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SPUR DER STILLE

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ANIMA CREATIVA

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Romanische Kirchlein sind nicht nur historisch interessant: Sie umgibt eine friedvolle Ruhe, wie gemacht, um zu sich zu finden. Vom Zauber, der einen in der Burgkapelle St. Stephan in Morter ergreift

Es gibt diese Stille in den Bergen, eine maßlose Stille, die den Menschen schrumpfen, ihn ganz klein werden lässt, weil er sich messen muss mit der Unendlichkeit. Es gibt die Stille in den großen Gotteshäusern, die weihrauchschwer ist, der man sich kaum entziehen kann. Und dann gibt es noch eine Stille, in der man zu einer kontemplativen Ruhe finden, die kompakter ist. Eine, in der man nicht riskiert, verloren zu gehen, eine, die man aber auch aushalten muss, weil sie einem so nahe ist.

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Die St.-Stephan-Kapelle in Morter ist ein Ort solcher Stille.

Auf einem Felsrücken am Eingang ins Martelltal steht die kleine Kirche, die dem heiligen Stephan geweiht ist, der als erster Christ für seinen Glauben in den Tod ging und als Märtyrer verehrt wird. Die Ruinen der Burg Obermontani liegen gleich daneben.

Nach einem kurzen Fußmarsch erreiche ich das unscheinbare Kirchlein, das nur 8,2 mal 8,7 Meter misst. Schön kompakt, denke ich. Im Stil der Romanik im 14. oder 15. Jahrhundert errichtet, ist das Äußere trutzburgartig, schlicht, ohne jegliches Dekor. Umso mehr überrascht das Innere. Die gotischen Fresken gehören zu den bedeutendsten im Vinschgau.

Ich setze mich auf die hölzerne Gebetsbank, die nicht einladend ist, stehen fühlt sich aber unangemessen an. Ich lasse den Raum auf mich wirken, lasse mich von den Fresken verzaubern. Fast erscheint es mir, als sprächen sie zu mir. Ich bin erstaunt über die Farbenpracht und die zum Teil so gut erhaltenen Wandmalereien. Wie lange zieren sie schon das Innere? Ich überschlage schnell. Fast 600 Jahre. Aus der Lombardei stammen die Maler, die die Legende des Kapellenpatrons, die Geschichte der heiligen Ursula und andere Heiligengeschichten auf die Nordwand brachten. Das war um 1430. Die Fresken der Südund Westwand sind jüngeren Datums, sie entstanden wohl anlässlich der Weihe von 1487: ein Passionszyklus und die Darstellung des Jüngsten Gerichts. Die Erlösten

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