21. 12. 2012 #26
Untergang Wer uns heute retten kann
Editorial
DER ENGAGEMENT POLITIK PIONIER Geht es Ihnen auch so? Im Streit entwickelt man manchmal den größten Respekt füreinander. Wenn es in einer Diskussion richtig zur Sache geht, lernt man Menschen besser kennen als in wohlgefühligem Konsens. Erst in der Auseinandersetzung kann sich diese Anerkennung entwickeln, die sich über Sympathie und Antipathie erhebt. Dieses Gefühl, das einem nach einem verbalen Donnerwetter sagt: „Mein Gegenüber meint es ernst mit seiner Sache. Ist zwar ein schräger Typ, legt sich mit mir aber nicht an, um sich zu twas.“ profilieren. Es geht ihm um e So habe ich es mit Michael Bürsch erlebt. Wir lagen manches Mal über Kreuz. Nicht trotzdem, sondern gerade deshalb wird er mir fehlen. Michael Bürsch starb am 9. Dezember. Ich glaube, man kann ihn als Erfinder der Engagementpolitik in Deutschland bezeichnen. Als Bundestagsabgeordneter leitete er die Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“, ohne die es heute weder ein Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement noch einen ständigen Unterausschuss zu diesem Thema im Bundestag gäbe. Kurz: Der Mann hatte sein Lebensthema. Dass Bürgerengagement über karitatives Helfen hinaus geht, dass es immer auch eine Form des politischen Mitgestaltens ist, das ist noch längst nicht
in allen Politikerköpfen angekommen. Engagierte Bürger und Organisationen erleben das täglich und nicht selten leidvoll. Aber zumindest steht das Prinzip des Engagements als selbstbewusster Gestaltungsanspruch heute auf der Agenda. Die Diskussion hat Fahrt aufgenommen. Und das hat ziemlich viel mit Michael Bürschs Wirken zu tun. Der Weltuntergang wird heute nicht stattfinden. In ein paar Tagen ist Weihnachten. Das Enter-Team dankt Ihnen, liebe Leser, für die wachsende Aufmerksamkeit. Im neuen Jahr werfen wir weiter den Enterhaken für Sie aus. Bis dahin: Feiern Sie schön. Uwe Amrhein ist Herausgeber von Enter.
http://www.youtube.com/ watch?v=zzZ4TaHA2g8 1
Team: Weltretter
M端ssen nur noc die Welt retten
ch kurz
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Team: Weltretter
Foto: Imago
Heute soll die Welt untergehen – Enter schickt ein letztes Aufgebot in die Schlacht. Wenn sie die Welt nicht retten können – wer dann?
Team: Weltretter
Stephan Urbach
Hacker bei Telecomix, Berlin. Richtet(e) der Opposition in Syrien, Ägypten, Libyen Internetzugänge ein
Nancy Lublin
DoSomething.org, New York. Macht ihr Non-profit durch eine konsequente Fehlerkultur jeden Tag besser
Wir erinnern uns: Auf dem Höhepunkt der Proteste gegen den ägyptischen Diktator Mubarak wurde der Zugang zum Internet überwacht und sogar komplett blockiert, um die Opposition auszubremsen. Stephan Urbach und andere Mitglieder des Hacker-Kollektivs „Telecomix“ gelang es, eine parallele Infrastruktur aufzubauen. Es ermöglichte den ägyptischen Aktivisten so, weiter online zu mobilisieren. Sie recherchierten Faxnummern von Hotels, Bibliotheken und Unternehmen und verschickten Anleitungen, wie man jenseits der kontrollierten Telekommunikationskanäle ins Netz kam. Ähnliche Aktionen fanden in Libyen und Syrien statt.
DoSomething.org aus New York gehört zu den größten Non-profits in den USA, die Projekte für Teenager initiieren und diese aktiv mit einbinden. Die Chefin, Nancy Lublin, gehört zu den ersten NPO-Managern, die erkannt haben, dass man aus Fehlern mindestens ebenso viel lernen kann wie aus Erfolgen. Sie führte ein „Failure Fest“ ein, bei denen Mitarbeiter regelmäßig von Fehlschlägen berichten und gemeinsam erarbeiten, welche Lerneffekte sich aus ihnen ergeben. Ein Konzept, das funktioniert, innovative Qualitätsstandards setzt und die Organisation stärkt. Was Führungskräfte wie Lublin begannen, ist inzwischen ein weltweiter Trend.
http://stephanurbach.de
www.dosomething.org
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Europe vs. Facebook, Wien. Macht vor, wie ein Student einen Weltkonzern in die Pflicht nehmen kann
Max Schrems
Tulio Cardozo
6 Jahre Knasterfahrung, Jungunternehmer, San Francisco. Baut ein XING für Ex-Knastis und bringt sie in Jobs
Gerade einmal 25 Jahre ist der Wiener Jurastudent alt, doch er hat bereits einem Konzern wie Facebook das Fürchten gelehrt. Zuerst hat er durchgesetzt, dass Facebook alle Inhalte, die Schrems betreffen und gespeichert sind, herausgab – ein Konvolut von 1.200 Seiten. Viel wichtiger: Schrems und seine Kampagne „Europa vs. Facebook“ haben erreicht, dass beim Schutz von Nutzerdaten kräftig nachgebessert wurde. Weil Facebook aber noch immer weit von europäischen Datenschutzstandards entfernt ist, wird derzeit eine Klage vorbereitet und dafür Geld gesammelt. 100.000 - 300.000 Euro sollen nun per Crowdfunding zusammenkommen.
Nach langer Haft haben die meisten Häftlinge Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden und neu zu starten. Tulio Cardozo verbrachte selbst sechs Jahre im Gefängnis, konnte aber an einem Programm teilnehmen, das Gefangene mit Betriebswirtschaft und neuen Medien vertraut macht und mit Arbeitgeber zusammenbringt. Wieder in Freiheit, startete er die Plattform „Collaborative Benefit“, die anderen Gefangenen und Freigelassenen ebenfalls die Möglichkeit geben soll, mit unvoreingenommenen Arbeitgebern in Kontakt zu kommen. Die Jobsuchenden stellen ein Profil ein, nennen ihre Qualifikationen und Fähigkeiten und kommen ins Gespräch mit Unternehmen.
www.crowd4privacy.org
http://beta.collaborativebenefit.org 5
Fotos (v.l.n.r): Imago / Future Image, CC BY 2.0 / Joi Ito / Flickr, AFP/Getty Images, CC BY-NC-ND 2. /0 TEDxSanDiego / Flickr
Team: Weltretter
Team: Weltretter
Anja Riise
Radi-Aid, Oslo Führt mit einem genial-viralen Video die Mitleidslyrik von Spendenorganisationen vor
Eim Sarin
Unternehmerin, Slab Ta Oan, Kambodscha Baut mit einem Mikrokredit ihr Restaurant aus und finanziert so die Bildung ihrer Kinder
Es war einer der großen viralen Hits des Jahres 2012: der Radi-Aid-Clip, den Anja Riise und ihre Kollegen vom Internationalen Norwegischen Studentenund Akademiker Hilfsfonds (fördert Bildungsprojekte in Afrika) produziert haben. In dem Video „Africa for Norway“ sammeln Afrikaner Radiatoren für frierende Norweger. Diverse Künstler nehmen dazu noch einen CharitySong auf. Der Clip dreht das übliche Mitleidsszenario um, räumte mit Klischees auf und fordert Respekt bei der Berichterstattung über andere Länder ein. Auf Youtube wurde der Film fast zwei Millionen Mal angesehen.
Eim Sarin ist 36 Jahre als und hat vier Kinder. Ihr Mann besitzt ein MotorradTaxi und verdient auf diese Weise 5 Dollar am Tag. Sarin selbst betreibt ein kleines Restaurant, in dem sie chinesische Nudeln anbietet. Zusammen mit 15 anderen Dorfbewohnern hat sie über die Mikrokredit-Plattform Kiva einen Kredit von 2.325 Dollar erhalten. Von ihrem Anteil konnte sie Fleisch und andere Lebensmittel kaufen, um ihren Restaurantbetrieb auszubauen und so den Unterhalt für ihre Familie zu sichern. Der Kredit ist inzwischen komplett zurückgezahlt. Eim Sarin ist eine von Millionen Unternehmerinnen, die für Wohlstand im Kleinen sorgen.
www.africafornorway.no
www.kiva.org/lend/62926
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Team Cipher
Co-President Games for Change, New York. Weiß, wie der menschliche Spieltrieb soziale Innovationen pushen kann
Soziale Wirkung durch digitale Spiele potenzieren – das ist die Mission von Games for Change, dessen Co-Präsidentin Michelle Byrd ist. Sie heißen Zamzee, Ludwig, Phone Story, Fibber oder Superbetter – so genannte Social Games, die eines gemeinsam haben: Beim Daddeln lernt man etwas, spendet für den Spaß oder lässt dies einen Sponsor tun. Fibber beispielsweise ist ein Ratespiel zu den US-Präsidentschaftswahlen. Sagt der Kandidat die Wahrheit oder lügt er? Das Spiel soll zum selbstständigen Überprüfen von Äußerungen anleiten und eine kritische Perspektive vermitteln. www.gamesforchange.org
David Musinguzi, Aaron Tushabe, Joshua Okello, Josiah Kavuma und Joseph Kaizzi arbeiten als App-Entwickler in Afrika. Sie haben sich einem der drängendsten Probleme des Landes angenommen: der hohen Sterblichkeit von Un-/Neugeborenen und deren Müttern. Sie entwickelten eine Smartphone-App für Hebammen und eine dazugehöriges Hörrohr, das an das Gerät angeschlossen wird. Die App hilft dabei, Risikoschwangerschaften zu entdecken, die Lagerung des Kindes und dessen Bewegungen zu überwachen. So können frühzeitig therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Die App arbeitet schneller und effektiver als andere diagnostische Maßnahmen und kann überall eingesetzt werden. Die fünf Erfinder studieren noch, haben aber schon jetzt Applaus von der internationalen Entwicklerszene erhalten. www.microsoft.com/en-us/news/ features/2012/dec12/12-04ImagineCupGrants.aspx
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Fotos (v.l.n.r): SAIH, Kiva.org, Imago/Horst Galuschka, Microsoft
Michelle Byrd
App-Entwickler, Uganda Retten mit ihrer Smartphone-App für Hebammen täglich Leben
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Co-Gründer, Carreer Moves, Salzburg Vermittelt Menschen mit Behinderung online Jobs
Sprecher Initiative „Zossen zeigt Gesicht“. Übt den aufrechten Gang, dort wo Neonazis auf dem Vormarsch sind
Gregor Demblin ist seit einem Unfall querschnittsgelähmt und kennt die Vorurteile bestens, denen sich Menschen mit Behinderung ausgesetzt sehen. Am Anfang seiner Jobinitiative Career Moves stand eine einfache Erkenntnis: Die meisten Menschen erfahren Dinge wie finanzielle Unabhängigkeit, Selbstverwirklichung, Bestätigung und soziale Beziehungen durch ihre Arbeit. Es sind Erfahrungen, die arbeitslosen Menschen mit Behinderung verwehrt sind. Die Jobplattform macht deren Qualifikationen und Talente sichtbar und erleichtert die Vermittlung an Arbeitgeber.
Die Gründung der Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“ war ein mutiger Schritt. Bewohner der Stadt südlich von Berlin taten sich zusammen, um gegen die immer massiver auftretenden Rechtsradikalen in der Region zu mobilisieren. Die Mitglieder der Initiative sind immer wieder Anfeindungen ausgesetzt: Der Treffpunkt der Initiative wurde beschmiert, das von ihr gegründete „Haus der Demokratie“ angezündet. Zuletzt wurde im Dezember 2012 das Privathaus ihres Sprechers, Jörg Wanke, angegriffen. Für Wanke ist es ein weiterer Einschüchterungsversuch, der ins Leere läuft. Er ist fest entschlossen, seine Arbeit für eine tolerante und vielfältige Stadt Zossen fortzusetzen.
www.careermoves.at
http://zossen.initiativenserver.de
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Fotos (v.l.n.r): CC BY-NC 2.0 / Careesma Group / Flickr, imago/PON
Gregor Demblin
Jörg Wanke
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150 Projektmacher, Stiftungsmitarbeiter und Interessierte 17. November 2012 im Berliner Social Impact Lab. Beim op legten die Teilnehmer die Tagesordnung selbst fest. In 25 S um Wege zur richtigen Transferstrategie, digitale Skalierung Ideenklau oder Projekttransfer durch B端rgerstiftungen. http://opentransfer.de/ Fotos: Holger Gross
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e trafen sich am penTransfer CAMP Sessions ging es g, Wissenstransfer,
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Bea, Matthias, Tobias und Friederike vom Orga-Team
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Florence Klement #kulina stellt ihren Sessionvorschlag vor 14
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Barcamp heißt: Es gibt keinen Vortragenden und keine Zuhörer – alle sind Teilnehmer
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Joana Breidenbach #betterplacelab #trendreport bei ihrem Input zur digitalen Skalierung
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Kein Frontalunterricht – die Sessions geben Raum für Diskussion und Vernetzung
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Wie muss eine Fรถrderpolitik aussehen, die Projekttransfer ermรถglicht, statt ihn zu behindern? Uwe Amrhein #generali #buergermut #weltbeweger diskutiert mit den Camp-Teilnehmern
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Fullhouse: Das Social Impact Lab in Kreuzberg platzte aus allen N채hten. Das n채chste openTrensfer CAMP in M체nchen ist bereits in Planung
Enter wünscht allen Projektmachern, Mutbürgern, Engagierten, Innovatoren, Ideengebern und Kümmerern – also unseren Lesern – ein wunderschönes Weihnachtsfest. Kommen Sie gut ins Neue Jahr, lassen Sie es uns wissen, wenn es bei Ihnen Neuigkeiten gibt und bleiben Sie uns treu! Ihre Enter-Redaktion
www.entermagazin.de Die nächste ausgabe erscheint am 14.2.2013
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