Leitfaden Kritikgespräch Bevor Sie kritisieren, fragen Sie sich bitte: Muss ich überhaupt kritisieren? In aller Regel ist 90% aller Kritik überflüssig. Kritik ist fast immer ein Angriff auf das Selbstwertgefühl des Kritisierten. Auch derjenige, der um Kritik bittet, möchte zuerst Anerkennung finden. Sehr häufig dient Kritik dazu, das eigene Selbstwertgefühl zu heben: "Da habe ich eben doch mal wieder recht behalten." Eine Gruppensitzung sieht dann so aus: 1.
Ein Lösungsvorschlag wird geäußert.
2.
Die Teammitglieder hören sich den Vorschlag abwehrend an.
3.
Man sucht gemeinsam nach unbrauchbaren Inhalten des Vorschlags. Die wertvollen Aspekte werden ignoriert.
Dieses Verhalten kann hierarchiebedingt sein: Höhere Kompetenz und Qualifikation werden per Fehlersuche demonstriert. Was empfindet wohl der Kritisierte? "In den USA hatten Wissenschaftler eine Versuchsperson an einen Psycho-Galvanometer angeschlossen. Die Versuchsperson erhielt zwei Ohrfeigen, anschließend wurden die Erregungsdaten abgelesen: Puls, Herzschlag und Hautfeuchtigkeit. Mit diesen Daten versehen, begaben sich die Experimentatoren in eine Konferenz nach traditionellem Muster ("Frustrations-Team") und ließen die Manager diskutieren. Das ausgesuchte Opfer wurde nun von seinen innerbetrieblichen Rivalen und dem anwesenden Vorgesetzten scharf kritisiert. Schlag auf Schlag. Und siehe: Die Ausschläge des Galvanometers entsprachen dem Ohrfeigenexperiment fast aufs Haar" (Quiske, F H. u. a., S. 104). Echte Kritik dient dazu, den Kritisierten zu helfen. Kritik ist also nicht als Gegenteil von Anerkennung, sondern ergänzend zu ihr zu betrachten. Nicht nur Heranwachsende brauchen Hilfe (Entwicklungshilfe) auch Erwachsene. Wie Anerkennung so setzt echte Kritik Überlegung voraus. Hier einige Hinweise, wie Kritik angewendet werden sollte. Jede Kritik sollte unmittelbar auf Fehlleistungen erfolgen und nicht Wochen oder gar Monate später — möglicherweise erst bei der nächsten offiziellen Mitarbeiterbeurteilung. Der zeitliche Bezug zwischen Fehlleistung und Kritik geht sonst allzu leicht verloren. Mit Recht könnte der Mitarbeiter bei einer schlechten Beurteilung argumentieren: "Warum haben Sie mir das nicht schon früher gesagt?" Auch kann zu spät angesetzte Kritik: "Wie oft muss ich Ihnen das noch sagen. Schon vor drei Monaten haben Sie das falsch gemacht" als Bumerang zurückkommen. Wer so in der Vergangenheit herumwühlt: gesteht im Grunde seine eigene Unfähigkeit ein, Mitarbeiter gezielt anzuleiten. Unmittelbare Kritik heißt nicht, sie unvermittelt anzubringen! Es kommt auf die Wahl des richtigen Zeitpunktes an. Ein wenig Abstand zu sich und dem Mitarbeiter hilft — besonders wenn der Mitarbeiter im Moment bis über beide Ohren in einer wichtigen Angelegenheit steckt — Affekthandlungen zu vermeiden. Daher überschlafen Sie erst einmal ein Problem. Am nächsten Morgen sieht die Sache oft weit harmloser aus: Lösungsansätze sind deutlicher geworden. Wie Anerkennung sollte auch Kritik nur unter vier Augen erfolgen. Kritik vor Kollegen kann dazu führen, dass die Bloßstellung den Kollegen peinlich ist, diese sich möglicherweise mit dem Kritisierten solidarisieren und sich vor den Mitarbeiter und gegen den Chef stellen. Es besteht auch die Gefahr, dass der Mitarbeiter das Gefühl bekommt, eine Sache für die ganze Gruppe austragen zu müssen. Druck erzeugt Gegendruck. So besteht bei öffentlicher Kritik die Gefahr, dass beide — Führungskraft und Mitarbeiter 040517 II Leitfaden Kritikgespräch Seite 1 von 8 © 2001-2004 Heinrich Management Consulting Am Gänsfuß 5 y D-82279 Eching am Ammersee www.heinrichmc.de Telefon +49 / 8143 / 44 76 60 Telefax +49 / 8143 / 44 76 61
Leitfaden Kritikgespräch — im Bemühen, ihr Gesicht zu wahren, ihre Vorwürfe eskalieren lassen. Ein Mitarbeiter, der weiß, welche Fehler der Führungskraft für sein Versagen verantwortlich sind, kann in öffentlichen Anschuldigungen die persönliche Kritik vor der Gruppe heimzahlen. Ein anderer Mitarbeiter schluckt vielleicht die Kritik, fühlt sich aber möglicherweise in der Gruppe zum schwarzen Peter gemacht und resigniert. Die Führungskraft wird als parteiisch empfunden. Wie sich Parteilichkeit auswirken kann, zeigt eine Untersuchung von Pillau: Wie wird die Führungskraft empfunden:
durchschnittlich krankheitsbedingte Abwesenheit in Tagen/Jahr
Unparteiisch
9
Parteiisch
17
Schließlich kann es auch sein, dass Mitarbeiter aus Angst vor einer Wiederholung öffentlicher Kritik und um diese zu vermeiden sich zum Super- Perfektionisten entwickeln und dadurch zu kostspielig arbeiten. Kritik unter vier Augen also hilft Mitarbeiter und Führungskraft, das Gesicht zu waren, und wirkt schonender und nachhaltiger, wie exemplarisch die folgende Untersuchung zu Kritik und Leistung bei Berufsschülern zeigt. Kritik und Leistung bei Berufsschülern (Moore) Kritik
scharf/ironisch vor anderen
ruhig/sachlich vor anderen
ruhig/sachlich unter 4 Augen
Verschlechtert
69%
46%
7%
Gleich geblieben
24%
14%
10%
Verbessert
7%
40%
83%
Leistung
Ähnlich negative Folgen kann es haben, wenn Führungskräfte abwesende Mitarbeiter kritisieren. Eine solche Bloßstellung wird von der Gruppe mit hoher Wahrscheinlichkeit als unfair empfunden. Sollte der Mitarbeiter davon erfahren, wird er das Vertrauen in seine Führungskraft verlieren. Jede überzeugende Kritik setzt Sachlichkeit voraus. Das heißt, dass bei gleichen Fehlern auch alle gleich behandelt werden. Emotionale Voreingenommenheit wie Mitleid sympathischen Mitarbeitern gegenüber und Verachtung unsympathischen Mitarbeitern gegenüber schränkt die eigene Objektivität ein. Sie erschwert es, Probleme rational in den Griff zu bekommen. Ein kühler Kopf bewahrt neutrale Haltung. Kritik ist leistungs- und verhaltensbezogen, nicht personenbezogen. Eine persönliche Kritik wie: "Sie sind unfähig" trifft nicht nur hart, weil sie die ganze Persönlichkeit des anderen in Frage stellt, sondern fällt schließlich auch auf den Kritisierenden zurück. Ist der Mitarbeiter nämlich wirklich unfähig, dann wurde er nicht richtig eingesetzt (Eignungsproblem) oder nicht richtig ausgebildet (Weiß-nicht- und Kann-nicht-Problem). 040517 II Leitfaden Kritikgespräch Seite 2 von 8 © 2001-2004 Heinrich Management Consulting Am Gänsfuß 5 y D-82279 Eching am Ammersee www.heinrichmc.de Telefon +49 / 8143 / 44 76 60 Telefax +49 / 8143 / 44 76 61
Leitfaden Kritikgespräch Jede sachliche Kritik ist angemessen. Ein Mitarbeiter kann auf die übertriebene Kritik: "Müssen Sie das denn immer versaubeuteln?" mit Trotz oder auch Unsicherheit reagieren und macht es in Zukunft erst recht falsch. Andere Mitarbeiter reagieren auf Kritik an "allem und jedem", indem sie sich ein dickes Fell zulegen. Kritik bei wirklich wichtigen Dingen wird nicht mehr ernst genommen und bleibt wirkungslos. Zuviel Kritik auf einmal kann keiner richtig verkraften und umsetzen. Der Mitarbeiter weiß nicht mehr, womit er anfangen soll. Er schaltet ab, und berechtigte Kritikpunkte gehen verloren. Vermeiden Sie daher massive Kritik an Kleinigkeiten. Sehen Sie vom ganzen Achilles nicht nur die Ferse: "Unser Bildungssystem ist gerecht, wenn es darum geht, einem Kind nachzuweisen, wo es am schwächsten ist. Aber es ist höchst mangelhaft, wo es darum geht, zur Entfaltung zu bringen, was in einem Kind wirklich steckt" (Eppler, ehemaliger Bundesminister). Sehen Sie alles ohne Ausnahme, übersehen Sie vieles und korrigieren Sie ein wenig. Überprüfen Sie sich im Büro einen Tag lang: "Wie oft kritisiere ich, wie oft gebe ich Anerkennung?" Vielleicht tun Sie ähnliches an einem Wochenende in der Familie: "Wie oft kritisiere ich Frau und Kinder, wie oft gebe ich ihnen Anerkennung?" Eine Führungskraft hat alle Jahre wieder einen Fragebogen ausgegeben, in dem unter anderem die Frage enthalten war: "Gebe ich Ihnen genug Anerkennung für Ihre Leistungen?" Nachdem einmal gesagt wurde, "es könnte mehr sein", hat sie viel mehr Anerkennung gegeben. Bei der nächsten Befragung wurde immer noch ausgesagt, sie gebe zu wenig Anerkennung. Die Führungskraft meinte daraufhin: "Und ich habe schon so viel Anerkennung gegeben, dass es mir fast peinlich war und ich annahm, den Mitarbeitern auch!' Vor Jahren hat in Aachen Kreisky den Orden gegen den tierischen Ernst bekommen. Er bedankte sich mit den Worten: "Meine Herren, Sie haben mir eine große Ehre erteilt, und Sie haben mir in Ihrer Begründung sehr viel Lob gespendet, aber Sie glauben ja gar nicht, wie viel Lob und Ehrungen ich vertragen kann." Fassen wir die bisherigen Überlegungen zur Kritik noch einmal kurz zusammen: •
90% aller Kritik sind überflüssig.
•
Kritik dient dazu, dem Kritisierten zu helfen — nicht dazu, ihn abzuwerten.
•
Unmittelbare Kritik ja, aber nicht im Affekt.
•
Kritik nur unter vier Augen.
•
Sachliche, nicht persönliche Kritik.
•
Angemessene Kritik.
Ein Kritikgespräch in diesem Sinne ist demnach mehr ein Entwicklungs- oder Förderungsgespräch nach dem Schema einer Ziel-Ergebnis-Ursachen-Maßnahmen-Analyse. (Eine Zusammenfassung der Ergeb-
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Leitfaden Kritikgespräch nisse des laufenden Soll-Ist-Vergleichs während einer Beurteilungsperiode — in deutschen Unternehmen meist ein Jahr — stellt die Leistungs- oder Potentialbeurteilung der Mitarbeiter dar.) Menschen brauchen Zuspruch und Anspruch: "Wann habe ich mit meinen Mitarbeitern den letzten Erfolg gefeiert?" Überlegen Sie sich vor dem Gespräch zuerst, mit welchem Mitarbeiter Sie es zu tun haben. Die richtige Einschätzung der Persönlichkeit des Mitarbeiters wird Ihnen Fingerspitzengefühl vermitteln. Der eine braucht laufend Ermunterung, der andere nur ab und zu. Max Frisch empfiehlt: "Man sollte die Wahrheit dem anderen wie einen Mantel hinhalten, so dass er hineinschlüpfen kann, nicht wie ein nasses Tuch um den Kopf schlagen." Der Psychologe Oswald Neuberger unterscheidet zwischen drei Gesprächsstilen (Gesprächsstile und Beispiele wurden entnommen aus: Neuberger, 0.,a.a. 0., S. 140 ff.): 1.
Stressgespräch (versteckte oder offene Kritik, Drohung, Ablehnung, Widerspruch, Zurückweisung, Vorwurf, aggressive Entgegnung, Bewertung):
"Wir haben uns vor einem Jahr auf das System geeinigt. Sie waren selbst dabei und haben keinen Einspruch erhoben. Jetzt plötzlich kommen Sie und verlangen eine Revision. Wir können doch nicht in einem fort umorganisieren, wo kämen wir denn da hin?" 2.
Direktives Gespräch (Ermutigung, Erklärung, Ansporn, Lösungsvorschlag, Rechtfertigung, Deutung, Unterstützung, neue Information, Nachforschung):
"Ja, nun raus mit der Sprache, worum geht’s denn? Fassen Sie sich ein Herz und schießen Sie los!" 3.
Mitarbeiterzentriertes Gespräch (Bestätigung, Akzeptierung, Nichtdirektive Wiedergabe von Gefühlen oder Inhalten):
"Es fällt mir auf, dass Sie heute ganz anders sind als sonst. Wie kann ich Ihnen helfen?" Welchen Gesprächsstil bevorzugen Sie in Gesprächen mit Ihrem Chef? Welchen Gesprächsstil, glauben Sie, bevorzugen Ihre Mitarbeiter in Gesprächen mit Ihnen? Am besten eröffnen Sie das Kritikgespräch, indem Sie auf das gemeinsame Interesse verweisen, Fehler zu vermeiden. Die Demonstration der gemeinsamen Ziele bricht am ehesten das Eis. Beantworten Sie gemeinsam mit dem Mitarbeiter die folgenden drei Fragen: 1.
Was ist nicht richtig?
2.
Warum ist etwas nicht richtig?
3.
Wie können wir gemeinsam in Zukunft diese oder ähnliche Fehler vermeiden?
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Leitfaden Kritikgespräch Nun zu den drei Fragen im Einzelnen: 1.
Was ist nicht richtig? Also: Welches Problem liegt vor? Was ist nicht so gelaufen, wie es hätte laufen sollen? Welche Konsequenzen hat das mit sich gebracht?
Beantworten Sie diese Fragen bitte nicht selbst. Bitten Sie den Mitarbeiter, zum Problem Stellung zu nehmen. Am besten ist es, wenn der Mitarbeiter von sich aus berichtet. Er wird dadurch angehalten, seine bisherigen Erfahrungen selbständig zu überdenken und aus ihnen zu lernen. So wird die eigenverantwortliche Selbstkontrolle gefördert. Der Mitarbeiter wird dadurch motiviert, weiterhin die Wege zu gehen, die erfolgreich zum Ziel führen, bzw. die Wege zu vermeiden, die am Ziel vorbeiführen. Beim Soll-Ist-Vergleich werden alle Leistungsstandards gleichzeitig berücksichtigt. Also: Kosten, Qualität und Menge, die zum Termin des Soll-Ist-Vergleichs angefallen sind. Sonst kann es geschehen, dass das Projekt im Zeitverbrauch zwar günstig liegt, die Kosten aber überschritten wurden. Beispiel: Bei einem Soll-Ist-Vergleich berichtete der Mitarbeiter, dass statt der bis zum Zwischenbericht geplanten Kosten von 1,3 Millionen DM erst 1, 1 Millionen DM angefallen seien, dass statt 80% geplanter Leistung allerdings erst 55% erzielt worden seien. Also 25% weniger Leistung bei etwa 15% Kostenunterschreitung zum geplanten Termin. Während der Mitarbeiter berichtet, unterstellen Sie ihm keine negativen Absichten. Gehen Sie davon aus, dass dies Ihr Verhalten dem Mitarbeiter gegenüber beeinflussen wird. Er wird Ihr mangelndes Vertrauen bemerken. Es ist fraglich, ob er sich Ihnen noch öffnet. Sollte der Mitarbeiter Ausflüchte machen, werten Sie das als natürliche Reaktion; denn niemand gibt gern Fehler zu. Obendrein sind Ausflüchte oft ein Zeichen für ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Mitarbeiter und Führungskraft. Vorwürfe verbessern es nicht. Geben Sie also Ihrem Mitarbeiter Gelegenheit, aus seiner Sicht und ohne Unterbrechung den Fall darzustellen. Versuchen Sie dabei selbst durch aufmerksames Zuhören, Ansätze zur weiteren Klärung herauszufinden. Fragen Sie nach Tatsachen: Angemessene Kritik wird am ehesten erreicht, wenn sie auf gesicherten Tatbeständen beruht. Fakten sind Grundlage einer handfesten Argumentation. Lassen Sie mögliche Gefühlsausbrüche Ihres Mitarbeiters ruhig zu. Sie reduzieren so seine verständlichen Aggressionen. Vermeiden Sie, auf persönliche Angriffe sofort zu reagieren. Das führt zur Eskalation.
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Leitfaden Kritikgespräch 2.
Warum ist etwas nicht richtig?
Ziel
Mitarbeiter
Situation und technische Möglichkeiten
Gruppe
Führungskraft Wie das Schaubild aufzeigt, können mehrere Gründe für fehlende Zielerreichung vorliegen. a)
Sie selbst als Führungskraft können Fehler machen. Haben Sie den Mitarbeiter auf das falsche Ziel angesetzt? Haben Sie ihn eventuell mangelhaft ausgebildet? Haben Sie von Ihrer Seite alle notwendigen Voraussetzungen geschaffen, die er für die Zielerreichung benötigt? Sehen Sie sich selbst als Bestandteil des Problems?
b)
Wurde der Mitarbeiter durch die Gruppe behindert? Fehlte Unterstützung von anderen Abteilungen?
c)
Sind unvorhergesehene Mängel in der fachlichen Eignung und Leistung des Mitarbeiters zutage getreten? Welche Fehler hat der Mitarbeiter gemacht? Vielleicht erscheinen nur Ihnen diese Fehler als Fehler. Fragen Sie den Mitarbeiter nach den Gründen für sein Vorgehen. Vielleicht ist das, was Ihnen als unerwünschtes Verhalten erscheint, sogar effizienter und für beide Teile zufrieden stellender.
d)
Auch die Situation innerhalb und außerhalb der Organisation kann für Zielabweichungen ursächlich sein. Hierzu ein Beispiel: Zwei Verkaufsleiter einer Textilfirma haben vergleichbare Bezirke zu betreuen. Ihre Ziele und Leistungsstandards sind daher nahezu gleich. Nur kämpft der eine schwer um seinen Marktanteil gegen eine plötzliche, unvorhergesehene Verkaufskampagne eines Mitbewerbers in seinem Bezirk. Er erreicht seine Ziele nicht. Der Kollege übertrifft sie. Wer ist besser?
Grundsätzlich ist zu fragen: "War der Mitarbeiter aufgrund äußerer Einflüsse in der Lage, seine Ziele zu erreichen?" e)
Sind die zur Zielerfüllung notwendigen Mittel und Verfahren realistisch geplant worden?
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Leitfaden Kritikgespräch f)
Sind die Ziele unrealistisch angesetzt worden, weil •
die verfügbaren Mittel und Verfahren,
•
die äußeren Störungen,
•
die fachliche Eignung und Leistung des Mitarbeiters,
•
der Zusammenhalt der Gruppe und
•
die Unterstützung durch die Führungskraft
falsch eingeschätzt wurden? Diese Frage ist zu stellen für Routineziele, Verbesserungsziele und auch die persönlichen Entwicklungsziele des Mitarbeiters. Fragen Sie schließlich: 3.
Wie können wir gemeinsam in Zukunft diese oder ähnliche Fehler vermeiden? Kritik ist problemlösungs-, also zukunftsorientiert, nicht vergangenheitsorientiert. Aus der Ziel-ErgebnisUrsachen-Analyse wird gefolgert, was zu tun ist. Das Motto lautet: „Keine Zielabweichung ohne Folgerung“. Zeigen Sie dem Mitarbeiter durch das Vereinbaren konkreter Aktionen, dass jede Niederlage auch mit Hoffnung auf künftige Erfolge verbunden ist.
Zwingen Sie den Mitarbeiter nicht zu einem aus Ihrer Sicht erwünschten Verhalten. Zwang macht ein Verhalten nicht angenehm, eher unangenehm. Die Gefahr steigt, dass das erwünschte Verhalten wieder in unerwünschtes Verhalten umschlägt. „Müssen kann Wollen töten.“ So kann es vorkommen, dass der Mitarbeiter, fixiert darauf, den Fehler zu vermeiden, ihn aus Unsicherheit von neuem macht, oder er geht auf Nummer sicher, sein Verhalten artet in Pedanterie aus. Andere werden renitent, wieder andere resignieren, werden lustlos, schüchtern, schweigsam: „Ich kann es ihm ja doch nie recht machen.“ Zuerst beantwortet daher der Mitarbeiter allein und dann gemeinsam mit der Führungskraft die Frage: „Was will ich und was wollen wir gemeinsam tun, um den Ursachen für die Zielabweichung wirksam zu begegnen?“ Konstruktive Kritik heißt also: Gemeinsam Maßnahmen entwickeln, die das vorliegende Problem lösen und ähnliche Probleme in Zukunft ausschließen. Lassen Sie daher den Mitarbeiter das richtige Verhalten weitgehend selbst finden. Er weiß vermutlich sowieso am besten, was zu tun ist. Am besten ist es, wenn er Zeit genug erhält, selbständig einen Entwurf für die gemeinsame Diskussion vorzubereiten. Fragen Sie während der Diskussion, denn Fragen verlangen nach Antworten. Stellen Sie aber mehr offene Fragen als gezielte. Durch gezielte Fragen wird der Gesprächshorizont zu stark eingeengt und dem Mitarbeiter in den Mund gelegt, was Sie selbst hören wollen. Der Mitarbeiter wird verunsichert, in die Ecke gedrängt und beginnt sich zu wehren oder passt sich an. Er selbst muss die Chance haben, zu sagen, was er sagen möchte.
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Leitfaden Kritikgespräch Dialog, nicht Monolog, Aussprache statt Ansprache Ein Mitarbeiter, der auf diese Weise weitgehend selbständig Ziele formuliert und Maßnahmen entwickelt, ist stärker motiviert. Bestätigen Sie Ansätze zu richtigem Verhalten sofort. Denn "nichts ist erfolgreicher, als der Erfolg". Das gemeinsame Gespräch orientiert sich an den Einflüssen auf die Zielerreichung: a)
Prüfen Sie, ob die Ziele, d. h. die Routineziele, die Verbesserungsziele und die persönlichen Entwicklungsziele realistischer anzusetzen sind. Vielleicht müssen sie in letzter Konsequenz sogar aufgegeben und neue Ziele gefunden werden.
b)
Prüfen Sie, welche Mittel und Verfahren zur Zielerreichung notwendig, verfügbar bzw. zu beschaffen sind.
c)
Prüfen Sie, wie organisationsexterne negative Einflüsse verringert und positive Einflüsse genutzt werden können.
d)
Prüfen Sie, wie Mängel in Eignung und Leistung des Mitarbeiters ausgeglichen werden können und vereinbaren Sie sofortige Maßnahmen. Unterstützen Sie ihn, beschneiden Sie ihn nicht in seinem Delegationsbereich. Fördern Sie die Möglichkeiten des Mitarbeiters, sich selbst zu kontrollieren. Verbessern Sie seine Fähigkeiten durch zielgerichtete Trainingsmaßnahmen.
e)
Prüfen Sie, welche Voraussetzungen innerhalb der Arbeitsgruppe gegeben sein müssen, damit der Mitarbeiter optimal arbeiten kann, und leiten Sie Maßnahmen hierzu sofort ein.
f)
Vereinbaren Sie schließlich als Führungskraft gemeinsam mit dem Mitarbeiter, welche Voraussetzungen Sie sicherstellen, damit der Mitarbeiter seine Ziele erreicht.
Vereinbaren Sie schließlich auch, wie die Ziele kontrolliert werden. Kontrolle (richtig verstanden) ist keine Jagd auf Fehler, sondern eine Hilfe für den Mitarbeiter, seine Ziele zu erreichen, indem er sich weitgehend selbst kontrolliert. Verbessern Sie die Fähigkeiten Ihrer Mitarbeiter zur Selbstkontrolle und vermindern Sie im gleichen Maße die Fremdkontrolle durch Sie als Führungskraft nach dem Grundsatz: Soviel Selbstkontrolle wie möglich, soviel Fremdkontrolle wie nötig. Bleiben Sie sich dabei immer bewusst, dass richtige Lösungen nicht von heute auf morgen zu erwarten sind, sondern Schritt für Schritt erreicht werden. Hier noch einmal die drei Fragen zum Kritikgespräch im Überblick: 1.
Was ist nicht richtig?
2.
Warum ist etwas nicht richtig?
3.
Wie können wir gemeinsam in Zukunft diese oder ähnliche Fehler vermeiden?
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