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Kernsanierter Bauernhof
OPTISCHE TÄUSCHUNG
Da der Stall genauso gemauert ist wie das 170 Quadratmeter große Wohnhaus, lässt sich von außen kaum erkennen, wo die Wohnräume aufhören und wo das ehemalige Tierquartier beginnt.
Foto: Philip Herzhoff Landliebe
Rinder vor dem Fenster, ein Oldtimer-Traktor in der Scheune und Hof- statt Home-Offi ce. So sieht das Leben von Ramona Riederer und Paul Wittmann aus, seit sie Ende 2020 eine Althofstelle im Allgäu gekauft haben. Zusammen mit drei Nachbarhöfen bilden sie eine Einöde. Öffentliche Verkehrsmittel und Einkaufsmeilen sind hier Fehlanzeige, dafür gibt es jede Menge Freiräume.
DORFKINDER
Ramona Riederer und Paul Wittmann sind beide auf dem Land groß geworden. Die Familie des Bauherrn hat bis heute einen Milchviehbetrieb. Ein Leben in der Großstadt kann sich das Paar nicht vorstellen. E in wichtiges Thema für die Bauherren war von Anfang an Nachhaltigkeit. „Wir sind keine Fans von Flächenversiegelung“, so Paul Wittmann. Ein Neubau kam für das Paar daher auf keinen Fall infrage. Auch, weil sie die Geschichte des alten Hofs begeistert. „Unser Hof ist von 1925, also hat er in drei Jahren 100-jähriges Jubiläum und die Geschichte, die so ein Hof mitgemacht hat und uns alle überlebt hat, das reizt uns sehr“, erzählt der Bauherr. Bei ihrer Sanierung wollen er und seine Freundin daher versuchen, diese Geschichte mit modernen Elementen zu verbinden. Ein weiteres Argument für den Kauf der Althofstelle war der viele Platz. Das ist gerade bei der Renovierung eines solchen Hofs praktisch, da Baumaterial gelagert werden kann und die Scheune Platz zum Arbeiten bietet. Zudem ergibt sich dadurch die Möglichkeit, einen Teil zu vermieten oder eine kleine Landwirtschaft aufzubauen. „Vielleicht eröffnen wir hier irgendwann eine Straußenfarm oder eine Alpakamietstation“, träumt der Bauherr. Für das junge Paar hat das Leben auf dem 1.600 Quadratmeter großen Grundstück erste Priorität.
Startschuss
Bei einem so großen Projekt stellt sich die Frage: Wo fange ich an? Für Paul Wittmann war
von Anfang an klar: „Das Wichtigste ist erstmal großer Vorteil: Die Grundsubstanz des Hofs war in einem sehr guten Zustand. Die Bauherren begutachteten vor dem Kauf alles sehr genau, um einschätzen zu können, welche Arbeiten - und Kosten - auf sie zukommen. „Wir haben gesehen, dass die vorherigen Besitzer des Hauses sich etwas Gutes geleistet haben, wenn sie renoviert haben. Außerdem wurde in den 1920er Jahren noch mit sehr langlebigen Materialien gebaut“, so Paul Wittmann. Um auf Nummer sicher zu gehen, hat das Paar als Erstes die Stromleitungen und den Sicherungskasten ausgewechselt. Um waren als Nächstes Fenster und Dämmung an der Reihe. Erste Priorität hatte hierbei das Dämmen des Dachbodens. In Eigenleistung hat das Paar über das gesamte Stockwerk eine Holzfaserdämmung verbaut. Diesen Schritt haben sie außerdem genutzt, um den Dachboden mit Strom und Leerrohren auszustatten, damit dort in Zukunft eine weitere Wohnung eingerichtet werden kann. Nachdem sie damit fertig waren, haben sie die Arbeiten vom örtlichen Zimmerer und Energieberater abnehmen lassen. Das war wichtig, um die KfW-Einzelmaßnahmen-Förderung zu erhalten.
Alter Charme
Obwohl das Haus bereits mit zweifach verglasten Fenstern ausgestattet war, war der Tausch der Fenster notwendig. „An vielen Stellen war der Fensterkitt rausgebrochen oder der Schließmechanismus hat nicht mehr richtig funktioniert“, erinnert sich der Bauherr. Für ihre neuen Fenster haben sie sich an alten Fotos des Hauses orientiert und mit dreifach verglasten Lärchenholzfenstern mit Fensterkreuz den originalen Charme wiederhergestellt. „Das ursprüngliche Fensterkreuz ist bei vorherigen Renovierungen weggefallen. Ich auf den Charakter des Hauses hat“, erzählt Paul Andere Arbeiten - wie beispielsweise Kabelkanäle verlegen - hat die Bauherr selbst erledigt. Der Bauherr ist überzeugt: Wer auf einem Bauernhof aufwächst, bringt handwerkliches Vorwissen mit. Bei der Sanierung hat er deswegen viele Vorarbeiten selbst erledigt. Für den Endschliff und die rer vorbei. „Der freut sich, dass er Material verkauft und ich habe trotzdem Geld gespart für die Arbeit, die viel Zeit in Anspruch nimmt“, erzählt der Agrarwissenschaftler. Wichtig war dem Paar, junge, dynamische Leute aus der Region zu beauf-
SPANNENDES GADGET
Mit einer Wärmebildkamera sucht Bauherr Paul Wittmann nach Schwachstellen und überlegt, wie er diese beheben kann. Wenn das Gerät zwei bis drei Grad Unterschied zwischen alten und neuen Fenstern anzeigt, ist die Freude groß.
AUF SAMTPFOTEN Im Arbeitszimmer haben sich die Bauherren für eine Kiesschüttung und eine schwimmende Verlegung vom Boden entschieden. Das dämmt nicht nur Wärme, sondern auch Geräusche. Praktisch, wenn der Raum später zu einem Kinderzimmer umfunktioniert werden sollte.
FUNDSTÜCK Auf einer Inventarliste wurde vor dem Verkauf vermerkt, welche Gegenstände auf dem Hof verbleiben. Der alte Holzwagen ist einer davon.
Fotos: Privat
tragen. Von den Handwerkern hat Paul Wittmann hatte zum Beispiel keine Zeit, meinte aber, dass ich über ihn die Materialien bekomme und er mir beschreibt, wie ich die Dehnungsfuge von Wand zu Decke abtrenne und mit welchen Methoden ich vorgehen muss“, erzählt der Bauherr begeistert.
Original & ökologisch
Neben den notwendigen Sanierungen wie Strom, Fenster und Dämmung, ging das Paar nach Raumpriorität vor. „Gestartet haben wir mit den Bereichen, in denen wir uns viel und regelmäßig aufhalten, also Schlafzimmer und Bad, dann im nächsten Schritt Küche und Wohnzimmer“, erklärt Paul Wittmann. Inspirationen für die Gestaltung der Räume haben sich die beiden über die sozialen Medien wie Instagram oder Pinterest geholt. Ein weiterer Tipp ist, sich am Design von Hotels zu orientieren, so der Bauherr: „Das muss schön sein, aber es muss auch funktional sein und sich gut le galt, gilt auch bei der Inneneinrichtung. Auch hier lag der Fokus der Bauherren auf den Themen Nachhaltigkeit und Geschichte. „Wir wollen es direkt so ordentlich machen, dass man die Räume die nächsten 20 Jahre nicht mehr anfassen muss. Auch wenn es dann ein bisschen mehr kostet und länger dauert“, erklärt Paul Wittmann. Außerdem versuchen sie alte Details wieder aufzugreifen. „Im Schlafzimmer haben wir eine alte Wand von 1925 unter fünf Schichten Tapete frei gegraben, die haben wir konserviert und mit einem großen weißen Rahmen in Szene gesetzt“, schwärmt der Althofstellenbesitzer.
Blick in die Zukunft
Fertig sind Ramona Riederer und Paul Wittmann mit der Sanierung noch lange nicht. Als Nächstes kommen die Küche und der Wohn-Essbereich dran. Außerdem soll im Erdgeschoss eine Fußbodenheizung verlegt werden, im Bad haben sie die bereits vorbereitet. Aktuell ist im Hof eine Ölheizung verbaut. Da es für den Bauherrn keinen Sinn ergibt, ein
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Foto: Philip Herzhoff
WASSER MARSCH
Da es „Auf dem Berg“ keine öffentliche Wasserversorgung gibt, haben die Bewohner eine eigene Quelle, die die Haushalte mit Frischwasser versorgt.
EIGENLEISTUNG
Die Bauherren versuchen, so viele Arbeitsschritte wie möglich selbst zu übernehmen. Am meisten Spaß machte ihnen, die Räume zu planen.
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1 | PRAKTISCH
Neben dem großen Spiegel befi ndet sich der Wäschedurchwurf. Hier wird Schmutzwäsche einfach vom Bad in die Wasch-küche geworfen. Verdeckt wird der Schacht von einem alten Fensterladen.
2 | DER MIX MACHT’S
Das Ziel der Innengestaltung war, Altes mit Neuem zu verbinden. Im Bad ist das schon mal geglückt. Schwarze Armaturen in Kombination mit Fichten-Altholz verleihen einen modernen, natürlichen Look.
RETTUNGS-
AKTION Den alten Bauernschrank haben die Bauherren von einem anderen Hof und dessen Sperrmüllcontainer gerettet. Im Schlafzimmer kommt seine Pracht perfekt zum Vorschein.
GUT GEBETTET
Durch die wiederentdeckte Wandmalerei bleibt ein Stück Hofgeschichte erhalten. Die Wand wurde konserviert und weiß gerahmt.
GLÜCKSGRIFF
Die Althofstelle haben die Bauherren über eine Immobilienanzeige im Internet gefunden. Auch wenn der Hof noch bis kurz vor ihrem Kauf bewohnt war, wurde er schon seit den 1990er Jahren nicht mehr landwirtschaftlich genutzt. funktionsfähiges Produkt auszutauschen, bleibt es dabei wohl noch eine Weile. Auf lange Sicht wünschen sich die Bauherren eine Hackschnitzelheizung. Die kennt Paul Wittmann von seiner Familie und der viele Platz im alten Stallgebäude eignet sich dafür perfekt. Auch von einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und einer Außenanlage mit Veranda mit Tür zur Küche träumen die Bauherren. Vorrang haben nun aber erstmal die restlichen Wohnräume. Mit den aktuellen Plänen will das Paar in den nächsten zwei bis drei Jahren „Sich alle Möglichkeiten offen zu halten und sich nichts zu verbauen, das ist eine richtige Kunst“, sagt Paul Wittmann. Zukünftigen Bauherren und immer lieber mehr Leerrohre zu verbauen und sich damit Optionen zu haben. Als abschließenden Tipp gibt er außerdem mit auf den Weg, sich intensiv zu informieren, mit Handwerkern diskutieren na Riederer arbeitet bei der Allgäu GmbH und hat dort das Projekt „Alter Hof sucht neue Liebe“ ins Leben gerufen. Die Informations- und Sensibilisierungskampagne möchte Althof-Besitzer im Allgäu ansprechen. Seminare und Workshops informieren, geben Hilfestellung und dienen als Netzwerk. eu.de. Auf Instagram führen Paul und Ramona ein Bautagebuch unter @hof.am.berg). Die Antwort auf die abschließende Frage, ob die beiden den Hof nach heutigem Stand nochmal kaufen würden, kommt wie aus der Pistole geschossen: „Auf jeden Fall!“, sagt Paul Wittmann. (igo)