Gai Dao No 112 - Januar 2021

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[改道] Gai Dào

N°112 - Januar 2021

Malatesta: Warum er so gut ist und was er uns heute zu sagen hat Von: Jens Störfried

In Widersprüen denken und handeln zu können – mens könnte der Ansit sein, dies träfe vor allem auf unsere als „postmodern“ besriebene Gesell‐ sasform zu. Früher wäre hingegen alles klar gewe‐ sen. Also beispielsweise, wer die Freund*innen und wer die Feind*innen sind, weler Weg zur sozialen Revolution führt, wie eine sozial-revolutionäre Bewe‐ gung si organisieren müsste und dergleien. Do wer glaubt, die Dinge wären in der Vergangenheit im‐ mer klar und eindeutig gewesen, irrt si gewaltig und unterliegt der Rüprojektion ihrer* Sehnsut in eine vermeintli geordnete Welt. Er* ist entweder Roman‐ tiker*in und glaubt an das Mären einer besseren Ver‐ gangenheit oder einer allseits harmonisen, heilen Zukun. Oder sie* ist Dogmatiker*in und konstruiert Vergangenes und Zuküniges na den zu erreien‐ den Zielvorstellungen, die in der Regel nit dur gleiberetigte Diskussion und Entseidungen, son‐ dern autoritär, festgesetzt werden. In beiden Fällen geht es darum, endli Ordnung in das Chaos zu brin‐ gen, indem die bestehende Herrsasordnung über‐ wunden und eine freiwillige Assoziation eingeritet werden kann. Es geht au um die Gewinnung von Handlungsmöglikeiten, das Nutzen von Spielräumen, in einer komplizierten, verrüten und widersprüli‐ en Welt. Die Besäigung mit dem berühmten italienisen Anaristen Errico Malatesta kann uns einen Weg auf‐ zeigen, beides zurüzuweisen: Die Romantik und die Dogmatik. Denn beide gehen an der Wirklikeit einer komplexen Welt vorbei und führen immer wieder dazu, si entweder in Traumwelten zu isolieren oder ande‐ ren die eigenen Vorstellungen aufdrüen zu wollen. Malatesta ist dagegen dur und dur Pragmatiker – und zwar im eigentlien Sinne des Wortes. πρᾶγμα (pragma) ist grieis und bedeutet „Handeln“ und „Tun“. Malatesta orientiert si an den Handlungen die er wahrnimmt und ritet si na der Sae aus, die er anstrebt, verstrit si dabei jedo nit in absur‐

de Spekulationen, idealis‐ tise Konstruktionen oder identitäre Positio‐ nen. Interessanterwei‐ se ist es eben dieser Modus, dur welen sein Denken offen und zuglei bestimmt er‐ seint. Weil er mit seiner offensitli großen Sehn‐ sut na Anarie prag‐ matis umzugehen gelernt hat und si dur diese vermutli selbst kennen gelernt hat, war er in der Lage, über 50 Jahre lang aktiv in der anaristi‐ sen Bewegung seiner Zeit mitzuwirken. Son mit 14 wurde er in seiner süditalieni‐ sen Heimatstadt Capua in Kampanien das erste Mal festgenommen, weil er si über politi‐ se Ungeretigkeiten beswerte. Mit 18 flog er von der Universität, weil er an einer Demonstration teilge‐ nommen hae, trat der Internationalen Arbeiterassozi‐ ation bei und traf auf Bakunin, der ihn sehr inspirierte. Mit 24 zeelte er einen kleinen Aufstand in zwei Dör‐ fern an und floh ansließend na Ägypten. Seit die‐ ser Zeit führte Malatesta ein umtriebiges Leben, dass ihn über die Sweiz, Rumänien und Frankrei, für 3 Jahre na Argentinien und viele Jahre na London führte, wobei er immer wieder na Italien zurükehr‐ te. Na der Matergreifung der Fasisten starb er sließli in Rom unter Hausarrest. Sein Leben lang propagierte Malatesta den anaristisen Kommunis‐ mus, befand si fast 10 Jahre lang in Ha, nahm an anaristisen Konferenzen teil, führte Vortragsreisen


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