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Erfahrungen eines Lastenradnomaden

Nach gut 13.000 Kilometern und 353 Tagen Unterwegssein ist Gunnar Fehlau wieder sesshaft geworden und hat seine Workpacking-Tour beendet.

Für den radgeber ist das der Anlass, dem 2023er-Bericht zum Tourbeginn einen Rückblick folgen zu lassen.

Deine Workpacking-Tour war ein Novum. Erfahrungen anderer fehlen. Wie hast du dich vorbereitet?

Die Frage nach der Vorbereitung und deren Güte habe ich schon am dritten Tag als unnötiges Kopfzerbrechen ad acta gelegt. Ich war unterwegs, da war es egal, ob ich gut oder schlecht vorbereitet war. Ich musste da durch und mich situativ den Herausforderungen stellen. Die Workpacking-Tour forderte stetig schnelles Reagieren und Anpassen. Das ist einer der großen Lerneffekte der Fahrt.

Wie waren deine Erwartungen? Haben sie sich erfüllt?

353 Tage Reise, Alltag, Arbeiten und Abenteuer lassen sich im Vorfeld nicht wirklich planen. Es ergaben sich viele Momente und Situationen, zu denen ich mir keine Gedanken gemacht habe oder überhaupt machen konnte. Ich kann aber sagen, dass die Workpacking-Tour ein überaus positives Erlebnis war, eine riesengroße Reise durch Deutschland, zu Freunden und Bekannten und – zu mir selbst.

Was lief komplett anders als geplant?

Die romantische Vorstellung, in winterlicher Landschaft im Tipi am wohlig-warmen Zelt-Ofen zu sitzen, einen heißen Tee zu schlürfen und am Rechner die Arbeit zu erledigen, bevor es in warmer Mittagssonne zum nächsten Spot geht, war komplett realitätsfern. Schnell habe ich mir ein freistehendes Kuppelzelt zugelegt und den Ofen rausgeworfen. Ich musste realisieren, dass eine Workpacking-Tour ganz anders ist als ein Bikepacking-Urlaub. Sie war oft stressig und durchgeplant.

Welche positiven Erfahrungen konntest du machen?

Viele! Auf die Kürze diese: Das Beste sind die Menschen, die freundlicher sind, als es die täglichen Nachrichten vermitteln. Ich habe so viel Hilfsbereitschaft und Wohlwollen erfahren, dass ich noch immer geflasht bin!

Tipi und Titan-Ofen tauschte Gunnar schnell gegen ein praktischeres Kuppelzelt

Was waren deine besten Erlebnisse?

Vier- oder fünfmal konnte ich sagen: „Das ist der perfekte Workpacking-Tag!“ … irgendwo in der Natur morgens aufwachen, im Schlafsack sitzen und in die Natur schauend einen

Ein solches Workpacking-Idyll gab es nicht täglich ersten Kaffee trinken, dann Richtung gute Netzabdeckung radeln, den Rechner aufklappen, arbeiten und dann über schöne Strecken weiter. Unterwegs einkehren, einen Freund treffen und am Abend wieder in der Natur irgendwo den Schlafsack ausrollen – mehr geht nicht!

Gab es Probleme bzw. besondere Herausforderungen?

Wie schon gesagt, die ganze Tour war in gewisser Weise eine Herausforderung. Ich kann aber zusammenfassend sagen: Ich habe nur einmal die Apotheke benötigt, nach dem einzigen Sturz der Tour auf Glatteis Anfang April im Hochsauerland.

Was würdest du heute anders machen?

Im Kleinen alles, im Großen nichts! Okay, nicht viel. Wenn ich erneut auf eine derartige Tour gehen würde, dann im Oktober. So hat man nur einen Winter und kann im Frühjahr auf entspannten Sommermodus umschalten. Die Sorgen, dass ich nochmals in den Dezember mit richtig miesem Wetter radele, haben mir die Sommerfreuden etwas verhagelt.

Auf welche Dinge würdest du verzichten?

Womit musstest du deine Ausrüstung ergänzen?

Tipi und Ofen sind schlichtweg unpraktisch. Eine Badehose kann man dagegen immer gebrauchen. Angesichts der Fotoqualität moderner Smartphones würde ich bei meinen Ansprüchen auch auf die Kamera verzichten. Für den Winter würde ich noch mehr Material gegen Kälte und Nässe mitnehmen. Da kann ich nicht genug haben …

Wie lautet dein Resümee?

Das war eines der größten Abenteuer meines Lebens. Auch in unerwarteten Belangen. Es hat mich verändert! Ich werde sicher noch einige Zeit brauchen, um alles zu verarbeiten. Mein Tipp: Lebt eure Träume! Schiebt diese nicht auf. Es kann schnell zu spät sein und ein „Hätte ich doch“ sagt sich am Ende wohl selten ohne Bedauern …

Hast du Tipps für Nachahmer?

Mache eine Probefahrt, checke Ausrüstung und deinen Fahr-, Arbeits- und Schlafstil vor der Tour, das spart viel Nerven. Zudem: Workpacking geht auch für eine Woche, es muss ja nicht gleich ein ganzes Jahr sein!

Was sind deine nächsten Projekte?

Wird es eine Workpacking-Tour 2.0 geben?

Für 2024 stehen ankommen, leben und Hausrat ausmisten und den Workpacking-Lebensstil auch im normalen Alltag nutzen auf dem Plan. Ich werde sicher einige Diensttermine „anradeln“ und vielleicht auch einmal zwei oder drei Wochen Workpacken gehen.

Kannst du etwas zu deinem Buch zur Tour sagen?

Das Buch „Workpacking – Mein Jahr als digitaler Lastenradnomade“ wird einerseits eine Art chronologisches Tagebuch zu jedem der 353 Tage sein. Andererseits werden der Alltag, die Arbeit, die Abenteuer im Detail beleuchtet. Das Ganze ist garniert mit Fails und Anekdoten vom Leben unterwegs und den vielen tollen Menschen, die ich getroffen habe. Auf 256 Seiten gibt es reichlich Tipps zum Bike packen, Workpacken, digitalen Arbeiten, Firmenführen vom Fahrrad aus usw. Es kommt Ende April in den Buchhandel. Wer unter www.velocollect.de bestellt, kann es sogar handsigniert von mir per Post nach Hause bekommen oder als Geschenk verschicken lassen.

Tour Facts

12.506 km auf eigenem Rad

Ca. 1.000 km auf Fremdrädern

8 Länder

353 Tage

Längste Etappe 178 km

220 Nächte draußen

2 Nächte mit Angst

1 Sturz, 1 x Corona, 1 x Grippe

Max. 25 Liter Bierzuladung

Ca. 180 Akku-Ladungen

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