DAS MAGAZIN DER ERKLÄRUNG VON BERN
# 01 JANUAR_14
Marine Harvest
FIFA
Eskom
Glencore Xstrata
Gap
Gazprom
HSBC
Syngenta A US B EU TER I S C H E A RBEI TS B ED I N -
P U B L I C EYE AWARDS
GUN G EN , U M W EL T-
Firmen im Scheinwerferlicht
SÜN D EN O D ER A NDER E M ES C H EN RE CHTS V ER L ET-
Das Public Eye stellt ins Scheinwerferlicht, was Firmen zu verbergen versuchen. Z UN G EN :
Die Public Eye Awards sind wieder da, und sie sind notwendiger denn je! Unzählige Unternehmen haben sich auch letztes Jahr nicht in Zurückhaltung geübt, wenn es um unverantwortliche Geschäftspraktiken geht. Bestimmen Sie mit, welche der acht nominierten Firmen den People’s Award 2014 erhalten soll. TEXT_SILVIE LANG // BILDER_SIEHE SEITE 3
Die Nominationen für die Public Eye Awards 2014 lesen sich wie tragische Horrorgeschichten. Ausbeuterische Arbeitsbedingungen, die Verseuchung von Gewässern, die korrupten Geschäfts-
praktiken und die aggressive Steuervermeidung sind aber leider allzu wahr. Auf unserer brandneuen Website www.publiceye.ch können Sie sich selbst ein Bild machen und jenen Fall auswählen, der Ihnen die Haare am meisten zu Berge stehen lässt. Auf der Rangliste können Sie zudem live mitverfolgen, wer im Rennen um den Publikumspreis gerade vorne liegt. Die unabhängige Jury hatte keine leichte Aufgabe, aus den eingereichten Fällen die aktuellsten und relevantesten auf die Shortlist für den People’s Award 2014 zu setzen und den Gewinner des Jury-Preises zu wählen. Neben Vertreterinnen FORTSETZUNG>>
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2 __ P U B LIC EYE
BESTIMMEN SIE DAS ÜBELSTE UNTERNEHMEN 2013! JETZT ABSTIMMEN: WWW.PUBLICEYE.CH
DIE NOMINIERTEN FIRMEN Eskom
Glencore Xstrata
SÜ D A F R IK A
JE RSE Y, SCH W E IZ ( OP E RA T IV E R & ST E UE RLICH E R H A UP T S I TZ)
Die Kohlekraftwerke des Energiekonzerns gefährden die Gesundheit der Bevölkerung. Eskom hält sich nicht an Luftqualitätsstandards und beantragt in einigen Fällen gar, davon ausgenommen zu werden. Während über 3 Millionen Haushalte wegen der horrenden Preise keine Elektrizität haben, wird die Industrie zu einem Bruchteil des Strompreises versorgt.
Durch die Bergbau-Aktivitäten von Glencore Xstrata werden Bevölkerungsgruppen vertrieben, die Umwelt verschmutzt, Gesellschaften gespalten und Behörden korrumpiert. Die aggressive Steuervermeidung bringt zudem Förderländer um dringend nötige Einnahmen. Glencore Xstrata bestreitet weitgehend ihre Verantwortung für diese Missstände.
FIFA
HSBC
S C H W EIZ
GROSSBRIT A NNIE N
In den 12 Austragungsorten der Fussball-WM 2014 wurden Hunderttausende aus ihrem Zuhause zwangsvertrieben. Die Einkommensgrundlage zahlreicher Strassenverkäufer wird mit den exklusiven FIFA-Zonen im Umkreis von 2 km um Stadien zunichte gemacht. Die FIFA macht sich durch ihre zahlreichen Bedingungen an das Gastland Brasilien an diversen Menschenrechtsverletzungen mitschuldig.
Die Bank beteiligt sich an der Finanzierung zweier Palmölfirmen, die dafür bekannt sind, Menschenrechte nicht zu respektieren. Trotz Studien, welche deren verantwortungslose Geschäftspraktiken belegen, vergibt HSBC diesen Firmen Kredite, hält deren Aktien und ermöglicht ihnen damit, Landenteignungen und Umweltzerstörung weiterzuführen.
Gap
Marine Harvest
USA
NORW E GE N
Auch nach dem Einsturz der Rana-Plaza-Fabrik in Bangladesch mit mehr als 1100 Toten weigert sich Gap, Verantwortung zu übernehmen und das Sicherheitsabkommen zum Schutz der Arbeitnehmenden in Bangladesch zu unterzeichnen. Gap stellt ein eigenes rechtlich unverbindliches Abkommen als PR-Massnahme über die Sicherheit und Rechte der Textilarbeitenden.
Das weltweit grösste Lachszucht-Unternehmen gefährdet in Chile die Lebensgrundlage und den Lebensraum indigener Gemeinschaften und verunmöglicht die lokale Fischerei. Trotz Widerstand der Bevölkerung und einer Strafe des Obersten Gerichtshofs wegen Umweltverschmutzung züchtet Marine Harvest munter weiter.
Gazprom
Syngenta Bayer BASF
RUSSLAND
SCH W E IZ ( SYNGE NT A ) D E UT SCH LA ND ( BA YE R UND BA SF)
Gazprom ist das erste Unternehmen, welches eine Bohrinsel in der Arktis errichtet hat, um in der eisbedeckten Petschorasee Öl zu fördern. Trotz der zahlreichen Lecks bei anderen Bohrungen, der schwerwiegenden Umweltrisiken und dem mangelhaften Notfallplan hält das Unternehmen an seinen Bohrplänen fest.
Die hochgiftigen Pestizide der Unternehmen, die 2013 teils von der Europäischen Kommission verboten wurden, haben das grosse Bienensterben der letzten Jahre mitverantwortet. Die globale Nahrungsmittelproduktion ist dadurch massiv gefährdet. Die Unternehmen bestreiten die negativen Auswirkungen der Pestizide grösstenteils und klagen gar gegen das Verbot.
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E D I T O __ 3
Gute Vorsätze – und die Taten?
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und Vertretern der Public Eye-Trägerorganisationen, der Erklärung von Bern und Greenpeace Schweiz, sorgten diese Jury-Mitglieder für eine ausgewogene und unabhängige Beurteilung der eingereichten Fälle: SUSANNE RUDOLF
__ YOKE LING CHEE, Anwältin und Programmverantwort-
liche beim Third World Network, Expertin in Bezug auf die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung in Ländern des Südens __ PROF. DR. GUIDO PALAZZO, Professor für Wirtschaftsethik an der Universität Lausanne __ PROF. DR. PHIL. KLAUS PETER RIPPE, Direktor des Instituts Ethik im Diskurs in Zürich und Professor für Praktische Philosophie an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe __ DR. VANDANA SHIVA, Physikerin, Umweltaktivistin und Pionierin der Biobewegung in Indien __ PROF. DR. ULRICH THIELEMANN, ehemaliger Vize-Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen, Gründer und Direktor der Berliner MeM – Denkfabrik für Wirtschaftsethik Am 23. Januar 2014 werden die Gewinner der beiden Preise an der internationalen Pressekonferenz in Davos bekannt gegeben. Neben Kumi Naidoo, Jury-Mitglied der Public Eye Awards und Geschäftsleiter von Greenpeace International, wird auch der tschechische Ökonom und Querdenker Tomáš Sedlácek anwesend sein, um einzufordern, was lange überfällig ist: Unternehmensverantwortung hier und jetzt!
NOCH BIS ZUM 22. JANUAR 2014 KÖNNEN NEN AUCH SIE AUF WWW.PUBLICEYE.CH MITBESTIMMEN. IHRE STIMME ZÄHLT!!
www.public
eye.ch
Fotonachweise Titelseite: Marine Harvest, Fotolia; FIFA, ANCOP; Eskom, Oswald Chikosi / Greenpeace; Glencore Xstrata, DHSF; Gap, Laura Gutierrez; Gazprom, Maria Vasilieva/Greenpeace; HSBC, FoEI / ATI – Jason Taylor; Syngenta, Emile Loreaux/Greenpeace
erklärung! 1/2014 AUFLAGE 22 500 Exemplare Erklärung von Bern (EvB), Dienerstrasse 12, Postfach, 8026 Zürich, Telefon 044 277 70 00, Fax 044 277 70 01, info@evb.ch, www.evb.ch R E D A K T IO N Susanne Rudolf, Johanna Viktorin GE ST A LT UNG Clerici Partner Design, Zürich DRUCK ROPRESS Genossenschaft, Zürich; gedruckt mit Biofarben auf Cyclus Print, 100 % Altpapier, klimaneutraler Druck IMP R E S S U M
H E R A U S G E B E R IN
«ERKLÄRUNG!» ERSCHEINT 4- BIS 5-MAL JÄHRLICH. MITGLIEDERBEITRAG: FR. 60.– PRO KALENDERJAHR (INKLUSIVE ABONNEMENT «ERKLÄRUNG!» UND EVB- DOKUMENTATION). POSTKONTO 80-8885-4
erklärung!_01_2014
Wer kennt sie nicht: die guten Vorsätze für das neue Jahr. Und was aus ihnen wird. Ist der Elan, sich mehr zu bewegen oder sich mehr um Freunde und Familie zu kümmern, im Januar noch gross, hält ab Februar schon wieder die Macht der Gewohnheit Einzug. Deshalb verzichte ich lieber auf gross angekündigte Vorsätze, die sowieso bald wieder vergessen gehen, und versuche meine Lebensweise in kleinen Schritten kontinuierlich zu verbessern. Auch Unternehmen und PolitikerInnen äussern ihre Vorsätze, und das nicht nur zum Jahresbeginn. So kündigte Ende November H & M einen Plan an, der für die ArbeiterInnen ihrer strategischen Lieferanten bis 2018 einen existenzsichernden Lohn vorsieht. Damit es nicht nur bei diesem begrüssenswerten Vorsatz bleibt, müssen den Worten bald richtige Taten folgen. So braucht es verbindliche Zusagen zur Höhe des existenzsichernden Lohns und einen entsprechenden Umsetzungsplan für die gesamte Lieferkette von H & M. Nur wenn die ArbeiterInnen mit ihrem Lohn ein selbstbestimmtes, würdiges Dasein führen können, ist ihnen längerfristig geholfen. Die EvB wird 2014 deshalb genau hinschauen, wie die Ankündigung von H & M umgesetzt wird. Dass man den geäusserten Vorsätzen von PolitikerInnen, insbesondere vor Wahlen, nicht trauen kann, zeigte leider die Abstimmung des Nationalrats zum Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China im Dezember 2013. Die früheren Bekenntnisse von zahlreichen ParlamentarierInnen zur Relevanz von Menschenrechten waren leider nichts als leere Worte. Genau hinschauen muss man dieses Jahr auch bei den für den Public Eye Award nominierten Unternehmen. Immer mehr Konzerne versprechen, dass sie im Sinne der Gesellschaft handeln. Aber nur wenn wir Unternehmen anhand ihrer Taten und nicht ihrer Vorsätze beurteilen, werden sie ihre Verantwortung wahrnehmen müssen. Wir danken Ihnen für Ihr genaues Hinschauen und Engagement!
4 __ F I N ANZPLATZ SCHWE IZ
PO T E N TATENGELDER
Eine Politik der kleinen Schritte Der Bundesrat stellte im Sommer 2013 ein Gesetzesvorhaben zur Sperrung und Rückerstattung von unrechtmässig erworbenen Vermögenswerten von Potentaten vor. Dieser willkommene Gesetzesentwurf greift aber zu kurz, um problematische Situationen bei Potentatengeldern umfassend zu lösen. TEXT_OLI VIER LONGCHAMP
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat im September die Vernehmlassung zum Gesetzesentwurf über die Sperrung und Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte politisch exponierter Personen (PEP) beendet. Das Gesetz beruht auf den Erfahrungen, die mit den im Gefolge des arabischen Frühlings blockierten Geldern gemacht wurden.
Zoubeir Souissi / REUTERS
Erweiterungen willkommen Der Gesetzesentwurf umfasst nun präzisere Bestimmungen und erläutert, unter welchen Bedingungen der Bundesrat in Zukunft Sperrlisten festlegen kann. Die Möglichkeit, Bankdaten zu übermitteln und damit ein Rechtshilfegesuch zu erleichtern, ist eine Verbesserung gegenüber der aktuellen Praxis.
D I KT A T O R E N -K OS T -
Neben teurem Schmuck, Teppichen, Kleidern und vergoldeten Möbeln wurden am 23.12.2012 auch diese Autos aus dem Besitz von Ben Ali versteigert.
BA R K E I T E N:
So kann die absurde Situation vermieden werden, dass die Schweizer Behörden über Bankkonten von gestürzten Potentaten informiert sind, sie die neue Regierung aber dennoch bitten müssen, ein Rechtshilfegesuch zu stellen, um die Existenz der gleichen Konten zu bestätigen. Das Gesetz sieht ebenfalls vor, die Beschlagnahmung von unrechtmässigen Geldern zu ermöglichen, wenn ein Rechtshilfegesuch wegen mangelnder Funktions fähigkeit des Justizsystems des betroffenen Staates nicht möglich ist. Diese Neuerung könnte man im Fall Ägyptens anwenden. Mindestens 700 Millionen Franken sind zurzeit in der Schweiz blockiert. Es ist aber unklar, inwiefern die Schweizer Behörden auf die Unterstützung ihrer KollegInnen in Kairo zählen können. Das Bundesstrafgericht hat 2012 entschieden, dass der ägyptische Justizapparat nicht unabhängig genug sei. Die Verhandlungslösung: Eine problematische Bestimmung Insgesamt stellt der Gesetzesentwurf eine Verbesserung dar und ist zu unterstützen. Eine Bestimmung ist dennoch sehr problematisch: die Verhandlungslösung («Gütliche Einigung» nach Art.
10). Diese erlaubt einem Potentaten zu hoffen, dass er einen Teil der in der Schweiz eingefrorenen Gelder nach einer Verhandlung mit der Bundesbehörde zurückbekommt, obwohl auch diese Gelder unrechtmässig erworben wurden. Eine solche Entwicklung steht im Widerspruch zu den Zielen des Gesetzes, der Bekämpfung der Straflosigkeit und den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit. Da die ausgehandelte Rückerstattung auf Kosten eines Strafverfahrens ginge, müssten sich ausserdem die Schweizer Banken und Finanzintermediäre nicht wegen Geldwäscherei vor Gericht verantworten. Für die Mehrheit der Fälle, in denen illegale Vermögenswerte identifiziert werden, greift das Gesetz zu kurz. Effektiv stützen sich die Schweizer Behörden weiterhin lieber auf das Rechtshilfegesuch in Strafsachen, um Potentatengelder in unserem Land zu beschlagnahmen. Bei den meisten aktuellen Fällen von Potentatengeldern in der Schweiz (Beispiele sind Usbekistan, Kasachstan, Angola) sind die Chancen auf eine Lösung gering. Dies, weil die Potentaten ihren Einfluss behalten haben und ihre Position missbrauchen, um in ihrem Herkunftsland jegliche juristischen Bestrebungen gegen sie zu unterbinden. Selbst wenn sie nicht mehr im Amt sind, bleibt der Weg des Rechtshilfegesuchs für eine anfällige neue Justizbehörde sehr anspruchsvoll und voller Tücken. Zudem gibt es kaum Informationen über die Art und Weise, wie die Plünderung eines Staates – oft über viele Jahre oder mit scheinbarer Rechtmässigkeit – organisiert wurde. Zum Teil schützt die Justiz die Mitglieder eines gestürzten Clans gar weiterhin. Weitere Informationen: Mehr Information und eine ausführliche Stellungnahme finden Sie auf www.evb.ch. erklärung!_01_2014
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K L I N I SCHE VERSUCH E
TEXT_PATRICK DURISCH
Über 13 000 BürgerInnen haben die EvB-Kampagne unterstützt und mit ihrer Unterschrift gegen unethische Medikamentenversuche in Entwicklungsund Schwellenländern protestiert. Am 22. November 2013 hat die EvB das Petitionspaket einer Repräsentantin vom Departement des Inneren überreicht. Somit sind die Forderungen der EvB nach strengeren und verbindlicheren Kontrollen bei der Schweizer Zulassungsbehörde Swissmedic – deren politischer Auftraggeber Alain Berset ist – an höchster Stelle angekommen. Das heikle Thema der ethischen Verstösse konnte durch die zahlreichen UnterstützerInnen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht werden. Dies bewirkte erste Gespräche zwischen Bundesrat und Behörde. Die erste offizielle Stellungnahme – eine Antwort auf einen parlamentarischen Vorstoss im Dezember – war jedoch
Rita Peter
Die Wirkung von «Bersetikum Forte»
Symbolische Übergabe der über
sehr enttäuschend: Der Bundesrat sieht keinen Bedarf nach dringlichen Massnahmen. Die EvB wird mit neuen Analysen und Recherchen weiterhin den nötigen Druck bei den verantwortlichen Behörden aufrechterhalten.
13 000 P E T IT IONSUNTER S C H R I F TEN
an Ariane Geiser, Pressesprecherin des Eidgenössischen Departements des Innern.
CC C
H&M: Erste Schritte Richtung Existenzlohn TEXT_CHRISTA LUGINBÜHL
Der Lohn reicht schlicht nicht aus. Die FabrikarbeiterInnen in Kambodscha sind permanent gravierend unterernährt, und Massenohnmachtsanfälle in Kleiderfabriken sind weit verbreitet. Ein unhaltbarer Zustand, insbesondere wenn es Firmen wie H & M oder Inditex/Zara betrifft, die während und nach der Finanzkrise (2008 – 2012) extrem gewachsen sind. Diese verzeichneten jährlich mehr als zwei Milliarden Schweizer Franken Gewinn und eröffneten 1745 (Inditex) beziehungsweise 1038 (H & M) neue Shops. Mit der Kampagne «Schluss mit den Ausreden – Existenzlohn für alle!» hat die Clean Clothes Campaign von den Hauptkunden der kambodschanierklärung!_01_2014
schen Bekleidungsindustrie die Bezahlung von Existenzlöhnen gefordert. Bis Ende November 2013 gingen insgesamt 36 938 Protest-Mails an die Geschäftsführer von H & M, Levis, Gap und Zara. Strassenaktionen sowie Social-MediaProteste haben Aufmerksamkeit generiert. Sogar der kambodschanische Prinz Charin Norodom hat H & M zu einem Existenzlohn aufgefordert. Anlässlich einer europäischen Existenzlohn-Konferenz im November 2013 in Berlin hat nun H & M einen Aktionsplan für einen «fairen Existenzlohn» angekündet – ein erster Schritt, der zwar noch nicht ausreicht, aber doch zeigt, dass der Kampagnendruck bei H & M angekommen ist.
ERWEITERUNG DES ANGEBOTES SCHULBESUCHE Ab 2014 bieten wir für die Mittelstufe ( 5. und 6. Klasse Primarschule ) neben dem Thema «Schokolade» auch neu das Thema «Kleider» an. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.evb.ch > Angebot > Schulbesuche > Anmeldeformular
Eva Schmassmann
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Die China-Plattform erinnert die ParlamentarierInnen vor der Debatte am 9.12. 2013 an ihr Versprechen, M EN S C H E N R E C H T E I N F R EI H A ND E L S A B K O M M EN ST Ä RKER ZU BE RÜCK S I C H TI G EN .
CH I N A -FREIHANDELS A B K O M M E N
Gebrochenes Wahlversprechen Trotz gegenteiligem Wahlversprechen und entgegen der Volksmeinung hat sich vergangenen Dezember eine Mehrheit im Nationalrat für ein Freihandelsabkommen mit China ohne verbindlichen Menschenrechtsschutz ausgesprochen – und dabei unsägliche Argumente ins Feld geführt. TEXT_THOMAS BRAUNSCHWEIG U N D EVA SCHMASSMANN (CHINA-P L A T T F O R M )
Im Vorfeld der Nationalratsdebatte zum Handelsabkommen zwischen der Schweiz und China lancierte die EvB zusammen mit ihren Partnerorganisationen der China-Plattform eine der erfolgreichsten Schweizer Social-Media-Protestaktionen. Mit der Kampagne, die auf Facebook und Twitter über 250 000 Personen erreichte, wurden die ParlamentarierInnen an ihr Wahlversprechen erinnert. Denn gemäss der Online-Wahlhilfe «Smartvote» hat vor den Wahlen 2011 eine satte Mehrheit des Nationalrats eine stärkere Berücksichtigung von Menschenrechten in Freihandelsabkommen befürwortet. Damit vertrat der Nationalrat – dies ist die gute Nachricht – die Mehr-
heitsmeinung der Bevölkerung. Wie eine von der China-Plattform in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage des Forschungsinstituts «gfs-zürich» zeigt, sprechen sich nämlich drei von vier Personen in der Schweiz für mehr Menschenrechte in Freihandelsabkommen aus. Die schlechte Nachricht: Trotz klarer Meinungsäusserung des Schweizer Volkes haben die VolksvertreterInnen im Nationalrat dem Freihandelsabkommen (FHA) mit China deutlich zugestimmt. Und dies, obwohl darin griffige Menschenrechtsbestimmungen fehlen. Damit haben sie zudem ihr eigenes Wahlversprechen gebrochen. Denn Smartvote hatte klipp und klar gefragt: «Soll die Einhaltung der Menschenrechte bei wirtschaftlichen Abkommen mit anderen Ländern (z.B. Freihandelsabkommen) stärker berücksichtigt werden?» Die relevante Bezugsgrösse von «stärker» sind dabei offensichtlich die bestehenden Handelsabkommen der Schweiz – und nicht Chinas bisherige Menschenrechtspolitik. Das Argument, wonach China bezüglich Menschenrechten noch nie so weit gegangen sei wie im FHA mit der Schweiz, trifft den
Punkt deshalb nicht. Dass aber das China-Abkommen in menschenrechtlicher Hinsicht ein deutlicher Rückschritt ist gegenüber den von der Schweiz in jüngerer Vergangenheit abgeschlossenen Abkommen, hat die China-Plattform in ihrer fundierten Analyse dargelegt. Groteske Züge nahm die Nationalratsdebatte an, als Wirtschaftsminister Schneider-Ammann allen Ernstes behauptete, dass das Abkommen mit China «in Bezug auf Menschenrechte auf Kurs» sei. Dazu kommentierte die Informationsplattform humanrights.ch unter dem treffenden Titel Sternstunde der hohlen Rhetorik: «Bundesrat Johann Schneider-Ammann hat das vorliegende Freihandelsabkommen im Dienste des schweizerischen Wirtschaftsegoismus auf eine fast zynische Weise schöngeredet.» Im März wird der Ständerat über das Abkommen mit China beraten. Die EvB und ihre Partnerorganisationen werden auch im Vorfeld dieser Debatte Scheinargumente konsequent entlarven – und die Mitglieder der kleinen Kammer an ihr Wahlversprechen erinnern.
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RO H S T OFFE
Nigeria-Report provoziert parlamentarische Untersuchung Der EvB-Bericht über zwielichtige Deals zwischen Schweizer Rohstoffhändlern und der staatlichen Ölgesellschaft NNPC hat auch vor Ort viel Staub aufgewirbelt.
KOLUMNE
F L U R I N A DOPPLER
Geplante Obsoleszenz
Kennen Sie das, ein Gerät hört genau dann auf zu funktionieren, wenn die Garantie gerade eben erst abgelaufen ist? Das mag Zufall sein – oder geplante Obsoleszenz.
TEXT_OLIVER CLASSEN
Durch riesige Ölexporte weit unter dem Marktpreis und systematischen Subventionsbetrug beim Import raffinierter Erdölprodukte entgehen Nigeria jährlich Milliardenbeträge. In den nigerianischen Medien sorgte unsere Studie über «Dunkle Geschäfte und dreckige Gewinne» der Genfer Ölhandelskonzerne in Nigeria gleich nach der Publikation Anfang November für Schlagzeilen wie «Schweizer NGO deckt 6-MilliardenBetrug auf». Auch wenn einige Titel (wie dieser) inhaltlich übers Ziel hinausschossen: Bereits eine Woche später reagierte die grosse Parlamentskammer in der Hauptstadt Abuja. Sie setzte eine Kommission zur Untersuchung der im EvB-Report belegten Verdachtsmomente für korrupte Geschäfte zwischen Schweizer Rohstoffhändlern und der allmächtigen staatlichen Ölgesellschaft Nigerian National Petroleum Corporation ein. Die mit Spannung erwarteten Ergebnisse dieser offiziellen Abklärungen sollen schon bald vorliegen. Die mediale Begleitmusik zu diesem politischen Überraschungscoup reicht seitdem von Stellungnahmen von Insidern und Parlamentariern bis zu Spekulationen über juristische Schritte der ins Rampenlicht gezerrten Konzerne. So sicherte der Schweizer Botschafter in Nigeria, Hans-Rudolf Hodel, den nigerianischen Behörden in einem Interview die «vorbehaltlose Schweizer Unterstützung bei der Untersuchung aller Korruptionsvorwürfe» zu. Was er scheinbar nicht wusste: Ein Rechtshilfeersuchen in dieser Sache wurde beim Berner Bundesamt für Justiz schon vor über einem Jahr eingereicht und nach formeller Vorprüfung der Genfer Staatsanwaltschaft zum Vollzug weitergeleitet, ist seitdem aber hängig. erklärung!_01_2014
Geplante Obsoleszenz ist die absichtliche Einplanung der vorzeitigen Abnutzung eines Produktes. Das heisst, beim Herstellungsprozess werden bewusst Schwachstellen eingebaut oder die Lebensdauer limitiert. Mit dem Ziel, den Verkauf anzukurbeln, legte 1924 das internationale Phöbus-Kartell die maximale Brenndauer von Glühbirnen auf 1000 Stunden fest. Hersteller, die sich nicht daran hielten, wurden bestraft. Das Kartell löste sich vor dem Zweiten Weltkrieg offiziell auf. Die Strategie, das Wirtschaftswachstum durch geplante Obsoleszenz anzukurbeln, kam aber in den 50er-Jahren erst richtig in Schwung. Damals diskutierten Designer und Ingenieure noch darüber, ob es ethisch vertretbar sei, ein Produkt mit begrenzter Lebensdauer zu entwickeln. Heute gibt es diesbezüglich kaum mehr Skrupel. Die Lebensdauer von Akkus wird absichtlich begrenzt, Chips in Druckern werden so programmiert, dass sie nach einer bestimmten Anzahl Druckaufträgen den Geist aufgeben, und Schrauben zerbröseln beim Versuch, sie aufzuschrauben. Alles ein Hirngespinst von Verschwörungstheoretikern? Nein, sagt der Schweizer Konsumentenschutz SKS, der im letzten Jahr über 400 Beispiele von KonsumentInnen gesammelt und verschiedene ExpertInnen dazu befragt hat. Das lesenswerte Dossier sowie zahlreiche Hinweise zum Thema «tauschen, teilen, reparieren» finden Sie auf www.konsumentenschutz.ch unter dem Stichwort «Defekte sind geplant». Unter www.centennialbulb.org/cam können Sie einer Glühbirne zuschauen, die seit über 110 Jahren leuchtet und inzwischen schon drei Webcams – die sie seit einiger Zeit beobachten – überlebt hat.
8 __ P KO AR M TRÄT PAGNEN
K A L P O NA AKTER
Nadelstiche gegen Gleichgültigkeit Als sie sich mit ihren Mitnäherinnen in Bangladesch organisierte, wurde sie gefeuert. Der Weg zur einflussreichen Aktivistin führte durch das Gefängnis. Seitdem erklärt Kalpona Akter der Welt, warum vielen (auch Schweizer) Textilriesen die Arbeitsbedingungen in Produktionsländern immer noch gleichgültig sind.
Arbeitsschichten, fast so lange wie ein Tag, und ein Lohn, der diesen Namen kaum verdient. Fabrikgebäude, die zusammenstürzen oder in Flammen aufgehen und Hunderte von Toten hinterlassen: Kaplona Akter hat all dies selbst erlebt. Wegen dem kranken Vater musste sie schon mit zwölf Jahren als Näherin für die Familie aufkommen. Später erlebte sie hautnah, wie es ist, wenn eine Textilfabrik Feuer fängt und das die Verantwortlichen nur wegen der Verdienstausfälle interessiert. Als ihr Lohn immer geringer wurde, ob-
___«Produkteboykott ist keine Lösung. Die Näherinnen sind auf das Einkommen angewiesen. Was es braucht, sind bessere Arbeitsbedingungen.» wohl die Preise stetig stiegen, begann sie sich für ihre Rechte und das Schicksal ihrer Kolleginnen zu interessieren. Zum Missfallen ihrer Chefs natürlich, die Akter fristlos vor die Tür stellten. Seither kämpft die 36-Jährige für mehr Sicherheit und menschenwürdige Arbeitsbedingungen im zweitwichtigsten und zugleich ärmsten Modeproduktionsland der Welt. Und sie tut das mit ihrem Bangladesh Center for Worker Solidarity so erfolgreich, dass Bangladeschs Regierung die charismatische Überzeugungstäterin auch schon festnehmen liess und einer ihrer engsten Mitarbeiter gar auf mysteriöse Weise umgekommen ist. Aufgrund des steigenden öffentlichen Drucks sind die Machthaber in Dhaka aber vorsichtiger geworden. Die Anklagen gegen Akter und ihre Organisation wurden fallen gelassen und Arbeitsrechtsreformen eingeleitet. Auch die seit dem Einsturz des Rana-Plaza-Fabrikkomplexes unter
zvg
TEXT_OLI VER CLASSEN
KA LP ON A A K TER
noch grösserem öffentlichem Druck stehenden Modekonzerne zollen ihr mittlerweile Respekt. Seit Monaten reist Akter nun um die Welt, um bei Firmen, Verbänden, Regierungen und Konsumierenden für mehr Sicherheit und existenzsichernde Löhne im mit Abstand wichtigsten bengalischen Wirtschaftssektor zu werben. Auch für die Konsumierenden hat sie eine klare Botschaft: «Die Näherinnen sind auf ihr Einkommen angewiesen, Produkteboykott ist also keine Lösung. Was es braucht, sind bessere Arbeitsbedingungen.» Die Aktivistin lebt derzeit mit ihrer Mutter, zwei Geschwistern «und vielen Kindern» in einem Aussenquartier der Hauptstadt Dhaka. «Mein Job ist manchmal sehr hart und fordert viel Zeit. Zum Glück hat meine Familie viel Verständnis.»
kämpft für mehr Sicherheit und existenzsichernde Löhne für Näherinnen in Bangladesch.
Wo unsere Kleider herkommen:
PODIUMSDISKUSSION mit Kalpona Akter, Ben Vanpeperstraete (Supply Chain Coordinator Uni Global Union) und Coop (eingeladen) im Zürcher Westend Im Rahmen der internationalen Clean Clothes Campaign unterstützt die Erklärung von Bern Kalpona Akter und ihre NGO schon seit Jahren. Am 24. Januar kommt Kalpona Akter nach Zürich und wird zusammen mit Uni Global Union und Coop an einem Podiumsgespräch in der Kulturbar «Sphères» teilnehmen. Freitag, 24.1.2014, 19 – 21 Uhr, Hardturmstrasse 66, 8005 Zürich. Freier Eintritt. Die Platzzahl ist beschränkt und eine frühe Anreise von Vorteil.
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