Asiatische Märchen

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Asiatische M채rchen Elisa Sept


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Elisa Sept


Š 2010 Alle Rechte vorbehalten Illustration & Layout: Elisa Sept E-Mail: eli_sept@yahoo.de

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Die Stieftochter {Turkmenistan}

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Die faule Frau {China}

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Zwei FrĂśsche {Japan}

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Der Ruf des Kuckucks {Armenien}

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Das GlĂźck lag am Weg {Turkistan}

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Das Gleichnis von Frauen {Dagestan}

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Wie der Bauer Groschenklauber Geburtstag feierte {China}

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Turkmenistan

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iner sagt: Das hat sich wahrhaftig zugetragen, ein anderer sagt: das ist nie geschehen, ihr aber hört, was ich euch erzähle. Einmal begab sich folgende Geschichte. Die Frau eines Daichan schenkte einer Tochter das Leben und starb kurz nach der Niederkunft. Der Mann heiratete ein zweites Mal. Auch seine zweite Frau gebar ihm eine Tochter. Die Jahre vergingen, und beide Mädchen wuchsen heran. Die Stiefmutter mochte die Stieftochter nicht leiden, hieß sie die Ziegen hüten und alle schweren Arbeiten verrichten, ihre eigene Tochter aber umhegte sie, denn sie hoffte, sie mit dem Sohn eines reichen Mannes zu vermählen. So vergingen die Tage. Ein Mädchen verbrachte die Zeit mit Muße und Faulenzerei, die andere hingegen mit Arbeit und Mühe. Eines Tages sagte die Stiefmutter zu ihrer Stieftochter: „Möge dich doch die Erde verschlingen, du Nichtstuerin! Warum reinigst du so wenig Baumwolle, wenn du die Ziegen hütest?“ Sie schleppte einen riesengroßen Ballen Baumwolle herbei und sprach: „Wenn du bis zum Abend dies alles nicht von den Samen reinigst, so komm erst gar nicht heim! Achte darauf, dass kein einziges Samenkorn verloren geht und dass keine einzige Baumwollfaser vom Winde davongetragen wird!“ Das Mädchen wälzte sich den Ballen auf den Rücken und trieb die Ziege mit dem Zieglein zur Weide. Immer tiefer beugte sich das Mädchen unter der schweren Last und weinte leise vor sich hin: „Wie soll ich an einem einzigen Tag nur so viel Baumwolle verlesen? Das schaffe ich nicht einmal in zwei Tagen!“ Das Zieglein vernahm ihre Klagen und sprach: „Weine nicht, Aibibi, ich will dir in deiner Not beistehen. Sobald wir auf die Weide kommen, rupfe ich Gras, um meinen Hunger zu stillen, und will dann die Baumwolle kauen und reinigen.“ Gesagt getan. Als das Zieglein am Gras seinen Hunger gestillt hatte, schüttete das Mädchen vor ihm die Baumwolle aus, und das Tier begann zu kauen. Das​ Mädchen sammelte jedes Häuflein gereinigte Baumwollfasern und jedes Samenkorn auf und sortierte sie in eigens dafür bestimmte Säcke. Abends brachte sie beide Säcke heim und gab sie der Stiefmutter. Die Stiefmutter erstaunte die Gewandtheit der Stieftochter, und so gab sie ihr am anderen Morgen einen ebenso großen Ballen wie tags zuvor. Sie sagte: „Wenn du so flink bist, macht es dir sicher nichts aus, die Baumwolle zu reinigen und die Fasern zu spinnen. Schaffst du es nicht, so komm erst gar nicht heim!“ Aibibi lud sich den schweren Ballen auf den Rücken und ging weinend auf die Weide. „Weine nicht, Aibibi.“ Das Zieglein suchte sie zu trösten. „Ich kann nicht nur Fasern von Samenkörnern scheiden, ich kann auch mit der Zunge den Faden zwirnen.“ Nachdem es sich nach Herzenslust am frischen Gras erquickt hatte, machte sich das Zieglein ans Werk. Bald hingen aus seinem Mäulchen fein gezwirnte Fäden, und das Mädchen wickelte große Garnknäuel auf.

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Gegen Abend war das Tagewerk vollbracht, und Aibibi brachte der Stiefmutter das fertige Garn. Wieder verblüffte die Stiefmutter die Gewandtheit der Stieftochter. Am nächsten Morgen gab sie dem Mädchen abermals einen riesigen Ballen Baumwolle und befahl ihr, am Abend das fertige Garn heimzubringen. Nachdem sich das Zieglein am Gras gestärkt hatte, machte es sich ans Werk und noch vor Sonnenuntergang hatte das Mädchen das Garn aufgewickelt. Doch da brach unver-sehens ein Sturmwind los, packte ein Knäuel und trieb es den schmalen Gebirgspfad entlang. Das Mädchen wusste, dass die Stiefmutter das gesponnene Garn abwiegen würde. Deshalb eilte sie dem Knäuel nach. Es rollte jedoch immer rascher über die Felder und durch die Aryks, bis es zu einer einsamen Kibitka gelangte, über die Schwelle sprang und darin verschwand. Das Mädchen schaute in die Kibitka und erblickte auf einer Koschma eine Greisin mit zerzaustem grauem Haar. „Ene-dshan“, wandte sich das Mädchen an die alte Frau. „Ich wünsche dir Gesundheit und ein langes Leben! Mein Garnknäuel ist in deine Kibitka gerollt. Wenn ich es nicht heimbringe, wird mich die Stiefmutter aus dem Hause jagen.“ Antwortete die Greisin: „Dein Knäuel liegt in der Truhe, Töchterchen! Hol es heraus und ziehe in Frieden heim.“ Das Mädchen näherte sich der Truhe, öffnete den Deckel und erstarrte vor Staunen: Die Truhe war mit Gold- und Silberschmuck und mit Edelsteinen gefüllt. Die Greisin saß mit dem Rücken zur Truhe. Doch das Mädchen berührte nichts, holte vielmehr nur sein Garnknäuel heraus und nahm Abschied von der Greisin. „Verweile noch ein wenig, mein Kind“, bat die alte Frau. „Schließe mir zuerst den Rauchfang, meine Kraft reicht nicht mehr dafür.“ Das Mädchen streckte seine Hand nach der Schnur aus, um den Rauch-

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fang mit einem Filz zu schließen, doch da es ihr nicht gelingen wollte, legte sie das Knäuel auf den Boden und schob mit Mühe den Filz zurecht. „Jetzt reiße mir alle Haare aus“, sagte die Greisin, „ich möchte nicht länger so zerzaust umhergehen.“ Das Mädchen brachte Wasser im Kessel zum Sieden, wusch der alten Frau den Kopf und strähnte ihr Haar. „Kind“, sagte die Alte, „ich lass dich ziehen, wenn du mir mein Geschirr zerschlägst, die Truhe zersägst, die Bettdecke zerschneidest und die Wolle herauszerrst.“ - „Wie du meinst, Großmutter“, gab das Mädchen zur Antwort und wusch also gleich das Geschirr, säuberte die Truhe und schüttelte alle Decken und Kissen der alten Frau auf. Nachdem sie die Kibitka aufgeräumt hatte, sagte sie: „Ene-dshan, nun lass mich heim, sonst geht die Ziege ohne mich von der Weide.Wenn sie die Saat niedertrampelt, lassen es mich die Stiefmutter und Vater entgelten.“ - „Schön, mein Kind“, entgegnete die Alte. „Ziehe in Frieden dahin. Zuerst kommst du an einen Aryk und später an einen breiten Jap.Wasche im Aryk dein Antlitz und spüle dein Kleid, durch den Jap aber laufe rasch hindurch und schließe dabei fest die Augen. Nun geh, mein Kind.“ Das Mädchen trat ans Tageslicht, da war die Kibitka verschwunden. Mutterseelenallein stand das schöne Kind in der Wüste. Es schritt aufs Geratewohl aus, erblickte alsbald einen so schmalen Aryk, dass man ihn leicht überspringen konnte. Das Mädchen ließ sich jedoch am Ufer nieder, wusch sich Gesicht und Hände


und spülte sein verschlissenes Kleidchen. Dann ging es weiter fürbass und erblickte unvermittelt vor sich einen breiten Jap. Es kniff die Augen fest zusammen und lief rasch hindurch. Als es die Lider hob, lag vor ihm die Weide, auf der die Ziege mit dem Zieglein ihrer harrte. Das Mädchen sammelte flugs seine Garnknäuel ein und trieb Ziege und Zieglein heim. Als die Stiefmutter Aibibi erblickte, sperrte sie vor Staunen den Mund weit auf: Vor ihr stand eine holde Jungfrau im seidenen Kleid und ihr mit Edelsteinen besetzter Gold- und Silberschmuck funkelte im Abendsonnenschein. „Wo hast du das alles her, mein Geißlein“, fragte sie mit gespielter Schmeichelei die Stieftochter. Das Mädchen glaubte, die Stiefmutter meine es ehrlich, und gestand, dass an allem der Wirbelwind schuld gewesen sei, der ein Garnknäuel gepackt und es bis zur Kibitka der einsamen alten Frau gejagt hatte. Anderntags hieß die Stiefmutter die Stieftochter daheim bleiben, um ihre eigene Tochter auf die Weide zu schicken. Sie gab ihr frische Fladen und ein Garnknäuel und sprach: „Bleib so lange auf der Weide sitzen, bis der Wirbelwind dein Garnknäuel forttreibt. Wenn es davon rollt, so lauf hinterdrein.“ - „Ich will aber nicht die Ziege weiden!“ schrie die Tochter. „Mag Aibibi das tun! Wenn du mich zur Hirtin machst, wird mich kein einziger Beisohn zum Eheweib wollen!“ Freundlich hub die Mutter an, ihr zuzureden: „Meine kleine dumme Gazelle, ich will doch nur dein Glück! Sollst nur einen einzigen Tag auf der Weide sitzen, dann wird dich die Alte noch reicher beschenken, als Aibibi.“ Die Tochter überwand ihre Faulheit und trieb die Ziege mit dem Zieglein auf die Weide. Das Bündel mit den frischen Fladen und dem Garnknäuel erschien ihr jedoch über die Maßen schwer, und sie beschloss, es sich leichter zu machen. Doch da es ihr leid tat, die Fladen an die hungrigen Tauben, die auf den Bäumen saßen, zu verteilen, wickelte sie vom Garnknäuel lange Fäden, riss sie ab und hängte sie auf die Steine am Wegesrand und an die Zweige der Feldulmen. So gelangte sie zu einem Schatten spendenden Baum. Gras für Ziege und Zieglein wuchs dort zwar nicht, doch das Mädchen ließ sich erleichtert unter dem Baum nieder und legte das halbabgewickelte Garnknäuel neben sich. Dann verzehrte es die Fladen. Als der Tag sich neigte, war die Tochter der Stiefmutter unter dem Baum ausgeschlafen und wollte sich schon auf den

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Heimweg machen, als plötzlich ein Wirbelwind aufkam, ihr kleines Knäuel packte und es auf einem schmalen Pfad vor sich hintrieb. Das Mädchen erinnerte sich der Ermahnungen der Mutter, lief dem Knäuel nach und gelangte an eine einsame Kibitka. Als es eintrat, erblickte es eine zerzauste alte Frau. Das Mädchen erschrak und wollte sich zum Gehen wenden, aber die Alte fragte: „Kindchen, was suchst du hier?“ „Was fragst du, als hättest du nichts gesehen!“ erwiderte die Tochter der Stiefmutter. „Mein Garnknäuel ist in deine Kibitka gerollt.“ - „Dort in der Truhe findest du dein Knäuel“, bedeutete ihr die alte Frau. Die Tochter der Stiefmutter hob den Deckel der Truhe an und sah, dass sie mit Gold- und Silberschmuck und mit Edelsteinen gefüllt war. Der Schmuck stach ihr so in die Augen, dass sie heimlich ein paar Schmuckstücke nahm und unter der Achsel verbarg. Dann holte sie das Garnknäuel aus der Truhe und wollte rasch davonlaufen. Doch die alte Frau hielt sie zurück: „Kind, eile nicht so, fort zu kommen. Schließe mir zuerst den Rauchfang.“ Da die Tochter der Stiefmutter schnell fortwollte, zerrte sie mit beiden Händen an der Schnur. Da rutschten ihr die Schmuckstücke, die sie aus der Truhe gestohlen hatte, auf den Boden. Die alte Frau hob sie auf und sprach: „Jetzt reiße mir all meine Haare aus, Kind.“ Die Tochter der Stiefmutter war so wütend über die Alte, dass sie ihr das Haar büschelweise ausriss. Als die alte Frau kein einziges Haar mehr auf dem Kopf hatte, sagte sie ruhig: „Jetzt zerschlage all mein Geschirr, Kind, zersäge meine Truhe, trenne die Kissen und Decken auf und zerre die Wolle heraus.“ Diesen Wunsch der verhassten alten Frau erfüllte die Tochter der Stiefmutter mit größter Freude und, als in der Kibitka alles zerbrochen, zerrissen und ausgestreut herumlag, sprach die alte Frau: „Hab Dank, mein Kind. Möge dein Glück aus demselben Gold sein wie dein Herz! Ich will dir Schönheit schenken. Auf dem Heimweg gelangst du an einen Aryk. Schließe fest die Augen und spring rasch über ihn hinweg. Dann kommst du an einen breiten Jap. Wasche Gesicht und




Hände in seinen Wellen und spüle dein Kleid in seinem Wasser. Wenn du heimkommst, so sage zu deinem Vater: ‚Halt fest!‘ und zu deiner Mutter: ‚Schneid ab!‘“ Die Tochter der Stiefmutter trat aus der Kibitka und lief davon, so rasch sie ihre Füße trugen. Als sie den Aryk erreichte, kniff sie die Augen zusammen und sprang hinüber, wie die alte Frau sie geheißen, am Jap aber setzte sie sich nieder, wusch Gesicht und Hände und spülte ihr Kleid. Ziege und Zieglein waren inzwischen allein von der Weide heimgetrottet. Als die Tochter so lange nicht heimkehrte, ging die Stiefmutter gemeinsam mit ihrem Mann das Mädchen suchen. Bald kam sie ihnen entgegen in einem verschlissenen Kleid. Als die Eltern ihr ins Gesicht blickten, erschraken sie über die Maßen: Aus der Stirn des Mädchens wuchs ein Eselsohr. Die Mutter brach in heftige Tränen aus, dem Vater aber verschlug es vor Staunen die Sprache. So kehrten sie heim. Die Tochter der Stiefmutter erblickte sich im Spiegel und begann vor Schreck zu kreischen: „Vater, halt fest! Mutter, schneid ab!“ Der Vater packte die Tochter beim Eselsohr, und die Mutter schnitt es mit einem Messer ab. Doch alsbald wuchs der Tochter auf der Stirn ein neues fellbedecktes Ohr. Sooft sie es abschneiden mochten, es wuchs stets nach, und das Mädchen blieb verunstaltet. Die Stiefmutter hasste fortan die schöne Stiertochter noch mehr als zuvor. Sie erriet, dass das Zieglein dem Mädchen beigestanden hatte. Deshalb sagte sie eines Tages zu ihrem Mann: „Unser Zieglein ist groß und kräftig geworden. Wir könnten es eigentlich schlachten.“ Der Mann widersprach nicht. Aibibi begann laut zu weinen. Sie ging zum Zieglein und sagte unter Tränen: „Lieber Freund, die böse Stiefmutter hat befohlen, dich zu schlachten! Ich weiß einfach nicht, wie ich dich retten kann!“ - „Sei nicht betrübt, gute Aibibi“, erwiderte das Zieglein. „Hör zu, was ich dir sage. Wenn sie mich schlachten und das Fleisch verzehren, so sammle meine Knochen ein und verstecke sie auf dem Hof in dem verfallenen Tamdyr, dem Ofen, in dem die Stiefmutter früher Fladen gebacken hat. Wenn du einmal besonders traurig bist, so komm dorthin und betrachte meine Knöchelchen, dann wird dir leichter ums Herz.“ Am selben Abend noch schlachtete der Vater das Zieglein, und die Stief-mutter dünstete das Fleisch in einem großen Kessel. Aibibi konnte nicht mit ansehen, wie der Vater, die Stiefmutter und die Schwester das Zieglein verspeisten.Weinend ging sie in die Kibitka. Als die anderen schließlich gesättigt die Knochen in den Hof warfen, sammelte das Mädchen sie ein und versteckte sie in dem verfallenen Ofen, in dem die Stiefmutter früher Fladen gebacken hatte. Ein paar Monate gingen ins Land. Einmal, an einem Feiertag, legte Aibibi das seidene Kleid mit dem Goldschmuck an und erging sich im Freien. Just zu dieser Zeit war der Sohn des Padischahs in der Nähe auf Jagd. Er erblickte die holde Jungfrau, ihm schien, als erstrahle die Sonne über der Erde, und er entbrannte in

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heftiger Liebe zu ihr. Als der Sohn des Herrschers in den Palast zurückkehrte, sagte er zum Padischah: „Vater, ich bin zu dem Mädchen Aibibi in Liebe entbrannt.Wenn du mich nicht mit ihr vermählst, so sterbe ich vor Kummer.“ Der Padischah war bereit, seinen Sohn mit Aibibi zu vermählen und schickte Brautwerber zu ihrem Vater. Der Tag der Hochzeit rückte heran, und eine Kamelkarawane mit Geschenken wurde ausgeschickt, um das Mädchen an den Hof des Padischahs zu bringen. Die Stiefmutter setzte indes ihrem Mann zu: „Erst müssen wir die hässliche Tochter verheiraten, die schöne nimmt sowieso ein jeder.“ Der Mann war es zufrieden, und die Stiefmutter nahm der Stieftochter das seidene Kleid mit dem Goldschmuck fort, schmückte hastig die eigene Tochter, schnitt ihr das Eselsohr von der Stirn, verhüllte ihr Antlitz und setzte sie auf das geschmückte Kamel. Am selben Abend noch führten sie die Braut in das Schlafgemach des Bräutigams. Als der Sohn des Padischahs ihr ins Antlitz schauen wollte, wandte sie sich verschämt ab und begann hastig das Eselsohr, das ihr auf der Stirn nachgewachsen war, abzuknabbern. „Weshalb schaust du mich nicht an?“ fragte der Sohn des Padischahs. „Ich schäme mich!“ erwiderte die Missgestalt. „Und was kauest du da?“ „Mutter hat mir etwas geröstete Weizenkörner mitgegeben, damit ich unterwegs nicht so traurig bin“, antwortete sie. „Gib mir auch ein paar Körner“, bat der Sohn des Padischahs. „Ich esse gerösteten Weizen für mein Leben gern.“ - „Ich habe schon alles verzehrt“, entgegnete die Missgestalt hastig. Nachts träumte der Sohn des Padischahs, er schlafe in der Umarmung einer Eselin. Voller Schreck erwachte er und spürte ein Eselsohr unter seinem Kopf. „Das ist also kein Traum!“ schrie er und schlug das Eselsohr mit seinem Schwert ab, doch es wuchs alsbald nach. Da musste die Tochter der Stiefmutter dem Sohn des Padischahs alles gestehen. Der erzürnte Bräutigam befahl, die Missgestalt unverzüglich ihren Eltern zurückzubringen und ihm die richtige Braut zuzuführen. Die ausgesandten Jessaule brachten der Stiefmutter die Tochter zurück und fragten drohend: „Wo hältst du die Braut des Padischah-Sohnes verborgen?“ Die Stiefmutter wurde schwarz vor Wut und schrie: „Wenn der Sohn des Padischahs gewillt ist, ein Mädchen zu ehelichen, das nach Mist stinkt, dann sucht sie nur auf der Weide, wo sie die Ziegen hütet!“ Die Jessaule machten sich auf die Suche nach dem Mädchen und brachten sie heim, auf dass sie sich umkleide. Doch außer dem seidenen Kleid, das die Stiefmutter ihr abgenommen hatte, besaß Aibibi nichts. So blieb sie in ihrem verschlissenen Kleidchen. Bevor die Jungfrau das Vaterhaus auf immer verließ, ging sie zum Tamdyr, um Abschied zu nehmen von den Knöchelchen des Ziegleins. Als sie in den Ofen schaute, erblickte sie jedoch statt der Knöchelchen ein silberbesticktes, mit Gold und Edelsteinen besetztes, rotseidenes Gewand. Als die schöne Aibibi in den Palast gebracht

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wurde, schloss der Padischah für einen Augenblick gar die Augen, so schön war die Braut. Er befahl zum Hochzeitsfeste zu rüsten, und es währte vierzig Tage und vierzig Nächte. Auch ich war zu diesem Festmahl geladen. Die Dienerinnen haben mir eine Platte mit Pilaw und eine Hammellende in den Hof getragen. Als ich heimwärts wankte, stolperte ich und verstreute den Pilaw im Sande. Kam ein Hund gerannt, packte das Lendenstück und trug es fort. So kam ich von der Festtafel hungrig in euren Ort.

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China

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s lebte mal eine Frau, die war so schrecklich faul, dass sie schließlich an ihrer Faulheit starb. Sie wollte überhaupt nichts machen, sie wusch keine Töpfe, fegte den Boden nicht, machte nicht das Bett, am liebsten hätte sie ununterbrochen gegessen und geschlafen. Einmal, es war gerade vor Neujahr, sprach ihr Mann zu ihr: „Anderswo hat man überall die Kinder schön gewickelt. Warum tust du das nicht auch mit unseren Kindern?“ „Wenn ich ein Stück Leinwand hätte, hätte ich sie schon längst gewickelt“, sagte die Frau. Der Mann erwiderte kein Wort, er ging in die Stadt und kaufte einen Ballen Leinwand. Die Frau nahm die Leinwand, wickelte alle drei Kinder hinein und machte aus ihnen ein Päckchen. Der Mann wollte sie auf die Beine stellen, doch die Kinder fielen um. „Du hast wirklich keine Ahnung, wie man mit Kindern umgeht“, maulte die Frau, „du musst sie doch über den Boden rollen!“ Der Mann unterdrückte seinen Zorn und ging fort. Ein andermal kam er nach Hause und sagte: „Andere Frauen stricken für ihre Männer Strümpfe, nur du machst mir nie welche!“ „Ich wollte dir schon längst Strümpfe stricken, doch ich habe keine Wolle“, erwiderte die Frau giftig. Der Mann ging also in die Stadt und brachte seiner Frau einen Knäuel Wolle. Die Frau nahm die Wolle, trug sie in den Tempel und wickelte sie um den Fuß einer Statue. Dann wollte sie der Statue die Strümpfe ausziehen, doch die saßen fest. Also kehrte sie ohne Strümpfe nach Hause zurück. „Wo sind meine Strümpfe?“ fragte der Mann. „Die Statue wollte sie um keinen Preis der Welt ausziehen“, antwortete die Frau. Der Mann schluckte seinen Zorn hinunter und ging fort. Eines Tages beschloss die Frau, ihre Mutter besuchen zu gehen. Und da der Weg weit war, buk ihr der Mann eine große Brezel und hing sie ihr um den Hals, damit sie nicht Hunger leide. Nach einigen Tagen erhielt der Mann die Nachricht, dass seine Frau unterwegs verhungert war. „Wie ist das möglich?“ jammerte der Mann, „ich habe ihr doch eine große Brezel gemacht!“ Und er ging, um nachzusehen, was geschehen war. Da stellte er fest, dass die Frau nur jenes Stück der Brezel gegessen hatte, das ihrem Mund am nächsten war, der Rest aber hing noch immer um ihren Hals. Sie war zu faul gewesen, die Brezel zu essen.

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Japan

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uf der Insel Hondo in Japan lebten zwei Frösche. Einer hauste in einem Graben außerhalb der Stadt Osaka, während - der andere in einem kristallklaren Strom wohnte, nahe bei Kioto. Keiner der Frösche wusste etwas vom andern, denn zwischen ihnen lag ein hoher Berg. Aber an demselben Tag, in genau demselben Augenblick beschloss jeder der zwei Frösche, über den Berg zu steigen, um die Stadt zu besuchen, die auf der anderen Seite lag. Der Frosch aus Osaka wollte die Stadt Kioto sehen, wo der Mikado - der Kaiser - seinen Palast hatte. Der Frosch aus Kioto wünschte Osaka zu sehen, wo es überhaupt keine Paläste gab. Am nächsten Morgen ganz früh zogen die Frösche los. Der eine Frosch ging auf dieser Seite des Berges hinauf, der andere auf jener. Der Weg war lang und beschwerlich, aber endlich erreichten sie die Spitze des Berges in genau demselben Augenblick und an derselben Stelle. Jeder Frosch setzte sich im hohen Gras nieder und glotzte eine lange Weile auf den andern. Endlich fragte der Frosch aus Osaka: „Wohin gehst du, vornehmer Wanderer?“ Der Frosch aus Kioto räusperte sich ein paar Mal, ehe er antwortete „nach Osaka, edler Wanderer.“ „Wirklich?“ rief der Frosch aus Osaka. „Dann lass dir sagen, dass deine Mühe sich nicht lohnt! Ich selbst komme von dort, es ist ein armseliger Ort, voll Grabenwasser.Was mich betrifft, ich will Kioto besuchen.“ „Wirklich Kioto?!“ quakte der Frosch aus dieser Stadt. „Es ist schon wahr, dass es in Kioto kein Grabenwasser gibt. Hast du je an einem Strom gelebt, der den ganzen Tag funkelt? Das ermüdet die Augen!“ Die zwei Frösche saßen da, glotzten einander an und redeten eine lange Zeit nichts. Dann seufzte der Frosch aus Osaka: „Bin ich schon eine Seite Berges heraufgeklettert, so möchte ich nicht die andere hinuntersteigen, wenn unten nichts Lohnenswertes zu sehen ist. Wenn wir wenigstens größere Tiere wären, dann könnten wir von unserer Höhe hinunterschauen und prüfen, ob die Stadt, die wir besuchen wollen, unsere weite Reise wert ist. Aber leider, ich kann über dieses hohe Gras nicht hinaussehen, und du kannst es auch nicht.“ Der Frosch aus Kioto räusperte sich in auffallender Weise und meinte schließlich: „Doch, wir werden es schaffen, mein Freund. Zwar sind wir beide sehr klein, aber

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wir Frösche aus Kioto sind berühmt wegen unserer Intelligenz. Lass mich eine Weile überlegen.“ Der Frosch aus Kioto schloss die Augen und dachte angestrengt nach; schließlich sagte er: „Ich habe es! Wenn du mir behilflich bist, mich auf meine Hinterbeine zu stellen, dann helfe ich auch dir, dass du auf deinen stehen kannst. So werden wir beide höher sein als das Gras, und jeder kann auf die Stadt hinunterschauen, die er zu besuchen wünscht.“ Nun richtete der Frosch aus Osaka seinen Blick auf die Stadt Kioto, und der Frosch aus Kioto richtete den seinen auf Osaka. Dann half einer dem andern, sich auf seine Hinterbeine zu stellen und stützte ihn mit seinen kurzen Vorderbeinen. Auf diese Weise standen die zwei Frösche einander lange Zeit gegenüber jeder betrachtete eine andere Stadt und hing seinen eigenen Gedanken nach. Aber die dummen Frösche hatten vergessen, dass sich ihre riesigen Augen beinahe an der Spitze ihrer Köpfe befanden. Jeder hatte den Blick auf die Stadt seiner Träume gerichtet gehabt, während er am Boden gehockt hatte. Aber jetzt, da er aufrecht stand, waren seine Augen nach hinten gerichtet, und jeder der beiden Frösche blickte auf die Stadt, aus der er soeben gekommen war. „Pff!“ quakte der Frosch aus Osaka enttäuscht. „Was sehe ich? Kioto schaut ja aus wie die Zwillingsschwester meines alten Osaka. Ich kann mir die Reise wirklich ersparen.“ „Pff!“ quakte auch der Frosch aus Kioto enttäuscht. „Was sehe ich? Osaka schaut genauso aus wie Kioto. Da kann ich mir die mühsame Reise dorthin ersparen.“ Damit ließ jeder der Frösche den andern los, und beide plumpsten ins hohe Gras. Dann, da sie ja beide Japaner waren, verneigten sie sich höflich voreinander und gingen auf getrennten Wegen heimwärts. Bis zum letzten Tag ihres Lebens glaubten die zwei Frösche, dass die Städte Kioto und Osaka einander glichen wie zwei Eier. Keiner der Frösche erfuhr jemals, dass er sich geirrt hatte.

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DEr Ruf des Kuckucks Armenien

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s waren einmal zwei bettelarme Brüder. Als ihre Not zu groß wurde, kamen sie überein, dass der ältere sich eine Arbeit bei einem Bauern suchen und sich als Knecht verdingen sollte, dem jüngeren sollte er dann von seinem Verdienst nach Hause schicken - so gedachten sie beide, endlich besser leben zu können. Sie sagten es, sie taten es. Der jüngere Bruder blieb zu Hause und hielt da alles in bester Ordnung. Der ältere Bruder aber wanderte in die Welt hinaus und verdingte sich bei einem reichen Bauern. Es wurde abgemacht, dass er bis zum Frühjahr arbeiten sollte, aber sein Herr stellte eine Bedingung und sagte: „Derjenige von uns muss zahlen, den in dieser Zeit einmal der Zorn packt. Werde ich selbst wütend, dann zahle ich dir tausend Rubel, wirst du wütend, dann zahlst du mir tausend.“ „Soviel Geld habe ich ja gar nicht“, erwiderte der Knecht. „Das ist einfach“, sagte der Herr, „statt der tausend Rubel arbeitest du eben zehn Jahre lang ohne Bezahlung!“ Dem Knecht war nicht wohl bei dem Gedanken. Dann aber dachte er bei sich: „Hm, wird der Herr wütend, muss er mir tausend Rubel zahlen, ein hübsches Sümmchen. Und ich - ich werde eben niemals wütend, was da auch kommen mag.“ So nahm er die Bedingung an. Der Herr schickte den Knecht am nächsten Morgen gleich aufs Feld. „Nimm die Sense“, sagte er, „und mähe fleißig, bis es dunkel wird!“ Der Knecht arbeitete mit großem Fleiß den ganzen langen Tag auf dem Feld und kehrte erst abends müde nach Hause. „Warum kommst du schon vom Feld?“ fragte der Herr. „Nun, die Sonne ist doch untergegangen!“ „Du hast wohl nicht auf meine Worte gehört“, sagte der Herr. „Ich habe dir gesagt, mähe fleißig - bis es dunkel wird! Es ist aber nicht dunkel geworden! Die Sonne ging unter und der Mond ging auf. Der Mond leuchtet schön, man kann gut dabei mähen!“ „Das ist ja allerhand“, sagte der Knecht, „kann man denn überhaupt nicht ausruhen?“ „Du wirst wohl wütend?“ fragte prüfend der Herr. „Nein, nein, ich werde nicht wütend,... ich bin nur sehr müde,… will etwas ruhen…, müde nur…“, erwiderte der Knecht mit stockender und unsicherer Stimme und ging wieder aufs Feld hinaus. Er mähte, bis der Mond unterging und die Sonne wieder aufging. Dann sank er erschöpft ins Gras. „Verflucht seien dein Feld, dein Brot und dein Geld!“ Kaum aber hatte der Knecht diesen Fluch getan, da stand plötzlich der Herr vor ihm. Der hatte in einem Versteck gesessen und gelauert. „Nun bist du also

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doch wütend geworden! Entweder zahlst du mir jetzt tausend Rubel oder du arbeitest noch zehn Jahre lang ohne Bezahlung!“ Nun wusste der Knecht nicht mehr weiter. Geld hatte er nicht, und bei einem solchen Herrn arbeiten, dies konnte man auch nicht, dies wollte er auf keinen Fall mehr.Vieles überlegte er, vieles verwarf er. Schließlich schrieb er dem Herrn einen Schuldschein über tausend Rubel aus und kehrte mit leeren Händen nach Hause zurück. „Nun, wie geht‘s?“ fragte der jüngere Bruder. Da erzählte der ältere ihm die ganze Geschichte. „Sei nicht traurig, es gibt Schlimmeres!“ sagte der jüngere Bruder. „Bleib du nur jetzt zu hause und versorge hier die Wirtschaft! Ich werde mich aufmachen und mich bei diesem Herrn als Knecht verdingen.“ Der reiche Bauer stellte wieder die gleiche Bedingung.Wird der Herr wütend, dann muss er tausend Rubel zahlen und den Knecht sofort freilassen. Wird der Knecht wütend, dann zahlt er an den Herrn tausend Rubel oder er arbeitet für ihn zehn Jahre lang ohne Bezahlung. Der jüngere Bruder hörte sich alles aufmerksam an und sagte dann: „Tausend Rubel sind zu wenig! Wenn du wütend wirst, zahlst du mir zweitausend Rubel, wenn ich wütend werde, zahle ich dir zweitausend Rubel oder arbeite bei dir zwanzig Jahre lang ohne Bezahlung!“ Der Herr freute sich insgeheim, war sofort damit einverstanden und nahm den jüngeren Bruder als Knecht an. Die Sonne ging auf am nächsten Tag, der Knecht aber schlief. Die Sonne stieg höher, der Knecht schlief immer noch. Der Herr hatte schon mehrfach versucht, ihn zu wecken, aber vergebens. „Steh auf!“ rief er, „es ist bald Mittag, und du schläfst noch.“ Der Knecht öffnete die Augen und fragte: „Warum bist du denn so wütend?“ „Ich bin doch nicht wütend“, sagte mit gereizter Stimme der Herr, „ich wollte nur sagen, dass es Zeit ist, aufs Feld zu gehen.“ „Es hat alles keine Eile“, antworte der Knecht, erhob sich und zog langsam seine Stiefel an.

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„So geht das aber nicht, mach schneller!“ ließ sich wieder der Herr vernehmen. „Was, du wirst wütend?“ „Nein, nein, wütend nicht. Ich will ja nur sagen, dass du zu spät zur Arbeit kommst!“ „Das ist etwas ganz anderes“, sagte der Knecht, „aber du weißt, unsere Verabredung gilt!“ Er reckte sich und streckte sich und machte sich in aller Ruhe fertig zur Arbeit. Aber erst gegen Mittag war er so weit, dass er hätte auf Feld gehen können. „Es lohnt jetzt nicht mehr, mit der Arbeit anzufangen. Alle Leute essen schon zu Mittag. Komm, lass uns auch erst essen!“ sagte da der Knecht zu seinem Herrn. Sie setzten sich zu Tisch. Nach dem Essen gingen beide aufs Feld. Dort angekommen, sagte der Knecht: „Wir sind Leute die schwer arbeiten und sich abrackern.Wir müssen daher nach dem Mittagessen ruhen und Kräfte sammeln.“ Sprach‘s, legte seinen Kopf ins Gras und schlief bis zum Abend. Der Herr hielt es schließlich nicht mehr aus und weckte den Knecht: „Das ist ja eine Schande! Alle haben ihre Felder gemäht, nur meines ist ungemäht geblieben. Es wird ja schon dunkel!“ Der Knecht hob den Kopf und fragte: „Bist du etwas wütend?“ „Nein, nein, wütend bin ich nicht. Ich, ich meine nur, es ist dunkel und Zeit, nach Hause zu gehen!“ Dort war inzwischen ein Gast eingetroffen, der musste bewirtet werden. Der Herr schickte den Knecht in den Stall und befahl ihm, ein Schaf zu schlachten. „Welches?“ fragte der Knecht. „Welches du gerade erwischst“ Der Knecht ging in den Stall. Nach einer Weile kamen Nachbarn angelaufen und meldeten: „Dein Knecht ist wohl verrückt geworden! Er schlachtet alle deine Schafe im Stall, eines nach dem anderen!“ Der Herr war entsetzt, lief in den Stall und sah, dass der Knecht seine ganze Herde geschlachtet hatte. Großer Zorn kam über ihn und er fluchte: „Du Elender! Was hast du getan? Dich soll die Erde verschlingen!“ Seelenruhig erwiderte der Knecht: „Du hast selbst gesagt: „Welches du erwischst, das schlachte!“ Und mit einer breiten Handbewegung zeigte er auf die geschlachteten Schafe: „Siehe, ich habe sie alle erwischt! Aber ich sehe: Du bist ja wütend!“ „Nein, nein, ich bin nicht wütend. Ich bin nur traurig, dass du die ganze Herde umgebracht hast“, sagte daraufhin der Herr, der vor Zorn rot und gelb war im Gesicht. „Na schön“, meinte der Knecht, „wenn du nicht wütend bist, so will ich auch bei dir weiterarbeiten.“ Nach mehreren Monaten war der Herr ganz ratlos und wusste nicht, wie er seine Wut noch länger verbergen sollte, denn der Knecht kam jeden Tag auf neue unmögliche Dinge. Er entschloss sich, den Knecht so bald wie möglich loszu-

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werden. Sie hatten aber damals vereinbart, dass der Knecht bis zum ersten Kuckucksruf im Frühjahr bleiben sollte. Vorher konnte, wenn keiner wütend wurde, der Arbeitsvertrag von keinem gekündigt werden. Bis zum ersten Kuckucksruf war aber noch eine lange Zeit, denn der Winter fing eben erst an. Da grübelte der Herr lange nach, wie er dem Knecht einen Streich spielen könnte. Bald hatte er einen guten Gedanken. Er führte sein Frau in den Wald, ließ sie auf einen Baum klettern und befahl ihr, sich dort gut zu verstecken und laut wie ein Kuckuck zu rufen. Er selbst ging wieder nach Haus, lud zwei Büchsen und sagte zu dem Knecht, er sollte mit ihm zur Jagd gehen. Kaum waren sie im Walde, da rief die Frau des Herrn von einem hohen Baum „Kuckuck, Kuckuck!“ Der Herr tat recht erstaunt und sagte: „Oh, der Kuckuck ruft! Deine Dienstzeit ist um! Ich gratuliere dir!“ Der Knecht hatte aber den Streich bereits durchschaut. „Nein“, sagte er, „ein Kuckuck im Winter? Hat man so etwas schon gehört? Diesen Kuckuck muss ich gleich schießen! Das will ich unbedingt sehen, was das für ein Vogel ist!“ Und er legte an und zielte genau auf den Baum, auf dem die Frau saß. Mit einem Schrei stürzte sich da der Herr auf ihn und riss ihm das Gewehr weg: „Du Räuber! Dass dich der Teufel hole! Du hast mich ganz krank gemacht!“ „Ich sehe, du bist wütend!“ sagte der Knecht. „Ja, ja, ich bin wütend!“ rief da der Herr und konnte nicht mehr an sich halten: „Komm her, ich zahle dir zweitausend Rubel aus! Auf deine Dienste verzichte ich, aber lass mich in Zukunft ungeschoren!“ Und bei diesen Worten platzte er fast vor Wut. Der jüngere Bruder strich lachend die zweitausend Rubel ein, zahlte die Schuld seines Bruders und machte sich mit tausend Rubel zufrieden auf den Heimweg.




Turkistan

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s war einmal ein Mann, der war mit seinem Schicksal nicht zufrieden. „Es ist ungerecht verteilt auf der Welt!“ sagte er. „Gott hat es nicht gut eingerichtet. Die einen sind reich und gesund und brauchen nicht zu arbeiten, die anderen aber sind arm und müssen Tag für Tag soviel schuften, dass sie auch noch krank werden. Und ich, ich habe auch zu wenig!“ Von Tag zu Tag wurde der Mann unzufriedener, und schließlich beschloss er, zu Gott zu gehen und sich bei ihm zu beschweren. Er machte den Weg ausfindig, und am nächsten Morgen brach er auf. Der Weg führte ihn zuerst durch einen großen, dichten Wald. In einem Tal inmitten des Waldes begegnete ihm ein Wolf. „Wohin gehst du?“ fragte der Wolf. „Ich gehe zu Gott, um mich zu beschweren!“ erwiderte der Mann. „Denn er hat es ungerecht eingerichtet auf der Welt: Die einen haben alles, die anderen nichts, und ich habe auch viel zu wenig!“ „Ich auch“, meinte der Wolf. „Weißt du, ich lebe nun schon viele Jahre hier in diesem Wald, aber ich habe noch kein einziges Lebewesen zu fressen bekommen, immer nur Wurzeln, Beeren, Pilze oder Kräuter.Vielleicht kann Gott dir sagen, was geschehen muss, damit ich endlich ein Lebewesen zu fressen bekomme?“ „Ich will deine Frage mitnehmen“, versprach der Mann, und dann setzte er seinen Weg fort. Er verließ den Wald und kam an einen See. Am Ende des Sees stand eine einsame Hütte, und davor saß eine junge Frau. Sie hatte ein sehr schönes, aber sehr ernstes Gesicht. Als sie den Mann erblickte, fragte sie ihn: „Wohin gehst du?“ „Ich gehe zu Gott, um mich zu beschweren!“ antwortete der Mann. „Denn es ist ungerecht verteilt auf der Welt: Die einen haben alles, die anderen nichts, und ich habe auch viel zu wenig!“ „Dann könntest du auch von mir eine Frage mitnehmen“, bat sie. „Weißt du, ich lebe hier in diesem Häuschen, und es geht mir eigentlich gut, aber seit ich mich erinnern kann, habe ich noch niemals gelacht. Vielleicht kann Gott dir verraten, was geschehen muss, damit ich lachen lerne.“ „Ich will deine Frage mitnehmen“, versprach der Mann, und dann setzte er seinen Weg fort. Er stieg nun hinauf ins Gebirge und erreichte schließlich einen breiten, reißenden Bergbach. Er musste eine Weile suchen, bis er eine Stelle fand, wo er den Bach überqueren konnte. Am anderen Ufer stand ein Baum, und der Mann streckte sich aus, um ein wenig im Schatten des Baumes zu rasten. Da hörte er, wie der Wind in den Blättern des Baumes rauschte, und im Rauschen des Windes war es ihm, als spräche der Baum zu ihm. „Du gehst zu Gott“, hörte er. „Ja, da hast du ganz recht“, antwortete er. „Ich gehe zu Gott, um mich zu beschweren, denn er hat es ungerecht eingerichtet auf der Welt: Die einen haben alles, die anderen nichts, und ich habe auch viel zu wenig!“ „Dann könntest du auch von mir eine Frage mitnehmen“, rauschte

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der Baum. „Weißt du, ich stehe hier ganz nah am Wasser, und ich strecke meine Wurzeln aus, so gut ich es vermag, aber trotzdem bin ich am Verdursten.Vielleicht kann Gott dir verraten, was geschehen muss, damit ich endlich genug Wasser bekomme.“ „Ich will deine Frage mitnehmen“, versprach der Mann, und dann setzte er seinen Weg fort. Er stieg immer höher hinauf, überquerte einen hohen Pass und kam in ein hoch gelegenes, felsiges Tal. Dort war der Ort, wo er Gott begegnen konnte. Und der Mann war nicht schüchtern, er brachte all seine Anliegen vor. „Du hast es ungerecht eingerichtet auf der Welt!“ schimpfte er. „Die einen haben alles und und die anderen nichts, und ich habe auch viel zu wenig!“ Und Gott hörte ihm geduldig zu. Schließlich vernahm der Mann eine Antwort. „Vielleicht hast du recht“, hörte er. „Geh nur heim, da wird dir dein Glück begegnen. Aber sieh zu, dass du es dann auch erkennst.“ „Daran wird es gewiss nicht fehlen!“ erwiderte der Mann. Dann stellte er noch die Fragen der drei anderen und bekam auch darauf Antwort. Und dann machte er sich rasch auf den Heimweg.

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Als er den Bergbach erreichte, rauschte ihm der Baum schon entgegen: „Nun, was hat Gott gesprochen? Wann werde ich endlich genügend Wasser bekommen?“ Der Mann antwortete: „Gott hat gesagt, dass unter deinen Wurzeln ein großer Klumpen Gold liegt. Den müsste jemand heraufholen, dann könntest du deine Wurzeln bis zum Wasser strecken.“ „Oh“, rauschte der Baum, „würdest du das für mich tun? Du könntest das Gold dann auch behalten.“ „Weißt du“, erwiderte der Mann, „ich möchte ja nicht ungefällig sein, aber Gott hat mir gesagt: ‚Geh heim, da wird dir dein Glück begegnen.‘ Ich muss mich also beeilen, es nicht zu verpassen, das wirst du sicher verstehen. Du weißt ja jetzt, was dir fehlt. Vielleicht komme ich mal zurück, oder ein anderer kommt vorbei und kann dir helfen. Viel Glück!“ Und der Mann überquerte den Bergbach, so schnell er konnte, und lief dann hinunter ins Tal. Er erreichte die Hütte am See. Die junge Frau erwartete ihn schon. „Nun“, fragte sie, „was hat Gott gesprochen? Wann werde ich lachen lernen?“ Der Mann antwortete: „Gott hat gesagt, dass du lachen wirst, wenn du einen Mann findest, der dir gefällt und dem du gefällst und mit dem du leben willst.“ „Oh!“ meinte die junge Frau. Sie schaute ihn an, und ein ganz feines Lächeln umspielte ihren Mund. „Weißt du, du gefällst mir gut, und du hast mir diese Nachricht gebracht. Bleib doch bei mir, und wir werden es gut haben miteinander!“ „Weißt du“, erwiderte der Mann und kratzte sich verlegen, „es ist nicht so, dass du mir nicht gefällst. Aber Gott hat mir gesagt: ‚Geh heim, da wird dir dein Glück begegnen.‘ Du wirst verstehen, dass ich jetzt nicht bei dir bleiben kann. Vielleicht komme ich in einer Woche wieder oder in zwei, oder du findest einen anderen. Du weißt ja jetzt, was du brauchst. Viel Glück!“ Und der Mann lief weiter, so schnell er konnte. Er kam in den großen, dichten Wald, und dort erwartete ihn bereits der Wolf. „Nun“, fragte er, „was hat Gott gesprochen? Wann werde ich endlich ein Lebewesen zu fressen bekommen?“ Der Mann antwortete: „Gott hat gesagt, du musst ein Lebewesen finden, das dumm genug ist, sich von dir fressen zu lassen.“ „Oh!“ rief der Wolf. „Einen dümmeren als dich finde ich bestimmt nie wieder!“ Und er fraß ihn auf mit Haut und Haaren.

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Dagestan

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in Bei besaß drei Frauen. Daheim gab es ewig Zank und Streit - der Bei wurde seines Lebens nicht mehr froh. Als er einmal durch den Aul schlenderte, erblickte er eine seltsame Szene: Ein Bauer pflügte seinen Acker, und wenn er eine Furche fertig hatte, tanzte er eine Lesginka. Der Bei dachte erstaunt: Ich bin reich, habe alles im Übermaß, aber ich kann nicht fröhlich sein wie dieser Mann! Worüber freut sich der Arme nur? Er näherte sich dem Ackersmann und fragte: „He, Pflüger, warum tanzt du nach jeder Furche eine Lesginka? Worüber freust du dich so?“ - „Besuche mich heute Abend, dann wirst du es erfahren“, entgegnete der Bauer. Als der Arme abends heimkehrte, begleitete ihn der Reiche. Am Hoftor empfing sie mit freundlichem Lächeln die Frau des Ackersmanns. Sie begrüßte den Gast, öffnete das Tor, spannte die Ochsen aus, führte achtungsvoll den Ehemann ins Haus, half ihm beim Waschen, beim Umkleiden und wies ihm den Ehrenplatz in der Sakija. Dann bereitete sie das Nachtmahl und bewirtete den Gast und ihren Mann. So sah der Bei, wie der Arme mit seinem Weib in Frieden und Eintracht lebte. Er beneidete ihn und begriff, weshalb der Ackersmann so fröhlich war. Ja, für so eine Frau ist man bereit, alles zu geben, dachte der Bei und sprach zum Bauern: „Jetzt verstehe ich, warum du so fröhlich bist. Höre, Ackersmann, ich habe drei Frauen und bin sehr reich, wollen wir nicht miteinander tauschen? Ich gebe dir meine Frauen und drei Arben voller Hab und Gut für jede, du aber überlässt mir deine Frau.“ Der Arme wollte nicht einwilligen, doch der Reiche bat so inständig und malte ihm die Vorzüge des Reichtums in so verlockenden Farben, dass der Bauer dachte: Wirklich, ich bin arm, ewig leide ich Mangel und kann kaum mein Weib ernähren. Ich werde mich mit ihr beraten, was sie zu dem Vorschlag sagt. Anfangs war die Frau gegen den Tausch, doch dann, als sie darüber nachdachte, stellte sie sich vor, was für Reichtümer ihrer harrten, wie viele schöne Kleider und Dienerinnen sie haben werde und dass sie den lieben langen Tag nicht mehr zu arbeiten brauchte. Und so willigte sie ein. Der Arme setzte seine Frau in eine Arba und brachte sie zum Bei. Unterwegs kamen sie an einen Fluss. Die Frau trug ihren Mann durch das Wasser. So erreichten sie das Haus des Bei. Der Bauer ließ seine Frau dort, nahm die drei Frauen des Bei mit sich und neun Arben voll Reichtümer und machte sich auf den Heimweg. Sie gelangten an den Fluss. Kaum erblickten die Frauen das Wasser, begannen sie zu wehklagen und waren bereit, ihren künftigen Mann wie einen Lastesel zu satteln, um nur nicht ihre Gewänder nass werden zu lassen. Der Arme widersetzte sich nicht. Er begann die Frauen durch den Fluss zu tragen. Er nahm die erste, ging ins Wasser, und als er in der Mitte des Flusses angelangt war, fragte er: „Nun, Weib, gestehe all deine Sünden!“ - „Was heißt Sünden?“ rief sie aus. „Ich habe keine begangen!“ - „Sprich die Wahrheit!“ verlangte der Bauer.

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„Sonst werfe ich dich in den Fluss!“ Da erschrak die Frau und bekannte: „Bei Allah, ich habe eine schlechte Gewohnheit. Mitunter stehle ich irgendetwas aus dem Haus und verkaufe es insgeheim.“ Wortlos trug der Arme sie ans andere Ufer. Dann kehrte er um, nahm die zweite Frau, trug sie ebenfalls bis zur Flussmitte und fragte: „Was hast du für Sünden auf dich geladen?“ Sosehr sich die Frau wehren mochte, der Bauer zwang auch sie zu einem Geständnis. „Bei Allah, ich habe eine Schwäche. Ich kann den Liebhabern nicht widerstehen.“ Der Bauer sah sie zornig an, schwieg jedoch und brachte sie ans gegenüberliegende Ufer. Nun war die dritte Frau an der Reihe. Die bekannte: „Bei Allah, ich klatsche gern und schwatze über andere. Andere Sünden habe ich nicht.“ Der Bauer warf sie in den Fluss, ging ans Ufer und setzte seinen Weg fort. Kaum waren sie daheim, legte der Bauer in der einen Stube ein Längenmaß auf den Tisch, stellte eine Waage daneben und dazu all sein Hab und Gut. Dann sagte er zur ersten Frau: „Hier hast du ein Längenmaß, eine Waage und all meinen Besitz. Nimm, soviel du willst, und verkaufe, was dir in den Sinn kommt. Du brauchst mir nichts zu verheimlichen.“ In der anderen Stube brach er das Fenster heraus, das in den Garten ging, setzte dafür eine Tür ein, rief die zweite Frau und sprach: „Hier hast du ein Zimmer und eine Tür für dich. Ich habe sie eingesetzt, damit sich dein künftiger Liebhaber nicht stößt, wenn er durchs Fenster einsteigen will. Außerdem sollen die Leute nicht über uns klatschen.“ Nachdem der Bauer so zu seinen Frauen gesprochen hatte, ging er auf seinen Acker. Als er fort war, überlegte die erste Frau, die gern Dinge aus dem Haus entwendete, um sie zu verkaufen: Mein Mann hindert mich an nichts. Ich kann tun und lassen, was ich will! Wie kann ich ihn da betrüben? Schließlich habe ich Gewissen. Also werde ich nicht mehr meine eigenen Sachen stehlen! Sie stellte das Längenmaß und die Waage fort und räumte die Sakija auf. Auch die zweite Frau begann nach dem Fortgang des Mannes nachzusinnen: Mein Mann lässt mir freien Willen! Wie kann ich da ein lockeres Leben führen? Nein, ich will fortan leben wie alle anständigen Frauen. Sie setzte das Fenster wieder ein und machte sich ebenfalls in der Wirtschaft zu schaffen. So verging einige Zeit. Der Bei beschloss, dem Armen einen Besuch abzustatten, denn er dachte bei sich: Jetzt tanzt er nach jeder Furche sicherlich keine Lesginka mehr, sondern vergießt bittere Tränen. Als der Bei am Acker des Bauern anlangte, sah er, wie jener pflügte und dabei Lesginka tanzte, so ungestüm, dass der Sand aufwirbelte. „Du tanzt noch immer? Was kann dich jetzt noch erfreuen?“ Der Bei war ehrlich erstaunt. „Komm heute Abend zu uns, da wirst du es sehen“, gab der Ackersmann spöttisch zur Antwort. Es wurde Abend, und der Bei zog mit dem Bauern heim. Kaum vernahmen die Frauen das Quietschen der Arba, eilten sie ans

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Tor. Die eine sperrte es auf, die andere nahm die Ochsen beim Zaum und führte sie in den Hof. Dann schirrten sie gemeinsam die Ochsen ab, halfen dem Mann beim Waschen und Umkleiden und wiesen ihm schließlich achtungsvoll den Ehrenplatz am Tisch. Der Bei war verblüfft. Was ist mit ihnen geschehen? Sie sind ja wie ausgewechselt! Nein, ich will sie auf die Probe stellen, dachte er und legte unter dem Tisch die Hand auf das Knie jener Frau, die ihm ewig untreu gewesen war. Sie holte aus, versetzte dem Bei eine schallende Ohrfeige und schrie ihn erzürnt an: „Hände weg. Unglückseliger! Die Zeiten sind vorbei. Ich bin nicht mehr deine Frau!“ Der Bauer lachte und erzählte dem verwirrten Bei alles, was sich zugetragen hatte. Der Ackersmann Schloss mit den Worten: „Wie es von der Frau abhängt, ob ihr Mann ein Würdiger oder ein Ehrloser ist, hängt es vom Manne ab, ob die Frau ihm Glück ins Haus bringt oder Sorgen.“ - „Wenn dem so ist, warum hast du dann eine Frau in den Fluss geworfen?“ rief der Bei aus. „Man kann eine Frau von allen Krankheiten heilen, nur von einer nicht, der üblen Nachrede“, entgegnete der Bauer. „Wenn sie dieses Leiden hat, hilft nur das Grab. Diese Heilung habe ich ihr zuteil werden lassen.“ Man erzählt sich, dass die einzige Frau des Bei nach einiger Zeit all die Schwächen bekam, an denen seine ehemaligen Frauen früher gelitten hatten.

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s war einmal ein Bauer, der war so unbeschreiblich geizig, dass er hinter jedem Groschen her war wie der Teufel hinter einer sündigen Seele. Die Leute hatten seinen richtigen Namen längst vergessen, und niemand nannte ihn anders als Bauer Groschenklauber. Der Geburtstag des Bauern Groschenklauber stand vor der Tür. Doch da der Apfel nicht weit vom Baum fällt und der Bauer seine Töchter und Schwiegersöhne genau kannte, rief er sie lieber vorher zu sich und schlug ihnen vor, dass ihm jeder Schwiegersohn zum Geburtstag einen Bottich Wein schenke. Da sagte sich der älteste Schwiegersohn: „Wenn die beiden jüngeren Schwiegersöhne dem Bauern je einen Bottich Wein schenken, könnte ich ihm einfach Wasser bringen, und wenn man den Wein aus allen Bottichen zusammenschüttet, wird es niemand merken.“ Doch der Teufel wollte es, dass die beiden jüngeren Schwiegersöhne, denen es ebenfalls um den Wein leid tat, den gleichen Einfall hatten. Währenddessen hatte der Bauer Groschenklauber im Hof eine große Tonne bereit gestellt, in die sollten die Schwiegersöhne den Wein hinein gießen. „Es schickt sich nicht, dass die Tonne ganz leer ist“, ging es dem Bauern Groschenklauber durch den Kopf. „Doch Wein hinein zu gießen, das wäre doch ewig schade. Wie wäre es, wenn ich ein bisschen Wasser hinein schütte, niemand wird etwas merken.“ Und das tat er dann auch. Am Geburtstag kamen die Schwiegersöhne zum Schwiegervater, beglückwünschten ihn, und wie besprochen leerte ein jeder den Inhalt seines Bottichs in die Tonne. Es wurde Mittag. Auf dem Tisch standen die dampfenden Schüsseln. „Ich muss jetzt ein Gläschen leeren“, sagte der Bauer Groschenklauber und trank mit Lust. Doch dann schüttelte er sich vor Abscheu. Das Zeug schmeckte, als wäre es pures Wasser. „Ich hätte kein Wasser hinein schütten sollen“, dachte sich der Bauer, aber laut sagte er: „Das ist aber wirklich ein vorzüglicher Wein, alles was recht ist!“ Nun schenkten sich auch die Schwiegersöhne die Gläser voll und tranken mit Lust. „Das ist abscheulich“, dachte sich ein jeder von ihnen, „wer hätte denn geglaubt, was so ein einziger Bottich Wasser anrichten kann!“ Doch sie wagten nicht, sich etwas anmerken zu lassen, sondern lobten den Wein überschwänglich. „Den muss ich auch kosten, wenn alle ihn so lieben „, sagte sich der Knecht, und heimlich, damit es niemand sehe, tat er einen tiefen Zug. Doch sofort spie er das Zeug wieder aus. „Pfui!“ machte er seinem Herzen Luft, „ich verstehe nicht, was die Herrschaften an so einem Gesöff finden!“

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