Saisonvorschau - FCWINTI.COM

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SAISON 2015/2016

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DER SCHRITT ZUM SPITZENTEAM?

FCW-Trainer Jürgen Seeberger sprach noch im Mai davon, dass er „keinen grossen Umbruch“ erwarte, was die personelle Besetzung seiner Equipe zum Saisonstart anging. Nun, fast zwei Monate später, wird sich nicht nur der deutsche Cheftrainer, sondern auch manch anderer im Umfeld des Vereins überrascht zeigen ob der hohen Personalfluktuation im Kader des „Eins“. Ganze zehn Abgänge, und da ist der zu erwartende Absprung Sead Hajrovics nach Wil noch nicht mitgezählt, und bisher deren vier Neuzugänge haben das Kader nicht nur qualitativ, sondern insbesondere quantitativ geschwächt.


Waren einige Weggänge aus eigenem Willen erfolgt (Nushi, Moser, Menezes, Baumann), waren andere Akteure aus verschiedensten Gründen nicht mehr zu halten – sei es Manuel Akanji, der dem Ruf des grossen FC Basel folgte, oder Stefan Iten, der sich dazu entschloss, seine Profi-Karriere zu beenden. Etwas überraschender kamen dann die Abgänge Antonio Marchesanos und Amin Tighazouis, die beide die jeweiligen Vertragsangebote des FCW ausschlugen. Während der kleine Tessiner beim FC Biel unterschrieben hat, bleibt der Franzose weiterhin vereinslos. Genauso mühsam wie die Episode mit Tighazoui verhielten sich die Transferwirren um Angreifer Genc Krasniqi, der von den Grasshoppers abgeworben werden soll, allerdings dort immer noch keinen Vertrag erhalten hat. Im Training auf der Schützenwiese jedenfalls weilt er schon länger nicht mehr, zum Kader des FCW gehört er genauso wenig.

Neu sind Torhüter David von Ballmoos, der leihweise für zwei Jahre von den Berner Young Boys dazu gestossen ist, Mittelfeldmann Marco Mangold vom FC Thun sowie Claudio Holenstein, der ebenso auf Leihbasis vom FC Luzern (mit Option) zur Verfügung gestellt wird. Am Donnerstag stiess noch der ehemalige Winterthurer Michel Avanzini dazu, um das Mittelfeld weiter zu verstärken. Im Verein ist man sich aber im Klaren darüber, dass vor allem noch in der Defensive Nachholbedarf besteht, dass selbst bei einem (nicht zu erwartenden) Verbleiben Sead Hajrovics zwei Verteidiger das knappe Kader ergänzen müssen. Von der Stamm-Abwehrreihe der Spielzeit 2015/16 verbleibt lediglich noch Linksverteidiger Dennis Iapichino. Es ist schon auch so, dass die ein oder andere Person im (Fan-)Umfeld langsam etwas nervös geworden ist, was die eher zurückhaltende Transferaktivität anging, und das ist gewissermassen auch verständlich, wenn man beobachtet, wie gleichzeitig Vereine wie Wil, Biel, Aarau, Lausanne, aber auch finanzschwächere Clubs wie Le Mont ihre Equipen im grossen Stil umbauen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass beim FCW doch ein gewisses (eingespieltes) Gerüst vorhanden ist, dass zum Beispiel die Mannschaft in der Offensive weitestgehend „steht“ und auf jeder Position eine Doppelbesetzung aufweist. Zu erwarten ist, dass neben Kapitän Patrick Bengondo im Sturm der junge Christian Fassnacht auflaufen wird, der eine gute Vorbereitung als Topscorer (drei Tore) abgeschlossen hat und mit seinen positiven Auftritten bereits in der Rückrunde zu überzeugen wusste. Joao Paiva muss sich also wohl zuerst einmal hinten anstellen.


AVANZINIS TRANSFER BEFEUERT KONKURRENZKAMPF Die Aufstellung im Mittelfeld schien klar – bis am Donnerstag Michel Avanzini auf der Schützenwiese einen Zweijahresvertrag unterschrieb. Tunahan Cicek und Claudio Holenstein hätten sicherlich die Aussenpositionen bekleidet (sie werden es zum Start auch tun), mit Marco Köfler und Marco Trachsel als „backups“. Durch Avanzinis Transfer – er ist normalerweise im linken Mittelfeld unterwegs – ist nun aber der Konkurrenzkampf auch dort neu belebt. Marco Mangold und Gianluca D’Angelo scheinen in der Zentrale gesetzt, und auch hier hat Seeberger mit Stefano Milani (wenn er wieder fit ist) einen Spieler in der Hinterhand. Sandro Foschini – wenn er denn von seinen Aufgaben hinten rechts wieder abgelöst wird – kann im Mittelfeld sowohl im Zentrum als auch auf der Seite agieren. Patrik Schuler stellt einen ähnlichen Fall dar – sobald der Verein einen Innenverteidiger (oder mehr) unter Vertrag genommen hat, besteht die Möglichkeit, dass er wieder ins Mittelfeld vorrücken wird. Problematisch wird es wie angesprochen im defensiven Bereich, wo einzig die Position links mit Dennis Iapichino, dahinter Marco Köfler und – sobald matchfit – dem jungen Tobias Schättin fast schon überbesetzt ist. Mit dem jungen Nachzügler Jan Elvedi (18) hat man im Prinzip bei einem tatsächlichen Abgang Sead Hajrovics lediglich noch einen „richtigen“ Innenverteidiger zur Verfügung, da Patrik Schuler momentan noch der Personalnot geschuldet in dieser Rolle agiert, auch wenn es eine Position ist,

die ihm liegt und zusagt. Schuler sagt auch offen, dass er „am liebsten Innenverteidiger oder auf der 6erPosition“ spiele, das wisse auch der Trainer. Er zeigt sich auch durchaus flexibel, was sein Einsatzgebiet angeht, und fügt an: „Unter dem Strich helfe ich der Mannschaft dort, wo ich aufgestellt und benötigt werde. Aufgrund meiner Erfahrungen auf verschiedenen Positionen bereitet mir das mittlerweile keine Mühe mehr in der Matchvorbereitung.“ Marco Köfler derweil scheint im Abwehrzentrum keine valable Alternative zu sein, seine Stärken liegen anderswo. Und auf der rechten defensiven Seite steht gar kein einziger nomineller Verteidiger zur Wahl, auch hier wurden verschiedene Varianten – erst mit Schuler, danach mit Foschini, zwischendurch auch mit dem jungen Lanza – ausprobiert.




TORHÜTERFRAGE Höchstinteressant entwickelt hat sich das Torhüterduell, das sich ähnlich knapp präsentiert wie zum Start der letzten Spielzeit. Die Voraussetzungen sind dieses Jahr allerdings etwas anders: Einerseits hatte Trainer Jürgen Seeberger eine komplette Vorbereitung Zeit, sich ein Bild Matthias Minders und David von Ballmoos zu machen. Anderseits waren die Leistungen der Torhüter von weniger Fehlern geprägt – konkret in den Sinn kommen einem nur ein an einem guten Tag haltbaren Gegentreffer gegen GC (von Ballmoos) und einen von Matthias Minder „eingeleiteten“ Strafstoss in Hochdorf gegen Luzern. Will man aus der Hauptprobe gegen St. Pauli Rückschlüsse ziehen, dürfte man leicht in Richtung von Ballmoos tendieren, der dort besonders in einer Szene glänzen durfte. Es gestaltet sich aber ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden.

SIEGLOS IN DER VORBEREITUNG – ABER DER SCHEIN TRÜGT Wer nur einen Blick auf die Testspielresultate des FCW werfen würde, könnte schnell zur Annahme kommen, die Mannschaft starte

mit negativem Momentum in die Saison. Das wäre aber, nach Betrachtung der jeweiligen Leistungen, mehr als unfair. In der Tat war der einzige Punktgewinn, ein 1-1 gegen YF Juventus, keine Offenbarung. In den vier Niederlagen danach, allesamt gegen oberklassige Clubs (FCZ, GC, Luzern) oder auch gegen St. Pauli, war die Mannschaft jedoch oft nahe dran am Gegner, gar mindestens ebenbürtig. Man könnte also auch behaupten, dass man zum Saisonstart durchaus auch Momentum aus den letzten sechs Spielen der abgelaufenen Saison mitnehmen kann, als man ungeschlagen blieb. Als Gewinner aus diesen fünf Testpartien herausgegangen ist sicherlich Christian Fassnacht, aber auch solche wie Gianluca D’Angelo, Sandro Foschini oder Patrik Schuler spielten eine mehr als solide Vorbereitung. Marco Köfler derweil, ein wichtiger Bestandteil des Kaders und vielseitig einsetzbar, ist aber in der Rangordnung wieder etwas hinter Dennis Iapichino gerutscht, nachdem er gegen Ende der Spielzeit 14/15 noch einige Partien von Beginn weg in Angriff nehmen durfte. Und Joao Paiva, nach zuletzt 15 Saisontoren, scheint wohl vorerst – nicht ganz unverdient – seinen Stammplatz verloren zu haben, etwas, was sich abgezeichnet hatte.

Mannschaften anzustellen würde einer Lotterie gleichkommen, entsprechend schwer scheint eine zuverlässige Prognose, in welche Richtung sich der FCW in Spielzeit zwei unter Jürgen Seeberger entwickeln wird. Realistischerweise sollte sich aber diese Equipe – vorausgesetzt, es werden noch die notwendigen Korrekturen in der Abwehr vorgenommen – in den Top 3 einpendeln. Es ist in der diesjährigen Ausgabe der Challenge League auch wiederum kein klarer Favorit auf den Aufstieg erkennbar – das Leistungsvermögen des Absteigers Aarau, der einen grossen Umbruch hinter sich hat, einzuschätzen gestaltet sich beispielsweise als ziemlich schwierig, auch wenn die Equipe des letztjährigen Aufstiegscoaches Livio Bordoli um den direkten Wiederaufstieg mitspielen wird. Ähnlich unvorhersehbar sieht es in Lausanne aus, und gar undurchsichtig in Wil, wo eine teure, bunt zusammengewürfelte Truppe unter neuer Führung den Aufstieg garantieren soll. Biel verspricht sich durch neue Besitzerverhältnisse, mit einem neuen Stadion und aufgerüsteten Kader mehr als in der letzten Saison. Ebenso ungewiss scheint die Frage nach dem Absteiger – selbst Le Mont scheint sich mit der ein oder anderen passablen Verstärkung realistische Chancen auf den Klassenerhalt ausgerechnet zu haben, während der FC Wohlen Einen Quervergleich zu den anderen neun ChL- nicht nur seinen Trainer, sondern auch


gleich fünf Stammspieler verloren hat (Buess, Pnishi, Bühler, Pezzoni, Rapp). Dass im Freiamt also eher wieder gegen den Abstieg als um den Aufstieg gespielt wird, scheint eine der wenigen seriösen Aussagen, die man tätigen kann, bevor der Ball wieder rollt. Rückkehrer Xamax backt inzwischen kleinere Brötchen, für den Verbleib in der Liga sollte es aber reichen. Die Saison geht für den FCW am Samstag mit einem Derby gegen den „neuen“ FC Wil auf der Schützi los. Die exakt selbe Paarung markierte bereits ein Jahr zuvor Jürgen Seebergers erstes Pflichtspiel zum Auftakt der Spielzeit 2014-15, als man die Ostschweizer mit 4-0 abschoss. Die Auswärtspartie der 2. Runde beim FC Biel, die aufgrund des Stadion-Neubaus („Tissot Arena“) bereits auf den 19. August neu angesetzt worden war, wurde bekanntlich auf Antrag des FCW um eine Woche auf den 26. August verschoben. Die unangenehme Spielplan-Situation des FCW – gedroht hatten im August 5 Partien in 12 Tagen – wurde so wenigstens etwas entschärft. Dieser Umstand hat auch zur

Folge, dass der FCW einerseits mit zwei Heimspielen hintereinander in die Saison startet, anderseits zwischen seinen ersten beiden Meisterschaftspartien eine Pause von mehr als zwei Wochen „geniesst“, bevor es am Montag, 3. August ins erste TV-Spiel der Saison geht – auf der Schützi gegen Martin Ruedas FC Wohlen. Als „Lückenfüller“ hat man darum am 26. Juli in Konstanz einen Testmatch gegen den Bundesligisten VfB Stuttgart organisiert. Das „grosse“ Derby beim FC Schaffhausen am 10. August bildet den Auftakt für drei aufeinanderfolgende Spiele in der Fremde und ist dann gleichzeitig auch das erste Auswärtsspiel der Seeberger-Equipe. Dass die Spielplansituation also im Verein und beim Trainer nicht für Jubelstürme gesorgt hat, ist verständlich.



AUSWÄRTSBILANZ VERBESSERN UND „IM AUFSTIEGSKAMPF DABEI SEIN“ Eines ist klar: Jürgen Seeberger und seine Mannschaft werden sich unabhängig davon zum Ziel setzen, den vierten Rang der Vorsaison zu verbessern und die negativen Aspekte der letzten Spielzeit für eine Steigerung zu nutzen. Spontan wäre da die Auswärtsbilanz zu nennen – sechs Siege in den letzten 36 Auswärtsspielen, erst unter Kuzmanovic, danach unter Seeberger, sind ganz einfach zu wenig, um oben mitspielen zu wollen. Perfekt wäre, die Balance zwischen der starken Offensivabteilung und einer sicheren Abwehrreihe zu finden, was 2014/15 oft nicht gelingen wollte. Das ist sich auch FCW-“Urgestein“ Patrik Schuler bewusst, der sagt, dass es „eine wichtige Aufgabe des gesamten Teams“ sein wird, dass „wir die

Anzahl Gegentore minimieren können“. Er will die bekannte Heimstärke auch weiter ausbauen und „auswärts viel mehr Punkte“ holen. Seeberger sprach rückblickend von den selben Baustellen, aber auch immer wieder von der Winner-Mentalität, die auf der Schützenwiese implementiert werden müsse. Tatsächlich war der FCW auch in vielen Spielen, die er verloren hatte, nicht die schlechtere Mannschaft man denke da an Auswärtspartien in Lugano oder Wohlen im Frühling, oder das Heimspiel gegen Lausanne im November. In Seebergers pointierten Worten ausgedrückt: „Wir mussten immer unheimlich viel Aufwand betreiben, um zu Punkten zu kommen.“ Die mentale Entwicklung ist das eine, die spielerische das andere Thema. Bei letzterem wurde letzte Saison mit dem neuen Trainer bereits erfolgreich angesetzt, zumindest offensiv. Man darf also gespannt sein, welche


Fortschritte die Equipe nach einer kompletten Vorbereitung mit dem Konstanzer Trainer gemacht hat, und ob der Schritt zu einem Spitzenteam gemacht werden kann. Ebenso, welchen Einfluss der neue Assistent Thomas Binggeli auf die Mannschaft haben wird. Diese jedenfalls traut sich einiges zu - der neue Vize-Captain Patrik Schuler etwa spricht vom Ziel, „dass wir in der Winterpause voll im Aufstiegskampf dabei sind.“ Als FCW-Fan darf man dieser Equipe auch durchaus etwas zutrauen, insbesondere offensiv. Sollten sich die defensiven Verstärkungen bewahrheiten, darf man davon ausgehen, dass sich die Winterthurer mit ihrem Trainer, der bisher vieles richtig gemacht hat, weiter steigern werden. Geschäftsführer Andreas Mösli drückte es am Freitag im „Tagi“ so aus: „Wir wollen den Rückstand auf Platz 1 verringern, wenn möglich auf null.“ Wohin die Reise schliesslich gehen wird, wird sich zeigen.

TEXT: RAMON FRITSCHI FOTOGRAFIEN & DESIGN: MILAD AHMADVAND


FCWINTI.COM EIN PROJEKT VON RAMON FRITSCHI UND MILAD AHMADVAND


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