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Alles Kultur
from Fazit 181
by Fazitmagazin
Es gibt einen besonderen Ort in der Hölle für Frauen, die anderen Frauen nicht helfen.
Madeleine Albright, 1937–2022, Politikerin und ehemalige Außenministerin der Vereinigten Staaten
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Filmfestival Diagonale
Gekommen, um zu bleiben
Die Diagonale steht im Zeichen allgemeiner Umwälzungen. Ein Interview mit einem Intendantenpaar, das fähig ist, Stellung zu beziehen und etwas auszusagen.
Von Michael Petrowitsch
Der gelernte Kunstschaffende neigt, so behaupten wir hier einfach, eher schon grundsätzlich zur Toleranz allem und jedem gegenüber. Im Zweifelsfall, um abzuwägen, und zur Mediation. Sich eindeutig zu beziehen, liegt ihm meist fremd. Gut, dass sie gekommen ist, um zu bleiben, die Diagonale. Internationalität gehört zum guten Ton und ist in Zeiten wie diesen durchaus brauchbar. Wir sprechen mit Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger über all das und noch mehr.
Hat Kunst gesellschaftspolitische Bedeutung? Wenn ja, welche? Wenn man beobachtet, wie sich so manch politische Debatte an Kunstwerken und -aktionen entfacht, wird deutlich, dass hier ein Spannungsfeld und ein komplexes Verhältnis existiert. Natürlich wirkt Kunst immer auf die Gesellschaft zurück. Allein für die Diagonale lässt sich sagen, dass das Kino oft Dinge weiß, die wir selbst nicht oder noch nicht wissen. In einer zunehmend komplexen Gegenwart schafft der Gang ins Kino so möglicherweise Abhilfe, um auf andere Gedanken zu kommen – gleichermaßen im Sinne der Zerstreuung und der Erkenntnis. Ist der Ausschluss von Künstlern, die aus kriegsführenden Ländern stammen, das richtige Statement oder eher ein Fehler? Wir haben den Eindruck, dass die aktuelle Situation viele vor eine gewisse Ohnmacht stellt und möglicherweise ist eine weitverbreitete und sehr zeitgeistige Reaktion darauf Meinungssofortismus und Ad-hoc-Aktivismus. Leider. Es muss natürlich einen Unterschied machen, ob Künstler mit einem Regime gemeinsame Sache machen, ihre Kunst propagandistischen Zwecken zur Verfügung stellen oder aber von außen in Sippenhaft genommen werden. Generell rechtfertigt nichts einen pauschalen Ausschluss von Künstlern und auch die derzeit aufkommenden antirussischen Ressentiments sind unerträglich.
Hätten nicht gerade Künstler und Menschen, die im »Betrieb« arbeiten, die Pflicht, sich intensiver politisch zu äußern und sich zu exponieren? Woher sollte diese Pflicht kommen? Ihrem Selbstverständnis nach? Oder dem Klischee entsprechend? Wir beobachten eine gewisse Sehnsucht nach eindeutigen politischen Bekenntnissen, selbst dann, wenn die Dinge komplexer sind. Widersprüche liegen nicht gerade im Trend. Bei dieser Frage sollte man auch über die politischen Rahmenbedingungen sprechen: es macht natürlich einen Unterschied, ob man sich in Graz, Moskau oder Teheran äußert.
Sind Solidaritätsbekundungen zu kurz gegriffen, darf es ein wenig mehr sein? Es ist fürs Erste sehr einfach, Solidaritätsbekundungen zu kritisieren oder sogar mit Polemik oder Zynismus zu reagieren. Gleichzeitig ist Kritik immer notwendig. Vor allem wenn der Verdacht besteht, dass die Solidarität eigentlich keine politischen Motive hat, sondern vielmehr der Selbstvergewisserung und Selbstdarstellung dient. Es ist dies, zugegeben, oft ein schmaler Grat. Zudem muss zwischen politischen und individuellen Motiven unterschieden werden: Es macht ja einen Unterschied, ob eine Einzelperson ein Zeichen setzen will und dieser Tage mit einer Ukraine-Fahne auf die Straße geht oder eine westliche Regierung Gebäude blaugelb anstrahlt und es dabei belässt.
Konkret: Reicht es, die nämliche Situation auf Menschenrechte und Flüchtlingsfragen zu reduzieren, oder ist ein proaktives, prorussisches oder (wie zu 90 Prozent) proukrainisches Äußern nicht ehrlicher im Sinne der Diskussion? Eine komplexe Frage, zumal hierzulande, wo die Neutralität ja identitätsstiftender »Nationalfetisch« ist. Wir sind weder Außenpolitiker noch Diplomaten. Als Privatpersonen scheint uns Österreichs außenpolitische Heuchelei aber mitunter fatal. Nicht nur im Zusammenhang mit der Ukraine.
Gibt es – rückblickend auf die letzten Jahre – Formate, die man neu denken sollte? Selbstverständlich! Im Kern der Diagonale steht ein nationaler Filmwettbewerb, der den Anspruch verfolgt, einen repräsentativen Überblick über ein österreichisches Filmproduktionsjahr zu geben. Die Grund-
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idee ist es, diese Filme im Kino zu zeigen. In den letzten Jahren kamen beispielsweise immer wieder auch Serien hinzu, die bei der Diagonale (auszugsweise) ebenfalls im Kino gezeigt wurden. Zugleich ist es uns ein Anliegen, das filmhistorische Erbe lebendig und sichtbar zu halten. Ein Bereich, der unserer Meinung nach immer wichtiger wird. Wenn sich die gesellschaftliche und mediale Umwelt radikal verändert, müssen auch die Programmformate immer wieder hinterfragt werden. So wurde etwa entschieden, auch Regisseurinnen und Regisseure zum Wettbewerb zuzulassen, die – unabhängig von ihrem Pass – ihren Arbeits- und Lebensmittelpunkt in Österreich haben. Auch gab es Programmschwerpunkte, in denen überprüft wurde, ob das Thema Virtual und Augmented Reality für den österreichischen Film interessant ist. Die grundlegende Aussage der Diagonale ist jedoch immer, dass der österreichische Film Teil der kulturellen Identität dieses Landes ist und einen entsprechenden gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Stellenwert haben sollte.
Wie sieht die Zukunftsprognose aus? Wir freuen uns auf die Ausgabe 2022 – die 25. Diagonale in Graz! 2023 wird dann das letzte Festival sein, für das wir uns als Leistungsduo verantwortlich zeichnen. Danach werden wir die Diagonale acht Jahre leitend und fünfzehn Jahre im Team begleitet haben und hoffen für das Festival auf eine glorreiche Zukunft! n
Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger, das Intendantenduo der Diagonale Weizer Schülerinnen »bespielen« Baustelle
Kunstvoll gerüstet
Von Andreas Pankarter
Der Grazer Cafetier Simon Lackner hat aus der kleinen Not, sein Kaffeehaus Kaiserfeld quasi vollständig durch ein Baugerüst umgeben zu wissen, eine Tugend gemacht. Gemeinsam mit Lara und Lena Annerer, beide Schülerinnen an der HLW Weiz in ihrem Abschlussjahr, hat er das Gerüst kurzerhand in ein kleines wie feines Kunstwerk im öffentlichen Raum umwandeln lassen. Unter dem Motto »Gut gerüstet durch die Bauzeiten« wurden die Metallstreben (auf Höhe des Erdgeschosses und der ersten Etage) mit bunten Bändern umwickelt und zahlreichen weiteren Farbakzenten versehen. So entstand ein echtes »Hinschauobjekt«, das den ansonsten eher fad daherkommenden Stahlstangen eines Baugerüstes einen ästhetischen Reiz verleiht, und das Durchschreiten zu einem kurzen künstlerischen Erlebnis werden lässt. Die eben Verwendung findenden starken Farben sorgen dabei für eine kräftige optische Auffrischung – und zudem auch für etwas mehr an Sicherheit. Das von den beiden Nachwuchskünstlerinnen erdachte Projekt stellt den Praxisteil ihrer Diplomarbeit dar, an der sie in Weiz gerade intensiv arbeiten. Bauträger und Hausherr der Immobilie – die Merkur-Versicherung – hat übrigens gemeinsam mit den beauftragten Bauunternehmen das Projekt finanziell unterstützt. Und sich damit als sympathischer Kunstsponsor auch im Kleinen bewiesen. Da ja gerade die Gastgartensaison wieder begonnen hat, kann Ihre nächste Melange im Kaiserfeld also durchaus kulturell werden. Schauen Sie sich das an. n
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