Kunsthaus Zürich, Diplomarbeit

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Kunsthaus Z端rich

Versuch einer Standortbestimmung der Institution Museum anhand des Realisierungswettbewerbes zur Erweiterung des Kunsthauses Z端rich

Englputzeder Michael



Kunsthaus Zürich

Versuch einer Standortbestimmung der Institution Museum anhand des Realisierungswettbewerbes zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich

Englputzeder Michael

DIPLOMARBEIT zur Erlangung des akademischen Grades eines DiplomIngenieurs Studienrichtung: Architektur Technische Universität Graz Erzherzog-Johann-Universität Fakultät für Architektur Betreuer: Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Arch. Hans Gangoly Institut für Gebäudelehre

3. Auflage Graz, November 2010



f端r meine Eltern


Inhalt Vorwort

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00 Einleitung

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Thematik, Grundlagen Aufbau der Arbeit

01 Stadtraum Zürich a stadtbaugeschichtlicher Abriss von ersten Siedlungsstrukturen zur barocken Stadt vom Eisenbahn- zum Industriezeitalter Aktuelle Entwicklungen und Strategien der Stadtplanung b Fokus Hochschulgebiet und Heimplatz Hochschulgebiet Bildungs- und Kulturmeile Heimplatz c Stadtraum, Kunsthaus + städtebauliche Entwicklung und Potenzial

02 Kunsthaus Zürich a Museen der Schweiz Tradition und Moderne aktuelle Schweizer Museumsarchitektur b Institution Kunsthaus Zürcher Kunstgesellschaft Sammlung c Kunsthausbau Wettbewerb und Ursprungsbau Erweiterungsbauten d Wettewerb, Kunsthaus + Aufgabe Raumprogramm Gebäudestruktur

012 015

016 018

028

040

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03 Kunsthaus +

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Axonometrien Grundrisse Schnitte Ansichten Modellfotos

076 080 086 098 104


04 Museum a über das Museum Ursprünge und Sammlungen Sammlungen und Macht vom Kult- zum Kunstobjekt die Institution Museum b Kunst und Leben, Öffnung der Museen Kunst und Lebenspraxis gesellschaftlich-politische Distanz wissenschaftliche Distanz Kunstvermittlung c Museum heute Entwicklung des Museums im 20. Jahrhundert aktuelle Tendenzen im Museumsbau d Museum morgen, Kunsthaus + Museum und Gesellschaft zur Typologie

05 Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter a Relationen Kunst und Betrachter Kunst und Ausstellungsraum Ausstellungsraum und Betrachter b Auflösung des traditionellen Kunstbegriffes neue Kunstströmungen Auflösung des traditionellen Kunstbegriffes Konflikt zwischen Kunst und Museum c Kunst heute Allgemeines, Kunstlandschaft Neudefinition des Museumsbegriffes d zeitgenössische Kunst, Kunsthaus + konkreter Ansatz zum produktiven Umgang mit zeitgenössischer Kunst Ausstellungskonzept Ausstellungsarchitektur

06 Anhang Anmerkungen Bibliographie Abbildungsnachweis Dank

114 116

128

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144

160 162

168

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206 207 212 215 217


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Was ist ein Museum? Ist ein Museum ein elitärer Bewahrungsort für Kunst? – NEIN Ist das Museum ein Container für Kunstmaterial? – NEIN Ist das Museum eine Bildungseinrichtung mit modernen Informationssystemen? – NEIN Ist das Museum ein Forum für Spektakel? – NEIN Ist das Museum ein Treffpunkt für Kunstdebattierer? – NEIN Ist das Museum eine Spielwiese für designbewußte Architekten? – NEIN Ist das Museum ein Platz für Ruhe und Besinnung? – NEIN Ist das Museum ein Ort des Staunens? – NEIN Ist das Museum ein Spielort für die Jungen? – NEIN Ist das Museum eine Bühne für eitle Selbstdarsteller? – NEIN Ist das Museum ein Hort der Phantasie? – NEIN Was dann? Alles dies zusammengenommen! 1

Mit diesen Worten versucht Architekt Gustav Peichl die Institution Museum in Hinblick auf Kunstmuseen zu definieren. Auf Anhieb erkennt man die Komplexität solcher Einrichtungen, die sich auch auf die bauliche Aufgabe »Museum« überträgt und in der eine große Faszination gegenüber der Profession des Architekten begründet ist. Doch neben den architektonischen Anreizen, die die Errichtung eines Museums mit sich bringt, sind es zudem auch Aspekte bezüglich der Wahrnehmung von Kunst, also einer Beziehung zwischen Kunst und Betrachter, sowie der bedeutungsvollen Stellung der Institution Museum innerhalb der Gesellschaftsstruktur und eine damit verbundene gesellschaftliche Verantwortung, denen unsere Aufmerksamkeit gelten muss.

Nach einer allgemeinen Krise des Kunstmuseums scheint dessen Bestehen nun wieder gesichert. Anzahl und Größe von Museen sind zu Gradmessern einer allgemeinen kulturellen Potenz geworden, was zu einem wahren Bauboom im Museumssektor geführt hat. Heute gilt der Museumsbau als Königsdisziplin der Architektur, verglichen mit, und auf der Selben Stufe von mittelalterlichen Kathedralen, in der unterschiedlichste Architekturauffassungen ihre materielle Manifestation fanden und dies auch immer noch tun. All das soll Grund genug sein, die Institution Museum genaueren Betrachtungen zu unterziehen und sich in einer Standortbestimmung dieser anhand eines real ausgeschriebenen Architekturwettbewerbes zu versuchen.

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00

Einleitung



Thematik, Grundlagen Das in der nördlichen Schweiz gelegene Zürich zählt rund 380000 Einwohner, weist eine beeindruckende landschaftliche Umgebung in Form mehrere »Hausberge« und des Zürichsees auf und gilt unter den Schweizern als »Hauptstadt der Herzen«. Der Zürcher verweist mit Stolz auf zahlreiche Kultur- und Bildungseinrichtungen, die das Bild seiner Stadt einschlägig prägen und symptomatisch für eine allgemein hohe Dichte jener Einrichtungen in der Schweiz sind. So kommt laut Wikipedia auf alle 8100 Einwohner je ein Museum, was bei einer Gesamtbevölkerung der Schweiz von rund 7,7 Millionen Einwohnern eine Anzahl von 948 Museen bedeutet. 2 Neben zahlreichen anderen Museumsinstitutionen sind alleine in Zürich 27 Museen situiert, die sich der Kunst verschrieben haben, wobei das bedeutendste Ausstellungshaus jenes der Institution Kunsthaus Zürich darstellt. In zentraler Lage am Heimplatz in der Zürcher Innenstadt, gehört es zu den größten und wichtigsten Museumsgebäuden der Schweiz und lockt jedes Jahr rund 300000 Besucher an. Um diese national führende Position zu festigen und sich auch in einem internationalen Kunstgeschehen mit Nachdruck zu positionieren, hat das Kunsthaus Zürich einen internationalen Architekturwettbewerb als »Projektwettbewerb im selektiven Verfahren mit 20 Teilnehmenden« ausgeschrieben, der sich die bauliche Erweiterung des bestehenden Museums zum Ziel gesetzt hat und auch gleichzeitig Thema dieser Diplomarbeit sein wird. Durch die Erweiterung des Museums soll Platz für Sammlungsteile geschaffen werden, die durch zwei konträre Schwerpunkte definiert sind, nämlich zum einen durch jenen impressionistischer Malerei in Form einer Schenkung der Stiftung Samm-

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Basel 13 166000

Winterthur kA 100000 Zürich 27 380000

Biel kA

Luzern 7 58000

51000 Bern 16

St. Gallen 8 75000

129000

Lausanne kA 130000

Genf 11

Lugano

185000

kA

53000 Stadt Anz. Kunstmuseen Anz. Einwohner

lung Emil Georg Bührle, die neu in das Inventar des Kunsthauses eingegliedert werden soll und zum anderen durch Schwerpunkte der eigenen Sammlung zeitgenössischer Kunst ab 1960. Dieser ambivalente Charakter der Sammlung sowie der überaus spannende städtische Kontext, den das Museumsgebäude des Kunsthauses durch seine Lage mit sich bringt, waren ausschlaggebende Beweggründe dafür, den Architekturwettbewerb zur Aufgabe dieser Diplomarbeit werden zu lassen.

links Zoom in das Projektgebiet: Schweiz und Stadtgebiet Zürich; Zürich und historischer Stadtkern; Umgebung Kunsthaus Zürich

Einleitung

Das hier vorliegende Entwurfsprojekt sieht die aus dem Wettbewerb hervorgehenden Bestimmungen jedoch lediglich als Rahmenbedingungen an und nimmt sich dezidiert die Freiheit heraus, einen umfassenderen Zugang zur Thematik Museumsbau zu entwickeln, erreicht durch tiefgehende Betrachtungen der Institution hinsichtlich deren Positionierung innerhalb der Gesellschaftsstruktur und in Hinblick auf deren Wechselbeziehung zu Arbeiten zeitgenössischer Kunst. Aktuelle Tendenzen in der Museumsarchitektur sollen dabei kritisch hinterleuchtet und gesellschaftliche Phänomene in Bezug auf Kunst berücksichtigt werden.

oben Städtevergleich der Schweiz: Anzahl an Einwohnern und Kunstmuseen

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06 05 09

03 02

08 01 13

07 04 11 01

Kunsthaus

08 Haus Konstruktiv

02 Landesmuseum

09 Daros

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03 M. f端r Gestaltung

10 Sammlung B端hrle

04 M. Bellerive

11 Shedhalle

10

05 Kunsthalle

12 Atelier H. Haller

06 Migros

07 Rietberg

13 Coninx Museum

Anzahl 1000

10000

100000 14


Aufbau der Arbeit Die Entstehung dieser Arbeit war geprägt durch die Beschäftigung mit einer breit gefächerten Palette an Thematiken und wurde zusätzlich von einem längeren Aufenthalt in Zürich und einer dortigen Entwurfsbetreuung seitens der ETH begleitet. Ziel der Arbeit war es, alle dadurch gewonnenen Eindrücke und Erkenntnisse auch aufs Papier zu bringen und somit eine umfassende Betrachtung der Thematiken Kunst, Museum, Ausstellungsraum und Kunstrezipient, sowie deren Beziehungen untereinander zu liefern. In diesem Sinne konnten so manche Teilbereiche thematisch nur gestreift werden, was dazu führte, dass ein wissenschaftlicher Anspruch bezüglich jener Teile oft nicht erfüllt werden konnte, die Arbeit ihre Tiefe jedoch durch ihren Umfang und ihre Vielschichtigkeit erreichen soll. Dies ist gleichzeitig sinnbildlich für den Entwurfsprozess, der in starker Verbindung zu den theoretischen Überlegungen stand. Um den Entwurf direkt in die theoretischen Überlegungen einfließen lassen zu können, wurde versucht, eine

Trennung von theoretischer Arbeit und Entwurfsarbeit aufzuheben, was eine bessere Lesbarkeit des Projektes zur Folge haben soll. Zu diesem Zweck wurde die Arbeit in vier Punkte gegliedert, die sich der Stadt Zürich (01), der Institution Kunsthaus (02), dem Museum als Institution (04), sowie der Dreierkonstellation Kunst, Ausstellungsraum und Betrachter (05) widmen und an deren Ende jeweils der thematische Bezug zum Entwurfsprojekt hergestellt wird. Im Zentrum der Arbeit steht die Darstellung des Projektes (03) selbst. Das zu planende Ausstellungsgebäude soll im Buch in weiterer Folge als Kunsthaus+ bezeichnet, und die entwurfsrelevanten Abschnitte der einzelnen Kapitel durch einen farbigen Balken am rechten unteren Seitenrand markiert werden. Dieser Aufbau des Buches erlaubt es, dass jenes auf zweierlei Art und Weise gelesen werden kann. Erstens in einem Durchlauf von vorne nach hinten als in sich abgeschlossenes Werk und zweitens durch das herausgelöste Betrachten jener Abschnitte, die den Entwurf betreffen und am Ende der jeweiligen Kapitel stehen.

links Vergleich der Besucherzahlen Zürcher Kunstinstitutionen

Einleitung

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Stadtraum Z端rich



01a

Stadtraum Zürich stadtbaugeschichtlicher Abriss

In diesem Kapitel, das am Beginn unserer Betrachtungen steht, soll es sich um die gebaute, physische Umgebung des Kunsthauses Zürich drehen. Zuallererst wird ein kurzer überblicksartiger Abriss der Stadtbaugeschichte erfolgen, der, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, anhand wichtiger baulicher Ereignisse ein überblickartiges Entwicklungsszenario des heutigen Stadtraumes Zürich aufzeigt, was uns helfen soll, die bestehenden Stadtstrukturen besser lesen zu können und ihren geschichtlichen Werdegang besser zu verstehen. Da sich dieses Diplomprojekt als teilnehmende Kraft innerhalb eines Transformationsprozesses des Stadtgefüges versteht, ist dieser erste Teil der Analyse ein wichtiger Bestandteil der Arbeit. In weiter Folge wird man sich immer näher an die direkte Umgebung des Kunsthauses in Form des Hochschulgebietes und des Heimplatzes herantasten, um in einem ersten reflektierenden Entwurfsteil am Ende des Kapitels städtebauliche Aspekte bezüglich des Entwurfes zur Kunsthauserweiterung einzubringen.

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von ersten Siedlungsstrukturen zur barocken Stadt Erste Anfänge der Stadt Zürich, die geschichtlich nachweisbar sind, werden auf die Zeit um 15 vor Christus datiert. Aufgrund günstiger topografischer Eigenheiten des Geländes eignete sich der Raum Zürich ideal zur militärischen Sicherung des Geländes und es wurde ein römischer Militärstützpunkt errichtet, der eine wichtige Position im damaligen römischen Reich einnahm. Er gewährleistete die Verbindung zwischen dem römischen Vindonissa (römisches Legionslager auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Windisch im Kanton Aargau) und den Bündner Alpenpässen. Unter dem Namen Turicum wurde er ein wichtiger Warenumschlagplatz der Region, wo Güter von der Straße auf Schiffe verladen und über den Zürich- und Wallensee weitertransportiert wurden. Es wird angenommen, dass schon vor der römischen Besiedelung des Gebietes keltische Siedlungsstrukturen vorhanden waren, jedoch können diese Vermutungen nicht durch konkrete Funde belegt werden. Unter dem römischen Kaiser Diocletian und dessen Nachfolger Konstantin wurde der Stützpunkt weiter ausgebaut und es entstand ein Kastell mit gemauerten Türmen, das eine weithin sichtbare Struktur darstellte. Durch den Einbruch der Westgoten zu Beginn des 5. Jahrhunderts kam es zum Niedergang der römischen Siedlung Turicum und in Folge zu deren steten Verwilderung, die im 7. Jahrhundert ihren Höhepunkt fand. Erst ab Ende des 8. Jahrhunderts kann ein baulicher Aufschwung in der inzwischen christianisierten Region registriert werden. Wesentlicher Motor dieser Entwicklung stellt wohl die Wiederbelebung der Sage um die

beiden Stadtheiligen Felix und Regula dar, die zuvor in Vergessenheit geraten war. So entstand um den Friedhof mit ihren Gebeinen, neben der heutigen Kirche St. Peter im alten Siedlungskern, ein weiterer kirchlicher Bau, das spätere Großmünster. Weiters kam es zur beschleunigten Kultivierung des Umlandes und zur Trockenlegung sumpfiger Gebiete nahe der Sihl und der Limmat, deren Verlauf sich durch das Stadtgebiet zieht. Die Einbindung in das ostfränkische Reich legte den Grundstein für einen königlichen Stützpunkt in Zürich und es kam zum weiteren Ausbau des Siedlungskernes Richtung Süden. Es wurde ein Nonnenkonvent gegründet und eine karolingische Klosterkirche errichtet, die Vorgängerin des heutigen Frauenmünsters. Ende des 9. Jahrhunderts kam es dann auch zu Erweiterungen am rechten Limmatufer in Richtung Norden wo ein Männerkonvent um das spätere Großmünster entstand. Die Ausdehnung der Stadt hielt auch unter den ottonischen Kaisern um 1000 an und Zürich wurde zum Aufenthaltsort und zur temporären Residenz der Kaiser und der Herzoge von Schwaben. Dies führte zum Zusammenwachsen der einzelnen Siedlungsteile und zur Ausbildung eines immer mehr einheitlichen Stadtgefüges. Im 12. Jahrhundert sind erste Anzeichen einer Stadtbefestigung mit acht Torbauten an den Stadteingängen zu erkennen und das Großmünster nahm im Wesentlichen seine heutige Form an und wurde fertiggestellt. 1218 wurde Zürich reichsfrei und es kam zur Schleifung der Pfalzburg und zum Beginn des Baus der ersten Stadtbefestigung. Wichtige Bauten dieser Zeit waren mehrere Klosteranlagen, die innerstädtische Leerräume füllten, die durch den Bau der Befestigungsanlage entstanden waren, und somit zu einem immer dichteren Stadtgefüge beitrugen. Weiters wurde um 1252 das erste urkund-

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lich erwähnte Rathaus am rechten Brückenkopf erbaut, dessen Standort bis heute unverändert blieb. Um 1270 waren die Arbeiten rund um die Stadtmauer weitgehend abgeschlossen. Der weiter andauernde Bevölkerungszuwachs führte zur Verdichtung der inneren Struktur. Aber auch rund um die Stadt änderte sich das Bild der Landschaft, es kam zur landwirtschaftlichen Kultivierung des Umlandes, zu großflächigen Rodungen, wodurch Weinberge, Ackerland und Gärten entstanden. Um 1300 zählte Zürich zwischen 8000 und 9000 Einwohner. Trotz

mehrerer Katastrophen, wie Feuer und Hochwasser oder der Pest kam es 1348 zu weiteren baulichen Veränderungen der Stadt. Die Versteinerung des Siedlungsbildes schritt immer weiter voran, es entstanden größere, mehrgeschoßige Gebäude, die der Stadt das uns vertraute Gepräge verliehen. Das Frauenmünster und das Predigerkloster wurden im hochgotischen Stil umgebaut und man begann mit der Pflasterung von Straßen und Plätzen. 1523 bis 1525 kam es zur Reformation, die allerdings keine prägende Veränderung im Stadtbild mit sich brachMurerplan Abbildung der Stadt Zürich aus dem Jahr 1576 Holzschnitt des Zürcher Glasmaler und Kartografen Jos Murer

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te. Jedoch kam es durch den »Bildersturm«, der im Zuge der Reformation durch die Kirchen ging, zur Vernichtung bedeutender Kunstschätze wie Gemälde, Goldschmiedewerke, Bücher, Altäre und Textilien. Alles, was der Auffassung der neuen Lehre im Wege stand, wurde zerstört und veränderte das Aussehen der Kirchen. Ebenso wurde Zürich durch den weiteren Ausbau der Papiermühle zur bedeutendsten Produktionsstätte reformatorischer Schriften und zu Beginn des 16. Jahrhunderts entstand die erste Buchdruckerei »Zum Wyngarten«.

Anfang des 17. Jahrhunderts war die Ausprägung des uns vertrauten innerstädtischen Siedlungsbildes weitgehend vollzogen. Durch die Bedrohungen des 30-jährigen Krieges trat die Baugeschichte Zürichs in eine neue Phase. Änderungen der Bewaffnung erforderten eine Erweiterung der städtischen Verteidigungsanlagen, mit deren Bau man 1642, nach langen Verhandlungen und mehrjähriger Planung, anfing. Zürich begann über seine mittelalterlichen Mauern hinauszuwachsen und erfuhr damit eine wesentliche Erweiterung. Begonnen wur-

Müllerplan Plan der Stadt Zürich, 1794 von Stadtingenieur Johannes Müller in den Jahren 1788 bis 1793 erstellt

Stadtraum Zürich stadtbaugeschichtlicher Abriss

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de mit der »Mehreren Stadt«; dem Stadtteil rechts der Limmat, da dieser besondere Schwachstellen aufwies und somit gefährdeter war als der Stadtteil links der Limmat. Im Jahre 1675 war die Stadtbefestigung in ihren Grundzügen fertiggestellt, ihr endgültiger Ausbau sollte aufgrund von ständigen Modifikationen und Umbauten jedoch noch bis um 1800 andauern. Zwischen Schanzenbau und mittelalterlicher Befestigung, jedoch auch innerhalb der Stadt, entwickelte sich eine rege Bautätigkeit. Neben zahlreichen Neubauten wurden zur Barockund Rokokozeit auch viele Bestandsbauten im Stil der Zeit umgebaut, was zu einer neuerlichen Veränderung des Stadtbildes führte. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts begann sich auch die wertlos gewordene, mittelalterliche Struktur der Befestigungsanlage aufzulösen. Großer Beliebtheit erfreuten sich immer mehr Zier- und Pflanzengärten und damit auch das im Norden der Stadt gelegene Platzspitzareal, das zuerst kultiviert und später zum stark frequentierten Flanierziel der schöngeistigen Zürcher Welt wurde, attraktiv gestaltet durch Baumalleen und Ruhebänke. Auch außerhalb der Stadt veränderte sich das Landschaftsbild zusehends. Reiche Patrizierfamilien verließen die engen Gassen der Stadt und errichteten im nahen Vorgelände neue, großzügige Wohn- und Geschäftssitze mit prächtigen Gärten. Aber auch kleingewerbliche Bauten befanden sich entlang der Ausfahrtsstraßen, die zum Teil bis ins 14. Jahrhundert zurückgingen. Zusätzlich umringte eine Reihe stattlicher Bauernhöfe die alte Stadt und gaben ihrer Umgebung ein ländliches Gepräge. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts zählte Zürich rund 10000 Einwohner.

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Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann man, das Schleifen der Befestigungsanlagen zu diskutieren. Neben dem immer weiter fortschreitenden Rückbau der mittelalterlichen Wehrmauern standen nun auch die barocken Schanzen im Kreuzfeuer der Kritik, erste Gräben wurden verebnet und mit Spazierwegen versehen, erste Fabrikbauten entstanden auf den Bollwerken. Schlussendlich entschied man sich im Jahre 1833, nach heftigen Kämpfen zwischen liberal-radikalen und konservativen Kräften, zur endgültigen Schleifung der Schanzen. Möglich machte dies die Annahme der liberalen Verfassung durch das Volk 1831, die zu einem Überwinden der Gegensätze von Stadt und Land führte. Somit stellte die Schleifung der Befestigungsanlagen auch ein Vorhaben mit hohem symbolischen Charakter dar. Am 16. Juli 1833 begann man mit den Arbeiten, von wo an anstelle der Schanzen vor allem neue Straßen und Infrastruktur, große Verwaltungsbauten, neue Brücken und am See die ersten Hotels entstanden. Außerdem wurde der See für die Dampfschifffahrt direkt von der Stadt aus zugänglich gemacht. 1833 kam es auch zur Gründung der Universität, die vorerst im Areal des ehemaligen Augustinerklosters untergebracht wurde. Das Schleifen der Schanzen führte auch im Bereich des Wettbewerbsareals zur Erweiterung des Kunsthauses und zu wesentlichen Veränderungen. »Die Rinne, die den Wolfbach über den Graben in die Stadt leitet, macht 1834 einem geräumigen ovalen Bassin Platz. Darin können sich einerseits Steine und Geröll ablagern, andererseits dient es als Feuerweiher. Daneben erscheint das 1836 erstellte Wohnhaus »Zum untern Lindenhof« (später »Turnegg«) an der Kantonsschulstraße. Weiter rechts stoßen wir auf den 1837 vollendeten »Durchbruch« der Rämi / Tannenstraße


nach dem Hirschengraben. « 3 Das große Augenmerk, das man auf den Ausbau der Infrastruktur legte, löste einen noch nie dagewesenen Bauboom aus. Auch mehrere Werks- und Industriegelände, wie zum Beispiel jene von Escher-Wyss wuchsen stetig an und man begann mit der Herstellung von Dampfkesseln, Dampfmaschinen und Schiffen, Papiermaschinen oder hydraulischen Pressen und Pumpen. Die Bautätigkeit dehnte sich auf das gesamte Stadtgebiet aus und es stellte sich, neben einem kulturellen Aufschwung und der zunehmenden Industrialisierung, auch ein spürbares Bevölkerungswachstum ein. Im Jahre 1836 lebten 14243 Menschen in Zürich.

vom Eisenbahn- zum Industriezeitalter 1846 begann für Zürich das Eisenbahnzeitalter mit dem Bau der Strecke Zürich – Baden. Am ehemaligen Schützenplatz oberhalb der Platzpromenade wurde der Zürcher Hauptbahnhof errichtet. Dem immer stärker aufkommenden Tourismus wurde durch den Bau mehrerer Hotelanlagen Rechnung getragen und namhafte Architekten errichteten vermehrt Villen am Stadtrand. Ebenso begann man durch Aufschüttungen Land im Seebereich zu gewinnen, um auch diese Zonen attraktiver zu gestalten. Im Jahre 1842 wurde am Wettbewerbsareal der Bau der Alten Kantonsschule durch Gustav Albert Wegmann fertig gestellt. Nach 1850 erfuhren Handel und Verkehr einen großen Aufschwung, was neben dem Straßenbau auch zu einer umfassenden Erweiterung des Eisenbahnnetzes führte. Daneben entwickelten sich Mechanisierung und InStadtraum Zürich stadtbaugeschichtlicher Abriss

dustrialisierung in immer größerem Ausmaß, was zur verstärkten Zuwanderung und zu einem steten Anwachsen der Vorortgemeinden und der Außenquartiere führte. Vor allem eine Person sollte das Baugeschehen dieser Zeit einschlägig prägen – Alfred Escher. Er war Gründer des Polytechnikums, der späteren ETH (1855), Gründer der schweizerischen Kreditanstalt (1857) und Schöpfer der Nordost- und später der Gotthardbahn. Nicht alleine durch ihn wurde der Banken- und Versicherungsplatz Zürich das Finanzzentrum der Schweiz. Escher hatte einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Stadtbildes bis in die 1880er Jahre hinein, auch durch seine Funktion als Nationalrat. Die Zeit seit 1860 wird auch gern als die »Große Bauperiode « Zürichs bezeichnet. Eine der wichtigsten baulichen Ereignisse dieser Zeit stellte die Überbauung des ehemaligen Fröschengrabens zur Bahnhofsstraße dar. Dieser Straße stand dank ihrer vorzüglichen Lage innerhalb der Stadt eine große städtebauliche Zukunft bevor und schon bald nach ihrer Vollendung im Jahr 1865 war sie eine bekannte und belebte Geschäftsstraße. Weitere große Bauten dieser Zeit waren das neue Polytechnikum (heutiges Hauptgebäude der ETH) im Jahre 1864 und das Ersetzen des Bahnhofes durch einen größeren Neubau im Jahre 1872. Am Kantonsschulareal wurde 1867 der Bau des Schulhauses Wolfbach mit Turnhalle vollendet. Zur Zeit der »Großen Bauperiode« war der Entwicklungsrahmen durch das Schaffen einer Bauordnung und das Beauftragen von Generalbebauungsplänen weitgehend abgesteckt. Diese Planungen wurden von den Architekten Gottfried Semper und Johann Jakob Breitinger durchgeführt. Wesentliche bauliche Veränderungen dieser Zeit passierten im Bahnhofsareal, wo große Bau23


komplexe, Banken und die Bahnhofsstraße entstanden, was zu einer Verschiebung der Akzente zwischen großer und kleiner Stadt (rechts und links der Limmat) zugunsten der letzteren führte. Weitere Veränderungen fanden in alten mittelalterlichen Stadtteilen, wo größere Bebauungsstrukturen mittelalterliche Gärten ersetzten (zum Beispiel das Gebiet südlich des Frauenmünsters) oder im Gebiet entlang der Bahnhofsstraße, was sich innerhalb nur eines Jahrzehntes vom locker bebauten Quartier in ein dicht bebautes Häusermeer mit hauptsächlich 4 bis 5-geschoßiger Blockrandbebauung verwandelte, statt. Die spektakulärsten Änderungen fanden aber wohl entlang der Seefront statt, die neuerlich großzügig erweitert wurde und die Zürich von der Stadt am Fluss zur Stadt am See werden ließ. Zwischen 1882 und 1887 entstanden die Quaianlagen, verbunden durch die 1884 fertiggestellte Quaibrücke, die das Bindeglied zwischen Alpenquai auf der linken und Bellevueplatz / Rämistraße auf der rechten Seite der Stadt darstellte. Das Gebiet entlang der Rämistraße, die das Wettbewerbsareal im südöstlichen Teil begrenzt, erfuhr generell tiefgreifende, bauliche Veränderungen. Dem Wettbewerbsgelände wurde 1886 durch das Auffüllen des Wolfbachbassins und der Errichtung der ersten Turnhalle am neu gestalteten Turnplatz 1880 ein neues Gesicht verliehen. Im weiteren Verlauf der Rämistraße entstanden weitere Universitätsgebäude und auch erste Gebäude des Universitätsspitals. 1893 kam es zur ersten Eingliederung umliegender Gemeinden ins Zürcher Stadtgefüge. Aussersihl, Enge, Fluntern, Hirslanden, Hottingen, Ober- und Unterstrass, Riesbach, Wiedikon, Wipkingen und Wollishofen wurden Teil der Stadt Zürich und das neu entstandene »Großzürich« wurde in 5 Stadtkreise eingeteilt. Diese Erweiterung bedeutete eine dreißigfache Flächenvergrößerung der Stadt auf ein Gebiet von 45 Quadratkilometer und einen viereinhalbfachen Anstieg der Bevölkerung auf 121000 Einwohner. Durch diese erste Eingemein24

dung kamen Gebiete mit unterschiedlichsten Charakteren zur Stadt hinzu. Im Falle Aussersihls war es zum Beispiel ein verarmtes Arbeiterquartier, gekennzeichnet durch eine gesichtslose Blockrandbebauung, die zum größten Teil Arbeiterwohnungen beinhaltete. Schon im Industriezeitalter lebten dort fast ausschließlich einkommensschwache Schichten und das Quartier galt, als Arbeitervorstadt jenseits der Sihl, als eine andere Welt. Im Gegensatz dazu waren es aber auch mit Enge, Hirslanden oder Riesbach Vorortgemeinden, die sich zu wohlhabenden Stadtquartieren entwickelt hatten und gekennzeichnet waren durch unterschiedlichste Bebauungsstrukturen, von der lockeren Villenbebauung, durchzogen von reichem Grün, bis hin zur sechsgeschossigen Blockrandbebauung. Eines hatte die Eingemeindung der neu erschlossenen Stadtgebiete von 1893 wohl überall bewirkt: einen neuerlichen Bauboom. Wichtige bauliche Ereignisse der Zeit waren das Schweizer Landesmuseum, das von Gustav Gull 1898 errichtet wurde, die Fertigstellung des Bahnhofareals und vor allem die weitere Verdichtung des Stadtgefüges. 1891 wurde das neubarocke Stadttheater, das heutige Opernhaus am Theaterplatz, eröffnet, und der Bahneinschnitt in Stadelhofen für die rechtsufrige Seebahn fertiggestellt, welcher heute als S-Bahnhof genutzt wird. Der klassizistische Stil wurde immer mehr durch den Spätklassizismus, die französische Neurenaissance, den Neubarock und vor allem den Historismus verdrängt, was erneut nachhaltig das Stadtbild veränderte und ihm das uns heute bekannte Gepräge verlieh. Außerdem entstanden in der Hard erste Industriequartiere, die im Zuge der raschen Entwicklung 1913 eine Abspaltung des heutigen Kreis 5, auch als Zürich West bekannt, von der damaligen Zugehörigkeit zum Quartier Aussersihl zur Folge hatte. Im östlichen Teil dieses neuen Quartiers entstanden Arbeiterquartiere in Form dichter Blockrandbebauung und im Westen ließ sich die große Industrie nieder. Große Grundstücke wurden zu in sich abgeschlossenen Industriearealen um-


gestaltet. Wichtige ansässige Betriebe, wie zum Beispiel die Wollfärberei Schoeller oder die Maschinenfabrik Eschwer Wyss & Co., waren es, die innerhalb weniger Jahre das gesamte Industrieareal besetzten und neu gestalteten. Die Wohnquartiere auf der anderen Seite waren geprägt durch die starke Präsenz von Arbeiterbewegungen und, ihre Lage hinter dem Hauptbahnhof, welche ihnen etwas den Charakter von Hafenquartieren verlieh, und die vier bis fünfgeschossige Blockrandbebauung, in der sie typologisch ihre Ausformulierung fanden. Dies hatte eine sehr hohe Grundstücksausnützung zur Folge, die weit über dem üblichen Zürcher Durchschnitt lag. Die Bevölkerung wurde hauptsächlich durch Arbeiterinnen und Arbeiter der großen Industrie und die Angestellten von Eisenbahn und Post gestellt und ein hoher Anteil an Ausländern und Zuwanderern war Gang und Gebe. In Folge des weiteren Ausbaus des Eisenbahnnetzes kam es auch in weiteren Vorortgemeinden zu einer raschen baulichen Entwicklung, geprägt durch neu entstandene Industriequartiere und umliegende Arbeiterwohnsiedlungen. In Oerlikon legte Peter Emil Huber- Werdmüller mit der Gründung seiner Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) den Grundstein zur Entwicklung des Areals. Mit der Spezialisierung auf Elektrotechnik gelangte die Fabrik zu Weltruhm. Rundherum lagerten sich weitere Industriebetriebe an. Darunter auch ein eigener Ableger, die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon, die unter Emil Georg Bührle zur größten Waffenfabrik der Schweiz wurde. Bührle war auch ein leidenschaftlicher Kunstsammler und wird uns später in der Arbeit noch einmal begegnen, wenn sein Nachlass in Form einer umfangreichen Kunstsammlung, die ihren Platz im Neubau des Kunsthauses Zürich finden soll, genauer erläutert wird. Die industrielle Entwicklung machte Oerlikon zu der am schnellsten wachsenden Gemeinde Zürichs, deren Bevölkerung sich zwischen 1880 und 1910 verfünffachte. Parallel zum Industrieareal entwickelte sich der OrtsStadtraum Zürich stadtbaugeschichtlicher Abriss

kern, der schon früh eine professionelle Verwaltung und ein modernes Bauwesen beherbergte. Auch waren die baulichen Tätigkeiten stark von Gewerkschaften geprägt, die ab 1906 in einer eigenen Partei ihre Machtansprüche in der Gemeindepolitik geltend machten. Im Gegensatz zu den umliegenden Gemeinden strebte Oerlikon nicht die Eingemeindung in den Stadtapparat Zürichs ein, sondern wollte einen Zusammenschluss mit den Umlandgemeinden zu einem Groß-Oerlikon, was jedoch durch ihre Armut finanziell nicht realisierbar war und somit doch zur Eingemeindung in den Zürcher Stadtapparat führte. Ihm wurden 1934 acht weitere Gemeinden der Stadt hinzugefügt, Affoltern, Albisrieden, Altstetten, Höngg, Oerlikon, Schwamendingen, Seebach und Witikon. Dies hatte einen Anstieg der Einwohnerzahl auf über 300000 Menschen zur Folge. Unterdessen hatte auch im Bereich der Zürcher Hochschulen eine rege Bautätigkeit stattgefunden. Neben weiteren Institutsgebäuden entstanden das neue Hauptgebäude der Universität, das Kollegiengebäude, erbaut nach den Plänen von Karl Moser und Robert Curjel, sowie auch das erste Gebäude für das Kunsthaus Zürich, ebenfalls von Karl Moser, dessen Geschichte wir im Weiteren noch näher erläutern werden. Während und nach dem zweiten Weltkrieg wurden vor allem die Quartiere der zweiten Eingemeindung durch große bauliche Interventionen geprägt. Als Beispiele kann man hier Affoltern nennen, wo ab 1942 mehrere soziale Wohnbauprojekte realisiert wurden, oder Schwamendingen, wo große Wohnquartiere im Sinne der Gartenstadt unter der planerischen Aufsicht des damaligen Stadtbaumeisters Albert Heinrich Steiner entstanden, die bis heute den Charakter des Quartiers formen. Nach wie vor ist das Gebiet in seinen besten Abschnitten, durchzogen von großflächigen Grünanlagen und der Beschränkung des Straßennetzes auf das nötigste, als ein »Wohnen im Park«4 erlebbar. Ab den 1960er Jahren entstanden erste Hochhausbauten im Stadtgebiet, die vor allem für 25


Oerlikon und Aussersihl charakteristisch wurden. Große Wohnmaschinen wie das Lochergut von 1966, die als Quartier im Quartier funktionierende Siedlung Hardau 1976 - 1978, die mit bis zu 92 Meter hohen Wohntürmen die höchsten Wohnbauten der Stadt Zürich beinhaltet, oder das Hotel International aus dem Jahre 1972 im Zentrum Oerlikons sind nennenswerte Vertreter der Kategorie. Diese Entwicklung versucht man auch in Zukunft durch eine gezielte Planung und die Festlegung von expliziten Hochhausgebieten, welche auf umfangreichen Analysen basieren, weiterzuführen. Vor allem die Zonen entlang der »dynamischen Entwicklungsgebiete«5 im Norden und Westen der Stadt und entlang des Gleiskörpers ausgehend vom Hauptbahnhof werden als geeignete Standorte für weitere Hochhausbauten angesehen.

Aktuelle Entwicklungen und Strategien der Stadtplanung Eine letzte erwähnenswerte Zäsur in der baugeschichtlichen Entwicklung erfuhr Zürich mit der Veränderung industrieller Strukturen und der damit obsolet gewordenen großflächigen Industrieproduktionsstätten. Beginnend in den 1980er Jahren wurden weiträumige Gebiete nachhaltigen Veränderungen unterzogen, die noch heute in ihrer Entwicklung andauern und bedeutender Gegenstand der Stadtplanung sind. 1997 begann man in Zürich, auch die Strukturen der stadtplanerischen Instanzen neu zu ordnen und arbeitet seitdem nach dem Modell des »konzeptionellen Städtebau«.6 Drei Planungsprozesse können als Meilensteine beziehungsweise Schlüsselprojekte dieses Modells angesehen werden, nämlich die Entwicklung des Hürlimann-Areals, die Aktivitäten im ehemaligen

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Industriequartier Zürich West und die Prozesse im LetziGebiet. Als »konzeptioneller Städtebau « kann hier ein Handeln verstanden werden, das, weg von der bisherigen Praxis, die den Städtebau als vom Architekten ausgearbeitete Planwelt verstand, hin zu einem umfassenderen Planungsprozess, der nicht mehr nur auf Reißbrett, Computerbildschirm und Bauordnung vertraut, führt. »Vielmehr erhalten Lesarten, Visualisierungen und Modelle eine neue Bedeutung: Sie bilden die kreativen Einsätze in einem sich wiederholenden Findungs- und Aushandlungsprozess, in welchem sich für einen bestimmten Ort das Bild der Stadt festigt und in der Umsetzung materialisiert. Das Leitbild weicht damit der spezifischen Lösung. An die Stelle der Fixierung tritt der schöpferische Moment der Kooperation und Integration von unterschiedlichen Interessen. So lassen sich gemeinsame Lösungen etablieren, die auf städtebaulichen Prinzipien beruhen. «7 Durch diese neuen städteplanerischen Arbeitsmethoden und die Umstrukturierung der Planungsinstanzen entstanden im Laufe der Jahre unterschiedlichste konzeptionelle Planskizzen und thesenartige Leitmotive. Topografische Lage der Stadt, ihre Siedlungsgeschichte, aber auch aktuelle wirtschaftliche Forderungen und Entwicklungen stellten hierfür grundlegende Ausgangspunkte dar. Die veränderte Leseart und Haltung gegenüber der Stadt kommen vor allem in der Planskizze »Zürichs Zimmer« sehr gut zum Ausdruck, wo versucht wurde, die Stadt als Wohnung mit unterschiedlichen Zimmern zu beschreiben. Qualitäten und Nutzungsidentitäten einzelner Gebiete wurden hier herausgegriffen und anschaulich formuliert. »Der südliche Hang des Zürichbergs ist der >Salon< der Stadt, während die Quartiere draussen in Seebach als >Stube< interpretiert werden.


[...] In Zürich-West und Altstetten sowie im westlichen Teil der Innenstadt und im Seefeld finden sich einzelne >Arbeitszimmer< zwischen den vielen >Wohnzimmern<. Die Universitätsstandorte stellen natürlich die >Schulzimmer< dar; Kunsthaus, Oper, aber auch die Reithalle und das Kinoviertel beim Hauptbahnhof sind die >Kultursalons<. «8 Aus dieser »Zimmeridee« wurden dann in weiteren Verfahren unter Beteiligung von Grundeigentümern, Projektentwicklern und Investoren, Architekten, und der an der räumlichen Entwicklung der Stadt beteiligten Ämtern entsprechende Entwicklungsgebiete herausgestrichen und Ideen zum weiteren Vorgehen konkretisiert. Eines dieser Gebiete stellt das sogenannte »Hochschulquartier« dar. In seinem Bereich wird der zukünftige Bau der Kunsthauserweiterung fallen, womit dieses Gebiet für uns von besonderem Interesse ist. Im folgenden Teil soll nun näher auf das Areal eingegangen werden.

Ausschnitt Stadt Zürich mit Hochschulgebiet (strichliert), der Bildungs- und Kulturmeile (farbig) und dem Kunsthaus Zürich

Stadtraum Zürich stadtbaugeschichtlicher Abriss

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01b

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Stadtraum Z端rich Fokus Hochschulgebiet und Heimplatz


Hochschulgebiet Wie schon erwähnt, stellt das Gebiet um die ETH und die Universität Zürich eines der aus dem so genannten »Zimmerplan« resultierenden Entwicklungsgebiete der Stadt dar. Es ist gekennzeichnet durch eine wunderbare geographische Lage, die einen schönen Ausblick über die Stadt, die angrenzende Hügellandschaft und den See bietet. Durch die Ausformulierung der vorgelagerten »Balkone« der Universitätsbauten wird diese Qualität noch zusätzlich betont und unterstrichen. Ein gewiss nicht ungewollter heroischer Anblick der Gebäude ist ein weiterer Effekt dieser Setzungen und die Institutsgebäude thronen wie mahnende Wächter über der Stadt, um stets mit dem erhobenen Zeigefinger ganz in der Tradition Francis Bacons dessen Ausspruch: »Wissen ist Macht« zu postulieren. Die Stadtplanung beschreibt das Gebiet rund um die Großbauten der Uni wie folgt: »Zwischen der Altstadt und den bevorzugten Wohngebieten am Zürichberg besetzen große Bauten und gewichtige Adressen mit einer erheblichen Publikums- und Nutzerfrequenz den Stadtraum. Hier flanieren die Besucher zum Kunsthaus oder zu den zahlreich Museen und Sammlungen der Hochschulen. Sie mischen sich mit jenen, die aus Richtung Hauptbahnhof und Altstadt die steilen Gassen heraufsteigen und hier oben Wissen generieren und geistige Produktion betreiben. «9 Wesentlich ist das Hochschulgebiet also geprägt von den großen Universitätsbauten, errichtet durch Gottfried Semper im Falle der ETH und durch Karl Moser im Falle der Universität, die entlang der markanten Geländekante oberhalb des Hirschengrabens aufgereiht sind. Heutige Betrachtungen des Areals müssen jedoch weitaus großflächiger ausfallen, da sich die Institutionen mittlerweile weit

über ihre Hauptgebäude hinaus in das sie umgebende Villengebiet ausgebreitet haben. An den Randbereichen der Institutskomplexe ist dadurch eine starke »Verhäuselung« festzustellen, die darauf zurückzuführen ist, dass die einzelnen Instituts- und Servicebereiche zuerst lokal expandieren. Somit sind die Entwicklungsziele für das Quartier abgesteckt. Primäres Ziel ist die Verstärkung der Präsenz der Hochschulen im Zentrumsgebiet der Stadt, was unter anderem einen wesentlichen Anstieg an Raumbedarf bedeuten wird. Diese Verdichtungsmaßnahmen sollen der voranschreitenden »Verhäuselung« entgegenwirken und durch das Errichten großer baulicher Strukturen bewerkstelligt werden. In Verbindung mit den bestehenden Gebäuden soll somit eine klar ablesbare städtebauliche Struktur an Großvolumen entstehen, die wiederum großzügige, zwischen den einzelnen Häusern liegende Freiflächen erlauben. Als Auftakt dieses rhythmisierten Ablaufes soll der Erweiterungsbau des Kunsthauses entstehen, gefolgt von weiteren Großvolumen entlang der Rämistrasse. Die dazwischen liegenden Freiflächen

Hauptgebäude des ehemaligen Polytechnikums, der heutigen ETH, errichtet durch Gottfried Semper 1858 - 1864

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sollen zu einem kontinuierlichen Band zusammengefasst werden und eine Flaniermeile bilden. Parallel dazu wird auch die Erweiterung der öffentlichen Flächen entlang der Rämistrasse angestrebt, gekrönt von einer »Hochschul – Plaza« Folder Hochschulgebiet Stadt Zürich im Bereich der Hauptegbäude von Uni und ETH. Durch diese Erweiterungen entsteht im Bereich der Rämistrasse eine »Bildungs- und Kulturmeile«10 , beginnend am Bellevue, über den Heimplatz mit dem Kunsthaus und seiner Erweiterung als »Tor der Künste«11 bis hin zu den Hochschulbauten.

Bildungs- und Kulturmeile Entlang dem bereits erwähnten Gebiet an der Rämistrasse entsteht eine mit unterschiedlichsten öffentlichen und publikumsintensiven Nutzungen gespickte Achse der Kultur und Bildung. Durch die architektonische

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und städtebauliche Ausformulierung seiner öffentlichen Räume soll die schon jetzt präsente Dominanz kultureller Einrichtungen noch herausgearbeitet und intensiviert werden. Das Angebot reicht vom Opernhaus am Bellevue über die Rämistrasse, mit ihrer europaweit höchsten Dichte an privaten Kunstgalerien, dem Kunsthaus und dem Schauspielhaus am Heimplatz, bis zu den unzähligen Galerien und Sammlungen der Universitäten im Hochschulgebiet, um nur die wichtigsten Einrichtungen zu nennen. In Zukunft sollen weitere Institutionen hinzukommen. Eines dieser Neubauten wird der »Kronenbau« sein, ein markantes, am Schanzenberg gelegenes Bauvolumen, das Lehre, Forschung und Dienstleistung in sich aufnehmen wird und als Fortsetzung der Hauptgebäude von ETH und Universität angesehen werden kann. In unmittelbarer Umgebung dieser Bauten soll als Herzstück des Hochschulgebietes ein weiteres Gebäude entstehen, das unter anderem ein Informationsforum und den Ausstellungsraum »Panorama«12 beinhalten wird.


Als »Hochschul – Plaza« sollen der erweiterte Raum an der Rämistrasse, deren ergänzende Infrastruktur und der Spitalpark eine adäquate Kulisse für dieses Zentrum darstellen. Wie schon erwähnt wird ein weiterer Neubau jener des Kunsthauses Zürich sein, der gleichzeitig Thema dieser Arbeit ist. Als weiteres markantes Volumen schafft er den Maßstabssprung von der innerstädtischen, kleinteiligen Bebauung der Altstadt hin zu den Großbauten der Kantonsschule und der Universität. Durch seine Lage direkt am Heimplatz wird zusätzlich die Möglichkeit bestehen, diesen Ort städtebaulich neu und klarer zu definieren, was später noch ausführlich abgehandelt werden wird. Neben den entstehenden Neubauten soll gleichzeitig vor allem der öffentliche Raum entstehenden Bedürfnissen angepasst werden. Zum einen als urbaner Kommunikationsraum entlang der Rämistrasse, zum anderen als zusammenhängendes Band aus Park- und Freiflächen im gesamten Hochschulquartier bis hinunter zum Heimplatz soll er seine neue Ausformulierung finden.

Heimplatz Durch seine Lage unmittelbar vor der mittelalterlichen Befestigungsmauer erfuhr das Areal um den heutigen Heimplatz über die Jahrhunderte dramatische Veränderungen. Wesentlich verändert wurde es im Zuge der Errichtung der barocken Wehranlagen im 17. und deren spätere Schleifung im 19. Jahrhundert. Von da an erhielt der Heimplatz nach und nach seine heutige Form. Auch ein sich im Wettbewerbsareal befindlicher jüdischer Friedhof, der noch aus dem Mittelalter stammt und durch den Schanzenbau im 17. Jahrhundert überbaut wurde, soll erwähnt werden. Die Überreste des Friedhofs werden im Turnplatzareal der Alten Kantonsschule vermutet. Geographisch stellt das Gebiet ein kleines Tal zwischen mehreren Moränenhügeln dar, auf denen die Stadt Zürich ursprünglich errichtet worden war und deren auffälligster der Lindenhof ist. In dessen Talsohle verlief der Wolfsbach, welcher heute unterirdisch über das Areal

Fotostrecke verschiedene Bildungs- und Kultureinrichtungen entlang der Rämistraße

Stadtraum Zürich Fokus Hochschulgebiet und Heimplatz

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geführt wird. Das ursprüngliche Gelände liegt jedoch einige Meter unter dem aktuellen Höhenniveau, bedingt durch Modifizierungen und Aufschüttungen nach 1830 im Bereich der ehemaligen Wehranlagen. Städtebaulich wurde das Gebiet von repräsentativen Großbauten und Freiflächen geprägt. Der Heimplatz liegt insofern interessant, als er zwischen mittelalterlicher, innerstädtischer Bebauung, großen Repräsentationsbauten und einer an die Rämistrasse anschließende lockere Villenbauung vermittelt. Wichtige Gebäude des Platzes, sowie des angrenzenden Gebietes, stellen die bereits erwähnte Alte Kantonsschule, die beiden sich am ehemaligen Turnplatz befindlichen Turnhallen, das Schulhaus Wolfsbach, das Schauspielhaus und das Kunsthaus mit seinen Erweiterungsbauten dar. Durch sie erhält der Ort sein typisches Gepräge. Wesentliches, platzbildendes Element des Heimplatzes ist das Kunsthaus, welches durch mehrere Erweiterungen den Platz jeweils neu fasste. Die neuerliche Erweiterung am Areal der Kantonsschule stellt somit eine anhaltende Entwicklung in dieser Tradition dar, die den Platzraum wiederum neu definieren wird. Eine Überbauung des

alten Turnplatzes wurde allerdings schon mehrere Male diskutiert. So war dies schon 1916 der Fall, als eine Erweiterung der Turnhallen durch einen dritten Turnhallenbau, der den Heimplatz baulich abgeschlossen hätte, diskutiert wurde. »Im Sitzungsprotokoll des Baukollegiums vom 07.02.1916 wird die Meinung dieser Kommission dann wie folgt wiedergegeben: »Der Augenschein brachte die Kommission zur Überzeugung, dass nicht nur die vorgeschlagene Überbauung des Platzes zwischen den beiden Turnhallen vermieden werden sollte, sondern überhaupt eine Verbauung desselben und damit des schönen Bildes, das man gegenwärtig vom Heimplatz aus geniesst, mit der reizvollen, grossen Perspektive, den schönen Baumgruppen und dem stattlichen Kantonsschulbau als Hintergrund. « «13 Ein weiteres Mal wurde die Überbauung dann während des Wettbewerbes zur zweiten Erweiterung des Kunsthauses angedacht. »Im Tages-Anzeiger von 19. Januar 1957 heißt es, »dass der Abbruch der beiden sehr hässlichen Kantonsschulturnhallen ohnehin geplant ist. Warum erstellt man einen Neubau nicht auf das freiwerdende Areal dieser Turnhallen? ... Ein Bau anstelle der Turnhalle, etwas tiefer

Fotostrecke oben Eindrücke des Heimplatzes, Prägung durch das Element des Verkehrs

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in den Turnhalleplatz hineingerückt, würde sich organisch in den Platz und das städtebauliche Gesamtbild einfügen und ergäbe einen würdigen Seitenabschluss des Platzes. « «14 Davon kam man jedoch später ab, vor allem deshalb, weil man den Heimplatz auf der nordwestlichen Seite städtebaulich klarer fassen wollte. Dies konnte durch das Projekt der Gebrüder Pfister am besten bewerkstelligt werden, welches schlussendlich auch zur Ausführung kam. Ein letztes Projekt zur Überbauung des Turnplatzes lieferte der dänische Architekt Jørn Utzon mit dem Siegerprojekt im Verlauf des Wettbewerbes zum Neubau des Schauspielhauses im Jahre 1964, das jedoch aufgrund der problematischen verkehrstechnischen Lösung auch nicht zur Realisation kam. Somit besteht durch den jetzigen Wettbewerb die Möglichkeit, dieses Vorhaben doch noch zu einem Abschluss zu bringen und den Platz städtebaulich neu zu strukturieren.

rechts oben Skizze zur Erweiterung der Turnhallenbauten 1916

rechts mitte die Turnhallenbauten in der heutigen Platzsituation

Stadtraum Zürich Fokus Hochschulgebiet und Heimplatz

rechts unten Wettbewerbsprojekt Jørn Utzon zum Neubau des Schauspielhauses 1964

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Hottin Heimplatz

2

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Rämistraße

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Kantonsschulstraße

Rämistraße

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links Lageplan der heutigen Situation am Heimplatz oben: Kunsthaus Zürich (1) mitte: Schauspielhaus (2) unten: Alte Kanstonsschule (3)

Hier sind die wesentlichen, den Heimlatz prägenden Bildungs- und Kulturinstitutionen abgebildet. Wichtigstes Gebäude am Platz ist das Kunsthaus Zürich (1), das mit seinen Erweiterungen den Platzraum stets neu definierte. Durch seine ausdrucksstarke Fassade ist das

Stadtraum Zürich Fokus Hochschulgebiet und Heimplatz

heutige Schauspielhaus (2) ebenfalls bedeutendes Element im städtebaulichen Ensemble des Platzes. In Kombination mit den beiden Turnhallen war die Alte Kantonsschule (3) für spätere städtebauliche Entwicklungen des Platzes von entscheidender Bedeutung.

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Fassadenabwicklung Kantonsschulstraße

Kunsthaus Zürich Bauteil der Gebrüder Pfister 1958 beinhaltet den Saal für große Wechselausstellungen

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Haus Turnegg 1836 ehemaliges Wohnhaus „zum untern Lindenhof“ belegt mit Funktionen der Pädagogischen Hochschule


Schulhaus Wolfbach 1867

Alte Kantonsschule 1839-42

Schulgeb채ude mit Turnhalle

errichtet durch den Architekten Gustav Albert Wegmann nach dem Vorbild der Berliner Bauakademie

belegt mit Funktionen der P채dagogischen Hochschule

Stadtraum Z체rich Fokus Hochschulgebiet und Heimplatz

belegt mit Funktionen der P채dagogischen Hochschule

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Fassadenabwicklung Rämistraße

Villa 19. Jahrhundert Beispiel für die an die Rämistrasse anschließende Villenbebauung des Rämibühl belegt mit Funktionen der Universität Zürich

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Shop- und Bürogebäude 20. Jahrhundert

Schauspielhaus 1888 - 1926 1888-89 als „Pfauenkomplex“ errichtet durch die Architekten Chiodera und Tschudy 1899 zum „Pfauentheater“ umgebaut durch die Architekten Fellner und Helmer 1926 zum heutigen „Schauspielhaus“ umgebaut durch den Architekten Otto Pfleghard

Stadtraum Zürich Fokus Hochschulgebiet und Heimplatz

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01c

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Stadtraum Z체rich St채dtebau Kunsthaus+


städtebauliche Entwicklung und Potenzial Aus dem vorhergehenden Kapitel über das Hochschulgebiet und den Heimplatz können wesentliche Charakterzüge des Gebietes rund um das Kunsthaus herausgelesen werden. Hier wollen wir uns nun hauptsächlich mit dem Heimplatz selbst beschäftigen, der durch drei wesentliche Eigenschaften zu beschreiben ist. Eine davon stellen die zahlreichen, mit kulturellen Funktionen belegten, Gebäude und Gebäudeensembles dar, wie das Kunsthaus und seine zahlreichen Erweiterungen, das Schauspielhaus oder das Gebäudeensemble der Kantonsschule mit Turnplatz und Turnhallen. Zwei weitere dieser primären Eigenschaften sind die topografische Beschaffenheit des Geländes, an der mehrere tiefgreifende Veränderungen der Stadtstruktur im Verlauf der Geschichte abgelesen werden können, sowie die wichtige verkehrstechnische Position, die der Heimplatz innerhalb des Verkehrsnetzes der Stadt Zürich einnimmt und mit der wir uns etwas näher beschäftigen wollen.

Central

Bellevue

Hochschule

Kreuzplatz

Verkehr Sein heutzutage wohl stärkstes Charakteristikum findet der Heimplatz im starken Verkehrsaufkommen. Verantwortlich dafür sind die sich am Platz kreuzenden, wichtigen Verkehrsachsen Bellevue-Hochschule beziehungsweise Kreuzplatz-Central, die sowohl von öffentlichen Verkehrsmitteln in Form von Tram und Bussen, als auch von Fahrzeugen des Individualverkehrs genutzt werden. Zusätzliche Wartebereiche und Haltestellen, sowie das Tramwartehäuschen heben die Funktion des Platzes als Verkehrsknotenpunkt zusätzlich hervor und prägen

oben Darstellung Heimplatz

wichtiger Verkehrsachsen

am

mitte Foto des Heimplatzes um 1908 Prägung durch eine parkartige Struktur

unten Foto des Heimplatzes 2008 Prägung durch den Verkehr

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seine Gestalt. Die über ein Jahrhundert stetig vorgenommenen verkehrstechnischen Erweiterungen haben das ursprüngliche Aussehen des Heimplatzes einschneidend verändert. Vor allem das Schrumpfen der damals großzügig angelegten und begrünten Verkehrsinsel, die einen starken Bezug zum Turnplatzareal vor der Kantonsschule aufzubauen imstande war, dies heute aufgrund ihrer geringen Größe jedoch nicht mehr ist, unterstützte diesen Prozess. Es erfolgte ein Wandel des Charakters vom parkartigen Grünraum hin zum stark verkehrslastigen Stadtraum. Natürlich kann diese Transformation als logische Weiterentwicklung einer Zeit angesehen werden, in der Transport und Mobilität eine weitaus gewichtigere Rolle spielen als zuvor. Daher muss man sich heute die Frage stellen, ob der Heimplatz seinen momentanen Anforderungen gerecht wird, beziehungsweise ob nicht ein verändertes Umfeld auch eine Modifikation der Platzstruktur zur Folge haben muss. Das starke Personenaufkommen und die hohe Nutzungsfrequenz verlangen nach einer Erweiterung des Platzraumes. Trotz eines von der Stadt Zürich in Auftrag gegebenen Verkehrsgutachtens, das die Möglichkeit einer Neustrukturierung

der Verkehrswege am Platz für unwahrscheinlich hält, ist eine Reduzierung der Fahrspuren und eine dadurch entstehende Vergrößerung des Platzraumes vor dem bestehende Kunsthaus auf jeden Fall anzustreben. Dieser im Moment als undefinierter, dreieckiger Restraum zu deklarierende Vorplatz würde somit seiner Funktion und Bedeutung am Heimplatz, auch im Bezug auf die neuerliche Erweiterung des Kunsthauses, entsprechen und als urbaner, innerstädtischer Platz vehement an Qualität gewinnen. Mit der zusätzlichen Erweiterung, die durch den vorliegenden Entwurf angedacht wird und den Bereich zwischen den beiden, für erhaltenswert befundenen, Turnhallen betrifft, würde der Heimplatz ein gelungenes Ensemble an unterschiedlichen Platzräumen darstellen und seinen heutigen Anforderungen bezüglich seiner Funktion als Auftakt zu einer belebten Bildungsund Kulturmeile, gerecht werden. Bebauungsstruktur Im Stadtgefüge Zürichs liegt der Heimplatz an einer interessanten Stelle, da hier mittelalterliche Strukturen der Innenstadt auf lockere villenartige BebauungsstrukStrukturvergleich links: Hochschulgebiet mitte: Villengebiet am Rämibuehl rechts: mittelalterliche Stadt

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100m

turen der Gründerzeit sowie auf markante Bauvolumen verschiedener Bildungseinrichtungen treffen. Zusätzlich dazu befinden sich mit dem Ensemble des bestehenden Kunsthauses und seinen Erweiterungen, sowie der Kantonsschule und seinen Turnhallen mehrere, in ihrem Charakter, erhaltenswerte und städtebaulich wirksame Elemente vor Ort. Durch den Neubau der Kunsthauserweiterung besteht nicht nur die Chance, den Platzraum Heimplatz neu zu definieren, sondern auch die Möglichkeit, den unterschiedlichen Bebauungsstrukturen ein

vermittelndes Element hinzuzufügen und auf bestehende Strukturen zu reagieren. Die Kombination und gewisse Widersprüchlichkeit der durch den Wettbewerb zur Erweiterung des Kunsthauses gestellten Aufgabe mit vorhandenen, den Bauplatz umgebenden Strukturen stellte eine große Herausforderung bezüglich der Findung eines geeigneten Lösungsvorschlages dar. Es galt den Einklang eines üppigen, durch großmaßstäbliche Räumlichkeiten geprägten, Raumprogramms mit kleinteiligen baulichen Strukturen

Strukturpläne der zwei unterschiedlichen Wahrnehmnungsebenen im Stadtgefüge links: Erdgeschoßzone, Platzniveau rechts: Volumen Obergeschoß, Stadtebene

Stadtraum Zürich Städtebau, Kunsthaus+

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zu finden. Zusätzlich erschwerend war die Tatsache, dass die bestehenden Turnhallen am Kantonsschulareal nach Ansicht des Autors unbedingt als erhaltenswert einzustufen sind, aufgrund ihrer schützenswerten, sich beinahe im Originalzustand befindlichen Bausubstanz, sowie der Ensemblewirkung mit der Kantonsschule, welche ein wesentliches städtebauliches Charakteristikum des Heimplatzes darstellt. Weiters unterstützt die Umnutzung der Turnhallen und ihre Eingliederung in den Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich den am Heimplatz stets durch mehrere Gebäudekonstellationen präsenten Gedanken des permanenten Wachsens einer Stadtstruktur und eine architektonische Ausformulierung in diesem Sinne. Im Entwurf wurde versucht, das Gebäude durch die Bezugname auf zwei unterschiedliche Strukturen, nämlich auf jene der unmittelbaren Umgebung, also des Heimplatzes und jene einer weitreichenderen Umge-

bung, zu gliedern. Während die Erdgeschoßebene durch die Setzung der benötigten Volumina und der Eingliederung der Turnhallen auf umgebende Maßstäbe und Gegebenheiten Bezug nimmt, setzt die Positionierung weiterer Flächen in den Obergeschoßen, in Form eines größeren Volumens, neue Maßstäbe und präsentiert sich somit als prägendes städtebauliches Element in einer Reihe großformatiger Bauwerke wie jene der Universität Zürich, der ETH Zürich oder aber auch jenes der Kantonsschule. Die gesamte Erdgeschoßzone des Neubaus, sowohl Außen- als auch Innenflächen, wird als Erweiterung des öffentlichen Stadtraumes angesehen und auch als solcher behandelt. Zwischen mehreren, einzelnen Volumen entstehen Wege und Plätze in unterschiedlichen Ausformulierungen, sowie Blickachsen, die den derzeitigen, städtebaulichen Charakter des Heimplatzes weiter bekräftigen.

oben Darstellung der zwei Wahrnehmungsebenen im Baumassenmodell

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rechts Lageplan Projekt M 1:2000



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Kunsthaus Z端rich



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Kunsthaus Zürich Museen der Schweiz

Nachdem wir das gebaute Umfeld und dessen städtebauliche Strukturen kennengelernt haben, wollen wir uns im nun folgenden Kapitel konkret mit der Institution Kunsthaus Zürich auseinandersetzen. Dies wird eine Geschichte des Kunstvereines, einen Überblick über die Sammlung, sowie die bauliche Entwicklung des bestehenden Museumsgebäudes beinhalten. Bezüglich des Erweiterungsbaues Kunsthaus+ interessieren uns Aufgabe und Rahmenbedingungen des ausgeschriebenen Wettbewerbes, sowie die innere Organisationsstruktur des Entwurfes und dessen Beziehung zum bestehenden Museumsbau. Am Anfang des Kapitels soll zuerst jedoch auf die besondere Entwicklung einer eigenständigen Schweizer Tradition bezüglich des Museumsbaus eingegangen werden.

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Tradition und Moderne Ist an dieser Stelle von Tradition die Rede, so ist eine im Museumsbau beheimatete Bautradition gemeint, die sich in der Schweiz gegen Ende des 19. Jahrhunderts abzuzeichnen begann und sich in weiterer Folge im 20. Jahrhundert etablieren sollte. Mehrere Umstände haben dazu geführt, dass sich ein besonderer Umgang mit Museumsgebäuden und der darin ausgestellten Kunst entwickeln konnte, der durch Solidität und Angemessenheit gegenüber einer Bauaufgabe beschrieben werden kann. Getragen wurden diese Entwicklungen sowohl von privaten Sammlungen, wie der Sammlung Bührle in Zürich oder der Sammlung Oskar Reinhart in Winterthur, als auch durch öffentliche Häuser, wie zum Beispiel dem Kunsthaus Zürich, das mit seinem 1910 durch den Architekten Karl Moser (vgl. 02c Kunsthausbau) fertiggestellten Museumsbau den Grundstein einer modern gedachten Museumsarchitektur legte, die den damals laut werdenden Forderungen Alfred Lichtwarks nach guter Belichtung und funktionalen Räumen, die der Kunst dienen sollten, zu entsprechen trachtete. Weitergeführt wurden jene Ideen dann beim Bau des Kunsthauses Glarus, der 1951 bis 52 von Hans Leuzinger ausgeführt wurde und einen bemerkenswerten Umgang in der Kombinatorik traditionalistischer Elemente und zeitgenössischer Architektur darstellt, was durch die Verwendung einfacher, karger Form und Ausstattung, sowie klarer, kubischer Räume und von gefiltertem Oberlicht erreicht wurde. Als drittes, in jener Tradition stehendes Gebäude soll an dieser Stelle jenes des Architektenteams Gigon Guyer in Davos erwähnt werden, welches eine Sammlung von Arbeiten Ernst Ludwig Kirchners beinhaltet und sich ebenfalls durch einen starken Bezug zum Ort auszeich-

oben erstes Ausstellungsgebäude für das Kunsthaus Zürich, Karl Moser, 1910

mitte Kunsthaus Glarus, Hans Leuzinger, 1951 - 52

unten Ernst Ludwig Kirchner Museum, Davos, Gigon Guyer, 1992

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net. Hier ist es vor allem die Verwendung des Materials Glas, welche diesen Bezug herzustellen vermag. In verschiedenen Ausführungen vorhanden, spielt es mit den intensiven Lichtverhältnissen des Davoser Tals und wird den jeweiligen unterschiedlichen Funktionen wie der Lichtführung oder dem Ermöglichen von Einblicken gerecht. Außerdem erlaubt es in Kombination mit Metallelementen eine Assoziation zu den großen Hotelkomplexen, die sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Davos anzusiedeln begannen. Mit der Eröffnung des Kirchner-Museums im Jahre 1992 wären wir bei einem zeitgenössischen Architekturschaffen angelangt, das wir nun etwas genauer betrachten wollen.

Aktuelle Schweizer Museumsarchitektur Die eben erwähnte Errichtung des Kirchner-Museums in Davos stellt den Startpunkt eines Siegeszuges der Schweizer Architekten Annette Gigon und Mike Guyer dar, die seitdem ein beachtliches Œvre an Museumsbauten in der Schweiz vorweisen können und als etablierte »Museumsarchitekten« gelten können. Als wesentliches Charakteristikum ihrer Arbeit kann das Eingehen auf lokale Gegebenheiten der Sammlungen und des Ortes herausgestrichen werden. Gegenüber der Kunst verhält man sich eher zurückhaltend. »Nach mehr als zwanzigjähriger Sensibilisierung durch die Concept und Minimal Art – welche gerade die Grenze zwischen künstlerischen und alltäglichen Äußerungen erkundet haben – scheint das »Zutun« der Architektur in Ausstellungsräumen problematisch oder schlicht überflüssig«,15 so die Architekten. Und weiter: »Eine

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»Ausblendung« des Ausstellungsraumes zugunsten der Kunstwerke könnte sich einstellen, wenn der Raum so beschaffen wäre, dass er gleichsam ins Bekannte, Selbstverständliche, Fraglose zurückfällt. «16 Das Einnehmen solch einer Haltung konnte aus mehreren Gründen passieren. Zum einen blieb in der Schweiz der große Museumsbauboom der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts weitgehend aus, was eine beobachtende, reflektierende Position ermöglichte, losgelöst von marktwirtschaftlichen Zwängen, die die Institution Museum in vielen Fällen zum Spielball kapitalistischer Interessen werden ließ, zum anderen kann sie als Weiterführen einer in der Tradition des Realismus stehenden Baukultur angesehen werden. Ein ebenso gewinnbringender Faktor kann in der geringen Größe der zu errichtenden Museumsbauten gesehen werden, die durch ihre geringen Ausmaße eine gewisse experimentelle Herangehensweise im Schaffen von Architektur ermöglichten und dadurch viele der errichteten Bauten heute einen »Pionier-« oder »Prototypencharakter« besitzen. Vielmehr als bei den Projekten von Gigon Guyer wird uns dieser Aspekt bei Bauten des Baseler Architekturbüros Herzog de Meuron bewusst. Hier sind vor allem der kleine Museumsbau der Sammlung Goetz in München und das Schaulager in Basel zu erwähnen. Befindet sich die Sammlung Goetz auch in Deutschland, so soll sie doch an dieser Stelle genannt werden, da sie in radikaler und klarer Form der Intention der Architekten entspricht, nämlich dem Glauben an neutrale, ungegliederte Räume, einen Baustil, den sie als »anonyme Architektur« bezeichnen.17 Beeinflusst durch Arbeiten von Donald Judd oder Agnes Martin und durch die Zusammenarbeit mit mehreren Künstlern über Jahre hinweg entstand hier ein Bau, der in seiner Funktion, Form und Wirkung auf


die wesentlichsten Dinge reduziert wurde und somit eine Idealform des minimalistischen White Cubes darstellt. Ganz anders präsentiert sich das Schaulager in Basel, ein Museumsbau, mit dem Herzog de Meuron einen neuen Typus Museum zu kreieren versuchten. Geplant als Lagerhaus der Kunst, in dem jedes Objekt der Sammlung zu jeder Zeit sichtbar bleibt, gepaart mit permanenten und temporären Ausstellungsflächen, soll das Schaulager ein Ort sein, an dem man Kunst anders sieht und denkt. Die Sammlung soll zum Ausgangspunkt von Kreativität und Aktivität, von Lernen und Vergnügen werden.18 Neben den hier genannten Museumsbauten Schweizer Architekten wird die Museumslandschaft der Schweiz natürlich noch durch zusätzliche Arbeiten ausländischer Architekten komplettiert. Besonders erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang der von Renzo Piano errichtete Museumsbau der Fondation Beyeler in Basel oder die von Adolf Krischanitz gebaute Erweiterung für das Museum Rietberg in Zürich. Die bauliche Erweiterung

links Sammlung Goetz, München, Herzog de Meuron, 1989 - 92

Kunsthaus Zürich Museen der Schweiz

von Museen stellt, neben dem Thema dieser Diplomarbeit, überhaupt eine wichtige Aufgabe des Museumsbaus dar. In diesem Kontext entstanden Bauten für das Kunstmuseum Bern von den Architekten Atelier 5 oder für das Kunstmuseum Winterthur vom Architekturbüro Gigon Guyer. Neben dem Erweiterungsprojekt für das Kunsthaus Zürich ist im Jahr 2009 ein nächster Wettbewerb, nämlich jener zur Erweiterung des Kunstmuseums Basel, ausgeschrieben worden.

rechts Schaulager Basel, Herzog de Meuron, 2003

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02b

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Kunsthaus Z端rich Institution Kunsthaus


Zürcher Kunstgesellschaft Am Ursprung des Zürcher Kunsthauses stand eine kleine Gruppe von Künstlern und Kunstfreunden, die sich seit dem Jahre 1787 als »Samstag – Gesellschaft« regelmäßig zu freundschaftlicher Diskussion und gegenseitiger Förderung traf. Schon bald entstanden erste Sammlungsund Ausstellungstätigkeiten und nach einer Umbenennung zur »Donnerstag – Gesellschaft« wurde schlussendlich der Verein der »Zürcher Künstlergesellschaft« gegründet, der mit seinen Ämtern, seiner Verwaltung und Statuten dem Verlangen nach einer Organisationsstruktur gerecht wurde, die durch eine stetig steigende soziale Verantwortung, bedingt durch das öffentliche Auftreten der Gruppe, aufgekommen war. Die Geschichte des Kunstvereins war in den ersten 100 Jahren geprägt von einem ständigen Wechsel der Ausstellungsräumlichkeiten und der Suche nach einem geeigneten Platz für die Errichtung eines neuen, adäquaten Museumsbaues innerhalb der Stadtstruktur Zürichs. Zahlreiche Stiftungen und Schenkungen von Werken schienen einen solchen Neubau unabdingbar zu machen, finanziell sollte er zum einen durch die öffentliche Hand, vor allem aber durch private Geldspenden möglich gemacht werden. Durch den Museumsbau von Karl Moser wurde dieses Vorhaben dann im Jahre 1910 auch erfüllt, später folgende Erweiterungen des Hauses standen jedoch schon von seinem ersten Tag des Bestehens an fest. Der Kunstverein konnte einen raschen Anstieg sowohl seiner Mitglieder, als auch seiner Sammlung verzeichnen, und zahlreiche weitere Stiftungen führten zu mehreren Erweiterungen des Gebäudes am Heimplatz. Im 21. Jahrhundert angekommen findet sich die Institution Kunsthaus in einem frisch renovierten Gebäudekomplex

wieder, der nun erneut erweitert werden soll, um es dem Verein zu ermöglichen, sich international mit Nachdruck zu positionieren und seiner Bedeutung als einer der größten Kunstvereine Europas mit über 20000 Mitgliedern sowie als ältester noch aktiver Kunstverein der Welt in Form und Größe gerecht zu werden.

Sammlung Die erste sammlerische Tätigkeit der Zürcher Kunstgesellschaft ergab sich durch den im Turnus zu leistenden künstlerischen Beitrag eines jeden Mitgliedes für das so genannte »Malerbuch«, welches seit 1774 geführt wurde. Dieser bestand entweder aus einer eigenen Zeichnung oder aus einem künstlerisch wertvollen Blatt von anderer Hand. In weiterer Folge wurden erste Ausstellungen organisiert, die vorerst hauptsächlich von Zürcher Malerei bis ins 18. Jahrhundert geprägt waren. Beträchtliche, vermachte Geldsummen ermöglichten ab 1890 die Erweiterung der Sammlung mit wesentlich größeren Mitteln. Eine wichtige Schenkung erfuhr sie dann im Jahr 1898 durch Heinrich Schulthess von Meiss, der dem Kunstverein eine Sammlung von 80 Gemälden damals berühmter deutscher und Schweizer Maler vermachte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Sammlung neben der Erweiterung durch Schweizer Malerei, erstmals auch durch Werke französischer Impressionisten und Postimpressionisten, wie Renoir, Cézanne, Van Gogh und Bonnard erweitert. Dies geschah durch die als Legat erhaltene Sammlung Hans Schulers, die der Institution 1920 übergeben wurde. 1929 beginnt Dr. Hans E. Mayenfisch für das Kunsthaus Gemälde lebender Schweizer zu kaufen. Dieser Zeitpunkt beschreibt

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ein wichtiges Ereignis innerhalb der Organisation; man beginnt sich bewusst auch auf zeitgenössische Kunst zu konzentrieren. Die Dualität zwischen Konservation Alter Meister und der Zuwendung zur Gegenwartskunst stellt einen wichtigen Grundstock in der Aktivität der Zürcher Kunstgesellschaft dar. »Das Kunsthaus Zürich ist durchgehend geprägt von der gleichzeitigen Aufmerksamkeit auf avancierte Kunst der Gegenwart wie auch auf die sorgfältige und inspirierte kunsthistorische Aufarbeitung.«19 Schon früh wurde man dieser Einstellung gerecht; Ausstellungen über Expressionisten wie Edvard Munch oder die weltweit erste Retrospektive Pablo Picassos im Jahr 1932 beweisen dies. Auch im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts konnte man durch zahlreiche Stiftungen und großzügige Geldspenden seinen Horizont stetig erweitern. Wichtige Eckpfeiler dieser Erweiterungen waren neben der mehrfachen räumlichen Ausbreitung des Museumsbaues die Errichtung einer Giacometti Stiftung, der man heute viel an Ansehen verdankt, die Errichtung einer umfassenden Sammlung mit Kunst der DADA-Bewegung oder aber auch die weitere Vertiefung der Sammlung französischer Kunst vom Impressionismus bis hin zur klassischen Moderne. Gerade in diesem Bereich wird im Zuge der

Fotostrecke diese und nächste Seite: überblicksartiger Auszug der Sammlung Kunsthaus

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anstehenden Erweiterung durch die Sammlung Emil G. Bührles ein weiteres Highlight der Sammlung hinzugefügt werden. Zusätzlich wurden durchgehend Werke zeitgenössischer Künstler, sowohl schweizer, als auch internationaler Abstammung, gesammelt, was dazu führte, dass ein beträchtlicher Teil der Sammlung als Sammlung zeitgenössischer Kunst seit 1960, auf ein neues Zuhause im Form der anstehenden Erweiterung wartet. Dieser Teil der Sammlung ist gekennzeichnet durch eine große Vielfalt an Arbeiten und Schwerpunkten aber auch durch die Präsenz unterschiedlichster Medien. Allgemein stellt das Kunsthaus Zürich heute eine bedeutende Sammlung sowohl nationaler als auch internationaler Kunst dar, die fünf Jahrhunderte und eigenwillige Schwerpunkte umfasst. Im Zuge der Erweiterung sollen die bis dato herausgearbeiteten spezifischen Eigenschaften des Kunstvereines weiter präzisiert werden. Das Kunsthaus Zürich soll sich so im internationalen Vergleich einen bedeutenden Namen schaffen und sich über einen längeren Zeitraum hin etablieren. Als zentraler Schwerpunkt gilt weiterhin die Zuwendung zur zeitgenössischen Kunst neben der fortlaufenden Verdichtung bestehender Sammlungen.

rechts: Schwerpunkte Schweizer Kunst (Ferdinand Hodler), klassisch Moderne Malerei (Kandinsky, Klee) Malerei des ausgehenden 19. Jhdt (Manet, Matisse, Valloton, Van Gogh)

oben: Kunstwerke des Sammlungsschwerpunktes Alberto Giacometti, unterschiedliche Schaffensperioden


Kunsthaus Z端rich Institution Kunsthaus

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Kunsthaus Z端rich Kunsthausbau


Wettbewerb und Ursprungsbau Der ursprüngliche Bau des Kunsthauses Zürich wurde von Karl Moser projektiert und 1910 fertig gestellt. Er war das Ergebnis eines Wettbewerbes, den die Zürcher Kunstgesellschaft im Jahre 1904 ausgeschrieben hatte, welcher den vorläufigen Endpunkt einer langen Suche nach geeigneten Räumlichkeiten für die auszustellende Kunst des Vereines darstellte. Durch immer stärker präsent werdende Ausstellungstätigkeiten an unterschiedlichen provisorischen Orten und in verschiedensten Räumlichkeiten war seit den 1890er Jahren die Suche nach einem geeigneten Gebäude für die Kunst und einen dafür passenden Bauplatz zum ständigen Begleiter der Aktivitäten der Zürcher Kunstgesellschaft geworden. Durch die

Einrichtung eines Neubaufonds 1887 und einen ersten ausgeschriebenen Wettbewerb im Jahre 1902 nahm die Errichtung eines Museumsbaus langsam Gestalt an. Dem war eine lange Suche nach einem geeigneten Bauplatz vorausgegangen, die durch die geplante Ausführung am Heimplatz, der tatsächlich zu seinem späteren Standort wurde, ein Ende fand. Dieser erste Wettbewerb lieferte jedoch nicht das gewünschte Ergebnis und es wurde kein erster Platz vergeben. Erst im zweiten Anlauf 1904 konnte ein den Vorstellungen des Vereins entsprechendes Museumsprojekt des Architekten Karl Moser zum Sieger erklärt werden und Moser war es auch, der mit der Ausführung betraut wurde. Durch die Wahl dieses Architekten schien die erwünschte Errichtung eines »Monumentalbaus« gewährleistet, »dem es weit über

Bestandsgebäude der Institution Kunsthasu Zürich am Heimplatz

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Zürich hinaus an Beachtung nicht fehlen kann. «20 Dieser elitär wirkenden Äußerung standen jedoch auch liberale Ideen zur Errichtung eines Museum für das Volk gegenüber, was die damals vorherrschenden Spannungen zwischen den Sozialdemokraten und den bürgerlichen Parteien widerspiegelte. Man wollte die Sammlung »popularisieren« und an drei Nachmittagen unentgeltlich öffnen. Dazu hieß es im Jahresbericht: »... ausschlaggebend für das Opfer (der unentgeltlichen Öffnung) war doch der ideale Gedanke der Popularisierung an sich, der Gedanke, auch dieses neue Kunsthaus zu einem wahren Volkshaus zu machen, das dem Gerede von dem exklusiven, hochmütigen aristokratischen Charakter der Kunst ein Ende bereitet und ihr, der erzieherische wirkenden, veredelnden, in Zürich auch jene Kreise des Volkes gewinnt, die zu ihr und zu denen sie bisher nicht gelangen konnte, - nicht nur jetzt für den Augenblick gewinnt, da es gilt abzustimmen, sondern für alle Zeit.«21 Nach mehreren Verhandlungsrunden bezüglich Finanzierung, der Bauetappen und des Bauplatzes konnte im Jahre 1907 mit den Bauarbeiten begonnen werden. Der ausgeführte Museumsbau besteht aus zwei Teilen,

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einem längsrechteckigen, dreigeschossigen Eck- oder Hauptbau mit Ausstellungsräumlichkeiten für die Sammlung, sowie einem südlich anschließenden, ebenfalls längsrechteckigen, zweigeschossigen Flügel mit abgeschrägten Ecken mit den Räumen für die Ausstellung. Die beiden Gebäudeteile weisen jeweils eine dreischiffige Struktur auf, wobei ihre Achsen normal zueinander stehen. Interessant scheint die Wegführung bezüglich der Treppenanlage im Hauptbau. Über eine zentrale Halle wird man gleich hinter dem Windfang nach links zu einer kleinen Treppe geleitet, durch die man in das eigentliche Hauptgeschoß mit der zentral liegenden, mächtigen Halle und ihrer großzügigen Treppe, die an zwei Wänden ins zweite Obergeschoß des Eckbaus führt, gelangt. Zentrales Anliegen im Entwurfsprozess war die Optimierung der Belichtung der Ausstellungsräume, was ein damals viel diskutiertes Thema darstellte. Hier überwiegt die Anzahl von Oberlichtsälen gegenüber jenen mit seitlicher Belichtung, was sowohl aus praktischen als auch wirtschaftlichen Überlegungen heraus entstanden war. Federführend in der damaligen Diskussion über Museumsbau war Alfred Lichtwark, der in


seiner Position als Direktor der Hamburger Kunsthalle neben seinen bahnbrechenden Leistungen im Bereich der Kunstvermittlung auch stark für Museumsbauten eintrat, die im Dienst der auszustellenden Kunst stehen und somit nach höchstmöglicher Funktionalität trachten sollten. Seine Ansätze finden sich im Entwurf des Kunsthauses wieder, jedoch in Verbindung mit stark ausgeprägten traditionalistischen Elementen, zum einen Schweizer Natur und zum anderen in der Tradition der Karlsruher Schule, wie sie Moser oder auch Billing um die Jahrhundertwende vertreten haben.22 Dies kommt vor allem in der Gestaltung der Fassade zum Ausdruck, geprägt durch glatte Wandflächen, großen, monumentalen Schmuck und weiche Wandschwingungen, die Bewegung in die Flächen bringen.

Erweiterungsbauten Eine erste Erweiterung erfuhr das Zürcher Kunsthaus dann in den Jahren 1924 - 1926, wiederum projektiert durch Karl Moser. Nach mehreren Entwürfen entschied

man sich für einen einfachen, kubischen Anbau südlich an das Gebäude. Dieser beinhaltete Räumlichkeiten für eine Bibliothek samt großem, zweigeschossigem Lesesaal, einen Vortragssaal, sowie weitere Galerieräume für die Sammlung und die neu initialisierte Graphische Sammlung. Gegenüber dem Bestandsbau kann beim ersten Erweiterungsbau schon eine gewisse Neuausrichtung der Museumsarchitektur im zwanzigsten Jahrhundert erkannt werden. Dies kommt sowohl im Raumprogramm als auch in der architektonischen Ausformulierung des Gebäudes zum Ausdruck. Erhoben die Galerieräume im Altbau noch den Anspruch auf die selbe Ebene mit der ausgestellten Kunst gestellt und somit als ebenbürtiges »Kunstwerk« angesehen zu werden, so verschwindet dieser Anspruch im neu errichteten Bau. Reagierte Moser beim Äußeren des Hauses bezüglich der Geschoßhöhen oder der Proportionen der Fensteröffnungen noch sehr stark auf den Bestandsbau und war er auch formal noch sehr zurückhaltend, so formulierte er bei der Innenausstattung schon eine neue Haltung gegenüber dem Museumsbau. Bilder und Skulpturen stehen im Mittelpunkt, präsentiert auf glatt verputzten Wänden, die nicht von

Fotostrecke des ersten Museumsbaus für das Kunsthaus Zürich von Karl Moser, Originalzustand

Kunsthaus Zürich Kunsthausbau

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ihrer Präsenz und Wirkung abzulenken versuchen. Diese neue Haltung kann auch schon an den geplanten und ausgeführten Räumlichkeiten an sich abgelesen werden. Funktionen wie die Bibliothek mit ihrem stark präsenten Lesesaal oder der Vortragssaal deuten auf eine klare Tendenz zur »Öffnung« des Museums hin. Dass auch durch die zweite bauliche Erweiterung des Kunsthauses der stetig anwachsende Platzbedarf des Zürcher Kunstvereins nicht getilgt werden konnte, war bald klar. Schon in den 30er Jahren plante man weitere Optionen für die Erweiterung. Konkrete Pläne sollte dann ein Wettbewerb liefern, der auf der Basis neuer städtebaulicher Erkenntnisse im Jahr 1944 ausgeschrieben wurde. Wesentlich dazu beigetragen hatte eine großzügige Stiftung Emil G. Bührles, mit der schlussendlich der ganze zweite Erweiterungsbau finanziert werden sollte. Als Sieger des Wettbewerbes gingen die Gebrüder Pfister hervor, die den Anbau nach mehreren Modifikationen des Wettbewerbsprojektes dann auch ausführten. Der 1958 fertiggestellte Bau steht stark in der Tradition der klassischen Moderne und sah sich schon zum Zeitpunkt seiner Errichtung in den 50er Jahren mit starker Kritik

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bezüglich seiner Ideale konfrontiert. Ein 70m langer und 18m breiter, flexibel möblierbarer Ausstellungssaal mit einer als Oberlicht verglasten Decke stellt das Herzstück des Entwurfes dar und überspannt aufgeständert, nach möglichst hoher Durchlässigkeit strebend, einen Veranstaltungssaal, einen Durchgang und ein Restaurant im Erdgeschoß. Über eine Treppe mit dem Bestandsbau verbunden, konstruierte man hier einen Ausstellungsraum nach dem Prinzip der flexiblen Ausstellungshalle, dessen äußere Erscheinung durch eine Fassade in brutalistisch anmutendem Sichtbeton geprägt ist und dessen Inneres eine aufwendige technische Ausstattung zur Belüftung und Kühlung beherbergt. Die vorerst letzte Erweiterung erfuhr das Kunsthaus Zürich dann nach einem weiteren Wettbewerb im Jahre 1969, der durch eine Spende von Olga Mayenfisch möglich gemacht wurde. Der neuerlich im Süden angefügte Zubau wurde von Architekt Erwin Müller errichtet und 1976 eingeweiht. Der Entwurf besteht aus mehreren hallenartigen Ausstellungsräumen mit eingezogenen Galerien, die es ermöglichen, auf vier Ebenen auszustellen. Die unterschiedlichen Geschoße sind mit dem Altbau,


als auch untereinander durch Treppen verbunden und die Räume zum Teil über mehrere Geschoße erlebbar. Gedeckt wird der Ausstellungsteil von einem dreidimensionalen Stahlfachwerk, durch das auch gleichzeitig, teils direkt, teils indirekt, die Belichtung funktioniert. Die hallenartige, offene Struktur dieses Gebäudeteiles und die starke Präsenz der Dachkonstruktion erschweren ein Ausstellen wesentlich. In einem weiteren Gebäudeteil zur Rämistrasse hin wurden damals Läden, ein Restaurant und ein Kiosk, sowie der Eingang zur Bibliothek angeordnet und in Form einer Passage ausformuliert. Es sollte eine Art Fußgängerzone zur Rämistrasse hin entstehen und die Institution Kunsthaus sollte sich nach außen hin zugänglich zeigen. »Unser Bestreben, das Kunsthaus nach aussen zu öffnen, wird durch die Architektur des Neubaus unterstützt«, so der Architekt.23 Heute präsentiert sich das Kunsthaus Zürich in frisch renoviertem Zustand. Im Zuge einer Sanierung von 2001 bis 2005 wurde das komplette Haus renoviert und zum Teil neu strukturiert, wobei versucht wurde, die unterschiedlichen Charaktere der einzelnen Räume zu

wahren. So sind die Galerieräume aller Bauten in ihrem Charakter im Wesentlichen erhalten. Umgebaut und umstrukturiert wurden jedoch vor allem das Foyer, der damalige Lesesaal im ersten Erweiterungsbau von Karl Moser oder Räumlichkeiten der Verwaltung und der Bibliothek. Auch im Bereich zur Rämistrasse des Müllerbaus ist nicht mehr die originale funktionale Belegung vorhanden und die vom Architekten gewünschte Öffnung des Hauses funktioniert hier nur bedingt. Der im Zuge des ausgeschriebenen Wettbewerbes zu planende Erweiterungsbau soll nun nicht mehr am selben Areal der Vorgängerbauten errichtet werden, sondern seinen Platz auf dem Kantonsschulareal auf der gegenüberliegenden Seite des Heimplatzes finden, jedoch über einen unterirdischen Gang mit dem Ursprungsbau verbunden sein. Zusammen sollen Ursprungsbau und Neubau das neue Zürcher Kunsthaus formen und nach über 100jähriger Bautätigkeit den Gebäudekomplex vorerst zu einem Abschluss bringen.

Fotostrecke der Ausstellungsräumlichkeiten im heutigen Kunsthaus Zürich

Kunsthaus Zürich Kunsthausbau

61


02d

62

Kunsthaus Z端rich Wettbewerb Kunsthaus+


Aufgabe Trotz umfassender Sanierung des bestehenden Kunsthauses von 2001 bis 2005 will deren Trägerschaft nicht darauf verzichten, sich in der internationalen Museenlandschaft mit Nachdruck zu positionieren und das bestehende Haus erneut einer Vergrößerung zu unterziehen. Zu dem Zweck wurde 2008 der Wettbewerb zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich als »Projektwettbewerb im selektiven Verfahren mit 20 Teilnehmenden« ausgeschrieben, an dem international renommierte Architekturbüros teilnahmen. Ziel des Verfahrens ist es, »das Kunsthaus als Museum für das 21. Jahrhundert von innen heraus neu zu definieren.«24 Eine dynamisierte, vernetztere Bespielung der eigenen Sammlung von Kunst ab den 1960er Jahren, sowie der neue Schwerpunkt Französische Malerei, ergänzt durch die Sammlung E. G. Bührles stehen im Vordergrund der Bemühungen. Vereint am Standort Heimplatz soll das neue Kunsthaus Zürich als größter Museumskomplex der Schweiz auch über deren Landesgrenze hinaus an Strahlkraft gewinnen. Rahmenbedingungen Als wichtiges Ziel des Bauvorhabens Kunsthaus+ wird die allgemeine Stärkung des Standortes Heimplatz angesehen. Neben der Errichtung eines expliziten Ausstellungshauses mit starkem Öffentlichkeitsbezug soll zusätzlich ein Garten der Kunst entstehen. Das Konglomerat Kunsthaus wird als »Tor der Künste«25 zum Auftaktspunkt der Zürcher Bildungs- und Kulturmeile, der Garten der Kunst zum Beginn des sich entlang dieser Achse etablierenden Grünraumes. Seitens des Auslobers werden in den Ausschreibungsunterlagen zum Architekturwettbewerb eine Gesamtnetto-

nutzfläche von 12750m² und ein dadurch entstehendes Volumen von 90000m³ genannt. Damit wird am Heimplatz ein Maßstabssprung erfolgen, den es in Einklang mit der umgebenden Stadtstruktur zu bringen gilt. Die Setzung eines größeren, markanten Volumens mit einer Obergrenze von 45000 bis 55000m³, die den Ort in seiner Erscheinung nachhaltig prägen und verändern wird, erscheint in der Ansicht des Auslobers als möglich und erstrebenswert. Bei einem Gesamtvolumen von 90000m³ würde dies bedeuten, dass ein wesentlicher Teil des Gebäudes unterirdisch anzuordnen ist. Weiters soll der Neubau in Zukunft das neue Haupt- und Eingangsgebäude des Kunsthauses Zürich darstellen und unterirdisch mit den Bestandsbauten verbunden sein. Betrachtet man das benötigte Gesamtvolumen in Bezug auf das städtebaulich verträgliche Maß und der Aufgabe eines Kunstmuseums, so wird schnell klar, dass das Raumprogramm für den spezifischen Ort des Kantonsschulareals eindeutig überfrachtet wurde. Klar zum Ausdruck kommt dies auch beim Siegerentwurf des Wettbewerbes des britischen Architekten David Chipperfield. In einem kompakten Baukörper organisiert, bringt es sein Erweiterungsgebäude auf ein oberirdisches

Schaubild des siegreichen Wettbewerbsprojektes von David Chipperfield

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Gesamtvolumen von rund 93000m³ und steht dadurch in keiner Relation zum Maßstab des Ortes. Unterstützt durch eine in Sandstein geplante, klassizistisch anmutende Fassade, wurde das Gebäude schon als »Palazzo, der mit seiner gravitätischen Erscheinung und seinem Volumen das städtische Gefüge am Heimplatz zu sprengen droht«, bezeichnet.26 Es liegt also nahe, die Ausmaße des Wettbewerbsprogramms zu überdenken und ein maßgeschneidertes Raumprogramm für den Ort zu erstellen. Der Entwurf zu dieser Diplomarbeit bringt es durch mehrere Einsparungen gegenüber den Forderungen des Wettbewerbes auf ein oberirdisches Gesamtvolumen von rund 55000m³, zuzüglich den beiden Turnhallen am Kantonsschulareal mit einem Volumen von rund 13500m³. Diese beiden Turnhallen, die in Kombination mit der Alten Kantonsschule ein städtebaulich prägendes Element des Heimplatzes darstellen, werden in Anbetracht

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der Erweiterung des Kunsthauses und der damit verbundenen Errichtung eines großen Volumens am Kantonsschulareal, trotz ihrer Eintragung im kantonalen Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte im Zuge der Wettbewerbsausschreibung als nicht schützenswert eingestuft. Es scheint, als sei eine sinnvolle und funktionale Einbindung in den Gesamtkomplex Kunsthaus nicht möglich. Wie jedoch bereits im vorhergehenden Kapitel erwähnt, sind die Turnhallen nach Ansicht des Autors sowohl durch ihre städtebaulich prägende Funktion am Ort, als auch durch ihre an sich erhaltenswerte Bausubstanz unbedingt in ein Erweiterungskonzept für das Kunsthaus Zürich aufzunehmen. Die Tatsache, dass dadurch die Möglichkeit besteht, eine Erweiterung des Heimplatzes in Form eines gefassten Vorplatzes zu erreichen, sowie die durchaus gute Eignung der Bausubstanz für Räume


der Kunst, unterstreichen diese Forderung nur zusätzlich. Im Entwurf wurden beide Hallen in das Raumprogramm eingegliedert und stellen, durch die Aufnahme von Kunstwerken zeitgenössischer Kunst, einen zentralen Schwerpunkt des Entwurfkonzeptes dar.

Raumprogramm Wie wir soeben gehört haben, beläuft sich das Raumprogramm des Wettbewerbes auf eine Größe von 12750m² Nutzfläche. Die wichtigsten Elemente des Programms sollen hier kurz erwähnt und genauer erläutert werden. Da im schlussendlichen Entwurf gewisse Teile des vorgeschlagenen Raumprogramms nicht berücksichtigt wurden, beziehungsweise mehrere Modifikationen unternommen worden sind, was im Allgemeinen zu einer Verminderung der Nutzflächen geführt hat, werden zuerst die durch den Wettbewerb gewünschten Forderungen angeführt und diese danach in Bezug auf die tatsächlich geplanten Ausführungen reflektiert. Gesamt erfolgte eine Reduzierung der Nettonutzflächen von geforderten 12750m² auf 11024m² und ein dadurch entstehendes Gesamtvolumen von 105347m³ gegenüber einem veranschlagten Volumen von 90000m³. Halle und öffentliche Funktionen Herzstück des Erweiterungsbaues soll eine zentrale Halle darstellen. Gekennzeichnet durch einen stark öffentlichen Charakter ist sie sowohl Verteiler zu den übrigen Funktionen wie den Galerieräumen oder den Räumen der Kunstvermittlung, als auch Kommunikationsund Begegnungsort, »in welchem die Kunst in sozial

experimenteller oder Vertiefung erheischenden Form bereits ihre herausfordernde Präsenz haben kann«.27 Als neuer Haupteingang und durch einen starken Bezug von Innen- und Außenraum ist die Halle Sinnbild einer neuen Öffentlichkeit, die für die Institution Kunsthaus stehen soll. Weitere öffentliche Funktionen, wie ein Café und ein Museumsshop sollen an diesen zentralen Bereich der Halle angelagert werden. Mit 527m² Nutzfläche der Halle, was gegenüber den Wettbewerbsvorgaben eine Vergrößerung der Fläche um 27m² darstellt, und einer generellen Vergrößerung der öffentlichen Funktionen von Café und Kassenbereich wurden im Entwurfsprojekt ein großer Wert auf den gesamten Öffentlichkeitscharakter des Erweiterungsbaus gelegt. Dies soll Offenheit und Großzügigkeit ausstrahlen und den Verzicht auf den als »Anlässe« bezeichneten Bereich des Wettbewerbsprogramms kompensieren. Sammlungsgalerien Kunsthaus, Kunst ab 1960, Wechselausstellungen Diesem Teil der Sammlung Kunsthaus soll im Neubau besondere Beachtung geschenkt werden. Eine bessere und vernetztere Präsentation zeitgenössischer Kunst steht im Vordergrund der Bestrebungen und soll, gegenüber den schwer zu bespielenden Teilen des Bestandsbaus, neue Möglichkeiten zu einer nicht linear angeordneten Ausstellungstätigkeit bieten. Gefordert wurden laut Wettbewerbsprogramm Raumfolgen mit Ausstellungsräumen unterschiedlicher Größe in der Dimension von 3250m², geeignet für Kunstgegenstände unterschiedlichster Medien und Größen. Wechselausstellungsgalerien sollen zusätzliche 900m² Fläche bieten und mit Ausstellungen, gekennzeichnet durch einen starken inhaltlichen Bezug zur Sammlung Kunsthaus, bespielt werden.

links Vergleich des Baumassenmodelles des siegreichen Wettbewerbsentwurfes von David Chipperfield mit jenem des Diplomprojektes

Kunsthaus Zürich Wettbewerb, Kunsthaus+

65


Die vernetzte Bespielung der Sammlung Kunsthaus mit Kunst ab 1960 steht auch im Zentrum des Entwurfes dieser Diplomarbeit. Außerdem wird ein starker Öffentlichkeitsbezug dieses Sammlungsteils angestrebt, der einer inhaltlichen Neudefinition der Kunst und einer dadurch entstandenen Vielfalt innerhalb der Kunstproduktion gerecht werden soll. Es werden daher all jene Sammlungsteile, die zeitgenössische Kunst beinhalten, entweder im Erdgeschoß oder im Untergeschoß angeordnet. Um eine Verringerung der Ausstellungsflächen gegenüber dem Raumprogramm um rund 2000m² auszugleichen, wurde ein Ausstellungskonzept entwickelt, welches diese Flächen durch sogenannte »Kuratorenräume« zu ersetzten versucht. (vgl. 05d, Ausstellungskonzept) Diese liegen entweder als Vermittlungsraum zwischen Erschließungsund Ausstellungsbereich, beziehungsweise ergänzen die Ausstellungsflächen in nicht linearer Anordnung und belaufen sich auf eine Gesamtnutzfläche von 1436m². Sammlung Bührle und Sammlungsgarlerien Kunsthaus, Malerei 19. Jahrhundert, klassische Moderne Als in sich ruhende Sammlung umfasst die Sammlung Bührle Räumlichkeiten im Ausmaß von 1500m² Nutzfläche. Als klassische Ausstellungsgalerie soll eine lineare Abfolge unterschiedlich großer Ausstellungsräume ermöglicht werden. Wichtiges Element stellt ein zentraler Galerieraum dar, der den Kern der Sammlung mit Meisterwerken der impressionistischen Malerei und deren Hauptvertreter von Manet, über Cézanne bis hin zu Van Gogh beinhaltet. Ergänzt wird die Sammlung Bührle mit Werken klassischer Malerei des 19. Jahrhunderts und Werken der klassischen Moderne aus der Sammlung Kunsthaus, die in Räumen mit einer Gesamtnutzfläche von 500m² untergebracht werden sollen. 66


Im Entwurf wurden die geforderten Flächen für diesen Teil der Ausstellungsgalerien eins zu eins übernommen. Sie befinden sich in den drei Obergeschoßen des Gebäudes. (vgl. 05d, Ausstellungskonzept) Kunstvermittlung Als ergänzende Räumlichkeiten zu den im Bestandsbau situierten Malateliers und Gruppenräumen soll im Erweiterungsbau ein Zentrum für Aktivitäten von Besuchern in Gruppen entstehen. Dieses beinhaltet unterschiedlich kombinierbare Gruppenräume sowie ein großes, multifunktionales Atelier zur Kunstproduktion. Während ein Großteil der Vermittlungsarbeit direkt in den Galerien stattfinden wird, sollen vor allem spezifische Vermittlungskurse der Institution Kunsthaus und Schulklassen in den neu geschaffenen Räumen der Kunstvermittlung ihren Platz finden. Die Aufsplittung der Vermittlungstätigkeit kommt auch im Entwurf dieser Arbeit zum Ausdruck, indem Kunstvermittlung zum einen in den »Kuratorenräumen« erfolgen kann und dort ihre räumliche Verortung findet und zum anderen in einem eigenständigen Gebäude, das die eben beschriebenen zusätzlichen Räumlichkeiten des Wettbewerbsprogramms in sich aufnimmt und einen geforderten, eigenständigen Betrieb der Vermittlungsarbeit ermöglicht.

sinnvoll, da schon der bestehende Bau einen Festsaal in ähnlicher Dimension aufweist und das Raumprogramm ohnehin als überfrachtet angesehen wird. Dadurch ist der gesamte Bereich »Anlässe« im Entwurfsprozess nicht berücksichtigt worden. Durch eine Vergrößerung der öffentlichen Bereiche der Halle und des Cafés samt zugehöriger Infrastruktur sollen trotzdem unterschiedlichste Veranstaltungen im Neubau des Kunsthauses ermöglicht werden. Leichte Modifikationen des bestehenden Veranstaltungsbereiches in den Bestandsbauten von Karl Moser und der Gebrüder Pfister sollen diesen Teil samt Veranstaltungssaal für größere Ereignisse attraktiver machen und die Position der Bestandsbauten im späteren Konglomerat Kunsthaus Zürich stärken. Infrastruktur Ein ebenfalls wesentlicher Teil des Neubaus soll ein Kunstdepot im Ausmaß von 1000m² Nutzfläche darstellen, was auch im Zuge des Diplomprojekts als sinnvoll erachtet und in das Raumprogramm übernommen wurde.

Anlässe Laut Wettbewerbsprogramm wurde ein Veranstaltungsbereich in der Größenordnung von 1200m² Nutzfläche vorgesehen. Er sollte einen Veranstaltungs- und Festsaal mit zugehörigem Foyer, Gruppenräume und einen Cateringbereich beinhalten. Die Errichtung dieser Räumlichkeiten scheint wenig Kunsthaus Zürich Wettbewerb, Kunsthaus+

67


Raumprogramme im Vergleich Angaben in m² Nutzfläche

68

Bezeichnung

Wettbewerb

Kunsthaus+

Differenz

Räume der Kunst

6150

3921

- 2229

Sammlungsgalerien 1960+

3250

1409

- 1841

Sammlungsgalerien 19. Jhdt.

500

500

0

Sammlung Bührle

1500

1500

0

Wechselausstellung

900

512

- 388

Zwischenräume

0

1436

1436

Kuratorenräume

0

1436

1436

Öffentliche Bereiche

1250

1518

268

Halle

500

527

27

Kassa, Info

75

257

182

Garderobe, WC

250

147

- 103

Café inkl. Infrastruktur

200

340

140

Shop inkl. Infrastruktur

225

247

22

Kunstvermittlung

425

393

- 32

Gruppenräume

250

219

- 31

Ateliers

175

174

-1

Komplementärbereiche

175

141

- 34

Büro

75

34

- 41

Restaurierung

100

107

Anlässe

1200

0

- 1200

Veranstaltungssaal

550

0

- 550

Foyer

250

0

- 250

Gruppenräume

100

0

- 100

Infrastruktur

300

0

- 300

Depots

1000

1002

2

Kunstdepot

1000

1002

2

Infrastruktur allgemein

2550

2613

63

Haustechnik

1000

1084

84

Anlieferung

300

295

Lagerräume

500

622

122

sonstiges

750

612

- 138

Gesamt

12750

11024

-1726

7

-5


100m

1

2

B...Besucher SB...Sammlungsbestand in Objekten (davon ausgestellt)

Museo del Prado Madrid - 1] Bauteil Villanueva 2] Bauteil Moneo

NF...Nutzflächen in m²

ka NF 2

11500 NF 3

28600 NF 2

15700

ka AF 1

ka AF 2

7250 AF 3

ka AF 1

ka AF 2

ka

12000

AF ges

AF ges

20105

ka NF 1

NF ges

ka

3300+ (400) SB 3

44300 NF 1

NF ges

1

1000+ (700) SB 2

ka SB 1

SB ges

448982

204016 B3

218386 B2

871384 B1

6000

7000 AF 2

13000 AF 1

AF ges

9113

15000 NF 2

24113 NF 1

NF ges

ka

SB ges

250000

B ges

1

8000+ (1500)

3

B ges

1500

AF ges

2500

NF ges

0

SB ges

47600

B ges

Struktur

5400

1700 AF 3

4800 AF 2

11900 AF 1

AF ges

12900

10800 NF 3

14000 NF 2

37700 NF 1

NF ges

5000+

0 SB 3

7000+ SB 2

12000+ SB 1

SB ges

300000

189000 B3

206000 B2

695000 B1

B ges

Struktur

ka

ka AF 3

ka AF 2

ka AF 1

AF ges

10000

ka NF 3

ka NF 2

ka NF 1

NF ges

ka

ka SB 2

ka SB 1

SB ges

26156

263337 B2

289493 B1

B ges

Struktur 2

SB ges

E

+

Struktur

5357

3432 AF 3

3013 AF 2

11802 AF 1

AF ges

11024

6729 NF 3

5051 NF 2

22804 NF 1

NF ges

ka

SB 3

ka

ka SB 1+2

SB ges

309545

B ges

Struktur

1

2652924

Struktur

2

B ges

Struktur

Größenvergleich International Kunsthaus Zürich - 1] Bauteil Moser 2] Bauteil Pfister + Müller 3] Bauteil KH+

CH 3

CH

Kunstmuseum Basel - 1] Bauteil Christ + Bonatz (Umbau Gigon Guyer) 2] Bauteil Steib 3] Bauteil 2009 (Projekt)

1

A

Museumsquartier Wien - Ortner & Ortner 1] MUMOK 2] Kunsthalle Wien 3] Sammlung Leopold 1

2

3

A

Kunsthaus Bregenz - Peter Zumthor

D

Hamburger Bahnhof Berlin - 1] Bauteil Umbau Kleihues 2] Bauteil Umbau Kuehn & Malvezzi

2

D

Pinakothekenareal München - 1] Alte Pinakothek 2] Neue Pinakothek 3] Pinakothek der Moderne

2

AF...Ausstellungsflächen in m²


Gebäudestruktur Der neue Gebäudeteil zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich ist, wie in der Wettbewerbsausschreibung vorgeschlagen, am Areal der Kantonsschule situiert. Die für den Heimplatz prägenden Turnhallenbauten werden in das Organisationskonzept integriert und stellen nach wie vor ein wichtiges, charakteristisches Element des Ortes dar. Während in der Erdgeschoßebene ein weiteres Gebäude, das die Kunstvermittlung in sich aufnimmt, und mehrere kleinere Volumina mit dienender Funktion die umgebende, städtische Struktur aufnehmen und sie im Inneren des Gebäudes fortführen um mit dem Baukörper der Kantonsschule ein städtisches Ensemble zu bilden, markiert ein markantes Volumen ab dem 1. Obergeschoß die Wichtigkeit des Ortes und die besondere Bedeutung des Gebäudes im städtischen Gefüge. Als Zäsur zwischen öffentlicher Erdgeschoßebene und den Galerieebenen in den Obergeschoßen fungiert eine Betonstruktur, die gleichzeitig Dach, Vordach und auf die innere Organisation des Gebäudes verweisendes Element ist. Durch die beiden ehemaligen Turnhallen und einer leicht geschwungenen Glasfront wird ein dreiseitig abgeschlossener Platzraum gebildet, der den Heimplatz Richtung Norden hin erweitert. An diesem Platz liegen auch der Haupteingang des Erweiterungsbaus und ein Café. Durch den Verzicht auf eine unterirdische Verbindung des Neubaus mit den Bestandsbauten wird die Präsenz des Heimplatzes als öffentlicher Raum gestärkt. Die Behandlung des Foyers und der Halle als Erweiterung des Platzraumes bekräftigt dies zusätzlich. Eine Umkehr in der Betrachtung von Außen und Innen führ dazu, dass, während der neu geschaffene, zentrale Bereich des Erweiterungsbaus an Öffentlichkeitscharakter gewinnt,

70

der Heimplatz zum neuen Foyer beider Bauten wird. Ganz im Sinne der Wettbewerbsausschreibung, wird eine gleichwertige Anordnung von bestehendem Kunsthaus und neu zu errichtender Erweiterung am Heimplatz ermöglicht und die Wirkung des heutigen Gebäudes als »Altbau«28 vermieden. Im Norden des Gebäudes ist ein weiterer öffentlicher Platzraum angegliedert, der als »Hof der Kunst« ausgebildet wird und den Übergang zum bestehenden Grünraum am Kantonsschulareal schafft. An diesen Bereich, der sich als Skulpturenhof gut zur Präsentation von Skulpturen und Objekten eignet, wurde der Museumsshop angegliedert. Das Gebäude ist sowohl über den Heimplatz, die Rämistraße, als auch über den »Hof der Kunst« zu betreten, was eine gute Durchwegung des Gebäudes mit größtmöglichem Öffentlichkeitscharakter ermöglicht. Innere Organisation Über die zentrale Halle mit ihrem starken Bezug zum Außenraum wird das Gebäude betreten. An die Halle sind die öffentlichen Funktionen wie das Café, der Shop und der Ticket- und Informationsbereich angelagert. Durch einen großen Luftraum wird der über 700m² große »Kuratorenraum« im Untergeschoß erlebbar und physisch mit der Halle verbunden. Über die Einheit Halle und »Kuratorenraum« können sämtliche Ausstellungsräume der Sammlung Kunsthaus mit Kunst seit 1960, sowie der Wechselausstellung betreten werden. Diese befinden sich in den beiden ehemaligen Turnhallen, sowie zwei weiteren Ausstellungshallen im Untergeschoß. Weiters ist die zentrale Halle Erschließungsraum für sämtliche, sich zusätzlich im Erdgeschoß befindliche Funktionseinheiten, die sowohl die Kunstvermittlung, als auch Verwaltung, Restauration und Anlieferung


beinhalten. Über einen durch die Decke ausladenden Stiegenraum sind die Sammlungsräume der Obergeschoße erreichbar. Dies unterstreicht die im heutigen Kunsthaus gepflegte Tradition des »Hinaufgehens zur Kunst«29, deren Stärkung ganz im Sinne der Institution Kunsthaus auch durch das neue Gebäude zum Ausdruck kommen soll. An die zentralen Ausstellungshallen in den Obergeschoßen sind südseitig Erschließungsbereiche und Richtung Norden pro Geschoß jeweils zwei weitere »Kuratorenräume« angeordnet, die die Ausstellungsräume komplettieren. Neben dem Kunstdepot sind in den beiden Unterge-

schoßen noch Räume der Ausstellungsvorbereitung, der Technik, sowie weitere Lagerflächen und Werkstätten situiert. Die Anlieferung von Kunstwerken erfolgt über einen eigenen Gebäudeteil im Erdgeschoß, von wo aus sie mittels eines Lastenliftes im Gebäude verteilt werden können.

Skizze Funktionsdiagramm des Gebäudes

Kunsthaus Zürich Wettbewerb, Kunsthaus+

71


bauliche Volumina

Innenraum »öffentlich«

Zugänge

zentrale Halle

Raumprogramm im Detail UG2 BGF

4064

EG BGF

4316

UG2 NNF

3616

EG NNF

3511

Wechselausstellung 1

512

Ausstellungshalle 1 (ehem. Turnhalle)

413

Wechselausstellung 2

512

Ausstellungshalle 2 (ehem. Turnhalle)

484

Kuratorenraum

725

Eingangshalle

527

Ticket

257

Kunstdepot

1002

Infrastruktur Ticket+Shop

172

Ausstellungsvorbereitung

194

Cafe

230

Depot Nicht-Kunst

311

Infrastruktur Café

110

Erschließung

180

Ateliers

174

Stiegen

134

Infrastruktur Ateliers

32

Lifte

46

Aufenthalt

69

UG1 BGF

2281

Personalräume

64

UG1 NNF

1950

Infrastruktur Personal

60

Werkstätten

194

Anlieferung

295

Lager

311

Technik

1084

Erschließung

379

Stiegen

190

Erschließung

181

Lifte

55

Stiegen

134

Lifte

46

72


Ausstellung Turnhallen

Gebäude Kunstvermittlung

Shop, Café

dienende Funktionen

ZWG BGF

1336

OG 2 BGF

1420

ZWG NNF

709

OG 2 NNF

1269

Shop

222

Kuratorenraum 1

137

Restaurierung

107

Kuratorenraum 2

100

Ausstellungsraum als Halle

675

Erschließung

221

Stiegen

93

Lifte

43

OG 3 BGF

1420

Büro Vermittlung

34

Gruppenräume

219

Erschließung

30

Stiegen

59

Lifte

38

OG 3 NNF

1133

OG 1 BGF

1420

Kuratorenraum 1

137

OG 1 NNF

1269

Kuratorenraum 2

100

Kuratorenraum 1

137

Ausstellungsraum als Halle

675

Kuratorenraum 2

100

Erschließung

221

Ausstellungsraum als Halle

675

Erschließung

221 Gesamtflächen

Stiegen

93

NNF

13457

Lifte

43

BGF

16257

BRI

105347

Tiefgarage

1160

oben schematische Darstellung der Gebäudestruktur im Erdgeschoß und dessen Nutzungen

Kunsthaus Zürich Wettbewerb, Kunsthaus+

73


03

Kunsthaus+



03

76

Kunsthaus+ Axonometrien Grundrisse Schnitte, Ansichten Modellfotos



Oberlicht

Kuratorenaum Ausstellung ErschlieĂ&#x;ungszone

Kunstvermittlung

dienende Funktionen Skulpturenhof

Ausstellung Halle 2 Shop Ticket / Info Anlieferung

CafĂŠ Anzeiger Ausstellung Halle 1

78


Kunstvermittlung dienende Funktionen Skulpturenhof

Shop zentrale Halle Anlieferung Ausstellung Halle 2 Café Rampe Eingang Anzeiger Ausstellung Halle 1

Vorbereitung Ausst. Kunstdepot Kuratorenraum

Lager Nicht-Kunst Ausstellung Halle 4 Ausstellung Halle 3

Axonometrien Aufbau / Organisation

Kunsthaus+ Axonometrien

links Erdgeschoßbereich mit zentraler Halle, Obergeschoße mit Ausstellugshalle

rechts Erdgeschoßbereich mit Ausstellungsflächen und Kunstvermittlung, 2. Untergeschoß mit Ausstellungshallen

79


06

04

05

06

03

01

0

GR Ebene -2 -9.8

80

02

20 01 Ausstellung Halle 3 02 Ausstellung Halle 4

03 Kuratorenraum 04 Kunstdepot (1000m²) 05 Ausstellungsvorbereitung 06 Lager Nicht-Kunst


02 03 04

03 04

01

0

GR Ebene -1 -3.3

Kunsthaus+ Grundrisse

20 01 Zwischenpodest 02 Technikbereich (1000m²) 03 Werkstätten 04 Lager Nicht-Kunst

81


01

11

09 07 08 06

04

04

10

05

12 02

0

GR Ebene 0

Niveau Heimplatz 0.00

82

03

20 01 Ateliers Kunstvermittlung 02 Ausstellung Halle 1 03 Ausstellung Halle 2 04 zentrale Halle

05 CafĂŠ 06 Ticket / Info 07 Infrastruktur Besucher 08 Anlieferung

09 Personalbereich 10 Infrastruktur CafĂŠ 11 Tiefgarage 12 Vorplatz Heimplatz


01 11

10

07

09

08 06

04

04

05

12 02

0

GR Ebene 0a

20

Niveau Skulpturenhof +4.00

Kunsthaus+ Grundrisse

03

01 Gruppenräume Kunstvermittlung 02 Ausstellung Halle 1 03 Ausstellung Halle 2 04 zentrale Halle

05 Café 06 Ticket / Info 07 Museumsshop 08 Anlieferung

09 Restauration 10 Büro 11 Skulpturenhof 12 Vorplatz Heimplatz

83


02

03

01

04

0

20

GR Ebene 1+2

RegelgeschoĂ&#x; +10.1 und +16.6

84

01 Ausstellungshalle 02 Kuratorenraum 1 03 Kuratorenraum 2 04 ErschlieĂ&#x;ungszone


02

03

01

04

0

GR Ebene 3 +23.1

Kunsthaus+ Grundrisse

20 01 Ausstellungshalle 02 Kuratorenraum 1 03 Kuratorenraum 2 04 ErschlieĂ&#x;ungszone

85


86


Schnitt 01

0 Kunsthaus+ Schnitte

20 87


88


Schnitt 02

0 Kunsthaus+ Schnitte

20 89


90


Schnitt 03

0 Kunsthaus+ Schnitte

20 91


92


Schnitt 04

0 Kunsthaus+ Schnitte

20 93


Schnitt 05

94


Schnitt 06

0 Kunsthaus+ Schnitte

20 95


Schnitt 07

96


Schnitt 08

0 Kunsthaus+ Schnitte

20 97


Ansicht S端d

98


Ansicht Nord

0

20

Kunsthaus+ Ansichten

99


100


Ansicht West

0

20

Kunsthaus+ Ansichten

101


102


Ansicht Ost

0

20

Kunsthaus+ Ansichten

103


104


links Draufsicht Modell vom Heimplatz aus betrachtet

Kunsthaus+ Modellfotos

oben Ansichten aller vier Himmelsrichtungen, Modell

105


106


links Draufsicht Modell vom Hof der Kunst aus betrachtet

Kunsthaus+ Modellfotos

oben links: Platzerweiterung am Heimplatz mit Café rechts: Eingangssituation an der Rämistraße

107


108


links Haupteingang am Heimplatz

Kunsthaus+ Modellfotos

oben links: Kuratorenraum im UntergeschoĂ&#x; rechts: zentrale Halle

109


110


Kunsthaus+ Modellfotos

111


112


links oben: Ausstellungshalle im 3. Obergeschoß mitte: östliche, adaptierte Turnhalle unten: westliche, adaptierte Turnhalle

Kunsthaus+ Modellfotos

oben links: Kuratorenräume im 3. Obergeschoß rechts: Erschließungszone im 2. Obergeschoß

113


04

Museum



04a

Museum über das Museum

In diesem Teil der Arbeit soll nun etwas tiefer in die Materie der Institution Museum vorgedrungen werden. Um Relationen des Museums zur Gesellschaft zu begreifen, wollen wir uns zuerst mit Phänomenen beschäftigen, die zur Entstehung der Institution geführt haben. Erste Fragen hierbei müssen lauten: »Was brachte die Menschen überhaupt zum Sammeln?« beziehungsweise »Wodurch wird das Wesen solcher Sammlungen bestimmt?« In weiterer Folge soll ein traditioneller Kunstbegriff definiert werden, der uns wiederum erlauben wird, Rückschlüsse hinsichtlich gesellschaftlicher Bezüge zu ziehen. Nachdem später das Phänomen der Öffnung der Museen behandelt wurde, interessieren uns die historische Entwicklung der Institution Museum und daraus resultierende aktuelle Tendenzen im Museumsbau. Im entwurfsrelevanten Teil des Kapitels sollen Aufgaben des Museums für die Zukunft abgesteckt, und der Entwurf diesbezüglich reflektiert werden.

116


Ursprünge und Sammlungen Um uns der Thematik Museum zu nähern, wollen wir zuerst eine Definition beziehungsweise Herleitung eines Kunstbegriffes im traditionellen Sinne versuchen. Es ist dies ein Kunstbegriff, der die Kunst, wie es Tobias Wall, deutscher Kunsttheoretiker und Kunstberater, ausdrückt, im Wesentlichen durch zwei Prinzipien definiert, nämlich dem Prinzip der Distanz von Kunst und Leben sowie dem Prinzip der Objektivierung der Kust.30 Doch bevor wir diesen Prinzipien auf den Zahn fühlen können, muss geklärt werden, wie sie sich überhaupt entwickeln konnten und welche Ereignisse ihnen zu Grunde lagen. Krzysztof Pomian verfolgt in seinem Buch »Der Ursprung des Museums« Spuren der Anfänge der Institution Museum. Für ihn gehen diese weit über die Zeit einer zivilisierten Gesellschaft hinaus und beginnen mit dem Phänomen des Sammelns, wobei für ihn » [...] eine Sammlung jede Zusammenstellung natürlicher oder künstlicher Gegenstände, die zeitweise oder endgültig aus dem Kreislauf ökonomischer Aktivitäten herausgehalten werden, und zwar an einem abgeschlossenen, eigens zu diesem Zweck eingerichteten Ort, an dem die Gegenstände ausgestellt werden und angesehen werden können.«31 ist. Nach den bisher ältesten archäologischen Funden waren es Bewohner der Höhle von Hyène in Arcy-sur-Cure, die als erste Sammlungen anhäuften, und zwar Sammlungen naturgeschichtlicher Raritäten. Für die Menschen sind dies Dinge, die zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem 32 vermitteln und ihren Ursprung wahrscheinlich in Grabkult und Begräbnisritualen haben. Der Mensch tritt über sie mit dem Unsichtbaren in Verbindung, sie sind Vermittler zwischen zwei Welten. Für Pomian sind solche Gegenstände grundsätzliche

Voraussetzung jeglicher Sammlung. Bis zu dem Auftauchen dieses Dingkultes zur Zeit der Jungsteinzeit war das Leben rein vom Sichtbaren geprägt, höchstens vielleicht noch durch heute nicht mehr nachweisbare Elemente wie Sprache oder etwaige Riten. Doch dann spaltet sich das Sichtbare auf. »Auf der einen Seite befinden sich die Dinge, nützliche Gegenstände, das heißt solche, die konsumiert werden können oder die dazu dienen, sich Subsistenzmittel zu verschaffen oder auch Rohstoffe umzuwandeln, so dass sie konsumiert werden können oder schließlich dazu, gegen die Veränderungen der natürlichen Umgebung zu schützen. Mit all diesen Gegenständen hantiert man, durch sie alle werden physische, sichtbare Veränderungen vorgenommen oder sie erleiden sie auch: sie nutzen sich ab. Auf der anderen Seite befinden sich die Semiophoren, Gegenstände ohne Nützlichkeit im eben präzisierten Sinn, sondern Gegenstände, die das Unsichtbare repräsentieren, das heißt die mit einer Bedeutung versehen sind.«33 Diese Veränderung ist wesentlich im Bezug auf die Betrachtung von Kunstgegenständen und deren Wesen. Durch das Grundbedürfnis des Menschen nach der Verbindung zu einer Welt, die außerhalb seiner irdischen Existenz angesiedelt ist, entstanden Orte, an denen Semiophoren angesammelt und dadurch mit Bedeutung aufgeladen wurden. Sowohl die Gegenstände als auch die Orte, wie Tempel oder Gräber, an denen sie gehortet wurden, waren etwas Besonderes und bauten schon damals eine Distanz zwischen Alltagswelt und Nicht-Alltagswelt 34 auf. Diese Bedeutungshierarchie übertrug sich im Folgenden dann auch auf soziale Strukturen. Menschen, die sich mit Zeichenträgern umgaben, erhielten einen höheren Status als jene, denen dies nicht möglich war, womit sie selbst zu Vermittlern wurden. »An der Spitze der Hierarchien gibt es immer

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einen oder mehrere Menschen, die Zeichenträger sind, Repräsentanten des Unsichtbaren: der Götter oder des einen Gottes, der Ahnen, der Gesellschaft im Ganzen etc. Am unteren Ende befinden sich dagegen die »DingMenschen«, die nur eine indirekte Beziehung oder nicht die geringste zum Unsichtbaren haben.«35 Hierarchische Strukturen bedingen somit das Auftreten von Sammlungen, welche wiederum jene Strukturen bekräftigen. Sie sind also in ständiger Abhängigkeit voneinander und beeinflussen sich gegenseitig. Sammlungen werden zum Zeichen von Macht; Leute, die sich mit einer größeren Anzahl von Zeichenträgern umgeben, zu Machthabern. Zwei wichtige Wesenszüge der Kunst beginnen sich herauszukristallisieren. Ihre Objekthaftigkeit und die Distanz, die sich zwischen Kunstwerken und dem alltäglichen Leben ergeben. Im Folgenden wollen wir uns nun mit der Macht beschäftigen, die Sammlungen verleihen, und unterschiedliche Ausformungen dieses Phänomens näher betrachten.

Sammlungen und Macht Wie bereits im vorhergehenden Absatz erwähnt, fanden Sammlungen im Grabkult ihren Ursprung. Den Gräbern der Toten wurden Gegenstände beigelegt, die sie auf ihrem weiteren Weg begleiten sollten. Schon hier orientierten sich die Grabbeigaben bald nach dem sozialen Status der zu beerdigenden Person. Durch sie sollte der Friede mit dem Toten hergestellt und auf Dauer aufrechterhalten werden. Solche Gegenstände waren ausschließlich den Toten vorbehalten, sie sollten für immer aus dem ökonomischen Kreislauf heraus gehalten werden und nur in der Betrachtung durch die Bewohner des Jenseits ihre 118

Bestimmung finden. Um dies sicherzustellen, wurden Gräber zum einen durch bauliche Maßnahmen vor Plünderungen geschützt. Zum anderen suchte man die Unterstützung bei etwaigen Göttern, indem man Gräber mit Flüchen und Verwünschungen belegte. Eine weitere Form von Sammlungen stellten jene religiöser Reliquien dar. »Reliquien sind Gegenstände, von denen man annimmt, dass sie mit einem Gott oder Heroen in Berührung gekommen sind oder dass sie Spuren irgendeines großen Ereignisses aus der mythischen oder einfach nur fernen Vergangenheit sind.«36 Waren Reliquien schon zur Zeit der Griechen und der Römer bekannt, so erreichte der Reliquienkult seinen Höhepunkt durch die katholische Kirche, die selbige in Form von Körperteilen von Heiligen oder Personen, die mit Heiligen in Berührung gekommen waren, verbreiteten. Man schrieb Reliquien dieselben Fähigkeiten zu wie den Heiligen, derer sie entsprangen, wodurch sie Zeichen für den Beistand der Heiligen und in weiterer Folge für Wohlfahrt wurden.37 Gründungen von religiösen Einrichtungen erforderten die Anwesenheit von Reliquien. Orte, an denen diese anwesend waren, wurden im Gegenzug für heilig erklärt. Sammelten sich Gegenstände einerseits in religiösen, kultischen Bereichen an, so war dies jedoch auch im Umfeld von Machthabern der Fall. Kriegsbeute und Gaben Unterworfener wurden in Schatzkammern gehortet und zu besonderen Anlässen zur Schau gestellt. Sie waren Zeichen von Souveränität gegenüber den Gegnern und stellten wertvolle Trophäen dar. Schon im antiken Rom war dies ein weit verbreitetes Phänomen, welches zum vermehrten Auftreten von Sammlungen führte. Neben dem Anhäufen von Kriegsbeute war es hier auch erstmals gefragt, Gegenstände zu sammeln, die ohne jeg-


liche Nützlichkeit waren, und sich beim Handel solcher Objekte gegenseitig immerfort zu überbieten. Das Ansehen war somit an ein vorhandenes Vermögen gebunden. Auch im Mittelalter war oft die bloße Schatzbildung Sinn der Anhäufung von Gegenständen. Waren dies zwar meist Dinge mit eindeutigem Verwendungszweck, wie zum Beispiel Geschirr oder Kleidungsstücke, so ließ sich doch aufgrund ihrer Anzahl oder des Materials, aus denen sie gefertigt worden waren, feststellen, dass sie kaum einem rein funktionalen Zweck zu dienen hatten. Vielmehr waren sie entweder dazu bestimmt, einen materiellen Reichtum aufzubauen, oder aber einfach dazu, bei bestimmten Anlässen die Blicke der Betrachter auf sich zu ziehen. Bei all diesen unterschiedlichen Arten von Sammlungen wird man feststellen, dass ein Vergleich dieser untereinander geradezu sinnlos, wenn nicht sogar unmöglich erscheint. Sowohl Art der gesammelten Gegenstände als auch ihr Umfang oder ihre unterschiedlichsten Bedeutungen, um nur einige ihrer Merkmale zu nennen, lassen keinen gemeinsamen Nenner entdecken. Auch entstanden sie an den unterschiedlichsten Orten und wurden von den unterschiedlichsten Betrachtern wahrgenommen. Es sei jedoch ein gemeinsames, prägendes Merkmal herausgestrichen; Sie alle sind Zeichen oder direkte Instrumente von Macht und stehen für die oben genannte Verbindung von Sichtbarem und Unsichtbarem. Als solche werden sie von der Bevölkerung bewundert, verehrt, ehrfürchtig betrachtet und gefürchtet. Meist nicht öffentlich zugänglich, fördern sie seit jeher eine Distanz von Alltäglichem und Nicht-Alltäglichem.

Museum über das Museum

vom Kult- zum Kunstobjekt Langsam soll nun der Bogen vom Ursprung des Sammelns und seinen Sammlungen aller Art hin zu der uns bekannten Institution des Museums gespannt werden. Dazu erscheint es wesentlich, den Punkt festzumachen, ab dem sich das Sammeln weg von kultbehafteten Objekten hin zu Kunstobjekten bewegte. Ein möglicher Anfang dieser Tendenz kann im Kunstraub gesehen werden.38 Geplünderte Objekte wurden aus ihrem religiösen Kontext befreit und vorerst zu Symbolen des kriegerischen Triumphes. »Als Kriegsbeute hatten die Werke ihren ehemaligen Kultcharakter als Gegenstände einer fremden Religion eingebüßt. Die vormalige unzertrennliche Beziehung der Kunst zum Göttlichen löste sich zunehmend auf, das Kultobjekt wurde Kunstgegenstand.«39 Erst später wurden sie dann auch als Dekorationsgegenstände und Arbeiten mit ästhetischem Wert gesammelt. Wie bereits erwähnt, geschah dies nachweislich ab den Privatsammlungen des spätantiken Rom. In solchen frühen Kunstsammlungen finden erstmals die eingangs formulierten Prinzipien eines traditionellen Kunstbegriffes im Ansatz ihre Ausformulierung. Zusammengetragen wurden Kunstwerke wie griechische Plastik oder Keramik bzw. deren Kopien, aber auch Objekte, die im weitesten Sinne naturwissenschaftlich interessant waren und Seltenheitsoder Kuriositätenwert besaßen.40 Die aus dem religiösen Kontext herausgelösten Gegenstände erfuhren eine Transformation zu ästhetischen Objekten. Das Sammeln war nach wie vor wenigen reichen Geschäftsleuten oder Adeligen vorbehalten, die ihre Sammlungen wiederum nur auserwählten Personen zugänglich machten, was die besagte Distanz von Kunst- und Alltagssphäre zur 119


Konsequenz hatte. »Aus der religiösen bzw. magischen Distanz wird eine gesellschaftliche, deren Kern jedoch der Sammlungsgegenstand als außergewöhnlicher Gegenstand bleibt.«41 Ebenso können spätantike Sammlungen als Vorboten von Kunst- und Raritätensammlungen wohlhabender Fürsten und Kaufleute angesehen werden, wie sie sich ab dem Spätmittelalter etablierten und ihrerseits eine wesentliche Rolle in der Entwicklung der Kunstmuseen einnahmen. Möglich machte dies ein neues Weltbild, das sich ausgehend von der Wiederentdeckung der Antike ab dem 12. Jahrhundert in Europa festsetzte. Auf der Basis der aristotelischen Lehre wurde dieses Weltbild mehr und mehr von einer in sich geschlossenen Naturphilosophie geprägt und hatte die Zuwendung des Bildungsinteresses zur Naturwissenschaft und zur Philosophie zur Folge. In einer vorübergehenden Synthese mit der religiösen Weltanschauung sah sich der Mensch jedoch nach wie vor im Zentrum der Welt, wovon auch die zahlreichen Kuriositätenkabinette der Fürsten Zeugnis ablegten. Man umgab sich mit Exponaten aus allen Bereichen der Natur und Kultur, aber auch der Wissenschaft, die zusammen einen kleinen Weltenkosmos bildeten, in dessen Zentrum sich der Fürst positionierte. Solche Sammlungen waren nach wie vor Ausdruck von Macht und im Laufe der Renaissance wurden sie zu obligatorischen Einrichtungen der herrschenden Schicht. Auch war der Besuch solcher Wunderkammern nur auf Einladung der Machthaber möglich, er stellte somit ein besonderes Privileg dar. Eine Öffnung für die Allgemeinheit war undenkbar. In dieser unüberbrückbaren Distanz von Kunst und Leben sehen manche Historiker bis heute einen wesentlichen Charakterzug von Kunstmuseen begründet. Doch dazu später mehr.

die Institution Museum Nun wollen wir näher auf die Entwicklung der Institution Museum, wie wir sie heute kennen, eingehen. Anhand von historisch und architektonisch prägenden Museumsbauten und Institutionen soll ihr Werdegang skizziert und kurz das jeweilige kulturelle und gesellschaftliche Umfeld der gewählten Gebäude und deren Relation zum Geist der Zeit erläutert werden. Der Fokus soll in Anbetracht der Thematik vorwiegend bei Kunstmuseen liegen und anstehende Ausführungen auch jeweils auf deren Entwicklung abzielen. Der Begriff des Museums stammt vom griechischen mouseĩon der Antike ab und bezeichnete ursprünglich den Musen geweihte Orte. Musen waren Göttinnen der Inspiration und personifizierten sowohl die Künste als auch die Wissenschaft. Das ursprüngliche mouseĩon war also ein Naturheiligtum, in dem Kunst in ehrfürchtiger Distanz betrachtet wurde, womit es als Vorbild des »passiven Museums«42, dem Museum als Kunsttempel, angesehen werden kann. Später wurden jedoch auch Orte der Wissenschaft und Gelehrsamkeit als mouseĩon bezeichnet. Als offene, produktive Institution, wie sie zum Beispiel durch das bekannte alexandrinische mouseĩon mit seiner wertvollen Bibliothek repräsentiert wurde, kann sie auch für den gegensätzlichen Typus des »aktiven Museums«43 als Vorbild gelten. Die Anfänge der Institution Museum müssen jedoch in die Zeit der Italienischen Renaissance datiert werden. Zu dieser Zeit dienten Sammlungen nach wie vor privaten Zwecken und waren somit hauptsächlich Adel und Klerus vorbehalten. Eine Öffnung für ein breites Publikum sollte erst mit den Anfängen der Aufklärung stattfinden. Durch das aufkommende Interesse für die klassische An-

rechts »Musei Wormiani Historia«, Darstellung der Wunderkammer Ole Worms, 1655

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Museum 端ber das Museum

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tike wurden vermehrt Bilder mit mythologischem Inhalt oder kleine Bronzen, aber auch Plastiken jener Zeit aus Marmor gesammelt, die man an eigens dafür errichteten Orten, vorerst noch im Freien, zu versammeln begann. 1539 erschien dann erstmals der Begriff »Musaeum« als Bezeichnung einer Sammlung, und zwar jener Paolo Giovios in Como.44 Schon wenig später war der Begriff des »Museums« allgemein als Bezeichnung für Sammlungen jeglicher Art üblich. Etwa zur gleichen Zeit wurden erste eigenständige Bauten zum Zweck der Ausstellung von Kunst errichtet, in Form von Gebäuden, die vorwiegend auf den Typologien des zentralistischen Raumes und der Galerie aufbauten. Waren Galerien vorerst nur dazu da, in großen Gebäudekomplexen wie Schlössern einzelne Gebäudeteile miteinander zu verbinden, so wurden sie in weiterer Folge eigens dazu errichtet,

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um Kunst, vor allem Plastiken, zu zeigen, wodurch der Terminus der Galerie mancherorts sogar zum Synonym für den Museumsbau wurde. Eine der bekanntesten unter diesen Galerien stellt das von Albrecht V von Bayern errichtete Antiquarium dar, erbaut von G. Strada, W. Egkl und F. Sustris in den Jahren 1569 – 71. Es beinhaltete die reiche Sammlung antiker Skulpturen des Herzogs in dessen Residenz in München. Die 69 Meter lange, durch ein Tonnengewölbe gedeckte Halle gilt als größte und eine der prächtigsten Galerien der Renaissancezeit. Bis ins 18. Jahrhundert hatten all diese Sammlungen, Raritäten- und Wunderkammern etwas gemein, nämlich ihre Vielfalt in Bezug auf die gesammelten Gegenstände. So wurden nicht nur Skulpturen und Gemälde gesammelt, sondern auch naturwissenschaftliche Objekte, wissenschaftliche Instrumente, Gesteine, Korallen, aber


auch Abnormitäten in Form von Missbildungen. Erste aufklärerische Tendenzen brachten dann Spezifikationen gegenüber den Sammlungsgegenständen mit sich – man begann, sie nach Themenbereichen zu trennen. So entstanden in den einzelnen Sammlungen Räume der Naturwissenschaften, Räume für Gemälde, Räume für Skulpturen, et cetera. Neben der Neustrukturierung der Sammlungen brachte die Aufklärung noch ein weiteres, die heutige Museumssituation noch viel mehr prägendes Charakteristikum mit sich; die Tendenz der Machthaber, ihre Sammlungen zum Gegenstand der Öffentlichkeit zu machen und sie in eigenständigen Gebäuden zu situieren. Über die genauen Umstände dieser Entwicklung wollen wir uns im folgenden Kapitel noch näher beschäftigen. Ein Museumsbau, bei dem diese Tendenzen erstmals klar zum Ausdruck kamen, soll jedoch schon hier seine Erwähnung finden, nämlich jener des Fridericanums in Kassel, welches von Landgraf Friedrich II in den Jahren von 1769 – 77 errichtet wurde. Die Ideen der Aufklärung fanden ihre Ausformulierung sowohl darin, dass das Gebäude nicht nur als Museum, sondern auch als Bibliothek genutzt wurde, als auch durch den Umstand, dass es von Anfang an zu gewissen Stunden für das Volk zugänglich war. Außerdem wurde die Zuwendung zur Antike hier nicht nur durch die eigentliche Sammlung zum Ausdruck gebracht, sondern auch durch das Museumsgebäude an sich, dessen Erscheinungsbild neben barocken Elementen durch einen neoklassizistischen Portikus entscheidend geprägt wird. Etwa zur selben Zeit entstanden auch in England (Newby Hall, Yorks, 1767 – 70, Robert Adam) und Rom (Museo Pio-Clementino, Rom, 1773 – 80, M. Simonetti und G. Camporesi) weitere herausragende Museumsgebäude im klassizistischen Stil, die diesem damaligen Zeitgeist

linke Seite links: Antiquarium, München, G. Strada, W. Egkl und F. Sustris, 1569 - 71

Museum über das Museum

zu entsprechen trachteten. Seine reinste Ausformulierung sollte dieser jedoch in den Plänen für Museen in Frankreich zur Zeit der französischen Revolution finden. In mehreren Anläufen wurden hier Museumsvisionen öffentlicher Galerien des Volkes projektiert, die jedoch nie zur Ausführung kommen sollten. Die wichtigsten Entwürfe stammen von E. L. Boullée und später von J. N. L. Durand. Vor allem das von Durand in seinem Buch

linke Seite rechts: Fridericanum, Kassel, 1769 - 77

oben Museumsprojekt des Architekten J. N. L. Durand, 1802 - 09

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»précis des leçons«, welches er von 1802 – 09 verfasste, gezeigte Museum, welches eine Fortführung der Entwürfe im Geiste Boullées darstellte, sollte für viele klassizistische Architekten zum Vorbild werden. Wesentliche Elemente sind hierbei zentral gelegene Kolonnadenreihen in den Eingangsbereichen, die Gesamtgeometrie in Form eines Quadrates mit eingeschriebenem griechischem Kreuz und die zentrale Halle, die als kreisförmiges Pantheon geplant wurde. Anstelle der Errichtung eines eigenständigen Museumsbaus für das Volk der französischen Revolution durch visionäre Revolutionsarchitekten wurde 1792 in den Galerien des Pariser Louvre das »Muséum Français« eingerichtet. Der ehemalige Herrscherpalast wurde somit einem grotesk wirkenden funktionalen und semiotischen Wandel unterzogen und sollte ab sofort als Museum des französischen Volkes fungieren. 1796 wurde er in »Musée Central des Arts« umbenannt und war der Öffentlichkeit an den Wochenenden zugängig.

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Ein weiteres, erwähnenswertes Beispiel und Gebäude mit Schlüsselfunktion für das 19. Jahrhundert stellt die von Leo von Klenze errichtete Glyptothek in München dar. Sie wurde von Kronprinz Ludwig, dem späteren König Ludwig I, in Auftrag gegeben und war von vornherein für das bayrische Volk bestimmt. Interessant scheint die den Bauprozess begleitende Diskussion von Architekt Klenze und einem weiteren Vertrauten Ludwigs, dem Maler, Bildhauer und Archäologen Johann Martin Wagner. Dieser forderte bei der architektonischen Innengestaltung von Kunsträumlichkeiten der »Zweckmäßigkeit« den Vorrang gegenüber der »Schönheit« zu geben, wenn „diese beiden Eigenschaften nicht vereint werden können«. Generell sollte eine »Übereinstimmung von einem Gebäude mit dessen Funktion« erreicht werden.45 Dennoch wurde das Museum nach den Vorstellungen Leo von Klenzes errichtet, der auch den König von seinem Vorhaben überzeugen konnte, dass ein Museumsbau auch repräsentativen Zwecken zu dienen habe und erst


dadurch der ausgestellten Kunst gerecht werden könne. Ein weiteres Relikt der feudalistischen Vergangenheit des Museumsbaus lässt sich in den untergebrachten Staatsräumlichkeiten finden, die das Raumprogramm der Glyptothek vervollständigten. An diesem Beispiel Museumsarchitektur zeigt sich der seit der Aufklärung entstandene Konflikt in Bezug auf den Aufgabenbereich eines Museums zwischen Machtdemonstration und offener Bildungsinstitution. Ähnliche Diskussionen, wie sie beim Bau der Glyptothek geführt wurden, entstanden auch beim Planungsprozess des Alten Museums in Berlin, welches von Karl Friedrich Schinkel geplant und in den Jahren 1825 – 28 errichtet wurde und als jenes Beispiel in der Architekturgeschichte gelten kann, das wohl am nächsten an die Vorstellungen und Forderungen der französischen Revolutionsarchitekten herankam. Das Gebäude ist von den Entwürfen Durands geprägt, was durch die lange Kolonnadenreihe an der Eingangsfront und die zentrale

linke Seite links: Glyptothek, München, Leo von Klenze, 1816 - 30

Museum über das Museum

Rotunde zum Ausdruck kommt. Auf zwei Geschoßen angeordnet, beherbergt es im Erdgeschoß eine antike Skulpturensammlung und im Obergeschoß eine Sammlung von Gemälden. Durch seine Erscheinung repräsentiert das Alte Museum die damals vorherrschenden Ideale und Vorstellungen des Museumstempels: »Picture Halls ... ought to be temples, where in subdued and silent humility ... we may admire the great artists ... Works of art in their essence fit as little in the common flow of life as the thought of God.«46 Um den Abriss architektonischer Neuerungen dieser Zeit zu komplettieren, soll hier noch auf die Entstehung von reinen Gemäldegalerien hingewiesen werden. Als erstes, unabhängiges Gebäude dieser Art gilt die Dulwich Gallery von Sir John Soane, errichtet in den Jahren von 1811 – 14. Als ideale Präsentationsform von Gemälden hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt eine dichte, die gesamten Wandflächen bedeckende Hängung der Bilder und deren Belichtung über die Decke entwickelt, die in

linke Seite rechts und oben links Altes Museum, Berlin, Friedrich Schinkel, 1825 - 28

oben rechts Dulwich Picture Gallery, Sir John Soane, 1811 - 14

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der Dulwich Gallery durch die Aneinanderreihung von fünf großen Haupträumen, allesamt von oben belichtet, bestmöglich verwirklicht wurde. Den Höhepunkt in ihrer typologischen Entwicklung fand die Gemäldegalerie jedoch in der 1836 fertiggestellten Alten Pinakothek von Leo von Klenze. Besondere Neuerung der Anlage war eine dreischiffige Anordnung der Raumfluchten mit großen Oberlichtsälen in der Mitte, kleinen Kabinetten mit seitlicher Beleuchtung auf der Nordseite und einer verbindenden Loggia auf der Südseite des Gebäudes, die Zugang zu den großen Sälen gewährleistete. Diese Anordnung sollte Vorbild für viele folgende Museumsbauten werden. Als bedeutende Beispiele sind hier das Kunsthistorische Museum in Wien (1872 – 89) von Gottfried Semper und Carl von Hasenauer oder die ebenfalls

von Semper errichtete Gemäldegalerie in Dresden (1847 – 55) zu nennen. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wird gerne als großes Zeitalter der Museen bezeichnet, in dem sich nach und nach die Ideen der Aufklärung und eines autonomen Kunstbegriffes in differenzierter Form manifestierten. Der Wunsch nach Räumen, die ausschließlich der Kunst dienen sollten, wurde immer präsenter und man versuchte, jegliche noch vorhandenen Überreste einer feudalen Vergangenheit abzustreifen. Die dabei entstehenden Konflikte, die sich einerseits auf einer gesellschaftlichen, politischen Ebene und andererseits durch die Tendenz, die Kunst einer Verwissenschaftlichung zu unterziehen, ergaben, sollen nun zum

oben Alte Pinakothek, München, Leo von Klenze, 1836

126

rechts Kunsthistorisches Museum, Wien, Gottfried Semper und Carl von Hasenauer, 1872 - 89


Thema des nächsten Kapitels gemacht werden. Dies wird uns wieder zu den bereits erwähnten Prinzipien der Distanz von Kunst und Leben, beziehungsweise der Objekthaftigkeit der Kunst führen, die es nun in Bezug zu den aufklärerischen Tendenzen und in weiterer Folge zu einem romantischen Kunstverständnis zu setzen gilt.

Museum über das Museum

127


04b

128

Museum Kunst und Leben, Ă–ffnung der Museen


Kunst und Lebenspraxis Wie wir bereits im vorhergehenden Abschnitt der Arbeit gesehen haben, ist die Distanz von Kunst und Leben eine zwingende Eigenschaft jeglicher Sammlungstätigkeit und somit in weiterer Folge auch bestimmendes Charakteristikum von Sammlungen aller Art. Verursacht durch die Funktion des Sammlungsgegenstandes als Semiophore, als Zeichenträger, ist dieser stets Symbol einer Nicht-Alltagswelt, die mit Bedeutungen aufgeladen ist, die über eine reale, begreifbare Welt hinausgehen. Sammlungsgegenstände sind somit Objekte mit dem Status des Besonderen, was sich auch auf die Art und Weise der Betrachtung solcher Gegenstände auswirkt. Entstanden durch Sammlungen, die im kultischen Bereich angesiedelt waren, hielt diese Eigenschaft auch in ersten Privatsammlungen der römischen Antike und später in den Wunderkammern der Renaissance an und sie wurde zu einer gesellschaftlichen Distanz, bedingt durch die beschränkte Zugängigkeit der Sammlungen und durch ihre Funktion als Zeichen der Macht. Zur Zeit der Aufklärung versuchte man nun, die Distanz von Kunst und Lebenspraxis zu vermindern. Dabei kam ein Prozess ins Rollen, der die Kunstgeschichte bis heute mitbestimmt und die Thematik der Stellung von Kunst innerhalb der Gesellschaft zum Inhalt von Diskussionen über die Kunst, aber auch ihrer selbst werden ließ. Stand damals das Aufheben von Zugangsbeschränkungen und somit von physischen Barrieren im Vordergrund, was die Kunst einer breiten Öffentlichkeit zugängig machen sollte, so sind es heute Maßnahmen im Bereich der Kunstvermittlung, die sich ab dem Ende des 19. Jahrhunderts zu entwickeln begannen, die im Mittelpunkt einer angestrebten Verminderung der Distanz von Kunst und

Leben stehen. Einen wesentlichen Anstoß zu diesen Entwicklungen lieferte hierbei eine Verwissenschaftlichung der Lebenspraxis, wie sie ebenfalls seit der Zeit der Aufklärung zu beobachten ist und auch den Bereich der Kunst betrifft. Für unsere weiteren Betrachtungen scheinen sowohl die gesellschaftlich- politische Distanz von Kunst und Leben, die durch die Aufklärung heraufbeschworene Verwissenschaftlichung der Kunst, aber auch die neu entstandene Kunstvermittlung interessant, da all diese Aspekte einen direkten Einfluss auf die Architektur ausübten und sie immer noch beeinflussen.

gesellschaftlich-politische Distanz Durch erste aufklärerische Tendenzen, die sich von England ausgehend über ganz Europa hinweg auszubreiten begannen, wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts versucht, die Barrieren zwischen Kunst und Alltagswelt zu beseitigen und die Kunst einer breiten Öffentlichkeit zugängig zu machen. Diese Absicht war getrieben durch eine aufkommende Mittelschicht an Wissenschaftlern, Gelehrten, Schriftstellern und Künstlern, die vermehrt einen Zugang zu den in privaten Sammlungen angehäuften Gegenständen forderten, in denen sie Gegenstände des Wissens sahen, die wesentlich für ihre Tätigkeiten erschienen. So waren es auch zuerst die Bibliotheken, die ab dem 17. Jahrhundert als öffentliche Institutionen einem breiten Publikum offen standen und erst später die Museen. Gemein hatten sie allerdings eine neu aufkommende wissenschaftliche Strukturierung und Ordnung der gesammelten Dinge, geprägt durch ein Streben nach Bildung und Wissen. Durch dieses zunehmende Wissen und eine damit einhergehende stete Spezialisierung wur-

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den die Kunst- und Wunderkammern dann aufgelöst und ihr Inhalt in separate Spezialsammlungen aufgeteilt.47 Als erstes, von Beginn an öffentliches Museum, gilt das British Museum, das seine Tore im Jahre 1759 öffnete. Waren Museen wie dieses theoretisch öffentlich zugänglich, so war es in der Praxis bei weitem kein einfaches Unternehmen, einen Museumsbesuch zu tätigen. Verschiedenste Auflagen erschwerten dem Besucher den Eintritt, beginnend bei Kleiderordnungen, über limitierte Öffnungszeiten bis hin zu Eintrittsgelder, die entrichtet werden mussten. Auch wenn diese Zugangsbeschränkungen nicht überall gleich strikt waren, in St. Petersburg zum Beispiel konnte man das Museum nur mit Handschuhen und Hut betreten, wohingegen das Kunsthistorische Museum in Wien jedermann mit »sauberen Schuhen«48 betreten konnte, so waren die Hürden im Allgemeinen doch sehr hoch und man konnte auf keinen Fall von einer Demokratisierung der Institution Museum im heutigen Sinne sprechen. Dies zeigte sich auch an der vorhandenen Skepsis jener Kuratoren und Künstler, die in der Öffnung des Museumstempels gegenüber einer breiten Öffentlichkeit eine Gefährdung eines, durch die Aufklärung erreichten, autonomen Kunstbegriffes sahen. Dieser war gekennzeichnet durch die Überzeugung einer grundsätzlichen Enthobenheit der Kunst, ihrer philosophischen Überhöhung und einem daraus resultierenden Sonderstatus der Institution Museum.49 Man erachtete also den Status der Kunst und eine kontemplative Haltung ihr gegenüber für bedroht. Auch in den Architekturdiskussionen der Zeit, wo es darum ging, wie Museumsarchitektur auf die Präsenz von Kunst zu reagieren habe und selbst beschaffen sein sollte, fand sich diese Einstellung wieder. Man begann über ideale, nur der Kunst dienende Raumkonzepte nachzudenken.

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Zusammenfassend muss man sagen, dass trotz den Ideen der Aufklärung nach wie vor eine Distanz zwischen Kunst und Lebenspraxis erhalten blieb und im autonomen Kunstbegriff der Romantik dann sogar seinen Höhepunkt fand. »Die Öffnung der prächtigen Kunstsammlungen erfolgte nicht primär aus einer Liebe des Herrschers zu seinen Untergebenen oder mit dem Ziel, Kunst und Volk zusammenzubringen, sondern zum einen, um einer internationalen Mode zu entsprechen und zum anderen aus einer trotz aller aufklärerischen Ansätze nach wie vor bestehenden feudalistischen Lust an der Selbstdarstellung.«50 Waren museale Gegenstände zwar nicht mehr direkte Instrumente zur Veranschaulichung von Macht, wie im Falle der Wunderkammern, so sind sie im aufgeklärten Umfeld zu Symbolen neu entstandener Identitäten im gesellschaftspolitischen Sinne geworden. Veranschaulicht wird dies am besten durch die bereits erwähnten Entwürfe des Revolutionsarchitekten Etienne-Louis Boullée, dessen Gebäude eine Materialisierung der aufklärerischen Ideologie darstellen, geprägt durch Größe und das reine Volumen als Vorstellung von Freiheit im Raum, Volumen ohne Hindernisse und ohne Grenzen.51 In diesem Sinne schreibt er in »Architecture – Essai sur l’art«: »Das Bild des Großen hat eine solche Macht über unsere Sinne, dass sogar die Vorstellung, es sei schrecklich, in uns noch ein Gefühl von Bewunderung hervorruft.«52 Erst die am Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Forderungen im Sinne der Museumspädagogik und der Kunstvermittlung vermochten einen weiteren, richtungweisenden Schritt zur Verminderung der besagten Distanz von Kunst und Leben zu setzen. Doch dazu kommen wir erst später. Vorweg soll nun die Betrachtung der Kunst aus einem wissenschaftlichen Interesse heraus


untersucht werden, die als zwingende Voraussetzung zur später einsetzenden Vermittlungstätigkeit gelten kann.

Wissenschaftliche Distanz Durch die Verwissenschaftlichung der Museumsinhalte und deren neue Strukturierung im Sinne der Aufklärung erfuhr die Institution Museum eine bedeutende Veränderung, durch die unsere heutige Kunstauffassung immer noch entscheidend geprägt wird. »Das Museum entwickelte sich zum Archiv, das Wissen in Form einer systematischen Sammlung speicherte. Entsprechend wandelte sich der Charakter der Museumsinstitution von einer reinen Repräsentationsstätte zu einer Bildungsstätte.«53 Diese Entwicklung hatte zur Folge, dass sich rund um das Museum ein Kreis an Experten herausbildete und dass im Bereich der Kunst die Kunstwissenschaft als eigenständige Disziplin entstand. Eine dadurch eingeleitete Elitenbildung führte wiederum zur Kräftigung der Position der Kunst als Gegenstand des Besonderen und in weiterer Folge des Museums als Ort des Besonderen. Die Verwissenschaftlichung hatte also zu einer weiteren Distanzierung der Kunst von der Alltagswelt geführt.

oben Museumsentwurf, 1793

Étoinne-Louis

Boullée,

Museum Kunst und Leben, Öffnung der Museen

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Somit ergab sich die Konstellation, dass eine elitäre Oberschicht Kunst für eine beschränkte Gruppe an Rezipienten produzierte, denen wiederum der besondere Status, Objekte als Kunstwerke zu deklarieren, inne war. Pierre Bourdieu beschreibt die so entstehenden gesellschaftlichen Zustände, in welchen das Wissen zwischen Kunst und kunstrezipierendem Individuum steht und somit zum trennenden Element wird, wie folgt: »Die Fähigkeit des Sehens bemisst sich am Wissen, oder wenn man möchte, an den Begriffen, den Wörtern mithin, über die man zur Bezeichnung der sichtbaren Dinge verfügt und die gleichsam Wahrnehmungsprogramme erstellen. Von Bedeutung und Interesse ist Kunst einzig für den, der die kulturelle Kompetenz, d.h. den angemessenen Code besitzt.«54 Die Kunst wurde somit zum Gegenstand der oberen Klassen eines Bildungsbürgertums, zu denen das Volk erneut keinen Zugang finden konnte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts sahen mehrere Kunstexperten genau gegenüber dieser Barriere einen Handlungsbedarf gegeben. Es wurde erkannt, dass erst die Korrespondenz eines Kunstgegenstandes mit dem Betrachter zur wahren Entfaltung dieses Gegenstandes zum Kunstwerk führt. Das Interesse lag also darin, die durch die Anhäufung von Wissen generierte Distanz zwischen Kunstwerk und Betrachter zu durchbrechen. Diese Kunstvermittlung wurde als Hauptaufgabe des neuen demokratischen Museums angesehen.55

Kunstvermittlung Durch erste Bestrebungen von Museumsdirektoren und Kuratoren entstanden Ende des 19. Jahrhunderts und verstärkt im frühen 20. Jahrhundert erste Pläne zur Idee der 132

Kunstvermittlung und der Museumspädagogik. Waren Sammlungen und auch Museen, die eine Nachfolge jener Sammlungen angetreten hatten, stets mit einer gesellschaftlich-politischen sowie einer wissenschaftlichen Distanz von Kunst und Leben konfrontiert, so wollte man dies nun endgültig überwinden. Dabei stand die durch die Verwissenschaftlichung entstandene Barriere zwischen Kunst und Betrachter im Mittelpunkt, die die Nachfolge einer zuvor dominanten physischen Distanz, gekennzeichnet durch Zugangsbeschränkungen jeglicher Art, antrat. »Die Museumspädagogik beansprucht in diesem Sinne »Sprachrohr« der Objekte zu sein, deren Bedeutung für hier und heute und morgen vermittelt werden soll. Zugleich will Museumspädagogik auch der Anwalt des Publikums sein und darauf achten, dass wissenschaftliches Wissen popularisiert wird, und zwar auf interaktivheitere Art.«56 Ganz im Sinne der Wissenschaft wurde somit ein weiterer Teilbereich dieser gegründet, der sich mit der eben genannten Problematik auseinandersetzte und ein Mehr an spezifischem Wissen zu Tage förderte, was wiederum zur Folge hatte, dass sich der Kreis von Experten verjüngte, der jenes Wissen besaß. Dadurch »liegt also eine Art Dilemma im wissenschaftlichen Umgang mit Kunst und der darauf aufbauenden Vermittlungsstrategie vor. Zum einen ist es ihr Ziel, eine Nähe zur Kunst durch Vermittlung von Wissen zu befördern, andererseits generiert sie selbst immer mehr Spezialwissen, das die Distanz zum normalen Betrachter vergrößert. Dies bedeutet in letzter Konsequenz: Der Versuch der Wissenschaft, sich einem Werk durch Vermehrung des Wissens über das Werk zu nähern, führt dazu, dass sich alle, die nicht dieses Wissen haben, von dem Werk entfernen. Überspitzt formuliert arbeitet die Wissen-


schaft der Vermittlung entgegen.«57 Betrachtet man die heutige Institution Museum, so kann man diese beiden Eigenschaften als wesentliche Charakteristika erkennen. Sie präsentiert sich sowohl als Archiv mit der Aufgabe des Sammelns und Bewahrens, als auch als Ort der Vermittlung mit dem Ziel der Wissensweitergabe. »Genau betrachtet benötigt das Museum diese Distanz (jedoch) sogar, denn in der gegenläufigen Doppelnatur als vermittelnde und forschende Institution besteht seine Arbeitsgrundlage. Die Aufgabe des Museums als Vermittlungsinstitution liegt darin, dem Besucher Möglichkeiten zu geben, die Distanz zur Kunst zu überwinden, eine Distanz, die das Museum als Forschungsinstitution selbst schafft.«58 An diesem Punkt wird jedoch schon deutlich, dass auch die Kunstvermittlung nicht dazu im Stande ist, die Kluft zwischen Kunst und Lebenspraxis zu schließen. Es liegt die Vermutung nahe, dass in Verbindung mit einem traditionellen Kunstund Museumsbegriff, den wir zu Beginn durch die Distanz von Kunst und Leben sowie die Objekthaftigkeit der Kunst deklariert haben, keine Einheit von Kunst und Lebenspraxis erlangt werden kann und dies nur durch eine neue Definition und Auffassung der Kunst selbst passieren kann. Von Kunst und deren Beziehung zum Ausstellungsraum, sowie Versuchen, einem zuvor definierten Kunstbegriff zu entfliehen, soll später die Rede sein. Bevor wir uns dieser Thematik widmen, wollen wir die Entwicklung der Institution Museum im 20. Jahrhundert skizzieren und aktuelle Tendenzen in der Museumsarchitektur aufzeigen. Weiters werden wir uns die Fragen stellen, was uns ein Museum der Zukunft bringen wird beziehungsweise wo seine Aufgaben in seinem gesellschaftlichen Umfeld liegen werden. Museum Kunst und Leben, Öffnung der Museen

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Museum Museum heute


Entwicklung des Museums im 20. Jahrhundert Der Museumsbau des 20. Jahrhunderts ist gekennzeichnet durch die Existenz einer Fülle an unterschiedlichsten Museumskonzepten und Museumsarchitekturen, die durch Erweiterungen des Kunstbegriffes, durch die Forcierung der Museumspädagogik aber auch durch programmatische Erweiterungen bezüglich der Definition der Institution Museum selbst, entstanden sind. Ein weiterer Aspekt, der die Museumslandschaft nachhaltig prägte, war der Umstand, dass unzählige Privatsammlungen öffentlich zugänglich gemacht wurden, was zu zahlreichen zusätzlichen Museumsneubauten führte. Schon zu Beginn des Jahrhunderts wurden unterschiedliche Auffassungen des Museums materialisiert. Während etliche Ausstellungshäuser noch in der Tradition des Historismus oder im Zuge eines Klassikrevivals entstanden, wie es am Beispiel der National Gallery in Washington von John Russell Pope, welches 1941 eröffnet wurde, ersichtlich ist, so entstand im Gegensatz dazu in den Jahren 1956 bis 59 das von Frank Lloyd Wright geplante Museum der Salomon R. Guggenheim Foundation, welches als gebaute Ikone der Moderne in die Geschichtsbücher einging. Wright ordnet seine Ausstellungsgalerie spiralenförmig um einen Zentralraum an und schafft somit ein Raumkunstwerk, welches durchaus in Opposition zur ausgestellten Kunst steht und durch seine skulpturale Wirkung von den eigentlichen Ausstellungsgegenständen ablenkt. Es kann dadurch als Vorbild vieler, später folgender Museumsgebäude angesehen werden, die sich nicht ein kontemplatives Kunsterlebnis zur Aufgabe gemacht haben, sondern die durch

ihre Architektur einen Dialog mit der Kunst suchten. Doch nicht nur Frank Lloyd Wright, auch Le Corbusier und Mies van der Rohe, zwei weitere große Architekten der Moderne konnten ihre Vorstellung eines Museums verwirklichen. Ersterer in Tokio, wo 1959 das Nationalmuseum für westliche Kunst entstand, und letzterer in Berlin, in Form der Neuen Nationalgalerie, die in den Jahren 1962 bis 68 gebaut wurde. Beide Gebäude stellen realisierte Manifestationen der Architekturauffassungen ihrer Erbauer dar und gelten als schwer zu bespielende Ausstellungshäuser. Eine wesentliche, typologische Neuerung im Museumsbau entstand in Form von eingeschoßigen Museumskomplexen, die in starkem Bezug zur umgebenden Landschaft stehen. Musterbeispiele dieser Entwicklung sind das Kröller-Müller Museum in Otterloo, von van de Felde aus den Jahren 1937 bis 54 und das Louisiana Museum bei Kopenhagen von Bo und Wohlert aus den Jahren 1958 bis 59.

Guggenheim Museum, New York, Frank Lloyd Wright, 1956 - 59

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Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges schossen unzählige Museumsneubauten aus dem Boden, die einen wahren Stilpluralismus mit sich brachten. Ihren Höhepunkt fand diese Tendenz in der Phase der Postmoderne in den 80er Jahren, doch auch noch heute entsteht eine große Anzahl an Museen, die sich gegenseitig in Punkto Spektakel und Größe zu übertreffen versuchen. Aus dieser allgemeinen Flut an Ideen für Museumsbau-

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ten sollen nun einige Beispiele herausgegriffen werden, die die heutige Entwicklung im Museumsbau einschlägig geprägt haben um sie in Bezug mit aktuellen Beispielen von Museumsarchitekturen zu setzten. Wesentliches Kriterium stellen hierbei Aspekte dar, die auch im Entstehungsprozess dieser Arbeit relevant waren und in den Entwurf einflossen.


aktuelle Tendenzen im Museumsbau Bei den nun folgenden Überlegungen handelt es sich um eine persönliche Auswahl an Projekten, die, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, einen Überblick über aktuelle Tendenzen im Museumsbau geben soll. Absicht ist es, aussagekräftige Gruppierungen an Objekten mit vergleichbaren thematischen Inhalten zu erstellen, die zum einen die Geschichte des Museumsbaus im 20. Jahrhundert prägten und zum anderen richtungweisend für zeitgenössische und zukünftige Planungen erscheinen. Das »offene« Museum Ist an dieser Stelle von Offenheit die Rede, so soll dies Offenheit in zweierlei Hinsicht bedeuten, nämlich einerseits im Sinne des, aus einem demokratischen Verständnis heraus entstandenen, neutralen Ausstellungs- beziehungsweise Museumsraumes und andererseits in Bezug auf die programmatische Erweiterung des Museums und seinen Bezügen zur Außenwelt. Revolutionäres Beispiel einer solchen Architektur stellt das Centre Pompidou von Renzo Piano und Richard Rogers in Paris dar, wo beide genannten Aspekte ihre Ausformulierung fanden. Erbaut in den Jahren 1971 bis 77 brach es mit den bis dahin gültigen Konventionen des Museumsbaus. Ziel der Architekten war es, einen neutralen, demokratischen Raum zu schaffen, ein »semantisches Vakuum«, wie es Stanislaus von Moos formulierte.59 Erreicht wurde dies durch die Verwendung einer Gerüstkonstruktion, die große, stützenfreie Räume schaffen, welche wiederum alle Funktionen des Museums gleichwertig in sich aufnehmen. Durch das Anbringen sämtlicher Technik und der Erschließung an der Fassade des Gebäudes,

wird in dessen Inneren eine flexible Nutzung möglich, die sich im Ausstellungsbetrieb allerdings funktional als nicht sehr geeignet entpuppte, den Anforderungen einer der Kunst ehrwürdigen Präsentation nicht entsprach, und schon 1984 erstmals durch Einbauten von Gae Aulenti adaptiert werden musste. Anders verhielt es sich mit der Akzeptanz der Bevölkerung. Anfangs kritisiert, entwickelte sich das »Beaubourg« zum wahren Publikumsmagnet, was nicht in erster Linie durch die Kunst bedingt war, sondern durch den starken Öffentlichkeitsbezug des Gebäudes. Dies machte zum einen die städtebauliche Entscheidung zur Schaffung eines Platzraumes vor dem Museum möglich und zum anderen die zusätzlichen öffentlichen Funktionen des Museums in Form einer Bibliothek, eines Restaurants und einer Bar, sowie der öffentlich zugänglichen Erschließungszonen, die einen wundervollen Blick auf die Stadt Paris ermöglichen. Das Centre Pompidou gilt dadurch als Vorbild vieler heute gängiger Phänomene des Kunstmuseums. Es stellt sowohl den Startpunkt des Einzuges der Unterhaltung in die Museumskonzeption, sowie des Erkennens des Potenzials, durch Museen Stadtreparatur zu betreiben, dar. Ungebremst erfolgte auch der Eroberungszug der Ausstellungshalle als alternativer Ausstellungsraum zur klassischen Ausstellungsgalerie. Entstanden durch das Aufkommen von Künstlerateliers in Form von Lofts, die in umgenutzten Industriehallen New Yorks untergebracht waren, wurden sie zum Sinnbild des zeitgenössischen Kunstschaffens. Anfang waren es die Künstler selbst, die in den frühen 70er Jahren des 20. Jahrhunderts solche Räumlichkeiten zum Arbeiten nutzten, jedoch auch darin wohnten und ihre Arbeiten zur Schau stellten. Mit dem Umbau zweier eingeschoßiger Lagerhallen für das

links Centre Pompidou, Paris, Richard Rogers und Renzo Piano, 1971 - 77

Museum Museum heute

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Museum of Contemporary Art in Los Angeles von Frank Gehry im Jahre 1983 fand diese Form des Ausstellungsraumes auch in die Institution Museum Einzug. Eine sehr zurückgenommene Architektursprache, die, am Rande erwähnt, nicht unwesentlich durch den Mangel an finanziellen Mitteln entstanden war, prägte die Erscheinung der Ausstellungsräumlichkeiten und belässt deren industriellen Charakter, wodurch der Bezug der Kunstwerke zu ihren Entstehungsorten, nämlich den Künstlerlofts, gewahrt blieb. Das »Temporary Contemporary« von Gehry, welches anfangs als zeitlich begrenzte Präsentationsstätte zeitgenössischer Kunst und Architektur gedacht war, wurde zum Vorbild vieler weiterer Ausstellungsgebäude. Aktuelle Entwicklungen zeigen ein vermehrtes Aufkommen an Kunsthallen, die als temporäre, kulturelle Impulsbringer in bestehende Stadtstrukturen implementiert werden. Charakteristisch für solche Bauten sind neben dem temporären Erscheinen, die oftmalige Verwendung von modularen Bauteilen und vorgefertigten Elementen aus dem Industriebau, die ihnen ihren typischen Charakter

verleihen. Als aktuelle Beispiele jener Architekturen können sowohl die Kunsthalle Berlin von Adolf Krischanitz oder die Kunsthalle in Seoul der Gruppe Platoon genannt werden. Das Museum als Kunstwerk Eingeleitet durch den Bau des ersten Guggenheim Museums von Frank Lloyd Wright entwickelte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts eine Haltung gegenüber Kunst, die in der Architektur ein gleichwertiges, herausforderndes Gegenüber sah. So wurde der Museumsbau zur Spielwiese gebauter Ismen und zu materialisierten Ideologien deren Erbauer. Seinen Höhepunkt fand diese Entwicklung erneut in einem Museumsbau der Guggenheim Foun-

links temporäres Ausstellungsgebäude für das Museum of Contemporary Art, Los Angeles, Frank Gehry, 1983

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rechts oben: Kunsthalle Berlin, Adolf Krischanitz, 2008 rechtsunten: Kunsthalle Seoul von PLATOON


dation, nämlich im Guggenheim Bilbao, das im Jahre 1997 von Frank Gehry errichtet wurde. Die Aufgabe des Museums wandelte sich von einem Ort der kontemplativen Kunstrezeption hin zum städtischen Katalysator, der als das Stadtbild prägendes Element zum Aufschwung einer ganzen Region beitragen sollte, und dies im Falle von Bilbao auch bewerkstelligte. Erreicht wurde dies, neben der Haltung, nur sich selbst genügen zu müssen, was sich im architektonischen Ausdruck des Gebäudes widerspiegelt, durch die nun endgültig vollzogene Hingabe zum Museum als Ort der Unterhaltung. Eine treffende Beschreibung dieser Tatsache liefert das Architekturbüro Coop Himmelblau in der Definition seines in Lyon zu errichtenden Museums Musée des Confluences: »Durch die Anregung zu direkter und aktiver Benutzung handelt es sich nicht nur um einen Museumsbau, sondern um einen urbanen Treffpunkt. Die Architektur bringt die Typologie eines Museums mit der Typologie eines städtischen Freizeitzentrums zusammen.«60 Dem immer wieder getätigten Vorwurf, das Guggenheimmuseum in Bilbao würde der ausgestellten Kunst

links Guggenheim Museum, Bilbao, Frank Gehry, 1997

Museum Museum heute

nicht gerecht werden, widerspricht Frank Gehry vehement. Durch sein architektonisches Erscheinungsbild spiegle das Gebäude seine wichtige Position im Stadtgefüge wider und gerät durch eine, anderen öffentlichen Architekturen wie Regierungsgebäuden, Bibliotheken oder Konzerthallen ebenbürtige Gestalt nicht in Zweitrangigkeit. Dies stärke wiederum die Wirkung der Kunst selbst, so der Architekt.61 Außerdem meint Gehry: »Künstler ziehen ausdrucksstarke Bauten vor. Sie wollen in keine neutrale Schachtel. Das habe ich über die Jahre oft gehört: Mein Gott, schon wieder eine neutrale Galerie, wie dumm.«62 Seit der Errichtung des Guggenheimmuseums in Bilbao wurde überall auf der Welt versucht, jenen Effekt, der als »Bilbaoeffekt« in den allgemeinen Sprachgebrauch Einzug gefunden hat, zu kopieren, was zu vielen weiteren Museumsbauten führte, denen eine ähnliche Ideologie zugrunde liegt. Museen gelten seither generell als »Kulturmesser eines Volkes«, wie es Werner Oechslin einmal ausdrückte und spektakuläre Museumsneubauten sind in einem internationalen Kulturgeschehen ebenso sicher,

rechts Entwurf für das Guggenheim Museum in Abu Dhabi, Frank Gehry, 2006

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wie das Amen im Gebet.63 Als aktuelles Beispiel soll hier der in Abu Dhabi geplante Saadiyat Cultural District seine Erwähnung finden, wo fünf der wichtigsten Kunstinstitutionen der Welt ihre Ausstellungshäuser errichten werden. Ausführende Planer sind, wie sollte es anders sein, renommierte Architekturgrößen wie Jean Nouvel, Zaha Hadid, Tadao Ando und erneut Frank Gehry, der für die Errichtung einer weiteren Niederlassung der Guggenheim Foundation zuständig sein wird. Das Museum der Moderne und seine Folgen Waren die gebauten Manifestationen der klassischen Moderne zum Großteil schwer zu bespielende Ausstellungshäuser, so war ihr Einfluss auf spätere Architektengenerationen gerade durch ihre kompromisslose Ausformulierung groß. Wichtigste Folge jener Architekturen war jedoch die Entwicklung der »weißen Zelle« als Ausstellungsräumlichkeit, welche lange Zeit als ideale Form der Kunstpräsentation galt und welcher auch in heutigen Museumsarchitekturen eine entscheidende Rolle zukommt. Getrieben durch den Anspruch, der Kunst

zurückhaltende Ausstellungsräume gegenüberzustellen, die nicht in Konkurrenz zu den Kunstwerken treten sollten, erfolgte eine Reduktion in der Architektursprache auf wenige, den Galerieraum prägende Elemente. Der Künstler Markus Lüpertz, selbst ein Befürworter dieser Architekturhaltung, beschrieb dies wie folgt: »Das klassische Museum ist gebaut, vier Wände, Oberlicht, zwei Türen, eine zum reingehen, eine zum Rausgehen.«64 Eines der wohl radikalsten Museumsbauten in diesem Sinne stellt das Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz von Morger und Degelo dar, welches 2000 seine Tore öffnete. Eine hier betriebene, strikte Reduktion hatte in Bezug auf Kunst jedoch nicht die Wirkung von Zurückhaltung zur Folge, sondern verabsolutierte die Museumsarchitektur selbst, wodurch solche Ausformulierungen des »White Cube« keineswegs als neutrale Hülle für Kunstwerke angesehen werden können. Dies ist heute hinlänglich bekannt und soll uns im Kapitel »Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter« noch näher beschäftigen.

links Entwurf für das Louvre Abu Dhabi, Jean Nouvel, 2006

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rechts Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz, Morger und Degelo, 2000


Der neue alte Kunsttempel Neben all den erwähnten Neuerungen und unterschiedlichen Konzeptionen in der Museumsarchitektur wird die Museumslandschaft nach wie vor durch den Museumstypus, wie er sich im 19. Jahrhundert entwickelt hatte, beeinflusst. Auf neuartige Weise interpretiert ist dieser »klassische Museumsbau« stark präsent und stößt gerade in der aktuellen Museumsdebatte auf eine breite Resonanz. So sind Enfiladen aus Oberlichtsälen, Zentralräume und Rotunden aber auch Portiken und Loggien fixer Bestandteil zeitgenössischer Museumsarchitektur. Paradebeispiel solch historischer Zitate ist die Neue Staatsgalerie in Stuttgart von James Stirling, die 1984 eröffnet wurde. Diese stellt als Ikone der Postmoderne eine Weiterführung des Alten Museums von Karl Friedrich Schinkel dar und spielt, trotz neuartigem Organisationskonzept, mit dessen Grundrissform und architektonischen Elementen. Ein weiteres, jüngeres Beispiel ist die Pinakothek der Moderne in München von Stephan Braunfels, welche im Jahre 2002 eröffnet wurde. Sie bildet mit mehreren Ausstellungsgebäuden,

links Neue Staatsgalerie Stuttgart, James Stirling, 1984

Museum Museum heute

unter anderem der Alten und Neuen Pinakothek und mit dem soeben eröffneten Museum Brandhorst das Museumsareal in der Münchner Maxvorstadt. Durch ihre beeindruckende Größe war es dem Architekten möglich eine Vielzahl architektonischer Zitate unterzubringen; ausschlaggebend für das Erscheinungsbild des Gebäudes sind jedoch zum einen die städtebauliche Grundintention, die durch den Museumsbau zum Ausdruck gebracht wird, sowie die Neuinterpretationen einer Loggia in den Eingangsbereichen. Das solche Tendenzen im Museumsbau auch aktuell hoch im Kurs stehen bestätigen die Erfolge des britischen Architekten David Chipperfield, der zurzeit dabei ist gleich mehrere Neubauten von Museen zu errichten. In der aktuellen Ausgabe einer Architekturzeitschrift ist hier dann sogar, in Kontrast zum »Gehry-Effekt«, vom »Chipperfieldismus« die Rede, dessen Architektur sich laut Autorin Sandra Hofmeister durch sorgfältig geplante, architektonisch proklamierte Einfachheit, eine allgemeine Zurückhaltung aber auch durch eine gegebene Verträglichkeit mit Bestandsbauten auszeich-

rechts Pinakothek der Moderne, München, Stephan Braunfels, 2002

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net.65 Nach mehreren Museumsbauten, wie dem Figge Art Museum in Davenport, dem Literaturmuseum der Moderne in Marbach, dem Anchorage Museum at Rasmuson Center in Anchorage und der Revitalisierung des Neuen Museums in Berlin wird Chipperfield für weitere Museumsneubauten in Berlin, Essen und Zürich verantwortlich sein. Auch der Zubau des Kunsthauses Zürich, der Thema dieser Arbeit ist, wird nach seinen Plänen verwirklicht werden. Das Museum im historischen Bestand Zu guter Letzt wollen wir uns einem Phänomen widmen, das im Museumsbau beinahe die Regel und nicht wie man zuerst vermuten würde, die Ausnahme darstellt; nämlich dem Phänomen der Umnutzung und somit dem Museum im historischen Bestand. Seit dem Beginn der Entstehung des Museums, wie er zuvor in diesem Kapitel erläutert wurde, ist die Institution geprägt durch Bautypologien, die nicht in erster Linie zur Präsentation von Kunstwerken gedacht waren. Dies reicht von der Galerie, die zunächst als Verbindungsgang fungierte, über ehema-

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lige Herrscherpaläste, die zu Ausstellungsräumlichkeiten adaptiert wurden, bis hin zu umgenutzten Industriehallen als etablierte Typologien für Ausstellungshäuser. Selbst die für spätere Entwicklungen maßgebenden Museumsprojekte der französischen Revolutionsarchitekten oder der Typus der Gemäldegalerie finden ihre Vorbilder in den soeben genannten Architekturen. Neben der Funktion als rein typologische Vorbilder jener Räumlichkeiten ist jedoch auch noch ein weiterer Aspekt hervorzuheben, nämlich die Wirkung des Bestandsbaues auf, und dessen Relation zur ausgestellten Kunst. Hierbei fällt eine pauschalierte Aussage schwer, da solche Relationen immer durch unzählige Faktoren der zugehörigen Zeit, durch Umstände der Gesellschaftsstruktur, aber auch durch den Charakter der jeweiligen Kunst selbst bestimmt wurden. Eine genauere Betrachtung dieser Beziehung zwischen Kunst und historischem Bestandsbau wird im Kapitel »Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter« in Hinblick auf aktuelle, zeitgenössische Kunst erfolgen. Als architektonisches Phänomen begleitet die Adaption historischer Bausubstanzen die aktuellen Geschehnisse


im Museumsbau allemal. Einige der bedeutendsten Häuser zeitgenössischer Kunst sind in solchen Gebäuden zuhause. Bekannte Beispiele sind die Tate Modern in London, untergebracht in einem ehemaligen Kraftwerk und umgebaut durch das Schweizer Architektenduo Herzog und De Meuron oder der Hamburger Bahnhof in Berlin, welcher durch Josef Paul Kleihues adaptiert wurde und sich, wie der Name schon sagt, in einem ehemaligen Bahnhofsgebäude befindet. Gerade für zeitgenössische Kunst bietet sich die Umnutzung solcher Räumlichkeiten zu Ausstellungshäusern an, bedingt durch deren räumliche Großzügigkeit aber auch den typischen Charakter, den sie mit sich bringen. Jedoch entstehen Galerien auch in Bauwerken, die auf den ersten Blick kaum geeignet scheinen, Kunstwerke in sich aufzunehmen. Ein solches Beispiel ist die private Sammlung Boros in Berlin, die in einem ehemaligen Bunker des zweiten Weltkrieges situiert ist. In Kombination mit den ausgestellten Werken und durch die Ausstrahlung des Gebäudes selbst entsteht hier jedoch eine einzigartige Symbiose von Kunst und Ausstellungsraum, wie sie sonst selten zu beobachten ist.

linke Seite links: Wettbewerbsentwurf für die James Simon Gallery von David Chipperfield, 2007

Museum Museum heute

linke Seite rechts: Hamburger Bahnhof, Berlin, Kleihues und Kleihues, 1990 - 96

rechts oben: Tate Modern, London, Herzog und De Meuron, 2000 rechts unten: Sammlung Boros, Berlin, Realarchitektur, 2008

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Museum Museum morgen, Kunsthaus+


Museum und Gesellschaft Die große Frage, die sich bezüglich der Institution Museum in Zukunft stellen wird, ist jene nach deren Stellung in der Gesellschaft, wobei hier wiederum Aspekte bezüglich der Öffnung der Museen ausschlaggebend sein werden. Aktuell scheint es, als würde dies auf eine Diskussion über die einzunehmende Haltung hinsichtlich der Platzierung der Institution in einem kapitalistischen Marktsystem hinauslaufen. »Das Museum muss sich den »Herausforderungen der Kommunikationsgesellschaft« stellen«,66 jedoch erscheint es schwierig, bei dieser Herausforderung eine vernünftige, für alle Seiten sinnvolle Abstimmung von marktwirtschaftlich orientierten Maßnahmen mit jenen hinsichtlich eines produktiven Umganges mit Kunst zu finden. Das Architektenduo Gigon-Guyer zeigt sich hier gegenüber skeptisch und bemerkt: »Rückblickend entsteht der Eindruck, als sei die einst berechtigte Forderung der Öffnung der Museen, die bessere Erschließung der Sammlungen, die Aufarbeitung zeitgenössischer Kunst und die Erweiterung der Kunstinhalte in zeitrelevanten Ausstellungen mit einer Profanisierung und einer auf Besucherzahlen und Großereignisse abgestellten Kunstpolitik gründlich missverstanden worden.«67 Auch wenn » [...] eine konsequente Orientierung am zahlenden Besucher für die Zukunft der wichtigste Erfolgsfaktor für die Existenzsicherung und Behauptung von Kulturinstitutionen auf dem durch starke Konkurrenz gekennzeichneten Freizeitmarkt ist«68 , so darf eine kommerzielle Ausrichtung nicht zum Erstanliegen der Institution Museum werden und das Museum nicht zum Kind kapitalistischer Zwänge mutieren. Aus diesen Erkenntnissen heraus sollen nun die Aufgaben der Institution Museum für die Zukunft entwickelt und

konkret am Beispiel zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich angewandt werden. Museum als Impulsbringer Ein weit verbreitetes Phänomen bei Neuerrichtungen von Museumsbauten ist deren gleichzeitige Verwendung als Elemente der punktuellen Stadtreparatur. Durch das Einsetzen von Kunst-, Kultur- und Bildungseinrichtungen in das Stadtgefüge wird versucht, ganze Stadtbezirke zu transformieren und den Effekt der Bedeutungsverschiebung des Ortes für eine nachhaltige Entwicklung des Gebietes zu nutzen. So entstehen Gebiete, die durch eine hohe Konzentration ebensolcher Institutionen geprägt sind. Interessant sind die unterschiedlichen Strukturen, die solche Gebiete aufweisen können und die Beziehungen, die unter den unterschiedlichen Einrichtungen zueinander vorherrschen. Solche Konzentrationen von Bildungs- Kultur- und Kunsteinrichtungen können in ganz Europa beobachtet werden; fünf sollen hier kurz ihre Erwähnung finden und bezüglich ihrer Strukturen analysiert werden. Beginnen wir mit Stuttgart, wo durch die Errichtung des Erweiterungsbaus der Staatsgalerie, sowie des Neubaus des Stuttgarter Kunstmuseums gezielt durch punktuelle Interventionen Stadtreparatur erfolgte. Vor allem dem Kunstmuseum kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu, da es durch seine Setzung Lücken an einem strategisch wichtigen Punkt im städtischen Gefüge schließt, die im Zuge des zweiten Weltkrieges entstanden waren, und somit entscheidend für die Entwicklung des Gebietes verantwortlich ist. Als zweites Beispiel soll die Stadt München herangezogen werden, wo das Gebiet der Maxvorstadt immer mehr durch Bildungs- und Kulturbauten funktional verdichtet wird. Hier sind einige der

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wichtigsten Museumsbauten Deutschlands vertreten, die ihre Wirkung auf die Umgebung durch eine flächige Anordnung der einzelnen Institutionen erreichen. Im Gegensatz steht die Bildungs- und Kulturmeile in Zürich, die, wie der Name schon sagt, eine lineare Entwicklung verfolgt. Auch hier wird durch ein hohes Vorkommen an unterschiedlichsten Einrichtungen, das in Zukunft einer weiteren Verdichtung unterzogen werden soll, zu der auch der Neubau der Kunsthauserweiterung beitragen wird, eine positive Wirkung in punkto Stadtentwicklung erwartet. Ganz anders erfolgte eine solche Verdichtung an Bildungs- und Kultureinrichtungen in Wien, wo im Falle des Museumsquartiers eine punktuelle Anordnung vieler verschiedener Einrichtungen zum gewünschten Ergebnis führte. Auf engstem Raum ist so eine Fülle an Institutionen unterschiedlichster Art vertreten, was einen lebendigen Kulturbetrieb ermöglicht. Am Beispiel von Paris wiederum kann ein Phänomen beobachtet werden,

wo durch die schiere Größe einzelner Institutionen, wie dem Louvre oder dem Centre Pompidou eine positive Ausstrahlung auf umgebende Stadträume erfolgt. Museum und öffentlicher Raum Auch wenn der Begriff der »Stadtreparatur« in Bezug auf die Aufgabe zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich als etwas überzeichnet wirkt, besteht dennoch auch hier die einzigartige Chance zur Neudefinition der Situation am Heimplatz und somit zu einer Transformation des Ortes. Als wesentliche Aufgabe in dieser Hinsicht wurde im Zuge des Entwurfes die Thematik des öffentlichen Raumes im Umfeld des Museumsbaus angesehen. Als öffentlich zugängliche Einrichtung soll ein Museum auch dazu verpflichtet sein, öffentliche Räume zu generieren. Im Entwurfsprojekt geschah dies in Form der Erweiterung des Platzraumes Heimplatz durch den Bereich, der sich zwischen den beiden ehemaligen Turnhallen befin-

oben Zürcher Innenräume mit starkem Öffentlichkeitscharakter; links: Puls 5 in Zürich West, mitte: Universität Zürich, rechts: Bahnhof Zürich

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rechts Vergleich internationaler Zentren von Bildungsund Kultureinrichtungen: Stuttgart, München, Zürich, Wien, Paris


Institutionen Neue Staatsgalerie Kunstgebäude Stuttgart Kunstmuseum Stuttgart Museum der bild. Künste Landesmuseum Württemb. Staatstheater Friedrichsbau Universität Stuttgart Hochschule für Musik und darstellende Kunst Hochschule für Technik

Stuttgart - Stuttgarter Kulturmeile -

Institutionen Alte Pinakothek Neue Pinakothek Pinakothek der Moderne Museum Brandhorst Glyptothek Staatliche Sammlungen Lendbachhaus Paläontologisches Museum Amerika Haus Technische Universität Bayrische Staatsbibliothek

München - Kunstareal München -

Institutionen Kunsthaus Zürich Sammlungen ETH Sammlungen Universität Schauspielhaus Zentralbibliothek ETH Zürich Universität Zürich Konservatorium Opernhaus Zürich Theater Stok Theater an der Winkelwiese

Zürich - Bildungs- und Kulturmeile -

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Paris - Museumskomplex des Louvre 500m

Kunstmuseen

Museum Museum morgen, Kunsthaus+

sonstige Museen

Theater & Schauspiel

Bildungseinrichtungen 147


det, sowie der Schaffung eines »Hofes der Kunst«, der, als Skulpturenhof genutzt, einen weiteren öffentlichen Bereich im Norden des Gebäudes darstellt. Doch auch die Innenräume der zentralen Halle und des »Kuratorenraumes« im Untergeschoß, sowie deren zugeordnete, öffentlichen Funktionen wie das Café und der Museumsshop sollen einen größtmöglichen Öffentlichkeitscharakter besitzen. In Kombination mit einer funktional gliedernden Terrassierung dieser Innenräume steht dies in einer Bautradition, wie sie in Zürich öfters zu beobachten ist. Solche öffentlich anmutende Innenräume sind zum Beispiel die umgenutzte alte Bahnhofshalle des Hauptbahnhofes, der zentrale Platzraum des Gebäudes »Puls5« im ehemaligen Industriegebiet Zürich West, sowie der überdachte Innenhof der Universität Zürich.

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Architektur Durch das architektonische Erscheinungsbild des Gebäudes soll dessen innere Struktur widergespiegelt und nach außen ablesbar gemacht werden. Die unterschiedlichen Charaktere der Sammlungen fordern so ihren Tribut in Bezug auf die Architektur. Die Ausstellungsgalerien der Sammlung Bührle in den drei Obergeschoßen sollen in dieser Konstellation durch einen nach außen hin abgeschlossenen Quader repräsentiert werden, der zwar in den ersten beiden Obergeschoßen aufgebrochen wird, dessen Wirkung als massiver, die Kunst in Sicherheit verwahrender Baukörper jedoch durch eine transluzente Fassadengestaltung gewahrt bleibt, die den Blick auf den massiven Betonkern, der die Ausstellungsgalerien umgrenzt, weiterhin freigibt. Die transluzente Wirkung der Haut dieses Gebäudeteiles wird durch den Einsatz von grobmaschigem Streckmetallgitter ermöglicht, welches


verzinkt ausgeführt, seinem immanenten Materialcharakter als industriell gefertigtes Produkt Rechnung tragen soll. Durch die Betonung konstruktiver Elemente, die die Fassade horizontal gliedern, wird die Wirkung als ästhetisierende »Kunstbox« im Sinne einer Haltung des Minimalismus vermieden. Vielmehr soll das Gebäude durch seine Merkmale bezüglich Konstruktion und Materialität ein Gefühl der Vertrautheit hervorrufen, sich in bestehende Strukturen einfügen, und so zum adäquaten Ort der Kunst werden. Die architektonische Gestaltung der Erdgeschoßzone ist in Hinblick auf jenen Gebäudeteil, der die Sammlung Bührle beinhaltet, als eine ihr gegenläufige zu bezeichnen. Bedingt durch das zentrale Entwurfsthema der Dialektik von Geschlossenheit und Offenheit versucht dieses Geschoß einen größtmöglichen Öffentlichkeitscharakter zu erreichen. Dies geschieht zum einen durch den

links Skizze zur architektonischen Wirkung des Gebäudes

Museum Museum morgen, Kunsthaus+

maßstäblichen Bezug der Setzung benötigter Volumina auf die umgebenden Stadtstrukturen, sowie zum anderen durch die Verwendung von Materialien, die einen öffentlichen Stadtraum ausmachen. Entscheidend dabei ist, dass eine Aufhebung der Trennung von Außen- und Innenraum angestrebt wird. Der öffentliche Raum fließt durch das Gebäude, die zentrale Halle wird zum belebten Stadtraum. Als architektonische Vorbilder können hierfür das von Lacaton Vassal umgebaute Palais du Tokyo in Paris oder die von Herzog de Meuron adaptierte Tate Modern in London angesehen werden. Auch in Hinblick auf die Eingangssituation am Heimplatz spielt das Thema der Offenheit und deren architektonische Ausformulierung eine zentrale Rolle. So wurde versucht, durch eine zeitgemäße Interpretation einer klassischen Loggia, wie sie am Beispiel des Alten Museums von Karl Friedrich Schinkel in Berlin zu beobachten

oben links: Palais du Tokyo, Paris, Lacaton Vassal, 2001 oben mitte: Tate Modern, London, Herzog de Meuron, 2000

oben rechts Referenzbild des Entwurfsprojektes: Darstellung der zentralen Halle

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ist, den für ein Museum typischen Schwellenbereich aufzulösen. Ähnlich wie es Stephan Braunfels bei der Pinakothek der Moderne in München löste, soll die Frontalität der Fassade im Eingangsbereich gebrochen werden, im Falle des Erweiterungsbaus für das Kunsthaus Zürich jedoch zusätzlich, durch ein ausladendes Vordach, in die Tiefe erweitert werden, was zu einem Verschmelzen von Platzraum, Foyer und zentraler Halle führen soll.

me, sowie die umgenutzten Turnhallen zu einem neuen Ganzen. Das Gebäude ist nicht Produkt einer Architektursprache, sondern die Antwort auf eine konkrete architektonische Problemstellung, unter der Berücksichtigung von Forderungen seitens der Kunst und der Gesellschaft, aber auch seitens der Stadt, des Ortes. Das Museum soll nicht Architektur des Besonderen, sondern des Gewöhnlichen sein und seine Besonderheit durch die Dialektik und nicht durch das Spektakel erzielen.

In seinem Gesamterscheinungsbild soll der Gebäudekomplex zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich Ausdruck der gestellten, komplexen Bauaufgabe selbst sein. In einer Architektur des Dialoges vereinen sich vielschichtige Elemente wie die öffentlichen Flächen der Platzräume, die Innenräume mit starkem Öffentlichkeitscharakter in Form des Cafés, des Museumsshops und der zentralen Halle, die Kuratoren- und Ausstellungsräu-

links Fassadenansicht 01 Eingangsbereich Heimplatz

Museum Museum morgen, Kunsthaus+

oben links: Zeichnung von Karl Friedrich Schinkel des Alten Museums in Berlin oben mitte: Eingangssituation der Pinakothek der Moderne in München

oben rechts Referenzbild des Entwurfsprojektes: Darstellung der Vorplatzsituation

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Fassadenansicht 02 Ansicht Heimplatz, Haupteingang

Materialitäten außen links Bollinger Sandstein (ist auch Fassadenmaterial des ersten Müllerbaus für das Kunsthaus Zürich) Sichtmauerwerk aus Klinkerziegeln in lachsfarbener Ausführung rechts Putzoberflächen in unterschiedlichen Weißabstufungen verzinktes Streckmetallgitter in grobmaschiger Ausführung als Fassadenmaterial der 3 OGs Museum Museum morgen, Kunsthaus+

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Fassadenansicht 03

Ansicht Rämistraße, Eingang Kunstvermittlung

Materialitäten innen links Fußboden Galerien und Ausstellungshallen: Parkett Eiche Lichtdecke Ausstellungshallen Galerien Sammlung Bührle: Staubdecke aus geätztem Glas rechts Oberfläche Wände Galerien und Ausstellungshallen: Beton lasiert Fußboden zentrale Halle und Kuratorenräume: geschliffener Estrich, versiegelt Museum Museum morgen, Kunsthaus+

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typologische Entwicklung

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das Phänomen der Umnutzung

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2000

2009

Museum Museum morgen, Kunsthaus+

Zur Typologie Der heutige Museumsbau ist durch zwei unterschiedliche Denkansätze geprägt. Einerseits entstehen nach wie vor Museen des Spektakels, deren Weg vor allem durch den Museumsbauboom der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts geebnet wurde, andererseits bezieht man sich wieder vermehrt auf Elemente eines klassischen Museumsbautypus, wie er sich im Laufe des 19. Jahrhunderts herauskristallisiert hat. Eine weitere wesentliche Beeinflussung heutiger Museumsarchitekturen stellt die Umnutzung historischer Bausubstanzen dar, wodurch wichtige Museumsbauten einschlägiger Kulturinstitutionen entstanden, die als richtungweisend für die Zukunft gelten können. All diese Entwicklungen haben unterschiedliche Typologien hervorgebracht, beginnend bei der Enfilade an Ausstellungsräumen bis hin zur Ausstellungshalle, die heute als allgemein gültige und sinnvolle Form des Ausstellungsraumes gelten. So war im Entwurfsprozess zu dieser Arbeit nicht die Entwicklung einer neuartigen Typologie ausschlaggebend, es wurde vielmehr der Versuch unternommen, unterschiedliche typologische Elemente neu zu kombinieren und, noch wichtiger, neu zu programmieren. In der gegebenen Situation am Heimplatz in Zürich, geprägt durch seine städtebauliche Lage und die am Platz situierten Turnhallen wurde dahingehend ein großes Potenzial gesehen. Der neue Gebäudekomplex zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich definiert sich durch die Kombination von umgenutzten Gebäuden, einem zentralen Erschließungsraum mit starkem Öffentlichkeitscharakter, einer gestapelten, dreigeschoßigen Ausstellungsgalerie und mehreren Ausstellungshallen sowie darüber hinaus über links Darstellung der typologischen Entwicklung des Museums und Beispiele von Umnutzungen historicsher Bausubstanzen zu Museen

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eine Architektursprache, die versucht, diese Vielfalt auch nach außen ablesbar zu machen. All diese Elemente haben in sich wieder typologische Vorbilder, durch ihre Kombination jedoch entsteht im Zürcher Museumszubau jedoch ein einzigartiges Konglomerat, abgestimmt auf die auszustellende Kunst, die umgebenden Stadtstrukturen und auf den Charakter des Ortes. Nun sollen die einzelnen Elemente des Gebäudes beschrieben werden und in Hinsicht auf typologisch verwandte Beispiele reflektiert werden. Die zentrale Halle im Erdgeschoß und der Kuratorenraum im Untergeschoß, die, über einen Luftraum verbunden eine Einheit bilden, können in Form eines Zentralraumes als Herz des Gebäudes verstanden werden, über das die Erschließung der restlichen Gebäudeteile erfolgt. Typologische Vorbilder sind hier zum einen das Alte Museum von Schinkel, mit einem Zentralraum in Form einer Rotunde oder aber

oben typologische Vergleiche

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auch die Tate Modern, wo diese Funktion durch die ehemalige Turbinenhalle übernommen wird. In seinem Charakter, vor allem im Sinne des Ausstellungskonzeptes soll jener Raum aber eher einem, den einzelnen Ausstellungsräumen zwischengeschalteten Bereich ohne präzise Funktionsbelegung entsprechen, wie es vielleicht bei der Berliner Gemäldegalerie nach deren Umbau durch die Architekten Hilmer und Sattler der Fall ist. Die Ausstellungsräume für den Teil der Sammlung Kunsthaus mit Kunst seit 1960, die sich im Erdgeschoß und im Untergeschoß befinden, entsprechen dem Typus der Ausstellungshalle, nur die westlich gelegene Turnhalle erhält Einbauten in Form zweier Ausstellungsräume mit Oberlicht, um auch traditionellen Formaten zeitgenössischer Kunst einen optimalen Rahmen zu bieten. Eine gewisse Verwandtschaft dieser Räume besteht zur Temporären Kunsthalle in Berlin von Adolf Krischanitz,

links Gemäldegalerie Berlin von Hilmer und Sattler, Tate Modern London von Herzog de Meuron

rechts 2. Untergeschoß des Erweiterungsbaus für das Kunsthaus Zürich


die eine auf das nötigste reduzierte Ausstellungshalle darstellt, welche sich durch die temporäre Nutzung, sein Konstruktionsprinzip und seine Materialität von den Gedanken des White Cubes lossagt. Die drei Obergeschoße finden ihre typologische Entsprechung am ehesten in der Alten Pinakothek von Leo von Klenze. Hier ist, wie auch beim Entwurf dieser Arbeit, eine dreischiffige Anordnung unterschiedlicher Raumgruppen der Fall. Die Kabinette an der Nordseite des Gebäudes werden beim Kunsthauszubau durch die so genannten »Kuratorenräume« ersetzt, ansonsten liegt durch den zentralen Bereich als Ausstellungsgalerie und dem an der südlichen Fassade gelegenen Erschließungsbereich eine typologische Entsprechung vor, die jedoch durch die Stapelung über drei Ebenen und die dadurch veränderte Lichtsituation, sowie der zusätzlichen Unterteilung der Ausstellungshallen in Galeriefolgen,

oben typologische Vergleiche

Museum Museum morgen, Kunsthaus+

zum Teil aufgeweicht wird. So wird aus der Enfilade an Galerieräumen der Alten Pinakothek eine matrixartige Anordnung an Ausstellungssälen in unterschiedlichen Größen und Proportionen, die jedoch trotz ihrer strukturellen Positionierung eine Ausstellung in lineare Form ermöglichen. Ein Museumsgebäude, wo solche Strukturen bereits zur Ausführung kamen, jedoch erneut nicht in gestapelter Form, sondern auf einer Ebene, ist das Moderna und Arkitektur Museet von Rafael Moneo in Stockholm. Neben all diesen typologischen und architektonischen Bezügen der einzelnen Gebäudeteile erreicht das entworfene Gebäude zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich seine Wirkung und innere Logik durch die Kombination und eine daraus resultierende Dialektik der Einzelelemente.

links Alte Pinakothek in München von Leo von Klenze, Moderna und Arkitektur Museet in Stockholm von Rafael Moneo

rechts 1. Obergeschoß des Erweiterungsbaus für das Kunsthaus Zürich; oben: als Ausstellungshalle; unten: als adaptierte Galerienfolge

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Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter



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Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter Relationen

Das letzte Kapitel soll nun im Zeichen der Dreierkonstellation von Kunst, Ausstellungsraum und Betrachter stehen. Nachdem deren Relationen zueinander im Rahmen eines traditionellen Kunstbegriffes erläutert worden sind, werden uns Entwicklungen der Kunst beschäftigen, die im Laufe des 20. Jahrhunderts zu einer Auflösung jenes Kunstbegriffes geführt haben und damit einhergehend auch die Institution Museum infrage stellten. Zum Abschluss steht der Versuch, Leitmotive hinsichtlich eines produktiven Umganges mit zeitgenössischer Kunst, welche auch wesentlicher Bestandteil der Sammlung des Kunsthauses Zürich ist, zu definieren. Darauf Bezug nehmend folgt die Erläuterung des Ausstellungskonzeptes und der Ausstellungsarchitektur des Entwurfsprojektes.

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Kunst und Betrachter Betrachten wir zuerst die Relation von Kunst und Kunstrezipient. Hierbei ist jene Kunst gemeint, die einem traditionellen Kunstbegriff entspricht und dadurch weiters die Beziehung von Kunst und Betrachter, wie sie sich seit der griechischen Antike entwickelt hat. Erhielten Kunstgegenstände ihren Wert zunächst durch ihre materielle Beschaffenheit und ihre symbolische Bedeutung, so wurde später, im Zuge des Rationalismus und der Entstehung der Ästhetik als Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis, die Kunst zum Gegenstand des Absoluten erhoben. Einen erneuten Wandel erfuhr das Kunstverständnis durch die Verwissenschaftlichung von Kunst, die jene ab sofort durch den Nachweis seiner kunstwissenschaftlichen Bedeutung bestimmen ließ. All diese Kunstauffassungen haben jedoch gemein, dass der Kunstgegenstand in Form eines Objektes vorliegt und die resultierende Beziehung von Kunst und Betrachter somit eine Subjekt-Objekt-Beziehung ist. Das Kunstobjekt ist Gegenstand des Besonderen und befindet sich außerhalb des alltäglichen Lebens seines Gegenübers. »Ist die Kunst distanziertes Objekt, kann sich der Betrachter ihr nur von außen, d.h. ästhetisch nähern. Auseinandersetzung mit Kunstobjekten bedeutet demnach immer ästhetisches Erleben.«69 Ästhetisch soll hier nicht »schön« oder »ansprechend« bedeuten, sondern im philosophischen Sinn einen die rezeptive Seite betreffenden, »sinnlich – verstehenden« Prozess der Wahrnehmung beschreiben.70 Wird später noch von »ästhetischer Wahrnehmung« und »ästhetischem Erleben« die Rede sein, so soll dies in Anknüpfung an die Theorie der ganzheitlichen Wahrnehmung von Rudolf von Arnheim passieren, für den jedes ästhetische Wahrnehmen auch ein Verste-

hen impliziert, das über das rein sinnliche Registrieren hinausgeht.71 Seine Verortung findet dieses ästhetische Erleben in einem Ort des Besonderen, nämlich dem Museum. Das Kunstmuseum ist somit ästhetischer Erlebnisort, an dem Kunstobjekte in Form von ästhetischen Objekten konsumiert werden.

Kunst und Ausstellungsraum »Soll die Architektur eines Museums ganz zurücktreten, um nur der Kunst zu dienen oder darf, ja soll der Museumsbau selbst Baukunstwerk sein?«72 Diese zentrale Frage, in diesem Fall von Stephan Braunfels formuliert, soll auch hier ihre Erwähnung finden. Wie schon zuvor im Kapitel »Museum« erwähnt wurde, kamen Fragestellungen rund um diese Thematik erstmals durch einen wissenschaftlichen Zugang zur Kunst auf und prägen seitdem permanent die Architekturdiskussion. An dieser Stelle sollen nochmals zwei daraus resultierende Antworten bezüglich der Museumsarchitektur aufgezeigt werden. Zum einen ist dies eine sich in Zurückhaltung übende Architektur, die versucht, der Kunst einen neutralen Rahmen zu bieten, zum anderen eine die Kunst herausfordernde, expressive Architektur, die als gleichwertiges Gegenüber einen Dialog der beiden Disziplinen anstrebt. Ihre radikalsten Ausformulierungen fanden diese unterschiedlichen Haltungen einerseits in der sterilen, weißen Zelle und andererseits in expressiven Ausstellungsarchitekturen seit und im Zuge der Postmoderne. Mit der Beziehung zwischen Kunst und Ausstellungsraum wird sich folgender Absatz beschäftigen. Zu

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diesem Zweck werden wir den oben stehenden Überlegungen die These von Brian O’Doherty gegenüberstellen, der in seiner Schrift »Inside the White Cube« 73 der Entwicklung des Ausstellungsraumes in Form der weißen, sich in Zurückhaltung übenden, Ausstellungsbox und deren reziproke Wirkung auf Kunst und Betrachter auf den Grund zu gehen versucht. Während, wie wir zuvor gehört haben, Künstler und Kuratoren immerfort den neutralen, zurückhaltenden Ausstellungsraum forderten, der sich gegenüber der Kunst als unaufdringlich verhält und den perfekten Rahmen der Kunstpräsentation darstellen soll, räumt O’Doherty ein für allemal mit dem Mythos auf, dass solch ein weißer, auf das Wesentlichste reduzierter, Würfel sich auch tatsächlich neutral gegenüber dem ausgestellten Kunstwerk verhält. Interessant an seinen Überlegungen ist die Annahme, dass der White

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Cube aus einem ständigen Dialog von Kunst und Ausstellungsraum heraus entstanden sei, also eine direkte Beziehung zwischen ihnen existiere. O’Dohertys Ausführungen starten bei der französischen Salonmalerei des 19. Jahrhunderts, die sinnbildlich für die damals herrschenden Paradigmen in der Kunst war. Bilder wurden in Ausstellungsgalerien lückenlos aneinander gehängt, die Wände waren komplett mit Bildern bedeckt, um eine möglichst große Anzahl an Werken präsentieren zu können. Dabei stellte jedes Bild eine in sich abgeschlossene Welt dar, bedingt durch Bildaufbau und einen sich um das Bild befindlichen Rahmen. Diese Konventionen wurden erstmals durch die Malerei des Impressionismus gesprengt, eine Stilrichtung, die gleichzeitig als Beginn der modernen Malerei angesehen wird. Die Bilder gerieten vor allem durch ihre Flächigkeit in


Konflikt mit dem Rahmen und in weiterer Folge mit anderen Bildern, die sich um sie herum befanden. Dies hatte zur Folge, dass man begann, einzelne Bilder nicht dicht an dicht anzuordnen, sondern Abstände zwischen ihnen zuzulassen. Der Eroberungsmarsch der Wand als Träger der Kunst, und in weiterer Folge des Ausstellungsraumes, war begonnen und es entstand ein stetig andauernder Dialog der beiden Elemente Kunst und Ausstellungsraum. War der Konflikt zuerst noch auf die Wand an sich beschränkt, eingeleitet durch die Malerei des Impressionismus, bestärkt durch die Entwicklung der Fotografie und ihren Höhepunkt in den Colourfield Paintings und den »Shaped Canvasses« von Frank Stella findend, so ermöglichte laut O’Doherty die Collage das Eindringen des dreidimensionalen Raumes in diesen Konflikt. Reale Elemente wurden in die Kunst aufgelinke Seite links: Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz, Beispiel einer radikalen Ausformulierung des White Cube

Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter Relationen

nommen. Vorerst in Form von Collagen der Kubisten, fand diese Tendenz einen Höhepunkt in Environments und hyperrealistischen Kunstwerken der Pop Art, wie zum Beispiel in jenen des Künstlers Duane Hanson. Waren solche Darstellungen nur noch schwer als Kunstwerk zu identifizieren, so war es der Ausstellungsraum, der sie zu ebendiesen machte. Die Aura des Raumes, die sich bis zu diesem Zeitpunkt entwickelt hatte und durch die Charakteristiken des White Cube definiert wurde, vermochte es, jeglichen Gegenstand zum Kunstwerk zu machen. Ein nächster, logischer Schritt dieser Entwicklung, die den White Cube sozusagen als letzte Konsequenz der Moderne hervorgebracht hatte, war die kritische Auseinandersetzung mit dem Galerieraum selbst, sowie die Flucht der Kunst in die Realität. Die wohl treffendste Arbeit bezüglich der Thematik stellt jene des Konzept-

linke Seite rechts: Guggenheim Bilbao, Beispiel einer expressiven Architektur

oben Kunstprojekt von Robert Barry

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künstlers Robert Barry dar, der eine Galerie während der Dauer seiner Ausstellung versperrt ließ und einen Zettel an die Tür der Galerie anbrachte, der die Aufschrift trug: »during the exhibition the gallery will be closed«.74 Wie uns diese Ausführungen zeigen, kann man von einer sich direkt bedingenden Relation zwischen Kunstwerk und Ausstellungsraum ausgehen. Die Frage für die Zukunft wird sein, wie aktuelle Tendenzen der Kunst den Ausstellungsraum weiter prägen werden, vor allem unter Anbetracht der Tatsache, dass sich Kunst Ausdrucksmitteln eines erweiterten Kunstbegriffes bedient, die auch ein Negieren des Ausstellungsraumes an sich, in seiner Funktion als Ereignisort der Kunst, beinhalten.

Ausstellungsraum und Betracher Die Ausführungen, die nun die Relation von Ausstellungsraum und Betrachter zum Inhalt haben sollen, knüpfen direkt an das soeben Formulierte an. Für lange Zeit existierten Kunst und Ausstellungsraum als ebenbürtige Elemente nebeneinander. Jede der Disziplinen beanspruchte für sich, eigenständige Kunstform zu sein, und in der Kombination von Kunst und Architektur als gleichwertige Komponenten sah man die einzige Möglichkeit zur Erlangung eines Gesamtkunstwerkes. Nur eine repräsentative, kunstvolle Gestaltung des Ausstellungsraumes war in der Lage, einen würdigen Rahmen für die Kunst zu schaffen. Als man später damit begann, die Ausdrucksform der Ausstellungsarchitektur zu reduzieren, um der Kunst ein zurückhaltenderes, neutrales Umfeld zu schaffen, hatte 166

dies einen genau gegenteiligen Effekt zur Folge. Die Gestaltungsmerkmale des White Cubes, weiße Wände, Ornament- und Detaillosigkeit, sowie dessen minimalistische Ausführungen führten nicht zur gewünschten Zurückhaltung, sondern zur Ikonisierung des Ausstellungsraumes selbst. »Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht zuerst die Kunst betrachten, sondern den Raum. [...] Das Bild des weißen, idealen Raumes entsteht, das mehr als jedes einzelne Gemälde als das archetypische Bild der Kunst des 20. Jahrhunderts gelten darf«,75 meint Brian O’Doherty in Bezug auf die Wirkung des White Cubes. »Eine Galerie wird nach Gesetzen errichtet, die so streng sind, wie diejenigen, die für eine mittelalterliche Kirche galten.«76 Der Ausstellungsraum wird dadurch zum alles überschattenden Sakralraum, von der gewünschten Neutralität gegenüber dem Kunstwerk ist nichts mehr übrig. Waren Ausstellungsräume früher Orte der Diskussion, in denen lautstark über die ausgestellten Kunstwerke debattiert und gesprochen wurde, so setzten jene Räumlichkeiten des White Cubes die Aktivitäten des Betrachters herab. Gerade in Kombination mit Kunstwerken, wie wir sie zuvor am Beispiel von Duane Hanson kennen gelernt haben, also Werken, die sich Elementen des realen Lebens bedienen, entfaltet die weiße Zelle eine äußerst befremdliche Wirkung auf den Betrachter. Durch die ästhetisierende Atmosphäre des Raumes fühlt er sich als Eindringling, was wiederum Unsicherheit und ein schweigendes Verhalten nach sich zieht.77 Auch in unseren heutigen Museen sehen wir uns oft solchen Konstellationen von Kunst, Ausstellungsraum und Besucher gegenüber. Der Museumsbesuch löst in den Menschen kontemplative Verhaltensweisen aus, wie sie auch beim


Besuch von Kirchen zu beobachten sind. Dies zeugt wiederum von der sich anpassenden Haltung des Betrachters gegen端ber einer Kunst, die von uns zu Beginn der Ausf端hrungen durch die Erf端llung der Prinzipien der Objekthafigkeit und der Distanz von Kunst und Leben beschrieben worden ist. Im folgenden Kapitel wollen wir uns nun damit besch辰ftigen, vor welchen Problemen die Institution Museum steht, wenn die Kunst aus den genannten Prinzipien ausbricht und zu einer Kunst des erweiterten Kunstbegriffes wird.

Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter Relationen

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05b

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Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter Auflรถsung des traditionellen Kunstbegriffes


neue Kunstströmungen War schon im vorhergehenden Kapitel über Museumsarchitektur von Stilpluralismus die Rede, so hat diese Bezeichnung in Hinblick auf die Kunst mit Sicherheit auch seine Berechtigung. Verschiedene neue Tendenzen brachten nicht nur Erweiterungen bezüglich der Formate, Techniken oder Formen der Kunst mit sich, sondern es wurde generell nach und nach eine allgemein gültige Kunstauffassung infrage gestellt. Die Kunst erfuhr dadurch grundlegende Veränderungen, die gängige Konventionen sprengten, und eine Neudefinition der Kunst zur Folge hatten. In diesem Absatz soll nun auf Kunstrichtungen und Entwicklungen in der Kunst eingegangen werden, die zu Veränderungen der Kunstauffassung beigetragen haben und daher als wesentliche Voraussetzungen eines heute gängigen Kunstbegriffes zu gelten haben. Ein Augenmerk soll wiederum auf die anfangs festgehaltenen Eigenschaften von Kunst im Sinne eines traditionellen Kunstbegriffes, nämlich deren Objekthaftigkeit, sowie der bestehenden Distanz von Kunst und Leben gelegt werden, beziehungsweise darauf, wie diese Konventionen nach und nach durch die Kunst infrage gestellt und in weiterer Folge auch überwunden wurden. Beginnen wir unsere Ausführungen mit der Gegenüberstellung zweier beinahe gleichzeitig entstandener Werke, die beide eine einschlägige Wirkung auf spätere Entwicklungen der bildenden Kunst hatten. Dies ist zum einen das erste Ready-made von Marcel Duchamp, welches 1913 in Form des »Fahrrad-Rades« (Roue de bicyclette) entstand und zum anderen das »Schwarze Quadrat auf weißem Grund« von Kasimir Malewitsch, das

erstmals 1915 ausgestellt wurde. Malewitschs Gemälde markiert den Höhepunkt der abstrakten Malerei, die sich nun rein durch Komposition und Farbgebung definierte. Die Emanzipation vom Gegenstand, die erstmals im Impressionismus eingesetzt hatte und später durch Kandinsky in die Abstraktion führte, findet hier den vorläufigen Endpunkt ihrer Entwicklung. Die Abstraktion ebnete somit den Weg für Kunst, die sich von den traditionellen Abbildungsstrukturen78 des 19. Jahrhunderts loszulösen versuchte. Trotzdem ist »mit der Abstraktion (ist) der Höhepunkt der Autonomie des Kunstwerkes erreicht. Die abstrakte Kunst gehört vollständig einer rein für sich bestehenden Kunstwelt an, die unabhängig von der alltäglichen Welt der Gegenstände sich selbst genügt.«79 Das Kunstwerk ist nach wie vor Kunstobjekt, die Distanz zwischen Kunst und Leben erreicht ihre größtmöglichen Ausmaße. Im Gegensatz zu dem abstrakten Gemälde von Malewitsch steht das Ready-made von Duchamp. Fanden Alltagsgegenstände schon zuvor durch das Objet trouvé oftmals ihre Verwendung in Kunstwerken, jedoch in Form von gestalterischen Mitteln, das heißt als weitere Elemente neben sonstigen Materialien oder Techniken, die durch ihre Bearbeitung und Kombination einen Kunstgegenstand hervorbrachten, so wurde beim Readymade der Alltagsgegenstand selbst, unverändert oder leicht verändert, zum Kunstgegenstand erklärt, was ein damals übliches, bürgerliches Kunstverständnis gehörig durcheinander brachte. Das Kunstwerk als Original wurde infrage gestellt und die Grenze zwischen Kunst- und Alltagssphäre begann zu verschwimmen. Das Readymade erhält seine Bedeutung durch die von ihm geübte Kritik an der bestehenden Kunstauffassung und war dadurch immer wieder Inspirationsquelle weiterer Künst-

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ler unterschiedlichster Kunstrichtungen. Während Duchamp einen bürgerlichen Kunstbetrieb kritisierte, indem er seine Ready-mades in die Galerien brachte, sozusagen ein Stück Leben in die Kunst implementierte, so geschah dies durch andere Künstler und Künstlergruppen in genau gegengesetzter Richtung, indem man versuchte, die Kunst in die Lebenspraxis einzubringen. Erste erwähnenswerte Strömungen, die sich gegen damals gängige Konventionen der Kunstwelt auflehnten, waren zum einen Suprematismus und Futurismus, zum anderen der Dadaismus. Man kämpfte für ein neues Kunstverständnis, im Falle der Futuristen mit der Meinung, alle bisher dagewesenen Künste inklusive ihrer Museen vernichten zu müssen, um mit futuristischer Kunst einen Neubeginn einzuleiten und im Falle der Dadaisten mit der Suche nach einer neuen Kunstform, die den Kunstbegriff der Zeit sprengen und einen direkten Einfluss auf das damalige Verhältnis von Kunst und Leben haben sollte. So schrieb Richard Huelsenbeck über Dada: »Wir kämpften nicht für kürzere Arbeitsstunden und ein größeres Gehalt, sondern für eine neue Wertordnung.«80 Und Hans Arp meinte: »Wir wollten die unbedingte Freiheit. [...] Wir suchten eine elementare Kunst, die den Menschen vom Wahnsinn der Zeit heilen und eine neue Ordnung, die das Gleichgewicht zwischen Himmel und Hölle herstellen sollte.«81 Befreite die Abstraktion die Kunst von der Gegenständlichkeit, so hatte das Kunstschaffen der Futuristen und Dadaisten, und auch in Ansätzen die Ready-mades von Duchamp, zur Folge, dass man sich von einem bürgerlichen Kunstbegriff entfernte. Ein nächster wichtiger Schritt in der Entwicklung der

bildenden Kunst im 20. Jahrhundert wurde durch die Malerei des abstrakten Expressionismus und hier im speziellen durch das Action-Painting eingeleitet. Erstmals wurde der Herstellungsprozess selbst, die Aktion, zum Inhalt der Kunst. Vorbereitet durch die soeben erwähnten Kunstrichtungen und geprägt durch die Ereignisse des zweiten Weltkrieges, stand der Akt des Kunstschaffens als gesellschaftskritische Äußerung im Mittelpunkt der Bestrebungen. Besonders stark kommt dies in den »Drippings« von Jackson Pollock zum Ausdruck, die einen gänzlichen Bruch mit der traditionellen Malerei darstellen. Neben dem Verzicht auf eine gegenständliche Darstellung, wie dies schon bei der abstrakten Malerei der Fall war, wurde nun auch eine durchdachte Komposition negiert. Die Bilder sind dadurch Relikte ihrer Entstehungsprozesse, gekennzeichnet durch Spontaneität und Zufall. Daraus folgt, dass »das Kunstwerk bei Pollock nicht in dem fertig zu stellenden »ästhetischen Objekt« besteht, sondern in der Malaktion, die es entstehen lässt. Das Werk ist nicht der Gegenstand, sondern der Prozess seiner Herstellung.«82 Erstmals vollzieht sich also ein Wandel von einer objekthaften zu einer prozesshaften Kunst, weg von einem rein statischen Kunstobjekt. Als folgende, logische Konsequenz dieser Entwicklung entstand im Laufe der 60er Jahre das Happening. Hatte die zuvor beschriebene Aktionsmalerei nach wie vor Kunstobjekte hervorgebracht, so wurde im Zuge des Happenings ganz auf das Bild verzichtet. Es vollzog sich der Wandel zu einer Kunst des »reinen Ereignisses«.83 Trotzdem war das Happening aus der Malerei heraus entstanden und kann als »Malerei mit Geschehnissen«84 definiert werden. Allen Kaprow, Begründer der Bewegung, sagte in einem Interview 1966 diesbezüglich: »Der

links Collage: zwei Kunstwerke, die die Kunst des 20. Jahrhunderts einschlägig prägten

Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter Auflösung des traditionellen Kunstbegriffes

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größte Teil der Happening-Leute ist von der bildenden Kunst hergekommen. Action painting schließt schon eine zweckbestimmte und ritualisierte Handlung in der alltäglichen Welt ein, und die Assemblage bedeutet ein Zusammensetzen von alltäglichen Ereignissen. So ist meine gegenwärtige Arbeit aus dem Hauptstrom des zeitgenössischen bildnerischen Denkens gewachsen.«85 In jedem Fall erfuhr der Kunstbegriff durch das Happening eine entscheidende Erweiterung, indem es sich endgültig vom Kunstwerk als Objekt verabschiedete und das menschliche Handeln zur Kunst erklärte. Eine weitere Steigerung dieser Entwicklung brachte das Kunstschaffen der Wiener Aktionisten mit sich. Durch ihre Aktionen, die wie das Happening einer prozesshaften Kunst zugeordnet werden müssen, versuchten diese, die Wahrnehmung der Menschen, abgeflacht durch das Wirken einer bürgerlichen Kultur, zu intensivieren, und den Betrachter zu »intensiver Daseinsregistration«, wie Hermann Nitsch es ausdrückte 86, zu stimulieren. Dabei bedienten sich die Künstler der Kräfte des eigenen Individuums und dessen unbewusster Triebe und Bedürfnisse, was oft direkt zu Abnormität und Perversion führte, um den Menschen mit all seinen Sinnen in das Werk einzubeziehen. Allgemeiner Antrieb der Aktionskünstler war der »Drang nach der Freiheit des schaffenden Individuums, nach der Befreiung seiner kreativen Urkräfte aus den Fesseln der vernunftorientierten gesellschaftlichen Konventionen.«87 Künstlerischer Akt und individueller Lebensvollzug des Künstlers werden eins, was auch eine entscheidende Veränderung im Verhältnis jener Kunst zum Betrachter nach sich zog. »Die Aktionskunst verbindet sich in direkter und intensiver Form mit dem Leben der Teilhabenden. Sie kreiert ein dionysisches Szenario,

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in dem Kunstwerk und Betrachter als Purgatorium für Körper und Seele eins werden.«88 Anhand der soeben getätigten Überlegungen sollte geschildert werden, wie die Kunst sich Stück für Stück von einem traditionellen Kunstbegriff entfernte. Beginnend mit der Loslösung von der Gegenständlichkeit, über das Ablegen des Statischen und der Objekthaftigkeit der Kunst bis hin zum endgültigen Überwinden bürgerlicher Konventionen und somit der Eliminierung der Distanz zwischen Kunst und Leben sah sich der traditionelle Kunstbegriff am Ende mit seiner Auflösung konfrontiert.

Auflösung des traditionellen Kunstbegriffes Ihre künstlerische und gedankliche Ausformulierung fand die endgültige Auflösung des traditionellen Kunstbegriffes im Œvre Joseph Beuys’, der jenem Kunstbegriff die Idee und Lehre des »erweiterten Kunstbegriffes« entgegensetzte. Dieser ist gekennzeichnet durch eine komplette Neuauffassung der Kunst, die Beuys über den Begriff der »Sozialen Plastik« zu beschreiben versuchte. Darin verstand er gesellschaftliches Leben, Gestalten und Formen an sich, aufgefasst als kreatives Handeln des Menschen und bezeichnet mit dem Begriff des Plastischen. » Mit der Sozialen Plastik geht Beuys über das Ready-made von Marcel Duchamp hinaus. Denn ihn interessiert nicht länger der museale, sondern der anthropologische Zusammenhang.«89 Durch seine Überlegungen gelangte Beuys zum Schluss, dass Kunst mit gesellschaftlicher Gestaltung gleichzusetzen sei 90


und somit »Jeder Mensch ein Künstler ist«. Bezeichnend hierfür ist auch Beuys Ausspruch: »Wenn auch das Kunstwerk das größte Rätsel sei – der Mensch sei die Lösung.«91 Joseph Beuys’ Kunst und Lehre führten zu einer neuerlichen Erweiterung des Kunstbegriffes, die erstmals die Begrifflichkeit der Kunst selbst infrage zu stellen drohte. Kunst wurde zur unfassbaren Tätigkeit, die auch genauso durch andere Begriffe, wie zum Beispiel jenen der Politik beschrieben werden könnte. Dieser Umstand kommt auch in der Tätigkeit des Künstlers Beuys selbst zum Ausdruck. Neben dem eigentlichen Kunstschaffen war er auch als Lehrender an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf tätig, wo er stark polarisierte und eine bis dato gängige Lehrpraxis auf den Kopf stellte, und engagierte sich politisch, zum einen als Kandidat der »Grünen«, aber auch durch die Gründung der »Deutschen Studentenpartei«.

Joseph Beuys beim »Ausfegen des Grafenberger Waldes« in Düsseldorf, 1971

Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter Auflösung des traditionellen Kunstbegriffes

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Konflikt zwischen Kunst und Museum Die Frage, die uns nun zu beschäftigen hat, lautet: »Was bedeutet die Auflösung des traditionellen Kunstbegriffes für die Institution Museum? « Da wir zuvor schon gehört haben, dass eine direkte Beziehung zwischen Kunst und Ausstellungsraum und somit zwischen Kunst- und Museumsbegriff besteht, sind die Folgen auch für das Museum gravierend. Um den eigentlichen Konflikt zwischen Kunst und Ausstellungsraum begreiflich zu machen, wollen wir noch einmal einen Überblick jener Kunstrichtungen, die den Kunstbegriff im Laufe des 20. Jahrhunderts erweitert haben, geben, und deren Veränderungen begutachten, nun jedoch in Bezug auf den Betrachter und die Institution Museum. Schon bei den Kunstwerken der Avantgardisten stößt man auf erste Probleme bezüglich deren Musealisierung. Liegen die Arbeiten zwar noch als Kunstwerke im Sinne von ästhetisch rezipierbaren Objekten vor, so werden bei einer rein ästhetischen Präsentation im Museum wesentliche Aspekte des Werkes vernachlässigt. Vor allem die Tatsache, dass die Künstler selbst es oft ablehnten, in Museen gezeigt zu werden, wie dies im Dadaismus der Fall war oder noch vehementer im Futurismus, wo man überhaupt die Zerstörung der Museen forderte, verlangt gerade nach der Vermittlung eines werkbezogenen Kontextes, der die Intentionen der jeweiligen Kunst und des jeweiligen Künstlers darlegt. Noch dringender tritt dieser Bedarf bei den Werken des Action Paintings zutage. Erstmals wurde das Museum mit einer Kunst konfrontiert, deren wesentlicher Inhalt der eigentliche Schaffungsprozess des Kunstwerkes 174

ist. Das große Dilemma dieser Kunst, als Variante des abstrakten Expressionismus, war die Tatsache, dass ihre Werke nach wie vor Kunstobjekte im klassischen Sinn hervorbrachten und deren Musealisierung in einem rein ästhetischen Kontext zu Missinterpretationen führte. Das Kunstwerk kann im Falle des Action Paintings nicht mehr als ästhetisches Objekt angesehen werden und gerät dadurch in Konflikt mit dem objektorientierten Kunstbegriff des Museums. Weiter vorangetrieben wurde ebendieser Konflikt durch das Aufkommen des Happenings, das nun überhaupt keinen Kunstgegenstand mehr produzierte. Etwaige Dinge, die aus den Ereignissen hervorgingen, stellten nur deren Überreste oder Relikte dar, die keineswegs sinnbildliche Manifestation der künstlerischen Tätigkeit selbst sein können. Die Präsentation im Rahmen eines traditionellen Museumsbegriffes führt unweigerlich zu einer Ästhetisierung dieser Objekte und zu einer Entfremdung bezüglich deren ursprünglicher Inhalte und Intentionen. Auch die Photographie solcher Ereignisse gerät hier als dokumentierendes Medium an seine Grenzen, da sie selbst künstlerischen, ästhetischen Konventionen unterliegt und sich wie ein Filter über das tatsächliche Ereignis legt. Durch den erweiterten Kunstbegriff Joseph Beuys’ erreicht der Konflikt zwischen Kunst und Museum seinen vorläufigen Höhepunkt. Denkt man Beuys Kunstauffassung konsequent zu Ende, kommt man zu dem Schluss, dass die Institution Museum obsolet geworden ist und einer Kunst des erweiterten Kunstbegriffes nicht gerecht werden kann. Handlungen im Sinne des erweiterten Kunstbegriffes können mit gesellschaftswirksamen Tätigkeiten gleichgesetzt werden und unterliegen in keiner Weise Prinzipien traditioneller Kunstwerke. Das


Museum des erweiterten Kunstbegriffes als Ort der »permanenten Konferenz«, wie Beuys es bezeichnete, unterscheidet sich nicht mehr von anderen gesellschaftlichen Einrichtungen und kann unterschiedlichste Charaktere einnehmen, wie zum Beispiel jenen der Universität. Dies wurde auch durch Beuys bekräftigt: »Und das ist ja, was ich will. Ich will ja die Museen zu Universitäten machen (...) «92 Ein traditioneller Museumsbegriff wird dadurch unbrauchbar, die Institution Museum sieht sich ihrer eigenen Auflösung gegenüber.

Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter Auflösung des traditionellen Kunstbegriffes

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Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter Kunst heute


Allgemeines, Kunstlandschaft Betrachtet man den zuvor geschilderten Konflikt zwischen Kunst und Ausstellungsraum, neigt man nur allzu leicht dazu, die Sinnhaftigkeit der Institution Museum an sich infrage zu stellen. An dieser Stelle ist jedoch darauf hinzuweisen, dass in jener Kunst, die sich eines erweiterten Kunstbegriffes bedient, nur eine zusätzliche Form der Kunstproduktion in einer ohnehin schon vielfältig gewordenen Kunstlandschaft gesehen werden muss. Während es in den siebziger Jahren unter Künstlern nahezu unmöglich geworden war, gegenständlich zu arbeiten, und sich das Kunstschaffen in Aktionen, Performances oder Happenings aufzulösen schien, ist heute wieder eine starke Rückläufigkeit dieser Tendenz zu beobachten und traditionelle Werte der Kunst stehen wieder hoch im Kurs. Ein sich Jahr für Jahr an Umsatzzahlen selbst übertreffender Kunstmarkt floriert und gilt selbst in Krisenzeiten als sichere Form des Geschäftes. Spätestens seit einer zweitägigen Auktion des Londoner Auktionshauses Sothebys, in der, mit einer Rekordsumme von 140 Millionen Euro, eine eigens für diese Auktion geschaffene Werkgruppe des Künstlers Damien Hirst versteigert wurde, ist der Kunstmarkt in gewisser Weise selbst zum Inhalt der Kunstproduktion geworden. Hirsts revolutionäre Strategie, Kunstwerke eigens für eine Auktion zu schaffen und dadurch ein, sich im Hintergrund des Kunstmarktes befindliches System an Galeristen zu übergehen und die Grenzen des Marktes auszuloten, kommentierte der Künstler wiefolgt: »I think the market is bigger than anyone knows, I love art and this proves I‘m not alone and the future looks great for everyone.«93

Doch nicht nur der Kunstmarkt selbst, auch andere Marktsegmente sind von einer Unterwanderung durch Kunst gekennzeichnet. Als Beispiel soll an dieser Stelle die Modebranche erwähnt werden. Künstler mit starkem »Brand«-Faktor, die leicht zu vermarktende Kunst mit hohem Wiedererkennungswert produzieren, erscheinen perfekt geeignet zu sein, um eine Symbiose von Kunst und Mode zu erreichen. »Kunst ist (in) Mode. Und Mode ist Kunst.«94 heißt es in einem Artikel der Neuen Zürcher Zeitung über den österreichischen Künstler Erwin Wurm, der seine Schöpfung der »One-Minute-Skulptures« nach einem Auftritt in einem Musikvideo nun auch der Modebranche in Form einer Werbekampagne zugänglich macht. Noch einschlägiger bekannt sind wohl die für den Taschenhersteller Louis Vuitton geschaffenen Musterentwürfe des japanischen Künstlers Takashi Murakami, der durch seine Kunst grundsätzlich die Grenzen zwischen Kunst, Design und Popkultur infrage stellt. So sind Murakamis Kunstwerke nicht in den Galerien von Kunstmuseen zu bewundern, sondern auf den Laufstegen und roten Teppichen einer auf High Society und Glamour

Kunstwerk Damien Hirst für eine Werkgruppe, die zum Zweck ihrer Versteigerung bei Sothebys geschaffen wurde

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ausgerichteten Gesellschaft, wo sie als Accessoires einer kleinen Elite zu anbetungswürdigen Gegenständen einer rituellen Welt des Starkults werden. Während man angesichts solcher Tendenzen darüber streiten kann, ob Kunst nicht doch Teil des Lebens, zumindest im Kontext kapitalistischer Gesellschaftsstrukturen, ist, wollen wir dessen ungeachtet den Versuch starten, einen Lösungsweg im Bezug auf den Umgang mit zeitgenössischer Kunst, die sich außerhalb eines traditionellen Kunstbegriffes bewegt, jedoch genauso durch kapitalistische Zwänge und einen daraus folgenden falschen Zugang zur Kunst geplagt ist, zu finden. Denn nicht nur durch Galerien wird ein ästhetisierender, den Kunstwerken ihre Authentizität bezüglich deren eigentlicher Inhalte raubender, Prozess unterstützt, sondern auch durch die Institution Museum, die oft genauso einen falschen Umgang mit zeitgenössischer Kunst praktiziert.

Neudefinition des Museumsbegriffes »Steht ein Museum, das sich mit Kunst außerhalb eines traditionellen Kunstbegriffes konfrontiert sieht, einem unüberwindbaren Konflikt gegenüber, oder kann eine Neudefinition des Museumsbegriffes im Sinne einer veränderten Kunstauffassung diesen Konflikt beilegen? « Um dieser Fragestellung einen möglichen Lösungsansatz gegenüberzustellen, sei uns erneut ein kurzer Exkurs in die philosophische Ästhetikdiskussion erlaubt, in der sich das besagte Verhältnis von Kunst, Kunstrezeption und seinem Präsentationsmedium Museum widerspiegelt. »Das Kunstmuseum als ästhetischer Erlebnisort kann

links Takeshi Murakami für Louis Vuitton

nur solange existieren, als es die Kunst in Form von ästhetischen Objekten zur Verfügung hat. Es gerät folglich in Bedrängnis, wenn die Kunst nicht mehr der Klassifizierung des Objektes genügt, d.h. wenn sich der Kunstbegriff erweitert. Das Museum als Erlebnisort wird dann unmöglich.«95 Als Reaktion auf diesen Umstand können zwei mögliche Wege skizziert werden. Der erste besteht darin, dass sich die Institution Museum im Sinne eines Archivs versteht, sich auf Sammeln und Vermitteln in dokumentarischer Form konzentriert und somit weiterhin im Umfeld einer ästhetischen Wahrnehmung und in Form einer Subjekt-Objekt Beziehung agiert. Die hierbei entstehenden Probleme liegen auf der Hand. Artefakte und Relikte prozesshafter Kunst laufen Gefahr, als ästhetische Objekte präsentiert zu werden, die zwar Originale in Form von Reliquien, also Zeitzeugen, die leibhaftig dabei gewesen sind, darstellen, jedoch ihre

rechst Erwin Wurm für Hermés

Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter Kunst heute

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Aufgabe in Bezug auf die ursprüngliche Intention der Kunst verlieren. Museen werden buchstäblich zu »Friedhöfen der Dinge «, als die sie im Laufe der Geschichte immer wieder bezeichnet wurden. Wird diese Tatsache nicht durch ausreichende Vermittlungsarbeit aufgezeigt, kommt es unweigerlich zu Missverständnissen und einer nicht adäquaten Kunstrezeption im Sinne der Kunst selbst. Der Wandel vom Kunstwerk zum dokumentarischen Gegenstand, der den Verlust der »Prozess- und Ereignishaftigkeit«96 von Kunst nach sich zieht, muss also durch zusätzliche Information verdeutlicht und bewusst gemacht werden. Das Museum wird zum reinen Archiv, seine Aufgabe besteht im »Bewahren « der Dinge. Der zweite Weg kann im Versuch, sich von einer zuvor beschriebenen, ästhetischen Beziehung zwischen Kunstwerk und Betrachter zu lösen, bestehen. So wie es die Kunst selbst vorgemacht hat, indem sie einen Wandel zu einem prozesshaften Akt vollzog, soll nun auch die Institution Museum bestrebt sein, eine Relation von Kunst, Besucher und Ausstellungsraum, die im Vergleich mit einen traditionellen Museumsbegriff als erweitert gelten muss, zu schaffen. Tobias Wall spricht hier in Anlehnung an den Kunstbegriff Martin Heideggers von »Kunst als Ereignis«97 und in weiterer Folge in Hinblick auf die Neudefinition des Museumsbegriffes vom »Ereignisbegriff « als »Alternative zum ästhetischen Erlebnisbegriff«.98 Es geht hierbei um die Überwindung der Subjekt –Objektbeziehung zwischen Kunst und Betrachter und über eine Kunstrezeption, die über eine sinnlich- verstehende hinausgeht. Denkt man diese Idee des erweiterten Museumsbegriffes zu Ende, gelangt man schnell an den Punkt, dass jener nicht in das 180

Korsett einer räumlich und zeitlich begrenzten Architektur im Sinne eines Museums als Ausstellungsraum, wie wir ihn heute kennen, gezwängt werden kann. Ein veränderter Museumsbegriff bedingt eine veränderte Position der Kunst in der Gesellschaft und dadurch in letzter Konsequenz auch einen veränderten Ort für die Kunst. Die Frage nach der Beschaffenheit eines solchen Ortes wird sich wohl erst durch den anstehenden Wandel des Kunstbegriffes selbst beantworten. Ob dieser in der Tradition des erweiterten Kunstbegriffes stehen wird, wie er seit den 50er Jahren entstanden ist, und eine Verschmelzung von Kunst- und Alltagswelt ganz im Sinne des von Wolf Vostell schon 1961 getätigten Ausspruchs: »Kunst ist Leben. Leben ist Kunst. « zur Folge haben wird, ob er durch eine Kunst, die selbst Werkzeug der Veränderung sein will und somit etwa in der Tradition des Wiener Aktionismus und der Beziehung von »Kunst und Revolution«, wie es einst auf einem Veranstaltungsplakat der Gruppe zu lesen war, passieren wird, oder ob überhaupt neue Tendenzen wie die »Ortlosigkeit« der Kunst, bedingt durch neue Medien und virtuellen Raum, eine entscheidende Rolle im Wandel des Kunstbegriffes spielen werden, sei dahingestellt. Ist es also schwierig, Art und Weise zukünftiger Veränderungen der Kunst und deren Stellung in der Gesellschaft vorherzusehen, so verhält es sich ähnlich mit der Bestimmung des dafür anstehenden Zeitpunktes. Glaubt man Johannes Cladders, Kurator und ehemaliger Museumsleiter in Mönchengladbach, so bleibt dafür noch genügend Zeit. Er schreibt: »Kunst hatte jeweils ihren Ort, für den sie gemacht wurde und auf den sie intentional zielte. In der Steinzeit – obwohl der Begriff Kunst wohl noch nicht existierte – war es die Ritualhöhle à la Lascaux, in


der Antike der Tempel, im Mittelalter die Kathedrale, seit der Renaissance die fürstliche Residenz, im 19. Jahrhundert zunächst der bürgerliche Salon, und ab da bis heute ist es das Museum. Die Frage der Zukunft des Museums ist die Frage nach dem zukünftigen Ort der Kunst. Museen hat es nicht von Ewigkeit her gegeben, also wird es sie eines Tages auch nicht mehr geben. Der Gedanke mag uns zunächst schrecken. Doch wir können auch beruhigt feststellen, dass es noch längst nicht so weit ist.«99 So soll es auch nicht Thema dieser Diplomarbeit sein, weiter über mögliche Entwicklungsszenarien der Kunst und eine damit einhergehende Neudefinition des Museumsbegriffes nachzudenken. Vielmehr soll überlegt werden, wie die Institution Museum heute auf bereits existente Werke, die den Rahmen eines traditionellen Kunstbegriffes sprengen, reagieren kann, und wie der im vorhergehenden Kapitel beschriebene Konflikt zwischen Kunst und Ausstellungsraum gelöst werden kann.

Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter Kunst heute

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konkreter Ansatz zum produktiven Umgang mit zeitgenössischer Kunst Ist hier von einem Umgang mit zeitgenössischer Kunst die Rede, so ist wiederum Kunst gemeint, die sich außerhalb eines traditionellen Kunstbegriffes, wie wir ihn eingangs durch die Nennung zweier Prinzipien, nämlich jenem der Objektivierung der Kunst und jenem der Distanz von Kunst und Leben, beschrieben haben, befindet. Um die uns vorliegende Problematik des falschen Umgangs mit jener Kunst aufzuzeigen, wollen wir zuerst die gegenwärtige Situation im Kunsthaus Zürich betrachten, wo zeitgenössische Kunst im Moment vor allem im letzten Erweiterungsbau von Erwin Müller ausgestellt ist. In der hallenartigen, mehrgeschoßigen Ausstellungsarchitektur mit eingezogenen Galerien, die als offenes Raumkontinuum angesehen werden kann, treffen unterschiedlichste Werke und Ideologien, die in der Sammlung vertreten sind, aufeinander. Mondrian steht Beuys gegenüber, Cy Twombly - Warhol und Newman. Ein von der Institution Kunsthaus gewünschter »Dialog zwischen verschiedenen Phasen und Gattungen«100 tritt nicht ein, man hat eher das Gefühl der wahllosen Sammlung eines Kuriositätenkabinetts ausgesetzt zu sein. Sammlungsschwerpunkte sind nur schwer herauszulesen, Inhalte der Kunstwerke werden ausschließlich durch deren ästhetische Wirkung versucht zu transportieren. Damit so eine Situation im zukünftigen Erweiterungsbau für das Kunsthaus nicht eintreten wird, wäre es wünschenswert, mehrere nun folgende Überlegungen in das Ausstellungskonzept sowie in die neu zu errichtende Ausstellungsarchitektur einfließen zu lassen. Seit ersten Tendenzen gegen Ende des 19. Jahrhunderts beeinflusst

die Museumspädagogik immer mehr die Tätigkeit des Museums. Unterschiedlichste Formen an Konzepten zu einer produktiven Museumstätigkeit im Sinne eines »aktiven Museums« wurden seitdem verwirklicht. Vor allem in den 70er Jahren wurde die Museumspädagogik oft zum zentralen Thema der Institution Museum, was neben einer programmatischen Erweiterung des Museumsbaus sicher auch einer der Hauptgründe des Erfolgsfeldzuges war, den das Museum in weiterer Folge antrat. Doch wird man heute mit dem Begriff der Museumspädagogik konfrontiert, denkt man in erster Linie an lähmende Gruppenführungen und an malerische Aktivitäten von Schulkindern. Nichts ist mehr übrig von der aufbruchsartigen Stimmung, die eine Neuorientierung der Kunstauffassung zum Ziel hatte. Dabei scheint es alleine durch die fortwährende Diskussion dieses Themas bestätigt zu sein, dass in der Museumspädagogik nach wie vor ein bei weitem noch nicht ausgeschöpftes Potenzial liegen muss. Um dieses Potenzial zu aktivieren, bedarf es jedoch einer dafür geeigneten, räumlichen Umgebung. So ist es heute oft der Fall, das schlicht und einfach zu wenig Platz für Aktivitäten der Kunstvermittlung zur Verfügung steht oder sie im Ausstellungskonzept keine räumliche Verortung erfahren. In solchen, die Ausstellung begleitenden, Zusatzräumen, die im Entwurf zu dieser Diplomarbeit als »Kuratorenräume« bezeichnet ihre Ausformulierung fanden, sollen unterschiedlichste Aktivitäten möglich sein. Vor allem aber soll durch sie ein adäquater Umgang mit Kunst eines erweiterten Kunstbegriffes ermöglicht werden, indem durch die geleistete Vermittlungsarbeit einer Ästhetisierung der Kunst entgegengewirkt wird. Wesentlich dabei ist, dass diese Räumlichkeiten als Teil der unterschiedlichen Ausstellungen jeweils neu konzipiert und gestaltet werden

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und den Kuratoren, aber auch den Künstlern selbst, zur Verfügung stehen. So werden Ausstellungen durch die »Kuratorenräume« in gewisser Weise komplettiert, sie liefern Information in Form von geschichtlichen Fakten, durch das Ausstellen von Repliken, durch die Verwendung neuer Medien und so weiter, können jedoch auch mit Kunstwerken und Installationen selbst bestückt werden und zu Veranstaltungszwecken genutzt werden. Ein nächster, wichtiger Punkt im Umgang mit zeitgenössischer Kunst soll hier als ortsbezogenes und sammlungsbezogenes Arbeiten der Institution Museum umschrieben werden. Während es in unserer heutigen Zeit immer mehr zum Hauptanliegen der Museumsinstitutionen wird, eine hohe Besucherauslastung zu erreichen, um als Unternehmen möglichst wirtschaftlich zu agieren, soll in Zukunft das Augenmerk wieder auf eigene Ressourcen gerichtet werden. Besonderheiten der Sammlung sollen herausgearbeitet werden und das Museumsgebäude als Ort soll die Tätigkeit des Museums zusätzlich prägen. Ziel der Anstrengungen soll nicht die starre Subjekt-Objekt Beziehung von Kunst und Betrachter sein, sondern das Streben nach einem gegenseitigen, konstruktiven Austausch von Kunst, Ausstellungsraum und Betrachter. Haben wir dieses Kapitel mit einem Blick auf die Ausstellung zeitgenössischer Kunst im heutigen Kunsthaus Zürich begonnen, wollen wir nun zum Abschluss noch zwei Beispiele betrachten, wo die soeben formulierten Gedanken zum Teil ihre Verwirklichung fanden. Eines dieser Beispiele soll der Hamburger Bahnhof sein, ein Berliner Ausstellungshaus, das das Museum für Gegenwart, welches zur Nationalgalerie Berlin gehört, beherbergt. Untergebracht ist das Museum in einem ehemali-

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gen Bahnhofsgebäude und unser Hauptinteresse gilt der umfangreichen Sammlung an Werken von Joseph Beuys, die aus mehreren Sammlungen zusammengetragen wurde, und zu einem inhaltlichen Schwerpunkt des Hauses gehört. Während in vielen anderen Museen Ausstellungsstücke dieses schwer zu präsentierenden Künstlers, der, wie wir zuvor schon gehört haben, mit seinem Œvre die Kunst aus den Zwängen eines traditionellen Kunstbegriffes befreit hat, in Form von kaum verständlichen Relikten oft in Vitrinen gepfercht ihr Dasein fristen, wird im Hamburger Bahnhof Beuys’ Werk plötzlich allgegenwärtig. Einen nicht geringen Anteil daran hat, neben der beeindruckenden physischen Größe so mancher Installation und der Menge an ausgestellten Werken, die ständige Präsenz von Dokumenten des Joseph Beuys Medien-Archivs. Meist in Form von Video- und Tonaufnahmen ergänzen sie die ausgestellten Kunstwerke und ermöglichen es, dass diese gegenüber dem Betrachter ihre Wirkung entfalten können, und zwar im Sinne ihrer ursprünglichen Bestimmung und nicht als ästhetisches Objekt. Ein weiteres Beispiel soll das adaptierte Ausstellungsgebäude der Tate Modern in London darstellen, das sich in einem ehemaligen Kraftwerk befindet. Hier richtet sich unsere Aufmerksamkeit auf die zentral im Gebäudeinneren liegende Turbinenhalle. Neben den eigentlichen Ausstellungsgalerien des Museums werden dort immer wieder Kunstinstallationen verwirklicht, die in direktem Bezug zur Architektur des Gebäudes stehen. Dies ermöglicht eine einzigartige Symbiose von Kunst und Architektur, die durch ihre Lage und Form des Zentralraumes, der über alle Geschoße des Gebäudes geht, im gesamten Museum stets durch Blickbeziehungen präsent ist. Dies vermittelt das Gefühl der ständigen Anwesen-


heit der Kunst, die durch Ausstrahlung und Wirkung des Gebäudes den Charakter besitzt, eine prozesshafte und vergängliche zu sein, was wiederum zur Folge hat, dass der Faktor Zeit in die Kunstpräsentation einfließen, aber auch konserviert werden kann. Ob Zufall oder nicht, beide dieser Gebäude für zeitgenössische Kunst befinden sich in einem umgenutzten Gebäude. Man kann durchaus vermuten, dass bestehende Bausubstanzen im Umgang mit zeitgenössischer Kunst eine wichtige Rolle spielen. Die durch das Gebäude mitgebrachte Geschichte und deren Materialisierung in

links Kunstwerke Joseph Beuys‘ im Hamburger Bahnhof in Berlin

Form ihrer Bausubstanz sind in der Lage, den Prozess der ungewollten Ästhetisierung von Kunst eines erweiterten Kunstbegriffes einzudämmen. Doch lediglich ein umgenutztes Gebäude bewerkstelligt sicher nicht alleine einen adäquaten Umgang mit zeitgenössischer Kunst. Die Kombination mehrerer Maßnahmen und der konkrete Bezug des Ausstellungskonzeptes zur auszustellenden Kunst, beziehungsweise der Kunst zum Ausstellungsraum, könnten der Schlüssel zum Erfolg sein.

rechts ehemalige Turbinenhalle in der Tate Modern in London

Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter zeitgenössische Kunst, Kunsthaus+

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Ausstellungskonzept Sammlungs- und Ausstellungsaktivität des Kunsthauses Zürich sind geprägt durch eine bewusst gelebte Kombination aus konservierender Sammlungstätigkeit und gleichzeitiger Aufmerksamkeit auf avancierte Kunst der Gegenwart. Die Institution beschreibt den Kern ihrer künstlerischen Arbeit als »doppelte Spannung und Wechselwirkung von Sammlung und Ausstellung: historische Tiefendimension und Gegenwartsbezug, Geschlossenheit und Offenheit.«101 Schon die Bezeichnung des Ausstellungshauses beziehungsweise der Institution als »Kunsthaus« spiegelt dies wider. Man ist weder reines Museum, noch Kunsthalle ohne Sammlung. Vielmehr versucht man Eigenschaften beider Organisationsmodelle zu verbinden, was auch durch die Architektur des zukünftigen Erweiterungsbaus zum Ausdruck kommen soll. Die Entscheidung, einen Neubau für Sammlungsteile, die bezüglich ihrer Inhalte als komplett unterschiedlich zu gelten haben, zu errichten, unterstreicht die Absicht der Institution Kunsthaus nur zusätzlich. Im Entwurf zu dieser Arbeit wurde gerade die soeben beschriebene Unterschiedlichkeit der zu organisierenden Sammlungsteile als großes Potenzial angesehen und versucht, dies auch am neuen Ausstellungsgebäude ablesbar zu machen. Während sämtliche Sammlungsteile zeitgenössischer Kunst und die Wechselausstellung im Erd- beziehungsweise im Untergeschoß angeordnet sind, befinden sich die Sammlungsteile mit klassischer Malerei und Skulpturen in den Obergeschoßen des Museumsbaus. Doch nicht nur die räumliche Verortung unterscheidet die einzelnen Sammlungsteile voneinander, sondern auch deren Ausstellungskonzepte selbst, auf die nun im Detail eingegangen werden soll.

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Ganz im Sinne der Aussage des Architekten Jean Nouvel: »Die erste Aufgabe eines Museums ist es zu zeigen, was es zu zeigen gibt.«102 , wurden die unterschiedlichen Konzepte aus den Inhalten und Charakteren der jeweils auszustellenden Kunstwerke der einzelnen Sammlungen heraus entwickelt. Sammlungsgalerien Kunsthaus, Kunst ab 1960, Wechselausstellungen Wie bereits im Kapitel »02 Kunsthaus Zürich« erwähnt wurde, ist jener Sammlungsteil des Kunsthauses mit Kunst ab 1960 gekennzeichnet durch unterschiedlichste Inhalte, Formate und Medien, die eine allgemeine, sich seit dieser Zeit abzeichnende, Vielfalt der Kunst widerspiegeln. Neben Schwerpunkten in zeitgenössischer Schweizer Kunst mit Vertretern wie Jean Tinguely, Markus Raetz, Dieter Roth oder dem Künstlerduo Fischli-Weiss und Schwerpunkten in zeitgenössischer Internationaler Kunst, die durch namhafte Künstler wie Cy Twombly, Joseph Beuys, Marc Rothko, Bruce Nauman oder Richard Long ihre Vertretung finden, sind auch zahlreiche Arbeiten in Form von Neuen Medien vorhanden, wie Video- Photo- und Diaarbeiten der Künstler Jeff Wall, Beat Streuli, Pipilotti Rist oder Jenny Holzer, um nur einige wenige zu nennen. 103 Laut Kunsthaus Zürich haben solche Konstellationen von Sammlungen zur Folge, »dass sich heutige Kunstinstitutionen immer deutlicher von der Vorstellung einer sich linear entwickelnden Kunstgeschichte verabschieden, die in einem Museum gewissermaßen ihre Abbildung finden müsste. Kunst, Publikum und Kunsthaus interessiert heute vielmehr das Nachspüren und Aufzeigen von Kohärenzen und Affinitäten innerhalb verschiedener Epochen und Bewegungen.«104 In diesem Sinne ist also eine stark


Skizze zur Trennung der unterschiedlichen Sammlungsteile

Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter zeitgenรถssische Kunst, Kunsthaus+

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vernetzte Form der Ausstellungstätigkeit in Gestalt einer nicht linearen Ausstellungsform anzustreben. In der Wettbewerbsausschreibung wird ein Ausstellungskonzept vorgeschlagen, das auf drei unterschiedlich großen Raumtypen basiert und vielfältige Raumfolgen ermöglicht, welche aus der Kombination der verschiedenen Typen zu Accrochagen von fünf bis sechs Einheiten gebildet werden können. Dadurch soll der Kurator nach Leitvorstellungen unterschiedlichster Art agieren können und eine dynamisierte Bespielung der Sammlung möglich werden. 105 Die Gesamtgröße der Galerien wird durch eine Nutzfläche von 3250m² vorgegeben. Zusätzlich zu diesen Flächen werden Wechselausstellungsflächen in der Größenordnung von 900m² veranschlagt. Hier steht, neben einer formalen Anlehnung an die Galerieräume der Sammlung, eine flexibel mögliche Bespielung der Räumlichkeiten im Vordergrund. Dies soll durch einen großen und zwei weitere, kleine Ausstellungssäle erreicht werden. Durch die Reduktion der Ausstellungsflächen, die für den Sammlungsteil Kunst ab 1960 im Verlauf des Entwurfsprozesses veranschlagt wurde und etwa eine Halbierung der Galerieflächen bedeutet, war es notwendig,

oben Beispiel zeitgenössischer Kunst der Schweiz Videoarbeit von Pipilotti Rist

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ein alternatives Ausstellungskonzept zu generieren. Die massive Verkleinerung lässt die vorgesehene Kombination unterschiedlicher Raumtypen zu inhaltlich aneinander gebundenen Raumeinheiten nicht zu, da eine dafür benötigte kritische Gesamtgröße nicht erreicht werden kann. Anstelle dieser Raumabfolgen sollen möglichst flexible Ausstellungshallen errichtet werden, die über die Kombination mit den zusätzlichen Elementen des »Kuratorenraumes« und der »zentralen Halle« eine ebenso fruchtbare, im Sinne einer vernetzten, dynamischen Bespielung sinnvolle, Ausstellungstätigkeit ermöglichen. Der »Kuratorenraum« tritt als mittig liegender, kubischer Raum im Untergeschoß in Erscheinung, ist über einen Luftraum mit der zentralen Halle optisch verbunden, wodurch seine Präsenz auch im Erdgeschoßbereich gewahrt ist, und wird dadurch zum pulsierenden Herz des gesamten Erweiterungsbaus. Durch seine mächtigen Dimensionen, die sich in 725m² Nutzfläche und einer Raumhöhe von 10 Metern manifestieren, und seine zentrale Lage, ist er ein wichtiges Element des Ausstellungskonzeptes. Als Raum, der sich zwischen zentrale Halle und Ausstellungshallen schiebt, soll er unterschiedlichste Funktionen in sich aufnehmen können, jedoch in erster Linie dem

rechts oben Sammlungsschwerpunkt: Cy Twombly

rechts unten Beispiel neuer Medien anhand einer Diaarbeit von Beat Streuli


Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter zeitgenรถssische Kunst, Kunsthaus+

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Kurator zur Bespielung verfügbar sein, und somit Teil der Kunstpräsentation werden. Von der eigens für diesen Raum geschaffenen Kunstinstallation, über Bereiche der Kunstvermittlung, aber auch das Ausstellen von Kunstwerken selbst, bis hin zu Veranstaltungen soll hier alles verwirklicht werden können. Der »Kuratorenraum« soll die Vermittlung zwischen Betrachter und zeitgenössischem Kunstwerk bewerkstelligen und den oft fehlenden Link zwischen Kunst und Leben, soweit dieser überhaupt ermöglicht werden kann, darstellen. Als eigentliche Ausstellungsfläche sollen vier Ausstellungshallen dienen, was eine, sowohl unter Künstlern als auch unter Kuratoren, beliebte Form des Ausstellungsraumes darstellt. So meint etwa Richard Serra: »Der Charakter der Architektur kommt den Bedürfnissen der Künstler dann am meisten entgegen, wenn der Architekt das Gebäude so wenig wie möglich unterteilt und fragmentarisiert. [...] Ich möchte, dass die Museumsräume so neutral, so offen, so flexibel wie möglich sind, damit der Künstler den Raum strukturieren, neu definieren und seinen speziellen Bedürfnissen anpassen kann.«106 Zwei dieser Ausstellungshallen werden in den ehemaligen Turnhallen der Kantonsschule errichtet, die zu diesem Zweck adaptiert werden, zwei weitere befinden sich im Untergeschoß und erinnern in Form und Proportion an die Turnhallenbauten, was die Entstehung einer Ensemblewirkung zur Folge haben soll. Eine strikte Trennung in permanente Ausstellung der Sammlung und Wechselausstellung wird aufgehoben, was trotz eingeschränkter Ausstellungsfläche eine große Bandbreite an gezeigten Objekten des Sammlungsfundus ermöglichen soll. Je nach Thematik und Inhalt von Ausstellungen, egal ob Wechselausstellung oder ausgestellter Sammlungs190


schwerpunkt, sollen Räumlichkeiten gewählt und auf die Anforderungen der jeweiligen Ausstellung hin konfiguriert werden. Wesentlich bei jeder Ausstellungstätigkeit im Erweiterungsbau soll jedoch der starke Bezug zur eigenen Sammlung des Kunsthauses Zürich sein, was eine größtmögliche Rotation der Kunstwerke aus ebendieser Sammlung zur Folge haben soll. Ist das Ensemble der vier Ausstellungshallen durchaus als sehr flexibel zu bezeichnen, so geben jedoch eine unterschiedliche Behandlung der Hallen in Strukturierung und Belichtung sowie die Lage zweier Ausstellungshallen im Untergeschoß eine gewisse Nutzung der einzelnen Hallen vor. In diesem Sinne eignet sich die Turnhalle am westlichen Ende des Heimplatzes durch die Unterteilung in zwei Säle und die Belichtung über streiflichtfreies Oberlicht besonders für klassische Formate der Malerei und Kunstwerke, die einem traditionellen Kunstbegriff verhaftet sind, während die Turnhalle im östlichen Teil durch Belichtung über Seitenlicht vor allem für Installationen und Skulpturen geeignet ist. Die beiden, in ihrer Ausführung identen, Ausstellungshallen im Untergeschoß sind wiederum sehr flexibel in ihrer Nutzung und auch gut durch neue Medien zu bespielen. Bei jeglicher Ausstellungskonfiguration der Sammlungsteile Kunst ab 1960 sowie bei den damit in Verbindung stehenden Wechselausstellungen soll jedoch eines stets als Leitmotiv gelten; der produktive Umgang mit zeitgenössischer Kunst, wie er im vorhergehenden Absatz angedacht wurde.

Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter zeitgenössische Kunst, Kunsthaus+

Sammlung Bührle und Sammlungsgarlerien Kunsthaus, Malerei 19. Jahrhundert, klassische Moderne Im krassen Gegensatz zu den soeben beschrieben Teilen der Sammlung Kunsthaus mit Kunst ab 1960 steht die in sich abgeschlossene Sammlung Emil Georg Bührles, die durch einzelne Werke der Sammlung Kunsthaus mit klassischer Malerei des 19. Jahrhunderts und der klassischen Moderne ergänzt werden soll. Im Mittelpunkt der Sammlung Bührle steht die Malerei des Impressionismus und des Nachimpressionismus. Rund um diese Werke findet sich ein Ensemble französischer Kunst des 19. Jahrhunderts, die den Impressionismus vorbereitet oder ihn begleitet. Daran fügen sich Beispiele aus dem Schaffen der Nabis, der Fauves, der Kubisten und weiterer Vertreter der französischen Avantgarde seit 1900 sowie Abteilungen älterer Kunst vor allem mit holländischen Malern des 17. und italienischen Malern des 16. bis 18. Jahrhunderts. 107 Die Sammlung stellt eine der bedeutendsten Privatsammlungen Europas dar und beinhaltet zahlreiche namhafte Künstler von Ingres über Courbet, Cézanne, Manet, Degas, Renoir oder Monet bis hin zu Van Gogh oder Picasso. Das Raumprogramm für diesen Teil des Museums, das sich auf eine Ausstellungsfläche von 2000m² beläuft und im Entwurf dieser Arbeit bezüglich ihrer Größe eins zu eins umgesetzt wurde, sieht eine lineare Raumfolge unterschiedlich großer Einheiten im Stil einer »zeitgemäßen Interpretation der klassischen Galerie«108 vor. Herzstück dabei sollen ein zentraler Galerieraum mit den wichtigsten Werken der Sammlung, sowie zwei weitere, daran angegliederte Hauptsäle sein. Im vorliegenden Entwurf wurden die erforderlichen Räume in drei Obergeschoßen eingerichtet und als ge191


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stapelte Ausstellungshallen, die für die jetzige Nutzung als Galerieräume der Sammlung Bührle, in Form einer linearen Raumfolge, adaptiert wird. Im Sinne des Wachstumsprozesses, durch den sich die Institution Kunsthaus Zürich immer weiter in den umgebenden Stadtraum rund um den Heimplatz ausbreitet, sollen diese Adaptionen jedoch in Zukunft auch wieder entfernt werden können, wodurch die Nutzung der Räume als Ausstellungshalle möglich wird, was wiederum eine Eignung zur Präsentation zeitgenössischer Kunst nach sich ziehen würde. So ist es vorstellbar, dass einmal der ganze Erweiterungsbau des Kunsthauses durch zeitgenössische Kunst bespielt werden wird, während die Sammlung Bührle als in sich geschlossene Sammlung an einen anderen Ort weiterzieht. Weiteres wichtiges Element dieses Konzeptes ist die erneute Anlagerung von »Kuratorenräumen« an die Ausstellungshallen, welche sich an der Nordseite des Gebäudes befinden, was die Verwirklichung eines ähnlichen Ausstellungskonzeptes wie im Erd- und Untergeschoß ermöglicht. Im jetzigen Betrieb als Galerie der Sammlung Bührle sollen diese »Kuratorenräume« jedoch als der Ausstellung zwischengeschaltete Ruhe- Informa-

links Beispiele Portraitmalerei Sammlung Bührle: Ingres, Manet, Renoir, Courbet, Degas, Cézanne

tions- oder Vermittlungsbereiche genutzt werden. Ein zu langes, abwechslungsarmes Aneinanderreihen von Ausstellungsräumen, die den Besucher ermüden, wird dadurch vermieden. Ähnlich funktioniert die an der Südseite des Gebäudes gelegene Erschließungszone, die ein schnelles Erreichen der jeweiligen Ausstellungsgeschoße gewährleistet. Die Intensität des Kunstkonsums, die sich durch die Konstellation von Räumen der Kunst mit Räumen der Erschließung und der »Kuratorenräume« definiert, kann somit vom jeweiligen Besucher individuell gesteuert werden.

oben Beispiele Landschaftsmalerei Sammlung Bührle: Il Canaletto, Sisley, Van Gogh

Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter zeitgenössische Kunst, Kunsthaus+

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Skizze zur Situierung der Sammlungsteile und deren Organisationsprinzip

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Raumprogramm Ausstellungsflächen

700 m² 1:2 3x

Angabe von Raumbruttofläche, Proportion und Anzahl

Ausstellungshalle ohne Gliederung Im 1. bis 3. Obergeschoß befinden sich drei gestapelte Ausstellungsräume, die entweder ungegliedert als Ausstellungshalle oder durch Einbauten in Form einer Galerienfolge genutzt werden können. 59 m² 2:3 1x

39 m² 1:1 2x

117 m² 3:4 4x

156 m² 1:1 1x

230 m² ~ 3:4 2x

78 m² 1:2 1x

147 m² 3:5 2x

98 m² 2:5 1x

176 m² 1:2 1x

234 m² 2:3 3x

Sammlungsteil Bührle und Teile der Sammlung Kunsthaus Als Galerienfolge organisiert finden diese Teile der Ausstellung in Aussellungsräumen unterschiedlicher Größe und Proportion der drei Obergeschoße Platz. Nebenan sehen wir die unterschiedlichen Räume, die durch eine Adaption der Ausstellungshallen entstehen.

510 m² ~ 1:2 1x

550 m² 1:2 2x

Sammlungsteil Kunsthaus mit Kunst ab 1960 Diese sind im Erdgeschoß in den ehemaligen Turnhallen und im 2. Untergeschoß in Form zweier weiterer Ausstellungshallen situiert. Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter zeitgenössische Kunst, Kunsthaus+

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Ausstellungshalle

Angabe der Bruttogrundflächen und Ermittlung möglicher Teilungen zur Erstellung von Galeriefolgen Die eigentliche Ausstellungshalle basiert auf einem Raster von 3,125 x 3,125 m, misst 37,5 x 18,75 m und hat eine Bruttofläche von 700 m².

700

Größenunterteilung regelmäßig Durch die regelmäßige Unterteilung der Ausstellungshalle, basierend auf dem Grundraster, können Bruttoraumgrößen von 352 bis 39 m² erzielt werden. Dies ergibt eine Bandbreite von zwei bis 18 Ausstellungssälen.

176 352

117

59

234

78

88

39

Größenunterteilung unregelmäßig

156 234

147

Eine zusätzliche, unregelmäßige Raumunterteilung, basierend auf dem Grundraster, ermöglicht erneut weitere Raumgrößen und Proportionen, die von 234 bis 98 m² reichen. Nun kann die Galerienfolge beliebig zusammengestellt werden.

98

ausgewählte Galeriefolge für die Sammlung Bührle und Teile der Sammlung Kunsthaus Die gewählte Galerienfolge entspricht den Vorgaben der auszustellenden Sammlungen und bietet eine abwechslungsreiche Raumfolge. 196


Sammlung Bührle im Detail

adaptierte Galerienfolge für die Sammlung Bührle und Teile der Sammlung Kunsthaus mit Malerei des 19. Jhdts und der klassischen Moderne

675

NNF gesamt

2711

Ausstellungsfläche gesamt

2000

OG 3 gesamt

909

OG 3 Ausstellung

672

Bührle

672

zentraler Galerieraum

224

Ausstellungshalle im »Rohzustand«, 1. bis 3. OG

Hauptraum

224

Galerienfolge Sammlung Bührle und Teile der Sammlung Kunsthaus

Hauptraum

224

Kuratorenraum 1

100

Kuratorenraum 2

137

Og 2 gesamt

905

OG 2 Ausstellung

668

Bührle

388

großer Saal

139

großer Saal

139

mittelgroßer Saal

110

KH

280

Seerosensaal

170

mittelgroßer Saal

110

Kuratorenraum 1

100

Kuratorenraum 2

137

OG 1 gesamt

897

OG 1 Ausstellung

660

Bührle

440

großer Saal

150

mittelgroßer Saal

90

kleiner Saal

75

kleiner Saal

55

Kabinett

35

Kabinett

35

KH

220

mittelgroßer Saal

110

mittelgroßer Saal

110

Kuratorenraum 1

100

Kuratorenraum 2

137

224

224

224

OG 3

139

110

139

110

170

OG 2

35 110

75 110

35 150 90

55

OG 1 Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter zeitgenössische Kunst, Kunsthaus+

197


oben zeitgenössische Kunst ab 1960, östliche Turnhalle

198

unten Sammlung Bührle, 2. OG

rechts zeitgenössische Kunst ab 1060, westliche Turnhalle


Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter zeitgenรถssische Kunst, Kunsthaus+

199


200


Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter zeitgenรถssische Kunst, Kunsthaus+

201


Ausstellungsarchitektur Nach der Definition der Ausstellungskonzepte soll nun ein Überblick der architektonischen Ausgestaltung der Galerieräume, Ausstellungshallen und Kuratorenräume folgen und Fragen der Belichtung, der Materialien aber auch einer allgemeinen Beschaffenheit und Wirkung des gesamten Erweiterungsbaus geklärt werden. Ein allgemein erwünschtes Erscheinungsbild sämtlicher Ausstellungsräume beschreibt die Institution Kunsthaus in den Wettbewerbsunterlagen durch deren Gestalt als »klar definierte, in sich ruhende« Räume, die »Zurückhaltung gegenüber den präsentierten Kunstformen« ausstrahlen, sowie »angemessene Raumproportionen und natürliches Licht wo immer möglich« aufweisen.109 Dieser Idee entsprechend wurden Art und Weise der Belichtung sowie die Beschaffenheit der Materialien gewählt. In ihrer Zurückhaltung und Purität sollen sie

den durch Künstler mehrfach formulierten Forderungen bezüglich der Gestaltung von Ausstellungsräumen entsprechen. In diesem Sinne verlangte zum Beispiel Arnulf Rainer: »Museen und Ausstellungshallen haben vor allen anderen die Verpflichtung, Kunstwerke so zu verdeutlichen, wie sie der Künstler selbst gestaltet hat, das heißt in einem akzentuierten, die Materie betonenden, ungeschminkten, nackten Atelierzustand. Es sollte der Purzustand sein, vor der Behandlung durch Dekorateure, Transportrahmer, Eigentumsprotzer, Rahmendesigner, Schöngeister oder Kulturkontexter.«110 Dies bekräftigt erneut die Intention der Anordnung der Ausstellungsflächen in Form von Ausstellungshallen und deren Implementierung in die Bestandsbauten der Turnhallen am Kantonsschulareal. Erst durch den Künstler, beziehungsweise den Kurator, finden sie ihre endgültige Ausformulierung und erinnern in ihrer Wirkung an Künstlerateliers und dessen Prototyp des New Yorker Künstlerlofts als

links Ausstellungshalle der Judd Foundation in Marfa, Texas

202

rechts Temporary Contemporary, Los Angeles, Beispiel für den Prototyp einer Ausstellungshalle


umgenutztes Industriegebäude. Es wird eine Angemessenheit des architektonischen Ausdrucks gegenüber dem Kunstwerk angestrebt, was den Versuch der Architektur, »künstlerischer zu sein als die Kunst«, wie es Markus Lüpertz einmal formulierte, vermeidet. »Die Architektur müsste die Größe besitzen, sich so angelegt darzustellen, dass Kunst in ihr möglich ist, ohne dass sie durch eigenen Anspruch Kunst vertreibt oder schlimmer noch, dekorativ benutzt«, so Lüpertz dazu.111 Im Kontrast zu den Ausstellungsräumlichkeiten steht die Wirkung des restlichen Gebäudes, vor allem jener Teile der »öffentlichen« Flächen und der »Kuratorenräume«, die sich besonders in der Materialität klar von den Ausstellungsräumen abheben. Es ist also eine Architektur der Dialektik, der Kombination unterschiedlicher Raumeindrücke, die zu einer gewinnbringenden Kunstwahrnehmung führen soll. Gerade im Spannungsfeld von Innen- und Außenraum beziehungsweise von Kunst- und

links Dulwich Picture Gallery als Vorreiter in Sachen Gemäldegalerie

Nicht-Kunstraum inklusive deren fallweise Überschneidung wird ein großes Potenzial vermutet. Belichtung Wo immer es möglich war, wurden sowohl die Ausstellungsgalerien der Sammlung Bührle als auch die Ausstellungshallen der Sammlung Kunsthaus mit Kunst ab 1960 natürlich belichtet. So geschieht dies in einer der beiden Turnhallen über Oberlichter, während die Belichtung der zweiten Halle durch Seitenlicht gewährleistet wird. Die dadurch entstehenden, unterschiedlichen Qualitäten der Lichtstimmungen kommen der großen Vielfalt auszustellender Kunstwerke nur entgegen. Die beiden Ausstellungshallen im Untergeschoß hingegen werden ausschließlich durch Kunstlicht belichtet, was bei einer häufig anzunehmenden Bespielung durch neue Medien jedoch kaum von Nachteil sein wird. In den gestapelten Ausstellungshallen der Obergeschoße und deren adap-

mitte Sainsbury Wing der National Gallery in London von Venturi, Scott Brown

Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter zeitgenössische Kunst, Kunsthaus+

rechts Referenzbild des Entwurfsprojektes: Galerienraum in der adaptierten Turnhalle

203


tierte Nutzung als Galerienfolge gestaltet sich eine ausschließlich natürliche Belichtung als schwierig. Trotzdem wurde versucht, alle Ebenen mit natürlichem Licht zu versorgen. Dies erfolgt im ersten sowie im zweiten Obergeschoß durch Seitenlicht, das bei Bedarf durch Kunstlicht, welches über eine Staubdecke in den Raum gelangt, ergänzt wird, während im dritten Obergeschoß, wo sich auch die wichtigsten Ausstellungssäle befinden, mit Oberlicht gearbeitet werden kann. Dieses wird, zuvor abgeschattet und durch die Gebäudehülle gefiltert, über eine Staubdecke gleichmäßig im Raum verteilt. Um Streiflicht an den Wänden zu vermeiden, sollen im Deckenzwischenraum zusätzliche Abschattungselemente errichtet werden, die je nach Bedarf und Raumaufteilung der Ausstellungshalle konfiguriert werden. Materialien Wie bereits zuvor erwähnt, soll die Materialität in den Ausstellungsräumen eine gewisse Zurückhaltung gegenüber den Arbeiten der Kunst ausdrücken. Man bedient sich der auratischen Wirkung der Kombination einfacher

Materialien wie weißer Wände und Holzfußböden, im Sinne eines White Cubes, jedoch mit dem Anspruch, einer »Überästhetisierung« im Sinne des Minimalismus entgegenzusteuern. Im Gegensatz zu der oft üblichen Praxis des Verkleidens der Wände mit Gipsplatten sollen diese in Form von weiß gestrichenen Betonwänden errichtet werden, die gleichzeitig die Primärstruktur darstellen. Dies ermöglicht erneut ein Ablesen der sich zeitlich verändernden Nutzung an der Bausubstanz selbst, erreicht durch Spuren ehemaliger Befestigungen, Aufhängungen und deren anschließende Verspachtelungen. Außerdem soll die Primärstruktur dabei helfen, das Raumklima zu regulieren und über eine Betonkernaktivierung den Heiz- und Kühlbedarf des Gebäudes so gering wie möglich zu gestalten. Einen Kontrapunkt zur Materialität der Kunsträume stellt jene der »öffentlichen« Flächen, wie dem Café, dem Shop, der Eingangshalle sowie jene der »Kuratorenräume« dar. Um den Charakter der Offenheit gegenüber dem Besucher zu erreichen, wurden Oberflächenmaterialien verwendet, die auch im öffentlichen, den Kunsthausoben Kunsthalle Berlin, unterschiedliche Erscheinung des Ausstellungsraumes bedingt durch die auszustellende Kunst

204


bau umgebenden Stadtraum zu finden sind. Während der »Kuratorenraum« durch die Verwendung von Sichtbeton geprägt wird, stellen die verschiedenen Volumina im Erdgeschoß in Kombination mit der zentralen Halle eine Erweiterung des Stadtraumes dar, was zusätzlich durch die Verwendung der Materialien Stein, nämlich Bollinger Sandstein, wie er auch beim ersten Museumsgebäude für das Kunsthaus Zürich von Karl Moser zum Einsatz kam, sowie Putz, der die am häufigsten vorkommende Oberfläche der Fassaden umgebender Gebäude darstellt, zum Ausdruck kommt. Der industrielle Charakter der Halle und des Kuratorenraumes im Untergeschoß, erreicht durch die Verwendung von Sichtbeton, geschliffenem Estrich sowie generell unbehandelter Materialien, sollen den produktiven Charakter dieser Räumlichkeiten unterstreichen. Die Wirkung des Unvollendeten soll die Aktivität des Besuchers anregen.

links Referenzbild des Entwurfsprojektes: Ausstellungshalle im 3. Obergeschoß

mitte Ernst Ludwig Kirchner Museum, Davos

Kunst, Ausstellungsraum, Betrachter zeitgenössische Kunst, Kunsthaus+

rechts Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz

205


06

206

Anhang


Anmerkungen

1 Beschreibung der Institution Museum durch Gustav Peichl in: Kunst im Bau Kunst- und Ausstellungshalle der BRD GmbH Steidl Verlag, Göttingen, 1994 S. 119 2 Quellen: www.wikipedia.org, zuerich.ch

www.stadt-

3 Zürich im Zeitraffer Von der Römerzeit bis zum Schanzenbau 1642 Thomas Germann Wird Verlag, Zürich, 1997 S. 46 4 Baukultur in Zürich – Schutzwürdige Bauten und gute Architektur der letzten Jahre Affoltern, Oerlikon, Schwamendingen, Seebach Hochbaudepartement der Stadt Zürich, Amt für Städtebau Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 2002 S. 81 5 Zürich baut Konzeptioneller Städtebau Im Auftrag der Stadt Zürich von Franz Eberhard und Regula Lüscher Verfasst von Angelus Eisinger und Iris Reuther Birkhäuser, Basel, 2007 S. 120

6 In der Publikation Zürich baut gibt die Stadt Zürich Einblicke in aktuelle Herangehensweisen der Stadtplanung: Zürich baut Konzeptioneller Städtebau Im Auftrag der Stadt Zürich von Franz Eberhard und Regula Lüscher Verfasst von Angelus Eisinger und Iris Reuther Birkhäuser, Basel, 2007 7 ebd., S. 82 8 ebd., S. 104 9 ebd., S. 164 10 ebd., S. 169 11 ebd., S. 168 12 erschienen in einem Folder über das Hochschulgebiet, einzusehen unter: www.stadt-zuerich.ch 13 Das Zürcher Kunsthaus – ein Museumsbau von Karl Moser Ulrike Jehle-Schulte Strathaus Basel; Boston; Stuttgart: Birkhäuser, 1982 S. 25

14 ebd., S. 27 15 Gigon Guyer Architekten Arbeiten 1989 bis 2000 J. Christoph Bürkle Verlag Niggli AG, Sulgen / Zürich, 2000, S. 10 16 ebd., S. 11 17 Wege zu einem neuen Museum Victoria Newhouse Verlag Gerd Hatje, Ostfildern-Ruit, 1998, S. 38 18 www.schaulager.org 19 Wettbewerbsausschreibung zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich, Institution Kunsthaus Zürich, 2008, S. 45 20 Das Zürcher Kunsthaus – ein Museumsbau von Karl Moser Ulrike Jehle-Schulte Strathaus Basel; Boston; Stuttgart: Birkhäuser, 1982 S.36 21 ebd., S. 37

207


22 Das Zürcher Kunsthaus – ein Museumsbau von Karl Moser Ulrike Jehle-Schulte Strathaus Basel; Boston; Stuttgart: Birkhäuser, 1982 S. 43

31 Der Ursprung des Museums Vom Sammeln Krzysztof Pomian Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 1988, S. 16

23 ebd., S. 134

32 ebd., S. 43

24 Wettbewerbsausschreibung zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich, Institution Kunsthaus Zürich, 2008, S. 6

33 ebd., S. 49

25 ebd., S. 29 26 NZZ, am 16. Dez. 2008 Gravitätischer Palazzo Ein problematisches Siegerprojekt für die Kunsthaus-Erweiterung Roman Hollenstein 27 Wettbewerbsausschreibung zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich, Institution Kunsthaus Zürich, 2008, S. 49 28 ebd., S. 50 29 ebd., S58 30 Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003 S. 18

208

34 Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003 S. 23 35 Der Ursprung des Museums Vom Sammeln Krzysztof Pomian Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 1988, S. 52 36 ebd., S. 30 37 ebd., S. 30 38 Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003, S. 27 39 ebd., S. 28 40 ebd., S29

41 ebd., S30 42 ebd., S24 43 ebd., S24 44 A History of Building Types Nikolaus Pevsner Princeton University Press, Princeton, New Jersey, 1976, S. 111 45 zitiert nach Wagner in: A History of Building Types Nikolaus Pevsner Princeton University Press, Princeton, New Jersey, 1976, S. 125: »If you visit a collection of ancient sculpture you go because of the ancient sculpture. « [...] »One recognizes the merit and talent of an architect by the strict coincidence of a building with its function«, [...] »It is my principle ... to prefer utility to beauty in case the two cannot be united.« 46 zitiert nach Wackenroder, in: A History of Building Types Nikolaus Pevsner Princeton University Press, Princeton, New Jersey, 1976, S. 128 47 Museen der anderen „Art“ Dissertation von Astrid Legge Astrid Legge, Rheinische-Westfälische Tech-


nische Hochschule Aachen, 2000, S, 9

wigsburg, 2003, S. 63

48 A History of Building Types Nikolaus Pevsner Princeton University Press, Princeton, New Jersey, 1976, S. 117 »In Vienna the collections were opened properly on Mondays, Wednesdays and Fridays to anyone »with clean shoes«. «

54 Die Feinen Unterschiede Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft Pierre Bourdieu Suhrkamp Verlag, Frankfurt, 1982, S. 19

49 Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003, S. 39 50 ebd., S. 35 51 Fleisch und Stein Richard Sennett Suhrkamp Taschenbuch Verlag, 1997, S. 363 52 Étoinne-Louis Boullée, Architecture – Essai sur l’art, ca. 1793 ; Übersetzung in: Quellentexte zur Architekturtheorie Fritz Neumeyer, Prestel Verlag, München – Berlin – London – New York, 2002, S. 192 53 Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Lud-

55 Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003, S. 74 56 Mey(1977) in: Sehenlernen im Museum Uwe Christian Dech Transcript, 2003, S. 23 57 Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003, S. 76 58 ebd., S. 77 59 Stanislaus von Moos in: Museen für ein neues Jahrtausend Vittorio Magnago Lampugnani, Angeli Sachs Prestel Verlag, München . London . New York, und Art Center Basel, 1999, S. 22 60 Coop Himmelblau über deren Museum in

Anhang Anmerkungen

Lyon, zitiert nach Thierry Greub in seinem Ärtikel: »Die Museen zu Beginn des 21. Jahrhunderts: Spekulationen« in : Museen im 21. Jahrhundert Suzanne Greub und Thierry Greub Prestel Verlag, München . Berlin . London . New York, und Art Center Basel, 2006 61 Kunstmuseen Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert Gerhard Mack Birkhäuser, Basel, Berlin, Boston, 1999, S. 25 62 ebd., S. 23 63 Werner Oechslin in Artikel »Museumsarchitektur« in: Museen im 21. Jahrhundert Suzanne Greub und Thierry Greub Prestel Verlag, München . Berlin . London . New York, und Art Center Basel, 2006 64 Lüpertz in: Neue Museumsbauten in der Bundesrepublik Deutschland Heinrich Klotz, Waltraud Krase DAM Frankfurt a. M. und Ernst Klett Verlage GmbH und Co. KG, Stuttgart, 1985, S. 33 65 Sandra Hofmeister in »Gehry-Effekt und Chipperfieldismus« in: Baumeister B3 / März 2009, S. 68 66 Sehenlernen im Museum Uwe Christian Dech

209


Transcript, 2003, S. 29

Steidl Verlag, Göttingen, 1994, S. 83

Peter Schifferli Verlags AG Die Arche Zürich, 1957, S. 8

67 Gigon Guyer Architekten Arbeiten 1989 bis 2000 J. Christoph Bürkle Verlag Niggli AG, Sulgen / Zürich, 2000, S. 101

73 Inside the White Cube Brian O‘Doherty Merve Verlag, Berlin, 1996

82 Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003, S. 131

68 Termutter(2000) in: Sehenlernen im Museum Uwe Christian Dech Transcript, 2003 , S. 28 69 Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003, S. 84 70 Nähere Ausführungen zu diesem Thema siehe in »3.1.3 Exkurs – Das Ästhetische und die ästhetische Wahrnehmung« in : Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003, S. 89 und folgende 71 Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003, S. 89 72 Frage von Stefan Braunfels in: Kunst im Bau Kunst- und Ausstellungshalle der BRD GmbH 210

74 Zuerst als Konzept veröffentlicht in 1969, no 17 des »Art & Project Bulletin«; 1970 in Los Angeles realisiert, zitiert aus: Inside the White Cube Brian O‘Doherty Merve Verlag, Berlin, 1996, S. 115 75 ebd., S. 9 76 ebd., S. 10 77 ebd., S. 56 78 Wall, S. 114 79 ebd., S. 114 80 Richard Huelsenbeck in: Dada in Zürich Hans Arp, Richard Huelsenbeck Peter Schifferli Verlags AG Die Arche Zürich, 1957, S. 74 81 Hans Arp in: Dada in Zürich Hans Arp, Richard Huelsenbeck

83 ebd., 135 84 Anti-Kunst Heinz Ohff Droste Verlag, Düsseldorf, 1973, S. 100 85 Allen Kaprow in einem Interview 1966, zitiert nach: Anti-Kunst Heinz Ohff Droste Verlag, Düsseldorf, 1973, S. 96 86 Hermann Nitsch, 1985, zitiert nach: Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003, S. 144 87 Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003, S. 142 88 ebd., S. 145


89 Joseph Beuys Heiner Stachelhaus List Taschenbuch, Ullstein Buchverlag GmbH, 2006, S. 82 90 Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003, S. 158 91 Joseph Beuys Heiner Stachelhaus List Taschenbuch, Ullstein Buchverlag GmbH, 2006, S. 87 92 Joseph Beuys zitiert in: Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003, S. 241 93 die Presse, »Damien Hirst: Ein Goldenes Kalb fürs Zollfreilager« vom 17.09.2008 von Almuth Spiegler 94 NZZ, „Erwin Wurm für Hermés” am 16.08.2008 von Christina Hubbeling, 95 Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003, S. 90

Anhang Anmerkungen

96 ebd., S. 331 97 ebd., S. 101

104 Wettbewerbsausschreibung zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich, Institution Kunsthaus Zürich, 2008, S. 47

98 ebd., S. 107

105 ebd., S. 56,

99 Johannes Cladders in: Kunst im Bau Kunst- und Ausstellungshalle der BRD GmbH Steidl Verlag, Göttingen, 1994, S. 61

106 Richard Serra in einem Interview mit Brenda Richardson in: Richard Serra, Schriften Interviews 1970 – 1989, Bern 1990, S. 154, 155

100 zu lesen in Form der Beschriftung einer Tafel in der Ausstellung im Müllerbau des Kunsthauses 101 Wettbewerbsausschreibung zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich, Institution Kunsthaus Zürich, 2008, S. 47 102 Jean Nouvel in: Kunstmuseen Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert Gerhard Mack Birkhäuser, Basel, Berlin, Boston, 1999, S. 77 103 nähere Information zur Sammlung im Gesamtkatalog zur Sammlung des Kunsthauses Zürich: Gesamtkatalog der Gemälde und Skulpturen Zürcher Kunstgesellschaft Zürich, 2007

107 Beschreibung der Sammlungsinhalte nach einem Text der Stiftung Sammlung E. G. Bührle auf www.buehrle.ch 108 Wettbewerbsausschreibung zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich, Institution Kunsthaus Zürich, 2008, S. 58 109 ebd., S. 52 110 Arnulf Rainer in seinem Artikel »Werk und Rahmen« in: Kunst im Bau Kunst- und Ausstellungshalle der BRD GmbH Steidl Verlag, Göttingen, 1994, S. 116 111 Markus Lüpertz in: Neue Museumsbauten in der Bundesrepublik Deutschland Heinrich Klotz, Waltraud Krase DAM Frankfurt a. M. und Ernst Klett Verlage GmbH und Co. KG, Stuttgart, 1985, S. 33 211


Bibliographie

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Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit Walter Benjamin Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main, 2006 zuerst erschienen in französischer Übersetzung in der Zeitschrift für Sozialforschung, 1936

Sehenlernen im Museum Uwe Christian Dech Transcript, 2003

Zürich baut Konzeptioneller Städtebau Im Auftrag der Stadt Zürich von Franz Eberhard und Regula Lüscher Verfasst von Angelus Eisinger und Iris Reuther Birkhäuser, Basel, 2007

Das Zürcher Kunsthaus – ein Museumsbau von Karl Moser Ulrike Jehle-Schulte Strathaus Basel; Boston; Stuttgart: Birkhäuser, 1982

Neue Museumsbauten in der Bundesrepublik Deutschland Heinrich Klotz, Waltraud Krase DAM Frankfurt a. M. und Ernst Klett Verlage GmbH und Co. KG, Stuttgart, 1985 Kunst und Architektur Markus Lüpertz

Museumsquartier Wien Die Architektur Matthias Boeckl Springer Verlag, Wien, 2001

Zürich im Zeitraffer Von 1621 bis zur ersten Stadtvereinigung 1893 Thomas Germann Werd Verlag, Zürich, 2000

Die Feinen Unterschiede Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft Pierre Bourdieu Suhrkamp Verlag, Frankfurt, 1982

Zürich im Zeitraffer Von der Römerzeit bis zum Schanzenbau 1642 Thomas Germann Wird Verlag, Zürich, 1997

Gigon Guyer Architekten Arbeiten 1989 bis 2000 J. Christoph Bürkle Verlag Niggli AG, Sulgen / Zürich, 2000

Museen im 21. Jahrhundert Suzanne Greub und Thierry Greub Prestel Verlag, München . Berlin . London . New York, und Art Center Basel, 2006

Museen für ein neues Jahrtausend Vittorio Magnago Lampugnani, Angeli Sachs Prestel Verlag, München . London . New York, und Art Center Basel, 1999

„Sorgsam einfach, sorgfältigst leer“ Der Beitrag von Annette Gigon und Mike Guyer zur schweizerischen Museumsarchitektur J. Christoph Bürkle

Museumsarchitektur ein Leitmotiv heutiger Architektur Werner Oechslin

Die Architektur der Kunst Zu den Museen der neunziger Jahre Vittorio Magnago Lampugnani

Die Museen zu Beginn des 21. Jahrhunderts: Spekulationen Thierry Greub

Museums-Explosion Bruchstücke einer Bilanz Stanislaus von Moos

212

Museen der anderen „Art“ Dissertation von Astrid Legge Astrid Legge, Rheinische-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 2000

Kunstmuseen Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert Gerhard Mack Birkhäuser, Basel, Berlin, Boston, 1999


Quellentexte zur Architekturtheorie Fritz Neumeyer Prestel Verlag, München – Berlin – London – New York, 2002

Wege zu einem neuen Museum Victoria Newhouse Verlag Gerd Hatje, Ostfildern-Ruit, 1998

Fleisch und Stein Richard Sennett Suhrkamp Taschenbuch Verlag, 1997

Joseph Beuys Heiner Stachelhaus List Taschenbuch, Ullstein Buchverlag GmbH, 2006

Baukultur in Zürich – Schutzwürdige Bauten und gute Architektur der letzten Jahre Hirlsanden, Riesbach Hochbaudepartement der Stadt Zürich, Amt für Städtebau Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 2003 Baukultur in Zürich – Schutzwürdige Bauten und gute Architektur der letzten Jahre Affoltern, Oerlikon, Schwamendingen, Seebach Hochbaudepartement der Stadt Zürich, Amt für Städtebau Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 2002

Inside the White Cube Brian O‘Doherty Merve Verlag, Berlin, 1996

Das unmögliche Museum Dissertation von Tobias Wall Tobias Wall, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 2003

Anti-Kunst Heinz Ohff Droste Verlag, Düsseldorf, 1973

Das unmögliche Museum Zum Verhältnis von Kunst und Kunstmuseen der Gegenwart Tobias Wall transcript Verlag, Bielefeld, 2006

Baukultur in Zürich – Schutzwürdige Bauten und gute Architektur der letzten Jahre Aussersihl, Industrie / Zürich West Hochbaudepartement der Stadt Zürich, Amt für Städtebau Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 2004

Hans Leuzinger, 1887 – 1971 pragmatisch modern gta Verlag, Zürich, 1994

Weblinks

A History of Building Types Nikolaus Pevsner Princeton University Press, Princeton, New Jersey, 1976

Der Ursprung des Museums Vom Sammeln Krzysztof Pomian Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 1988

Museums- Positionen August Sarnitz Residenzverlag, Salzburg und Wien, Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten, 1992

Anhang

Bibliographie

Stephan Braunfels, Pinakothek der Moderne Birkhäuser, Basel, Berlin, Boston, 2002

www.buehrle.ch www.derstandard.at www.kunsthaus.ch www.nzz.ch www.schaulager.org

Kunst im Bau Kunst- und Ausstellungshalle der BRD GmbH Steidl Verlag, Göttingen, 1994

213


214


Abbildungsnachweis

Wettbewerbsausschreibung zur Erweiterung des Kunsthauses Zürich, Institution Kunsthaus Zürich, 2008 S. 33 mitte, S. 33 unten, S. 41 mitte, S. 63, S. 64 links

Oswald Mathias Ungers Architekturlehre Berliner Vorlesungen 1964-

Joseph Beuys Heiner Stachelhaus

65 archplus 179 S. 121, S. 151 links

List Taschenbuch, Ullstein Buchverlag GmbH, 2006 S. 173

Wege zu einem neuen Museum Victoria Newhouse Verlag Gerd Hatje, Ostfildern-Ruit, 1998 S. 138 links, S. 202 links, S. 202 rechts, S. 203 links, S. 203 mitte

Kunst, Kultur und Kraftfahrzeuge Baumeister B3 München, 2009 S. 142 links

Broschüre Kunstmuseum Liechtenstein S. 140 rechts, S. 164 links, S. 205 rechts

Quellentexte zur Architekturtheorie Fritz Neumeyer Prestel Verlag, München – Berlin – London – New York, 2002 S. 123, S. 131 A History of Building Types Nikolaus Pevsner Princeton University Press, Princeton, New Jersey, 1976 S. 125 rechts, S. 126 links Hans Leuzinger, 1887 – 1971 pragmatisch modern gta Verlag, Zürich, 1994 S. 49 mitte Stephan Braunfels, Pinakothek der Moderne Birkhäuser, Basel, Berlin, Boston, 2002 S. 122, S. 125 links, S. 126 rechts, S. 141 rechts, S. 151 mitte, S. 158 links unten, S. 159 links oben

Anhang Abbildungsnachweis

Das Zürcher Kunsthaus – ein Museumsbau von Karl Moser Ulrike Jehle-Schulte Strathaus Basel; Boston; Stuttgart: Birkhäuser, 1982 S. 49 oben, S. 57, S. 58, S. 59 Kunstmuseen Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert Gerhard Mack Birkhäuser, Basel, Berlin, Boston, 1999 S. 51 links, S. 135, S. 159 links unten, S. 164 rechts Entwurfsatlas Museumsbau Paul von Naredi-Rainer Birkhäuser, Basel, Berlin, Boston, 2004 S. 51 rechts, S. 136, S. 139 links, S. 142 rechts, S. 158 links oben Neue Museumsbauten in der Bundesrepublik Deutschland Heinrich Klotz, Waltraud Krase DAM Frankfurt a. M. und Ernst Klett Verlage GmbH und Co. KG, Stuttgart, 1985 S. 124 links, S. 141 links

google Earth S. 10, S. 14 www.flickr.com S. 35 oben, S. 46, S. 60 rechts, S. 61 links, S. 122 rechts, S. 124 rechts, S. 127, S. 177, S. 178, S. 185 links www.wikipedia.org S. 20, S. 21, S. 35 unten www.stadt-zuerich.ch S. 29 www.kunsthaus.ch S. 54, S. 55, S. 188, S. 189 www.sammlung-boros.de S. 143 unten www.lacatonvassal.com S. 149 links www.kunsthalle-berlin.com S. 160, S. 138 rechts oben, S. 204 www.buehrle.ch S. 192, S. 193

215


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Dank

Mein Dank gilt zuallererst und ganz besonders meiner Familie und Kerstin, die mich nicht nur in Bezug auf diese Arbeit, sondern überall und zu jeder Zeit gefördert und unterstützt haben, Hans Gangoly für die Betreuung dieser Diplomarbeit, Wolfgang Schett und Martina Sadick-Pirovino für die Unterstützung seitens der ETH Zürich, sowie Daniel Gethmann und Erich Prödl für die konstruktiven Gespräche, all meinen Freundinnen und Freunden, die mich während des Studiums begleitet und geprägt haben, vor allem aber Andi, Chri, Christoph, David, Didi, Franzi, Gerhard, Mario und Sewi, die auch zur Entstehung dieser Arbeit beigetragen haben, und last but not least, dem AZ5 und im Besonderen Eva, Jo und Peter.

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