Best Of
DIENSTAG, 1. NOVEMBER 2011 / WWW.20MINUTEN.CH
Studie über Traumata, Trauer und Schuld
Blick hinter die Kulissen von «Tim und Struppi»
«Rabbit Hole» mit Nicole Kidman, Regie: John Cameron Mitchell. DRAMA. Becca und Howie führen ein glückliches Familienleben – bis zu dem Tag, an dem ihr vierjähriger Sohn Danny bei einem Autounfall stirbt. Becca isoliert sich total, ihr Mann ist hilflos. Da lernt sie eines Tages einen einfühlsamen Mann kennen, nicht ahnend, dass er für den Tod ihres Kinds verantwortlich ist. «Rabbit Hole» ist kein leicht verdaulicher Film, aber eine ausgezeichnete Studie über Traumata, Trauer und Schuld.
«Auf den Spuren von Tim und Struppi» von Marc Temmerman. DOKU. Derzeit läuft Steven Spielbergs «Tim und Struppi»-Verfilmung im Kino. Davon mag man halten, was man will. Sicher ist: Die Comics sind unerreicht. Davon zeugt auch diese 5-Disc-Dokumentation, in der Bilder aus den Comic-Bänden den realen Landschaften gegenübergestellt werden. Zudem zeigen uns Archivaufnahmen, Aussagen von Zeichner Hergé und verschiedenen Experten, wie der Autor seine Bilder über die «Tim und Struppi»-Kulturen und -Länder komponiert hat. PHZ
PHZ
Ein Hinterwäldler geht auf Reisen «Willkommen in Cedar Rapids» mit Ed Helms, Isiah Whitlock jr., John C. Reilly, Regie: Miguel Arteta. KOMÖDIE. Tim Lippe ist ein Provinzler, wie er im Buche steht. Noch nie ist er aus seinem Kaff herausgekommen. Bis jetzt. Denn nachdem sein Boss Selbstmord begangen hat, muss er für ihn am jährlichen Versicherungskongress in der Stadt Cedar Rapids teilnehmen.
Zum ersten Mal fliegen, zum ersten Mal in ein Hotel einchecken – diese ausgefallenen Dinge meistert der aufgeregte Hinterwäldler gerade noch. Doch kurz darauf wird er von der örtlichen Prostituierten angesprochen und macht die Bekanntschaft von drei Kollegen, die ihn in die illegalen Geheimnisse der Versicherungsbranche einweihen. Natürlich eignet sich ein Spiesser wie Tim hervorragend, um allerlei peinliche Situationen durchzuspielen. Und tatsächlich kommt es zu
einer durchzechten Nacht, Sexspielchen im Pool und einem Drogentrip. Doch Regisseur Miguel Arteta («Six Feet Under») inszeniert diese skurrilen Szenen mit charmanter Zurückhaltung und ohne Haudrauf-Humor. Das Spiessertum nicht billig zu verhöhnen, sondern mit entwaffnendem Humor vorzuführen – das ist das Grossartige an diesem ungewöhnlichen Film, der daherkommt, als hätten die CoenBrüder «The Hangover» re-inszeniert. PHZ
Dunkle Geschäfte in der Schweiz Erklärung von Bern (Hg.): «Rohstoff», Salis-Verlag, 434 Seiten, 34.80 Franken.
Glencore, Xstrata, Mercuria. Rätselhafte Namen, von denen man manchmal am Rande hört. Es handelt sich um riesige multinationale Konzerne, die in der Schweiz ansässig sind. Was machen die hier eigentlich? Rohstoffhandel? Was ist das? Rohstoffe sind Erdöl, Erdgas, Erze und Metalle sowie Agrargüter. Der Handel damit ist oftmals ein ziemlich unmoralisches Geschäft jenseits der Menschenrechte. Vielfach bleiben rohstoffreiche Länder arm, nicht trotz, sondern wegen ihrer Bodenschätze. Der Kongo etwa oder Sambia, deren Metallerze man zur HandyProduktion benötigt, werden gnadenlos ausgebeutet. Warum siedeln sich diese etwas anrüchigen Konzerne hierzulande an? Warum ist Genf plötzlich das neue Öl-Mekka? In der Schweiz herrscht ein mildes SACHBUCH.
Steuerklima und es gibt im Gegenteil zur EU oder den USA von Behördenseite praktisch keine Kontrolle. Die Erklärung von Bern ist eine entwicklungspolitische Organisation, die sich für globale Gerechtigkeit einsetzt. Dieses Buch bringt Licht ins Dunkel, ist höchst informativ, politisch brisant, aber auch sehr schön gemacht. Man wünscht ihm grosse Verbreitung. WOLFGANG BORTLIK
DIE BESTEN BÜCHER 1. «Der Friedhof in Prag» Umberto Eco (1) 2. «Schossgebete» Charlotte Roche (2) 3. «Die Larve» Jo Nesbø (5) 4. «In Zeiten des abnehmenden Lichts» Eugen Ruge (8) 5. «Ein Moment fürs Leben» Cecelia Ahern (neu) Leseratten aufgepasst: Bücher online bestellen!
Spiesser Tim (Ed Helms, r.) lernt am Versicherungskongress einiges über sich – und die Frauen.
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Media Control
6. «Erlösung» Jussi Adler-Olsen (6) 7. «Herzstoss» Joy Fielding (4) 8. «Gerron» Charles Lewinsky (5) 9. «Das Labyrinth der Träumenden Bücher» Walter Moers (12) 10. «Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt» Dora Heldt (7) www.shop.20min.ch
Niemand war ein Nazi
Tränen und Gelächter
Jan Zweyer: «Persilschein», Grafit-Verlag, 315 Seiten, 16.50 Franken. KRIMI. Deutschland im Jahr 1950. Ein Mann mit durchgeschnittener Kehle wird gefunden. Kommissar Goldstein findet heraus, dass der Typ ein Doppelleben führte und offenbar im Dritten Reich bei der Geheimpolizei war. Fünf Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs versuchen immer noch viele Deutsche, den «Persilschein» zu bekommen, die Bestätigung, dass sie keine Nazis waren. Auch Goldstein hat da seine Probleme. Ein spannend geschriebener und geschichtlich authentischer Krimi über eine Zeit, die gerne totgeschwiegen wird. WOB
Emir Kusturica: «Der Tod ist ein unbestätigtes Gerücht», KnausVerlag, 352 Seiten, 28.50 Franken. AUTOBIOGRAFIE. Der Filmregisseur und Teilzeitmusiker Emir Kusturica, 1955 in Sarajevo geboren, ist eine kontroverse Figur. In seiner Lebensgeschichte erzählt er vor allem von seiner Jugend und seinen ersten Filmen. Zugleich gibt er ein eindrückliches Bild vom ehemaligen Jugoslawien und davon, wie das Land auseinanderbrach. Daneben gibt es wilde Storys und Ausschweifungen, wie man sie aus Kusturicas Filmen kennt, aber auch kenntnisreiche Exkurse in die Kultur Ex-Jugoslawiens. WOB