum und den Zugang zum Gelände auch von Weitem sichtbar (7). Die Brücke wird weiter ins Gebäudeinnere fortgesetzt und verwandelt sich in ein zentrales Erschließungselement für das ganze Gelände (8). Ihre Fachwerkstruktur ermöglicht die Überspannung größerer Strecken und stärkt den Industrie­ charakter des Komplexes.

100

Wie schon erwähnt ist die Verbindung zentrales Thema des Projekts – sowohl die Anbindung des Grundstücks an die städtische Infrastruktur, als auch die Verbindung zwischen den einzelnen Gebäuden und Plätze auf dem Gelände. Um das Areal von der Stadtseite aus zugänglich zu machen braucht man an erster Stelle ein Verbin­


ATELIERS HÖFE

ATELIERS

ZENTRALER PLATZ

ÖFFENTLICHE RÄUME LERNEN

WERKHOF

(5) PROGRAMM

(6) AUSSENRAUM

(7) EINGÄNGE

(8) BRÜCKE UND ERSCHLIESSUNG

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ENTWURF KONZEPT

ERSCHLIESSUNG Die Brücke – eine Promenade, die sich durch alle Räumlichkeiten schlängelt – wird zu einem Erlebnis für den Besucher. Dabei werden spannende Einblicke in die Arbeit der Künstler ermöglicht, ohne dass sie gestört werden. An jeder Ecke entstehen spannende Blick­ beziehungen zwischen Oben und Unten, Innen und Außen, Alt und Neu. Es entstehen neue räumliche Qualitäten. Die Brücke verwandelt sich in ein gestalte­ risches Element, das nicht nur verbindet, sondern auch trennt und Räume definiert. Es lässt sich eine lose Assoziation mit Archigram’s Projekt “Plug-in city” herstellen – eine hypothetische Fantasiestadt, die aus einer Megastruktur besteht, an der einzelne Wohneinheiten angeschlossen werden können. Die zentrale Idee ist, dass man diese Struktur immer weiter erweitern kann. In diesem Sinne kann die Brückenstruktur auch als ein erweitertes Element gesehen werden. Ein Element, das alles zusammenhält und zu einem städtebaulichen Ensemble verbindet.

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Abb. 52: Archigram, “Plug-in city”


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ENTWURF PLÄNE

PLÄNE

Im Innenraum wurde viel vom Bestand übernommen – ­offene, freie Räume, die von den Künstlern frei zu bespielen sind. Die Künstlerateliers können der Öffentlichkeit zugänglich gemacht oder durch Schiebewände abgetrennt werden. Die Gestaltung erfolgte nach einigen einfachen Prinzipien: • • • •

das Stützenraster wurde vom Bestand übernommen und ergänzt die Sanitärräume spielen eine Rolle als Raumtrenner die Brücke durchstößt die Räume und hebt dadurch verschiedene Raumqualitäten hervor das Tragwerk ist eine reine Stahl- und Fachwerkkonstruktion

Sowohl Innen- als auch Außenraum sind durch ihre klare Rasterstrukturen sehr flexibel und lassen Raum für neue Nutzungen und Interpretationen.

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ENTWURF PLÄNE

Schnitt Ost-West

Schnitt Nord-Süd

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ENTWURF

Bilck in den zentralen Hof

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Haus 8 – Werkstätte und Ausstellungsraum

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ENTWURF MODELLE

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ENTWURF MODELLE

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Q UE LLE N


QUELLEN

EINZELNACH W E IS E

[1]

http://www.tschumi.com/projects/20/

[2]

https://de.wikipedia.org/wiki/Kunstbezirk_Dashanzi

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[3]

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[5]

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[7]

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[8]

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http://www.detail.de/artikel/architektonischer-doppelgaenger-frac-nord-pas-de-calais-von-lacaton-vassal-11605/ [10] de Graaf, Reiner: ‘Architecture is now a tool of capital, complicit in a purpose antithetical to its social mission’ , Architectural Review, 24.04,2015

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A BBI LD UN GSVE R ZE ICHN I S

Abb. 1: ”Cover Fotograf Hristo Uzunov”, http://urbex.bg/ Abb. 2: ”Fotograf Hristo Uzunov”, Abb. 3: ”Bevölkerungsdichte zum 31.12.14 nach Regionen”, eigene Darstellung, Informationsquelle: http://www.nsi.bg/en/node/13035 [Stand: Mai 2016] Abb. 4: ”Geschichtlicher Zeitstrahl”, eigene Darstellung, Informationsquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Bulgariens [Stand: Mai 2016] Abb. 5: ”Haushaltseinkommen im Vergleich”, eigene Darstellung, Informationsquelle: http://www.nsi.bg/sites/default/files/files/publications/ StatBook2015.pdf (Bulgarien) ; www.destatis.de für 2014 (Deutschland) Abb. 6: ”Kulturstättenbesuche im Vergleich”, eigene Darstellung, Informationsquelle: http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index. php/Culture_statistics_-_cultural_participation#Visiting_cultural_sites Abb. 7: ”Weberei”, http://yocait.weebly.com/bulgaria.html [Stand: September 2016] Abb. 8: ”Holzschnitt”, Fragment von der Decke von Hristo Daskalovs Haus in Triyavna, http://www.en.tryavna-museum.eu/museum_tryavna [Stand: September 2016] Abb. 9: ”Schmiedehandwerk”, http://www.gallery-victoria.com/viewitem.asp?Item=773 [Stand: September 2016] Abb. 10: ”Keramik”, http://bulgarianpotteryandgifts.com/ [Stand: September 2016] Abb. 11: ”Stadtentwicklung von Sofia”, Yordanov, Emil: “Възможности за приложение на еволюционния модел на гр. София в съвременното му устройствено планиране”, сп. “Българска Наука” (“Bulgarische Wissenschaft” Zeitschrift), Ausgabe 70, Dez. 2012 – Aug. 2014, http://magirology59.rssing.com/chan-37297086/all_p11.html [Stand: September 2016] Abb. 12: ”Bebauungsplan von Sofia, 1934”, http://www.pbase.com/ngruev/image/75363598 Abb. 13: ”Preise in Euro für eine 2-Zimmer Wohnung (ca. 70 m2) zum 29.03.16”, eigene Darstellung, Informationsquelle: http://www.imot.bg/ pcgi/imot.cgi [Stand: April 2016] Abb. 14: ”Räume der Kunst”, Informationsquelle: http://www.culturemap.bg/ [Stand: Februar 2016] Abb. 15: ”Bahnhofareal”, https://www.google.com/maps/@42.6939514,23.32858,1549a,20y,348.64h,51.84t/data=!3m1!1e3 Abb. 16: ”Lärmkarte”, eigene Darstellung, Informationsquelle: GIS Sofia http://ims.gis-sofia.bg:8080/JisofMap/jspMap.jsp# [Stand: Mai 2016] Abb. 17: ”Bestandsgebäude”, https://www.google.com/maps/@42.7077239,23.3257993,470a,20y,355.07h,51.58t/data=!3m1!1e3

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QUELLEN

Abb. 18: ”Areal von Bahnwerk Sofia, 1975”, vom Institut für Architektur und Städteplannung, Sofia zur Verfügung gestellt Abb. 19: ”Areal von Bahnwerk Sofia, 2016”, https://www.google.com/maps/@42.7148038,23.3225627,3904a,20y,355.07h/data=!3m1!1e3 Abb. 20: ”Südostansicht (1)”, eigenes Foto Abb. 21: ”Südwestansicht (2)”, eigenes Foto Abb. 22: ”Innenraum (3)”, Foto Hristo Uzunov Abb. 23: ”Innenraum (4)”, Foto Hristo Uzunov Abb. 24: ”Punkte, Lininen und Flächen”, http://www.archdaily.com/92321/ad-classics-parc-de-la-villette-bernard-tschumi Abb. 25: ”Erschließung”, https://www.pinterest.com/pin/345580971382354468/ Abb. 26: ”Außenansicht”, “folies @ la villette” by Elena Mazzanti, is licensed under CC BY-SA 2.0l /cropped and desaturated from original Abb. 27: ”Eins der Gebäude auf dem Gelände”, eigenes Foto Abb. 28: ”Eingang zur Art Gallery”, “Beijing 798 Art District” by Tracy Hunter, licensed under CC BY 2.0/cropped Abb. 29: ”798 Art Gallery”, “798 Space, gallery district, Beijing” by vincelaconte, licensed under CC BY-SA 2.0 Abb. 30: ”Konzept”, http://www.tschumi.com/projects/20/ [Stand: Mai 2016] Abb. 31: ”Nutzung”, http://www.tschumi.com/projects/20/ [Stand: Mai 2016] Abb. 32: ”Blick in den Höfen”, http://www.tschumi.com/projects/20/ [Stand: Mai 2016] Abb. 33: ”Blick auf das Areal”, http://www.tschumi.com/projects/20/ [Stand: Mai 2016] Abb. 34: ”Grundriss Ebene 5 und Schnitt”, Tate Modern in London, DETAIL Ausgabe 7/2000, http://www.detail.de/inspiration/tate-modern-inlondon-106817.html Abb. 35: ”Außenansicht”, “Tate Modern” by Geoff Stearns, licensed under CC BY 2.0 /desaturated from original Abb. 36: ”Eingangshalle (ehemalige Turbinenhalle)”, “the turbine hall” by kevinofsydney, licensed under CC BY 2.0 Abb. 37: ”Schnittschema mit Zwischendecken, Lichthöfen und Aufstockungen”, http://www.swiss-architects.com/pages/energiesalon_2010_ toni/ [Stand: April 2016] Abb. 38: ”Blick auf den Areal”, http://www.swiss-architects.com/pages/energiesalon_2010_toni/ [Stand: April 2016] Abb. 39: ”Eingangshalle, Grosse Kaskade”, https://www.competitionline.com/de/projekte/57461/per/post/127825 [Stand: April 2016] Abb. 40: ”Außenansicht”, “Ruhr Museum” by Stephan Börger, licensed under CC BY 2.0

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Abb. 41: ”WDas interne Treppenhaus”, “The Stairs” by Stephan Börger, licensed under CC BY 2.0W Abb. 42: ”Konzept”, http://artanddesignrome.lsu.edu/week-06-recap/le-fresnoy-art-center-board/ [Stand: April 2016] Abb. 43: ”Gesamtansicht”, http://www.tschumi.com/projects/14/ [Stand: April 2016] Abb. 44: ”Erschließung”, https://www.pinterest.com/pin/363595369898041255/ [Stand: April 2016] Abb. 45: ”Theaterhalle”, Kulturzentrum in Peking, DETAIL Ausgabe 12/2014, s. 1348 Abb. 46: ”Innenhof”, Kulturzentrum in Peking, DETAIL Ausgabe 12/2014, s. 1348 Abb. 47: ”Grundriss EG und Schnitt”, http://www.detail.de/artikel/architektonischer-doppelgaenger-frac-nord-pas-de-calais-von-lacaton-vassal-11605/ [Stand: April 2016] Abb. 48: ”Das alte Bootshaus links und der Neubau rechts”, “FRAC (Lacaton & Vassal) , Dunkirk / FRA, 2016” by William Veerbeek, licensed under CC BY-NC-SA 2.0/cropped and desaturated from original, levels adjusted Abb. 49: ”Blick auf den Raum des alten Boothauses”, “FRAC (Lacaton & Vassal) , Dunkirk / FRA, 2016” by William Veerbeek, licensed under CC BY-NC-SA 2.0/desaturated from original, levels adjusted Abb. 50: ”Peter Cook (Archigram) ”Instant City””, http://www.bmiaa.com/instant-city-travelling-exhibition-now-at-college-maximilien-de-sully/ Abb. 51: ”Grundstück”, https://www.google.de/maps/place/Sofia,+Bulgaria/@42.714922,23.322119,1288m/data=!3m1!1e3!4m5!3m4!1s0x40aa8682cb317bf5:0x400a01269bf5e60!8m2!3d42.6977082!4d23.3218675?hl=en Abb. 52: ”Archigram, “Plug-in city””, “Peter Cook-Plug-in City (1964)” Alle hier nicht eigens nachgewiesenen Abbildungen stammen vom Autor.

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“Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück! Denn es gibt keine „Kunst von Beruf“. Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen dem Künst­ ler und dem Handwerker. Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers.” - Walter Gropius, Bauhaus-Manifest, 1919 -

Abb. 1: Cover Fotograf Hristo Uzunov


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