erlassjahr.de Newsletter März 2012

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eNewsletter 03/2012 Zum Jahrestag der Verschuldung bleibt Griechenland in der Schuldenfalle Bild: Jürgen Mantern, wikipedia.de / Lizenz: Creative Commons

Als der deutsche Bundestag am 27. Februar 2012 das nächste Rettungspaket für Griechenland beschlossen hatt, dann tat er das auf den Tag genau 59 Jahre nachdem im Londoner Schuldenabkommen von 1953 die Entschuldung Deutschlands vereinbart wurde. Während die Entschuldung Deutschlands vor 59 Jahren explizit mit wachstumsfördernden Maßnahmen - darunter etwa die Möglichkeit den Schuldendienst im Fall von Handelsbilanzdefiziten auszusetzen verbunden war, wird mit dem aktuellen Rettungspaket - neben einer drastischen Einsparungspolitik vor allem auch eine unzureichende Schuldenentlastung erreicht. Griechenlands Wachstum wird durch dramatische Einsparungen bei allen öffentlichen Ausgaben für die kommenden Jahre abgewürgt. Deutschland wurde rechtzeitig entlastet, bevor es zu einem Staatsbankrott kommen konnte. Demgegenüber wurde der Schuldenschnitt für Griechenland von den Gläubigern immer wieder hinausgezögert. Nach Berechnungen von erlassjahr.de wäre der heutige Privatgläubiger-Verzicht von 109 Mrd. Euro noch im April 2010 ausreichend gewesen, um Griechenlands Schulden auf 90 Prozent des BIP zu drücken. Heute verbleibt der Schuldenstand – trotz dieses Verzichts – deutlich über der Zielgröße von 120 Prozent.

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Jürgen Kaiser, kommentierte dazu in unserer Pressemitteilung zu dem zweifelhaften Jubiläum: "Acht Jahre nach Kriegsende legten die westlichen Gläubiger mit einer großzügigen Entschuldung die Grundlagen für das (west-)deutsche Wirtschaftswunder. Umgekehrt werden die Griechen heute zu einer jahrzehntelangen Armut im Dienste ihrer Gläubiger verurteilt."

Griechenland - die Kosten der Insolvenzverschleppung Im aktuellen Hintergrundpapier "Griechenland: Die Kosten der Insolvenzverschleppung" vergleicht Jürgen Kaiser, politischer Koordinator von erlassjahr.de, Kosten und Nutzen eines Schuldenschnittes für Griechenland im April 2010 mit den im Februar 2012 beschlossenen Rettungsmaßnahmen. Dabei kommt er zu dem Schluss: Zeit ist in diesem Fall auch Geld. Ein früheres Handeln der Politik hätte die Kosten für die Krisenbewältigung deutlich reduziert, die Insolvenz Griechenlands wurde kostensteigernd immer wieder hinausgezögert. Sie finden das Hintergrundpapier zum Download auf unserer Internetseite oder in unserer neuen digitalen Bibliothek. Passend zu den Entwicklungen in der griechischen Schuldenkrise haben wir übrigens auch Sonderseiten auf unserer Internetseite eingerichtet.


Treffen der AG zur Ägypten-Entschuldung Wie bereits in unserem Newsletter-Spezial zur Entschuldung Ägyptens angekündigt, traf sich die neu eingerichtete Ägypten AG von erlassjahr.de vor einigen Tag am 02.03.2012 in Eisenach. Auf dem Treffen sollten zunächst die wichtigsten Anknüpfungspunkte für die weitere Recherche zur Situation vor Ort in Ägypten festgelegt werden. Dabei beschränkt sich die AG derzeit übrigens nicht nur auf Deutschland, sondern nimmt mit Österreich und der Schweiz auch andere bilateralen Gläubiger Ägyptens in den Blick. In beiden Ländern bestehen bereits enge Kontakte, wie etwa zur Alliance Sud in der Schweiz. In Deutschland hat sich das BICC als kooperativer Partner erwiesen. Vielleicht noch wichtiger sind jedoch engen Kontakte zu Partnern vor Ort, die uns auch in Zukunft mit Informationen versorgen. Nur durch eine enge Zusammenarbeit ergeben sich Informationen und Anknüpfungspunkte für eine kritische Analyse: Die offiziellen Informationen reichen bei weitem nicht aus. Dieses erste Treffen der AG hat bereits zu einer Reihe weiterer Arbeitsschritte geführt hat. Da die Recherchen noch am Anfang stehen, ist natürlich noch weitere Mitarbeit herzlich willkommen – bei Interesse an einer Mitarbeit in der AG reicht eine E-Mail an unser Büro. Daneben haben wir auch die erlassjahr.de-Fachinformation “Ägypten: Demokratisierung braucht Entschuldung” aktualisiert: In der Fachinformation mit der Nummer 28 analysiert erlassjahr.de-Koordinator Jürgen Kaiser die Schuldensituation der jungen ägyptischen Demokratie und kommt zu dem Schluss: Ägypten braucht eine Demokratie-Dividende. Die Fachonformation enthält aktuelle Zahlen und Daten zur Verschuldung in Ägypten und kann auf unserer Internetseite heruntergeladen oder in unserer digitalen Bibliothek online betrachtet werden. Daneben steht die Fachinformation auch in englischer Sprache bereit.

Bei einem internationalen Vernetzungstreffen der internationalen Entschuldungsbewegungen am 28.02.2012 in den Räumen unseres Dachnetzwerks EURODAD in Brüssel kamen wir mit Partnern aus den USA, Großbritannien, Norwegen, Australien, Irland, Spanien und Schottland zusammen. Dabei konnten verschiedene und für die einzelnen Bewegungen jeweils relevante Aspekte zum Schuldenthema diskutiert, Updates zu Arbeitsvorhaben der einzelnen Initiativen ausgetauscht und Arbeitsstrategien für das Jahr 2012 entwickelt werden. Neben der Diskussion um die Handlungsfähigkeit unseres Dachnetzwerks, das derzeit unter substanziellen finanziellen Schwierigkeiten leidet, ging es dabei speziell um die Themen „Verschuldung in Europa“, „faires und transparentes Schiedsverfahren“, „Verantwortliche Kreditvergabe“ und „Schuldentragfähigkeit“. Die Anwesendenwaren sich dabei einig, dass das Thema Verschuldung als immer komplexeres, globales Anliegen in die eigenen Netzwerke kommuniziert werde sollte und die Verschuldung des Südens stärker mit Verschuldung vor der eigenen Haustür zu verbinden. Ein ausführliches Protokoll der Sitzung kann im erlassjahr-Büro angefordert werden.

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Bild: © BettinaF, pixelio.de

Internationales Vernetzungstreffen in Brüssel


Auf den Spuren der Schulden Simbabwes Die Studie unserer britischen Partnerkampagne Jubilee Debt Campaign - „Uncovering Zimbabwe's Debt – The case for a democratic solution to the unjust debt burden“ - zeigt anhand der Aufbereitung der Verschuldung Simbabwes die Rolle von ausländischen Regierungen, internationalen Finanzinstitutionen und ausländischen Firmen im Hinblick auf den sowohl politisch als auch wirtschaftlich und sozial desaströsen Zustand des Landes auf. Dabei analysiert Autor Tim Jones die Entstehung der heutigen Schuldenlast Simbabwes über die einzelnen Kreditaufnahmen des Landes seit den 1980er Jahren. Daneben illustriert der Autor die sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen der Schulden des Landes, zu denen die Bedingungen von ausländischen Kreditgebern, wie zum Beispiel der vorgeschriebene Erwerb von ausländischen Produkten oder die Bindung von multilateralen Geldern an Strukturanpassungsprogramme, einen erheblichen Beitrag geleistet haben. Abschließend vergleicht Tim Jones die aktuell diskutierten Lösungsoptionen zu einer klar untragbaren Schuldenlast: Die von Gläubigern favorisierte Verpfändung der Rohstoffvorkommen oder ein Schuldenerlass unter der multilateralen HIPC-Initiative. Am Ende steht die Feststellung, dass eine gerechte Lösung für die Zivilbevölkerung des zerrütteten Landes nur mit einer transparenten Untersuchung der Auslandsschulden beginnen kann. Sie finden die (englische) Studie zum Download auf unserer Internetseite oder auch direkt online auf der Internetseite der Jubilee Debt Campaign.

Aktionskonferenz in Frankfurt Rund 40 Aktivist/innen nahmen am 25. Februar in der Frankfurter Uni an einem von erlassjahr.de mit gestalteten Workshop zum Schulden-Audit in der Eurozone teil. Dabei ging es zum einen darum, das Thema der Staatsüberschuldung in die Mobilisierung zu den Aktionstagen am 17.-20.Mai 2012 in Frankfurt am Main einzubringen. Zum anderen entstand eine kleine AG, die - koordiniert von attac - die verschiedenen Ansätze eines Schuldenaudits und Alternativen zum herrschenden Schuldenmanagement weiter bearbeitet.

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Ideenwerkstatt - Engagement für Kinder und ihre Rechte Vom 27. - 29. April 2012 lädt die Stiftung Christlich-Soziale Politik im Arbeitnehmerzentrum Königswinter in Zusammenarbeit mit der Kindernothilfe und der zu einer “Ideenwerkstatt - Engagement für Kinder und Ihre Rechte”. Das Seminar findet im Gustav-Stresemann-Institut Bonn statt und richtet sich an entwicklungspolitisch interessierte Studierende. Sebastian Bonse, Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit bei erlassjahr.de, wird bei der Ideenwerkstatt dabei sein und eine Arbeitsgruppe zur Kampagne “Entschärft die Schuldenkrise” leiten. Bei Interesse an der Teilnahme bei der Ideenwerkstatt rund um das Engagement für Kinder und ihre Rechte, wenden Sie sich einfach unter Angabe der Seminarnummer 12.7.670.5 IN an info@azk.de oder entwicklungspolitik@azk.de. Impressum: erlassjahr.de e.V., Carl-Mosterts-Platz 1, 40477 Düsseldorf, Tel.: 0211/4693-196, E-Mail: buero@erlassjahr.de. V.i.S.d.P. Sebastian Bonse, s.bonse@erlassjahr.de.


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