WASSER - Entdeckung des Blauen Planeten

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Wasser Entdeckung des Blauen Planeten

Markus Eisl GErald MansbErGEr Paul schrEilEchnEr

Frederking & Thaler



INHALT 6 8 10

Vorwort – eintauchen in eine neue Welt Übersichtskarte Einleitung – von der Bedeutung des Wassers

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VOM WASSER GEFORMT

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Georisiko Mensch von Stefan Rahmstorf

AM WASSER GEBAUT

Den Elementen ausgesetzt von Wolfgang Kron Wenn die Flut kommt von Josef H. Reichholf

DAS ELEMENT DES LEBENS

Am Wendepunkt von Lars Abromeit Verletzliches Blau von Kim Detloff Ein umkämpftes Gut von Diana Hummel

MIT DER KRAFT DES WASSERS

Im Lithium-Rausch von Karl-Heinz Otto

PARADIESE AM WASSER

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Poseidons Gärten von Robert Hofrichter Paradies auf Abruf von Josef H. Reichholf

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Making Of – Schnappschüsse aus dem Weltall Impressum

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Einleitung

VON DER BEDEUTUNG DES WASSERS O

hne Wasser geht für den Menschen auf der Erde nichts, nur wenige Tage kann er ohne dieses Element überleben. Die Bedeutung des Wassers für den Menschen zeigt sich überall – von der Landwirtschaft bis zur Energieerzeugung, von der Fischerei bis zum Schutz von Küsten. Über die materielle Sphäre hinaus zeigt sich seine Wichtigkeit aber auch in kulturellen Errungenschaften – in Werken der Weltliteratur oder in der Architektur von Brunnen und Parkanlagen. Wasser spielt für uns Menschen eine zentrale Rolle, ist aber wie alle Ressourcen nicht beliebig verfügbar. Umso wichtiger ist es, damit sorgsam umzugehen.

Die anziehende Wirkung von Wasser, die weit über seine Rolle als lebensnotwendiger Stoff hinausgeht, beginnt schon im Kindesalter zu wirken. Kaum ein Kind, das nicht jede Gelegenheit nützen würde, sich spielerisch mit den mannigfachen Eigenschaften dieses Elements auseinanderzusetzen und seine Möglichkeiten zu erkunden. Und wenn sich die Menschen in der Freizeit und im Urlaub ihre Wünsche erfüllen wollen, spiegeln sich diese Wünsche in der Wahl ihres Urlaubsortes und ihrer Freizeitaktivitäten wider.

Bei Betrachtung sowohl der beliebtesten Tourismusdestinationen als auch der populärsten Freizeitbeschäftigungen – etwa beim Sport – fällt sogleich ins Auge, dass sehr viele von ihnen mit Wasser zu tun haben. Sommerurlaube mit Sonne, Strand und Meer, aber auch Winterurlaube etwa in den Skigebieten der Alpen wären ohne Wasser in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen nur wenig reizvoll. Obwohl alltäglich und in gewisser Weise selbstverständlich, wirkt Wasser dennoch auf vielen Ebenen faszinierend. Von mikroskopisch kleinen Eiskristallen, die trotz der Regelmäßigkeit ihrer sechszähligen Symmetrie mit einer unendlichen Formenvielfalt bezaubern, über die tosende Wucht der großen Wasserfälle bis hin zu den elementaren Naturkatastrophen großflächiger Überschwemmungen und Tsunamis, denen Zehntausende Menschen hilflos ausgeliefert sind – die Faszination des Wassers liegt in seiner Schönheit ebenso wie auch in seinem Schrecken.

Aus alten Erzählungen Die Faszination des Wassers zeigt sich auch in den großen Erzählungen der Menschheit, in Sagen und Mythen, welche Anfang und Ende des Universums und des Menschen in kraftvolle Geschichten kleideten und damit in vorwissenschaftlicher Zeit die Rollenver-

»Das Prinzip aller Dinge ist das Wasser, denn Wasser ist alles und ins Wasser kehrt alles zurück.«

Thales von Milet, um 625–547 v. Chr.

 Aquarell im Golf von Mexiko 29°10' N · 89°17' W (12.01.2014)

Hoher Sedimentgehalt nach heftigen Niederschlägen im Einzugsbereich des Mississippis färbt dessen Wasser braun. An den Mündungen mischt es sich mit dem Meerwasser und wird von Strömungen im Golf von Mexiko in feinen Farbnuancen verteilt. Das Nebeneinander von Natur und Nutzung durch den Menschen sowie das unglaublich variable Erscheinungsbild des Deltas machen es zu einem Paradebeispiel für die Vielfalt und die Wandelbarkeit des Wassers.

VON DER BEDEUTUNG DES WASSERS

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Architekt Wasser

VOM WASSER GEFORMT

SCHLEIFEN IM FELS: Oberhalb des Lake Powells verläuft der Colorado River durch den Canyonlands National Park. Sehr deutlich lässt sich an den steilen Wänden der Schlucht die Abfolge der Sedimentschichten verfolgen, durch die sich der Fluss hindurchgearbeitet hat (38°14‘ N · 109°49' W; 22.04.2013).


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Ein Beispiel dafür, wie sich Landschaften nach dem Verlust der schützenden Vegetationsschicht entwickeln können, ist etwa in der Karstlandschaft an der Adria zu finden, wo zur Befriedigung des Holzbedarfs für den Schiffbau schon zur Zeit des Römischen Reiches der ursprüngliche Wald gerodet wurde. Regen spülte die nun nicht mehr von Wurzeln gehaltene Humusschicht rasch vom wasserdurchlässigen Gestein des Kalkgebirges fort, sodass in der Folge der Kalkfels direkt der Erosion ausgesetzt war. Da die Bildung einer tragfähigen Humusschicht ein langwieriger Prozess ist, lässt sich eine derartige Degradation des Bodens nur schwer rückgängig machen. Ein weiteres Beispiel für die landschaftsformende Kraft der Pflanzen ist ihre Rolle bei der Bildung von Feuchtgebieten und Mooren, welche nach und nach Seen füllen und verdrängen. Pflanzen sind nicht die einzigen Lebewesen, die zur Formung von Landschaften beitragen. Die erwähnten Kalkfelsen würden ohne die Myriaden versteinerter Kalkskelette von Muscheln, Korallen und anderen Meeresbewohnern, die vor vielen Millionen Jahren gelebt haben, nicht existieren. Auch heute erleben wir,

wie durch das stete Wirken von Korallen die Riffe wachsen. Am bekanntesten ist hier sicher das Great Barrier Reef, das sich über eine Länge von 2300 Kilometern vor der Küste Nordostaustraliens erstreckt. Diese Korallenriffe stellen mit ihren zahllosen kleinen Inseln selbst wichtige Landschaftselemente und Lebensräume für zahlreiche Tierarten dar, schützen aber zugleich auch die dahinterliegenden Küsten, wenn Stürme die Brandung mit zerstörerischer Kraft hereinbrechen lassen. Eine Sonderform dieser Riffe sind die ringförmigen, oft sehr schmalen und kaum über den Meeresspiegel ragenden Inseln der Atolle, deren Verletzlichkeit auch im Satellitenbild augenscheinlich wird. Diese Lebensräume sind von einem Ansteigen des Meeresspiegels und der Wassertemperatur in besonderem Maße gefährdet. Auch größere Tiere sind an der Gestaltung der Landschaft beteiligt. Der in Europa und Kanada heimische Biber ist dafür bekannt, dass er durch seine wasserbaulichen Aktivitäten ganze Landstriche verändern kann. Durch aufwendige Dämme staut er kleinere Flüsse auf und lässt damit sogar kleinere Seen entstehen.


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Die Ausbreitung des Menschen hat allerdings die dafür benötigten nicht regulierten Flussläufe selten werden lassen. Durch Jagd und Verlust seines Lebensraums war der Biber daher in Mitteleuropa fast verschwunden. Seit wenigen Jahrzehnten aber wird er in einigen Gebieten wieder angesiedelt.

Der Mensch macht sich seine Welt Spätestens seit der sogenannten neolithischen Revolution, als der Mensch sesshaft wurde und gezielt Landwirtschaft zu betreiben

begann, sind die Auswirkungen seines Eingreifens auf der Erde nicht mehr zu übersehen. Waren es zuvor noch indirekte Einflüsse – etwa durch Veränderung der Bestände an jagdbarem Großwild, die wiederum auf die Entwicklung der Vegetation zurückwirkte – so trat nun die direkte Einflussnahme des Menschen auf seine Umwelt in den Vordergrund. Wälder wurden für Anbauflächen und Viehweiden, aber auch zur Gewinnung von Holz für Holzkohle und als Bauholz gerodet. Auf immer größeren Flächen wurden ausgewählte Zuchtpflanzen angebaut. Der Bau von Sied-

 Flussläufe im Schlick

54°41' N · 8°46' O (15.07.2002 und 15.05.2000) Die Nordseeküste ist von den Niederlanden über Deutschland bis nach Dänemark vom ständigen Wechsel der Gezeiten geprägt. Im seichten, bei Flut (rechts) wasserbedeckten Uferbereich zieht sich das Meer bei Ebbe (links) kilometerweit zurück und hinterlässt den Schlick der Wattflächen, die von stark veränderlichen Abflussrinnen, sogenannten Prielen, durchzogen sind.

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Zwischen Feuer und Wasser 22°10' N · 159°40' W (11.09.2011) Die Inseln von Hawaii sind durch das Wechselspiel zwischen den aufbauenden vulkanischen Kräften und den Erosionskräften von Regen und Meer geprägt. Dies zeigt sich auch am schwer zugänglichen Honopu-Tal im Nordwesten der Insel Kaua’i. Die dunklen vulkanischen Felsen bilden eine steil aufragende und von zahlreichen Taleinschnitten geformte Küste, an deren Hängen dichter Farn zu finden ist.


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Inmitten von Brandung und Gezeitenströmen 48°55' S · 75°38' W (28.02.2005) Stark zerklüftet und einem rauen Klima ausgesetzt, ist der Süden Chiles nur dünn besiedelt. Der Patagonische Archipel entlang der Pazifikküste verdankt seine Struktur dem Absinken einer von Gletschern geformten Gebirgslandschaft. Die südlich des Golfo de Penas gelegene Isla Esmeralda ist eine dieser Erhebungen, die aufgrund der tektonischen Aktivität entlang des Pazifischen Feuerrings entstanden sind.

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Die gefrorenen Flüsse 69°37' N · 25°18' W (28.08.2000) In Grönland ziehen die Eisströme der Gletscher über viele Kilometer durch Täler, die sie selbst geformt haben, wobei die komplexen Strömungslinien durch die dunklen Mittelmoränen hervorgehoben werden. Das Gewicht des Eispanzers drückt den Untergrund in die Tiefe, sodass ganze Gebirge unter dem Meeresspiegel liegen. Bei Entlastung werden diese wieder gehoben.

EISZEITLICHES ERBE

Betrachtet man einen der großen Alpengletscher, die wie eingefrorene Eisströme in ihren Tälern liegen, fällt es schwer zu glauben, dass es sich bei Gletschern um äußerst effiziente Gestalter von Landschaften handelt. Obwohl sie nur langsam fließen, üben sie mit ihrem Gewicht und mitgeführtem Geröll eine starke erodierende Wirkung auf den Untergrund aus. Sichtbar werden die Auswirkungen dann, wenn sich die Gletscher zurückziehen, wie es etwa am Ende der letzten Eiszeit der Fall war. Viele der ausgeschliffenen Täler bilden auch heute noch die Becken von Seen, zum Beispiel im Alpenvorland.

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GEORISIKO MENSCH

Wie der Klimawandel das Gesicht der Erde verändert

I

m Laufe von Jahrmillionen hat sich das Klima auf der Erde immer wieder stark verändert. Eiszeiten und wärmere Perioden wechselten sich ab. Nie zuvor allerdings verlief ein Erwärmungsprozess so rasch wie heute. Drei große Gestaltungskräfte formen das Antlitz unseres Planeten: die Plattentektonik, das Klima und das Leben. Der Antrieb für die Plattentektonik, also die Wanderung der Kontinente und die Bildung von Gebirgen, liegt im heißen Inneren der Erde. Der Energiestrom, der das Klimageschehen und das Leben antreibt, kommt dagegen von der Sonne. Das Leben auf der Erde ist kein passiver Passagier, der sich einfach nur an die Bedingungen auf der Erde angepasst hat. Nein, das Leben hat unseren Planeten schon seit Milliarden Jahren in Besitz genommen und dabei völlig umgestaltet. Auch die Klimabedingungen werden vom Leben geprägt. Im Kleinen kennt das jeder Wanderer: Das Klima im Schutz eines Waldes ist ein völlig anderes als nebenan auf einer öden Geröllfläche. Im Großen verändert die Pflanzendecke erheblich die Helligkeit der Erdoberfläche und damit den Anteil der Sonneneinstrahlung, der ins Weltall zurückgespiegelt wird – und damit wiederum die Wärmebilanz unseres Planeten. Noch wichtiger: Das Leben hat die Gaszusammensetzung unserer Atmosphäre komplett verändert. Ohne Leben wäre die Luft praktisch frei von Sauerstoff. Aber auch die Menge der wichtigen Treibhausgase Kohlendioxid und Methan wird entscheidend durch das Leben kontrolliert, und damit das Klima. Dabei spielen zum Beispiel winzig kleine Mikroalgen in den Ozeanen eine zentrale Rolle, deren Kalkschalen nach ihrem Tod auf den

Meeresgrund sinken: Diese Ablagerung in den Sedimenten ist der zweifellos wichtigste Prozess, der zur Entnahme des Kohlenstoffs aus dem Klimasystem beiträgt. Dies gleicht gerade die durch Vulkanaktivität hinzukommenden Mengen aus. Forscher betrachten daher die Biosphäre als einen integralen Bestandteil des Klimasystems – Klima und Leben würden wir also gar nicht als zwei separate Gestaltungskräfte auffassen. Klima und Leben entwickeln und verändern sich gemeinsam – und formen dabei das Gesicht unserer Erde. Einblicke in die große Klimamaschinerie Ablagerungen am Meeresgrund oder Treibhausgase in der Atmosphäre sind bedeutende, vor unseren Blicken verborgene Aspekte der großen Klimamaschinerie. Die unmittelbar sichtbarsten Anzeichen großer Klimawechsel sind dagegen die Eismassen der Erde. In der modernen Ära senden uns Satelliten spektakuläre Bilder von Gletschern, vom Packeis auf dem Meer und von den gigantischen Eisschilden und deren Veränderungen. Wir wissen, dass unser Planet über die letzten drei Millionen Jahre von zyklisch wiederkehrenden Eiszeiten erfasst wurde – Warmperioden wie die letzten gut zehntausend Jahre waren in dieser Phase die Ausnahme. Die Eismassen auf dem Höhepunkt dieser Eiszeiten muss man sich gigantisch vorstellen: Mehrere Tausend Meter dicke Eisschichten, entstanden durch Schneefälle, bedeckten große Teile Nordamerikas und Eurasiens. Es gab damals insgesamt rund dreimal so viel Kontinentaleis wie heute. Auch die Küstenlinien sahen deutlich anders aus, denn der globale Meeresspiegel lag rund 120 Meter niedriger als heute, weil das im Meer fehlende Wasser in Form von Eis auf dem Land lag.

Blickt man weiter in die Klimageschichte zurück, etwa auf die vergangenen 500 Millionen Jahre, so findet man die meiste Zeit fast gar kein Eis auf Land. Das Klima war zumeist deutlich wärmer, sehr wahrscheinlich wegen größerer Mengen an Kohlendioxid in der Luft, was mit sehr langsamen, natürlichen Veränderungen im oben erwähnten Kohlenstoffkreislauf zusammenhängt. Die Erdgeschichte zeigt also: Das Klimasystem ist keineswegs grenzenlos stabil. Vom Verschwinden der arktischen Eisdecke Aktuell befinden wir uns in einer klimahistorisch betrachtet extrem rapiden globalen Erwärmungsphase. Seit dem späten 19. Jahrhundert ist die globale Temperatur um ein Grad gestiegen. Zum Vergleich: Am Ende der letzten Eiszeit vor rund 15 000 Jahren stieg die globale Temperatur um rund fünf Grad, aber dieser Anstieg dauerte etwa 5000 Jahre – das Tempo betrug also nur etwa 0,1 Grad pro Jahrhundert. Hauptursache dieser modernen globalen Erwärmung ist der Mensch. Wir wissen das unter anderem, weil wir die Wärmebilanz unseres Planeten gut genug verstehen. Die größte Störung dieser Wärmebilanz ist der Anstieg der Treibhausgasmengen in der Luft, vor allem von Kohlendioxid. Dessen Hauptquelle ist die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas – dadurch bringen wir heute pro Jahr rund hundertmal so viel Kohlenstoff aus der Erdkruste in die Atmosphäre wie im Durchschnitt aus allen Vulkanen kommt. Der Kohlendioxidanteil der Luft liegt heute schon um ein Drittel höher, als er es seit mindestens einer Million Jahre gewesen ist. Wenn wir nun die globale Erwärmung nicht rasch stoppen, wird sie uns in den kommenden Jahrzehnten weit aus dem Erfahrungsbereich der stabilen Klimaperiode


der vergangenen zehntausend Jahre hinauskatapultieren, in der die menschliche Zivilisation sich entfalten konnte. Das Antlitz unserer Erde wird sich dabei deutlich verändern. Anders als bei den Umwälzungen in der bisherigen Erdgeschichte wird diesmal der Mensch die Ursache sein – und es wird drastisch schneller gehen. Schon jetzt sind die ablaufenden Veränderungen deutlich aus dem All sichtbar. Die Sommer-Eisdecke auf dem arktischen Ozean ist in den letzten drei bis vier Jahrzehnten um die Hälfte geschrumpft. Auch das Eis an Land schmilzt – in unseren Alpen etwa ist in den letzten hundert Jahren schon über die Hälfte des Gletschereises verschwunden, in letzter Zeit hat sich dieser Schwund sogar noch beschleunigt, und auch die großen Eisschilde auf Grönland und der Antarktis schrumpfen. Und Messungen von Satelliten belegen: Das Meeresniveau steigt in den letzten Jahrzehnten um über drei Zentimeter pro Dekade. Dieser Anstieg des Meeresspiegels, der sich bei weiterer globaler Erwärmung noch beschleunigen wird, wird im Laufe der nächsten Jahrhunderte kontinuierlich unsere Küstenlinien verändern. Bislang ist der Meeresspiegel seit dem 19. Jahrhundert weltweit um rund 20 Zentimeter angestiegen, davor war er jahrtausendelang stabil. Die Folgen sind bereits heute an manchen Orten in Form von verheerenden Sturmfluten spürbar. In diesem Jahrhundert rechnet der Weltklimarat mit bis zu einem Meter Anstieg – in kommenden Jahrhunderten dürften mehrere Meter folgen, wenn die Erwärmung nicht doch noch bald durch entschlossenes politisches Handeln gestoppt wird. Ganze Inselstaaten werden untergehen, manche Küstenstädte aufgegeben werden müssen.

(etwa der Mittelmeerraum) werden erhebliche Probleme mit zunehmender Dürre bekommen – teilweise haben sie die bereits. Waldbrände nehmen zu, große Waldgebiete drohen verloren zu gehen. Für uns Menschen besonders gravierend sind die erwarteten negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernteerträge, die in manchen Weltregionen die Ernährungssicherheit erheblich gefährden könnten. Unsere Erde ist ein Planet, der in seiner Geschichte schon vielfach auch dramatische Wandlungen durchlebt hat. Auch der moderne, vom Menschen verursachte Klimawandel wird das Antlitz der Erde wieder erheblich umgestalten – wir befinden uns erst am Anfang dieses schon deutlich sichtbaren und messbaren Prozesses. Die Erde wird auch diese Umwälzung überleben. Wie gut die Menschheit damit zurande kommen wird, ist dagegen eine andere Frage.

Prof. Stefan Rahmstorf, Jahrgang 1960, ist Ozeanograf und Klimaforscher. Er lehrt an der Universität Potsdam im Fach »Physik der Ozeane«. Rahmstorf diente von 2004–2013 im Wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung und ist Mitglied in der Academia Europaea. Er war zudem einer der Leitautoren des 2007 veröffentlichten Sachstandsberichtes des Weltklimarates (IPCC) und hat bis über 90 Fachpublikationen und mehrere Bücher zum Klimawandel veröffentlicht.

»Die Folge der Erderwärmung: Ganze Inselstaaten werden untergehen, manche Küstenstädte aufgegeben werden müssen.«

Werden wir mit den Konsequenzen der Erderwärmung leben können? Das Gesicht unserer Erde wird sich aber auch durch die Auswirkung des Klimawandels auf die Vegetationsdecke unserer Kontinente verändern. Manche Regionen

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Krähenfuß im Golf von Mexiko 29°12' N · 89°41' W (November 2006) Das Delta des Mississippi ist aus Sedimenten des Flusses gebildet, die wegen der nur geringen Strömungen im Golf von Mexiko an Ort und Stelle abgelagert wurden. Damit haben sich die Mündungsenden immer weiter ins offene Meer verlagert und dem Delta die Form eines Vogelfußes gegeben. Regulierungsmaßnahmen am Fluss haben zu einem Rückgang des Sedimentnachschubs geführt, sodass das Delta am Rand vom Meer angegriffen wird.

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Siedlungsraum Wasser

AM WASSER GEBAUT

STADT ZWISCHEN DEN KONTINENTEN: Istanbul ist die einzige bedeutende Stadt, die auf zwei Kontinenten liegt. Die für die Kontrolle der Schiffsroute zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer so günstige Lage an der Meerenge des Bosporus bildete die Grundlage für die über Jahrhunderte dominante Position Istanbuls (41°01' N · 28°58' O; 20.03.2010).


Weiße Häuser auf schwarzem Felsen 36°25‘ N · 25°26‘ O (07. 08. 2012) Santorin, in klassisch-griechischer Zeit Thera genannt, ist eine seit Jahrtausenden bewohnte Vulkaninsel in der Ägäis. Ihre Form erhielt die Insel vor etwa 3500 Jahren, als eine Explosion des Vulkans die heutige, durchbrochene Ringstruktur mit steilen, bis zu 300 Meter hohen Kraterinnenwänden hinterließ. Mit ihrem reizvollen Gegensatz zwischen dem dunklen Vulkangestein und den weiß gekalkten Häusern ist Santorin zu einem der wichtigsten Tourismusziele des Mittelmeerraums geworden.

SCHWIMMENDE STÄDTE

Wenn die »Allure of the Seas« einen Hafen anläuft, ist es so, als würde ein zusätzlicher Stadtteil andocken. Als derzeit größtes Kreuzfahrtschiff weist es beachtliche Maße auf: Bei 362 Metern Länge und 66 Metern Breite bietet es auf 16 Decks insgesamt 5400 Passagieren Platz für einen entspannten Urlaub. Im weltweit zunehmenden Tourismus sind Kreuzfahrten eines der am stärksten wachsenden Segmente – für 2015 werden allein aus Deutschland bereits mehr als 2 Millionen Kreuzfahrt-Touristen erwartet. Die Umweltauswirkungen der schwimmenden Großhotels sollen mit der Einführung von höheren Standards für die Treibstoffqualität und strengeren Regeln für die Fahrtrouten begrenzt werden. Auch Unfälle wie jener der »Costa Concordia«, deren Havarie vor der italienischen Insel Giglio 32 Todesopfer forderte, sollen damit vermieden werden.

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Hübsch aufgereiht 25°50' N · 50°36' O (13.11.2013) 15 künstliche, über Brücken verbundene Inseln sollen bis 2015 das an ein Collier mit fischförmigen Anhängern erinnernde Durrat alBahrain an der Südspitze des Inselstaats Bahrain bilden. Ähnlich den Projekten »The Pearl« und »The World« vor Dubai sollen auf diese Weise vom Meer umgebene Flächen geschaffen werden. Im heißen Wüstenklima der Region soll damit ein angenehmeres Wohnklima erzielt werden.

KUNSTWELTEN

Die künstlich errichteten Inselwelten der durch Öl reich gewordenen Staaten am Persischen Golf haben in den vergangenen Jahren immer wieder Aufsehen erregt. Sie gehören zu den aufwendigsten Einzelprojekten, mit denen die Landschaft verändert wurde. Zudem zielen sie wohl aus Marketinggründen mit ihrer Struktur auch auf Sichtbarkeit aus dem All ab und regen damit leichter als andere, vielleicht sogar massivere Eingriffe in die Umwelt, zu Diskussionen an. Bei der Errichtung der einige Kilometer großen Inseln werden Hunderte Millionen Tonnen Sand und Gestein bewegt; für die Stabilisierung der Uferbereiche müssen Wellenbrecher aus massiven Felsblöcken geschaffen werden. Nach ihrer Fertigstellung dienen die Inseln auch als Plattform für Wohn- und Geschäftsbauten, Hauptziel ist aber die Errichtung von Hotelresorts, um den Tourismus in der Region zu fördern.

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Fatal verrechnet 31°26' N · 31°51' O (11.10.2013) Durch Drainagen wurde seit den 1980erJahren ein großer Teil des Brackwassersees Bahra al-Manzala im nordöstlichen Bereich des Nildeltas trockengelegt und ging so für die Fischerei verloren. Die Ernteerfolge auf den neu gewonnenen Flächen aber blieben wegen des salzigen Bodens hinter den Erwartungen zurück. In unmittelbarer Nähe zur Stadt Damiette wird auch Salz gewonnen.

KONFLIKTSTOFF WASSER

Bei Wasser handelt es sich um eine Ressource, die auf äußerst vielfältige Weise genutzt werden kann. Von der Fischzucht bis zur Bewässerung, von der Energiegewinnung bis zum Transportmittel, von der Verwendung in Herstellungsprozessen bis hin zum Einsatz als Reinigungsmittel und als Lebensmittel, um nur einige Beispiele aus der bunten Palette zu nennen. Oft genug kommt es dabei zu Konflikten zwischen unterschiedlichen Nutzern, etwa bei der Verschmutzung von als Trinkwasserquelle genutzten Gewässern durch Industrieanlagen oder bei der Verwendung von Wasser zum Bewässern, das flussabwärts für die Energieerzeugung fehlt. In diesem Zusammenhang besonders problematisch sind Bergbaubetriebe, deren Belastungen das Wasser noch fern vom Verursacher unbrauchbar machen können.

DAS ELEMENT DES LEBENS

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Andrang der Glücksritter 13°01' S · 69°58' W (25.06.2012) Bei der Eroberung Südamerikas spielte die Suche nach Gold stets eine wesentliche Rolle – so auch am Rio Tambopata im peruanischen Südwesten des Amazonasbeckens, wo am Rand des Naturschutzgebiets Tambopata meist illegal nach Gold geschürft wird. Der Goldrausch hat die Zahl der Bewohner des Gebiets von weniger als 100 auf über 30 000 anwachsen lassen.

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Für den Weitertransport gelagert 1°16‘ N · 103°50‘ O (14. 06. 2012) Wegen seiner beschränkten Fläche hat der Inselstaat Singapur die nach Macau und Monaco dritthöchste Bevölkerungsdichte aller Länder. Ein großer Teil der Fläche wird zudem von den Logistikbereichen der Hafenanlagen beansprucht, die Singapurs Rolle in der Weltwirtschaft begründen. Im Jahr 2013 wurden mehr als 32 Millionen Standardcontainer umgeschlagen, damit gehört Singapur zu den größten Häfen der Welt.

WIRTSCHAFT AUF WELTREISE

Mitte der 1950er-Jahre wurde für die Bewältigung des zunehmenden weltweiten Gütertransports mit den Standard-Containern eine neue Lösung gefunden. Bei genormten Längen von 40 und 20 Fuß (das sind etwa zwölf beziehungsweise sechs Meter) fassen diese zwischen etwa 21 und 40 Tonnen Ladung. Sie lassen sich zudem lückenlos stapeln und unabhängig von ihrem Inhalt umstandslos vom Schiff auf die Bahn oder Lkws verladen. Damit bilden sie die Voraussetzung für einen effizienten Frachtumschlag sowie für vergleichsweise niedrige Transportkosten, und damit auch eine der Grundlagen für die globalisierte Wirtschaft. Die jährlich knapp 30 Millionen Standard-Container, die allein im zweitgrößten Containerhafen der Erde in Singapur umgeschlagen werden, veranschaulichen den Umfang dieses weltweiten Gütertransports. Da fallen die 2000 bis 10 000 Container, die laut Versicherungsinstituten jedes Jahr auf hoher See verloren gehen, kaum ins Gewicht.

MIT DER KRAFT DES WASSERS

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Zerstörung statt Kühlung 37°25' N · 141°02' O (19.08.2013) Als Folge des Tsunamis vom 11. März 2011 versagte im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi die Versorgung mit Kühlwasser. In den darauffolgenden Tagen kam es in drei der vier Reaktorblöcke zu Kernschmelzen; große Mengen radioaktiven Materials wurden freigesetzt. Zehntausende Menschen mussten evakuiert werden. Kontaminiertes Kühlwasser wird seither in zahlreichen Tanks auf dem Kraftwerksgelände gesammelt und zwischengelagert.

KRAFTWERT ALS UMWELTHEIZUNG

Wasser wird im Zusammenhang mit der Stromerzeugung fast nur als Energielieferant in Wasserkraftwerken gesehen. Doch auch viele andere Kraftwerkstypen sind auf Wasser angewiesen, das hier als Kühlwasser oder als Energieüberträger eingesetzt wird – etwa in Dampfturbinen. Die Wassermengen, die zur Kühlung in Wärmekraftwerken eingesetzt werden müssen, sind enorm – ganz gleich, ob diese mit Kohle, Gas oder Kernkraft betrieben werden. Üblicherweise werden leistungsstarke Kernkraftwerke daher an Gewässern errichtet, denen ausreichend Kühlwasser entnommen werden kann. Eine ausfallsichere Konstruktion der Kühlsysteme ist dabei besonders wichtig, da ihr Versagen zu katastrophalen nuklearen Unfällen führen kann.

MIT DER KRAFT DES WASSERS

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Fragile Netze im Permafrost 71°18' N · 136°23' O (10.09.2005) Über weite Bereiche ist Ostsibirien vom Permafrost geprägt, so auch im Delta der Jana, die hier in die Jana-Bucht mündet. Wie sehr der Frost die Gegend im Griff hat, zeigt sich auch daran, dass die Jana-Bucht bis zu neun Monaten im Jahr von Eis bedeckt ist. Die Strukturen der Netzböden und die zahlreichen Seen entstehen beim wiederholten Gefrieren und Auftauen der Tundra.

TREIBHAUSGAS IM PERMAFROST

Fast ein Viertel der Landfläche der Erde ist von Permafrost bedeckt, vor allem Gebiete um das Nordpolarmeer. Permafrostböden spielen in allen Klimamodellen eine bedeutende Rolle, da ein Ansteigen der Temperatur zum Auftauen des gefrorenen Bodens führen kann. Dadurch ginge zum einen die Stabilität des Bodens verloren, was Bauwerke instabil macht und in gebirgigem Gelände Hänge ins Rutschen bringen würde. Gleichzeitig würden große Mengen Kohlenstoffdioxid und Methan freigesetzt, die derzeit in der Biomasse des Bodens gebunden sind – Gase, die selbst als Treibhausgase zur Erwärmung der Erde beitragen. Methan weist sogar das 25- bis 33-fache Treibhauspotenzial von Kohlenstoffdioxid auf. Anzeichen für ein beginnendes Auftauen von Permafrostböden sind in Sibirien und Alaska zu beobachten.

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Labor der Evolution 0°17' S · 91°21' W (17.08.2009) Etwa 1000 Kilometer vor der Küste Ecuadors liegen die vulkanischen Galapagosinseln. Ihre isolierte Lage führte zur Ausbildung einer sehr eigenen Tierund Pflanzenwelt, mit der bereits Charles Darwin die von ihm entwickelte Evolutionstheorie untermauerte. Riesenschildkröten und Meeresechsen, die auf der Suche nach Algen bis zu neun Meter tief im Ozean tauchen, gehören zu den bekannten Beispielen.

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Mangroven zwischen Ebbe und Flut 16°13' S · 123°47' O (07.07.2011) Rundgeschliffene Felsformationen bilden die Küstenlandschaft des nordwestaustralischen Kimberley mit ihren zahlreichen vorgelagerten Inseln. Die Buchten sind deutlich vom Wechsel der hier stark ausgeprägten Gezeiten geformt und bieten mit ihren Mangrovenwäldern Lebensraum für viele Tierarten.

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