Diese Ausgabe des Mauerwerk-Kalenders befasst sich unter anderem mit den Themen Baustoffe, Sanierung und Eurocode-Praxis. Erfahrungen aus der Anwendung des vereinfachten Bemessungsverfahrens nach EC 6, Teil 3, werden ebenso dargestellt wie die Berechnung von Aussteifungsscheiben und die Zuverlässigkeitsanalyse von Mauerwerksbauteilen. Des Weiteren werden Sanierungsprojekte präsentiert, wobei u. a. die Lösung statischer Probleme sowie Reparaturmethoden erörtert werden. Außerdem stellt ein umfangreicher Artikel Methoden zum Hochwasserschutz denkmalgeschützter Gebäude vor. Der jährliche Beitrag zu Eigenschaften von Mauersteinen, Mörteln, Mauerwerk und Putzen wurde vollständig und grundlegend überarbeitet. Zulassungsbedürftige Neuentwicklungen werden vorgestellt und alle derzeit zugelassenen Mauerwerksprodukte und -bauarten werden mit der Aktualität eines Jahrbuches präsentiert.
Eurocode 6 in der Praxis Baustoffe im Mauerwerksbau Metall-Injektionsanker Instandsetzung von historischem Mauerwerk Hochwasserschutz Aussteifungsscheiben Ausfachungen Zuverlässigkeit Zulassungen / Technische Regeln Forschung
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Baustoffe Sanierung Eurocode-Praxis
Vorwort
III
Vorwort Der Mauerwerk-Kalender 2016 widmet sich schwerpunktmäßig den Themen Baustoffe, Eurocode-Praxis und der Sanierung von Mauerwerk, wobei der letzte Punkt besonders breiten Raum einnimmt, was der besonderen Bedeutung der Bestandsbauwerke innerhalb des Fachkomplexes Mauerwerk gerecht wird. Im Einzelnen werden dem Leser in der vorliegenden Ausgabe des Mauerwerk-Kalenders folgende Informationen zur Verfügung gestellt: • Im Bereich Baustoffe · Bauprodukte finden Sie den jährlich aktualisierten Grundlagenbeitrag Eigenschaftswerte von Mauersteinen, Mauermörtel, Mauerwerk und Putzen. Der Beitrag über den Mauerwerksbau mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung behandelt diesmal – nachdem im Vorjahr alle erteilten Zulassungen des Fachgebietes als vollständige Übersicht im Mauerwerk-Kalender enthalten waren – nur die im letzten Jahr neu erteilten Zulassungen. Die Umstellung auf den Eurocode 6 ist in diesem Bereich noch nicht vollständig vollzogen, das heißt, ein Teil der Zulassungen muss demnächst noch vom DIBt angepasst werden. Der Leser wird mit diesem Beitrag auf dem Laufenden gehalten. • Die Abteilung Konstruktion · Bauausführung · Bauwerkserhaltung beginnt mit einer bauordnungsrecht lichen Betrachtung der Problematik Verankerungen diverser Bauteile in Mauerwerk. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Dübeln in Mauerwerk haben sich in Deutschland und Europa in den letzten Jahren grundlegend verändert. Der Beitrag schildert diese und benennt die Punkte, die bei der praktischen Umsetzung zu beachten sind; insbesondere gehen die Autoren auf die vorgeschriebenen Baustellenversuche ein. Der Beitrag zur Sicherung und Instandsetzung der Frauenkirche Dresden in der Zeit von 1937 bis 1943 bewertet und würdigt die Baumaßnahmen aus heutiger Sicht. Die aus dieser Zeit vorliegenden Erkenntnisse zum Bauwerk haben wesentlich die Planungen zu dessen Wiederaufbau beeinflusst bzw. die fachgerechte Ausführung unterstützt. Der Aufsatz ist eine Fortsetzung des in der Vorjahresausgabe abgedruckten Teils mit den Instandsetzungsarbeiten aus der Zeit von 1918 bis 1932. Die Friedrichswerdersche Kirche von Karl Friedrich Schinkel in Berlin erfuhr während der Bauarbeiten an den „Kronprinzengärten“ in der unmittelbaren Nachbarschaft Risse und weitere Schäden infolge von Setzungen. Der im vorliegenden Mauerwerk-Kalender enthaltene Text geht nach einer kurzen Abhandlung zum geschichtlichen Hintergrund auf die im Zusammenhang mit den Setzungsschäden erstellten Gutachten zur Standsicherheit und die eingeleiteten Schritte zur Sicherung dieses bedeutenden Bauwerks ein. Technologischen und baustofflichen Fragestellungen beim Verpressen von historischem Mauerwerk folgen die Autoren in einem weiteren Beitrag anhand des Beispiels
Schloss Steinort in Ostpolen und stellen so den Stand der Technik auf diesem Gebiet dar. Ertüchtigungsmaßnahmen von historischen Gebäuden zur Integration in Hochwasserschutzanlagen sind Inhalt des nächsten Aufsatzes, der direkt an einen bereits im Mauerwerk- Kalender 2012 veröffentlichten zu diesem Thema anschließt. • Das Kapitel Bemessung stellt verschiedene Modelle und Methoden für die Ermittlung der Schubtragfähigkeit von Mauerwerk vor und vergleicht diese. Ziel ist eine wirklichkeitsnähere und wirtschaftlichere Bemessung auf der Grundlage der vorhandenen Erfahrungen. Ein weiterer Beitrag erklärt die Anwendung der Monte-Carlo-Methode zur Bestimmung der Zuverlässigkeit von Bauteilen und weist nach, dass die Methode auch für Mauerwerksbauteile eingesetzt werden kann. Von besonderer Wichtigkeit für die Akzeptanz der Eurocodes sind Kenntnisse und Hilfsmittel für die praktische Anwendung. Diesem Gedanken trägt der dritte Beitrag dieser Rubrik des Mauerwerk-Kalenders Rechnung. Hier wird mit Beispielen die Praxistauglichkeit des EC 6 Teil 3 belegt, der das vereinfachte Verfahren der Bemessung von Mauerwerk zum Inhalt hat. Die neuen Regelungen werden außerdem im Vergleich mit der lang jährig bekannten und akzeptierten Norm DIN 1053-1 bewertet. • Die Rubrik Bauphysik · Brandschutz stellt ein interdisziplinäres Projekt vor – Holzbalkenköpfe bei innengedämmtem Mauerwerk. Eigentlich eine Problemstellung aus dem Holzbau, berührt dieser Beitrag jedoch auch die Mauerwerkskonstruktion unmittelbar. Gerade bei denkmalgeschützten Gebäuden ist die Innendämmung des Mauerwerks eine praktikable Lösung, um den gestiegenen bauphysikalischen Anforderungen gerecht zu werden, ohne in das äußere Erscheinungsbild eingreifen zu müssen. Das hier vorgestellte Projekt widmet sich hauptsächlich den wärme- und feuchtetechnischen Aspekten nach einer Innendämmmaßnahme. • Im Bereich Normen · Zulassungen · Regelwerk stehen wie gewohnt die tabellarischen Übersichten zu den geltenden technischen Regeln für den Mauerwerksbau sowie das aktuelle Verzeichnis der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen zur Verfügung, welches nach dem Einsatzgebiet der jeweiligen Produkte gegliedert ist. Dem Verzeichnis folgt eine Liste, geordnet nach Zu lassungsnummern und mit Verweisen auf die entsprechenden Seiten dieses Beitrags sowie auf die des Beitrags A II „Neuentwicklungen beim Mauerwerksbau mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung“ aus dem Kapitel Baustoffe · Bauprodukte. • Der Komplex Forschung bietet wie gewohnt den jährlichen Überblick über die aktuelle Forschungssituation im Mauerwerksbau. Ein zweiter Beitrag stellt erste Ergebnisse des europäischen Verbundprojektes INSYSME
IV Vorwort vor, welches sich mit Ausfachungen aus Ziegelmauerwerk beschäftigt und wie diese die Erdbebensicherheit von Gebäuden beeinflussen. Hauptprojektziel ist die Ableitung eines Berechnungs- und Bemessungskonzepts für Ausfachungen aus Ziegelmauerwerk in deutschen Erdbebengebieten. Das Projekt befindet sich zurzeit in der Endphase, die Darstellung ist deshalb noch nicht abschließend, gibt aber einen Ausblick auf die noch ausstehenden Arbeiten. In einer nächsten Ausgabe des
Mauerwerk-Kalenders ist eine komplette Übersicht mit Bewertung geplant. Ich bedanke mich bei allen Beteiligten für die Mitarbeit an dieser Ausgabe des Mauerwerk-Kalenders und wünsche den Lesern eine gute Lektüre. Mögen die Beiträge hilfreich und nützlich bei der Beschäftigung mit dem schönen und interessanten Thema Mauerwerk in Planung und Ausführung sein. Dresden, im Februar 2016
Wolfram Jäger ji@jaeger-ingenieure.de
Inhaltsübersicht
Inhaltsübersicht A Baustoffe J Bauprodukte I
Eigenschaften von Mauersteinen, Mauermörtel, Mauerwerk und Putzen 3 Wolfgang Brameshuber, Aachen
II
Neuentwicklungen beim Mauerwerksbau mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung (abZ) 31 Wolfram Jäger, Dresden und Roland Hirsch, Berlin
B Konstruktion J Bauausführung J Bauwerkserhaltung I
Metall-Injektionsanker in Mauerwerk – Bauordnungsrecht, Regelwerk, Baupraxis 59 Thomas Lützow und Martin Reuter, Kaufering
II
Bautechnische Instandsetzungen der Dresdner Frauenkirche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Teil 2: 1937–1942 83 Hans-Joachim Jäger und Wolfram Jäger, Dresden
III
Aktuelle statische Probleme und deren Lösung am Beispiel der Friedrichswerderschen Kirche in Berlin 115 Peter Schöps, Radebeul; Toralf Burkert, Weimar
IV
Verpressen von historischem Mauerwerk 163 Wolfram Jäger, Beate Boekhoff, Thomas Köberle, Dresden und Matthias Hohl, Pozezdrze (Polen)
V
Hochwasserschutz an denkmalgeschützten Gebäuden 211 Toralf Burkert, Weimar
C Bemessung I
Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk – Analyse und Bewertung von Berechnungsmodellen und Bemessungsmethoden 283 Thomas Kranzler, Bonn
II
Die Anwendung der Monte-Carlo-Methode zur Bestimmung der Zuverlässigkeit von Mauerwerksbauteilen 317 Hamidreza Salehi, Wolfram Jäger, Dresden und Mahdi Montazerolghaem, Teheran (Iran)
III
Das vereinfachte Verfahren in Eurocode 6 für die Praxis 333 Detleff Schermer, Regensburg
D Bauphysik J Brandschutz I
Holzbalkenauflager in historischem Mauerwerk: Analyse, Bewertung und energetische Sanierung mittels Innendämmung 351 Ulrich Ruisinger, Eric Stöcker und John Grunewald, Dresden Horst Stopp, Peter Strangfeld und Andrea Staar, Cottbus Martin Krus, Wolfgang Hofbauer und Theo Großkinsky, Valley Tommy Odgaard und Søren Peter Bjarløv, Kongens Lyngby, Dänemark
E Normen J Zulassungen J Regelwerk I
Geltende Technische Regeln für den Mauerwerksbau (Deutsche, Europäische und Internationale Normen) (Stand 30. 9. 2015) 385 Peter Rauh, Berlin
II
Verzeichnis der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen für den Mauerwerksbau (Stand 31. 8. 2015) 403 Wolfram Jäger, Dresden und Roland Hirsch, Berlin
V
VI Inhaltsübersicht F Forschung I
Übersicht über abgeschlossene und laufende Forschungsvorhaben im Mauerwerksbau 529 Anke Eis und Sebastian Ortlepp, Dresden
II
Ausfachungen aus Ziegelmauerwerk 563 Christoph Butenweg, Herzogenrath; Thomas Kubalski und Marko Marinkovic´, Aachen sowie Thomas Pfetzing, Mohammed Ismail und Ekkehard Fehling, Kassel
I
C Bemessung
283
Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk – Analyse und Bewertung von Berechnungsmodellen und Bemessungsmethoden Thomas Kranzler, Bonn
1 Einleitung 1.1 Motivation Die Bemessung von Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk spielt bei der Realisierung von Bauprojekten eine maßgebliche Rolle. Der Bedarf der Analyse zur Tragfähigkeitsberechnung von Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk zeigt sich darin, dass Gebäude mit der allgemein üblichen Vorgehensweise nach „reiner Lehre“ rechnerisch oftmals nur schwer nachzuweisen sind, obwohl sie sich in der Praxis bewährt haben. Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis konnte anschaulich im Rahmen des europäischen Forschungsprojektes ESECMaSE (Enhanced Safety and Efficent Construction of Masonry Structures in Europe) [1] aufgezeigt werden: Zunächst wurde die Tragfähigkeit des in Bild 1 dargestellten Gebäudes anhand eines „Großversuches“ ermittelt [2, 3]. Anschließend wurden die zugehörigen rechnerisch nachzuweisenden Erdbebenlasten nach DIN 4149 [4] sowie die rechnerischen Tragfähigkeiten auf Basis der in Deutschland üblichen Vorgehensweise mit den Berechnungsmodellen nach DIN 1053‑1 [5] ermittelt und den Versuchsergebnissen gegenübergestellt [6, 7].
Bild 2 zeigt, dass die rechnerisch nachzuweisende Gesamterdbebenkraft bei Annahme der ungünstigsten Kombination aus Erdbebenzone (3), Baugrundklasse (C) und Untergrundklasse (R) mit 183 kN deutlich unter der im Großversuch ermittelten Horizontalkraft von 250 kN liegt. Sie liegt sogar noch unter der Last, bei der im Großversuch erste erkennbare Risse im Gebäude aufgetreten waren (190 kN). Die Ermittlung der rechnerischen Tragfähigkeit erfolgte an der rechnerisch maßgebenden Einzelwand. Die Aufteilung der Gesamtlasten auf die Einzelwände erfolgte horizontal in Abhängigkeit deren linearen Biegesteifigkeiten und vertikal aus den zugehörigen Lasteinzugs flächen. Rechnerisch untersucht wurden neben dem „üblichen“ Kragarmsystem (A) auch das System mit der Annahme einer geschossweisen Lastzentrierung (B) sowie die Annahme „Volleinspannung der Wände in den Geschossdecken“ (C). Bild 2 zeigt deutlich, dass eine Berechnung mit dem in der Praxis üblichen Ansatz eines linearen Kragarmmodells (A: 69 kN) die real vorhandenen Tragfähigkeiten von Mauerwerksbauten nicht annähernd abbilden kann. Auch unter Annahme der Modelle (B: 104 kN) und (C: 166 kN) liegen die rechnerischen Tragfähigkeiten noch deutlich auf der sicheren Seite. Dabei ist zu
Bild 1. Grund- und Aufriss des Prüfkörpers (Reihenhaushälfte) [7]
Mauerwerk-Kalender 2016: Baustoffe, Sanierung, Eurocode-Praxis. Herausgegeben von Wolfram Jäger. © 2016 Ernst & Sohn GmbH & Co. KG. Published 2016 by Ernst & Sohn GmbH & Co. KG.
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C Bemessung
Bild 2. Gegenüberstellung der anhand eines Großversuches ermittelten Tragfähigkeit eines Gebäudes aus Ziegelmauerwerk mit den rechnerisch anzusetzenden Gesamterdbebenkräften nach DIN 4149 und den rechnerisch aufnehmbaren Horizontalkräften auf Grundlage von DIN 1053‑1 [7]
beachten, dass sich bei einer tatsächlichen Bemessung unter Berücksichtigung von Sicherheitsbeiwerten und Fraktilwerten der Festigkeitseigenschaften noch geringere rechnerische Tragfähigkeiten ergeben würden. Für weitere Hintergrundinformationen und die detaillierten Berechnungsgänge wird auf [6]–[8] verwiesen. Wesentliche Gründe für die deutlich auf der sicheren Seite liegenden und damit unwirtschaftlichen Berechnungsergebnisse sind die Vernachlässigung der positiven Effekte von zusammengesetzten Querschnitten sowie das „übliche“ Konzept, die Tragfähigkeit getrennt für jede Einzelwand nachzuweisen. Demnach ist die Tragfähigkeit des Bauwerks erreicht, wenn die erste Wand versagt. Die Problematik lässt sich in zwei grundsätzliche Themenfelder aufteilen: Zum einen gilt es, die Schnittgrößenermittlung innerhalb des Gebäudes zu optimieren und positive Effekte aus Lastumlagerungen und Einspannwirkungen zu berücksichtigen. Zum anderen sind die bei der Bemessung der Wandscheiben zu verwendenden Modelle und Annahmen zu überprüfen und zu optimieren. Hinsichtlich der Thematik Schnittgrößenermittlung und Gebäudestatik wird auf [9–13] verwiesen. Dieser Beitrag befasst sich dagegen schwerpunktmäßig mit der Bemessung von Aussteifungsscheiben nach erfolgter Schnittgrößenermittlung. Er stellt die wesentlichsten Erkenntnisse aus [14] ergänzt um neuere Forschungsarbeiten (insbesondere [9, 15, 16]) zusammenfassend dar.
1.2
Einführung und Begriffe
Als Aussteifungsscheiben werden nachfolgend unbewehrte Mauerwerkswände unter geringer vertikaler
Auflast bezeichnet, die überwiegend durch eine Horizontallast (zum Beispiel infolge Wind oder Erdbeben) in ihrer Systemebene belastet sind. Die Tragfähigkeit beschreibt dabei immer die maximale horizontal aufnehmbare Grenzlast am Kopf einer Aussteifungsscheibe bei gegebener vertikaler Auflast. Zur Beschreibung der lokalen Kenngröße Schubfestigkeit finden sich in der Literatur zahlreiche theoretische Modelle und Berechnungsalgorithmen sowie auf der Finite-Elemente-Methode (FEM) basierende Softwaremodule, welche zur Ermittlung der Tragfähigkeit von Aussteifungsscheiben aus Mauerwerk herangezogen werden können. Aufgrund der bei der Entwicklung dieser Schubfestigkeitsmodelle getroffenen Annahmen und Vorgehensweisen werden dabei teilweise sehr unterschiedliche Eingangsparameter berücksichtigt bzw. benötigt. Dies gilt neben den geometrischen Eingangsparametern im Besonderen für die Materialeigenschaften, für deren Bestimmung in den meisten Fällen oftmals sehr unterschiedliche Versuchsaufbauten existieren, die zu unterschiedlichen Messwerten führen – von den versuchstechnisch bedingten Streuungen der Messwerte einmal ganz abgesehen. Es zeigt sich, dass die Tragfähigkeit, basierend auf den einzelnen theoretischen Schubfestigkeitsmodellen und Berechnungsalgorithmen, teilweise sehr sensitiv auf die jeweils benötigten Eingangsparameter reagiert. Im Gegensatz dazu ergeben sich jedoch oftmals kaum merkliche Tragfähigkeitsunterschiede bei den entsprechenden Versuchen an geschosshohen Aussteifungsscheiben. Es stellt sich weiterhin die Frage, inwieweit die Berücksichtigung eines Schubfestigkeitsmodells bei der Ermittlung der Tragfähigkeit von überwiegend horizontal beanspruchten Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk überhaupt erforderlich bzw. unter welchen
I Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk – Analyse und Bewertung
Randbedingungen die Verwendung eines solchen Modells – in welcher Form auch immer – sinnvoll ist und zu realistischen Ergebnissen führen kann. Hinsichtlich der Randbedingungen sollte dabei insbesondere auf praxisrelevante und realitätsnahe Erforderlichkeiten geachtet werden. In [14] wird eine detaillierte Analyse, Bewertung und gegebenenfalls Modifizierung bzw. Erweiterung der derzeit vorliegenden Berechnungsalgorithmen zur Ermittlung der Tragfähigkeit von überwiegend horizontal beanspruchten Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk vorgenommen. Ziel dieses Beitrages ist daher nicht die Entwicklung eines neuen (weiteren) Bemessungsmodells, sondern ein Vorschlag, wie die bereits vorliegenden Modelle/Verfahren ggf. modifiziert angewendet werden sollten, um eine wirklichkeitsnähere und damit wirtschaftlichere Bemessung zu ermöglichen.
2
Tragverhalten, Versagensarten und relevante Materialeigenschaften
2.1 Allgemeines Im Allgemeinen unterscheidet man bei überwiegend horizontal beanspruchten Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk fünf „globale“ Versagens arten, deren Maßgeblichkeit zwar von den Material eigenschaften des Baustoffs Mauerwerk abhängig ist, gravierender jedoch von der vorhandenen vertikalen Auflast und den Abmessungen der Wandscheibe beeinflusst wird. Die einzelnen Versagensarten mit den zugehörigen relevanten Materialeigenschaften werden im Folgenden dargestellt. Auf eine detaillierte qualitative und quantitative Beschreibung der Materialeigenschaften wird im Rahmen dieses Beitrags mit Ausnahme der Schubfestigkeit jedoch verzichtet und auf [14] verwiesen.
2.2
Kippen – Zugversagen in der untersten Lagerfuge
Im Fall von sehr schubschlanken (h > l) Aussteifungsscheiben in Verbindung mit sehr geringen vertikalen Auflasten können die Zugspannungen in der untersten Lagerfuge die dort aufnehmbare Haftzugfestigkeit überschreiten, sodass es zu einem Aufreißen der Lagerfuge kommt1) (vgl. Bild 3). Solange das Gleichgewicht zwischen der äußeren Einwirkung und dem inneren Tragwiderstand jedoch gegeben ist, hat dieses Aufreißen noch kein unmittelbares Versagen der Aussteifungsscheibe zur Folge. Die maximale Horizontallast ist erst erreicht, wenn die Lastresultierende am Wandfuß an der äußeren Kante der Aussteifungsscheibe 1) Für den Fall, dass die Zugfestigkeit der Steine geringer ist als die Haftzugfestigkeit des Verbundes, kann es theoretisch auch zu einem horizontalen Riss durch die Steine kommen.
285
Bild 3. Zugversagen in der untersten Lagerfuge – Kippen
steht. Eine weitere Steigerung der horizontalen Einwirkung führt dann zu einem Kippen der an sich noch intakten Aussteifungsscheibe. Die Tragfähigkeit der Aussteifungsscheibe für den Versagensfall Kippen VKi stellt eine theoretische Obergrenze der Tragfähigkeit für Mauerwerk unter Vernachlässigung der Haftzugfestigkeit in der Lagerfuge dar. Hinsichtlich des Aufreißens der untersten Lagerfuge ist zu beachten, dass die damit einhergehende Reduzierung der noch überdrückten Restquerschnittsfläche Auswirkungen auf die nachfolgend noch darzustellenden Versagensarten haben kann. Der qualitative Verlauf der Horizontallast-Verformungs-Kurve ist nichtlinear und resultiert ausschließlich aus der Verkleinerung der überdrückten Restquerschnittsfläche und dem damit einhergehenden Steifigkeitsverlust. Die Verformungen sind sehr groß, was auf eine große Duktilität hinweist. Unter der Annahme linear-elastischen Werkstoffverhaltens ist kein Energiedissipationsvermögen vorhanden.
2.3 Biegeversagen Beim Biegeversagen unterscheidet man im Allgemeinen zwischen dem Biegedruckversagen und dem Biegezugversagen. Letzteres kann bei geringen vertikalen Auflasten eintreten, wenn sich nach dem Überschreiten der Haftzugfestigkeit in der untersten Lagerfuge (vgl. Abschnitt 2.2) kein Gleichgewicht mehr zwischen der äußeren Einwirkung und dem inneren Tragwiderstand einstellen kann. Bei einer Vernachlässigung der Haftzugfestigkeit entfällt diese Art des Biegeversagens. Biegedruckversagen kann nicht nur bei sehr hohen, sondern auch bei sehr geringen vertikalen Auflasten durch Überschreiten der Bruchstauchung auftreten. Bei sehr geringen Auflasten führt die mit dem Aufreißen der untersten Lagerfuge einhergehende Einschnürung der noch überdrückten Restquerschnittsfläche dort zu sehr großen Spannungskonzentrationen. In der Folge kann es insbesondere in Verbindung mit schubschlanken Aussteifungsscheiben zu einem Biegedruckversagen in den unteren Eckbereichen infolge des Überschreitens der Mauerwerksdruckfestigkeit kommen, noch bevor das Versagen durch Kippen der Aussteifungsscheibe eintritt (vgl. Bild 4). Der qualitative Verlauf der Hori-
286
C Bemessung
exponentiell abgebaut. Der Reibungsbeiwert reduziert sich dabei vom Haftreibungsbeiwert µH auf den Gleit reibungsbeiwert µG. Die Horizontallast-Verformungs- Kurve ist durch ein stabiles Widerstandsniveau unter großen plastischen Verformungen gekennzeichnet. Das Energiedissipationsvermögen ist sehr groß.
2.5 Schubversagen
Bild 4. Biegedruckversagen im Eckbereich bei geringen vertikalen Auflasten
zontallast-Verformungs-Kurve für Biegedruckversagen im Eckbereich weist auf eine große Duktilität in Verbindung mit geringem Energiedissipationsvermögen hin. Die maximale horizontale Grenzlast, bei der es zu einem Biegedruckversagen der Aussteifungsscheibe kommt, wird nachfolgend als Biegedrucktragfähigkeit VB bezeichnet.
2.4
Horizontales Gleiten entlang der Lagerfugen
Bei gedrungenen Aussteifungsscheiben mit geringen vertikalen Auflasten ist ein horizontales Gleiten entlang einer der unteren Lagerfugen über die überdrückte Restquerschnittsfläche hinweg möglich (vgl. Bild 5). Die entsprechende Tragfähigkeit für horizontales Gleiten VGl hängt wesentlich von der Scherfestigkeit in der Lagerfuge ab, welche sich aus einem auflastunabhängigen Haftscherfestigkeitsanteil und einem auflastabhängigen Reibungsanteil zusammensetzt. Der Reibungsanteil ist dabei unabhängig von der Querschnittsfläche, wohingegen der Haftscherfestigkeitsanteil nur in der überdrückten Restquerschnittsfläche wirkt und somit wie auch das Biegedruckversagen maßgeblich von einem eventuellen Aufreißen der maßgebenden Lagerfuge beeinflusst wird. Nach Erreichen eines Maximalwertes der Scherfestigkeit wird die Haftscherfestigkeit
Bild 5. Horizontales Gleiten entlang der Lagerfugen
Schubversagen zeichnet sich im Allgemeinen durch diagonale Risse aus, die durch eine kritische Kombination von Hauptdruck- und Hauptzugspannungen im Inneren von Aussteifungsscheiben verursacht werden. Das Versagen beginnt dabei meistens im Zentrum der Wandscheibe und tritt entweder in Form von abgetreppten Rissen entlang der Stoß- und Lagerfugen, schrägen Rissen durch die einzelnen Steine über mehrere Lagen oder einer Kombination von beidem auf. Gemäß Bild 6 unterscheidet man beim Schubversagen zwischen den Schubversagensarten Fugenversagen und Steinzugversagen. Fugenversagen tritt bei geringer Auflast in Verbindung mit ausreichender Steinfestigkeit auf und ist durch treppenförmige Risse entlang der Stoß- und Lager fugen gekennzeichnet. Das Versagen erfolgt entweder durch Überschreitung der Haftzugfestigkeit oder der Scherfestigkeit in der Lagerfuge. Insbesondere bei geringen Auflasten in Verbindung mit quadratischen Steinen (hst/lst = 1,0) kann es nach Überschreitung der Haftzugfestigkeit zur Rotation der Einzelsteine kommen, welches nach dem Verlust des Gleichgewichtes zum lokalen Kippen der Einzelsteine2) führt. Dieses Versagen ist zwar sehr duktil, weist jedoch nur ein geringes Energiedissipationsvermögen auf. Führt die Überschreitung der Scherfestigkeit zu einem treppenförmigen Versagen, so spricht man von Reibungs versagen. Die zugehörige Horizontallast-Verformungs-Kurve entspricht der des horizontalen Gleitens (vgl. Bild 5) und weist auf das hohe Energiedissipationsvermögen sowie das duktile, elastoplastische Materialverhalten hin. Liegen höhere Auflasten in Verbindung mit niederfesten Steinen vor, kommt es infolge der Überschreitung der Steinzugfestigkeit fbt zu einem Steinzugversagen. Dieses oftmals schlagartig eintretende Versagen kann im Gegensatz zum Reibungsversagen äußerst spröde sein. In der Praxis tritt in den meisten Fällen eine Kombination aus Fugen- und Steinzugversagen auf. Überschreiten – bei hohen vertikalen Auflasten – die schiefen Hauptdruckspannungen die Druckfestigkeit des Materials, so spricht man von einem Schubdruckversagen. Dabei handelt es sich um eine rein theoretische Versagensart, die optisch kaum vom Biegedruck-
2) Anstelle der im Rahmen der vorliegenden Arbeit verwendeten Bezeichnung Kippen der Einzelsteine wird diese Schubversagensart in der Literatur meistens als Klaffen der Lagerfugen bezeichnet
I Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk – Analyse und Bewertung
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Bild 6. Arten des Schubversagens
versagen zu unterscheiden ist. Außerdem wird bei sehr hohen vertikalen Auflasten in der Regel die Tragfähigkeit um die schwache Achse (Knicken) ausschlaggebend bzw. maßgebend. Die maximale horizontale Grenzlast, bei der es zu einem Schubversagen der Aussteifungsscheibe kommt, wird als Schubtragfähigkeit VSch (VSch,KiE, VSch,R, VSch,S, VSch,SD) bezeichnet.
2.6
Versagen des Ecksteins nach Reibungsversagen in Wandscheibenmitte
Eine Kombination aus Schub- und Biegedruckversagen stellt das in [14] definierte Versagen des Ecksteins nach Reibungsversagen in Wandscheibenmitte dar. Bei der in Bild 7 abgebildeten Versagensart kommt es zunächst in Wandmitte zu einem lokalen Reibungsversagen, obwohl die Tragfähigkeit für Horizontales Gleiten entlang der Lagerfuge VGl noch nicht erreicht ist. Es entsteht eine abgetreppte Rissbildung. Die Horizontallast kann trotzdem noch weiter gesteigert werden, was eine Umlagerung der Spannungen in den Eckbereich der Wandscheibe zur Folge hat. Die Tragfähigkeit der Wandscheibe ist erst erreicht, wenn es entweder zu einem Reibungsversagen in der untersten Lagerfuge kommt oder wenn der Eckstein infolge der vorliegenden Spannungskonzentration im Eckbereich versagt.
Bild 7. Versagen des Ecksteins nach Reibungsversagen in Wandscheibenmitte
3
Kritische Analyse ausgewählter Schubfestigkeitsmodelle
3.1 Einführung Die in der Literatur hinlänglich bekannten Festigkeitshypothesen für homogenes Material führen den Bruch eines Materials auf eine einzige spezifische Eigenschaft zurück. Als Beispiele seien an dieser Stelle die Hauptnormalspannungshypothese (Galilei, Lamé, Navier, Rankine), die Hauptdehnungshypothese (Bach, Navier, Poncelet, de Saint Venant, Sandel) und die Hauptschubspannungshypothese (Coulomb, Guest, Tresca, Mohr) genannt. Grundsätzlich gilt für diese Festigkeitshypothesen, dass man sie nicht beweisen kann. Ihre Nützlichkeit und Richtigkeit wird durch die Praxis entweder belegt oder verworfen. Aufgrund der mehr oder weniger ausgeprägten Heterogenität (nicht gleichartig zusammengesetzt) und Anisotropie (nicht in alle Richtungen hin gleiche Eigenschaften aufweisend) des Verbundbaustoffs Mauerwerk können die angesprochenen Festigkeitshypothesen nicht ohne Weiteres zur Beschreibung des Verhaltens von Mauerwerk angewendet werden. In der Literatur findet sich daher eine Vielzahl von Forschungsarbeiten, die sich mit einer wirklichkeitsnäheren Beschreibung des Tragverhaltens in Abhängigkeit von gegebenen Randbedingungen befassen. Die Heterogenität und die Anisotropie des Verbundbaustoffs Mauerwerk hängen neben der Ausführung des Verbandes und der Stoßfugen wesentlich von der Beschaffenheit der Ausgangsstoffe Mauerstein und Mörtel sowie deren Verbund miteinander ab. Als Beispiel für sehr heterogenes Mauerwerk sei Mauerwerk aus Hochlochziegeln in Verbindung mit nicht vermörtelten Stoßfugen genannt. Großformatiges Porenbetonmauerwerk mit Dünnbettmörtel und vermörtelten Stoßfugen kann dagegen ein nahezu homogenes Verhalten aufweisen. Die aufgrund der Steinlochung unterschiedliche Druck- und Zugfestigkeit von Hochlochzie-
288
C Bemessung
geln sei als Beispiel für die Anisotropie des Baustoffs Mauerwerk genannt. Zur vollständigen Beschreibung des globalen Tragverhaltens von überwiegend horizontal beanspruchten Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk ist es neben der Beschreibung des Tragverhaltens unter Druck- oder Zugbeanspruchung erforderlich, das Schubtragverhalten bzw. das Verhalten unter kombinierter Beanspruchung aus horizontaler und vertikaler Einwirkung zu beschreiben. Aufgrund der Vielzahl und Komplexität der Einflussgrößen ist dies allerdings nicht ohne Weiteres möglich, weshalb sich in der Vergangenheit bereits zahlreiche Forschungsarbeiten mit der Analyse des Schubtragverhaltens und der Entwicklung von entsprechenden Modellen zur Ermittlung der Schubfestigkeit fv befasst haben. In [14] ist ein kurzer chronologischer Überblick über die wichtigsten dieser Arbeiten enthalten. Die darin vorgestellten Forschungsarbeiten verwendeten zur Darstellung der Versagenshüllflächen entweder einen Hauptspannungsraum (σI, σII,) unter Angabe eines Winkels θ oder ein raumfestes Koordinatensystem mit ausgewählten Komponenten des Spannungsvektors (σx, σy, τxy). Die Analyse der wesentlichen Arbeiten unter Anwendung der letztgenannten und im deutschsprachigen Raum üblichen Darstellungsmöglichkeit zur Bestimmung der Schubfestigkeit fv bzw. Schubfestigkeitsmodelle wird nachfolgend zusammenfassend wiedergegeben. Insbesondere werden hierbei die Möglichkeiten und Grenzen dieser Modelle gezielt aufbereitet. Ziel von Schubfestigkeitsmodellen ist es, die Schubfestigkeit fv bzw. die maximal aufnehmbare Schubspannung τmax für das in Bild 8 dargestellte Scheibenelement in Abhängigkeit des gegebenen Spannungszustandes sowie der vorliegenden Randbedingungen (geometrische Verhältnisse und Materialeigenschaften) zu bestimmen. Es sei schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es offensichtlich ist, dass ein derart „ungestörter“ Bereich nur in der Mitte einer Wandscheibe vorliegen kann, sodass diese Schubfestigkeitsmodelle
Bild 8. Spannungszustand eines Scheibenelementes
nur bedingt (wenn überhaupt) auf die Rand- bzw. Eckbereiche übertragbar sind.
3.2
Schubfestigkeitsmodelle basierend auf Mann und Müller
3.2.1 Allgemeines Das Schubfestigkeitsmodell von Mann und Müller [17] stellt einen Meilenstein in der Historie der Beschreibung des Schubversagens von unbewehrten Wandscheiben aus Mauerwerk dar. Auf diesem Modell beruhen die seit 1974 in der DIN 1053‑1 [5] verankerten Gleichungen zur Schubbemessung, welche auch in den deutschen Nationalen Anhang [18] zum Eurocode 6 [19] nahezu unverändert übernommen worden sind. Vor diesem Hintergrund wird dieses Modell nachfolgend ausführlich beschrieben. Daran schließt eine Gegenüberstellung mit den darauf aufbauenden Modellen an. Abschließend erfolgt eine Gegenüberstellung mit Versuchsergebnissen.
3.2.2 Schubfestigkeit nach Mann und Müller Die Ausgangsbasis des Schubfestigkeitsmodells von Mann und Müller [17] ist das aus der Aussteifungsscheibe herausgeschnittene und in Bild 8 dargestellte Scheibenelement mit regelmäßigem Läuferverband und halbsteinigem Überbindemaß ü/lst = 0,53). Mit der Entwicklung von Schubfestigkeitsmodellen unter Vernachlässigung der Spannungsübertragung über die Stoßfugen wird zum einen dem Umstand Rechnung getragen, dass eine „Nichtvermörtelung“ der Stoßfugen eine erhebliche Zeitersparnis beim Mauern zur Folge hat. Zum anderen wird die Qualität der Stoßfugenausbildung aufgrund der mehr oder weniger glatten Stirnflächen der Mauersteine, des Schwindens des Fugenmörtels und ggf. einer mangelnden Verfüllung infrage gestellt. Modelle mit Berücksichtigung der Spannungsübertragung in den Stoßfugen werden in [14] ausführlich beschrieben. Aufgrund der Vernachlässigung der Spannungsübertragung in den Stoßfugen wirken an einem Einzelstein somit nur die vertikalen Spannungen σx sowie die Schubspannungen in den Lagerfugen τ = τxy. Letztere erzeugen ein Drehmoment. Zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichtes am Einzelstein ist ein zusätzliches vertikal wirkendes Kräftepaar erforderlich, welches sich jedoch nur über zusätzliche vertikale Spannungen ∆σx an der Oberseite der Steine (in den beiden Teilbereichen 1 und 4) und der Unterseite der Steine (in den Teilbereichen 2 und 3) aufbauen kann (vgl. Bild 9). Es wird vorausgesetzt, dass alle benachbarten Steine dem gleichen Spannungszustand unterliegen.
3) In dem vorliegenden Artikel werden mit hst, lst und ü immer die Nettosteinabmessungen sowie das Nettoüberbindemaß jeweils zzgl. der Fugendicke bezeichnet.
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