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Ulrike Ottingers Kino der Attraktionen
Für ihre Verdienste um schwullesbisches Filmschaffen erhält Ulrike Ottinger den Pink Apple Festival Award 2020.
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Einen Film von Ulrike Ottinger zu sehen bedeutet immer, gleich mehrfach auf Reisen zu gehen: durch nah und fern, durch Geschichten in der Geschichte, durch die Zeit in der Zeit – oft sind ihre Werke überlang. Die Begegnung mit dem Anderen, dem Fremden, dem Skurrilen ist ein wiederkehrendes Element, ebenso Maskerade und Crossdressing. Die Darstellung des Begehrens wird oft mit Ritualen der Macht verknüpft, aber auch mit Ironie.
Ihre frühen Filme inszenieren ante litteram, was der Begriff «queer» in all seinen Facetten ab den 90er-Jahren umfassen sollte: das Sichtbarmachen von LGBT-Lebensweisen, das Spiel mit Gender und Identität, die Kritik an gesellschaftlichen Normen. So etwa in Ottingers Langfilmdebüt Madame X (1978), einem burlesken «Manifest» der Frauenbefreiung. In dem Piratinnenfilm lädt «die absolute Herrscherin» (Tabea Blumenschein) in ihrem Dasein gelangweilte Frauen auf ihre Dschunke und verspricht «Liebe», «Abenteuer», «Welt» und «Gold». Von überallher kommen die Frauen, die zuerst Machtkämpfe und Eifersucht durchstehen müssen, um schliesslich «mit günstigem Wind» in ein neues, selbstbestimmtes Leben zu segeln. Dabei präsentiert Ottinger «kein narratives Kino, sondern verlangt vom Publikum eine besondere Art des assoziativen Sehens und Hörens», wie Waltraud Liebl schreibt. Ende der 60er-Jahre kehrte die 1942 in Konstanz geborene Ulrike Ottinger aus Paris zurück, wo sie als Malerin, Fotografin und Performerin begonnen hatte, um sich dann dieser neuen Kunst zuzuwenden, dem Film, der alles umfasste, was sie interessierte: «Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges, Musik und Sprache, Rhythmus und Bewegung, Öffentliches und Privates, Politisches und Poetisches, Trauer und Freude». Ausgehend von Tableaux vivants, Comics und Pop-Art entstanden ihre ersten Filme – in Darstellungsart und «Erlebnisweise» ganz «Camp», wie Susan Sontag diese Kunst der Übertreibung beschreibt, die zugleich als «Geheimcode» funktioniere, oft ebenso anziehend wie abstossend – sich aber nur aus dieser Position der Distanz «analysieren» lasse und nicht zuletzt das «Dasein als das Spielen einer Rolle» begreife.
Satire, Traum und Realität Etwa im Bildnis einer Trinkerin (1979), dem ersten Teil von Ottingers BerlinTrilogie. «Sie» – eine Frau von grosser Schönheit (Tabea Blumenschein), aufsehenerregend gewandet – fliegt one way nach Berlin, um dort ihrer Passion zu frönen: dem Trinken. In Alliance mit einer Pennerin folgt ein seltsam faszinierendes, aber auch geheimnisvolles Sightseeing durch die teils spektakulären, teils maroden Szenerien der geteilten Stadt. Ebendort spielt auch Freak Orlando (1981), inspiriert von Virginia Woolfs «Orlando» und Tod Brownings Freaks (1932). Als «kleines Welttheater von den Anfängen bis heute» zeichnet Ottinger darin die Historie in ebenso grossartigen wie absonderlichen Vignetten – von der Antike über mittelalterliche Säulenheilige und Geisselungsprozessionen bis zum Aufmarsch von Nazi-Truppen – in einem vom Surrealismus beeinflussten Mix aus Satire, Traum und Realität.
«Das Kino der Ulrike Ottinger ist ein Kino der Attraktionen», diese «ziehen an, stossen ab, verblüffen, machen staunen», schreibt Gertrud Koch anlässlich von Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse (1984), dem letzten Teil der Berlin-Trilogie. Katakomben mit riesigen Wassertanks, ein mit Zeitungspapier ausstaffierter Ballsaal, die Pappmaché-Opernbühne am vulkanischen Strand: In diesen bizarren Szenerien entfaltet Ottinger eine visionäre Parabel über eine manipulatorische Welt-Boulevardpresse unter dem Zepter von Frau Dr. Mabuse (Delphine Seyrig). Mit Veruschka von Lehndorff in der Rolle des um seine romantische Liebe betrogenen Dorian Gray. Einen Höhepunkt von Ottingers frühem Schaffen, bevor sie sich vermehrt ihren ethnografischen Erkundungen widmet, bildet der Fiktion und Dokumentarisches verknüpfende Johanna d’Arc of Mongolia (1989). Eine heiter-beschwingte Reise in der Transsibirischen Eisenbahn in Gesellschaft eines exzentrischen Trüppchens, dessen weibliche Reisende unter der kundigen Führung von Lady Windermere (Delphine Seyrig) das fahrende «huis clos» im Lauf des Films mit der Weite der Steppe vertauschen, um mit mongolischen Reiterinnen und ihrer geheimnisvollen Prinzessin in eine fremde Kultur einzutauchen.
Eine Einführung in Ulrike Ottingers Universum gibt das Künstlerpor - trät Die Nomadin vom See von Brigitte Kramer, das diese kleine Hommage ergänzt.
Doris Senn
MADAME X – EINE ABSOLUTE HERRSCHERIN BRD 1978
«Die Herrscherin des Chinesischen Meeres appelliert an alle Frauen, ihren zwar bequemen und sicheren, aber fast unerträglich eintönigen Alltag einzutauschen gegen eine Welt voller Gefahren und Ungewissheit, aber auch voller Liebe und Abenteuer.
Madame X wurde zum Angelpunkt queerer Filmgeschichtsschreibung: ‹Dieser Film hat keine Spur von Ängstlichkeit. Im Gegenteil: Denen, die gegen die Faszination dieser ritualisierten, vollkommen ästhetisierten Gewalt stramme Abwehr in Marsch setzen, macht er Angst. Denn auf dem Frauenschiff Orlando sind die Flaggen Angriff, Leder, Waffen, lesbische Liebe und der Tod mit einer Schönheit aufgezogen, die den Zuschauerblick nicht absolut beherrschen will. Die Ästhetik unterliegt strenger Stilisierung, die ohne Überwältigung sich frei herzeigt.› (Karsten Witte)» (Arsenal, Institut für Film und Videokunst e. V., arsenal-berlin.de)
145 Min / Farbe / DCP / D/e // DREHBUCH, REGIE, KAMERA, MUSIK Ulrike Ottinger // SCHNITT Dörte Völz // MIT Tabea Blumenschein (Madame X), Monika von Cube (Carla FreundGoldmund), Roswitha Jantz (Noa-Noa), Irene von Lichtenstein (Blow-Up), Christine Lutze (Betty Brillo).
BILDNIS EINER TRINKERIN BRD 1979
«Unter Berufung auf Rainer Werner Fassbinders respektlosen, cleveren Kitsch, Federico Fellinis karnevaleske Groteskerien und Werner Schroeters undurchdringliche, autobiografische Selbstevidenz bringt Bildnis einer Trinkerin jenes hochstilisierte, lustige, frustrierende, schräge, dekadente, berauschende und fieberhafte Delirium, das Ulrike Ottingers Kino ausmacht, auf den Punkt. Als Chronik einer archetypisch schönen, tadellos gekleideten Frau ‹von antiker Würde und raffaelischem Ebenmass›, die eingangs ‹Sie› genannt wird, die beschliesst, sich aus ihrem privilegierten Leben in La Rotunda verabschieden, und ein Ticket ‹aller jamais retour› nach Berlin-Tegel bucht, um ihrem einzigen wahren Wunsch zu folgen – sich auf eine Sightseeing-Sauftour durch die Stadt zu begeben –, untergräbt der Film die ikonischen Bilder von Hollywood-Glamour-Königinnen und Problemkiez-Pennerinnen mit einem parodistischen und egalitären Blick auf die Trunksucht aus der Perspektive einer sich nie rechtfertigenden, jetsettenden, fröhlichen Alkoholikerin und stellt sich dabei gegen die Scheinheiligkeit kultureller Einstellungen zum gesellschaftlichen Alkoholkonsum.» (Acquarello, filmref.com, 22.12.2017)
109 Min / Farbe / DCP / D/e // DREHBUCH, REGIE, KAMERA Ulrike Ottinger // MUSIK Peer Raben // SCHNITT Ila von Hasperg // MIT Tabea Blumenschein (Sie), Lutze (Trinkerin vom Zoo), Magdalena Montezuma (Soziale Frage), Orpha Termin (Exakte Statistik), Monika von Cube (Gesunder Menschenverstand).
FREAK ORLANDO BRD 1981
«Virginia Woolf trifft auf deutschen UndergroundCamp in Ulrike Ottingers 128-minütigem Spektakel aus Performance-Kunst und Kuriositäten. Eigentlich liegt der politische Fokus näher bei dem von Tod Brownings Freaks als bei Woolfs ‹Orlando›, auch wenn Ottinger von Woolf die Vorstellung eines ‹idealen Protagonisten, der alle sozialen Möglichkeiten – Mann und Frau – repräsentiert, die wir normalerweise nicht haben›, übernommen hat. Die fünf Episoden zeigen den Helden/die Heldin im Kaufhaus Freak City (zusammen mit ihren sieben zwergenhaften Schuhmachern), im Mittelalter, gegen Ende der Spanischen Inquisition, in einem Zirkus (wo er sich in Delphine Seyrig, eine von zwei siamesischen Zwillingen, verliebt) und mit vier Bunnies auf einer grossen Europa-Tournee (während der sie auf einem jährlichen Festival der Hässlichen auftritt). Der ganze Film ist so unterschiedlich wie ein Zirkus, aber es gibt einige unbezahlbare Sequenzen, darunter eine virtuose Solodarbietung von Christus am Kreuz.» (Jonathan Rosenbaum, chicagoreader.com)
128 Min / Farbe / DCP / D/e // DREHBUCH, REGIE, KAMERA Ulrike Ottinger // MUSIK Wilhelm Dieter Siebert, Else Nabu, Albrecht Riermeier // SCHNITT Jackie Raynal, Dörte Völz // MIT Magdalena Montezuma (Orlando), Delphine Seyrig (Helena Müller), Albert Heins (Herbert Zeus), Claudio Pantoja (1. Tänzer), Hiro Uchiyama (2. Tänzer), Galli Müller (Chronistin), Eddie Constantine (Säulenheiliger).
«Frau Dr. Mabuse, Herrscherin über einen internationalen Pressekonzern, will zum Zwecke der Auflagensteigerung eine Kunstfigur kreieren, die zunächst alle Träume der Leserschaft erfüllt, um sie dann vor deren Augen zu vernichten. Ihre Wahl fällt auf Dorian Gray. Dr. Mabuse führt den rei-
> Madame X.
> Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse.
chen, narzisstischen Dandy in die Oper aus, wo er sich in die Sängerin Andamana verliebt. Auch auf dem Presseball und einer Weltreise durch die Unterwelt macht er eine glänzende Figur – und Dr. Mabuse mit der Berichterstattung hohe Profite. Doch dann wendet sich der moderne Homunkulus gegen seine Schöpferin …
Anders als ihr androgyner Held im Film hat Ulrike Ottinger die Vorlesung über ‹Subversive Ästhetik› nicht verpasst: In ihrer futuristischen Medientravestie verbindet sie Avantgardekunst und Triviales, Underground und Weltkulturen, Videotechnik und Voodoo zu einem Welttheater, in dem geschlechtliche und sozial verfestigte Rollenzuschreibungen immer wieder lustvoll konterkariert werden. Ottinger hierzu 1984: ‹Für mich würde eine emanzipierte Gesellschaft darin bestehen, dass sie keine Rollenerwartungen mehr an irgendjemanden stellt. Dann käme es auch nicht zur Diffamierung von Minoritäten.›» (Berlinale 2019, berlinale.de)
152 Min / Farbe / DCP / D/e // DREHBUCH, REGIE, KAMERA Ulrike Ottinger // MUSIK Peer Raben, Patricia Jünger // SCHNITT Eva Schlensag // MIT Veruschka von Lehndorff (Dorian Gray), Delphine Seyrig (Frau Dr. Mabuse), Tabea Blumenschein (Andamana), Toyo Tanaka (Hollywood), Barbara Valentin (Susy), Magdalena Montezuma (Golem), Irm Hermann (Passat).
JOHANNA D’ARC OF MONGOLIA BRD/Frankreich 1989
«Vier Frauen reisen mit der Transsibirischen Eisenbahn aus zaristischen Zeiten von Europa nach Asien. Unter ihnen sind die vornehm elegante Lady Windermere, eine Ethnologin und Kennerin der mongolischen Kultur, die deutsche Touristin Müller-Vohwinkel, die Broadway-Sängerin Fanny Ziegfeld sowie die junge Giovanna. Im Speisesaal begegnen sie dem verfressenen Feinschmecker und Sänger Mickey Katz, einem russischen General und den drei Sängerinnen eines Klezmer-Trios, das die Reisenden auf der Fahrt unterhält. Die fröhliche Reise wird abrupt unterbrochen, als eine Horde Mongolen den Zug anhält und deren Anführerin Prinzessin Ulan Iga die Westfrauen auf Kamelen und zu Fuss in die Weiten der inneren Mongolei entführt.
Aus der Kulisse russischer Bahnhöfe und dem musealen Inneren des Eisenbahnwaggons führt Ulrike Ottinger den Betrachtenden in eine fremde, exotische Kultur. Geschickt nutzt sie den ethnografischen Blick und die Wahrnehmungen des Fremden durch ihre fiktionalen Figuren, um einen Einblick in das Leben der Mongolen zu gewähren und gleichzeitig mit viel Situationskomik ihren Spielfilm voranzutreiben. So begegnen sich zwei extrem unterschiedliche Kulturen in einem farbenfrohen Abenteuer, das die sieben Frauen als je eigene Erfahrung mit auf ihre weiteren Reisen nehmen.» (Xenix, November 2012)
167 Min / Farbe / DCP / Mongolisch+F+D // DREHBUCH, REGIE, KAMERA Ulrike Ottinger // MUSIK Wilhelm Dieter Siebert // SCHNITT Dörte Völz // MIT Delphine Seyrig (Lady Windermere), Irm Hermann (Oberstudienrätin MüllerVohwinkel), Gillian Scalici (Musicalstar Fanny Ziegfeld), Inés Sastre (Abenteuerreisende Giovanna), Re Huar Xu (Prinzessin Ulun Iga), Peter Kern (Tenor Mickey Katz).
Brigitte Kramer macht in ihrem Porträt Ulrike Ottinger – Die Nomadin vom See keinen Hehl daraus, dass sie ein Fan von Ulrike Ottinger ist und sich von deren unverwechselbarem Schaffen auch beeinflussen liess. Mithilfe von Archivmaterial und Interviews mit Ottinger zeichnet sie deren Werdegang nach, lässt aber auch Weggefährtinnen und Weggefährten über ihre Mitwirkung in den skurrilen und spektakulären Filmproduktionen der Cineastin sprechen. Das Ergebnis ist eine kurzweilige Einführung in Ottingers Werk, das Appetit auf mehr macht. (mb)
80 Min / Farbe / Digital HD / D // DREHBUCH UND REGIE Brigitte Kramer // KAMERA Jörg Jeshel // SCHNITT Stephan Talneau // MIT Eva Mattes (Kommentar), Ulrike Ottinger, Wieland Speck, Irm Hermann, Ulrich Gregor, Valérie Smith.
Das 23. Pink Apple Festival zeichnet Ulrike Ottinger mit seinem Festival Award aus, den sie am Donnerstag, dem 30. April persönlich entgegennehmen wird.
> The Bad and the Beautiful.
> Lust for Life.
> Spartacus.
Zur Erinnerung an Kirk Douglas
Kirk Douglas (1916–2020) war kein Mann für halbe Sachen. Seine Figuren waren selten reine Helden, sondern oft schillernd und manchmal abgrundtief böse, sein Schauspielstil aber stets intensiv. Scheinbar unverwüstlich, überstand er schwere Unfälle und Schlaganfälle und wurde biblische 103 Jahre alt. Als kleine Hommage zeigt das Filmpodium fünf Filme mit dem letzten grossen Star des klassischen Hollywood.
Der rotblonde Recke mit den stahlblauen Augen und dem unverwechselbaren Grübchen im kantigen Kinn wurde 1916 in Amsterdam, New York, als Sohn jüdischer Einwanderer aus dem heutigen Weissrussland geboren. Als «Sohn des Lumpensammlers» – so der Titel seiner Autobiografie von 1988 – und unter antisemitischen Anfeindungen musste sich der kleine Issur Danielovitch durchschlagen. Er liess sich als Isadore Demsky ein Stück weit amerikanisieren und bewährte sich an der Schule sowohl als Ringer als auch als Schauspieler. Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte er unter dem Namen Kirk Douglas auf der Bühne Karriere machen, aber eine Kollegin von der Schauspielschule, Lauren Bacall, holte ihn 1946 nach Hollywood für sein Leinwanddebüt in Lewis Milestones The Strange Love of Martha Ivers. Als skrupelloser Boxer in Champion (1949) errang er seine erste Oscarnomination und spezialisierte sich fortan auf zwielichtige und gebrochene Figuren. Auch für seine Rollen als despotischer Hollywoodproduzent in The Bad and the Beautiful (1952) und als selbstzerstörerischer Van Gogh in Lust for Life (1956) wurde er oscarnominiert; ausgezeichnet wurde er aber erst 1996 mit einem Ehren-Oscar. Risikofreudig war Douglas bei der Rollenwahl auch in politischer Hinsicht. Selber Kriegsveteran, übernahm er 1957 in Paths of Glory den Part des streitbaren Obersts Dax, der sich gegen unmenschliche Generäle auflehnt; der Film wurde wegen seiner antimilitaristischen Einstellung mancherorts verboten, auch in der Schweiz. Bei Spartacus (1960), wieder unter der Regie von Stanley Kubrick, machte Douglas faktisch der Hollywood-Blacklist ein Ende, weil er den gesperrten Autor Dalton Trumbo, der die Vorlage des linken Romanciers Howard Fast adaptiert hatte, mit eigenem Namen als Urheber des Drehbuchs aufführen liess.
Am 5. Februar ist Kirk Douglas in Los Angeles gestorben.
Michel Bodmer
THE BAD AND THE BEAUTIFUL USA 1952
«The Bad and the Beautiful – kann es einen schöneren und sensationelleren Titel für Hollywoods Hollywood geben? ‹The Bad›, das ist vor allem Kirk Douglas als energiegeladener, manchmal genialer, manchmal fieser Filmproduzent Jonathan Shields. Die realen Vorbilder für diesen manischen Filmemacher, der den American Dream in modellhafter Weise lebt und auch Gangsterboss, Grosskünstler oder Business-Tycoon sein könnte, sind wahrscheinlich Val Lewton und David O. Selznick. Bei der Beerdigung seines Vaters, eines ebenfalls legendären und legendär rücksichtslosen Producers, sieht man Shields, wie er Trauergästen Geld in die Hand drückt. Sie sind nichts anderes als Statisten am Ende des Boulevards der Dämmerung. Ein bitterer, einsamer Abgang droht auch dem jungen Shields, weil ihn das Glück als grossen Impresario verlassen hat. Er braucht jetzt wieder die Schönen und Anständigen, ‹the Beautiful›, die er gemacht und versehrt hat. Seine Kreationen, seine Opfer, auch seine Dämonen, das sind ein Regisseur, ein Autor und die wunderbare Diva Lana Turner. Der Film zeigt in Flashbacks, stark beeinflusst vom Film noir, wie Shields ‹the Beautiful› ausgenutzt hat und wie diese ihn, der auch schön ist als trauriger Satan, jetzt hässlich erscheinen lassen. Ein düsteres Melo also über die grosse Verführerin, die Kino heisst.» (Hans Schifferle, epd Film, 22.8.2014)
118 Min / sw / Digital HD / E/d / ab 14 // REGIE Vincente Minnelli // DREHBUCH Charles Schnee, nach einer Erzählung von George Bradshaw // KAMERA Robert Surtees // MUSIK David Raksin // SCHNITT Conrad A. Nervig // MIT Kirk Douglas (Jonathan Shields), Lana Turner (Georgia Lorrison), Walter Pidgeon (Harry Pebbel), Dick Powell (James Lee Bartlow), Barry Sullivan (Fred Amiel), Gloria Grahame (Rosemary Bartlow), Gilbert Roland (Victor «Gaucho» Ribera), Leo G. Carroll (Henry Whitfield), Vanessa Brown (Kay Amiel), Paul Stewart (Syd Murphy), Ivan Triesault (von Ellstein), Kathleen Freeman (Miss March).
LUST FOR LIFE USA 1956
«Im Gegensatz zum normalen Hollywood-Biopic über ‹den grossen Künstler›, in dem die Kunst immer hinter dem Mann zurücksteht, schildert Minnelli hier das Heranwachsen der Intensität von Van Goghs Kunst. Den ganzen Film hindurch kämpft Van Gogh, von Kirk Douglas brillant verkörpert als ein Mann, der immer auf Messers Schneide steht, darum, sich seiner Familie und Gauguin zu erklären. Doch Minnelli untergräbt jegliche Erklärungen mit den von ihm gewählten Farben – die denen der Gemälde folgen – und indem seine Dramaturgie Ereignisse in Van Goghs Leben kontrapunktisch seinen Bildern gegenüberstellt. Minnelli erklärt weder die Kunst Van Goghs in Bezug auf sein Leben noch umgekehrt, aber er verherrlicht beides.» (Phil Hardy, Time Out Film Guide)
122 Min / Farbe / DCP / E/d / ab 12 // REGIE Vincente Minnelli // DREHBUCH Norman Corwin, nach dem Roman von Irving Stone // KAMERA Frederick A. Young, Russell Harlan // MUSIK Miklos Rozsa // SCHNITT Adrienne Fazan // MIT Kirk Douglas (Vincent van Gogh), Anthony Quinn (Paul Gauguin), Everett Sloane (Dr. Gachet), James Donald (Theo van Gogh), Pamela Brown (Christine), Niall MacGinnis (Roulin), Eric Pohlmann (Colbert), Noel Purcell (Anton Mauve), Henry Daniell (Theodorus van Gogh), Madge Kennedy (Anna Cornelia van Gogh).
PATHS OF GLORY USA 1957
Im Ersten Weltkrieg befehlen französische Generäle einen Angriff auf eine deutsche Stellung, der sinnlos viele Verluste fordern wird. Als der Einsatz scheitert, soll durch die Hinrichtung von drei überlebenden Soldaten wegen Feigheit ein Exempel statuiert werden. Oberst Dax, der den Irrsinn des Angriffs durchschaut hatte, übernimmt die Verteidigung der Sündenböcke vor dem Kriegsgericht.
Auch im Zeitalter von 1917 überzeugt Paths of Glory in Bezug auf die realistische Darstellung des Kampfgeschehens und noch mehr als seltenes Beispiel eines echten Antikriegsfilms. «Paths of Glory war der Film, mit dem Stanley Kubrick in die Reihen der grossen Regisseure aufstieg, um sie nie wieder zu verlassen. Als ich Kirk Douglas 1969 interviewte, erinnerte er sich an diesen Film als Höhepunkt seiner Schauspielkarriere: ‹Es gibt einen Film, der immer gut sein wird, auch noch in vielen Jahren. Ich muss nicht fünfzig Jahre warten, um das zu wissen; das weiss ich jetzt schon.› Er zeigt eine geradezu brutale Sparsamkeit im Ausdruck; es ist einer der wenigen narrativen Filme, in denen man der Erzählweise selbst die Wut anmerkt.» (Roger Ebert, rogerebert.com, 25.2.2005)
87 Min / sw / DCP / E/d / ab 14 // REGIE Stanley Kubrick // DREHBUCH Stanley Kubrick, Calder Willingham, Jim Thompson, nach dem Roman von Humphrey Cobb // KAMERA George Krause // MUSIK Gerald Fried // SCHNITT Eva Kroll // MIT Kirk Douglas (Colonel Dax), Ralph Meeker (Corporal Paris), Adolphe Menjou (General Broulard), George MacReady (General Mireau), Wayne Morris (Leutnant Roget), Richard Anderson (Major Saint-Auban), Joseph Turkel (Soldat Arnaud),
Timothy Carey (Soldat Ferol), Peter Capell (Vorsitzender des Kriegsgerichts), Susanne Christian (=Christiane Harlan) (deutsches Mädchen), Bert Freed (Sergeant Boulanger), Emile Meyer (Priester).
SPARTACUS USA 1960
Der als Gladiator ausgebildete Sklave Spartacus will nicht mehr zur Belustigung der Mächtigen um Leben und Tod kämpfen und zettelt einen Aufstand an, der das römische Reich erschüttert. «Der Uropa von Ridley Scotts Gladiator hat nach fast einem halben Jahrhundert kein bisschen Muskeltonus eingebüsst, und Kirk Douglas’ direkte, unprätentiöse Darstellung des grossen rebellischen Sklaven Spartacus ist einnehmender denn je.
Der 30-jährige Stanley Kubrick führt Regie; Peter Ustinov gibt den zynischen GladiatorenAusbildner Batiatus und Laurence Olivier spielt Crassus, den gruseligen, manipulativen Senator, der in einer aussergewöhnlichen Szene seinen Badesklaven Antoninus, verkörpert von Tony Curtis, fragt, ob er nicht Schnecken lieber hätte als Austern. Die Unterscheidung sei eine Frage des Geschmacks, erklärt er uns, und nicht der niedrigen, schuldhaften ‹Lust›. Die Geschichte von Spartacus kehrt den JesusMythos um: Anstatt von seinen Anhängern verkauft zu werden und einen schrecklichen Tod am Kreuz zu sterben, wird Spartacus beschützt von seinen Truppen, die eher bereit sind, die Kreuzigung zu erdulden, als den in ihren Reihen versteckten Anführer preiszugeben. Ein aufwühlender Klassiker.» (Peter Bradshaw, The Guardian, 5.6.2009)
Die restaurierte Fassung verfügt über eine rund fünfminütige musikalische Ouvertüre von Alex North und ein ebenso langes Zwischenspiel nach der Pause.
197 Min / Farbe / DCP / E/d / ab 14 // REGIE Stanley Kubrick // DREHBUCH Dalton Trumbo, nach dem Roman von Howard Fast // KAMERA Russell Metty, Clifford Stine // MUSIK Alex North // SCHNITT Robert Lawrence, Robert Schultz, Fred Chulack // MIT Kirk Douglas (Spartacus), Laurence Olivier (Marcus Crassus), Jean Simmons (Varinia), Charles Laughton (Gracchus), Peter Ustinov (Batiatus), John Gavin (Julius Caesar), Tony Curtis (Antonius), Nina Foch (Helena Glabrus), Herbert Lom (Tigranes), John Ireland (Crixus), John Dall (Glabrus), Woody Strode (Draba).