Gai Dao No 112 - Januar 2021

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Gai Dào N°112 - Januar 2021 [改道]

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Illegalismus goes Pop! Popkulturelle Aneignungen der Bonnot-Bande in Frankreich Von: Maurice Suhmann

Die Bonnot-Bande, benannt na dem Anführer Jules Bonnot, geniesst in Frankrei ein Stü weit den Ruf, eine moderne französise Fassung von Robin Hood und seinen Mannen zu sein. Dass es si bei der Bande um Anarist*innen, d.h. konkret um Illegalist*innen, handelt, tut der Sae keinen Ab‐ bru sondern gibt dem Ganzen no einen gewissen Flair. Ihnen gelangen zu Beginn des 20. Jahr‐ hunderts eine Reihe von spekta‐ kulären Banküberfällen in Paris – vor allem auf die Société Générale – und sie demütigten damit die Bourgeoisie. Das Er‐ folgsgeheimnis von ihnen waren die snellen Autos, die denen der Polizei in Punkto Geswin‐ digkeit um einiges überlegen wa‐ ren. Der heroise Abgang der Band in ihrem Verste in Choi‐ sy-le-Roi bzw. in Nogent-surMarne tat das Übrige, um den Mythos zu komplementieren. Auf Grund ihres jungen Alters – Bonnot war gerade einmal 35 Jahre alt, als er ums Leben kam – haen sie au no das ritige Al‐ ter für (linke) Popstars. Angebli soll er au zeitwei‐ lig als Chauffeur für Arthur Conan Doyle, den Vater von Sherlo Holmes, gearbeitet haben. Vor diesem Hintergrund verwundert es nit, dass die Gesite jener Illegalist*innen Stoff für die popkulturelle Adopti‐ on in Frankrei bot und immer no bietet. Im deutsspraigen Raum liegen ausser Übersetzungen (meist) französiser Studien und Romane (s. Literaturlis‐ te) kaum eigene Publikationen vor. Im Polizeimuseum1 in Paris widmet si eine eigene Vitrine dem Wirken jener Gruppe und zeigt u.a. (kein Witz!) Originalbarthaare des Anführers. In Nogent-sur-Marne, dem Ort, wo es zur finalen Sießerei kam, bei der Bonnot sein Leben verlor, widmete man anläßli des 100. Todestages von Bonnot der Bande eine eigene Ausstellung. Sie werden dabei in der Populärkultur häufig zu „tragisen Banditen“ verklärt.

Stoff aus dem die Krimis sind – Léo Malet und Bonnot Wer könnte si besser eignen, die Gesite der Bon‐ not-Bande literaris aufzuarbeiten als der Anarist und Krimiautor Léo Malet2? In der Vorbemerkung zum Roman heißt es vom Verfasser: „Es wird dem Leser also mögli sein, diese beiden psyokrimi‐ nellen Berühmtheiten – sowie ge‐ wisse ‚Expropriateure‘ wie die in‐ dividualistisen Anaristen der Bonnot-Bande – in der Hauptfi‐ gur von ‚Das Leben ist zum Kot‐ zen‘ wiederzuerkennen.“ In sei‐ ner Autobiographie „Stoff für viele Leben“ srieb Malet über den Roman: „Am Anfang wollte i den Abstieg eines Banditen mit Idealen (Bonnot) zum ge‐ wöhnlien Verbreer zeigen. Diese Sozialstudie verwandelte si bald in die Darstellung eines Minderwertigkeitskomplexes. In beiden Fällen jedo bleibt das ema dasselbe: das Versagen.“ Malets Krimia‐ daption wurde wiederum für das Medium Comic von dem Zeiner Youssef Daoudi und dem Szenaristen Phi‐ lippe Bonifay adoptiert. Es ist sierli die einzige Co‐ mic-Adoption, die nit aus der Feder von Tardí stammt. Exkurs: Bonnot im italienischen Krimi Au in Italien, wo es ebenso wie in Spanien eine Tra‐ dition des Illegalismus gibt, die in dieser Form nie in Deutsland eine nennenswerte Bedeutung erlangt hat, wurde Bonnot literaris aufgegriffen. Pino Cacucci hat einen Montageroman („Besser auf das Herz zielen“) über das Leben von Jules Bonnot verfasst – si wei‐ testgehend an der realen Gesite orientierend, zeinet er dabei das Bild eines heroisen Rebellen. Mit einem Augenzwinkern ist dabei sierli die Refe‐ renz auf Maurice Leblancs Meisterdieb Arsène Lupin zu verstehen, der wie Cacucci seinen Bonnot bemerken


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