D. Placzek, R. Bielecki, M. Messing, F. Schwarzer
liegen, wie er geplant wurde. Einfluss auf die Vortriebsgenauigkeit haben Trassen- und Gradientenplanung, Baugrund- und Grundwasserverhältnisse, das gewählte Vortriebsverfahren, Einwirkungen und Widerstände auf die Vortriebsmaschine sowie die begleitende Bauüberwachung und Kontrolle. Das Handbuch ist Grundlage für die Bauvorbereitung, die Vermessung und Bauüberwachung von Schildvortrieben und gilt gleichermaßen für Rohr- und Tübbingvortriebe, die mit gesteuerten Schildmaschinen durchgeführt werden. Bauherren, Planer, Prüfer und Ausführende werden dieses Handbuch als technischen Leitfaden für einen sicheren und zielgenauen Vortrieb nutzen. Das Buch ist darüber hinaus auch als Lehrbuch im Rahmen der Aus- und Weiterbildung geeignet. Prof. Dr.-Ing. Dietmar Placzek, Gesellschafter der ELE Beratende Ingenieure GmbH, Erdbaulaboratorium Essen, ist Mitglied des Deutschen Ausschusses für Unterirdisches Bauen (DAUB), Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik (DGGT), Professor an der Universität Duisburg-Essen, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger und Prüfsachverständiger. Dipl.-Ing. Rolf Bielecki, Ph.D. ist Vorsitzender des Vorstands der Wissenschaftsstiftung Deutsch-Tschechisches Institut (WSDTI) in Hamburg und Lehrbeauftragter für Unterirdisches Bauen der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Campus Suderburg. Dipl.-Ing. Manfred Messing, Gesellschafter und Geschäftsführer der VMT GmbH Gesellschaft für Vermessungstechnik, Bruchsal, war maßgeblich an der Entwicklung automatisierter Navigations- und Datenmanagementsysteme für den Tunnelbau beteiligt. Frank Schwarzer, freiberuflicher Berater für Microtunnelling und Rohrvortriebe, war maßgeblich beteiligt an der Entwicklung von Kreiselkompass gestützten Navigationssystemen und verfügt über langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der Separationstechnik.
ISBN 978-3-433-03114-8
www.ernst-und-sohn.de
Zielgenau bis ans Ende des Tunnels
Damit der fertige Tunnel seine Funktion erfüllen kann, muss er exakt so
Zielgenau bis ans Ende des Tunnels Handbuch für die Bauvorbereitung, Vermessung und Bauüberwachung von Schildvortrieben
Dietmar Placzek Rolf Bielecki Manfred Messing Frank Schwarzer
Vorwort Der maschinelle Tunnelbau hat in den zurückliegenden Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen, auch dort, wo bislang bergmännische Bauweisen weit verbreitet waren. Damit einher ging in den letzten 10 bis 15 Jahren eine rasante Entwicklung der Automatisierung und Digitalisierung, um ein Höchstmaß an Genauigkeit und Geschwindigkeit bei Schildvortrieben ohne menschliche Fehlerquellen mit hoher Sicherheit für Mineure und Umfeld zu erreichen. Doch trotz umfassender Mechanisierung stellen unterirdische Schildvortriebe auch heute noch besondere Herausforderungen beim sehr komplexen Tunnelbau dar. Diese exemplarisch für die Bauvorbereitung (Planung und Ausschreibung), Vermessung und Bauüberwachung erstmalig zusammengefasst zu erläutern, soll Aufgabe dieses Buches sein. Es wurde u. a. aus der Fülle gemachter Erfahrungen für Bauherrn, Planer, Bauausführende sowie für den Ingenieurnachwuchs geschrieben und wird der weiteren Forschung und Entwicklung wichtige Hinweise geben. Das vorliegende Buch stellt die unterschiedlichen Anforderungen an den Schildvortrieb dar, weist auf Risiken hin und bietet von der Bauvorbereitung bis zur Bauüberwachung Lösunghilfen an. Dabei stehen im Fokus die Anforderungen aus der Nutzung, dem Baugrund, den unterschiedlichen maschinellen Vortriebsverfahren, der Qualität der Infrastrukturbauwerke, der Standsicherheit und – nicht zu vergessen – der Vermessung. Daneben enthält es als Handbuch Empfehlungen für die Ausschreibung und kann so als Leitfaden für einen zielgenauen Schildvortrieb dienen. Große faszinierende Tunnelbauaufgaben stehen in der Zukunft an. Sie zu bewältigen, erfordert eine fundiertes Wissen und damit eine internationale Zusammenarbeit von Experten aus verschiedensten Fachrichtungen, so z. B. auf den Gebieten Bau, Geologie, Hydrologie, Geotechnik, Maschinenbau, Geodäsie, Elektrik, Technische Informatik, Umweltschutz und Sicherheitstechnik. Grund genug, im Buch begleitende Themen zielgenauer Schildvortriebe teils auch im Anhang aufzunehmen. Danksagung Die Autoren bedanken sich bei der Emschergenossenschaft Essen dafür, dass sie bei einem der größten Infrastrukturprojekte Europas, der Umgestaltung der Emscher, im Rahmen eines Arbeitskreises ihre Erfahrungen einbringen konnten und dafür, dass einige ihrer für dieses Projekt entwickelten Ergebnisse in diesem Buch Eingang finden dürfen. Februar 2016
Dietmar Placzek, Rolf Bielecki, Manfred Messing, Frank Schwarzer
Inhaltsverzeichnis
1
Einführung ......................................................................................
1
2 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.5
Planungsgrundlagen .......................................................................
5 5 6 6 6 7 10 10 12 13 24 26 26 26 28 31
2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3 2.8
Anforderungen aus der Nutzung der Tunnel ....................................... Anforderungen aus Genehmigungen ................................................... Anforderungen aus dem Baugrund und dem Grundwasser .................. Vorbemerkungen ............................................................................... Lockergesteine .................................................................................. Steine, Findlinge ................................................................................ Festgestein ........................................................................................ Künstliche Bauhindernisse ................................................................. Baugrundeinflüsse auf den Vortrieb ................................................... Anforderungen an den Vortrieb .......................................................... Anforderungen aus den maschinellen Vortriebsverfahren .................... Übersicht über die verschiedenen Vortriebsverfahren .......................... Unbemannte steuerbare Vortriebsverfahren ......................................... Bemannte steuerbare Vortriebsverfahren ............................................. Erfahrungswerte für den Einsatz der Verfahren ................................... Anforderungen an die Qualität unterirdischer Infrastrukturbauwerke ........................................................................ Anforderungen aus der Vermessung ................................................... Realisierbarkeit .................................................................................. Erhebung notwendiger Unterlagen ...................................................... Bestandsvergleich (Ortsbegehungen) und Bestandsaufnahme ............... Anforderungen an die Standsicherheit ................................................ Stützung der Ortsbrust ....................................................................... Mindestüberdeckung .......................................................................... Setzungen/Hebungen ......................................................................... Anforderungen aus dem Umweltschutz ...............................................
3
Planung ...........................................................................................
3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5
Vorbemerkungen ............................................................................... Ergänzende Bestandsaufnahme zur Vervollständigung der Planunterlagen ............................................................................. Planung des Grundlagennetzes ........................................................... Grundlagennetz (GLN) ...................................................................... Baustellennetz ................................................................................... Portalnetz .......................................................................................... Überprüfung und Neubestimmung von Festpunkten ............................ Grundsätzliche Umstände zur Erzielung des gewünschten Ergebnisses
33 33 33 35 35 36 36 38 39 39 41 41
42 42 42 43 44 45 45
VIII
3.3.6 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.5 3.6 3.7 3.8 3.8.1 3.8.2 3.8.3
Inhaltsverzeichnis
46 47 47 48 49 50 53 54 57 57 57
3.8.4 3.9 3.10 3.11 3.12 3.13
Vorgaben für die Ausführung der Vermessungsarbeiten ...................... Trassen- und Gradientenplanung – Parameter der Achsplanung ........... Design und Begriffsdefinition ............................................................ Trasse ............................................................................................... Gradiente .......................................................................................... Feststellung der Baugrund- und Grundwasserverhältnisse .................... Ermittlung der äußeren Einwirkungen auf den Tunnel ........................ Berechnung der Bewegungen an der Geländeoberfläche ...................... Beweissicherung ................................................................................ Anforderungen an die Beweissicherung .............................................. Festlegung des Einflussbereichs der Baumaßnahme ............................ Zustandserfassung vorhandener Anlagen, der Geländeoberfläche und des Baugrunds ............................................................................ Dokumentation der Ergebnisse der Beweissicherung ........................... Tunnelbautechnische Planung ............................................................ Tunnelbautechnische Prüfung ............................................................. Auswahl des Vortriebsverfahrens ....................................................... Festlegung der Ausbauqualität ............................................................ Risikobewertung „EG-Tunnelrichtlinie“ ..............................................
4
Maschinen- und Verfahrenstechnik ..............................................
87
4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.6 4.4.7 4.4.8 4.4.9 4.4.10
Hinweise für die Baugruben und deren Einrichtungen beim Rohrvortrieb ............................................................................. Startbaugruben .................................................................................. Zwischenbaugruben ........................................................................... Zielbaugruben ................................................................................... An-, Aus-, Durch- und Einfahren der TBM ........................................ Überprüfung der Einsatzfähigkeit der TBM ........................................ Presseinrichtung und Widerlager bei Rohrvortrieben ........................... Aus- und Einfahrdichtungen ............................................................... Positionieren und Anfahren der TBM ................................................. Steuerbarkeit ..................................................................................... Hinweise für den Tunnelausbau ......................................................... Vortriebsrohre ................................................................................... Tübbingausbau .................................................................................. Vortriebsarbeiten ............................................................................... Personaleinsatz während des Vortriebs ............................................... Überschnitt/Ringspalt ......................................................................... Vortriebskräfte ................................................................................... Rohrschmierung ................................................................................ Haltungslängen .................................................................................. Zwischenpressstationen ...................................................................... Kurvenradien ..................................................................................... Verrollungssicherung ......................................................................... Sicherheitstechnik .............................................................................. Vortriebsbegleitende Baugrunderkundung ...........................................
58 62 62 63 64 86 86
87 96 98 99 100 100 101 102 103 104 105 105 106 107 107 109 112 113 115 115 118 119 120 121
IX
4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.6
4.8.1 4.8.2 4.8.3 4.8.4
Navigationstechnik ............................................................................ Einführung ........................................................................................ Navigationssysteme für Microtunnelling/Rohrvortrieb ......................... Navigationssysteme für Vortriebe mit Tübbingausbau ......................... Spezifikation des Datenerfassungssystems für den Rohrvortrieb .......................................................................... Aufzuzeichnende Parameter in Abhängigkeit der verwendeten Geräte und Verfahren ................................................................................... Anforderungen an Erfassung, Anzeige, Sicherung usw. der relevanten Vortriebsparameter ...................................................... Definition von Minimal-, Mittel- und Maximalwerten ......................... Datenerfassung beim Einsatz von Zwischenpressstationen ................... Bereitstellung der Daten zur Auswertung, Ausgabe, Dokumentation, Weiterverarbeitung ............................................................................ Schnittstellen ..................................................................................... Steuerungstechnik .............................................................................. Aufgaben der Steuerungstechnik/Steuerungssysteme für den Rohrvortrieb (Trassierung, Maschinentechnik, Rohrdimension, Automatisierungsgrad, Notprogramme) ............................................... Anordnung der Steuereinrichtung ....................................................... Kurskorrekturen ................................................................................. Kontrollmöglichkeiten ........................................................................ Automatische Steuersysteme .............................................................. Verrollungskompensierte Steuerung .................................................... Separations- und Aufbereitungstechnik bei Schildvortrieben mit flüssigkeitsgestützter Ortsbrust ..................................................... Vorbemerkungen ............................................................................... Art und Umfang des Separationskonzepts ........................................... Zusammenspiel der Komponenten ...................................................... Zusammenfassung .............................................................................
5
Vermessung .................................................................................... 189
4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4 4.6.5 4.6.6 4.7 4.7.1 4.7.2 4.7.3 4.7.4 4.7.5 4.7.6 4.8
5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.1.5 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.3 5.3.1 5.3.2
Bezugssysteme – geodätisches Datum ................................................ Geodätisches Datum bei kleinräumigen Projekten ............................... Geodätisches Datum bei großräumigen Projekten ................................ Definition des Bezugssystems ............................................................ Projektion .......................................................................................... Streckenreduktionen ........................................................................... Vorhandenes Lage- und Höhennetz .................................................... Lagereferenznetz ................................................................................ Höhenreferenznetz ............................................................................. Referenznetzkonfiguration .................................................................. Vorgaben für die Ausführung der Vermessungsarbeiten ...................... Einzusetzendes Personal des Auftragnehmers ..................................... Feldbuch ...........................................................................................
123 123 127 137 149 150 159 160 160 160 161 161 161 162 163 174 175 176 177 177 179 186 187
190 190 191 192 193 193 194 194 195 195 197 198 198
X
5.4
Inhaltsverzeichnis
5.6.7 5.7 5.7.1 5.7.2 5.8 5.8.1 5.8.2 5.8.3 5.9 5.9.1 5.9.2
Oberirdische Vermessungsarbeiten (Kombinierte Lage- und Höhenvermessung) ....................................... GNSS-Messungen .............................................................................. Tachymetrie ...................................................................................... Oberirdische Vermessungsarbeiten (Höhenvermessung) ...................... Trigonometrische Höhenübertragung .................................................. Geometrisches Nivellement ................................................................ Hydrostatisches Nivellement .............................................................. Unterirdische Vermessungsarbeiten .................................................... Grundsätzliches ................................................................................. Refraktion ......................................................................................... Untertägige Lagevermessung .............................................................. Auswertung von Vermessungsergebnissen .......................................... Durchschlagsprognose ....................................................................... Unabhängige durchgreifende Kontrolle der horizontalen Punktbestimmung mithilfe geodätischer Kreiselmessung ..................... Untertägige Höhenbestimmung .......................................................... Messungen in Start- und Zielbaugrube ............................................... Punkt- und Richtungsübertragung ....................................................... Teufenmessung .................................................................................. Festpunkte ......................................................................................... Design .............................................................................................. Genauigkeit der Festpunkte ................................................................ Nummerierungsprinzipien der Festpunkte ........................................... Übergabe der Trasse vom Auftraggeber an den Auftragnehmer ........... Trassierungspunkte und ‑elemente ...................................................... Festlegung der Vorgehensweise bei Änderung der Trasse ...................
6
Qualitätsmanagement .................................................................... 251
5.4.1 5.4.2 5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.6.4 5.6.5 5.6.6
6.1 6.1.1 6.1.2 6.2 6.2.1 6.2.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.3.6 6.4 6.4.1 6.4.2
Vermessungs- und Navigationsgeräte ................................................. Regelmäßige Prüfung der Geräte und Prüfberichte .............................. Prüfung der Geräte vor Beginn der Messung ...................................... Vermessungsverfahren ....................................................................... Dokumentation des Vermessungsverfahrens ........................................ Dokumentation von Kontrollsystemen ................................................ Maschinen- und Verfahrenstechnik ..................................................... Prüfung der verwendeten Maschinen und Verfahren ........................... Maschinenunabhängige Kontrollverfahren .......................................... Verifikationen der verwendeten Verfahren .......................................... „Worst case“-Szenario, Informationskette und Entscheidungsstationen Erfassung, Aufbereitung, Darstellung, Dokumentation usw. der relevanten Parameter gemäß den definierten Kriterien ................... Überprüfung auf Einhaltung der vorgegebenen Grenzwerte ................. Prozess-Controlling und Datenmanagement ........................................ Entwicklungsschritte .......................................................................... Datenerfassung und Anforderungen im Baubetrieb .............................
199 199 206 214 214 215 218 218 218 219 221 227 228 228 233 235 236 241 242 242 246 246 247 247 250 251 251 251 252 252 253 254 254 254 254 254 255 255 255 256 256
XI
6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.4.6 6.4.7 6.5 6.5.1 6.5.2
Virtuelle Sensorik .............................................................................. Aktuelle Entwicklungen ..................................................................... Auswertung und Analyse im Rahmen von Soll-Ist-Vergleichen ........... Aushubmassentransport/Logistik ........................................................ Eingliederung von Informationssytemen in die Bauabläufe .................. Schulung und Weiterbildung des Personals ......................................... Vermessungsfachkräfte ...................................................................... Maschinenfahrer ................................................................................
7
Risikomanagement ......................................................................... 269
8
Empfehlungen für die Ausschreibung ........................................... 273
9
Schlusswort – Ausblick .................................................................. 289
7.1 7.2 7.3 7.4 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6
Tunnelbauhandbuch (THB) ................................................................ Risikofolgen – Abschätzung und Sicherheitsbewertung ....................... Risikoverteilung bei Bauverträgen ...................................................... Zielgrößen einer risikominimierten Bauwerkserstellung .......................
Allgemeine Hinweise ......................................................................... Baugrundrisiko .................................................................................. Störfallanalyse mit Risikobewertung und -verteilung ........................... Qualitätssicherung ............................................................................. Pflichtenheft der Tunnelbohrmaschine (TBM) .................................... Versicherungen ..................................................................................
262 262 263 263 266 267 267 268 269 270 271 271
273 277 278 284 286 286
Anhang 1 ...................................................................................................... 291 Anhang 2 ...................................................................................................... 295 Anhang 3 ...................................................................................................... 303 Anhang 4 ...................................................................................................... 311 Literatur ....................................................................................................... 315 Normen und Regelwerke ............................................................................ 319 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 325
98
4 Maschinen- und Verfahrenstechnik
Bild 4.8 Berechnung des Pressenhubs
Bild 4.9 Grundsätzliche Gegenüberstellung einer Kompaktpresse (links) und einer Hauptpresse (rechts)
4.1.2
Zwischenbaugruben
Zwischenbaugruben (Durchfahrbaugruben) sind Bauwerke, welche entweder aus den Anforderungen des Bauwerks (z. B. Zugangsschacht) oder jenen des Rohrvortriebs (z. B. Werkzeugwechsel) hervorgehen. Nach der Herstellung sind die Durchfahrquerschnitte nach Koordinaten aufzumessen und zu dokumentieren, die Übereinstimmung mit dem Trassenverlauf ist nachzuweisen. Es ist sicherzustellen, dass die Vortriebstrasse und die Achse zwischen Ein- und Ausfahrquerschnitt identisch sind. Ist die TBM bis auf 30 m an die Zwischenbaugrube herangefahren, ist eine Kontrollvermessung durchzuführen; die aufgenommenen Koordinaten sind mit jenen des Baugrubenaufmaßes und inklusive der Richtung der montierten Einfahr-/Ausfahrdichtung – sofern verbaut – auf Übereinstimmung hin zu überprüfen. Werden Ein- und Ausfahrdichtungen verwendet, ist darauf zu achten, dass der Bohrkopf der Maschine im nicht drehenden Zustand durch die Dichtungen geschoben
4.1 Hinweise für die Baugruben und deren Einrichtungen beim Rohrvortrieb
99
werden kann, um eine Beschädigung bzw. Zerstörung der Dichtung, auch durch aus der Baugrubenwand herausgelöste Betonbrocken, zu vermeiden. Bei Druckluftvortrieben sind erforderlichenfalls Ein-/Ausfahrtöpfe zu verwenden. Beim Durchfahren von Zwischenbaugruben ist darauf zu achten, dass schädliche Abweichungen von der vorgegebenen Soll-Linie vermieden werden. Hierfür sind erforderlichenfalls vor der Durchfahrt die entsprechenden Bauhilfsmaßnahmen zu definieren und durchzuführen. Während der Durchfahrt von Zwischenbaugruben sind extreme Steuerbewegungen zu vermeiden, damit der nachfolgende Rohrstrang die Zwischenbaugrube zwängungsfrei passieren kann. 4.1.3
Zielbaugruben
Zielbaugruben dienen, sofern sie nicht für eine permanente Nutzung des Bauvorhabens vorgesehen sind, der Bergung der beim Rohrvortrieb verwendeten Tunnelbohrmaschine. Nach der Herstellung ist der Einfahrquerschnitt nach Koordinaten aufzumessen und zu dokumentieren, die Übereinstimmung mit dem Trassenverlauf ist nachzuweisen. Sofern Form und Abmessungen der Zielbaugrube nicht durch eine spätere Funktion vorgegeben sind, richten sie sich nach den Abmessungen der verwendeten Tunnelbohrmaschine bzw. den Abmessungen und Transportanforderungen der jeweiligen Einzelkomponenten (Maschinenrohre). Erfordert der Rohrvortrieb eine Abdichtung des Rohrstrangs gegenüber der Zielbaugrube, ist eine für das vorgesehene Zielbauwerk geeignete und ausreichend dimensionierte Einfahrdichtung bzw. ein Einfahrtopf exakt zu positionieren und in geeigneter Art und Weise zu befestigen. Erforderlichenfalls ist eine Einfahrschleuse zu installieren. Ist die TBM bis auf 30 m an die Zielbaugrube herangefahren, ist eine Kontrollvermessung durchzuführen; die aufgenommenen Koordinaten sind mit jenen des Baugrubenaufmaßes inklusive der Richtung der montierten Einfahrdichtung auf Übereinstimmung hin zu überprüfen. Bild 4.10 zeigt eine fehlerhafte Einfahrt des Rohrvortriebs in eine relativ lange Einfahrtdichtung (Einfahrtopf) und lässt deutlich erkennen, dass ein genaues Aufmaß des Einfahrtopfes nach Lage und Richtung erforderlich ist. Das Aufmaß ist in Bezug zur Planungsachse des Rohrvortriebs zu setzen. Erforderlichenfalls ist die Position der Einfahrdichtung zu korrigieren. Bei der Einfahrt ist darauf zu achten, dass der Bohrkopf der Maschine im nicht drehenden Zustand durch die Dichtungen geschoben werden kann, um eine Beschädigung bzw. Zerstörung der Dichtung zu vermeiden. Weiterhin ist zu beachten, dass die Dichtung bei der Einfahrt nicht durch aus der Baugrubenwand herausgelöste Betonbrocken beschädigt wird.
100
4 Maschinen- und Verfahrenstechnik
Bild 4.10 Situation Einfahrtopf
4.2
An-, Aus-, Durch- und Einfahren der TBM
4.2.1
Überprüfung der Einsatzfähigkeit der TBM
Für die vorgesehene TBM ist einsatzspezifisch ein statischer Nachweis über die Einsatzfähigkeit zu führen. Vor dem Einsatz der vorgesehenen TBM ist zur Überprüfung der Einsatzfähigkeit ein zu dokumentierendes Aufmaß vorzunehmen. Dabei sind für den Bohrkopf (Vollschnitt), den Schild sowie für alle zum Einsatz kommenden Maschinenrohre der TBM die folgenden Werte aufzunehmen und mit denen der Konstruktionszeichnung des Herstellers zu vergleichen. Das Aufmaß ist von einem unabhängigen Vermesser vorzunehmen. – Länge (z. B. 3 Messungen × 120° Winkelversatz), – Winkelhaltigkeit, – Umfang (z. B. jeweils am Anfang und am Ende des Maschinenrohrs), – Rundheit (z. B. jeweils am Anfang und am Ende des Maschinenrohrs, Messen des Außendurchmessers, 6 Messungen × 30° Winkelversatz ausgehend von der vertikalen Maschinenachse), – Entwicklung des Überschnitts vom Bohrkopf bzw. Schneidschuh bis zum Vortriebsrohr, – Knickwinkel Schild – Maschinenrohr 1 bei Steuerzylinder Nullstellung. Die Grundlage für die zulässigen Toleranzen für rundgewalzte bzw. geschweißte Stahlkonstruktionen (Schildmantel) bildet dabei die EN ISO 13920, Klasse BF. Unzulässige Abweichungen haben zur Folge, dass die Maschine nicht eingesetzt werden darf. Der AN hat nachzuweisen, dass die in der TBM verbauten, mit dem Bau-
4.2 An-, Aus-, Durch- und Einfahren der TBM
101
grund in Verbindung stehenden Dichtungssysteme für den vorgesehenen Einsatz ausreichend dimensioniert sind. Der AN ist weiterhin verpflichtet, eine Erklärung über die generelle Verfügbarkeit von Ersatzteilen der vorgesehenen Vortriebsmaschine und der sonstigen Ausrüstungskomponenten abzulegen. Die Vortriebsanlage ist auf die Installation/Vollständigkeit der jeweils geforderten Zusatzeinrichtungen (z. B. automatisches Rohrschmiersystem, Datenprotokollierung) hin zu überprüfen. Die Einsatzfähigkeit der Maschine ist in Form eines Prüfzeichens in der TBM zu dokumentieren. Der AN hat für die Dauer der Baumaßnahme eine vollständige Dokumentation der TBM und der sonstigen Ausrüstungskomponenten auf der Baustelle vorzuhalten. Die Vortriebsmaschine darf erst nach dem Unterzeichnen eines entsprechenden (vom AN zu erstellenden) Dokuments durch den Auftraggeber in die Startbaugrube abgelassen werden. Qualifizierung des Maschinenfahrers Derzeit existiert keine Spezifikation bzw. kein Qualifikationsnachweis für Maschinenfahrer. Der AG ist angeraten, vom AN persönliche Projektreferenzen (gefahrene Maschinen, gefahrene Haltungen) für die vorgesehenen Maschinenfahrer anzufordern. Die derzeitige Praxis einer Übermittlung von Projektreferenzen bezieht sich in der Regel auf die Firmenreferenzen, was jedoch keinen Aufschluss über die Qualifizierung des vorgesehenen Personals gibt. Unabhängig davon ist es erforderlich, ein System zur Sicherstellung einer Mindestqualifikation für Maschinenfahrer einzurichten. 4.2.2
Presseinrichtung und Widerlager bei Rohrvortrieben
Zu Beginn der Startbaugrubeneinrichtung wird die Hauptpressenstation (Kompaktpressenstation, Pressenstation mit separatem Pressenschlitten, Rohrauflager) auf der Baugrubensohle bzw. darin eingebundenen Befestigungsvorrichtungen (z. B. einbetonierte Profile) installiert (Bild 4.11). Dabei ist auf eine exakte Positionierung nach Lage, Höhe und Ausrichtung zu achten. Zur Einrichtung der Pressenstation bzw. des Rohrauflagers ist ein Vortriebsrohr bzw. Blindringe des Tübbingausbaus oder eine Schablone, welche den Innen- und Außendurchmesser des Tunnels darstellt, zu verwenden. Ein erforderlichenfalls einzubauendes Widerlager aus Stahlbeton zur Aufnahme und Weiterleitung der Presskräfte über die Baugrubenwand in den Baugrund ist im Anschluss daran zu installieren, um den erforderlichen Verbund (Lagesicherheit, gleichmäßige Druckverteilung) sicherzustellen. Widerlagerkonstruktionen ausschließlich bestehend aus Stahlkonstruktionen sind nicht zu verwenden, da hierbei von größeren Bewegungen und schlechterem Verbund bzw. schlechterer Lastverteilung ausgegangen werden muss. Es sind Widerlager aus Stahlbeton und, sofern an der Presseinrichtung nicht installiert, mit pressen-
102
4 Maschinen- und Verfahrenstechnik
Bild 4.11 Baustelleneinrichtung einer Kompaktpresse (links) und einer Hauptpressenstation (rechts)
seitig eingelassener Stahlplatte bzw. eingelassenen Stahlplatten zur Lasteinleitung vorzusehen; die ordnungsgemäße Krafteinleitung ist nachzuweisen. Bei den ortsfest in der Startbaugrube installierten Systemkomponenten des Vermessungs- bzw. Navigationssystems ist darauf zu achten, dass die Aufnahme lagesicher erfolgt und dass ein ausreichender Schutz gegen Beschädigung vorhanden ist. Eine Installation im Bereich Hauptpresse/Widerlager ist nicht zulässig. 4.2.3
Aus- und Einfahrdichtungen
Die Ausfahrdichtung dient der Abdichtung der Startbaugrube gegen in den Ringspalt eingepresstes Schmier- und Stützmittel und/oder gegen eindringendes Grundwasser (Grundbruchgefahr). Bei der Verwendung von Vortriebsmaschinen mit Flüssigkeitsstützung verhindert sie zusätzlich den Rücklauf der Spülflüssigkeit über den Ringspalt in die Startbaugrube; speziell in der Anfahrphase. Sie besteht je nach Anforderung aus einer Einfach- oder Zweifach-Elastomerdichtung und wird im Durchfahrbereich auf der Baugrubenwand bzw. der Ausfahrwand positioniert; erforderlichenfalls wird die Dichtung zusätzlich mit einer manuell nachstellbaren Notdichtung ausgestattet.
Bild 4.12 Beispiele Anfahrdichtung
4.2 An-, Aus-, Durch- und Einfahren der TBM
103
Insbesondere bei Zweifach-Elastomerdichtungen (Doppellippendichtungen z. B. „Phönixdichtungsprofile“) führen bereits geringe Abweichungen zur Beeinträchtigung bzw. Beschädigung/Zerstörung der Dichtung. Es ist sicherzustellen, dass die montierte Dichtung nicht mit der Auflast aus Maschinengewicht und Tunnelauflast beaufschlagt wird, was eine Zerstörung der Dichtung zur Folge hätte; es ist eine ausreichend tragfähige Bettung herzustellen. Die Dichtung wird an der Baugrubeninnenseite bzw. an der Ausfahrwand durch Anflanschen eines Schraubenrings bzw. Dichtungstopfes angebracht. Bei der Auswahl und der Installation des Dichtungssystems ist sicherzustellen, dass ein ausreichender Abstand zwischen Dichtlippe und Baugrubenwand zur Verfügung steht, damit der Bohrkopf der TBM im nicht drehenden Zustand durch die Dichtung geschoben werden kann, um Beschädigungen an der Dichtlippe zu vermeiden. In Sonderfällen (z. B. geringes Dichtungsspiel) kann die Dichtung vor dem Positionieren auf die TBM geschoben werden und nach dem Positionieren an der Ausfahrwand befestigt werden. Erforderlichenfalls muss dabei die Vortriebsmaschine vor der Dichtungsmontage einen Teil der Ausfahrwand abbauen. Bei der Ausfahrt in den Baugrund muss die Dichtlippe voll auf dem Schildmantel aufliegen. Die Abdichtung der Ausfahröffnung kann erforderlichenfalls durch geeignete Bauhilfsmaßnahmen (z. B. Injektionsblöcke) unterstützt werden, die aber in jedem Fall als reduntante Systeme auszubilden sind. Die Auswahl des jeweiligen Dichtungstyps richtet sich nach den zulässigen Betriebstoleranzen (Durchmesser) der Dichtung während des Betriebs und den Projektrandbedingungen. Im Wesentlichen wird der Dichtungstyp durch den anstehenden Wasserdruck bzw. den Schmierdruck vorgegeben. 4.2.4
Positionieren und Anfahren der TBM
In der Regel erlauben die Baugrubenabmessungen keine komplette Montage der TBM in der Startbaugrube. Die TBM wird dann in Segmenten in die Startbaugrube abgelassen und positioniert. Vor der Ausfahrt aus der Startbaugrube sind Lage, Höhe und Ausrichtung der TBM zu vermessen und zu protokollieren. Die aufgenommenen Koordinaten und Richtungen sind mit jenen des durchgeführten Grubenaufmaßes (insbesondere Ausfahrdichtung) und des vorgegebenen Trassenverlaufs auf Übereinstimmung hin zu überprüfen. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, für die Dauer des Anfahrvorgangs, in welcher noch keine Personenschleuse verbaut ist bzw. noch nicht an die TBM gekoppelt ist, ein Notprogramm hinsichtlich des Zugangs zur Ortsbrust auszuarbeiten und dem Auftraggeber zu übermitteln. Vor Vortriebsbeginn ist der Stationswertaufnehmer der Startbaugrube zu installieren und die Stationierung auf „null“ zurückzusetzen.
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4 Maschinen- und Verfahrenstechnik
Eine permanente Kontrolle der Vortriebsparameter ist insbesondere in dieser Phase des Vortriebs sehr wichtig, da größere Abweichungen zur Solllinie während bzw. kurz nach der Ausfahrt in der Regel weitere Probleme nach sich ziehen. Beim Eintritt der TBM in den Baugrund besteht ein erhöhtes Grundbruchrisiko, welches durch die Ausfahrdichtung und die Einstellung des vorberechneten Stützdrucks zu kompensieren ist. In Abhängigkeit der aufzufahrenden Geologie (Tragfähigkeit des Baugrunds) ist vor der Ausfahrt aus der Startbaugrube vom AN festzulegen, ob und mit welcher Vorsteuerung (in der Regel erhöhter Neigungswinkel des Schildes) die TBM in den Baugrund einzufahren hat, um z. B. ein Absinken aufgrund des Maschinengewichts zu vermeiden. Extreme Steuerbewegungen sind zu vermeiden. 4.2.5
Steuerbarkeit
Zur Steuerung der TBM werden in der Regel hydraulische Steuerzylinder verwendet, welche im Schildgelenk durch Aus-/Einfahren für das erforderliche Verschwenken des vorderen Teiles der TBM sorgen, Neigungen bis etwa 3° sind zu ermöglichen. Die verwendete Schildgelenkdichtung ist auf diese besondere Belastung auszulegen. Bei Maschinen für Rohrdurchmesser größer DN 1200 sind die verwendeten Dichtungen in der Regel nachstellbar. Das Schildgelenk ist mit einer Verrollungssicherung (Beweglichkeit in Vortriebsrichtung ist sicherzustellen) auszustatten. Maschinen für Rohrdurchmesser bis etwa DN 1500 arbeiten mit drei Hydraulikzylindern, in größeren Anlagen sind vier Zylinder verbaut. Bei der Verwendung von vier Steuerzylindern ist darauf zu achten, dass die Zylinder im Betrieb nur paarweise betätigt werden können, eine entsprechende Verriegelung ist vorzusehen. Das manuelle Nachjustieren der einzelnen Zylinder ist zu ermöglichen (z. B. Entriegelungsschalter). Werden aufgedoppelte TBM verwendet, ist ein Nachweis zu führen, dass die verbauten Steuerzylinder in der Lage sind, die Zusatzbelastungen (z. B. zusätzliche Anpresskraft Bohrkopf, zusätzliche Kraft aus Stützdruck) mit ausreichender Sicherheit aufzunehmen. Als Steuerzylinder sind nur zweifach wirkende Hydraulikzylinder zu verwenden, es ist darauf zu achten, dass die größere Kraftkomponente des Hydraulikzylinders in Richtung des Vortriebs wirkt. Die Zylinder sind auf die zu erwartenden bzw. zulässigen Vortriebskräfte abzustimmen. Hierbei sind insbesondere die Anpresskraft an die Ortsbrust und der einzustellende Stützdruck zu berück-
Bild 4.13 Betätigung der Steuerzylinder – Zulässige und unzulässige Paarkombinationen
4.3 Hinweise für den Tunnelausbau
105
sichtigen. Während des Betriebs ist darauf zu achten, dass die Zylinder nicht im voll ein- oder ausgefahrenen Zustand betrieben werden, um einen ggf. erforderlichen Verfahrweg in besonderen Situationen zu gewährleisten. Die Steuerzylinder sind mit integrierten (z. B. induktiven) Wegmesssystemen auszustatten, der Verfahrweg ist mit einer Genauigkeit von 1 mm aufzunehmen. Dem Maschinenfahrer sind für alle Steuerzylinder die Verfahrwege in [mm] und hinsichtlich der Kraftbelastung neben den Einzelwerten zusätzlich zur Ermittlung der Bohrkopfanpresskraft der zugehörige Gesamtwert in [kN] anzuzeigen. Bei Großtunneln in Tübbingbauweise erfolgt die Steuerung analog der o. g. Verfahrensweise. Hier stützen sich die Hydraulikzylinder jedoch nicht auf das Pressenwiderlager in der Startbaugrube bzw. über die Zwischenpressstationen, sondern auf die bereits eingebauten Tübbingringe, vornehmlich auf den letzten Tübbingring ab. 4.3
Hinweise für den Tunnelausbau
4.3.1
Vortriebsrohre
4.3.1.1 Kriterien der Dimensionierung der Rohre
Je mehr Boden eine im Grundwasser liegende Rohrleitung überdeckt, desto größer sind bei sandigen, insbesondere feinsandigen, Böden die Wandreibungskräfte bei Rohrvortrieben. Hier gilt es bereits bei der Ausschreibung zur Abwehr eines „Festfahrens“ auf die besonderen Randbedingungen hinzuweisen und bei der Vergabe der Baumaßnahme u. a. auf folgende Kriterien besonders zu achten: – richtige Wahl und Ausführung der Tunnelvortriebsmaschine, – gezielte Auswahl der zuerst aufzufahrenden Vortriebsstrecke, – ausreichende Dimensionierung und Qualität der mit glatten Außen- und Innenwandungen herzustellenden Vortriebsrohre, – vollautomatische, ständig unter Druck zu haltende Schmierung der Vortriebsrohre an richtiger Stelle des Rohrstrangs (z. B. jedes zweite Rohr) und -umfangs, – auf die speziellen örtlichen Boden- und Grundwasserverhältnisse abgestimmte Zusammensetzung der Ringspaltverpressung, – genügende Auslegung der Pressenkräfte und der Zwischenpressstationen. Maßnahmen zur Verhinderung des Kontakts Rohr/Boden hinsichtlich Minimierung des Reibungswiderstands sind – vollständige Verfüllung des Ringraums mit Bentonitsuspension ab Verlassen der Rohre aus dem Startschacht über die gesamte Vortriebsstrecke, – kontinuierlicher Ersatz verlustig gegangener Bentonitsuspension, – Aufrechterhaltung des Suspensionsdrucks. Die Summe der Vortriebskräfte setzt sich zusammen aus – dem Eindringwiderstand des Bohrkopfes bzw. des Schneidschuhs an der Ortsbrust (Erfahrungswert je nach Geologie 200 bis 400 kN – 20 bis 40 t – pro lfdm. Schneidenumfang), – dem Stützdruck an der Ortsbrust,
106
4 Maschinen- und Verfahrenstechnik
– der Mantelreibung der TBM und des Rohrstrangs (normale Kurven erhöhen die erforderlichen Verpresskräfte um ca. 20 % – ohne Schmierung betragen die Reibungskräfte 20 bis 40 kN – 2 bis 4 t – pro m2 Rohrwandfläche, mit Schmierung 2,2 bis 10 kN – 0,22 bis 1 t – pro m2 Rohrwandfläche), – dem Widerstand beim Schließen von Zwischenpressstationen (die erste Zwischenpressstation sollte wegen des Schneidenwiderstands einen kurzen Abstand (z. B. 30 m) hinter der TBM haben). Außerdem sind aus unterschiedlichen Fugenspaltweiten und analogen Verwinklungen der Rohrachsen Zwängungskräfte den aufzubringenden Vortriebskräften hinzuzuzählen. 4.3.1.2 Rohrlängen und Trassen beim Rohrvortrieb
Die Rohrlängen von z. B. Stahlbetonvortriebsrohren variieren von ca. 2,00 m bis 4,00 m, max. 5,00 m. Kurze Rohre lassen sich besser steuern und sind daher für engere Kurven geeignet. Als Faustformel für die Wanddicke von Stahlbetonvortriebsrohren gilt 12 bis 14 % von DN oder 10 % von DN + 5 cm. Die zentrischen Druckspannungen auf die Holzringzwischenlagen sollten mit Rücksicht auf die elastischen Eigenschaften des Holzes mit etwa 7 N/mm2 (70 kg/cm2) begrenzt werden. Rohrvortriebe von DN < 1.000 können mit Auffahrlängen von 300 m und Rohrvortriebe mit DN > 1.000 mit Auffahrlängen von > 300 m (bei größeren bemannten Rohrvortrieben von zu 3.000 m und mehr) von einem Schacht aus – auch in Kurvenfahrten mit R = 300 bis 400 × Da in Meter – hergestellt werden. Dabei können Auffahrgenauigkeiten von ±5 cm Abweichung von der Soll-Lage gefordert werden (bei längeren Vortrieben ±5 bis 8 cm). Aus der Startbaugrube sollten zunächst die ersten 50 m in Geradeausfahrt vorgetrieben werden. Der Personaleinsatz bei Rohrvortrieben unter Druckluftbeaufschlagung wird u. a. durch eine minimale lichte Schleusenhöhe von 1,60 m und eine minimale Höhe der Arbeitskammer von 1,80 m geregelt. Insofern müssen Vortriebsrohre unter Einsatz von Druckluft mindestens einen DN von 1500 mm haben. 4.3.2
Tübbingausbau
Bild 4.14 zeigt die grundsätzlichen Ausbaumöglichkeiten beim Tunnelbau in bergmännischer Bauweise. Dabei wird zwischen ein- und zweischaligem Ausbau unterschieden. Für Schildvortriebe sind folgende Ausbaumethoden relevant: – Beim einschaligen Tübbingausbau bilden die Tübbings die fertige Tunnelwand. – Beim zweischaligen Tübbingausbau mit Ortbetoninnenschale wird gegen die vorhandene Innenwandung der Tübbingringe eine komplette Stahlbetoninnenschale betoniert. Diese ist gegebenenfalls für den vollen Außenwasserdruck zu bemessen. – Beim Tübbingausbau mit Inliner-Rohr wird, z. B. aus Korrosionsschutzgründen, ein Inliner-Rohr aus Polymerbeton eingebaut und verankert. Dieses ist für den
4.4 Vortriebsarbeiten
107
Bild 4.14 Ausbaumethoden für den Tunnelbau in geschlossener Bauweise (ohne Rohrvortrieb) [4.2]
vollen Außenwasserdruck zu bemessen. Der Zwischenraum ist danach mit Dämmer zu verpressen. Entwurf, Ausführung, Herstellen und Qualitätssicherung des Tübbingausbaus werden u. a. in den einschlägigen DAUB-Empfehlungen, Vorschriften und Richtlinien sowie in [4.1] und [4.2] behandelt. 4.4
Vortriebsarbeiten
Die Wahl der Tunnelbohrmaschine (TBM) richtet sich im Wesentlichen nach dem zu durchfahrenden Baugrund und dem anstehenden Wasserdruck. Die Maschinen- und Verfahrenstechnik wird dabei zusätzlich durch planerische und geometrische Randbedingungen (Trassen- und Gradientenführung, vorhandene Anlagen usw.) beeinflusst. 4.4.1
Personaleinsatz während des Vortriebs
4.4.1.1 Schichtbetrieb
Für einen kontinuierlichen Vortrieb ist ein Betrieb in mehreren Schichten notwendig. Bei größeren Vortrieben umfassen diese i. Allg. 20 Stunden am Tag, wobei zusätzlich 4 Stunden für Wartung, Kontrollmessungen u. a. notwendig sind. Auflagen von Behörden können zu Vortriebsunterbrechungen führen oder es kann durch Genehmigungsbehörden gar ein Mehrschichtbetrieb untersagt werden, was sich auf die vereinbarte Bauzeit auswirken kann. Mehrschichtbetriebe sind besonders sorgfältig im Hinblick auf den Personaleinsatz und die Dauer des Einsatzes zu planen.
5.4 Oberirdische Vermessungsarbeiten (Kombinierte Lage- und Höhenvermessung)
213
Instrumente Die nominelle Winkelmessgenauigkeit moderner, geodätischer Totalstationen erreicht heute 1 bis 0,5“ (0,3 bis 0,15 mgon), die Streckenmessgenauigkeit auf geeignete Reflektoren 0,6 mm + 1 ppm (konstanter bzw. streckenabhängiger Fehleranteil). Für Messungen im Punktfeld sind grundsätzlich Tachymeter der oberen geodätischen Genauigkeitsklasse zu verwenden, d. h. 0,3 mgon oder besser bzw. 1 mm + 1 ppm oder besser. Die Geräte sollten motorisiert und zur automatischen Zielerfassung geeignet sein. Die Winkelmessung hat elektronisch zu erfolgen. Das Instrument soll für automatische Satzmessung ausgestattet sein und über einen funktionsfähigen Stehachskompensator verfügen. Darüber hinaus sollte digitale Datenaufzeichnung vorgesehen sein. Die Streckenmessung des Tachymeters erfolgt über einen integrierten axialen Entfernungsmesser. Das Arbeiten mit Aufsatzentfernungsmessern ist nicht zulässig. Die Kombination Tachymeter und Reflektor muss aufeinander abgestimmt sein. Reflektorhalter und Tachymeter müssen über einheitliche Zwangszentrierungseinrichtungen verfügen. Abhängig von der Wellenlänge des Streckenmesssignals ist der Signalweg im Reflektor unterschiedlich lang. Für jede Reflektor/Tachymeter-Kombination muss daher die sogenannte Prismenkonstante bekannt sein und im Instrument berücksichtigt werden. Beides muss im Feldbuch dokumentiert sein. Beim Datenexport soll die Prismenkonstante ebenfalls angezeigt und vor der Auswertung geprüft werden. Es ist empfehlenswert, das Gerät mit Tastaturen auf beiden Geräteseiten bzw. einem externen User-Interface auszustatten, damit die Bedienung auch in unbequemen Aufstellungen ohne artistische Einlagen bzw. Gefährdung des Bedienpersonals (z. B. Absturz) möglich ist. Das Instrument sollte mit einem stabilen, gerätespezifischen Transportkoffer ausgestattet sein, um Beschädigungen während des Transports auszuschließen. Thermometer und Barometer gehören ebenso wie ein Maßband zur Bestimmung von Instrumenten- bzw. Reflektorhöhe zur Standardausrüstung des Vermessers im Felde. Temperatur, Luftdruck und relative Luftfeuchtigkeit werden am Instrument eingegeben und zur Skalierung des durch das durchquerte Medium beeinträchtigten Signals verarbeitet. Die das Instrument aufnehmenden Dreifüße sollen geeignet sein, das Instrument optisch über der Vermarkung zu zentrieren. Es ist darauf zu achten, dass im Instrument oder Dreifuß implementierte Zentriereinrichtungen (optisches Lot oder Laserlot) justiert sind. Die Justierung ist regelmäßig zu prüfen. Die Prüfung ist im Rahmen des Qualitätsmanagements nachzuweisen. Bei festverbauten Einheiten kann die Prüfung einen Justierstand erfordern. Im Allgemeinen bedeutet das, das Instrument zur Kalibrierung an den Hersteller oder eine autorisierte Institution zu senden. Vorzuziehen sind separate optische Lote, mit denen es auch im Falle, dass sie dejustiert sind, möglich ist, mittels Messung in vier unterschiedlichen Lagen, korrekte Zentrierung zu gewährleisten.
214
5 Vermessung
Grundsätzlich sind geodätische Tachymeter regelmäßig zu warten. Die Intervalle richten sich nach Betriebsstunden und Gerätezustand. Die Alterung elektronischer Bauteile ist heutzutage i. Allg. unkritisch. Jedoch sollte ein Instrument dringend geprüft werden, wenn es Schaden genommen hat oder die Funktionsprüfung einen entsprechenden Verdacht begründet. Eine Prüfung kann ebenfalls erforderlich sein, sofern sich z. B. der Transport als unsanft erwiesen hat oder das Instrument lange gelagert worden ist. 5.5
Oberirdische Vermessungsarbeiten (Höhenvermessung)
Die Höhenmessung stellt einen Sonderfall der Koordinatenbestimmung dar. Das bedeutet, dass die Referenzrichtung der Gebrauchshöhen grundsätzlich die Lotrichtung, d. h. die Fallrichtung, ist. Höhenunterschiede werden demnach im Erdschwerefeld eindimensional entlang der Lotrichtung bestimmt. Kleinräumig ist die Höhenmessung damit trivial, großräumig dagegen aufgrund der Inhomogenität der Referenzfläche (siehe Bild 5.2) wissenschaftlich anspruchsvoll. 5.5.1
Trigonometrische Höhenübertragung
Die Höhenbestimmung kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Bild 5.10 zeigt ein einfaches Prinzip der trigonometrischen Höhenübertragung. Der Höhenunterschied zwischen Instrumentenkippachse und Zentrum des Reflektors wird mittels trigonometrischer Funktion aus gemessener Distanz S und Zenitwinkel z bestimmt. Korrigiert um die Instrumentenhöhe i und die Reflektorhöhe t über Stand- bzw. Zielpunkt ergibt sich der Höhenunterschied zweier Punkte. Die trigonometrische Höhenbestimmung fällt als „Nebenprodukt“ der tachymetrischen Lagebestimmung ab. Das Verfahren ist relativ schnell und eignet sich auch zum Überbrücken größerer Distanzen und Hindernisse. Die Auswertung der Höhen erfolgt gesondert von der Lageausgleichung. Die Genauigkeit der einzelnen trigonometrischen Höhenübertragung mit geodätischen Totalstationen liegt bei Distanzen bis etwa 200 m im Bereich weniger Millimeter [5.1]. Bei Distanzen darüber hinaus übersteigt der Einfluss von Erdkrümmung und Refraktion diese Größenordnung und muss über Taylor-Approximation rechnerisch berücksichtigt werden. Daraus folgt, dass Tal- oder Stromübergänge gewöhnlich erhöhten Aufwand bedeuten. Es ist dringend zu empfehlen, speziell auf
Bild 5.10 Prinzip der trigonometrischen Höhenübertragung [5.3]
5.5 Oberirdische Vermessungsarbeiten (Höhenvermessung)
215
großen Distanzen gleichzeitig-gegenseitig zu beobachten, um den Einfluss der vertikalen Refraktion verfahrensseitig zu minimieren. Die für die trigonometrische Höhenübertragung erforderlichen Instrumente sind identisch mit den im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen. 5.5.2
Geometrisches Nivellement
Prinzip Standardverfahren der präzisen Höhenbestimmung ist das geometrische Nivellement. Das Verfahren ist geometrisch ungeheuer simpel und von sorgfältigem Personal in kürzester Zeit zu erlernen und durchzuführen. Beim geometrischen Nivellement handelt es sich um ein Verfahren, bei dem, verglichen mit dem Nivellementsweg, auf kurzen Teilstrecken (ca. 60 m) Höhenunterschiede bestimmt werden. Der Höhenunterschied ergibt sich aus der Differenz zwischen den horizontalen Ablesungen auf einer rückwärts und vorwärts je lotrecht über einem Punkt aufgerichteten Nivellierlatte. Die Summe der vertikalen Differenzen zwischen Start- und Zielpunkt ergibt der Höhenunterschied (siehe Bild 5.11). Festpunkte sind grundsätzlich als Wechselpunkte zu beobachten. Das heißt, dass ein solcher Punkt in der aktuellen Aufstellung als vorwärtiger Lattenaufstellungspunkt dient sowie in der darauf folgenden Aufstellung als rückwärtiger. Nur auf diese Weise sind die bestimmten Höhen im Verbund durchgreifend kontrolliert. Vorteil des geometrischen Nivellements ist, dass jede Aufstellung lokal im Schwerefeld orientiert ist und aufgrund der inkrementell kurzen Abschnitte das Nivellement direkt physikalische Höhenunterschiede liefert. Erkauft wird die Eigenschaft damit, dass sich auch sehr kleine systematische Fehler aufgrund der hohen Zahl von kontinuierlich aneinander anschließenden Repetitionen von Aufstellungen signifikant auswirken. Gerade das geometrische Nivellement erfordert daher akribisches Einhalten von Arbeitsabläufen und äußerste Sorgfalt. So werden z. B. Justierfehler der Zielachse eliminiert, indem zwischen Rückblick und Vorblick je gleiche Zielweiten (ca. 30 m) eingehalten werden („Zielung aus der Mitte“). Gegebenenfalls ist der Nivellementsweg vorher zu erkunden und sind Latten- und Instrumentenstandpunkt vorab zu markieren.
Bild 5.11 Prinzip des geometrischen Nivellements (Spirit Leveling) [5.3]
216
5 Vermessung
Temproräre Wechselpunkte werden kurzfristig durch eine schwere, tragbare Unterlegplatte mit wohldefiniertem Höhenpunkt („Frosch“) realisiert. Es ist darauf zu achten, dass der Frosch während der Lattenaufstellung stabil bleibt und sich in seiner Höhe nicht ändert. Für sämtliche einzuhaltenden Abläufe (Verfahren „Rote Hose“, RVVR usw.) sowie alle relevanten Einflussgrößen (unsymmetrische Refraktion, Kompensatorkleben, Lattenmaßstabs- und ‑nullpunktsfehler, Lattenschiefe usw.) sei hier auf die Literatur verwiesen, z. B. [5.1]. Grundsätzlich ist jedes Nivellement als sogenanntes Doppelnivellement durchzuführen. Das heißt: Alle aufzunehmenden Festpunkte sind in Hin- und Rückweg als Wechselpunkte zu besetzen und das Nivellement als Schleife am Startpunkt abzuschließen. Der sich ergebende Schleifenschlussfehler ist in geeigneter Weise zu verteilen. In Summe lässt sich aus den Residuen (Restklaffen) zwischen Hin- und Rückweg die erreichte Genauigkeit ermitteln. Im Deutschen Haupthöhennetz (DHHN) sind für Höhenfestpunkte 1. Ordnung Genauigkeiten je Kilometer Doppelnivellement von S0 < 1 mm vorgeschrieben [5.1]. Unter Berücksichtigung der genannten Einflüsse sind die Forderungen realistisch. In Präzisionsnivellements können diese Werte sogar noch unterschritten werden. Für Nivellementsschleifen mit Ausdehnungen von mehreren Zehnerkilometern können Einflüsse des Schwerefelds nicht vollständig eliminiert werden. Es kommt zu sogenannten theoretischen Schleifenschlussfehlern (Misclosure) aufgrund der „Nichtparallelität der Niveauflächen“ sowie der Inhomogenität des Schwerefelds. Sollen diese Einflüsse berücksichtigt werden, wird das Nivellementsnetz nicht mehr über metrische Höhenunterschiede, sondern unter Zuhilfenahme von Schweremessungen in wegunabhängigen sogenannten Geopotentiellen Koten ausgeglichen. Während kleinräumige Nivellements vom AN durchgeführt werden, können die zuletzt genannten Maßnahmen i. d. R. nur durch den AG veranlasst werden. Der Aufwand ist erheblich, aber bei großen Projektausdehnungen, insbesondere in gebirgigen Regionen, nicht zu vermeiden. Das vertikale GLN ist vom AG zur Verfügung zu stellen. Anschlussmessungen sind vom AN nach den beschriebenen Verfahren und geodätischen Grundsätzen durchzuführen. Die Nivellementsweg ist vorab zu erkunden; der Verlauf auf stabilem Untergrund einem evtl. kürzeren Nivellement auf weniger stabilem Untergrund vorzuziehen. Die Überquerung von Brücken bedarf besonderer Sorgfalt. Geeignete Witterungsbedingungen sind abzuwarten (wenig Wind). Zeiten geringsten Verkehrsaufkommens sind zu nutzen, ggf. ist nachts zu messen. Das Abklingen evtl. auftretender Schwingung z. B. durch Verkehr ist abzuwarten. Festpunkte auf Brücken sind nicht zulässig. Das (Doppel-)Nivellement über eine Brücke ist an unterschiedlichen Tagen mindestens einmal zu wiederholen. Den Residuen zwischen Hin- und Rückweg der an das Brückennivellement angrenzenden Festpunkte ist besondere Beachtung zu schenken.
5.5 Oberirdische Vermessungsarbeiten (Höhenvermessung)
217
Die Überwindung von Steigungen ist natürlich auch bei Nivellements nicht gänzlich zu vermeiden. Zur Vermeidung des Einflusses unsymmetrischer Refraktion ist darauf zu achten, Zielungen im unteren halben Meter der Nivellierlatte zu meiden. Gegebenenfalls ist die Zielweite, gleich in Hin- und Rückblick, zu verringern. Steile Anstiege sind mäandrierend zu ersteigen. Strom- und Talübergänge erfordern gleichzeitig-gegenseitige Beobachtungen sowie gesonderte Ausrüstung mit Drehkeilvorsatz. Für Details sei auf die Literatur verwiesen (s. o.) [5.1]. Instrumente Hauptjustierforderung des geometrischen Nivellements ist die Horizontierung des Zielstrahls. Als automatisches Nivellier bezeichnet man dabei ein Instrument, das den Zielstrahl mithilfe eines mechanischen Kompensators, z. B. ein freihängendes Glasprisma, in einem gewissen Einstellbereich selbstständig horizontiert. Die Verwendung solcher Instrumente ist für die in der Tunnelvermessung vorgesehenen Aufgaben vorzuschreiben. Durch den Einsatz sogenannter Planplatten kann die Genauigkeit bei analogen Geräten weiter erhöht werden. Nicht zu verwechseln ist ein automatisches Nivellier mit einem Digitalnivellier. Beim Digitalnivellier wird vom Instrument ein Abschnitt der Nivellierlatte im Instrument abgebildet, die anstelle der analogen Teilung einen für jeden Lattenteilbereich individuellen, binären Bar-Code aufweist. Aus dem erfassten Lattenabschnitt ermittelt das Instrument die Lattenablesung (Bild 5.12). Alle auf dem Markt befindlichen Digitalnivelliere der geodätischen Genauigkeitsklasse sind gleichzeitig automatische Nivelliere. Digitalnivelliere sind Instrumenten mit manueller, d. h. analoger Ablesung vorzuziehen, da Ablesefehler bzw. Fehler beim Notieren der Messwerte so ausgeschlossen sind. Zudem ist der Datenfluss gewährleistet und Beobachtungen können direkt an die Auswertesoftware übergeben werden. Sowohl bei analogen als auch bei digitalen Nivellierinstrumenten handelt es sich um passive Systeme. Dementsprechend ist bei widrigen Verhältnissen, speziell untertage, für ausreichende Beleuchtung der Nivellierlatte zu sorgen. Im Falle der digitalen
Bild 5.12 Beispiel eines Digitalnivelliers mit Bar-Code-Nivellierlatte (VMT GmbH)
218
5 Vermessung
Instrumente werden bereits hintergrundbeleuchtete Latten bzw. anklemmbare Lattenbeleuchtungen angeboten. Die Temperaturausdehnung der Nivellierlatte wirkt als Lattenmaßstab auf die Ablesungen der Lattenteilung. Da dieser Fehler systematisch auf jeden einzelnen bestimmten Höhenunterschied wirkt, ist auf die Qualität der Nivellierlatten besonderer Wert zu legen. Für besonders großräumige Nivellements bzw. für Präzisionsnivellements wird daher die Lattenteilung auf ein besonders temperaturresistentes Material (Invar) aufgebracht und mittels Feder unter konstantem Zug auf den Lattenkörper aufgespannt. Nivellier und dazugehörige Latten werden heutzutage aufrechtstehend in geeigneten Temperaturkammern als System kalibriert. Der Maßstab (Lattenmeter) kann dort für jeden Teilabschnitt gesondert bestimmt werden. Die Kalibrierung ist regelmäßig vorzunehmen. In Nivellementnetzen großer Ausdehnung erfolgt die Ausgleichung unter Berücksichtigung der temperaturabhängigen Korrektur jeder einzelnen Ablesung. 5.5.3
Hydrostatisches Nivellement
Ein Sonderverfahren der physikalischen Höhenbestimmung stellt das hydrostatische Nivellement (Schlauchwaage) dar. Ein mit einer geeigneten Flüssigkeit gefülltes System kommunizierender Röhren wird genutzt, ein Höhenniveau von einem Punkt zum anderen zu übertragen. In einem offenen System wird der Wasserstand in den am jeweiligen Ende befindlichen Zylinder abgelesen und als gleich angenommen. Die Differenz der vertikalen Abstände des jeweils zu bestimmenden Punkts zum Wasserstand ergibt dann den Höhenunterschied beider Punkte. Naturgemäß können auf diese Weise nur geringe Höhenunterschiede überwunden werden. Im geschlossenen System wird der Unterschied des am jeweiligen Ende registrierten Wasserdrucks in einen Höhenunterschied umgewandelt. Damit können deutlich größere Höhenunterschiede überwunden werden. Prinzipiell muss das hydrostatische Nivellement als nicht mobil angesehen werden. Vorteil des Verfahrens ist, dass kein direkter Sichtkontakt erforderlich ist und dieses System leicht zu automatisieren ist. Lässt man den z. T. erheblichen Materialaufwand unberücksichtigt, lassen sich mit dem hydrostatischen Nivellement Höhen über große Distanzen äußerst genau übertragen. Das Verfahren kann damit durchaus als Alternative zum Stromübergangsnivellement angesehen werden. Werden Luftdruck, Temperatur und eine Reihe von Modellkorrekturen berücksichtigt, sind für die Genauigkeit Größenordnungen von 0,5 bis 0,01 mm realisierbar [5.1]. Das Verfahren eignet sich in besonderer Weise zur redundanten Höhenbestimmung in Navigationssystemen oder für Monitoringaufgaben. 5.6
Unterirdische Vermessungsarbeiten
5.6.1
Grundsätzliches
Wie bereits angesprochen, ist der Hauptzweck der Tunnelvermessung, das oberirdische Referenznetz aus dem GLN über das Portalnetz in den Tunnel zu übertragen.
5.6 Unterirdische Vermessungsarbeiten
219
Dort installierte Festpunkte dienen als Referenz für Navigation, Bestandsaufnahme, Absteckungsarbeiten und ggf. Deformationsmonitoring. Die Grundgeometrie des Bauwerks „Tunnel“ als i. Allg. langgestreckte Röhre, schränkt dabei die entstehende Netzgeometrie drastisch ein. Klassisch werden langgestreckte Punktabfolgen als Polygonzug gemessen, d. h. als Abfolge von gemessenen Brechungswinkeln und Strecken auf abwechselnd als Ziel- bzw. Standpunkt besetzten Punkten (siehe Bild 5.19). Das Fehlen seitlicher Anschlusspunkte zur Stabilisierung der Netzgeometrie bedingt eine mit fortschreitendem Tunnelvortrieb ungünstiger werdende Punktkonstellation, die sich in einem, vor allem orthogonal zur Tunnelachse, stark anwachsenden Koordinatenfehler niederschlägt. Dieses Verhalten lässt sich am ehesten mit dem Schwingen eines nur in einem Ende gelagerten Hebelarms vergleichen, dessen Schwingungsamplitude sich mit zunehmender Länge vergrößert. Generell sind Vermessungspunkte so zu installieren, dass sie zumindest für die Dauer der Vermessungsarbeiten als Festpunkte, d. h. in Lage und Höhe als stabil, bezeichnet werden können. Speziell in dieser Charakteristik unterscheiden sich aus der Sicht der Vermessung Rohrvortrieb und Schildvortrieb mit Segmentausbau bzw. Schildvortrieb im Hartgestein. Während der Schildvortrieb mit Segmentausbau bzw. Schildvortrieb im Hartgestein eine weitgehend ortsfeste Tunnelröhre hinterlässt, die es erlaubt, Festpunkte nach Installation mit stabilen Koordinaten anzunehmen, bewegt sich im Rohrvortrieb während des Vortriebs der gesamte Rohrstrang. Installierte Punkte sind weder in Lage noch Höhe ortsfest. Im Schildvortrieb mit Segmentausbau bzw. Schildvortrieb im Hartgestein kann daher ausgehend von der jeweils vorhergehenden Vermessung fortschreitend gearbeitet werden, wogegen im Rohrvortrieb bei jeder Kontrollvermessung das gesamte Polygon vom Portal bis an die Ortsbrust vollständig neu gemessen werden muss. Abgesehen von GNSS-Verfahren, die naturgemäß unterirdisch keine Anwendung finden können, unterscheiden sich die geodätischen Messverfahren unterirdisch nicht von denen an der Tagesoberfläche. Die Durchführung der unterirdischen Vermessungsarbeiten obliegt dem AN. Die Kontrolle durch eine unabhängige Bauaufsicht ist vorzusehen. 5.6.2
Refraktion
Refraktion entsteht, wenn Licht beim Übergang zwischen Medien unterschiedlicher Dichte (z. B. Luftschichtungen) an der Grenzfläche zum Einfallslot hin (Übergang in dichteres Medium z. B. kältere Luftschicht) oder von Einfallslot weg (Übergang in weniger dichte d. h. wärmere Luftschicht) abgelenkt werden. Dadurch verändert sich der Signalweg in Richtung und Länge, Messergebnisse werden verfälscht. An der Tagesoberfläche folgt die Luftschichtung im Wesentlichen der Topografie und ist damit relativ leicht zu modellieren. Der Einfluss der Refraktion wird dort, wie bereits an anderen Stellen beschrieben, entweder verfahrensseitig eliminiert
220
5 Vermessung
(gleiche Zielweiten, gleichzeitig-gegenseitiges Beobachten, Änderung des Nivellementswegs usw.) oder durch Korrekturterme (siehe trigonometrische Höhenübertragung) weitgehend aufgefangen. Es ist wichtig zu verstehen, dass bereits unter den unkomplizierten obertägigen Bedingungen die Refraktion nicht allein auf die Strecke direkt, sondern auf den gesamten Signalweg und damit auch auf den gemessenen Zenitwinkel wirkt. Das heißt, dass sich z. B. Höhenunterschiede durch Refraktionseinfluss weit mehr ändern als sich proportional aus Streckenänderungen erklären lässt. Soll die gemessene Strecke auf 1 ppm genau skaliert werden, so muss der Luftdruck auf 3 mbar genau, die Temperatur auf 1 °C und die relative Luftfeuchtigkeit auf 20 % genau bekannt sein [5.1]. Untertage nimmt die gesamte umgebende Oberfläche sowie sämtliche temperaturbeeinflussenden Einrichtungen (Fahrzeuge, Leuchten, Maschinen und Motoren, Belüftungseinrichtungen usw.) und der Wetterzug selbst Einfluss auf die Luftschichtung. Der geometrische Einfluss der Refraktion ist daher nicht prädizierbar und kann sowohl lokal als auch gleichmäßig über größere Distanzen wirken. Darüber hinaus kann sich der Refraktionseinfluss auch mit der Zeit, d. h. mit der Änderung der Umstände (Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit usw.) ändern. Das Thema Refraktion im Tunnel ist in der wissenschaftlichen Literatur erschöpfend behandelt (z. B. [5.10]). Dennoch gibt es keinen Ansatz, die Refraktion oder ihren Einfluss flächendeckend zu erfassen oder zu modellieren. Im kreisrunden Regelprofil ergibt sich eine mehr oder weniger konzentrische Luftschichtung, die aber durch eine nahezu unendliche Anzahl von Einflüssen gestört werden kann. Der Einfluss der Refraktion auf das Fehlerbudget der Messungen ist zudem systematisch und somit nicht durch Wiederholungsmessung zu verringern oder gar zu kompensieren. Baustellenseitig kann dem Einfluss der Refraktion nur durch ausreichende Belüftung mit Frischluft und gleichmäßig gute Ventilation (d. h. Durchmischung) entgegengewirkt werden. Allerdings sollte das ohnehin selbstverständlich sein, um die Sichtbedingungen, die auch durch Dunst, Staub oder etwa Abgase oder Schweissdämpfe beeinträchtigt sein können, zu optimieren und arbeitsmedizinischen Vorschriften zu entsprechen. Die Refraktion gehört zu den gefährlichsten und zudem größten Fehlereinflüssen in der Tunnelvermessung. Der Einfluss auf die Winkelmessung kann leicht das Zehnfache der Instrumentenmessgenauigkeit und mehr annehmen, ohne durch konventionelle Methoden aufgedeckt werden zu können. Aufgrund der Platzverhältnisse im Tunnel sind die Möglichkeiten zur Beobachtung in unterschiedlichen geometrischen Anordnungen sehr eingeschränkt. Die größte Änderung der Luftschichtung ist i. d. R. in der Nähe der Tunnelwandung, mit deutlicher Abnahme des Gradienten zur Tunnelachse hin, anzunehmen. Die homogensten Bedingungen sind bei Beobachtungen durch die Tunnelachse zu erwarten. Aufgrund des die Messung umgebenden Profils lässt sich Horizontal- und Vertikalrefraktion nicht schlüssig trennen. Zu unterscheiden ist allenfalls Refraktion, die an-
221
5.6 Unterirdische Vermessungsarbeiten
teilig auf die Bestimmung von Horizontalkoordinaten wirkt und diejenige, die auf die Bestimmung der Vertikalkomponenten wirkt. Der Signalweg selbst wird dreidimensional im Raum „verbogen“. Abgesehen von Ablotungen durch Sondierungsbohrlöcher kann die entstehende horizontale Fehlorientierung des Vortriebs nur durch Kreiselmessungen behoben werden. Der vertikale Refraktionseinfluss lässt sich weitestgehend durch gleichzeitig-gegenseitiges Beobachten bzw. kurze Zielweiten eliminieren. 5.6.3
Untertägige Lagevermessung
5.6.3.1 Lagevermessung bei der Tübbingbauweise
Tunnelvortriebe mit Tübbingausbau decken Profildurchmesser von wenigen Metern bis deutlich über 10 m ab. Die Forderung, das Tunnelpolygon durch die Tunnelachse zu beobachten, ist also nur in den seltensten Fällen zu realisieren. Häufig ist sogar eine Anordnung in der Tunnelmitte (horizontal gesehen) nicht möglich, da der Zutritt durch Tunnelinfrastrukur (z. B. Gleise und Verkehr) usw. eingeschränkt ist. Insbesondere die Installation von festen Einrichtungen (Pfeiler) ist hier selten möglich. Werden Pfeiler errichtet, sind Sicherheitsabstände zu Verkehrsräumen, beweglichen Teilen, elektrischen Installationen usw. einzuhalten. Eine solche Konstellation kommt der optimalen Anordnung im Sinne des Refraktionseinflusses am nächsten. Alternativ werden Tunnelfestpunkte auf Konsolen an der Tunnelwandung angebracht (Bild 5.13). Bei der Nutzung von Konsolen ist darauf zu achten, dass sie ausreichend ausladend sind und maximalen Abstand zur Tunnelwandung bieten. Bei der Installation sollte ein maximaler Abstand des Instruments von Hochspannungsleitungen oder anderen elektrischen Einrichtungen, die ein signifikantes Magnetfeld generieren, gewahrt werden, da dadurch ggf. die elektronischen Ableseeinrichtungen beeinträchtigt werden könnten.
Bild 5.13 Beispiel einer Wandkonsole (VMT GmbH)
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