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Einleitung
abwenden abwendenDie Klimakrise
Unsere Häuser sind hungrig nach Heizenergie und Strom. Dieser Hunger muss auf die Bedingungen der Klimakrise angepasst werden, um eine zu starke Erderwärmung zu verhindern. Wir zeigen, dass Ihr Traumhaus mit der richtigen Technik nachhaltig gebaut werden kann.
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Ein großer Teil des Endenergieverbrauchs in Deutschland wird durch Haushalte verursacht – in 2019 immerhin 26,5 Prozent (Quelle: Umweltbundesamt). Damit liegt der Anteil der Haushalte nur knapp hinter den Sektoren Industrie (27,7 Prozent) und Verkehr (30,6 Prozent). Einzig Gewerbe, Handel und Dienstleistungen liegen zusammen genommen mit 14,8 Prozent etwas darunter. Klar ist aber auch: Der Großteil dieses Energieverbrauchs entfällt auf Bestandsgebäude mit schlechter oder nicht vorhandener Dämmung und veralteten Heizsystemen auf Basis fossiler Brennstoffe. Und: Rechtlich gesehen besteht (noch) kein Sanierungszwang, außer eine Bestandsimmobilie wird neu erworben. Den besseren Hebel in Sachen Energieersparnis hat der Staat also beim Neubau – und schärfte zum Februar die Bedingungen für Fördergelder kräftig nach. So sollen moderne Gebäude energie benötigen und diese stromsparend und möglichst mittels regenerativer Quellen erzeugen. Bislang gab es dafür drei förderbare Baustandards, vorgegeben von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): 55, 40 und 40 Plus.
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Fördergelder für Klimaschutz
Ende Januar ist die KfW 55 Förderung für Neubauten ausgelaufen. Die staatlichen Gelder sollen lieber in die Renovierung von Bestands nach den Standards 40 oder 40 Plus bauen. Das fällt unterm Strich natürlich teurer aus, jedoch wurden die Fördersummen im vergangenen Juli auch erneut erhöht. Am meisten Geld gibt es für den Sie in unserem beiliegenden Heft-im-Heft Frage im Raum: Wie muss ich denn mein Haus bauen, damit es wirklich ein KfW 40 oder ein KfW 40 Plus Haus ist? Dazu gibt es zwei Kriterien: Einmal den Primärenergiebedarf und einmal den Transmissionswärmeverlust. Der Primärenergiebedarf gibt an, wie viel Energie Sie in Ihrem Gebäude für Heizung, Warmwasser und Strom verwenden. Dabei wird auch beispielsweise die Lieferung der Energie zu Ihrem Gebäude bemessen. Der Transmissionswärme-
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INNOVATIV
Der Salzwasser-Batteriespeicher kommt ganz ohne den Einsatz von problematischen Stoffen und seltenen Metallen aus. Regnauer
IM KLEINEN
Dieser Gartentisch erzeugt Energie und kann Smartphones, Tablets oder Laptops mit Strom versorgen oder das E-Bike für die nächste Fahrradtour aufl aden. Solarklapptisch
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STROM MIT STIL
Das Indach-Photovoltaiksystem „Indax” übernimmt die Schutzfunktion der Dacheindeckung und ist optisch an diese angepasst. Es kann in horizontaler und vertikaler Richtung erweitert werden. Braas
NATÜRLICH GEDÄMMT
Holzfaserdämmplatten bestehen zum größten Teil aus Abfällen der holzverarbeitenden Industrie. Unter anderem deshalb punktet der Dämmstoff in Sachen Nachhaltigkeit. Steico
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EVA BAMMANN
Director Product Management virtuelles Kraftwerk (VPP) bei der Firma sonnen
Nachgefragt! Stromspeicher als Netzstabilisierer?
Wie funktioniert ein virtuelles Kraftwerk?
Bammann: Während konventionelle Kraftwerke aus einer einzelnen, großen Anlage bestehen, sieht es beim virtuellen Kraftwerk etwas anders aus. Hier werden viele Einheiten digital zu einem großen Kraftwerk verbunden. Daher die Bezeichnung „virtuell“. So miteinander vernetzt, können sie die gleichen Aufgaben wie herkömmliche Kraftwerke übernehmen, etwa Strom produzieren oder das Stromnetz stabilisieren. Diese Einheiten können grundsätzlich aus verschiedenen Erzeugern, Speichern oder Verbrauchern bestehen wie z.B. PV-Anlagen, Windräder, Speicher, Elektroautos oder Wärmepumpen. Das Zusammenspiel zwischen diesen kleinen Einheiten steuert eine Software, die dafür sorgt, dass immer genügend Energie am richtigen Ort ist. Theoretisch ließen sich alle Anlagen für erneuerbare Energien zu virtuellen Kraftwerken vernetzen. Das Stromnetz ist aktuell doch stabil. Warum macht ein virtuelles Kraftwerk dennoch Sinn?
Bammann: Durch die Energiewende werden zum Beispiel Kohle- und Atomkraftwerke abgeschaltet. Deren Aufgaben müssen daher also andere, CO2-freie Technologien übernehmen. Neben der Stromerzeugung gehört auch die Netzstabilität dazu, die solche großen Kraftwerke sicherstellen. Ein Beispiel dafür: Stromverbrauch und -erzeugung müssen immer im Gleichgewicht sein, damit unser Stromnetz zu jedem Zeitpunkt stabil ist. Nur minimale Abweichungen sind erlaubt. Eine zentrale Größe ist hier die Netzfrequenz, die in Deutschland 50 Hertz beträgt. Steigt der Stromverbrauch an, sinkt die Netzfrequenz unter 50 Hertz. Kommt es zu einem Überangebot an Strom, steigt die Netzfrequenz über 50 Hertz. Einige Kraftwerke in Deutschland reservieren einen Teil ihrer Kapazität ausschließlich dafür, einer zu hohen oder zu niedrigen Netzfrequenz entgegenzuwirken. Sie erhöhen oder verringern ihre Produktion also immer dann, wenn das Netz stabilisiert werden muss. Das nennt man Regelleistung. Das virtuelle Kraftwerk von sonnen kann genau den gleichen Effekt mit einem digital vernetzten Schwarm von Heimspeichern erzielen. Ist die Stromnachfrage höher als erwartet, geben die Batterien Strom ins Netz ab. Bei einer unerwartet hohen Stromproduktion nehmen sie den überschüssigen Strom aus dem Netz auf. Das virtuelle Batteriekraftwerk reagiert dabei also genau wie konventionelle Kraftwerke auf die Netzfrequenz. Durch die Digitalisierung und erneuerbare Energien können also normale Privathaushalte eine Aufgabe übernehmen, die bisher nur industriellen oder gewerblichen Anbietern vorbehalten war. Welche Vorteile bringt ein virtuelles Kraftwerk im Bereich Klimaschutz? Bammann: Das gewaltige Potenzial allein von vernetzten Stromspeichern wird auch anhand der folgenden Rechnung deutlich: Ginge man davon aus, dass jedes der rund 15 Millionen Einfamilienhäuser in Deutschland einen Speicher mit einer Leistung von 4 bis 5 kW nutzen würden, käme man auf eine Gesamtleistung von 60 bis 75 GW. Diese Zahl entspricht mehr oder weniger dem aktuellen Gesamtstrombedarf in Deutschland.
Wie entwickelt sich Ihr virtuelles Kraftwerk in der Zukunft?
Bammann: Wir können in Deutschland das Potential unseres virtuellen Kraftwerks wegen der nur langsam voranschreitenden Digitalisierung und der regulatorischen Grenzen nicht voll ausschöpfen. Mit dem gesetzlichen Ende der Doppelbelastung für Stromspeicher gab es im letzten Jahr aber einen wichtigen Fortschritt. Jetzt kommt es darauf an, gemeinsam mit der Bundesnetzagentur und der Branche die Detail-Prozesse kundenfreundlich zu definieren. Das politische Signal des Bundestags war dabei ganz wichtig: Wir verabschieden uns langsam aus dem fossilen, zentralen Energiesystem. Die Technik dafür steht bereit.
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FLEXIBEL
Auf dem Dach des Schnellladeparks sind Solarzellen angebracht. Wenn der Park mehr Strom erzeugt, als die Autos benötigen, wird dieser über eine Softwareplattform an Haushalte in der Umgebung verteilt. ENBW
verlust beschreibt wie viel Energie Ihr Gebäude nach außen verliert. Als Vergleich dient ein Referenzgebäude nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG). Um als KfW 40 oder KfW 40 Plus Gebäude zu gelten, darf Ihr Haus maximal 40 Prozent der Energie verbrauchen, die das Referenzgebäude benötigt. Zudem sind maximal 55 Prozent des Wärmeverlustes gende Anlage (im Regelfall eine Photovoltaik-Anlage) und einen Stromspeicher. Außerdem ist eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung vorgeschrieben. Übrigens: Es lohnt sich, nach weiteren Förderungen zu recherchieren. Bundesländer, Landkreise, Städte und Kommunen bieten oft ebenfalls eine Förderung an. Wie aber komme ich denn nun mit meinem Haus in den KfW 40 Plus Bereich?
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So geht´s
Um den Energieverbrauch zu reduzieren gibt es verschiedene Möglichkeiten: Da wären etwa die gute Dämmung (mehr ab Seite 56) und das richtige Heizsystem (ab Seite 34). Smart-Home-Systeme können ebenfalls dabei helfen, den eigenen Energieverbrauch zu drosseln. Möglichkeiten bieten etwa die smarten Thermostate. Die gibt es nicht nur für Heizkörper, sondern auch für Fußbodenheizungen. Die Geräte ermöglichen eine individuelle Zeitschaltung für jeden Raum. Auch können Sie das Thermostat dann per App steuern. Wenn Sie Wärmeverluste und Energieverbrauch entsprechend reduzieren, steht der Förderung nichts mehr im Weg und ökologisch ist alles getan, oder? Nicht ganz: Wenn die private Infrastruktur vorlegt, muss die öffentliche nachziehen. Schließlich speist irgendwann ein Großteil der Haushalte Photovoltaik-Strom ins öffentliche Netz ein. Dazu fahren wir alle E-Auto und auch Busse werden mit Strom betrieben. Wind und Sonne sollen all das abdecken. Sie sind bei entsprechendem Wetter im Übermaß verfügbar in windstillen Nächten allerdings überhaupt nicht da. Klar, dass das unser Stromnetz vor große Herausforderungen stellt. Viele Unternehmen (s. Infokasten), Kommunen und öffentliche Einrichtungen arbeiten bereits heute an Lösungen für diese Probleme. (alj/sei)