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LANDING ON MARS

LANDING ON MARS

Sie hängen in der Armbeuge oder umschlingen das Handgelenk, dabei gehören Krokodile, Schlangen und Co. in die freie Natur anstatt auf den Laufsteg. Und der Modefan? Der legt für derlei Accessoires auch noch mächtig Zaster auf den Tresen. Wie wenig die grausamen Machenschaften der Exotenleder-Industrie mit einem süßen Modemärchen zu tun haben und weshalb ein striktes Handelsverbot die Antwort sein muss –PETA klärt auf.

In der Exotenleder-Industrie leiden Echsen, Schlangen und Krokodile schlimmste Qualen. Mehrere Recherchen der Tierrechtsorganisation PETA und ihrer internationalen Partnerorganisationen haben das

Elend in den vergangenen Jahren ans Licht gebracht. Die Spur dieses Tierleids führt auch in die Schweiz, ist diese doch weltweit einer der größten Umschlagplätze für Reptilienleder. Das bedeutet aber auch: Die Eidgenossenschaft kann politisch Einfluss auf die Branche nehmen. Immerhin hat der Nationalrat reagiert und im März 2021 eine Motion zur Deklarationspflicht für Leder aus Reptilienhaut angenommen. PETA liefert Argumente, weshalb politische Maßnahmen damit auf keinen Fall enden dürfen und ein Importverbot zwingend notwendig ist, um den grausamen Handel mit Reptilienhäuten zu beenden.

Mode und Accessoires aus sogenanntem Exotenleder kosten jeden Tag unzählige Tiere, insbesondere Reptilien, das Leben. Allein in der Schweiz werden jedes Jahr über eine Million Lederhäute von Alligatoren zu Uhrenarmbändern verarbeitet und rund 150'000 Häute von anderen „exotischen“ Tieren als Leder importiert. Hauptabnehmer der Produkte sind allen voran die USA, China und Hongkong. Unter den europäischen Ländern führt auf Platz sieben Deutschland die Rangliste solcher Importe an. Für ihre Häute werden die Tiere auf grausamste Weise getötet. So werden beispielsweise die Körper von

Schlangen mit Luft oder Wasser vollgepumpt, um ihnen – häufig bei lebendigem Leib – die Haut einfacher abziehen zu können und sie auszuweiden, wie Recherchen von PETA Asien erst kürzlich erneut bewiesen haben. Die Bilder zeigen, dass ArbeiterInnen Mund und Anus der Pythons mit engen Bändern verschließen. Dann schneiden sie ein Loch in Kopf oder Schwanz, führen einen Schlauch ein und füllen die Körper der Tiere gewaltsam mit komprimierter Luft auf. Ein Mann wurde dabei gefilmt, wie er sich absichtlich auf eine Schlange stellt –offenbar, um den Druck weiter zu erhöhen. Diese unvorstellbare Gewalt gegen Tiere ereignete sich in einem Betrieb in Vietnam. Weit weg von der Schweiz; dennoch kann jeder aktiv gegen diese Form der Ausbeutung vorgehen – Widerstand ist sowohl auf persönlicher als auch politischer Ebene möglich. Denn neben der Entscheidung von Privatpersonen, keine Produkte aus der Haut oder anderen Bestandteilen von Tieren zu kaufen, hat auch die Schweizer Politik die Möglichkeit, regulierend einzugreifen, um einer Industrie den Riegel vorzuschieben, die Luxus vorgaukelt, aber Gewalt verkauft.

Importverbot Zwingend Notwendig

„Dabei hat die Schweiz im Sinne ihrer Tradition bei der Verbindung von Freiheit und Solidarität geradezu eine moralische Verpflichtung, für diejenigen einzutreten, die sich nicht selbst helfen können“, sagt Johanna Fuoß, Fachreferentin für Tiere in der Bekleidungsindustrie bei PETA. Stellt sich die Eidgenossenschaft tatsächlich der grausamen Exotenleder-Industrie in den Weg, wird das spürbare Verbesserungen für viele Tiere haben. Immerhin ist das Land einer der weltweit größten Handelsplätze für Exotenleder. Hunderttausende Häute von Alligatoren und Zehntausende von Pythons werden jährlich importiert, in der Schweiz verarbeitet und anschließend teils wieder exportiert. Einen Großteil der Tierhaut verwendet die Uhrenindustrie für Armbänder, doch auch Schuhe, Taschen oder Geldbeutel aus Leder können aus der Haut von Kaimanen oder anderen Reptilien bestehen. „Eine Deklarationspflicht für Reptilienleder, wie es eine aktuelle Motion analog zur Schweizer Pelzdeklarationsverordnung fordert und die der Nationalrat angenommen hat, ist aus Tierrechtssicht positiv zu werten, greift aber zu kurz und birgt die Gefahr – ähnlich wie bei Pelzprodukten – einen echten Wandel in Form von Handelsverboten zu verschleppen“, betont Johanna Fuoß. „In der Schweiz verstößt die Art und Weise, wie mit Tieren in der Exotenleder-Industrie umgegangen wird, gegen das Tierschutzgesetz und würde zu einem gesellschaftlichen Aufschrei führen. Solange die Einfuhr tierquälerischer Produkte wie Reptilienleder noch erlaubt ist, verschieben wir die Misshandlung dieser Tiere lediglich ins Ausland, wo niemand ihr Leid sieht. Für die Tiere geht das Grauen jedoch unverändert weiter.“

Reptilienhandel Bedroht Die Artenvielfalt

Der Handel mit exotischen Tieren birgt viele Probleme. Die tatsächliche Populationsgröße ist bei den meisten Arten gänzlich unbekannt. Selbst unter Fachleuten kann niemand eine zuverlässige Aussage darüber treffen, wie gefährdet sie wirklich sind. Zudem boomt der illegale Handel mit bedrohten oder geschützten Arten. „Die Exotenleder-Industrie steckt voller Korruption, und viele Häute werden ‚gewaschen‘; selbst als „Farmzucht“ deklarierte Tiere werden teilweise illegal aus der Wildnis entnommen. Zertifizierungen werden so häufig gefälscht, dass im Grunde niemand mit Sicherheit sagen kann, woher die Häute wirklich stammen“, erklärt Johanna Fuoß. Schätzungen zufolge werden nur etwa zehn Prozent aller illegalen Transaktionen mit exotischen Tieren aufgedeckt. Ob Wildfang oder eigens zum Töten gezüchtet: Es geht der tierausbeutenden Branche nur um den maximalen Profit. Allein der Handel mit den Häuten von Pythons wird vom International Trade Center auf etwa eine Milliarde Dollar geschätzt. Für die Exotenleder-Industrie sind Tiere wie Schlangen, Krokodile, Alligatoren und Echsen nichts als Ware und ein Produktionsgut. In kaum einem Land der Erde bestehen Gesetze, welche Reptilien in Zuchtbetrieben und Schlachthäusern schützen und ihre Tötungen regulieren. Das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES, auf welches die sogenannte Luxusbranche gerne als Teil ihrer vermeintlichen Nachhaltigkeitsmaßnahmen verweist, um ihren Produkten einen humaneren Anstrich zu verpassen, versucht lediglich zu kontrollieren, wie viele Tiere gehandelt werden. „Wie dabei mit ihnen umgegangen wird, spielt keine Rolle. Das öffnet Tierquälerei Tür und Tor“, so Johanna Fuoß. Augenzeugen von PETA Asien bestätigen diesen Verdacht. Sie konnten beobachten, dass Schlachthofmitarbeitende in Indonesien auf völlig unzulängliche Weise versuchten, Schlangen zu betäuben oder zu töten. Hierzu schlugen sie bis zu fünf Mal mit Hämmern auf die Köpfe der Tiere ein. Im Rahmen der Recherche wurden zwei indonesische Schlachthäuser überprüft. Die Aufnahmen zeigen auch einen Mann, der die Haut von Schlangen mit einer Rasierklinge aufschnitt. Mindestens eines der Tiere bewegte seinen Schwanz danach noch. Die ArbeiterInnen prüften vor der Häutung nicht, ob die Tiere wirklich tot sind.

DAS PERFIDE SYSTEM DER EXOTENLEDER-INDUSTRIE

Um an die Haut der Tiere zu gelangen, hat die Exotenleder-Industrie ein perfides System aufgebaut. So stammen etwa die Häute von Krokodilen und Alligatoren, die für die „Exotenleder-Produktion“ misshandelt werden, in der Regel von Tieren, die in Afrika, Amerika oder Südostasien entweder in der Natur gefangen oder auf „Farmen“ und Ranching-Systemen gezüchtet wurden. Beim Ranching-System werden Eier von wildlebenden Krokodilen oder Alligatoren gesammelt und industriell ausgebrütet. Anschließend werden die Jungtiere teilweise wieder ausgesetzt, während der andere Teil unter schlimmsten Bedingungen in den Aufzuchtanlagen dahinvegetieren muss, um im Alter von ein bis drei Jahren für seine Häute gnadenlos getötet zu werden. Auch Schlangen werden von der Industrie für ihre Häute ausgebeutet. Die Tiere leben normalerweise in üppigen Urwäldern oder

Sümpfen, umgeben von den vielfältigen Reizen, auf die ihre Natur ausgelegt ist. In Gefangenschaft hingegen werden die Reptilien in dreckige Drahtkäfige gesperrt, in denen sie sich nicht einmal vollständig ausstrecken können – freie Bewegungen oder Klettern sind unmöglich. Die eingesperrten Tiere haben in den Käfigen nichts, mit dem sie sich beschäftigen oder worin sie sich verstecken könnten –auch kein Wasser zum Baden. In kommerziellen Schlachtbetrieben ist eine solche Unterbringung gang und gäbe.

Ebenso werden Alligatoren und Krokodile meist in dreckige Becken und überfüllte kahle Betongruben gesperrt, um für die Lederindustrie gezüchtet und in einem Alter von 18 Monaten bis drei Jahren getötet zu werden. Oftmals sind Tausende Krokodile von ihrer Geburt bis zu ihrem Tod in solchen kargen Gruben gefangen – sie haben niemals die Möglichkeit, ihren natürlichen Verhaltensweisen nachzugehen, etwa Tunnel zu graben, ihre Kinder zu beschützen oder gar Werkzeuge zur Jagd zu benutzen, wie es die Tiere in freier Natur tun. Diese unnatürlichen Haltungsbedingungen haben zur Folge, dass viele Tiere krank und aggressiv werden, was untereinander wiederum zu Verletzungen führt. Um Aggressionen unter den Tieren zu vermeiden, werden Alligatoren für die Lederproduktion in den USA meist in absoluter Dunkelheit in Gebäuden gehalten und sehen niemals das Sonnenlicht. Doch nicht nur das Recht der Tiere auf Unversehrtheit verletzt die grausame Exotenleder-Industrie, sie bedroht auch die Gesundheit der Menschen.

LEDERPRODUKTION SCHÄDIGT NATUR, UMWELT UND MENSCHEN

Die Corona-Pandemie dürfte auch den letzten Zweifelnden gezeigt haben, dass die Haltung von kranken, gestressten Tieren auf engstem Raum und unter unhygienischen Verhältnissen eine perfekte Brutstätte für tödliche Viren bildet. Ein Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen und des Internationalen Livestock Research Institute thematisiert die Ursachen des Coronavirus und anderer Zoonosen. Demnach haben ungefähr 60 Prozent der menschlichen Krankheiten ihren Ursprung in Tieren. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass unter anderem die massenhafte Haltung in Zuchtanlagen einer der Faktoren ist, der für das Aufkommen von Zoonosen verantwortlich ist. Als Zoonosen werden Krankheiten bezeichnet, die von anderen Tieren auf den Menschen übertragen werden können. Bei vielen Zoonosen wie E. coli oder Salmonellen wurde bereits festgestellt, dass Krokodile diese Erreger in sich tragen und ihn an Menschen weitergeben können. Die Exotenleder-Industrie bietet den Viren optimale Bedingungen, um sich zu übertragen. PETA und ihre internationalen Partnerorganisationen konnten dokumentieren, wie

ArbeiterInnen ohne Schutzausrüstung von Alligatoren verletzt wurden, als sie diese töten wollten – und wie sie beim Häuten und Ausweiden von Schlangen in direkten Kontakt mit Blut und Innereien kamen. Menschen haben sich erstmals auf Lebendtiermärkten mit tödlichen Krankheiten wie SARS und COVID-19 infiziert. Dort besteht ebenfalls enger Kontakt zu Tieren, und es herrschen ähnlich unhygienische Bedingungen wie auf Schlangenfarmen. Zudem ist „Exotenleder“ extrem schädlich für die Umwelt. Damit Schuhe, Taschen oder Gürtel aus Schlangenhäuten nicht in den Kleiderschränken verwesen, müssen sie haltbar gemacht werden. Dies geschieht, indem die Häute mit vielen umweltschädlichen Schwermetallen wie Chrom behandelt werden. „Die Zukunft der Mode liegt in innovativen, nachhaltigen, veganen Fasern auf Basis von mikrobiologisch hergestelltem Kollagen, Pilzgeflechten oder Pflanzenabfällen wie Kaktusleder, für die kein Tier eingesperrt und getötet wurde“, konkretisiert Johanna Fuoß.

Tierschutzorganisationen Gegen Die Tierqu Lerei In Der Lederindustrie

Die People for the ethical Treatment of Animals stehen an der Seite aller Tiere und gehen aktiv gegen die Tierquälerei in der ExotenlederIndustrie vor. Durch Undercover-Recherchen wie auf den Farmen in Asien gelingt es der Tierrechtsorganisation immer mehr, das Bewusstsein der VerbraucherInnen für tierfreundlichen Konsum zu sensibili- sieren. „Ein bewährtes Mittel sind auch unsere Straßenaktionen“, ergänzt die PETA-Referentin: „In Schlangenkostümen waren unsere Aktive in den größten Städten Deutschlands unterwegs und haben für PassantInnen das Tierleid der Exotenleder-Industrie nachgestellt. Auch für die Schweiz sind Demos vorgesehen.“ Die Organisation macht sich auch auf politischer Ebene stark für die Tiere und konfrontiert Unternehmen mit den schockierenden Videoaufnahmen. Und das mit Erfolg: In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Marken wie Chanel, Jil Sander, Victoria Beckham, Paul Smith und Mulberry dazu entschieden, zunehmend auf vegane Materialien zu setzen und Exotenleder aus dem Sortiment zu streichen. „Nun liegt es an den großen Playern in der Luxusindustrie nachzuziehen und ihrer Verantwortung gegenüber Tieren und der Natur endlich gerecht zu werden, indem auch sie den Verkauf exotischer Tierhäute beenden“, erklärt Johanna Fuoß.

Gemeinsam F R Eine Bessere Welt

Die „Herstellung“ von Exotenleder ist derart lebensverachtend und schädlich für die Umwelt sowie alle BewohnerInnen der Erde, dass nur ein Handelsverbot dieses Leders eine langfristige Lösung für das Problem bietet. Die Schweiz als eine der größten Drehscheiben für Exotenleder sollte die Chance nutzen und mit einem Importverbot für Tierhäute von exotischen Tieren als Pionierin auftreten. Die Schweizer und Schweizerinnen sind aber nicht dazu verdammt, zu warten, bis die oftmals langwierigen politischen Prozesse in die Gänge kommen. Sie können schon heute etwas gegen Tierleid und potenzielle zukünftige Pandemien unternehmen, indem sie sich gegen Produkte aus Exotenleder entscheiden und Produkte im Schlangen- oder Krokodil-Look kaufen, die ohne Tierhäute produziert werden und für die niemand getötet wurde.

Peta

PETA kämpft weltweit für den Schutz und die Rechte aller Tiere auf unserem Planeten. Die Organisation, die sich seit 2018 als PETA Schweiz auch hier engagiert, klärt die Öffentlichkeit über das Tierleid auf und übt Druck auf die Verantwortlichen in Wissenschaft und Politik aus. Das Ziel: Misshandlungen an Tieren zu unterbinden. Als gemeinnützige Organisation wird PETA Schweiz ausschließlich durch Spenden finanziert.

Johanna Fuoß ist Fachreferentin bei PETA für den Bereich Tiere in der Bekleidungsindustrie.

Ihre Expertise erstreckt sich über alles, was mit tierischen Bestandteilen in Kleidung und anderen Textilien zu tun hat. Auch mit tierleidfreien veganen Alternativen ist die Veganerin bestens vertraut. Für diesen Artikel stand sie Britta Nolte Rede und Antwort. Die Texterin arbeitet in der Pressestelle der Tierrechtsorganisation, auch sie ernährt und kleidet sich vegan. peta-schweiz.ch

Vom iPhone 5 zur professionellen Kamera und vom

Hobby-Knipser zum gefeierten Fotografen:

Mittlerweile prangen Stephen Tayos Fotografien in der New York Times, der Vogue oder Dazed.

Kleider sind seine Bauklötze, Lagos ist sein Spielplatz – und FACES einer seiner Fans.

Rechts: Auch unfertig ein Kunstwerk.

Rechts: Geiler Einteiler! Zu haben bei Ebute Metta.

Rechts:

Netze im Meer und Plastik im Ozean: Probleme, die einen Schnappschuss lang zu Kunst werden.

Links: Hut gefällig?

HUMAN STORIES: THE SATIRISTS

Lagos ist Geburtsstätte und Inspirationsquelle von Stephen Tayos Schaffen. So besteht sein Portfolio aus den Menschen, die Lagos ein Gesicht geben und deren Probleme das Leben in Nigerias größter Stadt zum Spießrutenlauf werden lassen. So ist die Ausstellung „Human Stories: The Satirists“ mehr Gesellschaftskritik denn Stadtportrait, wenn Tayo mittels Plastikinstallationen auf eine der größten Sauereien unserer Zeit aufmerksam macht.

Human Stories: The Satirists, NOW Gallery, Greenwich Peninsula, London, Großbritannien

Rechts: Twinning is winning.

Ammenhaie sind zahm wie Kätzchen – und wir mutig wie eine Horde Löwen.

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