12. April 2012 21
Bist Du eigentlich sozial aktiv?
Illustration: Jacquie Boyd
Klar! Auf Facebook. Hab gestern 26 Kampagnen geliked!
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Früher hieß es in Kreuzberg „Trinken für den Frieden”. In Nord-Neukölln hat das Quartiermeisterteam eine neue Parole ausgegeben: „Trinken und Gutes tun“. In drei Dutzend Kneipen wird die spezielle Abfüllung ausgeschenkt. Von jeder verkauften Flasche geht ein Teil des Erlöses an soziale Projekte im Kiez: Schülerhilfe, Kulturloge oder Kiez-Kicker. Mehr als 100.000 Flaschen wurden schon über den Tresen gereicht. Audio-Interview mit Quartiermeister Sebastian Jacob und der Quartiermeister-Clip auf unserer App (iTunes oder Android). http://quartiermeister.org
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Foto: Quartiermeister
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SEMESTERBEGINN – DER PROFI-BÜRGER
Mit der „Förderung von Allgemeinbildung im Sinne der Wiederaneignung von bürgerlichen Kompetenzen” will dieser „Diplomstudiengang” Bürger professionalisieren und fit machen für die Heraus forderungen moderner Gesellschaften. Das Studium Generale an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe hält Ausbildungsangebote für angehende Diplom-Bürger, Diplom-Gläubige, Diplom-Konsumenten, Diplom-Rezipienten und Diplom-Patienten bereit, die jedem offenstehen. Die Vorlesungen für den Diplom-Bürger bestreitet Peter Sloterdijk selbst. Audiostream der Vorlesung “Wutbürger und Empörungskultur”: http://profi-buerger.de
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NETZWERK FAIRE MODE Was die Großen nicht schaffen, packt eine Handvoll junger Menschen aus der Fashion-Szene erfolgreich an und lässt das Bekenntnis zu echter Transparenz in der Textilwirtschaft Wirklichkeit werden. Die Gruppe um Mark Starmanns herum hat gerade das Netzwerk Audio-Interview mit Faire Mode gegründet. Aus dem Mark Starmanns auf jetzigen Blog und Shopping Guide unserer App (iTunes wird in Kürze ein umfassendes oder Android) Portal zum Thema. http://netzwerkfairemode. wordpress.com
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Fotos (v.l.n.r.): imago/Hoffmann, Netzwerk Faire Mode, imago/Becker&Bredel, Grafik/Weltkarte: www.reporter-ohne-grenzen.de
DAS DRECKIGE DUTZEND DER INTERNET-ZENSUR Das Ranking der Reporter ohne Grenzen zeigt, wo OnlineInhalte gefiltert und wo kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt werden. www.reporter-ohne-grenzen.de
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SAARLAND - ES GEHT AUCH OHNE TRANSPARENZ Abgeordnetenwatch.de ist längst zum etablierten Player geworden, der Bürgerfragen an Politiker weiterleitet und sichtbar macht, der Kandidaten-Checks anbietet oder die Nebeneinkünfte von Volksvertretern offenlegt. So manchem Volksvertreter ist das nach wie vor ein Dorn im Auge. Wie abgeordnetenwatch.de aus informierten Kreisen erfahren hat, untersagte nun der saarländische Landtagspräsident Hans Ley (CDU) seinem Stellvertreter, die Schirmherrschaft für das Landesportal zu übernehmen. Ein großer Verlust ist das nicht. Abgeordnetenwatch wäre ohnehin besser beraten, eine möglichst große Distanz zu den Parlamentariern zu wahren. Diesen Beitrag kommentieren 5
Titel
Pseudo-Engagement
Die Nic Hab‘ heute schon 5 Leute angelächelt.
Illustration: Jacquie Boyd
Foto: AFP/Getty Images
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Wow! Du klotzt ja richtig ran für die Gesellschaft!
Pseudo-Engagement
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chtsnutze Einmal den „Gefällt“-Button klicken und die Welt retten? Die Botschaft, dass Engagement keine Zeit, Kraft und Leidenschaft braucht, gefährdet den Elan einer ganzen Generation – und wird von vielen Organisationen bewusst eingesetzt. Text: Uwe Amrhein und Henrik Flor
So einfach geht das also. Den digitalen Daumen nach oben, und schon ist man sozial engagiert. Das kostet nichts – kein Geld, keine Zeit und keine Mühe. Es geht bequem vom Sofa aus und das sogar anonym.
vor einigen Wochen die Initiatoren einer Facebook-Kampagne über Zigtausend „Fans“ binnen weniger Tage. Man beachte die Wortwahl. Als sei Kindesmissbrauch kein Verbrechen, sondern eine Art staatlicher Beschluss, gegen den bürgerschaftlicher Keine Sorge, das wird keine Einsatz zu leisten wäre. Geschichte über die kollektive Erregung in sozialen Netzwerken. Es stimmt nachdenklich, dass Darüber ist genug geschrieben. auch gebildete Menschen in groEs geht hier um Alibi-Engage- ßer Zahl glauben, sie würden ment. Um einen Einsatz, der in sich für oder gegen etwas enWahrheit gar keiner ist und der gagieren, gar Widerstand leisnur einem Zweck dient: dem ei- ten, indem sie den Zeigefinger genen Wohlgefühl. mit der Maus bewegen. Damit wir uns richtig verstehen: Diese Hängematte ist kein InternetHaltung äußern ist Phänomen. Der gutbürgerliche noch kein Engagement Mittfünfziger, der seinen Namen unter eine Protestnote gegen „Der Widerstand gegen Kindes- Stuttgart 21 kritzelt, verhält missbrauch wächst“, freuten sich sich nicht anders. 7
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Es gilt mit einem grundlegenden Missverständnis aufzuräumen: Mal eben unverbindlich Haltung zeigen, ist noch längst kein Bürgerengagement. Es bildet allenfalls dessen Kulisse.
Doonited: Selbstbespaßung als soziale Tat verpackt
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der eigenen schlanken Linie. Drei Tage vorher lautete der Appell: „Versüße jemandem den Tag mit einem leckeren Nachtisch.“ Auch nicht schlecht, wenn auch diesmal weniger figurfreundlich.
Die Internet-Plattform doonited.com treibt es auf die Spitze. Besucher der Seite werden aufgefordert, eine gute Tat vorzuschlagen. Wer sich dann dieses „Daily Good“ zu eigen macht, also die gute Tat des Tages selbst vollbringt, darf sich einen „Drop“ abholen. Drops sind die Währung auf der Plattform.
Kurz: Es geht um Selbstbespaßung, um seelische Wellness. Es geht um das gute Gefühl, etwas für die Welt zu tun, ohne sich dafür anstrengen zu müssen. Das wäre nicht weiter zu beachten, würden sich die Doonited-Macher nicht selbst als „Social Impact Business“ bezeichnen. Als Unternehmen mit sozialer Wirkung. Damit wähnen sie sich in einer Liga mit den Sozialunternehmern, die jeden Tag konkret Menschen helfen.
Die vermeintlichen guten Taten sehen dann so aus: „Nimm die Treppe, vermeide Rolltreppen und Fahrstühle“. Das mag sinnvoll sein, hilft aber vor allem
Genau an dieser Stelle beginnt das Ärgernis. Die tatsächliche Wirkung von Doonited und Konsorten geht nicht nur gegen Null. Die Ego-Politur wirkt so-
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Nah an der Satire: Die Plattform doonited.com präsentiert Sinn sprüche und nennt sich großspurig „Social Impact Business“.
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gar kontraproduktiv. Sie verspricht soziale Veränderung ohne Anstrengung und erinnert damit an die Schlankheits-Wundermittel aus der Fernsehwerbung: Traumfigur ohne Sport und Diät. Solcher Pseudo-Aktivismus, zumal per Internet, gefährdet das echte Engagement. Warum noch zur Demo gehen, wenn ich schon Facebook-Fan von „Gegen Atomkraft“ bin? Warum die Jugend-AG von Greenpeace besuchen, wenn ich gerade beim VW-kritischen Videoclip der Organisation ein „Mag ich“ hinterlassen habe?
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sich gerne symbolisch mit sozialen Anliegen identifiziert, aber nicht aktiv daran mitwirkt, einen Missstand zu beseitigen.
Auch größere Organisationen und Netzwerke surfen auf dieser Welle. „Ich finde es gut, dass ich mit ein paar Cent sozial aktiv sein kann“, sagt der Protagonist in einem Werbespot für „Deutschland rundet auf“. Kann er das wirklich? Die neuen Mikro-Spenden an der Supermarktkasse sind eine feine Sache, keine Frage. Aber sozial Dieses Alibi-Engagement wird aktiv sein, bedeutet mehr. inzwischen mit Begriffen wie One-Click-Activism oder, noch „Erstelle Dir einen erreichschöner, Slacktivism verbunden. baren aber ambitionierten Slacktivism ist ein Kunstwort, Wochenplan“, lautete vergangene das sich als „Slacker“ (je- Woche eine gute Tat des Tages mand, der seinen Hintern nicht bei Doonited. Engagement wäre hochbekommt) und „Activism“ es, wenn es nicht beim Auf(Aktivismus) zusammensetzt. schreiben bliebe. Diesen Beitrag Es bezeichnet eine Spezies, die kommentieren 10
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Agenda
12. April - 9. Mai
TIPPS & TERMINE
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Lange im Schatten der re:publica gestanden, ist die re:campaign zum festen Termin der Netz-Campaigner geworden. Das BarCamp findet in diesem Jahr am 11. und 12. Mai in der Berliner Kalkscheune statt. Early-Bird-Tickets sind längst vergriffen. www.recampaign.de
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Ruhestand muss nicht Stillstand lizist Henning von Vieregge hat das Kompass sein will für eine bensphase, die sich ganz in den wohls stellt. Davon profitieren Best Ager selbst. www.vonvieregge.de
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bedeuten. Der Pubein Buch verfasst, aktive dritte LeDienst des Gemeinnicht zuletzt der
D E M O G R A P H I E - A P P
Die kostenlose App “Wegweiser Demographie” erlaubt es ab sofort, auf Bevölkerungsprognosen bestimmter Gemeinden aus dem Portal Wegweiser Kommune zuzugreifen. Die Daten werden in anschaulichen Infografiken dargestellt. Sie können dann als Mail versandt, weiterverarbeitet und per Facebook geteilt werden. www.wegweiser-kommune.de/global/aktuelles/Aktuelles.action?redirect=false
F A I R E
M E S S E
Vom 12.-15. April 2012 dreht sich in Stuttgart auf der Internationalen Messe Fair Handeln alles um die Themen Fair Trade und global verantwortungsvolles Handeln. Zum vierten Mal kommen Fachleute und Verbraucher zusammen. http://cms.messestuttgart.de/cms/fairhandeln2012_ besucher_messe0.0.html
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www.entermagazin.de DIE NÄCHSTE AUSGABE ERSCHEINT AM 10. MAI 2012.
IMPRESSUM Herausgeber: Uwe Amrhein Redaktion: Henrik Flor Propststraße 1 10178 Berlin Telefon +49 / 30 24 08 31 53 Telefax +49 / 30 88 16 70 redaktion@entermagazin.de www.entermagazin.de Enter erscheint in Kooperation mit der Stiftung Bürgermut.