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EVA SICHELSTIEL


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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis VORWORT

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DIE INSPIRATION

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01.01 01.02 01.03 01.04 01.05 01.06 01.07 01.08 01.09 01.10 01.11

VOM INDIVIDUUM UND DER GESELLSCHAFT HOMO SOCIOLOGICUS DER KONFORMIST VON INAUTHENTISCHER AUTHENTIZITÄT DIE ÜBERHANDNEHMENDE WELT NATÜRLICH KÜNSTLICH VON MANIPULATION UND GRUPPENZWANG WIE DIE KONSUMKULTUR FUNKTIONIERT Der erkrankte Mensch Das Sinnbild des Aussteigers Die Utopie des Aussteigens

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DIE KOLLEKTION

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02.01 02.02 02.03 02.04 02.05 02.06 02.07

AKTUELLER BEZUG und EIGENER STANDPUNKT Der Titel Die Moods Die Formfindung Die Farben Die Stoffe Die Positionierung

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NACHWORT und FAZIT

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Quellen

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Danksagung

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„Von Kindheit an sind wir dem Wir sind so daran gewöhnt, dass ge kaum bewusst sind. Unser Lereglementiert und wird stänGesellschaft ist gepr ägt von haltensmustern, Bestimmungen, les davon ist nützlich für den der. Doch die Normierung lässt eigene Gedanken und Lebensanall droht unsichtbare Autorinicht, du kannst nicht. Daher die meisten Zeitgenossen. Man will und seelischen Gefangenschaft versuchen durch Kurzurlaube zu gewinnen, andere befriedigen sum und Alkohol- bzw. Drogenreist, wie hemmungslos man sich gibt - die Zwänge reisen mit. Wir unsichtbar an das System geketwill, muss seine Freiheit unter Kontrolle hervorgraben. Oder (03. Korth 2008, S.27)


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normierten Denken ausgesetzt. wir uns der ständigen Zwänben ist bis ins kleinste Detail dig überwacht. Das Leben in der Gesetzen, Verordnungen, VerModen und Anstandsregeln. Vievernünftigen Umgang miteinandem Einzelnen kaum noch Luft, schauungen zu entwickeln. Übertät: Du sollst nicht, du darfst ständigen Fluchtgedanken der der gefühlten geistigen Enge entfliehen. Aber wohin? Viele in exotischen Ländern Freiheit ihren seelischen Hunger im Konrausch. Doch wie weit man auch dem Vergessen im Rausch hinsind durch emotionale Fäden tet. Wer sich wirklich befreien dem Ballast der kollektiven vielleicht auch nicht?“


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VORWORT

VORWORT

„Die höchste Form der menschlichen Freiheit besteht bis zum heutigen Tag darin, zu gehen, wann man will, wohin man will, wie man will. Nichts scheint leichter. Nichts ist schwieriger“ (vgl. 14. Schüle, spiegel.de )

Gesellschaftliche Erwartungen, Normen, Regeln, Prinzipien, Konsumzwang und Schönheitsideale. Konformität. Wir scheinen überfordert in der schönen neuen Welt. Sind nicht mehr wir selbst. Man verlangt nach immer mehr, wir selbst verlangen immer mehr von uns selbst. Innere Zwänge haften uns an. Der Wunsch nach Flucht wird immer lauter. Flucht aus der Norm. Der Wunsch innehalten zu dürfen. Der Wunsch nach Einfachheit, exotischer Einfachheit inmitten eines Zuviels an allem. Doch wohin nur sollen

wir gehen? Der Zwiespalt in uns wächst. Wir wollen hier sein, wir wollen dort sein. Warum aber ist die Freiheit so schwierig? Warum scheint die Flucht schier unmöglich? Gibt es ein Leben fernab der Zeit, fernab der Norm? Eine Arbeit, die sich mit dem Zwiespalt des Menschen zwischen dem Verlangen nach Freiheit und dem Zwang zur Konformität auseinandersetzt. Vom Zwang, jemand zu sein, der man nicht ist und vom Wunsch, jemand nicht zu sein, der man ist. Von der Schwierigkeit des selbstbestimmten Lebens.


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01 Die Inspiration

01 / DIE Inspiration


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01.01 Die Inspiration / Vom Individuum und der Gesellschaft

VOM INDIVIDUUM UND DER GESELLSCHAFT


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01.01 Die Inspiration / Vom Individuum und der Gesellschaft

Allem vorweg gilt es sich mit der grundlegenden Frage nach dem Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft beziehungsweise Gesellschaft und ihrer Wechselwirkung auseinanderzusetzen. Zunächst ist jeder Mensch natürlich ein Eigenes, ein einzelnes Seiendes, welches sich nicht zuletzt durch seine Fähigkeit des Denkens klar von Anderen unterscheidet. In der modernen Logik bezeichnet der Begriff Individuum ein Objekt, das Eigenschaften besitzt und in Beziehung zu anderen Objekten steht, ohne selbst Eigenschaft oder Beziehung zu sein. Ein Individuum. Das Einzelne.

gewiesen ist, sodass sein Dasein nur durch das Zusammenleben mit diesen anderen Personen möglich ist.

Gesellschaft beschreibt die Vielzahl der Individuen in ihrer Gesamtheit. Sie ist Produkt aus der Summe der in ihr existierenden Individuen. Entsprechend dem, dass die einzelnen Menschen keine isolierten Individuen darstellen, sondern in Wechselwirkung zueinanderstehen, indem sie mit ihren Mitmenschen Bindungen in vielfältiger Art und Weise eingehen, ergibt sich also die Gesellschaft. Die Gemeinschaft. Das Gesamte. Glaubt man der Bindungstheorie, ist dem Menschen der Wunsch nach Bindung angeboren. (vgl. 01. Spangler, Zimmermann 2001)

Bereits hieraus ergibt sich mir das grundlegende Problem in Form der Frage, ob nun entweder dem Einzelnen oder dem Allgemeinen die Priorität zugewiesen werden muss und auch die Tatsache, dass das jeweils andere dann eine untergeordnete Funktion erhält. Im abstrakten sowie auch im formal-logischen Denken ist das Einzelne dem Allgemeinem untergeordnet, das Allgemeine subsumiert das Einzelne. Logischerweise muss also eine Gesellschaft, die real funktionieren soll, als übergeordnete Instanz betrachtet werden, welcher sich die Einzelnen fügen, wodurch das Gemeinsame Vorrang bekommt. Dies bedeutet, dass die einzelnen Individuen durch gegenseitige Verständigung eine gemeinschaftliche Handlungsbasis finden müssen, um ein gutes Zusammenleben möglich zu machen. Fromm bezeichnet es folgendermaßen:

Dies scheint meiner Meinung nach äußerst plausibel, wenn man betrachtet, dass Individuen in der Gesellschaft grundlegende Bedürfnisse wie Sicherheit besser befriedigen können, denn als Einzelgänger. Sie sieht den Menschen demnach als gesellschaftliches Beziehungswesen, welches auf andere Menschen an-

„Ich oder wir? Eine Alternative, die sich in Reinform nicht stellt. Denn Ich ist auch Wir. Das Individuum ist ein soziales Phänomen. Es findet seine Identität in Gruppen, zuallererst in der Herkunftsfamilie. Es hat ein angeborenes Bedürfnis nach Bindung, nach Zugehörigkeit. Er braucht die anderen als Spiegel, als Vorbild, als Gefährte, als Gegner.“ (26. Kohn, br-online.de )

„Wenn eine Gesellschaft gut funktionieren soll, müssen sich ihre Mitglieder einen Charakter aneignen, aus dem heraus sie handeln wollen, wie sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaft handeln müssen. Sie müssen genau das zu tun wünschen, was sie notwendigerweise tatsächlich zu tun haben.“ (01. Erich Fromm in Spangler, Zimmermann 2001, S.203 )

Eine Gesellschaft braucht also einen Konsens, welchen sie in Form von Regeln, Normen und Moralvorstellungen festsetzt, nach denen der Einzelne handeln muss und vor allem handeln will. Die Individuen müssen sie als Handlungsmaxime annehmen und verinnerlichen. Somit nimmt der Mensch also in Kauf, dass er sich verändern muss, wenn er einer Gemeinschaft angehören will. Gleichsam akzeptiert er auch, dass ihre Rituale, ihre Regeln und Normen ein Teil seines Selbst werden. Hieraus kann man ableiten, dass, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, die Gesellschaft erheblich auf unser Denken einwirkt und wir, wie durch emotionale Fäden unsichtbar an das System gekettet scheinen. (vgl. 03. Korth 2008, S.127 ) An dieser Stelle lässt sich eines festhalten: Die Gesellschaft wird zur Ursache des Fühlens und Verhaltens des Einzelnen.


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01.02 Die Inspiration / Homo Sociologicus

HOMO SOCIOLOGICUS

„Zwang ist der unzertrennliche Gefährte jeder Gesellschaft.“ Arthur Schopenhauer (23. Zwang, poeteus.de )

Wie bereits beschrieben, erfordert eine Gesellschaft vom Einzelnen Anpassung in Form eines Handelns nach ihren Grundsätzen. Grundsätze, welche durch Regeln und Normen Bestimmung finden. Bereits diese Begriffe implizieren meiner Meinung nach die Tatsache, dass die Gesellschaft die Freiheit des Einzelnen einschränkt und von ihm des Öfteren ein Verhalten beziehungsweise Handeln fordert, das gegen seine eigenen Interessen steht. Diesen Prozess der Anpassung an gesellschaftliche Denk- und Gefühlsmuster mit dem Ziel der Verinnerlichung von sozialen Normen bezeichnet man als Sozialisation. „Der Mensch wird Mensch durch die Sublimierungsleistungen, die seine Sozialisation ihm abverlangt.“(26. Kohn, br-online.de ) Sie umfasst sowohl die absichtsvollen und planvollen Maßnahmen der Erziehung als auch die unabsichtlichen Einwirkungen auf die Persönlichkeit aufgrund seiner Interaktion mit einer spezifischen, materiellen und sozialen Umwelt in Form von sozialen Bindungen, welche das Individuum im Laufe seines Lebens eingeht. Folglich werden die Individuen in und durch die Verhältnisse, unter denen sie leben, geprägt und letztendlich zu bestimmten Personen gemacht. Man weiß, dass bereits in der Familie die Affekte und Triebansprüche des Kindes auf Schranken stoßen. So gesehen sind wir von Anfang an dem normativem Denken ausgesetzt; die Domestizierung des Menschen ,beginnt bereits mit seiner Geburt. (vgl. 04. Schmidt 2004) Durch


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01.02 Die Inspiration / Homo Sociologicus

Erziehung wird das Kind mit Werten und Normen konfrontiert, denen es zu entsprechen hat - man tut dies, man tut jenes. In Form von äußerem Druck erlernen wir also ein Handeln, welches wir Laufe der Zeit verinnerlichen. Während des individuellen Lebens findet somit eine ständige Umsetzung von äußerem Druck in innerem Zwang statt. (vgl. 02. Schwarte 2002, S.361)

Rousseau beschreibt, dass in der hochkulturellen Gesellschaft die Menschen nicht sie selbst sind, sondern sich so geben, wie die Gesellschaft es erwartet beziehungsweise prägt: ,,Der Wilde lebt in sich selbst; der gesellschaftliche Mensch ist immer außerhalb seiner selbst und weiß nur in der Meinung der anderen zu leben.” (10. Rousseau, otium-bremen.de)

Er beschreibt meiner Ansicht nach recht treffend das Dilemma einer emotionalen Abhängigkeit von unserer Umwelt in Form von Akzeptanz dergleichen. Wir sind nicht nur wir, wir sind auch die Verkörperung gesellschaftlicher Erwartungen. Wir sind nicht mehr nur einfach Mensch, wir sind vor allem Homo Sociologicus. (vgl. 05. Dahrendorf 2010) Er ist der Schnittpunkt zwischen Einzelnem und Gesellschaft. Das, was die Gesellschaft aus uns gemacht hat. Er ist der Konformist in jedem von uns. Dahrendorf spricht in diesem Zusammenhang von gesellschaftlichen Rollen, die das Individuum einnehmen muss. Homo Sociologicus ist der Träger der gesellschaftlichen Rollen. Die Gesamtheit dieser Rollen bestimmt seine Person. Dahrendorf ist der Meinung, dass sie der Grund allen

Übels sind, denn sie zwängen das ursprüngliche Individuum in ein aufoktroyiertes Verhalten. Dies beschreibt er als die ärgerliche Tatsache der Gesellschaft, weil diese Zwang auf den Einzelnen ausübt. Man kann ihr, ihren Erwartungen und Sanktionen nicht entfliehen. (vgl. 05. Dahrendorf 2010) „Ärgerlich ist die Gesellschaft, weil sie den Individuen und ihrem Streben stets zuvorkommt, weil sie sie sozusagen reihenweise dazu bringt, sich so zu verhalten, wie man sich eben verhält: rollengemäß. Die sozialen Rollen und die mit ihnen verknüpften Erwartungen, Normen und Sanktionen sind der Ort dieses Ärgernisses.“ (11. Dahrendorf, nzz.ch )

Diese Ausführungen Dahrendorfs gehen mit meinen Überlegungen einher und scheinen mir für meine Thematik äußerst passend. Homo Sociologicus bringt uns dem Problem des eigenständigen Lebens ein Stück näher, er scheint mitverantwortlich für die Tatsache, dass wir uns nur so schwer aus Erwartungshaltungen zu lösen vermögen. Weil die gesellschaftlichen Zwänge nicht mehr nur von außen kommen, nein, weil wir sie so tief verinnerlicht haben, dass sie Teil unseres Selbst geworden sind. Zusammenfassend wirft Homo Sociologicus also das Problem des Widerspruchs zwischen dem von anderen beeinflussten Rollenhandeln und der Eigenständigkeit des Individuums auf. Zugespitzt läuft das in meinen Überlegungen auf die Frage hinaus: Was bleibt übrig, wenn man vom Menschen an sich den Homo Sociologicus abzieht?


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„Die individuelle Freiheit ist kein Kulturgut. Sie war am gröSSten vor jeder Kultur, allerdings damals meist ohne Wert, weil das Individuum kaum imstande war, sie zu verteidigen. Durch die Kulturentwicklung erfährt sie Einschränkungen, und die Gerechtigkeit fordert, dass keinem diese Einschränkungen erspart werden. Was sich in einer menschlichen Gemeinschaft als Freiheitsdrang rührt, kann Auflehnung gegen eine bestehende Ungerechtigkeit sein und so einer weiteren Entwicklung der Kultur günstig werden, mit der Kultur verträglich bleiben. Es kann aber auch dem Rest der ursprünglichen, von der Kultur ungebändigten Persönlichkeit entstammen und so Grundlage der Kulturfeindseligkeit werden. Der Freiheitsdrang richtet sich also gegen bestimmte Formen und Ansprüche der Kultur oder gegen Kultur überhaupt. Ein gut Teil des Ringens der Menschheit staut sich um die eine Aufgabe, einen zweckmäSSigen, d. h. beglückenden Ausgleich zwischen diesen individuellen und den kulturellen Massenansprüchen zu finden, es ist eines ihrer Schicksalsprobleme, ob dieser Ausgleich durch eine bestimmte Gestaltung der Kultur erreichbar oder ob der Konflikt unversöhnlich ist.“ Sigmund Freud (31. Freud, textlog.de )


Die Zehn Gebote

Das erste Gebot Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Das zweite Gebot Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht mißbrauchen. Das dritte Gebot Du sollst den Feiertag heiligen. Das vierte Gebot Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren. Das fünfte Gebot Du sollst nicht töten. Das sechste Gebot Du sollst nicht ehebrechen. Das siebte Gebot Du sollst nicht stehlen. Das achte Gebot Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Das neunte Gebot Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Das zehnte Gebot Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.

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01.03 Die Inspiration / Der Konformist

DER KONFORMIST

Konformismus steht für eine Haltung, die sich an den Normen und Meinungen der Mehrheit der Gesellschaft beziehungsweise der Bezugsgruppe orientiert. (vgl. 20. Konformität, stangel.eu) Sie bezeichnet den normativen Einfluss von sozialen Gruppen, der Individuen dazu bewegt, sich so zu verhalten, dass sie nicht durch Abweichen von den Gruppennormen unangenehm auffallen. Hier lässt sich feststellen, dass das gesellschaftliche Wesen sich also von der Meinung des Gegenübers abhängig macht, da es nur so Anerkennung finden kann. Was entsteht ist ein konformes Verhalten.

So schlüpft also unser Homo Sociologicus freiwillig in verschiedene Rollen, um sich seinerseits in Anerkennung und somit in Sicherheit zu wiegen. Es handelt sich hierbei um eine soziale Tendenz, der man anscheinend nicht entgehen kann. Simmel bringt dazu ein gutes Beispiel:

Es legt traditionelles Handeln an den Tag, weil es nach Erwartungssicherheit strebt, welche uns durch normative Handlungsorientierungen geliefert wird. Man hat ja gelernt, wie man sich verhalten zu hat, um zu gefallen.

Innerhalb des gesellschaftlichen Lebens wird es diese soziale Tendenz immer geben. Egal was man auch tut, man kann sie eigentlich nie umgehen. Der Preis dafür ist die Individualität.

„Selbst wenn man sich zum Ziel setzt, eben nicht modisch gekleidet zu sein, so ist das dennoch ein Beitrag zur Konformität, eine ‚Nachahmung mit umgekehrtem Vorzeichen‘ “ (27. Die Konformität der Einzigartigkeit, Sternstunden-der-soziologie.de)


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01.04 Die Inspiration / Von inauthentischer Authentizität

Tue das, was die meisten tun, Und man wird gut über dich reden. Thomas Fuller

„Die A ngst, dem Verhaltenscodex nicht angepasst zu sein, lähmt uns, eigene Gedanken zu entwickeln.“ (vgl. 03. Korth 2008, S.126)


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01.04 Die Inspiration / Von inauthentischer Authentizität

VON INAUTHENTISCHER AUTHENTIZITÄT

ich denke, also bin ich nicht

Authentizität steht hier als zentraler Begriff, da sie für ein unbeeinflusstes Handeln steht, welches immer aus einer Person selbst kommt. „Angewendet auf Personen bedeutet Authentizität, dass das Handeln einer Person nicht durch externe Einflüsse bestimmt wird, sondern aus der Person selbst stammt.“ (28. Integrität, brainworker.ch) Das wahre Selbst ist an sich authentisch. An dieser Stelle wirft sich mir eine bedeutende Frage auf: Sagen sie mir, was oder wer in unserer Welt noch authentisch ist? Nennen sie mir einmal den Menschen, welcher in keinster Weise in seinem Handeln durch sein Umfeld beeinflusst wird. Niemand? Der Mensch wird innerhalb seines gesellschaftlichen Daseins sich immer wieder in Situationen befinden, in welchen er sich konform verhält, obwohl er sich eigentlich gar nicht danach fühlt. Ist Authentizität und Gesellschaft dann etwas, das eigentlich nicht vereinbar ist? „Ob es Authentizität überhaupt gibt, darüber könnte man streiten. Wir sind ja alle ständig in verschiedenen Rollen unterwegs, als Ehemann, Vater, Kollege. Und bei jeder dieser Rollen gibt es eine gewisse Schnittmenge zwischen dem, was wir als Mensch sind, und dem, was die Rolle von uns fordert.“ (vgl. 15. Ustorf, sueddeutsche.de )

Die sozialen Rollen scheinen mir mit Authentizität also schlichtweg unvereinbar. Niemand kann sich durchweg authentisch geben. Demnach schließt Homo Sociologicus doch die vollkommene Authentizität seiner Person von vorherein aus. Dadurch, dass er ständig äußeren Druck in inneren Zwang umsetzt, zwingt er sich selbst zu einem konformen, eigentlich inauthentischem Handeln. Viel treffender kann unser Verhalten vielleicht mit dem Begriff inauthentischer Authentizität umschrieben werden. „Wenn bei einer Person allerdings die Eigenschaft, dass ihr Handeln durch externe Einflüsse bestimmt wird, aus der Person selbst stammt, spricht man von einer authentischen Inauthentizität.“ (28. Integrität, brainworker.ch )

Im Zuge meiner Recherche fallen mir hier beispielsweise Gruppenzwang und Manipulation als Vorkommnisse ein, welche die persönliche Authentizität unterwandern. Authentische Inauthentizität erleben wir demnach in Form von innerlichen Zwängen, hauptsächlich dem Zwang nach Konformität innerhalb des gesellschaftlichen Lebens und selbst konstruiertem Druck einhergehend mit dem von außen aufgebautem Druck durch die Gesellschaft.


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Definitionen

Norm

Sitte

Norm die; -, -en meist Pl; eine allgemein anerkannte (ungeschriebene) Regel, nach der sich andere Menschen verhalten sollen ≈ Moralvorstellung <ethische, gesellschaftliche, moralische Normen; Normen festsetzen; sich an Normen halten> das, was als normal od. üblich empfunden wird <jemand/etwas entspricht der Norm, weicht von der Norm ab>

Sit·te die; -, -n meist Pl; die Verhaltensweisen, die eine bestimmte Gesellschaft traditionell angenommen hat ≈ Bräuche, Gepflogenheiten meist Sg; die Normen, die in einer Gesellschaft bestimmen, was gut und richtig ist ≈ Moral Adj + Sitten die Art, wie sich jemand vor anderen verhält ≈ Adj. + Benehmen

Regel

Konvention

Re·gel die; -, -n ein Prinzip od. eine Ordnung, die sagt, wie man bestimmte Dinge tun muss ≈ Norm, Vorschrift

Kon·ven·ti·on die; -, -en geschr; eine traditionell anerkannte Regel des sozialen Verhaltens, die in einer Gesellschaft als Norm gilt

Wertvorstellung

Anstand

Wert·vor·stel·lung die <Wertvorstellung, Wertvorstellungen> (≈ Wertmaßstab) die Vorstellung darüber, was wichtig oder von Bedeutung ist

An·stand der; -(e)s; nur Sg; das Benehmen, das den Verhaltensnormen einer Gesellschaft entspricht <den Anstand wahren; (keinen) Anstand haben; die Regeln des Anstands beachten

Benehmen

Konform

Be·neh·men das; -s; nur Sg; die Art und Weise, wie man sich in Gesellschaft von anderen verhält ≈ Manieren <ein gutes, feines Benehmen; kein (= ein schlechtes) Benehmen haben>: Sein unhöfliches Benehmen provozierte die Gäste

kon·form Adj 1. (meist in den Meinungen od. Beurteilungen) übereinstimmend, gleich <Ansichten, Auffassungen>: In diesem Punkt sind unsere Standpunkte konform 2. mit jemandem/etwas konform sein mit jemandem/etwas gleicher Meinung sein 3. mit jemandem/etwas konform gehen mit jemandem/etwas übereinstimmen, gleicher Meinung sein: Hier gehe ich mit Ihnen/Ihrer Auffassung konform


Definition / Konformität

Konformität Konformität bedeutet sich einer Gruppe anpassen und sich dem Gruppendruck unterzuordnen. Die Verhaltensänderung erfolgt immer um mit der Gruppe eine größere Übereinstimmung zu finden und sie muss sich an den Gruppennormen orientieren. Um eine Urteilsänderung zu bewirken muss die Gruppe keinen Druck ausüben oder mit Sanktionen drohen, es reicht die Anwesenheit mehrerer Personen, die abweichende Urteile abgeben . (vgl. Wilkening 1978, S. 1)

Aus sozialpsychologischer Sicht ist Konformität die Beseitigung eines sinnlich wahrgenommenen Zwiespalts zwischen Eigen- und Gruppenverhalten durch sozialen Druck, der von Personen und Gruppen sowie deren Normen, Erwartungen und Sanktionen ausgeübt wird. Aus soziologischer Sicht bezeichnet Konformität ein an sozialen Vorstellungen orientiertes Verhalten. Hierbei wird weder die Diskrepanz noch der dynamische Aspekt einer Bewegung berücksichtigt. (vgl. Wiswede 1976, S. 15)

Es wird unterschieden zwischen Anpassungskonformität und Einstellungskonformität. Bei der Anpassungskonformität geschieht die Anpassung an das Gruppenverhalten entgegen der eigentlichen Überzeugung. Bei der Einstellungskonformität geschieht die Änderung der Meinung aus innerer Überzeugung . (vgl. Peuckert 1975, S. 2)

Als positiver Aspekt der Konformität wird gesehen, dass sich eine Norm, an der man sich orientiert, erst durch Gruppendiskussion herausbilden kann. Wenn eine bestehende Norm dadurch außer Kraft gesetzt wird, dann ist das positiv, da die Person erst in der Gruppe ihren Freiraum erhält, andererseits aber negativ, wenn die Normänderung zu einem kriminellen Verhalten führt. Konformität wird auch als Übereinstimmung mit den Orientierungspunkten der Gruppe, dh dem sozialen Wert und dem Kleingruppenstandard, gedeutet. (vgl. Hogrefe 1989, S. 482)

Unter konformem Verhalten unter Gruppendruck wird verstanden, dass sich ein Gruppenmitglied an die Meinung der restlichen Mitglieder anpasst, auch wenn offensichtlich eine andere Meinung/Antwort die korrekte ist. Es wird unterschieden in „Beständige-Nicht-Konformität“ (das Individuum weicht auch unter Gruppendruck nicht von seiner Meinung ab), „Vorübergehende Nicht-Konformität“ (das Individuum gibt vorerst korrekte Antwort, später aber auch konforme), „Vorübergehende Konformität“ (das Individuum gibt vorerst falsche Antwort, später aber konforme und nicht konforme Antworten) und „Beständige Konformität“ (das Individuum ordnet sich immer der Gruppenmeinung unter). (vgl. Stephan 1990, S. 86f)

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01.05 Die Inspiration / Die Überhandnehmende Welt

„Die Pluralität der Sinneseindrücke (Geräusche, Gerüche, Beleuchtungen, visuelle Reize) schlägt sich auch in Bewusstsein und Selbstwahrnehmung des modernen Menschen nieder. Die Zerrissenheit seiner Identität gründet sich auf einem Spannungsverhältnis zwischen neuen Situationen und alten Regelsystemen. Eine in der Vergangenheit begründete und auf längere Dauer und Sicherheit ausgerichtete Lebensweise muss dem Erfordernis permanenter Spontaneität und Flexibilität weichen. Der moderne Mensch muss, entsprechend David Riesmans Begrifflichkeit, zwischen Innen- und Außenlenkung hin und her pendeln und dabei Rechtfertigung für sein Verhalten sowohl in sich selbst als auch bei seinen Zeitgenossen finden.“ (29. Zelinka, kakanien.ac.at )


01.05 Die Inspiration / Die Überhandnehmende Welt

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DIE ÜBERHANDNEHMENDE WELT

„Der Mensch der Gegenwart sieht sich immer mehr von einem Phänomen eingeholt, welches eine Eigendynamik entwickelt hat und wogegen er scheinbar wenig unternehmen kann: es ist das Zeitalter der Moderne“ (16. Mensch und Mode, campus.fortunecity.com ) Im Allgemeinen wirkt es, als ob die Welt außer Kontrolle geraten ist. Medien, Manipulation, High-Speed, Enttaktung, Schönheitswahn, Facebook, Konsumzwang, Statussymbole, Schönheitsoperationen, Fitnesswahn sind die prägenden Begriffe unserer modernen Gesellschaft. Vor allem scheint meiner Person diese Gesellschaft aber eins zu sein: Technisch und materiell orientiert. Immer besser, immer mehr, innovativer, moderner, künstlicher. Manipuliert. „Der Einzelne ist getrieben vom Gefühl des Zeitdrucks, von Stress und Konkurrenzdenken in hochkompetitiven Ballungsräumen.“ (14. Schüle, spiegel.de ) Wir sind im Zugzwang, wollen wir dazugehören müssen wir mitrennen. Wer will schon der Masse hinterherhinken? Wir können nicht mehr innehalten, wir können nicht mehr zu uns kommen, wir müssen uns ständig aktualisieren und sind ständig unter Beobachtung. Wir sind Getriebene, weil nicht nur alles immer schneller wird, sondern auch immer mehr. Wo ist

die Entschleunigung, die man uns versprochen hat? Wo ist die Nachhaltigkeit? Sie sind Wunschgedanken der Meisten, jedoch real umsetzbar scheinen sie mir kaum. Wahrscheinlich sind sie aber gar nicht mehr, als das Produkt einer cleveren Marketingstrategie. „Insgesamt führt also die Schwäche der individuellen Ressourcen in Verbindung mit der Stärke der Verlockungen von Geld, Warenwelt und Medien zu jenem Stress, der in Analogie zum Arbeitsstress meist verharmlosend Freizeit- und Konsumstress genannt wird.“ (30. Reheis, wbg-wissenverbindet.de ) Die Frage, welche ich mir an diesem Punkt stelle: Warum lassen wir das alles über uns ergehen, wieso können wir uns dem nicht entziehen? Nun ja, schließlich hat Homo Sociologicus doch gelernt sich anzupassen. Der innere Zwang zur Konformität als soziales Wesen lässt ihn scheinbar unaufhaltsam in dieses Getriebe hineinrennen. Er lebt in der Gesellschaft und die Gesellschaft in ihm. Letztlich scheinen wir durch diese Tatsache gefangen in der schönen neuen Welt. Nicht verwunderlich, dass der Einzelne sich dennoch in Gedanken an einen Ort wünscht, an dem all dies keine Bedeutung hat. Wo Nachhaltigkeit und Entschleunigung wirklich sind.


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01.06 Die Inspiration / Nat端rlich K端nstich


01.06 Die Inspiration / Nat端rlich K端nstich

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01.06 Die Inspiration / Natürlich Künstich

NATÜRLICH KÜNSTLICH

Wohin wir auch gehen, die Models mit makelloser Figur, makellosem Teint und ebenso makellosem Outfit verfolgen uns. Ich muss mir wohl eingestehen, dass wir dieses Schönheitsideal verinnerlicht haben. Das, was die Bilder zeigen nehmen wir uns zum Vorbild, dem streben wir nach. „Besonders der Frauenkörper erfährt durch die aggressive Publizität der Medien eine massive Verwandlung, denn nicht das außergewöhnliche und individuelle Bild des Körpers wird propagiert, sondern das gegenwärtig normierte Schöne.“ (19. Flaßpöhler, dradio.de ) Die Idealschönheit als Konsensprodukt unserer modernen Gesellschaft. Dabei vergessen wir leider allzu oft, dass das, was wir auf den Bildern sehen so in Realität auch nicht existiert. Keine Frau im wahren Leben sieht jemals so aus! Nicht einmal die Frau auf dem Plakat sieht eigentlich so aus. Man hat sie stundenlang für ein einziges Foto zurechtgemacht. Zu guter Letzt hat man ihr Foto künstlich nachbearbeitet. Ebenfalls ist kein Model von Natur aus so dünn. Sie zerstören ihren Körper für ein unnatürliches Modeideal, wiegen fast ein Viertel weniger als normale Frauen. (vgl. 19. Flaßpöhler, dradio.de ) Ein Kampf mit jedem Pfund; dürr erscheint gerade schlank genug, Essstörungen sind Alltag. Und wir eifern ihnen nach. Ich frage mich, was ist das für eine Welt, in der Schönheit über einem gesunden Körper steht? “Wir leben ja nicht in der Kirche, wo die Moral regiert; wir leben in einer Konsumgesellschaft, wo der Konsum regiert. Und da muss man manchmal Opfer bringen,” (06. Wolf 1993, S.259 ) kommentiert Wolfgang Joop das Geschehen um uns herum. Deshalb machen wir Diäten und rennen ins Fitnessstudio. Die Gazetten sind voll von Diättipps, drei Kilo in vier Tagen, ganze Magazine widmen sich der Traumfigur und dem richtigen Outfit. Wir investieren Unsummen in Kosmetik, weil wir

mit ihrer Hilfe Makel überdecken können, weil Antiaging die Zeichen der Zeit kaschiert. Der perfekte, makellose Körper steht über allem. Wir haben uns der Schönheit verschrieben. Einer normierten Schönheit, die sich messen lässt. Kann es sein, dass wir vergessen haben, was Schönheit eigentlich ist? Dass wahre Schönheit mehr ist, als ein perfektes Äußeres, weil sie von innen kommt und nicht zuletzt auch ein Charakter unglaublich attraktiv machen kann. Wer weiß das noch? Es scheint, als sei kaum mehr Raum für die Akzeptanz der eigenen Persönlichkeit und Körperlichkeit. Die viel zitierten inneren Werte sind Makulatur. Unser Äußeres muss perfekt sein. „Noch nie wurde der bloßen Tatsache, im ‚richtigen‘ Körper zu stecken, so viel Bedeutung verliehen. Nie zuvor galt ein perfekter Körper als Lösung aller Probleme. Er soll heute die Antwort auf Identitätskrisen, Leistungsschwächen, Selbstachtungsdefizite, Einsamkeit, Lieblosigkeit sein.“ (13. Schmitz, readers-edition.de ) Können wir uns dann noch wundern, dass jedes dritte Mädchen mittlerweile Essstörungen hat oder fast die Hälfte aller Mädchen sich Fett absaugen lassen würden, wenn sie könnten? (vgl. 19. Flaßpöhler, dradio.de ) Unsere Kinder scheinen in diese Welt hineingeboren, es scheint, als sei es ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. Der Zwang zu 90-60-90 Maßen. Schönheitsoperationen scheinen heute völlig normal. Heutzutage muss sich niemand mehr an seinem Körper stören. Nein, wir legen uns kurzerhand unters Messer. Wir sind bereit viel zu investieren. Koste es, was es wolle. „Anti-Aging, Fettabsaugen, Nasenkorrektur, plastische Chirurgie, Brustvergrößerung, Botox; das sind die Schlagworte unserer Zeit. Haarefärben alleine genügt schon lange nicht mehr.“ (19. Flaßpöhler, dradio.de ) Mich schockieren all diese Beobachtungen zutiefst. Natürlich künstlich, nur nicht mehr wir selbst, so wie Gott uns eigentlich vorgesehen hat. Makel weichen einem perfekten Äußeren.


01.06 Die Inspiration / Natürlich Künstich

„In der Konsumkultur ist die Schönheit ein kategorischer Imperativ: 120 Milliarden Euro setzt die Schönheitsindustrie jährlich um.“ (17. Die sexualisierte Gesellschaft, zeitgeistlos.de )

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01.07 Die Inspiration / Von Manipulation und Gruppenzwang

Von diesem Imperativ werden wir im Spätkapitalismus regelrecht bedrängt, denn schliesslich lebt diese Gesellschaftsform ganz massgeblich davon, dass wir uns nie schön genug fühlen. Und weil nichts ertragreicher ist als ein gestörtes Selbstverhältnis, sehen wir uns ständig mit virtueller Perfektion konfrontiert“ (19. Flaßpöhler, dradio.de )

„Jeder Konsument lebt in einer künstlichen Welt, von der er abhängig ist, wie der Junkie von der Droge. Und die A bhängigkeit ist genauso teuer wie eine Droge. Darin liegt der Zweck der gigantischen Normindustrie.“ (03. Korth 2008, S.18 )

. „Mehr denn je schaffen die M assenmedien heute eine inszenierte und idealisierte R ealitätskonstruktion, der die zivilisierte, westliche Gesellschaft nachzueifern versucht. Der dadurch entstehende gesellschaftliche Druck hat auf diese Weise enorm zugenommen.“ (21. Sander, medienobservationen.lmu.de )


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01.07 Die Inspiration / Von Manipulation und Gruppenzwang

VON MANIPULATION UND GRUPPENZWANG

„Der Zivilisationsmensch wird leicht zur Marionette, weil er die unsichtbaren Schnürchen nicht sieht, über die er gelenkt wird. Triebe, raffinierte Werbung, künstlich geschürte Ängste, von anderen absichtlich geweckte Imaginationen und Hoffnungen, fehlende Distanz zum Alltag lässt ihn in das Zivilisationsgetriebe rezeptiv hineinleben. Das blinde Mitlaufen dominiert alle Bevölkerungsschichten, auch die Mitglieder der Bildungsgesellschaft.“ (19. Flaßpöhler, dradio.de )

Dem Gruppenzwang liegt meiner Meinung nach vor allem eins zugrunde: das Streben nach Konformität. Denn Gruppenzwang entsteht aus der Dynamik einer Gruppe heraus, in der sich der Einzelne behaupten will. Will er der Gruppe entsprechen, ist er zur Anpassung, zum Mitlaufen gezwungen. Gruppen weisen schließlich immer eine gewisse Homogenität auf, sie haben soziale Normen und der Einzelne tut viel, um ihnen zu entsprechen. Er leistet sich teure Statussymbole, die er eigentlich nicht braucht. Er passt seine Sprache und sein äußeres Erscheinungsbild den Menschen an, von denen er akzeptiert werden möchte. Mir scheint äußerst bedenklich, dass wir ständig mit der Angst leben müssen, nicht konform zu sein, nicht gut genug, nicht modisch genug, einfach nicht schön genug. Nicht auf dem neusten Stand. Doch die Industrie der Konsumkultur lebt genau von dieser Angst. Schließlich steht sie so gesehen als oberstes Glied der Kette des Gruppenzwangs, meist gar als Initiator und macht sich somit genau alles eben Beschriebene zum Nutzen. Denn im Endeffekt sollen wir vor allem eins, wir sollen kaufen.

„Sei schön!“ (...) Von diesem Imperativ werden wir im Spätkapitalismus regelrecht bedrängt, denn schließlich lebt diese Gesellschaftsform ganz maßgeblich davon, dass wir uns nie schön genug fühlen. Und weil nichts ertragreicher ist als ein gestörtes Selbstverhältnis, sehen wir uns ständig mit virtueller Perfektion konfrontiert“ (19. Flaßpöhler, dradio.de ) Die Bilderflut von Plakaten, Illustrierten und Werbespots, der man sich im medialen Zeitalter nur schwer zu entziehen vermag, suggeriert uns tagtäglich eine perfekte Welt. Wohin man auch sieht, schöne Menschen, tolle Kleidung, große Autos; die Ästhetisierung unserer Lebenswelt. Doch all das bewirkt vorerst, dass wir uns minderwertig fühlen, weil wir diesem Ideal nicht entsprechen. Dem kann natürlich Abhilfe geschaffen werden. Wie? Ganz einfach, indem wir kaufen und auch zu perfekten Menschen werden. Genau so perfekt wie auf den Bildern. Und schon ist es um uns geschehen. „Die Werbung hämmert es pausenlos ein: So schön, so reich und so erfolgreich ist der moderne Mensch. Daher wird alles äußere übertrieben wichtig: Der fitness genormte Körper, das Karrierekostüm von Chanel, Eliteschulen für Kinder, der richtige Wohnbezirk. So tritt jeder Einzelne in Konkurrenz mit seinem Nächsten - und mit sich selbst. Ständig betrachtet er kritisch sein Spiegelbild und korregiert an seiner äußeren Hülle herum. Innere Werte sind in dieser künstlichen Welt kaum noch gefragt - außer sie lassen sich selbst vermarkten. Deshalb müssen unablässig neue Trends her. Das Leben wird immer hektischer. Denn um dazuzugehören muss „man“ jede Mode mitmachen.“ (03. Korth 2008, S.77 )

Nehmen wir als konkretes Beispiel die Mode. Halbjährlich sagen uns die Modemagazine erneut, wie wir uns für die kommende Saison zu kleiden haben. Sie zeigen uns unverzichtbare Looks für die nächste Saison. Oder Handtaschen beispielsweise werden geschickt zu IT-Bags hochstilisiert. Jede Frau kauft schließlich diese eine Tasche, weil sie eben nicht mehr nur eine simple Tasche ist. Scheinbar jeder hat sie. DIE TASCHE. Eine Tasche, ohne die man scheinbar niemand mehr ist. Genau so und nicht anders sollen wir aussehen, jeder sieht so aus. Wir müssen unseren Beitrag zur Konformität leisten. Herbert Willems kommentiert das Geschehen damit, dass man in der Mode eben nicht nur Mensch, mit Rechten zur Individualität, sondern auch Person mit Pflichten zur gesellschaftlichen Selbstrepräsentation ist. (vgl. 09. Willems 2009, S.191 )

Genau deshalb tragen wir dann auch kurz darauf das, was uns, wie ein unausgesprochenes Diktat vorgegeben wurde. Ein Diktator ist dabei gänzlich überflüssig, da hier ja die Masse diese Rolle erfüllt.


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01.08 Die Inspiration / Wie die Konsumkultur funktioniert

WIE DIE KONSUMKULTUR FUNKTIONIERT warum wir gezwungen sind zu konsumieren

Es ist ein Merkmal der modernen Gesellschaft, dass wir rastlos einkaufen, meistens viel mehr, als wir wirklich brauchen. Wir leben in einer Konsumgesellschaft. Einer Gesellschaft, die vom Konsum lebt. Es ist eine Gesellschaft, in der scheinbar alles käuflich erworben werden kann und bloß die ständige Nachfrage nach Neuem hält die Welt in Gang. Nahezu täglich konsumieren wir. Dabei reduziert sich der Konsum nicht allein auf die Beschaffung notwendiger Güter, vielmehr wird das Konsumieren zum Erlebnis hochstilisiert. Als Freizeitbeschäftigung und Ausgleich sozusagen. Ich muss an dieser Stelle fragen: Was von dem, das wir kaufen, brauchen wir wirklich noch? Nichts? Wieso denken wir, es doch zu brauchen? Wieso kaufen wir immer weiter? Es ist wohl der Wesensinhalt der Konsumkultur. Sie macht den Anschein einer Gesellschaft, in der die einzige rückhaltlos gebilligte Wahlmöglichkeit in der Praxis darin besteht, sich an die

Grundsätze der Konsumkultur anzupassen und sich strikt daran zu halten. Man muss sich mit diesem oder jenem Produkt ausstatten, will man eine erwünschte gesellschaftliche Position erlangen und behalten, gesellschaftliche Verpflichtungen erfüllen und sein Selbstwertgefühl steigern oder sichern. Konsum ist etwas, worüber wir uns definieren können. Er gibt uns die Möglichkeit, über bestimmte Produkte eine Identität zu erwerben. Er ist es, der über Zugehörigkeit und Ansehen entscheidet. Er gibt uns Sicherheit. „ In unseren Tagen ist die Möglichkeit, jemand anders zu werden der Ersatz für Konzepte wie Seelenheil oder Erlösung, die heute von den meisten abgelehnt oder gering geschätzt werden. Ein Ersatz, so möchte man hinzufügen, der dem Original haushoch überlegen ist, weil man sofort über ihn verfügen kann, anstatt quälend lange zu warten, und weil er in vielfachen Varianten daher kommt und rückgängig gemacht werden kann, statt der Einzige und Ultimative zu sein.“ (07. Baumann 2009, S.130 )


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01.08 Die Inspiration / Wie die Konsumkultur funktioniert

Zygmunt Baumann beschreibt es, als ein „ich shoppe, also bin ich.“ (07. Baumann 2009, Klappentext) Konsum gleicht also einer Investition in den sozialen Wert und das Selbstwertgefühl des Individuums. Wenn ich es genau betrachte, möchte ich sagen, dass wir in einer Welt von Oberflächlichkeiten kaum noch mehr als eine Hülle unseres Selbst sind, ein öffentliches Image, das wir verkörpern, auf das wir nach Belieben einwirken können. „ Die Welt in der wir leben, gleicht einem Marktstand mit schicken Kleidern, der umringt ist von Menschen, die ihr Selbst suchen“ (07. Baumann 2009, S.178 ) Mithilfe der auf dem Markt angebotenen „Identitätsbaukästen“ (07. Baumann 2009, S.67 ) können wir uns ein Ich zusammenkaufen. Dieser Akt gleicht einer Suche nach Befriedigung, ein Verlangen zu stillen, um uns besser zu fühlen. Denken wir doch tatsächlich, dass unser Leben mit dem neuen Paar Schuhe besser ist, es uns noch etwas angesehener macht, noch attraktiver? Das

Streben nach Perfektion scheint ein menschliches Verlangen. Das letzte Paar Schuhe war schon gut, doch dieses neue Paar ist noch schöner, passt noch besser, sieht einfach toller aus. Kurzum, wir kaufen wieder und wieder. Wir sind auf der Suche nach Befriedigung unserer Perfektion. Jede Saison erneut. Bereits hier wird deutlich, dass es die wahre Befriedigung in einer Konsumgesellschaft aber eigentlich nie geben kann und darf, denn nur dadurch erhält sie sich am Leben. Man will ja an uns verdienen. Würden wir uns befriedigt fühlen, fänden wir uns schließlich nicht in der Versuchung etwas Neues zu kaufen. Deshalb weckt die Werbung, wie bereits beschrieben, allerlei künstliche Bedürfnisse in uns, damit wir es wieder tun. Dan Slater drückt es folgendermaßen aus: „Die Bedürfnisse dürfen kein Ende haben. Das setzt vorraus, dass unsere Bedürfnisse einerseits unstillbar sind, dass wir aber stets erwarten, sie durch Waren befriedigt zu bekommen“ (07. Baumann 2009, S.128 )

Man kann von einer Art Teufelskreis sprechen. Wir sind ständig in Bewegung. Neuerungen, Innovationen und ein immer besser und Schöner zwingen uns dazu, unsere Identität immer wieder zu hinterfragen und neu zu definieren, damit wir auf dem neusten Stand sind, damit wir uns optimal repräsentieren. Die Kultur des Konsums ist geprägt vom permanenten Druck, jemand anderes sein zu wollen. Wir kaufen und denken befriedigt zu sein, um schon nach kurzer Zeit festzustellen, dass wir es nicht mehr sind, weil um uns herum wieder etwas Neues auftaucht und schon geht die Suche von vorne los. Wie ein Hamster im Rad rennen wir weiter und weiter und sind wieder am Anfang. „Konsumgütermärkte sind darauf ausgerichtet, das in der Vergangenheit Angebotene umgehend abzuwerten, um in der allgemeinen Nachfrage Platz zu schaffen, der mit neuen Angeboten aufgefüllt werden kann. Sie erzeugen Unzufriedenheit mit den Produkten, mit denen Konsumenten ihre Bedürfnisse befriedigen.“ (07. Baumann 2009, S.128 )


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Die Konsumkultur verspricht uns Zufriedenheit, doch eigentlich kann es sich hierbei nur um ein leeres Versprechen, ja eine Lüge handeln, denn schließlich ist Zufriedenheit der Status, der nie erreicht werden darf, denn er ist gleichzusetzen mit wirtschaftlicher Stagnation. De facto erzeugt die Gesellschaft also eine permanente Unzufriedenheit mit der erworbenen Identität und den Bedürfnissen, durch die eine solche Identität definiert wird durch das Herabspielen und das Verspotten der Alten. Das, was gestern noch gut war, ist es heute schon nicht mehr. Ich maße mir an, an dieser Stelle von inflationärem Wahnsinn zu sprechen, denn nichts, was wir besitzen, hat mehr wahren Wert. Innerhalb kürzester Zeit wird es wertlos sein, da es etwas Besseres, etwas Moderneres gibt. Baumann bringt ein wunderbares Beispiel für diesen inflationären Zustand der Dinge.

01.08 Die Inspiration / Wie die Konsumkultur funktioniert

„Das Beige des Make-ups, letzte Saison noch ein Zeichen von Kühnheit, ist jetzt nicht nur eine unmoderne Farbe, sondern eine langweilige und hässliche, darüber hinaus ein peinliches Stigma und ein Brandmal der Ignoranz, Indolenz, Ungeschicktheit, oder generellen Minderwertigkeit. Diese Farbe zu verwenden, vor nicht allzu langer Zeit eine Handlung, für die Rebellion, Wagemut und die Fähigkeit, der Meute der Modebewussten vorraus zu sein stand, verwandelt sich in kürzester Zeit in ein Symptom von Trägheit oder Feigheit ein Zeichen, dass jemand hinter der Meute zurückfällt, vielleicht sogar dabei ist, den Anschluss ganz zu verlieren.“ (07. Baumann 2009, S.128 )

“Wir kaufen Produkte, um nachgefragt zu werden. Der Konsum ist der Mitgliedsbeitrag für die Gesellschaft und der Kampf um die Mitgliedschaft ist eine nie endende Aufgabe.“ (22. Klumbies, wissen57.de )

Hans Klumbies spricht in diesem Zusammenhang davon, dass die Menschen selbst zur Ware werden. Nun komme ich wieder auf die Identität zu sprechen. Die Identität verlangt ständige Beachtung, Erneuerung und Updates, weil sie sich dadurch vorm Verfall bewahren oder eine neue, lukrativere Form erlangen möchte. Dann wird plausibel, dass wir diesen unablässigen Zwang zu konsumieren verspüren, um Teil einer Welt zu sein, die sich durch Materialitäten und Statussymbole definiert. Wenn man dazugehören will, bleibt nichts anderes, als den Forderungen nach Erneuerung Folge zu leisten, um nicht unterzugehen. So bringen wir unseren Beitrag zur Gesellschaft, wir kaufen.


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01.08 Die Inspiration / Der erkrankte Mensch

„you´re a victim of „Stress ist zu einer Volkskrankheit geworden. Viele Menschen fühlen sich überfordert von Arbeit, Familie - dem Leben im Allgemeinen und Besonderen. Doch statt durch Ruhe oder Abschalten zu reagieren, stürzt man sich weiter in die Probleme hinein. Die Folgen können Depression, Burn-Out oder Sucht sein.“ (12. Roy, suite101.de )

„Die Zahl der Burnouts steigt stetig, Panikattacken nehmen zu, Angst im Verbund mit Depression gehört mittlerweile zur vierthäufigsten Todesursache in westlichen Industriestaaten und wird 2020 nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen zur zweithäufigsten aufsteigen. Mehr als ein Viertel der Europäer leiden an den zwölf häufigsten psychischen Krankheiten; 70 Prozent der Krankschreibungen in Deutschland gehenauf psychische Erkrankungen zurück. Etwa 1,6 Millionen Menschen in Deutschland leiden an chronischer Erschöpfung, dem so genannten Burnout Syndrom.“ (12. Roy, suite101.de )

„Die enge und repressive Gesellschaftsordnung des späten 19. Jahrhunderts brachte nach Ehrenberg die nervösen Zwangserkrankungen hervor. Sie entstehen im Konflikt zwischen innerem Trieb und äußerem Zwang. Die freie Gesellschaft der Nachkriegszeit dagegen erzeugt bei Ihren überforderten Untertanen Depression und Burnout – eine Grundverfassung des Einzelnen, der er den griffigen Titel „das erschöpfte Selbst“ gibt.“ (12. Roy, suite101.de )


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01.08 Die Inspiration / Der erkrankte Mensch

your own mind“ Kurzzeitige Überforderungssituationen entstehen etwa in Form von Reizüberflutung, Technostress, oder auch, wenn die Komplexität einer Situation zu hoch ist, um die Gesamtheit aller relevanten Faktoren zu begreifen und zu einer wohl erwogenen Entscheidung oder zu einer Lösung zu kommen. Überforderung kann zu mangelnder Aufmerksamkeit führen und somit zu Gefährdungen führen, so etwa im Straßenverkehr. Eine psychische Überforderung geht teils mit Versagensangst, einem Gefühl der Hilflosigkeit oder Ohnmacht und im Allgemeinen mit Stress einher, vor allem wenn Druck oder Zwang bestehen, eine Aufgabe zu bewältigen. Erwartungen Anderer und Ansprüche an sich selbst, etwa durch Perfektionismus, wirken auf den Einzelnen ein. Bei Überforderung können Belastbarkeit und Lernfähigkeit absinken, und gegebenenfalls kommt es bei dauerhafter Überforderung zum Burn Out. Bei dauerhaft überfordernder oder akut überhöhter psychischer Belastung oder Überforderung kommt es im äußersten Fall zum psychischen Trauma.“ (12. Roy, suite101.de )

„Eine Überforderungssituation ist eine Situation, in der eine Person objektiv überfordert ist oder ein subjektives Gefühl der Überforderung empfindet. Bei der subjektiven Bewertung von Überforderungssituationen sind Erwartungen, insbesondere Rollenerwartungen, ein wesentlicher Faktor.“ (12. Roy, suite101.de )

„Ursachen für die Zunahme dieser Erkrankung in der Gesellschaft, die sich nicht immer durch organischkörperliche Leiden manifestiert, sind zumeist die hohen individuellen Lebensumstände und Überforderungen den Ansprüchen, Aufgaben und Problemen des Alltags gerecht zu werden. Ein erhöhtes Depressionsrisiko ist über verschiedene soziokulturelle Kontexte hinweg erkennbar. Das Leiden an Depression ist sehr eng mit den Individuen, der Kultur und den impliziten Problemen der individuellen Lebensführung verbunden.“ (12. Roy, suite101.de )


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01.09 Die Inspiration / Der erkrankte Mensch

DER ERKRANKTE MENSCH


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01.09 Die Inspiration / Der erkrankte Mensch

„Sein Beruf war ihm immer wichtig gewesen. Nun fühlt er sich seit Monaten müde und ausgelaugt. Für alles braucht er unglaublich viel Energie. Er war doch immer extrem aktiv und leistungsfähig gewesen. Und nun diese schleichende, lähmende Schwäche, die ihn fertig macht. Alle bewunderten jahrelang seine kreative Art, die vielen Ideen, die er umsetzte. Und nun ist einfach alles zu viel für ihn – schon das Aufstehen am Morgen. (...) Er hasst sich, wenn er so schlaff ist. Früher hatte er vor Ideen gesprüht, voller Freude und Selbstvertrauen angepackt. Und nun? Das Leben sieht er wie durch eine Milchglasscheibe, wie grauer, fader Grießbrei. Es macht alles keinen Sinn. Oft überkommt ihn Ärger, Wut. Am liebsten würde er sich in einer Höhle verkriechen. Aber er muss dran bleiben. Er kann nichts anderes als schulmeistern. Er würde keinen anderen Job finden. Nicht in seinem Alter!“ (24. Zwellweger, rz-laufbahn.ch) Die Erschöpfung scheint zu einer Konstante in der modernen Gesellschaft geworden zu sein, betrachtet man die Zahlen der Menschen, die unter ihr leiden. Sicherlich stellt in diesem Zusammenhang ein grundlegendes Problem dar, dass die moderne Gesellschaft und ihre Anforderungen und die damit verbundenen Probleme, die sie hervorruft, immer komplexer werden. Immerzu haben wir das Gefühl perfekt funktionieren zu müssen, um alle Anforderungen erfüllen zu können. Jedoch scheinen wir allzu oft an diesen Anforderungen und Erwartungen zu zerbrechen. Vielleicht sind sie in vielerlei Fällen mittlerweile so komplex, dass wir sie eigentlich in ihrer Fülle gar nicht mehr bewältigen können.

Das können sich aber leider die wenigsten eingestehen. Wahrscheinlich fragen sie sich, warum ich mich an dieser Stelle hiermit beschäftige? In meinen Augen sind all diese Beobachtungen letztendlich der traurige Beweis dafür, dass der Ausstieg und das sich von der Gesellschaft mit ihren Anforderungen Lösen nicht gelingt und wir uns der Realität nicht entziehen zu vermögen. Sicherlich jeder Erkrankte hat sich mit Fluchtgedanken auseinandergesetzt, in seiner Fantasie, wie auch in dem obigen Beispiel. Dennoch bleibt der innerliche Zwang größer und treibt ihn unablässig weiter in die Spirale seiner Selbst und gesellschaftlicher Erwartungen. Und wahrlich ist das nicht der einzige Beweis dafür, wie die Gesellschaft uns krank macht, weil wir uns ihr und ihren Erwartungen nicht entziehen können. Essstörungen, Zwangsneurosen, Depressionen, Kaufsucht, um nur einige zu nennen. Die Liste der Krankheiten, die in engem Zusammenhang mit der Gesellschaft und ihrer Entwicklung stehen, scheint lang. „Die spätmoderne Wirtschaftsgesamtgemeinschaft ist auch eine Ansammlung von Sozialphobikern und Angstpatienten mit prototypischem Karriereverlauf: Druckzuwachs, Überlastung, Selbstüberschätzung, Stresspegelüberschreitung, Panikattacke, Angst vor Menschen, Angst vor Massen, Angst in Zügen, U-Bahnen, Flugzeugen, Todesangst, soziale Isolation, Angst vor der Angst, Erschöpfung.“ (14. Schüle, spiegel.de )


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01.10 Die Inspiration / Das Sinnbild des Aussteigers

DAS SINNBILD DES AUSSTEIGERS

Der Aussteiger fungiert als Sinnbild meiner Arbeit, da er durch seinen Akt die extremste Form gesellschaftlicher Abwendung darstellt, indem er versucht ein Leben fernab einer bisherigen Gesellschaft zu führen. Ob ihm das gelingen kann, bleibt allerdings offen. Es ist die Unzufriedenheit, die den Aussteiger treibt. Die Sehnsucht nach Veränderung . Der Wunsch, dem Jetzt den Rücken zu kehren, die Gewohnheit hinter sich lassen und in etwas Neues einzutauchen. Das bisherige Leben ablegen zu dürfen, hin zu einem Ort, der unter dem Verdacht auf Selbstfindung und Glück steht. Erst der Akt des tatsächlichen Zurücklassens, des Scheidens und das sich gegenüber Neuem zu öffnen klassifizieren ihn zum Aussteiger. Das Wort Aussteigen also indiziert eine bisherige Zugehörigkeit, eine Anwesenheit, die durch den Ausstieg beendet wird. Mit kaum etwas hat Ausstieg heutzutage mehr zu tun, als mit unserer Gesellschaft selbst. Mit dem Gefühl des sich nicht mehr Identifizierenkönnens, des sich nicht mehr Zugehörigfühlens, gar einem Gefühl der Überforderung und dem Wunsch sich befreien zu können. Christian Schülte spricht von einer „Zivilisationsmüdigkeit“ (Schüle, spiegel.de) unter welcher der Aussteiger leidet. Er gibt auf, was er hat und was er ist, da eben dieses Haben und Sein des Jetztzustandes für ihn scheinbar keine Bereicherung mehr darstellt, sondern sinnbildlich Ballast auf seinen Schultern. Bildung, Karriere, Besitz, Vermögen, Status, Ansehen, all diese Dinge zwängen ihn zu etwas, was er nicht mehr will. Der Aussteiger lehnt es ab, Vorteil materiell zu begründen. Wert hat nicht, was sich zählen, messen und anhäufen lässt. Wert hat, was unter dem

Verdacht auf inneren Frieden steht. Was das ist, entscheidet er allein. Durch seinen Ausstieg entwertet er all das, was ihm einst wichtig erschien, wonach auch er strebte. Nicht länger will er der sein, der er ist. Er will sich von der Gesellschaft, mit der er sich nicht länger identifizieren kann, unterscheiden. Geistig wie räumlich. „Sein Streben nach Distinktion ist der gezielte Versuch, jener Zivilisation zu entkommen, deren Errungenschaften ihn bisher stabilisierten“ (Schüle, spiegel.de) Weil ihn das Hier und Jetzt unglücklich macht, das Stabilisieren zu einem Erdrücken geworden ist, versucht er der Gesellschaft zu entkommen, und unterläuft gezielt „das Gesamtarrangement eines funktional verwalteten Lebens.“ (14. Schüle, spiegel.de) Er begibt sich auf die Suche nach einem anderen Leben. Ein Leben in selbstbestimmter Freiheit, fernab von Zwängen und Konventionen. Zum Zeitpunkt seiner Abreise weiß er natürlich noch nicht, ob dieses Ziel, was er vor Augen hat, insofern er es überhaupt vor Augen hat, tatsächlich seinen Wünschen Folge leisten kann, dennoch tut er es. „Der Aussteiger wartet nicht, bis die bessere Welt zu ihm kommt. Er stellt ihr nach. Er setzt sich der Paradiesvermutung aus, ohne zu wissen, ob sein Ziel das Paradies sein wird.“ (14. Schüle, spiegel.de) Genau diese Tatsache, den Mut, den er beweist, sich aus einem sicheren Umfeld in etwas Ungewisses zu wagen, und das aktive Handeln, das er dafür aufbringt, das der besseren Welt Nachstellen unterscheidet ihn von der Masse der Zurückgelassenen. Bewusst entscheidet er sich gegen das, was bisher zu funktionieren scheinte. Weil genau diese aufoktroyierte Funktionstüchtigkeit ihn belastet.


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01.10 Die Inspiration / Das Sinnbild des Aussteigers

„Der Aussteiger bringt sich das richtige Leben selbst bei. Er ist Produzent, Regisseur, Drehbuchschreiber, Kameramann und Beleuchter seines Seins in einer Person. Wie immer man über ihn urteilen mag: Er hat Haltung und wirft sein Herz in die Waagschale. Er übt Verzicht, weil er scheidet und entscheidet.“ (14. Schüle, spiegel.de) Wir mögen den Aussteiger verurteilen, ihm eine Ich- oder Lebensflucht, eine Zivilisationsverweigerung, Protest, Verweigerung und Kritik nachsagen, insgeheim beneiden wir ihn aber vielleicht, weil er es schafft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Auf ein glückliches Leben. Glück, was er in Selbstbestimmung findet, darin ein unverwaltetes Subjekt zu werden. Ein Glück, welches wir glauben im Besitz und Ansehen zu finden und uns oft dennoch verwehrt bleibt. Was aber, wenn wir versuchen, die Sache einmal mehr mit anderen Augen zu betrachten? Wie eben beschrieben sind all die Eigenschaften, die wir dem Aussteiger zuschreiben meist negativ behaftet. Haben wir je daran gedacht, dass Aussteigen weder Flucht noch Verweigerung sein könnte und auch nicht die Entscheidung gegen etwas. „Was aber, wenn Aussteigen nämlich die höchste Form der Zivilisiertheit ist. Der geistig bewusst vollzogene Bruch des Bürgers mit den bürgerlichen Freiheiten aufgrund dieser Freiheiten? Wenn der Ausstieg also eine Entscheidung für etwas ist?“ (14. Schüle, spiegel.de)

Würde es dann in unseren Augen nicht schon viel reizvoller klingen? Für ein bewussten Umgang mit sich selbst, mit materiellem Besitz und mit der Gesellschaft. Er strebt danach, den Objektstatus als austauschbares Mitglied der allgemein

anerkannten Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung abzulegen. Gespräche mit Aussteigern zeigen, dass die Zwänge und Regelungen einer Gesellschaft oft nicht den Neigungen und Ansichten ihrerselbst entsprechen. Häufig wird von Aussteigern der wachsende Kapitalismus als Auslöser für ihre Gedanken genannt, der durch viele seiner Eigenschaften die soziale Gemeinschaft gegeneinander ausspiele und entfremde. Gründe für einen Ausstieg finden sich aber auch in den verschiedensten Bereichen des zwischenmenschlichen Zusammenlebens oder des Mainstreams. Die Normen und Werte des Aussteigenden entsprechen oft nicht mehr denen der Allgemeinheit oder der zuvor zugehörigen gesellschaftlichen Gruppe. Nur durch den radikalen Wandel seiner Position in der Gesellschaft sieht der Aussteiger eine Möglichkeit, sein persönliches Gleichgewicht beziehungsweise eine innerliche Befriedigung wieder herzustellen. „ Hier, hoffte er, würde er ein glückliches Leben führen können, ein Leben ohne wirtschaftliche Zwänge, in der Reinheit des Ursprungs, der schönen Harmonie der Elemente.“ (14. Schüle, spiegel.de)


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01.11 Die Inspiration / Die Utopie des Aussteigens

Don’t you think it would be wonderful to get rid of everything and everybody and just go some place where you don’t know a soul? Haruki Murakami (25. Murakami, broutine.tumblr.com )


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01.11 Die Inspiration / Die Utopie des Aussteigens

DIE UTOPIE DES AUSSTEIGENS die Inkonsequenz

Kann jemand vor der Welt davon reisen? Uwe Johnson formulierte dazu lakonisch: „Da geht einer in die Fremde ärgerlich auf den Leib, da wird sie Nähe . Ein Reisen, um der Welt zu entkommen, heißt auch immer sich selbst, dem Stückchen persönlicher Fleischwelt entkommen zu wollen.“ (18. Das Ende der Welt oder der Kausalität entkommen, neuestenews.blogferry.com)

Vorweg muss ich klarstellen, dass es sich beim Sinnbild des Aussteigers um einen wesenhaften Aussteiger handelt, der mit jeglicher Konvention und Norm seines bisherigen Lebens bricht und dafür fernab menschengeschaffenen Raums leben muss. Demnach ist der Umzug in ein anderes Land, wie ihn all die kontemporären medial arrangierten Ausstiegsszenarien verbildlichen, kein wesenhafter Ausstieg an sich, da man bei dieser Form so gesehen nur von einem ins nächste System einsteigt. „Dass der Aussteiger durch seinen Ausstieg immer zugleich in ein neues Normen- und Koordinatensystem einsteigt, ist eine dem Aussteigertum innewohnende Inkonsequenz. Dem Systemzwang entkommt nicht einmal der aufgeklärte Freigeist.“ (14. Schüle, spiegel.de)

Mit hoher Wahrscheinlichkeit entkommt aber, hinsichtlich all meiner vorangegangen Beobachtungen, nicht einmal der wesenhafte Aussteiger, derjenige, welcher fernab jeglicher Zivilisation leben würde, dem normierten Denken in Form von verinnerlichten gesellschaftlichen Zwängen. De facto bin ich der Meinung, dass also ein Mensch, der an jedem anderen Ort der Welt geht, im Inneren immer noch der gleiche Mensch bleiben wird. Auch ohne den zusätzlichen Druck und die Belastungen der Gesellschaft haften ihm immer noch die gleichen innerlichen Zwänge, durch welche er geprägt ist, an. Am anderen Ende der Welt wird er sich irgendwann wieder den gleichen Problemen, in Form von Erwartungshaltungen oder innerlichem Druck stellen müssen. „Die Hypotheken im Gedächtnispalast sind nicht zu tilgen, die psychischen Prägungen nicht zu überlisten. Wer die Welt unter Lichtmangel im deutschen Angestelltenbüro negativ anschaut, wird dies auch in der Lichtflut der Südsee tun. Wer zum Kleingarten neigt, wird auch im Paradies Zäune setzen, um sein Eigentum zu schützen. Spießer bleibt Spießer. Niemand leugnet das Recht des Aussteigers auf simple Selbsttäuschung.“ (14. Schüle, spiegel.de)


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02 Die Kollektion

02 / DIE KOLLEKTION


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02.01 Die Kollektion / Aktueller Bezug und eigener Standpunkt

AKTUELLER BEZUG UND EIGENER STANDPUNKT

Bei der Thematik handelt es sich um eine sehr persönliche Beobachtung der momentanen sowie allgemeinen Gesellschaftssituation, weshalb ich meine Auseinandersetzungen an sich als äußerst kontemporär betrachte. Die Kollektion gibt meine Sicht der Dinge auf die heutige Gesellschaft wieder und ist daher von Grund auf mit einer gesellschaftskritischen Aussage behaftet. Wie eine Persiflage an der beschriebenen Situation, an der Gesellschaft und ihrer Individuen. Sie erzählt von meinen Beobachtungen an der Bedeutung von gesellschaftlichen Rastern, gruppendynamischen Ereignissen, wie regelkonformen Verhalten im Allgemeinen und Phänome-

nen, wie Konsumverhalten oder Gruppenzwang im Speziellen. Handelt von meiner Erkenntnis an der Tatsache, dass der Mensch im Grunde eben ein soziales Wesen ist und sich somit der sozialen Tendenz nicht entziehen zu vermag. Er wird sich niemals gänzlich von der Gesellschaft lösen können und muss sich nicht zuletzt deshalb permanent neuen Anforderungen stellen, immer weiter Teil der Gesellschaft bleiben, auch wenn diese sich fortwährend schneller verändern zu scheint, komplexer, immer noch hektischer wird und damit überfordern mag, uns überfordert, wir, die wir uns vielleicht nur nach Ruhe und einem Moment des Innehaltens sehnen.


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02.02 Die Kollektion / Der Titel

DER TITEL NOWHERE

Die Kollektion verkörpert einerseits die wunschhafte Vorstellung dem momentanen Leben entfliehen zu können. NOWHERE steht dabei als ein Ort im Sinne von nirgendwo, hier als Antiort, das Gegenteil zum Hier und Jetzt. Während das Jetzt geprägt ist von Perfektion, Gruppenzwang, Reizüberflutung, einem Zuviel, dem innerlichen Druck, Manipulation, aufoktroyiertem Verhalten steht NOWHERE im Gegenteil dazu für Dinge wie Antiperfektion, sein ganzes Selbst, die Exotik der Einfachheit, Minimalismus, Purismus und befindet sich irgendwo fernab der Norm. Die Bezeichnung impliziert aber auch, dass es diesen Ort eigentlich nicht gibt, weshalb er eben den Namen NOWHERE trägt. In diesem Sinne steht der Titel also auch für die Erkenntnis nicht gehen zu können, im Sinne von nirgendwohin ge-

hen, beim Status quo zu bleiben. Dies verweißt zugleich auf die Unmöglichkeit sich der Norm zu entziehen, weil uns die Normen und Konventionen immer anhaften, weil wir uns nicht von innerlichen Zwängen die durch äußeren Druck entstanden sind, lösen können. Wir als soziales Wesen die anderen brauchen und innerhalb einer Gruppe deshalb immer auf Normen und Regeln, die ein gemeinsames Miteinander erst möglich machen angewiesen sind. Damit drückt NOWHERE den Zwiespalt des modernen Menschen zwischen Konformität und Selbstbestimmung aus. Der Wunsch hier zu sein und da zu sein. Der Zwang jemand zu sein, der man vielleicht nicht ist und der gleichzeitige Wunsch, jemand nicht zu sein, der man ist oder jemand zu sein, der man nicht ist.


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02.02 Die Kollektion / Der Titel

HIER ENGE / SCHÖNHEIT / NORM MOR A L / ÜBERFLUSS ÄSTHETISIERUNG / REGEL ZWANG / HEKTIK / PERFEKTION


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02.02 Die Kollektion / Der Titel

DORT ANTIPERFEKTION / SEIN GANZES / MINIMALISMUS SELBST / EINFACHHEIT / RUHE PLATZ / WABISABI


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02.03 Die Kollektion / Die Moods

DIE MOODS

Die Moodbilder erzeugen zunächst eine eher melancholische Grundstimmung beim Betrachter. Ein Spiegel mit schwarzer Fläche, in welchem man eigentlich gar nichts erkennen kann. Ein Spiegel mit Sprüngen, in dem man sich nur noch verzerrt sehen kann. Beide zeigen nicht mehr das Selbst, sondern ein normiertes oder gestörtes Selbstbild. Sie sind das Sinnbild dafür, dass der Einzelne in der Gesellschaft nie gänzlich er selbst ist, sondern in einem von außen geprägten Bild lebt. Sie stehen dafür, wie die Gesellschaft den Einzelnen beeinflusst oder ihm aufgrund einer Norm keinen Platz für sein eigentliches Selbst mehr lässt und wie wir innerhalb eines gesellschaftlichen Lebens immer von außen beeinflusst scheinen. Bilder, auf denen Menschen sich abwenden, sich verstecken, zeigen die Überforderung an den Anforderungen der Gesellschaft. Anforderungen wie ein Zuviel an allem, der Konsumzwang, dem Wunsch nach Besitz, einem immer mehr und immer besser, immer schöner, nie enden wollend. Hierfür steht ein Bild mit mehreren Schuhpaaren, die aber durch ihre Vielzahl alle

bedeutungslos scheinen. Was heute noch gut genug ist, ist es morgen schon nicht mehr, etwas Neues muss her. Neue Schuhe, neue Identität. Wir müssen immer mithalten können. Ein Chanel- Reklamebild beschreibt dies ganz treffend. Ein brennender Wald, über dem der Slogan des Luxuslabels steht. Auch wenn ich die Bedeutung und die eigentliche Aussage zweckentfremden mag, sehe ich darin eine Verbildlichung der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation. Im Gegensatz dazu ein Bild mit einer Kleiderstange mit nur wenigen weißen Kleidern darauf. Alles weiß. Befreiend beim Betrachten. Dieses Bild verkörpert die wunschhafte Vorstellung einer für uns gar exotischen Einfachheit. Nichts als wertfreie weiße Flächen. Sinnbild für das Entkommen aus dem Zuviel. Menschen, die unter Stoffen verhüllt sind, scheinen unter einem Schleier gefangen, welcher sie nicht entkommen lässt. Sie drücken die Verworrenheit des menschlichen Seins aus und stellen eine Frage: Gibt es ein Entkommen?


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02.04 Die Kollektion / Die Formfindung

DIE FORMFINDUNG

Die zentralen Gestaltungselemente der Kollektion beschäftigen sich mit dem Zwiespalt des Individuums und versuchen ebendiesen in abstrakter Weise wiederzugeben. Dem Gefangensein in gesellschaftlichen Erwartungen, Konventionen, dem mit einhergehenden aufoktroyierten Verhalten und innerlichen Zwängen auf der einen Seite und dem Wunsch nach Freiheit, nach Einfachheit, nach Entkommen, sich Entziehen können auf der anderen Seite. Der Zwiespalt zwischen dem Status quo an einem Überfluss, an einer Überforderung und dem Wunsch des Innehaltens, nach einem befreienden Nichts, nach exotischer Einfachheit. Die Kleidung spielt mit dem Entkommen Wollen, aber nicht können; dem Anhaften und dem Abfallen. Zwischen wunschhafter Vorstellung und Realität. Die Kollektion erzählt von der Gespaltenheit des menschlichen Seins in einem Leben zwischen Fremdbestimmtheit und daraus resultierender Überforderung und Unabhängigkeit. Ein Spiel zwischen dem Hier und dem Da.

Einhergehend mit diesen Gedanken entstand im Prozess der Formfindung die allem zugrunde liegende Idee der Zweigeteiltheit. Eine Teilung, die sich durch die Kollektion zieht, wie ein roter Faden. Sie vollzieht sich sowohl in unterschiedlichen Volumina, Formvariationen, unterschiedlicher Stofflichkeit oder Farblichkeit. Das zeigt sich in Silhouetten, die von Gegensätzlichem leben und zwischen Einfachheit und scheinbar erdrückendem Volumen, Einfältigkeit und Vielschichtigkeit oder konventioneller und veränderter Form variieren, sich dennoch wieder zu einem feinfühligen, stimmigen Ganzen zusammenfügen. Selten geben sie in Ihrer Gesamtheit ein lautes Statement von sich, meist laden sie zu genauem Hinsehen ein, spielen auf subtile Weise mit Überlagerungen oder einer Veränderung im Detail und widmen sich so in abstrakter, übertragener Form der Thematik und führen dem Betrachter so die Problematik vor Augen. Grundsätzlich koexistieren innerhalb eines Outfits gegensätzliche Flächen in


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02.04 Die Kollektion / Die Formfindung

wegfransen

gleichen oder in unterschiedlichen Anteilen. Eine Fläche wirkt als befreiend, als Ruhepol und suggeriert die Einfachheit, nach der man sich sehnen mag, während eine andere Fläche durch Volumina oder durch eine ebenso erdrückend wirkende konventionelle Form die Überforderung des Individuums darstellt. Von Outfit zu Outfit ergeben sich weitere leicht variierende Interpretationsansätze, die sich nicht zuletzt durch die unterschiedliche Anteiligkeit der gegensätzlichen Flächen ergeben. Zum einen stehen sich, wie gerade beschrieben, gegensätzliche Flächen schlicht und einfach in gleichen Anteilen gegenüber und ergeben somit eine Teilung, welche sich von links nach rechts, von vorne nach hinten oder aber von oben nach unten vollzieht. Hieraus entsteht beispielsweise ein zweigeteiltes Kleid . Ein Kleid, dessen linke Seite ruhig und statisch wirkt, während die rechte Seite von einer verwirrenden Vielschichtigkeit, die durch Stoffschichten in verschieden Qualitäten und Längen erzeugt

wird, lebt. Bei einem Rock, dessen eine Seite an einen konventionellen schwarzen Plisseerock erinnert, wirkt es, als ob die andere Seite abgeschnitten wurde, um die darunter liegende ruhige, weiße Fläche zum Vorschein kommen zu lassen. Gleichzeitig sieht es aber auch so aus, als ob die schwarze Seite mit der weißen Seite koexistiert. Weder die eine Fläche, noch die andere, schafft es sich durchzusetzen. Beide sind in gleichen Anteilen vorhanden. Ein anderes Kleid, welches im ersten Moment ganz einfach und flächig wirkt, zeigt in der Rückenansicht eine plissierte Fläche, welche durch die absichtlich konstruierten Falten in Form gepresst wird. Während vorne bereits Einfachheit zu sehen ist, haftet das Aufoktroyierte im übertragenen Sinne hinten noch an. Teilweise macht es auch den Anschein, als ob die eine Seite die andere bedecken zu scheint, schwer über ihr liegt und sie noch verstecken zu versucht und die einfache Form darunter somit nicht ganz zur Geltung kommen kann. Es steht sinnbildlich für den Versuch zu entkom-

men, was aber nicht, oder zumindest niemals komplett gelingt. Eine puristische Form liegt unter einer manchmal vielschichtigen, manchmal voluminösen Fläche, welche Erstere nicht entfalten, nicht entkommen lässt, und nimmt ihr damit die Einfachheit, bedeckt sozusagen ihre wahre Identität unter einem Schleier. Eine Bluse. Eine ruhige helle Fläche vorne, welche auf den ersten Blick an eine konventionelle Bluse erinnern mag, bei genauerem Hinsehen aber durch ihre weite Form, die abfallende Schulterpartie, sowie auch die wegfransenden Schichten am Saum oder die abgeschnittene Brusttasche zu einer freieren Interpretation der Bluse geworden ist, eine Bluse, die nicht mehr wirklich eine solche ist, sondern versucht sich von Konventionen zu lösen. Dennoch wird die Bluse hinten von schwarzem Volumen bedeckt, dass sich wie ein Umhang über sie legt und somit das vordere Geschehen verstecken zu scheint, der Entwicklung die Dynamik nimmt und ihr schwer anhaftet.


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02.04 Die Kollektion / Die Formfindung

offenkantig

Genauso wie ein Mantel auf der einen Seite wie ein Mantel scheint, der durch heruntergerutschte Schulter beziehungsweise Ärmelpartie und durch die Tasche, die nicht mehr gewöhnlich verarbeitet ist, sondern nur noch außen anhaftet, versucht, sich von seiner gewohnten Form zu befreien, während auf der anderen Seite Volumen durch eine weite, darüberliegende Schicht entsteht, welche die eben beschriebene Seite wiederum am Ausbrechen hindern die entstandene Form auf der anderen Seite noch bedecken will. Ein einfaches Oberteil wirkt durch vorne aufgesetzte, wie aufoktroyiert wirkende Schichten und Volumina schwer und verliert die Einfachheit, die es auf der Rückseite besitzt. Es macht den Anschein, als ob die Schichten über der wahren Form liegen. Manchmal scheint die vielschichtige Fläche aber auch abzufallen und somit eine einfache Form zu enthüllen, die scheinbar mehr Bedeutung bekommen zu scheint. Ein Cape besitzt im oberen Bereich einen aufs Auge puristisch wirkenden Schnitt und geht weiter unten in eine vielschichtige Fläche über. Es wirkt, als wolle diese Vielschichtigkeit abfallen, die Einfachheit ist bereits erkennbar, auch wenn sie zum Großteil noch verhüllt ist. In einem anderen Outfit spielt ein Rock

damit, dass die Volumina und die Schichten auf der Hinterseite, innerhalb welcher sich Konventionelles, wie eine plissierte Fläche erkennen lässt, im vorderen seitlichen Teil abfallen und somit dem Betrachter in der Vorderansicht einen ganz schlichten Rock enthüllen. An einer cremefarbigen Hose erinnert nur noch eine schwarzer Bund mit all seinen Absteppungen und Details an eine gewöhnliche Hose. Der Bund franst aber bei genauerer Betrachtung ab. Die Hose, die bleibt ist keine Hose im bekannten Sinn mehr, sie hat weder Taschen oder Steppnähte, noch sonstige Attribute. Eine Jacke, welche sich auf der einen Seite noch komplett konventionell gibt, löst sich auf der anderen Seite auf, dadurch, dass der Ärmel nicht mehr wie noch auf der einen Seite wie gewohnt sitzt, sondern weit nach unten gerutscht ist, ebenso wie die Brusttasche, welche nicht mehr an gewohnter Stelle, sondern weit darunter liegt. Die farbliche Teilung in Schwarz und Weiß unterstützt hier genau die Aussage der Form. Die Jacke, wie auch die vorher beschriebene Hose leben nicht wie andere Teile von dem Gegensatz zwischen Vielschichtigkeit und Einfachheit, dennoch zeigen sie den Zwiespalt auf andere Art

und Weise ganz deutlich. Dennoch fügen sie sich dadurch, dass sie sich ebenfalls zwischen zwei Extremen bewegen und weder das Eine noch das Andere sind, in die Kollektion ein. Auch eine weitere Jacke gibt den Zwiespalt noch subtiler wieder. Der grundsätzlichen Form nach ist sie noch, wie man sie kennen mag, dann aber scheint sie am unteren Saum durch verschiedene Längen wie abgeschnitten, enthüllt dadurch außerdem den Taschenbeutel, der im Normalfall unsichtbar bleibt und versucht somit aus der konventionellen Fassade auszubrechen. Details der Kollektion beschäftigen sich ebenfalls damit, man mag sie noch erkennen, komplett oder funktionierend sind sie dennoch nicht mehr. Taschen, die nicht herkömmlich verarbeitet sind, sondern nach außen kommen oder gar weggeschnitten wurden, sodass nur noch die frühere Absteppung erkennbar bleibt. Sie sind nicht weg, aber auch nicht mehr da. Somit vereinen sich am Ende beide Gegenpole innerhalb der Kleidung zu einer Aussage mit der Intention, gefühlsmäßig wiederzugeben, wie der moderne Mensch im Zwiespalt zwischen dem momenthaften Wunsch nach einem unbestimmten Leben und dem Leben in Normen und Konventionen gefangen scheint.


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02.05 Die Kollektion / Die Farben

DIE FARBEN

Ausschlaggebend bei der Farbwahl war es, die Intention der Kollektion bestmöglich auch innerhalb der Farblichkeit wiederzugeben. Die Farbpalette beschränkt sich daher ausschließlich auf Nuancen von schwarzen und weißen Tönen. Helle Flächen stehen dunklen Flächen gegenüber und spielen bewusst mit dem sich hieraus ergebenden Kontrast, wie er stärker nicht sein könnte. Er spiegelt den Zwiespalt wieder, die Zerrissenheit des Individuums zwischen dem Zwang nach Konformität und dem Wunsch nach Selbstbestimmung. Sowohl Schwarz, als auch Weiß gelten physikalisch als unbunte Farben. Farben, die im herkömmlichen Sinne keine Farben sind. Dennoch nehmen wir sie als solche wahr. Nicht wirklich existent, dennoch da.

Weiß entsteht durch die maximale Reflexion der auftretenden Lichtstrahlen, Schwarz entsteht dann, wenn ein Körper sämtliche Lichtstrahlen absorbiert. Schwarz ist damit bereits seiner physikalischen Entstehung nach der absolute Gegenpol zu Weiß. (vgl. 07. Pawlik 1994) Dies zeigt sich auch in den Assoziationen zur Farbe Schwarz. Im Gegensatz zu Weiß, das vorwiegend mit positiven Assoziationen in Zusammenhang steht, provoziert Schwarz einen sehr hohen Anteil an negativen Vorstellungen, an Ängsten und Befürchtungen. Dieses scheint für die Kollektionsaussage äußerst passend. Die Farben stehen in der Kollektion genau für die mit ihnen assoziierten Attribute. Denn Farben beeinflussen in hohem Maß auch unsere Seele und unsere Stimmung – unabhängig davon, ob wir das wollen oder nicht.

SCHWARZ Grundsätzlich entfindet der Mensch Schwarz als das finstere Dunkel, etwas Bedrohliches, vor dem er sich schützen muss. Schwarz ist das Sinnbild absoluter Trostlosigkeit, des Schwermütigen und des Unglücks. Schwarz ist die Farbe des Bedrohenden, Zwanghaften, Gefährlichen. Schwarz steht für die Finsternis, die gleichzeitig Unorientiertheit und das Ausgeschaltetsein der Sinne mit sich bringt, ein Zustand, der naturgemäß in hohem Maße Angst auslösend wirkt. Dunkelheit, Schmutz, Tod, Leere, Bedrängnis, Einsamkeit, Gefühllosigkeit, Konservativ, Modern, Sachlich, Funktional Somit steht Schwarz für den Status quo, das nicht Entkommen können aus gesellschaftlichen Rastern. (vgl. 07. Pawlik 1994)


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02.05 Die Kollektion / Die Farben

WEIß Die Farbe Weiß wirkt durch das Fehlen aller Eigenschaften aber auch substanzlos, leer und langweilig. Weiß kann alleine kaum Spannung aufbauen, es symbolisiert das Nichts. Ein befreiendes Nichts. Weiß hat im Gegenteil zu schwarz keinen negativen Zusammenhang, so ist sie die vollkommenste Farbe. Weiß steht für: Hoffnung, symbolisiert Freiheit, Frieden und Ruhe. Wertfreiheit, Stille, Leere. Licht, Glaube, das Ideale, das Gute, der Anfang, das Neue, Sauberkeit, Unschuld, Bescheidenheit, Wahrheit, die Neutralität, die Klugheit, die Wissenschaft, die Genauigkeit. Somit steht Weiß für die wunschhafte Vorstellung von Freiheit, als Beginn des Guten und Überwindung des Alten. (vgl. 07. Pawlik 1994)

Nichts als zwei Farben. Hier und da. Dennoch finden sich Schwarz und Weiß nicht in ihrer reinen Form wieder, sondern erzeugen durch feine Nuancierungen eine Vielschichtigkeit, die Spannung erzeugt und die Verworrenheit wiedergibt. Vor allem bei den hellen Tönen war mir wichtig, größtenteils nicht mit einem reinen Weiß zu arbeiten, da dieses ähnlich wie Schwarz kühl wirkt, sondern mich auf einen cremigeren Weißton zu konzentrieren, der wärmer und somit angenehmer oder positiver wirkt. Auch lassen sich die Farben nicht eindeutig auf das eine oder andere festlegen. Nicht durchweg erfüllen sie die Erwartungshaltung der Form, indem sie ihr sinnvoll farblich folgen. Nicht immer ist die Zweiteilung eindeutig schwarz oder weiß, nicht immer nimmt die eine Fläche wie erwartet auch die dazugehörige Farbe ein.

Nicht grundsätzlich ist eine Fläche wie erwartet schwarz und das Pendant dazu weiß. Vielmehr wirken die Farben willkürlich gesetzt, vermischen sich bewusst, schaffen es somit Normen und Normdenken zu durchbrechen, aber lassen beim Betrachter somit auch Verwirrung und Verworrenheit als Grundaussage zurück. WEIß IST DER ANFANG UND SCHWARZ DAS ENDE


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02.06 Die Kollektion / Die Stoffe

DIE STOFFE

In ihrer Stofflichkeit bewegt sich die Kollektion zwischen schweren, steifen oder festen Stoffen auf der einen Seite und leichten, transparenten oder weichen Stoffen andererseits. Somit erzeugen die Stoffe an sich bereits einen starken Kontrast in ihrer Haptik und unterstützen die Aussage der Formgebung grundsätzlich. Schwere Stoffe wie Wolle, Leder oder Neopren suggerieren eine Statik, ein Verharren und nicht Entkommen können, verkörpern die Norm. Leichte Stoffe wie Seide, Chiffon oder Tüll bilden einen Gegenpol dazu und suggerieren Einfachheit, Freiheit, Leichtigkeit und somit Spielraum. Keineswegs werden die Stoffe aber der nun entstandenen Erwartungshaltung gerecht. Bewusst sind die Stoffe, wie auch die Farben scheinbar willkürlich eingesetzt. Dem zugrunde liegt die Intention, auch leichte Stoffe teils schwer oder erdrückend wirken zu lassen, um die Grundaussage der Kollektion zu untermalen.

Tüll oder Seide, scheinen durch Überlagerung oder auch durch Formgebung wie Plissieren auf einmal eine Schwere zu bekommen und wirken dann eher erdrückend, wie eine Überforderung, ein Gegenpol zu einer puristischen Fläche. Besonders das Plissee nimmt eine zentrale Rolle ein, dadurch, dass es in meinen Augen als Sinnbild der Konvention steht. Es wirkt bereits auf den ersten Blick konventionell, gar spießig, kann durch seine akkurate Gestalt gar nicht anders. Es steht sinnbildlich für den Akt, etwas in eine bestimmte Form zu drängen. Immer wieder taucht es in verschiedener Gewichtung auf, entweder in Form von cremefarbenem Tüll oder in Form von schwarzem Chiffon und bildet dann durch seine Gestalt meist einen starken Kontrast zu den es umgebenden weichen Stoffen.


02.07 Die Kollektion / Die Positionierung

DIE POSITIONIERUNG

Die Kollektion steht für eine intuitive Darstellung einer Momentaufnahme. Sie ist nicht im Fokus auf eine bestimmte Zielgruppe entstanden. Primär setzt sie sich zum Ziel wach zu rütteln. Dennoch zeigt sich die Kollektion zum Teil als sehr tragbar und behält sich weiterhin vor, mit kommerziellen Absichten noch weiter herunterdekliniert zu werden. Ihrer Form und Idee nach richtet sie sich an Personen, die nach unkonventionelleren Formen von Bekleidung suchen, sich nach Veränderung sehnen. Nach Andersartigkeit, fernab von geschönten Idealen. An Menschen, die über sich selbst und die Gesellschaft nachdenken.

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03 Fazit

03 / FAZIT


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„Weder die Flucht in den R ausch des Kollektiven noch die Glorifizierung der Einsamkeit vermag tragfähige Selbst- und Welterfahrung zu vermitteln: Wer bei der Suche nach sozialer Geborgenheit das Ich gering schätzt und missachtet, wird keine konstruktiven Gemeinschaftserfahrungen machen. Eine lebendige Gruppe ist auf das E igene , das Unverwechselbare ihrer M itglieder angewiesen, das immer wieder zur Überschreitung drängt, immer R eibung erzeugt im Gefüge sozialer Normen. Doch wer sein Eigenes zur Geltung bringen will , braucht die Kommunikation mit dem Du, den Austausch mit der Gemeinschaft, die Auseinandersetzung mit Rollenerwartungen. Dieses Wechselspiel kommt nie zur Ruhe und kennt keine endgültige Lösung; es ist ein Grundmerkmal des Lebendigen und des Sozialen.“ (25. Kohn, br-online.de )


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03 Fazit

NICHT MIT UND NICHT OHNE SIE Wir müssen anerkennen, dass wir Teil der Gesellschaft sind und sie somit ein Teil von uns. Dass wir, das soziale Wesen uns dem nie gänzlich entziehen werden können. Die Flucht vor der Gesellschaft im Allgemeinen wäre daher nicht die Lösung des Problems. Schließlich nicht nur, weil uns das Selbst auch im Nichts anhaftet, sondern auch, weil wir die Gesellschaft eben doch brauchen. Da wir ein soziales Wesen sind. Da die Gesellschaft, die uns einerseits quält, aber andererseits auch stabilisiert, wir von und mit ihr leben. „Wo die Gesellschaft nicht mehr die Willen anzieht, so wie sie es normalerweise tut, dort, wo sich das Individuum von den Kollektivzwängen abwendet, um nur mehr seine eigenen Interessen zu verfolgen, dort sehen wir die gleichen Phänomene und die gleichen Selbstmorde. Der Mensch ist dem Selbstmord umso mehr ausgesetzt, je mehr er von der Kollektivität ausgeschlossen ist, das heißt, je egoistischer er lebt“ (02. Schwarte 2002, S. 339) Die Selbstbestimmung erfährt ihre Grenzen. Wir müssen anerkennen, dass wir ganz ohne die Gesellschaft nicht sein können. Somit steht die Kollektion am Ende auch für die traurige Erkenntnis, dass das gänzlich un- oder eigenbestimmte Leben meiner Meinung nach eine Utopie ist und immer bleiben wird. Wir leben in der Gesellschaft und sie in uns. Vielleicht aber hilft es dennoch, den Zwiespalt zu erkennen, ihn anzunehmen und bewusst mit ihm zu leben. Vielleicht müssen wir nur lernen, beides in uns zu vereinen, das Hier und das Da. Mal hier mal da. Nur wenn wir es schaffen, ein Gleichgewicht in uns selbst zu finden, nur dann kann der Zwiespalt in uns vielleicht eines Tages wieder vereinbar werden.


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Quellen

Quellen Buchliteratur


Quellen

Internetliteratur

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Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Bachelor Grades (BA) im Studiengang Mode an der FH Pforzheim, Fakult채t f체r Gestaltung Betreuer: Prof. Johann Stockhammer und Prof. Erich Reiling Erarbeitet von: Eva Sichelstiel Matrikelnr.: 298025 Beginn: Oktober 2011 Abgabe: Januar 2012


Danksagung

Danksagung

Für die anregende Unterstützung während der Bachelorthesis möchte ich meinen Betreuern Prof. Johann Stockhammer und Prof. Erich Reiling danken. Die Gespräche verschafften mir Klarheit, oftmals ein Umdenken und Mut. Ich danke auch den Assistenten und wissenschaftlichen Mitarbeitern der Hochschule Pforzheim, Fakultät für Gestaltung, für ihre Zeit und Mühe. Danke Stefan, Sebastian, Ayleen, Elena, Diana und Nele, für die Veränderung von Sichtweisen, Hilfe und Aufmunterung. Danke Patrick Danke Paul, Katharina und Tana Ein besonderer Dank an meine Eltern für Unterstützung und Gelassenheit.

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