Campingtrip

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Dierhagen, 29.06.-04.07.2015

Campingtrip


Montag, 29. Juni




Dienstag, 30. Juni


SLAM-TEXT: DICHT-DICHT-DICHT. Alles begann damit, dass ich aus dem Zelt trat, wo ich die Teller und leeren Bolognese-Gläser verstaut hatte, und die Wodka-Flasche (der gute Wodka Gorbatschow, des Wodkas reinste Seele) schon zu einem Viertel leer war. R lächelte mich selig an und meinte, sie hätte den Himmel entdeckt: Wodka-Arizona. Sie hatte 1:4 umgedreht und trank nun etwas, dass beim Kosten eher an Desinfektionsmittel als an den Himmel erinnerte. Dreißig Minuten und eine heftige Diskussion über die Rechte Homosexueller später war die schöne Glasflasche halb leer, Rs Nase wurde nicht roter sondern immer farbvertiefender und J beschwerte sich, dass er bisher noch keinen Schluck getrunken habe und R alles alleine trinken würde. Rs Lachen daraufhin klang ziemlich verzweifelt. 15 Minuten später realisierten wir, dass die Nachtruhe schon vor einer Ewigkeit begonnen hatte und wir mit zwei betrunkenen Menschen in unserer Runde doch ziemlich laut waren. Woraufhin R beschloss, dass es Zeit sei, sich das erste Mal in die Büsche zu übergeben, bevor sie ins Zelt fiel und ich als beste Freundin in spe sie ins Bett zog. Meine kalten Tücher auf ihrer Stirn wurden ignoriert oder auch wirklich nicht wahrgenommen, jedenfalls begann R, sich in jedem zweiten Satz zu entschuldigen, gefolgt von Feststellungen, wie schrecklich das Leben und wie dicht sie sei. Auf Ts mehrfach wiederholte Nachfragen, wie dicht genau, gab es drei Antworten: dicht-dich, „Ich bin so dicht, ich kann die Zeltdecke nicht sehen“ oder auch ein Mal dicht-dicht-dich. Sie versicherte uns, Farben schmecken (und fühlen) zu können: Grün ist sehr geil. R begann, wie ein Wasserfall zu reden und benutzte dabei mehr Fremdwörter, als ich als frischgebackene


Abiturientin mit einem Deutschlehrer, der Fremdwörter mehr als sein Leben liebte, bisher gehört hatte. Als sie davon überzeugt war, trotz Armeedecke an Hypothermie zu sterben, überlegte ich doch schon fast, mir eine Fremdwörter-App herunterzuladen. Als sie endlich ruhig neben mir lag, da sie mit atmen beschäftigt war und dabei wie ein Pferd schnaubte, begann nun J als zweiter Betrunkener, sich auf seiner Luftmatratze hin und her zu schaukeln und vom DLRG-Typen am Strand zu schwärmen. Ich weiß nicht, wie oft mir in dieser Nacht „Alles ist gut“ über die Lippen kam. Mittlerweile hatten wir So-gut-wie-Nüchternen eine leere Familien-Eiskiste als Kotzbox bereitgestellt. Nachdem sich R das zweite Mal übergeben hatte, sprühte C das komplette Zelt mit Deo voll, um eine Kotz-Kettenreaktion von uns allen zu vermeiden. J und R beschlossen, auf Toilette zu gehen – irgendwie. Und so liefen wir bei Vollmondschein zu dritt Hand in Hand über die vom nächtlichen Tau feuchte Wiese – zwei betrunken, eine nüchtern. Wir spielten, wer am längsten leise ist, damit ich sie zwischen den Zelten der anderen endlich ruhig bekam. Ich begann, ernsthaft mit dem Gedanken zu spielen, auf den Vorschlag meines Vaters einzugehen und Sonderpädagogik zu studieren. Betrunkene sind ja auch nur Teilzeit-Geistigbehinderte und ich hatte mich noch nie so standhaft und gebraucht gefühlt wie bei Js gefühltem Seegang und den klammernden Fingern Rs an meiner Hüfte. In dem grellen Neonlicht der Campingplatz-Toiletten sah R fast noch betrunkener aus als sie sich benahm, aber immerhin kam sie noch allein in die Kabine. Laut J hatten wir auf den 50 Metern vom Zelt zur Toilette eine Weltreise zurückgelegt und in dem einen Zelt schliefen brummende Bären, obwohl es eigentlich nur die Surfer mit Swag waren, die über ihrem Bier eingenickt waren. Beide fielen wieder ins Zelt und während ich R in ihre Decke wickelte, stellte J fest, was für eine gute Mutti ich wäre. Und nach stundenlangem, betrunkenem Reden fielen die beiden endlich in einen betrunkenen Rausch, während wir anderen ebenfalls erschöpft einschliefen.


Mittwoch, 1. Juli




Donnerstag, 2. Juli


Freitag, 3. Juli




Samstag, 4. Juli



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