Stahlbau-Kalender 2013

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Tragwerksplanung von Kesselgeru¨st und Tragrost

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Ha¨nger auf die beiden Tra¨ger gleichma¨ßig verteilt. Im anderen Fall werden an die geschweißten Kastentra¨ger seitlich Konsolen angebracht (Bild 27c und d), die die Last aus den Ha¨ngern der Kesselwa¨nde aufnehmen. Dies fu¨hrt zu einer erheblichen Torsionsbeanspruchung der Tra¨ger und macht Querschotte erforderlich. Zudem muss fu¨r die Aufnahme der Torsionsmomente Sorge getragen werden, was im vorliegenden Fall im Wesentlichen durch eine biegesteife Verbindung mit den orthogonal verlaufenden Kastentra¨gern geschieht. Schließlich gibt es noch die Mo¨glichkeit Hutprofile auszufu¨hren, die an der Unterseite offen sind und im Oberflansch entsprechende Bohrungen zur Durchfu¨hrung der Ha¨nger der Kesseldecke besitzen. 3.1.4

Statisches System

3.1.4.1 Kesseltragrost Kraftwerk Datteln Bild 34. Auflagerbereich Hutprofil

Bild 35. Schneidenlagerung der Vorder-/Ru¨ckwandtra¨ger auf KG-Riegel

3.1.3.3 Lasteinleitung Ha¨nger Abschließend soll noch auf die Lasteinleitung der Ha¨nger eingegangen werden, da auch hier wieder die unterschiedlichen Ansa¨tze der Kraftwerksbetreiber erkennbar sind. So werden im einen Fall die Kesselha¨nger zwischen den Doppeltra¨gern (Bild 27b) durchgefu¨hrt und u¨ber ein kurzes Querblech die Last aus einem

Das statische System dieses Kesseltragrostes (Bild 36) entspricht einem klassischen Tra¨gerrost mit biegesteifen Verbindungen in den Tra¨gerkreuzungen, mit dem Unterschied, dass der Lastabtrag im Wesentlichen nur in Richtung der Haupttra¨ger erfolgt, da nur diese auf dem Kesselgeru¨st aufgelagert sind und die Steifigkeit der beiden Tra¨gerlagen sehr unterschiedlich ist. Es werden die im Abschnitt 3.1.3 beschriebenen konstruktiven Gegebenheiten (biegesteife/gelenkige Anschlu¨sse) modelltechnisch entsprechend umgesetzt. Da sowohl Vertikal- als auch Horizontallasten zu beru¨cksichtigen sind, erfolgt die Berechnung am ra¨umlichen System. Die Lasten aus dem Kessel (Kesselwa¨nde, Kesseldecke) werden entsprechend ihrem Lastangriffspunkt als Einzellasten aufgebracht. Das Verschmieren der Einzellasten in Streckenlasten wu¨rde zwar eine Vereinfachung bei der Lasteingabe bedeuten, ko¨nnte aber aufgrund der geringen Tra¨gerla¨ngen zu unsicheren Anschlussquerkra¨ften fu¨hren (teilweise nur vier Lastpunkte je Tra¨ger!). Zusa¨tzlich zu den Vertikallasten aus dem Kessel sind noch Horizontallasten aus den Ha¨ngern zu beru¨cksichtigen. Diese resultieren aus einer Schiefstellung der Ha¨nger, die sich aus der Temperaturausdehnung des Kessels ergibt. Um die Horizontallasten auf ein mo¨glichst geringes Maß zu reduzieren, werden die Ha¨nger im kalten Zustand planma¨ßig nach innen schief gestellt, sodass sich bei Erwa¨rmung eine reduzierte Schiefstellung nach außen ergibt. So ko¨nnen die Horizontallasten nahezu halbiert werden. Die horizontale Aussteifung des Kesseltragrostes u¨bernimmt ein Horizontalverband in der Obergurtebene der Haupttra¨ger. Dieser muss neben den Stabilisierungslasten auch noch die Horizontallasten aus Wind, die aus der Dachkonstruktion eingeleitet werden, aufnehmen. Die horizontale Halterung der Haupttra¨ger und der Abtrag der Windlasten werden schließlich u¨ber je einen Vertikalverband in den beiden Seitenwa¨nden (Auflagerebene der Haupttra¨ger) gewa¨hrleistet. Durch die Verwendung von Kalottengleitlagern bei den Haupttra¨gern wird eine Entkopplung des Kesseltrag-


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Kraftwerke

Bild 36. Statisches System Kesseltragrost Kraftwerk Datteln

Bild 38. Modellierung im statischen System

Beulnachweise fu¨r die Haupttra¨ger. Die Beulnachweise werden mithilfe einer FE-Berechnung (Bild 37) durchgefu¨hrt, sodass sa¨mtliche Einflu¨sse aus Anordnung und Geometrie von La¨ngs- und Quersteifen sowie aus der Einleitung von Einzellasten mo¨glichst genau beru¨cksichtigt werden ko¨nnen. 3.1.4.2 Kesseltragrost Kraftwerk GKM

Bild 37. Beulfigur eines typischen Beulfeldes

rostes vom Kesselgeru¨st erreicht. Die Horizontallasten auf den obersten KG-Riegel sind im Wesentlichen abha¨ngig von der Lagerreibung und nicht von der Steifigkeit des Riegels. Daher kann auf die Modellierung des obersten Stockwerks des Kesselgeru¨stes verzichtet werden. Bei der Berechnung des Kesselgeru¨stes mu¨ssen lediglich die Horizontallasten aus Lagerreibung und die exzentrische Lasteinleitung, die sich aus der Horizontalverschiebung des Auflagers aufgrund des Enddrehwinkels der Haupttra¨ger ergibt, beru¨cksichtigt werden. Die einzelnen Lastfa¨lle und berlagerungen werden gema¨ß der VGB-R-Richtlinie bzw. nach Vorgaben der Anlagenbauer gewa¨hlt. Die Bemessung beinhaltet neben den u¨blichen Spannungs- und Stabilita¨tsnachweisen vor allem die

Dieser Typ Kesseltragrost ist in der Modellierung aufwendiger als der oben beschriebene. Die gestapelte Tra¨gerlage (Hutprofile liegen u¨ber Schneidenlager auf den Seitenwandtra¨gern auf) sowie die Querschnittsspru¨nge und Tra¨gerausklinkungen mu¨ssen im Modell entsprechend beru¨cksichtigt werden (Bild 38). Hinzu kommt, dass durch die Schneidenlagerung der Vorder-/ Ru¨ckwandtra¨ger die Horizontallasten, die durch die Auflagerverschiebung infolge des Enddrehwinkels der Vorder-/Ru¨ckwandtra¨ger in den KG-Riegel eingeleitet werden, wesentlich von der Steifigkeit des Riegels abha¨ngig sind. Um diese Horizontalkra¨fte (bei denen es sich um Zwa¨ngungskra¨fte handelt) mo¨glichst genau zu ermitteln, wird das oberste Stockwerk des Kesselgeru¨stes im statischen Modell des Kesseltragrostes abgebildet (Bild 39). Die Einzellasten aus dem Kessel (Kesselwa¨nde, Kesseldecke) ko¨nnen u¨ber die Tra¨gerla¨nge verschmiert als Streckenlasten angesetzt werden, was die Eingabe etwas vereinfacht. Bei den Tra¨gern des a¨ußeren Kesseltragrostes sind hierbei auch die Torsionsmomente aus der exzentrischen Lasteinleitung zu beru¨cksichtigen. Die biegesteife Verbindung der Tra¨ger des a¨ußeren Kesseltragrostes hat zur Folge, dass Stu¨tzensenkungen der Kesselgeru¨ststu¨tzen eine nicht zu vernachla¨ssigende Beanspruchung in diesen Tra¨gern hervorrufen und daher auch zu beru¨cksichtigen sind. Im Hinblick auf die Lastfa¨lle, berlagerungen und Nachweise gelten die Ausfu¨hrungen von weiter oben.


Tragwerksplanung von Kesselgeru¨st und Tragrost

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Bild 39. Statisches System Kesseltragrost Kraftwerk GKM

3.2

Kesselgeru¨st

3.2.1

Funktion und Belastung

Das Kesselgeru¨st (Bild 40) ist das Haupttragelement des Kesselhauses und hat vier Kastenstu¨tzen, in der Regel begehbar, die durch Diagonalen und Riegel zu einem quadratischen Stahlgeru¨st verbunden sind. Die Riegel des Geru¨stes liegen meistens in den Ho¨hen der Hauptbu¨hnen. Die Gesamtho¨he richtet sich nach der Gro¨ße des Kessels. Es ist quasi das tragende Hauptskelett des Kesselhauses. Die Hauptbelastung des Kesselgeru¨stes sind die Eigengewichts- und Betriebslasten des Kessels, welche u¨ber den Kesseltragrost am Kopf des Kesselgeru¨stes eingeleitet werden. Vielfach werden zusa¨tzlich dazu erhebliche Lasten aus den Rauchgaskana¨len am Kopf des Geru¨stes ausmittig eingeleitet. Zur Einleitung dieser vertikal und horizontal wirkenden Lasten werden am obersten Riegel der betreffenden Kesselgeru¨stwand senkrecht und waagerecht Fachwerktra¨ger angeordnet. Ein weiterer erheblicher Lastanteil kommt aus den Kesselhausbu¨hnen, welche entweder direkt in die Riegel und Stu¨tzen des Kesselgeru¨stes oder u¨ber Ha¨nger eingeleitet werden. Die Ha¨nger sind erforderlich, da auch zwischen den Hauptebenen, wo keine Riegel vorhanden sind, Lasten aus Bedienbu¨hnen und Abstu¨tzungen fu¨r Anlagenteile eingeleitet werden mu¨ssen. Die Ha¨nger verteilen diese Lasten auf die Riegel der Hauptebenen und werden dort ausmittig angeschlossen. Daru¨ber hinaus ist das Kesselgeru¨st ein wesentliches Element der Aussteifungskonstruktion des Kesselhauses und muss fu¨r anteilige Wind-, Stabilisierungsund Erdbebenlasten bemessen werden. Die Windund Aussteifungslasten werden im Wesentlichen durch die in den Außenwa¨nden liegenden Stu¨tzen in die aussteifenden Hauptbu¨hnen des Kesselhauses eingeleitet. In den Bu¨hnenebenen liegende Verba¨nde verteilen die Lasten auf die Wandverba¨nde der Kesselhauswa¨nde

Bild 40. Statisches Modell Kesselgeru¨st

und auf die Fachwerkrahmen des Kesselgeru¨stes. Hierbei ist zu beachten, dass durch die konstruktive Ausbildung der Kesselgeru¨striegel, welche im Regelfall als Hohlkastenprofil ausgebildet sind, eine nicht zu vernachla¨ssigende Biegesteifigkeit der Riegel in horizontaler Richtung vorhanden ist. Dies fu¨hrt dazu, dass die Horizontallast in Abha¨ngigkeit vom Steifigkeitsverha¨ltnis von Riegel zu Bu¨hnenverband aufgeteilt werden muss (Bild 41) und dass die Riegel des Kesselgeru¨stes aus diesem Sachverhalt nicht unerhebliche horizontale Biegemomente erhalten, welche in der Bemessung zu beru¨cksichtigen sind. Die wesentlichen Einwirkungen, welche das Kesselgeru¨st belasten, sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Infolge der großen Zahl von Lastfa¨llen (Tabelle 3) und der unterschiedlichen Kombinationsfaktoren muss eine nicht unerhebliche Zahl von Lastfallkombinationen untersucht werden. Fasst man die untenstehenden Lastfa¨lle nach Einwirkungen zusammen, so ergeben sich je nach Aufstellungsort, anzuwendenden Vorschriften und Kundenspezifikation 7 bis 8 Einwirkungen, welche mit den entsprechenden Faktoren zu u¨berlagern sind. Die Berechnung des Kesselgeru¨stes wird in den meisten Fa¨llen vor allen anderen Berechnungen durchgefu¨hrt. Dies erfordert, dass die Belastungen als Basis


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Kraftwerke

Bild 41. Lastverteilung von Horizontalverband zu Kesselgeru¨striegel

Tabelle 2. Einwirkungen Sta¨ndige Einwirkungen Gi Gk,1

EG-Stahl (Bu¨hnen + Giro etc.)

Gk,2

EG-Komponenten (Kessel, Kana¨le, Rohrleitungen, Betondecken, Fassade etc.)

Gk,3

Setzungsdifferenzen (DIN 18800-1, EL. 706)

Gk,4

Stabilisierungslasten (Imperfektionen)

Gd,i = gG · Gk,i Vera¨nderliche Einwirkungen Qi Qk,1

Kundenspezifikation

Qk,2

Bu¨hnenfla¨chenlasten

Qk,3

n. s. Betriebslast (Wasserfu¨llung, Asche, Bunkerfu¨llung etc.)

Qk,4

Wind

Qk,5

e Innendruck, Rohrschub, Reibung, besondere Einzellasten

Qd, i = gQ,i · Qk, i

fu¨r die statischen Nachweise der Riegel, Stu¨tzen und Diagonalen des Kesselgeru¨stes aus Lastvorermittlungen der einzelnen Bu¨hnen ermittelt werden. Da die Ausarbeitung der Bu¨hnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist und aus diesem Grund die Lasten mit gewissen Unsicherheiten behaftet sind, werden Reservelasten beru¨cksichtigt, welche diese Lastunsicherheiten kompensieren sollen.

Daru¨ber hinaus du¨rfen die Montagelastfa¨lle bei der Berechnung des Kesselgeru¨sts nicht unberu¨cksichtigt bleiben. Diese sind je nach gewa¨hltem Montageablauf sorgfa¨ltig mit Auftraggeber und den ausfu¨hrenden Firmen abzustimmen. Folgende Montagelastfa¨lle sind in der Regel zu beachten: – Lasten aus den Litzenhebern zur Montage des Tragrostes, – Lasten aus den Litzenhebern zur Montage der Seitenwandbandagen, – Windanlenkungskra¨fte aus der Montage der Seitenwandbandagen, – Lasten aus Montage der Brenner, – Lasten aus Montage des Rauchgaskanals. Durch die Vielzahl der Lasten, die auf das Kesselgeru¨st einwirken, ist es sehr wichtig, Lasten und deren Angriffspunkte genau darzustellen und zu dokumentieren. In den nachfolgenden Bildern 42 und 43 wird gezeigt, wie dies im Falle einer Stu¨tze und eines Riegels erfolgen kann. Die gezeigten Stu¨tzen- und Riegellastbilder, die mit einem Tabellenkalkulationsprogramm erstellt werden ko¨nnen, zeigen genau die Lastgro¨ße, den Lastangriff mit Knotennummer und Koordinaten in x-, y- und z-Richtung sowie den dazugeho¨rigen Lastfa¨llen in jeder Ebene. Damit kann jede am Kesselgeru¨st angreifende Einwirkung anschaulich dokumentiert werden. Infolge der großen Lasten und der erforderlichen Gesamtsteifigkeit zur Einhaltung von vorgegebenen Verformungsgrenzwerten ergeben sich vor allen Dingen fu¨r die Stu¨tzen sehr große Querschnittsabmessungen. Die mittleren Abmessungen einer Kesselgeru¨ststu¨tze bewegen sich zwischen 1800 bis 3500 mm. Aufgrund dieser Tatsache ist im Regelfall der Einfluss der Theorie II. Ordnung sehr gering und kann vernachla¨ssigt werden. Dies gestattet es, die Schnittgro¨ßenermittlung und die berlagerung der einzelnen Einwirkungen linear, d. h. nach Theorie I. Ordnung durchzufu¨hren.


Tragwerksplanung von Kesselgeru¨st und Tragrost

3.2.2

Tabelle 3. Lastfa¨lle LF-Nr.

LF-Bezeichnung

Eigenschaften

1

Eigengewicht Kesselgeru¨st

sta¨ndig

2

Eigengewicht Bu¨hnen/Dach

sta¨ndig

3

Eigengewicht Bu¨hnenbelag

sta¨ndig

4

Eigengewicht Dachaufbau

sta¨ndig

5

Eigengewicht Kesseldecke

sta¨ndig

6

Sta¨ndige Lasten Anlage

sta¨ndig

7

Sta¨ndige Lasten Kessel

sta¨ndig

8

Sta¨ndige Lasten Rauchgaskanal

sta¨ndig

10

Reservelasten

sta¨ndig

21

Nutzlasten, Betriebslasten, Fu¨lllasten vera¨nderlich

22

Wasser Kessel

vera¨nderlich

23

Asche Kessel

vera¨nderlich

24

Betriebslasten Rauchgaskanal

vera¨nderlich

31

Fla¨chenlasten

vera¨nderlich

41

Innendruck, Reibung, Temperatur

vera¨nderlich

42

Druck Rauchgaskanal +

vera¨nderlich

43

Druck Rauchgaskanal –

vera¨nderlich

44

Temperatur Rauchgaskanal

vera¨nderlich

45

Rohrschub und Kesselfu¨hrung +x

vera¨nderlich

46

Rohrschub und Kesselfu¨hrung –x

vera¨nderlich

47

Rohrschub und Kesselfu¨hrung +y

vera¨nderlich

48

Rohrschub und Kesselfu¨hrung –y

vera¨nderlich

51

Wind in +x

vera¨nderlich

52

Wind in –x

vera¨nderlich

53

Wind in +y

vera¨nderlich

54

Wind in –y

vera¨nderlich

61

Stabilisierung in +x

vera¨nderlich

62

Stabilisierung in –x

vera¨nderlich

63

Stabilisierung in +y

vera¨nderlich

64

Stabilisierung in –y

vera¨nderlich

71

Stu¨tzensenkung 1

vera¨nderlich

72

Stu¨tzensenkung 2

vera¨nderlich

73

Stu¨tzensenkung 3

vera¨nderlich

74

Stu¨tzensenkung 4

vera¨nderlich

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Besonderheiten des statischen Modells

Die Geometrie des Tragsystems wird im Wesentlichen durch die Randbedingungen der Kraftwerksanlage, Rohrleitungen und Kana¨le bestimmt. Dadurch ergeben sich im Regelfall fu¨r die einzelnen Wa¨nde des Kesselgeru¨stes unterschiedliche statische Systeme, lediglich die beiden Seitenwa¨nde sind in der Regel symmetrisch. Vielfach ist es erforderlich, Fu¨llsta¨be der Wa¨nde nicht im Systempunkt, sondern mit großem Versatz der Systemlinien anzuschließen. Dadurch ergibt sich ein Fachwerkrahmensystem, welches seine Tragfa¨higkeit durch das Zusammenwirken von biegesteif verbundenen Riegeln und Stu¨tzen und gelenkig angeschlossenen Diagonalsta¨ben erha¨lt. Mit den heutigen Mo¨glichkeiten der EDV kann das statische System des Kesselgeru¨stes mit hoher Anna¨herung an die Realita¨t abgebildet werden. Die leistungsfa¨higen Computer der heutigen Zeit gestatten es, das Kesselgeru¨st als dreidimensionales Gesamtsystem mit Rahmen und Fachwerksta¨ben zu modellieren. Dadurch wird eine sehr genaue Erfassung der Belastungen und Lasteinleitungsdetails mo¨glich. Wie schon oben erwa¨hnt, wird das Kesselgeru¨st neben der Hauptlast aus dem Kesseltragrost von vielen Bu¨hnentra¨gern und Ha¨ngern belastet (Bild 44). Aus konstruktiven Gru¨nden mu¨ssen diese Lasten sowohl an den Stu¨tzen als auch an die Riegeln exzentrisch angeschlossen werden. Sinnvollerweise sollten die Lasteinleitungspunkte im Modell mit abgebildet werden und zum Beispiel u¨ber starre Kopplungen mit den Systempunkten der Stu¨tzen und Riegel verbunden werden. Schon bei der Generierung des Rechenmodells ist darauf zu achten, dass Belange der Detailkonstruktion beachtet werden (Bilder 45 und 46). Besonderes Augenmerk ist auf die Knotenverbindungen zwischen Riegeln und Diagonalen zu richten. Generell sind die Querschnitte von Riegeln, Diagonalen und Stu¨tzen aus Kastenprofilen hergestellt, die geplante Knotenverbindung ist bei der Wahl der Profilabmessungen zu beru¨cksichtigen. Die u¨bliche Vorgehensweise, Verbindungen zwischen Stu¨tzen und Fu¨llsta¨ben ohne Exzentrizita¨t zu planen, fu¨hrt im Fall der Kesselgeru¨ste spa¨ter zu unwirtschaftlichen und konstruktiv schwer beherrschbaren Anschlussdetails. Um die Knotenblechgro¨ßen im Rahmen zu halten, ist deshalb dringend zu empfehlen, schon bei der Wahl des statischen Grundsystems eine planma¨ßige Ausmitte der Stabschnittpunkte zu wa¨hlen. Dadurch entstehen gedrungene Knotenpunkte mit minimierten Abmessungen der Knotenbleche, was auch im Hinblick auf die Anordnung von Rohrleitungen und Anlagenteilen ein wichtiger Aspekt ist.


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Kraftwerke

Bild 42. Riegellastbild

Bild 43. Stu¨tzenlastbild


Tragwerksplanung von Kesselgeru¨st und Tragrost

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Bild 44. Beispiel fu¨r die Belastung eines Riegels

Bild 45. Statisches Modell Kesselgeru¨stknoten

3.2.3

Konstruktive Details

Eine wesentliche Bemessungsaufgabe bei Stahlkonstruktionen und insbesondere bei Kesselgeru¨sten stellt die Auslegung der Detailknoten dar. Hierbei kommt es besonders darauf an, die Knoten entsprechend der gewa¨hlten statischen Systeme und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit tragsicher zu entwerfen und zu konstruieren.

Bild 46. Statisches Modell Kesselgeru¨stknoten gerendert

Eine Besonderheit stellen die Knotenverbindungen zwischen Riegeln und Diagonalen dar. Generell sind die Querschnitte von Riegeln, Diagonalen und Stu¨tzen aus Kastenprofilen hergestellt. Es wird hierbei u¨blicherweise so vorgegangen, dass die Profilabmessungen der Riegel und Diagonalen so gewa¨hlt werden, dass die Breite gleich groß ist. In der Ho¨he ko¨nnen die Querschnitte dann den statischen Erfordernissen angepasst


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Kraftwerke

werden. Dadurch kann zumindest die Schraubverbindung zwischen Riegel und Stiel durch eine seitliche Verschraubung zwischen Profilsteg und Knotenblech standardisiert werden. Generell werden die Verbindungen zwischen Riegel und Stu¨tze als biegesteife Einheit ausgebildet. Der Anschluss erfolgt u¨ber Stirnplattenverbindungen mit HV-Schrauben. An den meisten Knoten schließen zusa¨tzlich eine oder mehrere Diagonalen an. Zu diesem Zweck werden an diesen Stellen die Stegbleche durch entsprechend geformte Knotenanschlussbleche ersetzt. Zum Teil mu¨ssen zur Abtragung der Zug- und Druckkra¨fte aus den Biegemomenten an den Flanschen zweireihige Schrauben angeordnet werden. Um diese Schrauben anziehen zu ko¨nnen, werden die Stege der Rahmenriegel bzw. die Knotenbleche halbkreisfo¨rmig ausgespart. Der Querschnitt der Stu¨tzen ist als quadratischer Hohlkasten ausgefu¨hrt, hat aber im Regelfall eine wesentlich gro¨ßere Breite und Ho¨he als die Riegel und Diago-

nalen. Im Anschlussbereich sind zur Lasteinleitung entsprechende Steifen und Rippen anzuordnen. Wie bereits oben ausgefu¨hrt, wird schon bei der Wahl des statischen Grundsystems eine Ausmitte der Stabschnittpunkte beru¨cksichtigt. Sinnvollerweise wird die Ausmitte fu¨r alle Knoten gleich gewa¨hlt, sodass der Rechenvorgang standardisiert werden kann. Vorteilhaft ist nach Meinung der Verfasser, wenn sich die Achse der Diagonalen bei fallenden Diagonalen an der Stu¨tzeninnenseite mit der Achse des Riegeloberflansches und bei steigenden Diagonalen mit der Achse des Riegelunterflansches schneidet. Das Rechenmodell beru¨cksichtigt zwar die Ausmittigkeit der Anschlu¨sse genau, durch die fehlenden Vertikalschotte wird die Vertikalkomponente der Diagonalen jedoch nur u¨ber den inneren Steg der Stu¨tze eingeleitet. Dadurch ergeben sich lokale Abweichungen in der Spannungsverteilung der Stu¨tzen, welche gesondert rechnerisch zu erfassen und nachzuweisen sind.

Bild 47. Anschluss Riegel/Stu¨tze mit einer Diagonale

Bild 48. Anschluss Riegel/Stu¨tze mit zwei Diagonalen


Tragwerksplanung von Kesselgeru¨st und Tragrost

Beispiele aus einem ausgefu¨hrten Kraftwerksprojekt zeigen die Bilder 47 bis 49. Neben den Nachweisen fu¨r Schrauben und Schweißna¨hte mit den maßgebenden Schnittgro¨ßen und Ausmitten ist ein wesentlicher Aspekt der Nachweisfu¨hrung, die Stabilita¨t der hohen Knotenbleche im Bereich der Diagonalanschlu¨sse sicherzustellen. Aus der Sicht einer wirtschaftlichen und rationellen Fertigung ist es natu¨rlich wu¨nschenswert, diese Bleche ohne Rippen und Quersteifen aus-

Bild 49. 3-D-Bild Kesselgeru¨stknoten

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zubilden. Trotzdem ist es manchmal nicht vermeidbar, diese Bleche immer dann, wenn ein Nachweis gegen Ausknicken aus der Ebene der Kesselwand mit wirtschaftlich vertretbaren Blechdicken nicht zu fu¨hren ist, mit Rippen zu versteifen. Die Diagonalsta¨be des Kesselgeru¨stes werden u¨blicherweise als Fachwerksta¨be konzipiert. Die Knotenverbindungen der Kesselwandriegel mit den Diagonalen und Fu¨llsta¨ben (Bilder 50 und 51) ko¨nnen deshalb als reine Normalkraftanschlu¨sse ausgefu¨hrt werden. Dies geschieht im Regelfall durch geschraubte Verbindungen mit zweischnittigen Laschenverbindungen an den außen- und innenliegenden Stegen. Bei Sonderfa¨llen mit nur auf Druck beanspruchten Knoten, oder falls eine Laschenverbindung nicht mehr wirtschaftlich auszufu¨hren ist, wird stattdessen vielfach ein Stirnplattenstoß verwendet. Neben der Tragsicherheit stellt das Verformungsverhalten der Rahmenknoten einen wichtigen Aspekt bei der Bemessung dar, welcher schon in der Stabstatik durch die Modellierung von Rahmeneckfedern oder entsprechende Stabenden mit reduzierter Steifigkeit, welche die Biegeverformung der Anschlussplatten beru¨cksichtigen, Eingang finden sollte. Die Querschnittsabmessung, das Gewicht und die La¨nge der Kesselgeru¨ststu¨tzen machen es erforderlich, Sto¨ße (Bilder 52 und 53) in relativ kurzen Absta¨nden von 15 bis 20 m anzuordnen. Diese Stu¨tzensto¨ße der Kesselgeru¨ststu¨tzen werden u¨blicherweise entsprechend den jeweils zur Anwendung kommenden Regelungen als Kontaktsto¨ße ausgefu¨hrt. Diese Vorgehensweise muss in der Herstellung der Stu¨tzen entsprechend umgesetzt werden und erfordert eine hohe Herstellgenauigkeit bei der Ebenheit der Stirnplatten. Die zula¨ssigen Toleranzen nach den jeweils anzuwendenden Regelwerken sind zwingend einzuhalten, dies erfordert in der Fertigung den Einsatz gefra¨ster Stirnplatten.

Bild 50. Anschlussdetail Diagonalen/Riegel


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Kraftwerke

Bild 51. Anschlussdetail Diagonalen/ Pfosten/Riegel

Die Stirnplatten sind im Regelfall außen bu¨ndig, Schrauben werden nur im Inneren des Stu¨tzenquerschnittes angeordnet. Innenliegende Steifen und La¨ngsrippen sorgen fu¨r die notwendige Aussteifung und Beulsicherheit der Stu¨tzen. Die Stu¨tzensto¨ße werden sinnvollerweise an Stellen geringer Biegemomente angeordnet. Zusa¨tzlich zu den Normalkra¨ften und planma¨ßigen Querkra¨ften werden die Schraubverbindungen fu¨r unplanma¨ßige Horizontallasten in Ho¨he von 2,5 % der Normalkraft bemessen. Eine weitere Besonderheit bei der Detailgestaltung stellt der Fußpunkt der Rahmenstu¨tzen dar. blicherweise wird er im statischen Modell als gelenkiger Fußpunkt abgebildet. Die Fundamentbemessung wird ebenfalls mit den Werten aus der gelenkigen Lagerung durchgefu¨hrt. In der Realita¨t ist aber ein Fußpunkt einer Kesselgeru¨ststu¨tze, deren Abmessungen sich im Bereich von ca. 1,80 m q 1,80 m bis ca. 2,80 m q 2,80 m bewegen, in der Praxis nicht als reines Gelenk auszubilden. Eine gewisse Teileinspannung muss bei der

Bild 52. Stu¨tzenstoß Draufsicht

Bild 53. Stu¨tzenstoß Schnitt


Projektlogistik in Großprojekten am Beispiel von Kohlekraftwerken

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Projektlogistik in Großprojekten am Beispiel von Kohlekraftwerken

Bei dem folgenden Abschnitt handelt es sich um einen Erfahrungsbericht aus diversen, in den letzten Jahren abgewickelten Kraftwerksprojekten aus der Sicht des ausfu¨hrenden Unternehmens. Die Autoren haben dabei als Projektverantwortliche in den Bereichen Technisches Bu¨ro, Montage und Projektleitung bei der Donges SteelTec GmbH aktiv an der Realisierung des Stahlbaus fu¨r Kohlekraftwerke mitgearbeitet. Auf den folgenden Seiten wird dargestellt, welche logistischen Anspru¨che im Rahmen des Projektmanagements zu bewa¨ltigen sind, um Großprojekte im Anlagenbau zu einem erfolgreichen Ergebnis zu fu¨hren.

Bild 54. Ansicht Stu¨tzenfuß

Festlegung der Stahlbaudetails des Fußpunktes beru¨cksichtigt werden. Ein Beispiel fu¨r einen derartigen Fußpunkt zeigt Bild 55. Die Gro¨ßenordnung der einzuleitenden Lasten verdeutlicht, dass u¨bliche Stahlbaudimensionen gesprengt werden. Die Vertikallasten liegen bei durchschnittlichen Kesselgeru¨sten von Steinkohlekraftwerken bei 150.000 kN und die zugeho¨rigen Horizontallasten bei ca. 20.000 kN. Um eine ordentliche Lasteinleitung der Diagonalenkra¨fte zu gewa¨hrleisten, ist der Fußpunkt gema¨ß den Bildern 54 und 55 auszusteifen.

4.1

Projektsteuerung

4.1.1

Leistungsumfang

Es soll am Beispiel von aktuell im Bau befindlichen bzw. in der ju¨ngeren Vergangenheit umgesetzten Steinkohlekraftwerken ein Einblick in die Projektsteuerung von Großprojekten im Anlagenbau gegeben werden. Bei der Planung von Dampferzeugergeba¨uden liegt die Herausforderung nicht in der Bewa¨ltigung ho¨chst komplizierter statischer Untersuchungen, sondern in einer nicht zu unterscha¨tzenden Organisationsaufgabe, der „Projektlogistik“. Die Montagezeit von Kraftwerken unterliegt einem sehr engen Zeitrahmen. Um dabei einen reibungslosen Ablauf zu erreichen, mu¨ssen Informationen an diverse Schnittstellen strukturiert u¨bergeben werden. Eine Besonderheit im Anlagenbau ist die ausgepra¨gte Durchflechtung der lastabtragenden Stahlstruktur mit den Anlagenkomponenten zur Dampferzeugung. Die Montage des Stahlbaus und der Anlage muss ha¨ufig gleichzeitig erfolgen. Großkomponenten wie z. B. das Druckteil, der sog. Luftvorwa¨rmer (Luvo), viele der Kana¨le in der Gro¨ße eines u¨blichen Einfamilienhauses ko¨nnen nur in enger Abstimmung integriert in die Montage des Stahlbaus ein-

Bild 55. Stu¨tzenfuß 3-D-Ansicht und Detailschnitt


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Kraftwerke

Bild 56. Grundriss Dampferzeugergeba¨ude und Ansicht Kesselgeru¨st

gehoben werden. Somit ist ha¨ufig keine Trennung zwischen der Montage des einen und der Montage des anderen Bauteils mehr mo¨glich. Der Montageablauf aller Bauteile ist zu optimieren, wobei die Stahlstruktur bereits bei der Montage der Anlagenteile als Unterstu¨tzungskonstruktion dient. Das Dampferzeugergeba¨ude (Bild 56) gliedert sich dabei in unterschiedliche Bereiche mit unterschiedlichen Tragelementen. Den Kern des Geba¨udes bildet dabei das Kesselgeru¨st (1). Umgeben ist das Kesselgeru¨st vom Kesselhaus, mit den vier Bereichen (2) Kesselhaus Stirnwand, (3) rechte- und (4) linke Seitenwand, (5) Kesselhaus-Ru¨ckwand, und die Bereiche (6) Bunkerhaus und (7) Luvohaus. Der Dampferzeuger mit Geba¨ude stellt einen abgeschlossenen Leistungsbereich des Anlagenbauers gegenu¨ber dem Kraftwerksbetreiber dar. In der Regel wird Planung, Herstellung und Lieferung vom Anlagenbauer in den nachfolgend na¨her beschriebenen Leistungspaketen als Teil oder Gesamtleistung vergeben. Die folgenden Leistungen sind innerhalb des Gewerkes Stahlbau zu erbringen: Erstellung der pru¨ffa¨higen statischen Berechnung (Basic Engineering bzw. Stabstatik), Anfertigung der Werkstattzeichnungen (Detail Engineering), Montageplanung, Fertigung der Konstruktion und schließlich die Montage. Die Entwurfsplanung (Conceptual Engineering) wird durch den Anlagenplaner erstellt. In diesem Zuge wird ha¨ufig bereits die Stabstatik an die Tragwerksplaner vergeben. Die Werkplanung erfolgt als losgelo¨stes Leistungspaket, ebenso die Montageplanung, die Fertigung und die Montage. Es kann Vorteile bieten, Synergien aus den einzelnen Leistungspaketen zur Vermeidung von Schnittstellen zu nutzen und sinnvoll ge-

wa¨hlte Pakete zusammenzufassen. Wird die Variante gewa¨hlt, das Gesamtpaket von der Werkstattplanung bis hin zur Montage an ein Unternehmen zu vergeben, mu¨ssen im Vorfeld insbesondere die Kapazita¨t der Projektleitung, die Erfahrung auf dem Gebiet des Anlagenbaus und die Ressourcen in allen Leistungsbereichen u¨berpru¨ft werden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Stahlbauunternehmen mit unzweifelhafter Kompetenz in der Abwicklung von Großprojekten bei Großkraftwerken u¨berfordert waren, was zu massiven Problemen mit Terminverzo¨gerungen in der Projektrealisierung gefu¨hrt hat. Dabei ist der Stahlbau von Kohlekraftwerken fu¨r sich betrachtet keine besondere ingenieurtechnische Herausforderung. berwiegend Tra¨gerroste mit Einfeldtra¨gern, Stu¨tzen und Verba¨nden haben den Zweck, die Komponenten, die Kana¨le etc., zu unterstu¨tzen bzw. die Zuga¨nglichkeit zu Revisionszwecken von Anlagenbauteilen zu ermo¨glichen. In der Regel gibt es somit klare Strukturen zur Lastabtragung, die sich in Bu¨hnen und Wa¨nde aufgliedern. Dennoch hat es sich bei diversen in der ju¨ngeren Vergangenheit neu gebauten Kraftwerken gezeigt, dass dies zu planen offensichtlich nicht trivial ist. Vom Beginn der Planung bis zum Ende der Montage liegt der Stahlbau meist auf dem kritischen Weg. Um das Montageziel zu erreichen, muss mit der Planung des Stahlbaus bereits begonnen werden, wenn die Detailplanung der Anlage noch nicht abgeschlossen ist. Planungsrevisionen sind dadurch vorprogrammiert. nderungen vom Beginn des Projektes bis nach dem Ende der planma¨ßigen Montagearbeiten sind unvermeidlich. Der Umfang der Unterlagen bei den aktuell ga¨ngigen Steinkohlekraftwerken ist dabei enorm. Bis zu 15.000 t Stahl und 20.000 bis 40.000 Werkstatt-


Projektlogistik in Großprojekten am Beispiel von Kohlekraftwerken

zeichnungen, sowie weit u¨ber 40.000 Hauptpositionen bzw. 120.000 Anbaupositionen sind zu planen, herzustellen und zu montieren. 4.1.2

Aufbau Projektteam

Um das Projekt mit den oben beschriebenen Randbedingungen erfolgreich umzusetzen, sollte bereits zu Beginn des Projektes eine vorausschauende Projektstruktur zur Koordination der mitwirkenden Abteilungen und Aufgaben gebildet werden. Unabha¨ngig von der Vergabeform – Vergabe der Teilleistungen Detail Engineering, Fertigung, Montageplanung, Montage einzeln – oder – Vergabe als Gesamtpaket (sog. EPC – „Erection, Production, Construction“) – mu¨ssen die beteiligten Nachunternehmer koordiniert werden. Die Basis fu¨r eine erfolgreiche Projektabwicklung bilden die Spezifikationen und der Terminplan des Auftraggebers. Die Spezifikationen sollten den einschla¨gigen internationalen Normen folgen und unmissversta¨ndlich formuliert sein. Der Terminplan des Auftraggebers entha¨lt Fixtermine (Meilensteine), an denen bestimmte Teilleistungen oder Geba¨udeabschnitte fertiggestellt sein mu¨ssen, damit die Schnittstelle zu anderen Gewerken bedient werden kann. 4.1.3

Terminplanung

Eine der Kernaufgaben der Projektleitung ist die Erstellung eines detaillierten Terminplans. Hierzu ist bereits das zu bewa¨ltigende Leistungspaket zu analysieren und mit den zur Verfu¨gung stehenden Ressourcen abzugleichen. Der vom Auftraggeber u¨bergebene grobe Terminplan mit den vorgegebenen Meilensteinen bietet dabei die Basis, auf der die detaillierten Termine fu¨r Montageeinheiten heruntergebrochen werden mu¨ssen. Hierbei kann diese Unterteilung bis hin zur Bauteilebene gehen, was fu¨r große Bauteile erforderlich sein kann, in der Regel sollten aber sinnvolle Einheiten gewa¨hlt werden, also z. B. Geba¨udeabschnitte, Bu¨hnen etc. Es muss dabei nicht nur die Erstellung des Terminplans bedacht werden, sondern auch die mit der kontinuierlichen Aktualisierung des Terminplans verbundene Arbeit, sodass dieser zu jedem Zeitpunkt in seiner letzten Fassung zur Verfu¨gung steht. Die exakte Kenntnis des jeweiligen Projektstatus ist Basis fu¨r die technisch und kommerziell erfolgreiche Projektabwicklung. 4.1.4

Vorleistung fu¨r das Engineering

Die Bearbeitung der Stabstatik wird in der Regel durch den Anlagenbauer direkt vergeben. Wie auch im Abschnitt 4.1.10 detailliert erla¨utert, mu¨ssen Montagebelange bereits in dieser Planungsphase beru¨cksichtigt werden, um eine effiziente und wirtschaftliche Montage zu ermo¨glichen. Es genu¨gt nicht, eine gut strukturierte Stabstatik mit gut lesbaren Stahlbauu¨bersichten als Basis fu¨r die Werkstattplanung zu liefern. Grundlage fu¨r den an der Montagezeit gemessenen

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Erfolg des Stahlbaus ist eine fru¨hzeitige Montageplanung, damit Montagebelange bereits bei der Werkstattplanung beru¨cksichtigt und vollsta¨ndig umgesetzt werden ko¨nnen. Fu¨r die Werkstattplanung ist entscheidend, dass den Ingenieurbu¨ros Vorgaben zum Montageablauf, zu den geplanten Vormontageeinheiten und Abha¨ngigkeiten mit verbundenen Gewerken gemacht werden. Aufgrund dieser Vorgaben ist die Planung so umzusetzen, dass z. B. das Einheben großer vormontierter Bu¨hnensegmente, die bereits mit Belag und Gela¨ndern versehen sind, mo¨glich ist. Um diese Vorgaben erarbeiten zu ko¨nnen, muss bereits vor dem Beginn der Werkstattplanung das Krankonzept mindestens der Großkrane festgelegt sein. Fla¨chen zur Lagerung, Vormontagefla¨chen sowie deren logistische Versorgung mu¨ssen bekannt sein. Erschwerend kommt im na¨chsten Schritt die Beru¨cksichtigung der Kanalund Großkomponentenmontage hinzu. So mu¨ssen im Basic Engineering bereits Lasten beru¨cksichtigt werden, die wa¨hrend der Montage auftreten, wenn z. B. große Kana¨le und Komponenten tempora¨r auf Bu¨hnen abgelegt werden, die im Endzustand dadurch planma¨ßig keine Belastung erfahren. Gleiches gilt fu¨r das Detail Engineering. Es kann erforderlich sein, Montageo¨ffnungen zu belassen und so zu gestalten, dass diese ohne gro¨ßeren Aufwand wieder geo¨ffnet werden ko¨nnen. Unter Einbeziehung dieser Rahmenbedingungen mu¨ssen Vorgaben fu¨r die Ingenieurbu¨ros erarbeitet und zur Verfu¨gung gestellt werden. Erst diese Unterlagen machen das Basic Engineering zu einer vollsta¨ndigen und weiterverwendbaren Leistung. 4.1.5

Detail Engineering

Auf die Abwicklung der technischen Bearbeitung wird in Abschnitt 4.2 detailliert eingegangen. Daher wird hier nur die Sicht der Projektleitung zum Detail Engineering kurz erla¨utert. Mit klaren Vorgaben an die Konstruktion wie standardisierte Verbindungen, konstruktive Vorgaben aus der Montageplanung, Beru¨cksichtigung der Mo¨glichkeiten der Fertigungsbetriebe – sofern sie bereits feststehen – mu¨ssen aufgrund des hohen Kapazita¨tsbedarfs mehrere Ingenieurbu¨ros zur Erstellung der Werkstattzeichnungen gebunden werden. Die Leistung der Ingenieurbu¨ros muss dabei durch die technische Projektleitung als Teil des Projektteams kontinuierlich u¨berwacht werden. Mit steigender Anzahl der eingebundenen Ingenieurbu¨ros wa¨chst auch der Koordinationsaufwand. Insbesondere dann, wenn wa¨hrend der Planungsphase nderungen durch die parallel laufende Anlagenplanung erforderlich werden. Auch in Zeiten von virtueller 3-D-Planungssoftware hat sich gezeigt, dass mit zunehmender ra¨umlicher Distanz zu den Ingenieurbu¨ros die Koordination in der Abwicklung schwieriger wird. Durch die problemlose Datenu¨bertragung großer Datenmengen u¨ber das weltweite Netz ist die Versuchung groß, billige Anbie-


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Kraftwerke

ter global mit in das Projekt einzubinden. Die kontinuierliche bergabe von Zeichnungen bzw. Teilmodellen hilft zwar bei der Koordination der Ingenieurbu¨ros, ist jedoch in keinem Fall ein Garant fu¨r Termintreue und qualitativ hochwertige Zeichnungen. 4.1.6

Fertigung

hnlich wie bei den Ingenieurbu¨ros ist auch die Fertigung der Stahlkonstruktion fu¨r Großkraftwerke o¨rtlich ungebunden. Die Fertigung kann grundsa¨tzlich u¨berall auf der Welt vergeben werden. Die erho¨hten Transportkosten werden schnell durch geringere Lo¨hne kompensiert. Einzig das Kesselgeru¨st mit Einzelgewichten der Bauteile von bis zu 160 t stellen ho¨here, jedoch nicht unlo¨sbare Anspru¨che an die Versandabwicklung. Die Fertigung des Kesselhauses mit u¨blichen Stu¨ckgewichten meist kleiner als 20 t ko¨nnen ohne Weiteres weltweit produziert werden. Wegen des in der Regel sehr engen Terminablaufs ist eher die Versandzeit der limitierende Faktor. Oft ist der Terminplan so rigide aufgebaut, dass nur wenige Tage zwischen Fertigungsende eines Bauteils oder einer Baugruppe bis zur geplanten Ankunft auf der Baustelle zur Verfu¨gung stehen. Mit dem Ziel, die Zeit bis zur Inbetriebnahme der Anlage immer weiter zu verku¨rzen, ist die Zeit fu¨r lange Transporte stark eingeschra¨nkt. Dazu kommen zwei weitere aus Projektleitungssicht kritische Faktoren. Die Kosten zur berwachung der Fertigungsqualita¨t vor Ort steigen mit der Entfernung des Stahlbauunternehmens zum Ort der Projektabwicklung. Diese Kosten, insbesondere wenn der Projektablauf nicht planma¨ßig verla¨uft, ko¨nnen schnell dazu fu¨hren, dass sich ein vermeintlicher Vergabegewinn in das Gegenteil kehrt. Des Weiteren ist aus der Sicht der Projektleitung das Risiko, resultierend aus Kosten zur Beseitigung unvermeidlicher Fertigungsfehler, im schlimmsten Falle auch Verschrottung und Neufertigung von Bauteilen, erheblich. Ein weit von der Baustelle gelegener Fertigungsbetrieb ist kaum in der Lage, seine Fehler kurzfristig zu korrigieren. Hier bietet sich die Mo¨glichkeit auf lokale Stahlbauer zuru¨ckzugreifen, wobei sich selbstversta¨ndlich diverse Fragen der Gewa¨hrleistung sowie der finanziellen Abwicklung aufwerfen. Hinzu kommt das Risiko des Verlustes der Bauteile auf dem Transportweg bzw. nicht durch den Lieferanten zu beeinflussende Lieferverzo¨gerungen. Sollte es nicht bei den „u¨blichen“ Fertigungsfehlern bleiben, sondern erhebliche Ma¨ngel der Herstellung erst bei der Montage festgestellt werden, sind langfristige juristische Streitigkeiten mit unvorhersehbarem Ergebnis die Folge. 4.1.7

Zulieferung

Im Leistungsumfang des Stahlbauunternehmens sind oft u¨ber das Detail Engineering und die Fertigung des reinen Stahlbaus hinausgehende Leistungen enthalten. Insbesondere Bu¨hnenbela¨ge wie Gitterroste, Tra¨-

nenbleche, verlorene Schalung, aber auch Gela¨nder und Schrauben. Alle oben genannten Teilleistungen haben ihre hohe Variabilita¨t gemeinsam. Bei einem Kraftwerk sind einige hunderttausend Schrauben zu verbauen sowie diverse tausend Quadratmeter Gitterroste und mehrere Kilometer Gela¨nder zu installieren. Es ist kaum mo¨glich, eine standardisierte Konstruktion zu entwerfen, dass eine individuelle Planung vermieden werden kann. Trotzdem sollte versucht werden, das Maximum an einheitlichen Abmessungen fu¨r z. B. Gitterroste und Gela¨nder zu erreichen. Nur so ist eine wirtschaftlich optimierte Konstruktion realisierbar. Die einzelnen Lieferungen mu¨ssen gema¨ß den bereits erwa¨hnten Montageabschnitten erfolgen. Nur eine klare Struktur, die vorgibt, welche Schrauben, welche Gitterroste und welche Gela¨nder zu welchem Bauabschnitt geho¨ren, gewa¨hrleistet eine Kostentransparenz, die zum Projekterfolg fu¨hrt. Ohne eine derartige Struktur ist es unmo¨glich, eine Planungs- und Kostensicherheit wa¨hrend der Montage zu erreichen. In diesem Zuge sei auf Abschnitt 4.4 – nderungsmanagement verwiesen. Die nicht dokumentierte Entnahme von Material aus dem Lager kann katastrophale Auswirkungen auf den finanziellen Erfolg eines Montageauftrags haben. 4.1.8

Qualita¨tsanforderungen und Dokumentation

Grundsa¨tzlich sind Qualita¨tsanforderungen durch die vereinbarten Normen geregelt. Diese werden durch eine umfangreiche Spezifikation des Anlagenbetreibers und des Anlagenplaners weiter detailliert. Selten gehen dabei die Anforderungen an die zu erbringende Qualita¨t des Stahlbaus u¨ber die Forderungen der Normen hinaus. Leider hat sich jedoch gezeigt, dass die Spezifikationen als Bestandteil des Vertrages teilweise nicht in sich schlu¨ssig und kongruent mit den vereinbarten Normen sind. Diese Unstimmigkeiten fu¨hren ha¨ufig, sofern sie nicht bei einer intensiven Pru¨fung vor Vertragsunterzeichnung gefunden werden, zu Diskussionen wa¨hrend der Projektabwicklung. Um dem vorzubeugen, sollten die allgemeingu¨ltigen Normen vereinbart werden, ohne diese in den Spezifikationen erneut aufzufu¨hren. Gegebenenfalls muss auf Details der Norm mit besonderer Relevanz als direkter Verweis hingewiesen werden. Da die Normen allgemeingu¨ltig sind und von keiner Vertragspartei infrage gestellt werden, kann nach Ansicht der Autoren der Umfang an Kundenspezifikationen stark reduziert werden, da durch Mehrfachnennung die Qualita¨t eines Produktes nicht verbessert wird. Die u¨ber die u¨blichen Anforderungen der Norm hinausgehenden Anspru¨che an die Dokumentation in Bezug auf Materialgu¨te, Materialherkunft und Materialeigenschaften sowie die Fertigung und Montage werden ebenfalls in den Spezifikationen geregelt. Hier mu¨ssen im Stahlbaubetrieb Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Forderungen erfu¨llen zu ko¨nnen. Es muss bereits eine gut organisierte und strukturierte


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